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Die Zukunft, 17. Februar, Bd. 30.

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Berlin, den 17.Februar x900.

Carrus Navalis.

Wiegabe,KöniglichedieSebastianBibliothekBrautin Berlin1494 besitztvonseiner Sittensatire »DaseinExemplardererstenAus-Nar- renschiff«veranstaltet hat. FürdasTitelblatt hatderDichter das Schiff gezeichnet,dasdieBrüdergemeindevomSchlauraffenland nachNarragonien führt.Dasiehtman unterSchellenkappendieheiterenoderinihrer grotes- kenFeierlichkeitdochheiter ftimmendenMienendergutenLeute,dievonder FahrtinsferneLand dasHeilderMenschheiterhoffen;sehnsüchtigstrecken dienochnichtEingeschifftenaus kleineren BootendieHändenachdemhohen Bordund unter dasBildhatderSchalkdie Worte geschrieben:»Zu schyff, zUfchyff,Brüder: eß gat, eß gat!«DerstraßburgerSpötter knüpftsein Lehrgedichtandenschondamalsin denNiederlanden undimdeutschenRhein- gebiet heimischenBrauch, nachdesWinters ScheibendieWiedereröffnung derSchiffahrtdurcheinengroßenFestngzufeiern. Wenn, nicht allzu spät nachdemEpiphaniastage,dererste Frühlenzblickdie Ströme vomEisbe- freit hatte,dannwurde infesttägigerProzessioneinbunt ausgeputztes Schiffdurch dieStraßender Städtegefahren,derenwohlhabendenBürgern derFlußverkehrmittelbar oderunmittelbar nützlichwar. JungundAlt freute sichder wärmerwehendenLuft,deshellerenHimmels,dergünsti- gerenGefchäftshoffnung,diesichnachderlangenwinterlichenLeblosig- keitnun wieder bot.DieSchiffe brachtenalte BekannteundneueNach- richtenaus derFremde, löschtenlängst gewünschteWaaren,die der

binnenländischeHandelnicht herbeischaffenkonnte,nahmen Güter,Grüße

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undBotschaftenausderLandungstadtmit undhalfen manchemDarbenden zuauskömmlicherErwerbsmöglichkeit.Deshalbwurden sieüberallfroh begrüßtunddeshalbwurdezumSymbolderFreudeüberdenAbschiedvom WinterderSchiffswagen gewählt,dercarrus navalis,vondem,wie eine Ueberlieferunglehrt,derKarneval seinenNamenerhalten haben soll.Denn derFestzugstagwarder-HöhepunkteinerZeitausgelafsenenFrohsinnes,der aufmancherleiArtenBethätigungsuchteundfand.Männlein und Weib- lein,diesichsonst höchsternsthaftundwürdighielten, thatennunplötzlich scheckigeFabelgewänderan, banden LarvenvordasGesicht,stülptenNarren- kappenaufdasmanchmalnur nochdünnhaarigeoderschonganzkahle-Haupt undverübten tolleStreicheundSchabernack nachderWeise fahrender SchülerundloserDirnen. DerFrühling nahte,daserste Frachtschiffkam wieder inSicht,bald würdevollwichtigeMünze aufdem Ladentischklappern:

dadurfteman SorgeundGriesgramverbannen undsich,ehedieFasten- regelinKraft trat,deranimalischenFreudeanbuntem Spiel hingeben.

DieseStimmungkannteSebastianBraut;darum ließerauf seinemSchiffs- bildedieHäupterderFahrtgenofsenvonNarrenschellenumklingeln.

Rollen die RäderdesNarrenschiffes jetzt durch Deutschlandsver- schneiteAuen? OderistdaserstdenDenkern,danndenHeerhaufenfüh- rern undendlichdenHändlernzugesprocheneLand zurProvinzdesWelt- reichesNarragonien geworden?WerOhren,zuhören,undAugen,dasGe- druckte zulesen,hat,könntesichimheutigenDeutschlandanBord desFabel- fahrzeuges wähnen,dasvonderSchlauraffenküstedenKursins Land der Blauen Wunder nahm.DiethörichtestenVerheißungenwerdenpathetisch ausgesprochenundohne Lächelnerörtert,diephantaftischstenHoffnungen kletternans LichtundlockenunselbständigeGeisterinMärchenwünsche.

