A u s g a b e wöchentlich sechsmal. R e d a k t i o n und E x p e d i t i o n :
A b o ln n e m e n ts p re is pro Q u a rta l 2 M a rk ^
incl. Postprovision oder Abtrag. Kati)armenstra§e 2 0 4 .
J n s e r t io n s p r e i s pro Spaltzeile oder deren R aum 10 P fg .
Annahme der Annoncen täglich bis 1 U hr M itta g s .
ZO. Sonnabend, den 24. Januar I M . III. Zahrz.
A lle r O rte n regt sich'S, dem R e i c h s k a n z l e r Fürsten Bism arck anläßlich seine» 70. G e b u r t s t a g e s den Dank der deutschen N ation fü r da», was er fü r diese vollbracht, in F orm eines Ehrengeschenke» kundzugeben. Unter dem Vorsitz der Präsidenten der beiden Häuser des preußischen Landtags, dc» Herzog» v. R atibor und des H errn v. K öller, hat sich eine Centralstelle gebildet, um jenes Bestreben zu leiten und ein Zusammenwirken der da« gleiche Z ie l verfolgenden Komitös