UnddiesenganzenSpuk habenein paar Redenheraufbeschworen:dieBe- hauptungdesKaisers, unsereZukunft liege aufdemWasser, undseinRuf, einestarke Flottezuschaffenund mitihrdasgrößereDeutschlandzugrün- den.Vorzehn,vorfünf Jahren hattenoch kaumJemandansolchePläne gedacht;undweretwavoneinerexpansivenPolitik Deutschlands träumte, DerfaßtesichinGeduld,denn dieGeschichtedesReichesschiennochzujung, seineinnereEinheitzuweniggefestigt,das ganzeeuropäischeMachtverhältniß zuunsicherschwankend,umzu einem Trekk insUngewissezu laden.Daheim war,hinterderschöngestrichenenFassade,genugzuthun;dieAufgabe,denMas- sendasZufallslandderGeburtineinewahre,zärtlicherLiebewürdigeHeimath zuwandeln,bot jederbrauchbaren-Krafteinhohes-ZielundnochwarBismarcks

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Garrus N avalis. 275 Wortnicht vergessen,nur anderPfortedeseigenenHauseswerdeunser Besitz,auchderjenseitsderMeereliegende,zuvertheidigenseinundder Deutschesolle sichfreuen, daßerdenasiatischenund anderen orientalischen Händelngleichmüthigerzusehenkönne alsHamletsbetrottelter FreundHe- kubas Schmerz.Datönten die Reden desKaisersvomMeer zumFels,—

undein Taumel packtediesonst Gelassensten.DenZweiflern, selbstden eifrigstenVekennerndesökonomischenDeterminismus, istdamitbewiesen, daßfüreine WeilewenigstensderkräftigeWilleeinesEinzelnen, der,wie mansieht, nicht-einmaleingenialerMenschzusein braucht,diescheinbar lückenloseKette derEntwickelung durchbrechenundeinganzesVolkaus

RuheundStetigkeit scheuchenkann. Schonwundert sichüber das Merk- würdigsteKeinermehr.DesKaisersBruderkommtvoneinerReise zurück, dieihn zweiJahre langdemVaterland fern hielt;erwarinOstasien, hat froheStunden verlebt,werthvolleEindrückeempfangen, gewißManchesge- lernt und inChina, Japanunddenholländisch-indischenSettlements ge- zeigt,daß aucheinDeutscheralsTennisspielerundRadfahrer Vorzügliches leistenkann. DieMöglichkeit,als einHeroszuhandelnundvomblutigen FeldLorber zupflücken,blieb demtüchtigenundbescheidenenSeemann ver-

sagt;unddennochwirdervondennachimmerneuen Sensationen Lechzen- denbegrüßt,alskehrte siegendeinHeldvonHerkulesthatenheim.Wenn man nachden Gründenfragt,wird erwidert: PrinzHeinrichistderReprä- sentant unserer FlotteunddieFlotteiftunsererZukunft einzigerHort.

Ueberall wirdjamitWasser gekocht;wirdin derdeutschenPolitikder aqua- rischeZusatznachgeradeabernicht allzu beträchtlich?ErnsteGelehrtehalten RedenundschreibenArtikel,in denenVernunft Unsinn wird; sie,diedoch wissen müßten undzumgrößtenTheil wohl auch wissen—, daßdie wirthschaftlicheLagedieideologischeRichtung bestimmt, setzensichbilligem Hohnaus,weil siezuglauben scheinen,es könneihrer Veredsamkeitgelingen, aus besitzlosenSektenproletariern feurige Patriotenzu werben. Händler- gimeinschaften,diemansonstnurmitAlkaios singenhörte:xphuarsnzpifuas GhinGeldallein,GeldistderMann, rufeninHymnentonartnun das ReichsoberhauptanundentblößendienationaleBruan auf offenemMarkt vordengaffendenQuiriten. Aneiner anderenEcke desMarkteswird,zum Staunen derFremden,dieneidischbisherundvomGlanz geblendetüber die Grenzeblickten,lautüber desDeutschenReichesWehrlosigkeitgejammert undflennendverkündet,unsereganzeHerrlichkeitkönneübermorgenschon einesfrechenEroberers leichteBeute sein.Histrionen,Thespiskarren-

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276 DieZukunft-

fchieberundBierwirthe forderningereimterRedeauf,demKaiserzum Ge- burtstageinKriegsschiffzuschenken:»Auf,deutschesVolk,zumEhrentage, greif’indieTaschentiefhinein:alsLiebespfandzusammentrageeinKriegsschiff fürdenKaiserDein,damiterschützenkann denHandel,diedeutschenBrüder in derFern’!ErfchirmtdenFrieden ohneWandel: HochWilhelm,Hohen- zollernftern!«Frauenvereinetreteninpomphaften Sätzen fürdenneuen Flottengefetzentwurfein undwerdennächstensvielleichtihren Mitgliedern gegenwasserscheueAbgeordnetedasMittel empfehlen,dassichimehelichen GemachderariftophanischenLysistrateeinstalsso wirksamerwies. Tal- mudischgeschulteRabbiner agitireninihren Predigten fürdieVermehrung derKriegsschiffeurdfürchtennicht einmal, aufdemHeimwegaus der Synagogevon spottluftigen AntisemitenmitdemZuruf begrüßtzuwer- den:HeppHeppHurra!...Mansolltemeinen,dieFrage,obeinStaatmehr Schlachtschiffcbauenmuß,feinachnüchternerPrüfungruhigzubeantworten;

wie derEinzelnesichKosten, RisikoundErtrag berechnet, eheerseinLeben oderseinHausversichert,so müsseaucheinganzesVolkfichleichtüber die HöhederGefahrenprämieklar werdenkönnen,die eszahlenwill, durchfein Interesserzahlengezwungenist.Dasgeschiehtauchin anderen Ländern und sogardieanPhrafen dochnichtarmen Franzosen haben ihrer Regirungeben einehalbeMilliarde für Panzerschiffebewilligt, ohnedabeimiteiner Silbe derHoffnungAusdruckzugeben,dergroßeAufwandkönne der Nationein neuesParadies bescheren.Bei unswehtein andererWind. Darau, daß dievomKaiser gewünschtenSchiffeüberkurzoderlanggebautwerden,zwei- feltimGrunde Niemandmehr;umweitwichtigereDingeaberscheintessichv jetztzuhandeln. DerDeutschewird als einMensch geschildert,der bisheute aufseinem Bergleinoderinseinem Thälchen saß, Kühe, Ziegenund Schweine züchteteundsich,wenn draußenin der Welt einGewitter los- brach,geschwinddieZipfelmützeüber denMichelkopfzog.Jetzt sollerhin- aus, derArme,derseit vierzigJahren nichts,rein garnichts erreicht hat, sollbei der vomredseligenProphetenBülowgeweissagtenneuen Weltthei- lung seinenAnspruch geltend machenundeinmächtigerHerrwerden,der seineHandüberdieganzeErdestrecktundvordessenStirnrunzelnMon- golen undAngelfachsen,YankeesundMandschusin einMauselochkriechen.

DeralteWunderglaube ist wiedererwacht,unddabald dasMorgenroth derüberausherrlichenTagedämmernmuß,vondenenschonlange geredet wird, soüberläßtmansichgern derKarnevalslustundumjauchztdenSchiffs- wagen, den buntausftaffirte Miethlinge durchdieStraßen schleppen.Der

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Carrus Navaljs. 277

WassermanometerstandderBegeisterung ist auf bedenklicherHöheange-«

langtund derKesselkannnächstensplatzenzabervom can-us navalis her klingelnlautundimmerlauter dieFaschingsschellen.

Ihr Narrengeläutklingtbis in denPrachtbaudesdeutschenParla-

«

menteshinein. DreiTagehatdieersteLesungderFlottenvorlageimReichs-«

tage gedauert;undwenn man sichstöhnenddurchdenWustdervonRegi-«

rendenund Volksvertretern gehaltenenRedengearbeitet hat, faßtman an denKopfundfragtwiedereinmal,ob es dennwirklichnöthigist,einenPa- last bauen, erhalten,verwalten zulassenunddasVolk allefünf Jahrein Wahlwirrenzuhetzen, nur,umsolchenResultates sichfreuenzudürfen, nur,um abermals zuhören,wasseitMonaten in allenZeitungenzulesen war. Dawirderzählt,dasdeutscheVolk,dasjährlichungefährsechzig MillionenHektoliterBiervertrinktunddessenSchuldenlastumdieHälfte kleineristalsdieFrankreichs,könnefür seineWehrhaftigkeitneue Opfer nichtbringen.Da wirdverkündet,jetzterst?nahediegroßeEpochedeutscher Macht,derenGlanzallesbisher Geleisteteverdunkelnwerde,jetzterstwerde derungeheure UeberschußanNationalkraft lohnendeVerwendung finden.

Da wird mitrührenderNaivetätvonderMöglichkeitgesprochen,dieimpe- rialistischeExportpolitikmit einerwirksamenPflegedesAckerbaueszuver- binden. DaweisendieWortgläubigenaufeineseitdemJahr1898 fabel- haftveränderteWeltlagehin,diedochKeinervonihnen deutlich definiren kann. Undwenn eineinfacher,nichtzum Redner erzogenerMann aus seinemHerzenkeineMördergrubemachtundmitungelenkerZunge sein ausresoluterUeberzeugung stammendes Sprüchleinsagt,danngeberdendie Hörersich,alsseiin einenPhilosophenkongreßeinJdioteingedrungen.Der DeutscheReichstag istdas heitersteParlamentderWelt ;esgehtdortimmer zu wieauf Kommersen nachdemBeginnderstudentischenFidelität.Als aber dersränkischeMetzgermeisterLeonhardHilpertüberdieFlottenvorlage sprach,daerinnerten dieErwählten sichwahrscheinlich,daß auchderhave- kischeMetzgersprungzu denKarnevalsvergnüglichkeitengehöre:siejohlten, brüllten,kreischten,daßman sichineineBranntweinschänkeversetztglauben konnte.UndwashattederUnselige gesagt,derso lästerlichverhöhntwurde?

Erwarehrlichgewesen,hatte,einBischen plump,wieesebeneines Bauern undDorfmetzgersArtist, ausgesprochen,was mindestensein Drittel der Reichstagsabgeordnetendenkt,aberscheuin desBusens Tiefe bewahrt.

HerrHilperterklärte,ihmundseinenFreundenvom bayerischenBauern- bundgeheesso schlecht,daßsie nichtin derStimmung seien,inBerlin

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278 DieZukunft.

diePatriotenzuspielenundGeldfür Schiffezubewilligen,derenBau denGroßhandelnurnochmehr auf KostenderLandwirthschastbegünstigen müsse.WennneueHandelsverträgeihre Lagebesserten,würdeauchihr Pa- triotengefühlsichwiedererwärmen;undwennAnderedieSchiffe bezahlten, seiendiebaherischenBauern bereit, fürdieVorlagezustimmen. ImGrund ihresHerzensdenkenfastalleErwähltenundWähler so;ubibene,ibi patria, sagte schonderliberaleHerrCicero;undfüreinLand,woesihm schlechtging, hat seltenwohl EinerfreiwilligGut undBluthingegeben.Man setzedenFall,einMinisteroderStaatssekretär sprächeheutezu einemGroß- industriellen: »Wir brauchen,dawirdieLandwirthschaftfürunserwichtigstes Gewerbehalten,einenKornschutzzollvonsiebenMark.Umihn durchzusetzen, werdenwireinigeErschwerungenunserer industriellen Ausfuhrin denKan nehmen müssen,dieauchSieempfindlichspürenwerden. Abereshandelt sichumdathnen bekannteallgemeineInteresseundicherwarte vonJhrem bewährtenPatriotismus unbedingte Zustimmung«Deralso Angere- detewäresicher gewandteralsder windsheimer Schlächtermeister;er würdevonseinemfürdenMassenexporteingerichtetenBetrieb,in dener seinganzes Kapital gesteckthabe,undvonden gegen eingroßesArbeiterheer übernommenenPflichten sprechen,dieFolgeneinerdurch falscheZollpolitik heraufzubeschwörendenindustriellen Katastrophe anschaulich schildernund nicht eher ruhen,als bis dieExcellenzganz genauwüßte,daßdanichtszu machen ist.Wieunendlichschnellerwürde derparlamentarischeApparat arbeiten,wenn immerso bündig,so ohne Phraseundkonventionelle Lüge geredet würde,wieesHerr Hilpertthat!Dann brauchteHerrDiederich HahnnichteinemKollegendenWunschzuzuraunen, dasCentrum möge

»diegräßlicheFlotte« ablehnen,währenderselbstmannhast für jedege- sordertePanzerplatteundSchiffsschraubestimmt,und deralberneHeuchler- vorwurf,derGegnertreibe»Jnteressenpolitik«,würde baldverstummen.

Jnteressenpolitikistimmergetriebenwordenundwird,wieauchdieFormen desideologischenUeberbaues sichändernmögen,immer getriebenwerden.

DaswirthschaftlicheJnteressedereinzelnen,gegen dieKonkurrenzstärkerer Staaten nicht mehr leistungfähigenStämme hatvordreißigJahrendie Reichseinheitentbunden, nicht,wieGrafPosadowsky meint,dieSchwär- mereilyrischgestimmterSeelen. Dasist auchganzgut.DieZahlderfür dasReichSchwärmendenistimdeutschenSüdenwohlrechtspärlichgewor- den; so langederBayer,derPfälzerundSchwabeaberein inklingende Münzeprägbareanteressedaran"hat,einergroßen,geachtetenundgefürch-

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Gan-us Navalis. 279

tetenFirmavonWeltruf anzugehören,brauchtunsum deninnerenBe- standdesReiches nicht allzu bangzu werden.

Diese Firmawillihren Geschäftsbereichjetzterweitern. DieEhefs glauben,esnaheeineZeit,dieFriedrich RatzelinseinergeistreichenSchrift

»DasMeer als QuellederVölkergröße«eineozeanischeEpoche,imGegen- fatzezu denkontinentalen,nennt. Siesehen, daßesvon JahrzuJahr schwererwird, fürdiemühsameundschlechtrentirendeLandarbeitdasnöthige Leutematerialzufinden.Sieseheneine inungeheure Umfängehineinge- wachseneJndustrie, der,weilsie reichlicheralsdieLandwirthschaft löhnen kannundihreArbeiteringroßeGruppen zusammenpfercht,diebrauchbar- ftenKräftezuströmenund dielängstnichtmehr füreinenvorhandenenBedarf produzirt, sondern,umfortbestehenzukönnen,neueBedürfnissewecken,neue Märkteerobernmuß. Jn diesemBemühenwollen dieRegirenden sieunter- stützen.DerEuropäer,so rechnensie,wirdüberhauptnichtmehrlangeAcker- bautreiben;eristzuintelligentund zuanspruchsvoll,umimWinterstumpf amHerdzusitzenundsichvomschmalenErtragderSommerarbeit kärglich zunähren.DieriesigeExportindustriekönnenwir,ohnedieGefahreiner inihren Folgen unabsehbarenKatastropheheraufzubeschwören,nichtopfern:

alsomüssendie Bauern blutenundsichmählichin dieindustriellenFormen derneuen Zeit eingewöhnen.UmdieIndustrievorKrisenzuschützen, müssenwirihrewichtigstenGebietedurch Staatsaufträge aufJahrzehnte hinaus sichern.Also:bauenwirrechtviele undrecht großeKriegsschiffezdie brauchenwirjadoch,umunsereKonkurrenten vondenWeltmärkten zu drän- gen,um dieschwarzenundgelben Menschenzur Arbeitfürunszuzwingen Und, nach Treitschkes Wort, eineMassenaristokratiederweißenRasse zUschaffen.JndenozeanischenEpochen istmitLandheeren nicht mehr vielanzufangen;dieKriegesolcherEpochensind kapitalistischzuführen.Ein gepanzertes LinienschiffkostetungefährzwanzigMillionen. Wennwirdurch unsereRüstungenreichereKonkurrentennöthigen,für neueSchiffezehnmal zwanzigMillionen auszugeben, so haben wirihrfürdenHandelverfügbares Kapitalum zweihundertMillionen vermindert;undwenn wirihnenein Linienschiffzusammenschießen,so habenwirihneneinenempfindlicheren Schadenzugefügt,alseraufkontinentalenSchlachtfeldernmiteinemSchlag möglichwäre. Werweißdenn,wie ein modernerLandtrieg aussehenwürdeund obnichtjedemJndustriestaatauf bestimmterStufe ähnlicheErfahrungenbe- schiedenwären,wieEnglandsiejetztinSüdafrika macht?DieheutigenHändler- imperienkönnen einandernurnochkapitalistischbekämpfen.Deshalb müssen

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280 DieZukunft.

sieaus jedeWeise ihre Kapitalkraftzusteigern versuchen,dieBodenfrüchte möglichstbilligausrückständigenodertropischenLändernbeziehenund,mit Hilfederbesten Maschinen,nur diefeinereArbeitleisten,in derimmerhin derWettbewerb noch beschränktist.WennganzDeutschlanddannaussieht wieBochum,Birmingham, Charleroi,wenn überallSchornsteine qualmen, wenn dieLatifundienzuLandsitzenreicherFabrikanten geworden sindund dieletztenintensivbewirthschaftetenBauerngüterinPommernundOstpreu- ßenso neugierig betrachtetwerdenwiejetztdiealsKuriositäterhaltene letzte FarminNew-York, dannwerdendie Briten ächzendbekennenmüssen, daßsie besiegtsind,unddasirdischeBehagendesdeutschenVolkes wird dann einenungeahntenHochstanderreichen.

Dahin gehtdieReise; undman kann wederHerrnHahn nochHerrn Hilpertverdenken,daßsienicht mitfahrenwollen. DiebayerischenBauern kümmernsichinihrerderbenOffenheit nichtum berlinischeGunst;die preußischenBauernführersind durch InteresseundVetternschaftanden Hofgekettet,sie möchtendenKaiser nicht kränken,dessenMinister sichrächen könnten,undstimmen deshalb fürdieFlotte,diesieimstillenKämmerlein zumHannibalFischer wünschen.WennaberHerrn Hilpertauf seinever- ständigeFrage,wasmandenneigentlichmitdenSchiffenwolle,vomBundes- rathstischeine klare undbündigeAntwortgeworden wäre,dannhättenwohl, inErkenntnißderdrohendenLebensgefahr, auch seinepreußischenBerufs- genossenauf ihre kläglichkleinenDiplomatenkünsteverzichtet.Undmitihnen hätteMancher,dervielleichtbedächte,daßesaußerden BritennochYankees, Rufsen,JapanerundChinesengiebt,sichvorderFahrtins Ungewissegescheut.

Dochdazukamesnicht, durftees umkeinenPreiskommen.Statt dasZiel zuenthüllen,stellendieRegirendensich,alskönntensieaufdem einmalbeschrit- tenenWegefürdenheimischenAckerbauüberhauptnochetwasWirksamesthun undalswüßtensienicht,daßmitjedemneuen JahrdasExportinteressemächti- ger in denVordergrundtretenmuß.Sie redenvonderWahrungdesdeutschen Ansehens,vond·"erNothwendigkeit,dengewaltigvermehrtenHandelDeutsch- lands kräftigerzuschützen,undvonder,,seitzweiJahren völligveränderten Weltlage«.DieseganzePhraseologieistleichtzudurchlöchern.Um dasdeutsche Ansehenstandesniebesseralsin denJahren zwischen1870 und1890;

heute nochzehrenwirvondem damals ohne starkeFlotteerworbenen Pre- stige. JnderselbenZeit hat auchunserHandelseineinternationaleMacht- stellungerlangt;erist ohneMarineschutzgroß,allzu großund überdieBe- darfsdeckunghinaus beutegieriggewordenundwird nicht mehrgeschütztsein

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Carrus Navalis. 281 alsheute,wenn1917die Flottenaller konkurrirenden Staaten vergrößertsein werden.Noch wundersamer klingtdie Märvonder verändertenWeltlage.

Alles,wasseitzweiJahren geschehenistdie über dieGrenzengreifendeimpe- rialistischePolitikderNordamerikaner,derhastigeWettbewerb derRussen, Briten,JapanerundYankeesaufden ostasiatischenMärkten,dersüdafrika- UischeKrieg,derdieEngländerdieGefahreneinerAbhängigkeitdesReichs- eentrums von derPeripheriekennenlehrt,undRußlands rascherErfolgin Persien—, kanndochnurvoneinemUnternehmen abschrecken,dasvorhan- dertJahren,alsEngland ohneKonkurrenzdastand, leichtundprofitlichwar, bei demnun aber dasRisikotäglichwächstunddieReibungmöglichkeitensich insUnermeßlichesteigern. AufeinsolchesUnternehmenwird einernsthaftes, deneigenenLebensinhalt achtendesVolksichnur einlassen,wennesdasZiel klarerkannt,GefahrundGewinnhoffnungsorgsamgegen einanderabgewo- geUhat.EsistHerrseinerGeschicke;abereshat seinerKinderzu denken unddarf sichnichtim NebelaufdieAbenteurerfahrt schleppenlassen.

DasSeefahrerwesen, so sagtman uns,bedeutetfür jedesVolk ein ekzieherischesMoment vonhohemWerth;unddieWeltpolitik zeigtder Nation,dienichtnur vonderErinnerunganFriedrich, BlücherundBis- IIIarcklebenkann,einneuesZiel, nachdem zusteuern sichslohnt.Dasklingt gut undistzumTheil gewißauch richtig-trotzdem dieTagederSeefahrer- komantikdahin sindundmanwohlbehaupten kann, daßauchinderdeutschen Heimathnochlohnende,unerreichte Ziele sichtbarbleiben. WenndasVolk sichnachreiflicherUeberlegungvonseinenWurzeln löst,somagesundmuß essein Schicksalvollenden. Solchen Entschlußaberfaßtman nichtin einer

Stimmung,"diewohlwollendeBeurtheiler vielleichtBegeisterung,andere

Faschingslaunenennenwerden. Wosinddenndie klarenSinnes Begeisterten?

AufdendeutschenAeckern,in denBergwerkenundMaschinensälensind sienicht zUfinden.DieMehrheitwillvonderReife nachGreater Germanynichts wissen;diewinzigeMinderheitderJnteressirtenaber rolltrastlosdenSchiffs- wasen durchdieStraßenundverkündet dasNahen beglückenderWunder.

Jst siestarkgenug,dannwirdsieihrenWillendurchsetzenund mit demGe- WiUUauchdenHaßderingefahrvolleAbenteuer Verstricktenauf sichladen.

Zeitaberwirds, daßdiekindischeKarnevalsluft endlich weicht,die zu dem ernftenGegenstandenicht passenwill. DieReichstagserörterungenhaben SchlauraffenundNarragoniern nocheinmaldieersehnteFidelitätbeschert- NUU solltedasNarrenschiffausDeutschlands beschneitenAuenverschwin- den, ehederletzteFebruartagunsden«grämlichenAschermittwochbringt.

Z

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282 DieZukunft.

In Nordamerika

ffen muß ich gestehen,daß ichmitgemischtenGefühlendenBodender UnionamNiagarabetrat, mitGefühlen,unterdenendieSympathie kaumvorherrschte.Die Art, wiederYankeemitseinerMutter undfort- währendenBlutspenderin Europa umspringt, seinebrutalen Zölle, seine naiveSelbstüberschätzung,seinepolitischeundchauvinistischeLeidenschaftlich- keit, bei deraußerdemdieHeucheleigarzudreist hervortritt, feinreligiöser Formalismus und vorAllem feinKultus desDollars und derunbe- schränktenHerrschaftdesindividuellenErwerbes,beiMißachtungdesStaates undderGesetze, sindamAllerwenigstendazu geeignet,von vorn herein dasHerzeinesseiner BürgerpflichtenbewußtenSchweizerszugewinnen.

Doch findetAllesin der Weltfeine Erklärung,dieKenntnißderUrsachen ändert und mildertdasUrtheilundesgeht schließlichnichtsüber den An- fchauungunterricht.DaserfuhricheinmalmehrinmeinemLeben.

UmachtUhr zwanzigMinuten abends,amsechstenJuli, fuhr ichvomRia- garanachBuffalo, aufdem Erie:See,miteinemschwedischenGuttempler. In derUmgebungdesBahnhofes jenerStadt konntenwirnun dieekelhaften TrinkspelunkenderAmerikaner studiren, ungemüthlicheBars, rohe Tingel- TangelderschlimmstenSorte, woderWirth sich aufdieStraße begiebt,

umdieVorübergehendeninseineHöhlezu locken. SolcheBier-undSchnaps- kneipen gemeinsterArt tragendenpompösenTitel »Sa100n«. Inden Bars,selbstinkleinenRestaurants, verschmähtesderAmerikanermeistens, sichaneinenTischzu setzen. ErsitztanderVerkaufsbank aufeinemhohen, rundenSchemel, verschlingtraschdienöthigeNahrungmit Bier oderWhisiy oderauch ohne solcheGetränke, daerlieberallein trinkt-— undverschwindet wieder. Jch sprechenatürlichnichtvom ,,fashionable«,obwohlesauchauf ihn oftzutrifft-

UmelfUhr zwanzigabends raste ichnun imSchnellng durch Albany nach Worcester,woichamSiebentenumeinUhrankam. Jchwar erstaunt,inMassachusettsüberallhübsche,romantische, starkbewaldeteHügel mitnetten DörfernundFarmenzusehe-n,dennich hattemirdasLandviel flacherundeintönigervorgeftellt. Jn Wortester,einerUniversitätstadtmit etwa hunderttausendEinwohnern, begab ich michindiegroßeundschöne Jrrenanstalt, womeinFreundund LandsmannDr. AdolphMeyeraus

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InNordamerika· 283

Zütich,einbegeisterterundhervorragenderjungerJrrenarztundHirnanatom, AssistellzarztundzugleichProfessoranderMark-Universityist.Erhatdort dasbeste hirnanatomischeLaboratorium Nordamerikas eingerichtet Rasch kleideteich michum,dennschonum vierUhr mußte ichinderClark-Uni- kasity,dieihr zehnjährigesJubiläum feierte,einenwissenschaftlichenVortrag indeutscherSprache halten. Jch trafdortverschiedenebekannteGelehrte uropas,unter AnderendieProfessoren MossoausTurin,Ramony Cajal MSMadrid, Voltzmannaus WienundPicardaus Paris. Die dortan- wesendenVertreter amerikanischerHochschulen,worunter ich dieProfessoren James,Vowditsch,Cowles,Hodge,van Giesonu.f.w. nenne, sprachen Undverstanden fastalleDeutschundman konntebald denhohen Einfluß derdeutschenWissenschaftaufAmerika merken. DieFeierwar vomPro- fessorStanley-Hall,demverdienstvollenPhilosophenundPräsidentenderClark:

University,geleitet.AbendsunternahmenwireinereizendeSchiffstour aufdem Setvundenen undbeschattetenkleinenWorcester-See; später gabesEmpfang undAbendessenaneinerschönen,waldigenStelle. Jchlerntedannauchin der Jktcnanftalt,beim DirektorQuinby,zum erften Maledieherzlicheundtraditio- UklleamerikanischeGastfreundschaftkennen, die inihrer offenen, formlosen, FORallerSteifheitundKomplimenten völlig freieArtwirklichmustergiltig Ist—JndennächstenTagen folgte ich besondersdenhochinteressantenVor- trkjgendesProfessorsRamon yCajalüber diefeineAnatomiedesGehirnes UUdhielt selbstnocheinenVortrag.AmZehntenwurdedenfremden Lehrern der»degree« feierlichertheiltund wirhörtengrößereReden über diespezieller derPhilosophieundPädagogikgewidmeteArbeitderClark-University; auf dieerGebietenhatsich diese HochschulegroßeVerdiensteerworben.. Nach- herwurde die FeierdurcheineschöneAbendunterhaltungimMuseummitten UnterdenApparatenundTafeln geschlossen.

BekanntlichsinddieamerikanischenHochschulenprivaterNatur und denDotationen reicherBürgerzu danken. Daher sind sieauchhöchstungleich- Wmhig.Manchewaren sogar früherauf Schwindel hin gegründetundmußten geschlossenwerden,währendandereaus»Blutarmuth«starben. Jhre Abhängig- keitvondenSpendenundauchvon den Latinenihrer Stifter isteineböse SeitedesSystems. Diese Institute sind ,,echt amerikanisch«undillustriren sp rechtdenamerikanischenGeist. Jhr Zweckist vornehmlicheinpraktischer.

DerAmerikanerwillrasch ThatsachenundErfolge sehen. Für Theorieund reineWissenschaftfehlt ihm nochderSinn so ziemlichdurchgehend.Jn seinem

EfeuUndJagen nachmateriellenErrungenschaften,inseinenKämpfenmit

NaturundniedrigerenRassen haternochkeineZeit gehabt, einzusehen,daß dleWissenschaft,ebensowie dieKunst,eine,,Schöne«ist,diefür sichselbst geliebtundgepflegtseinwill,und daß ihre Unterordnungunter materielle,

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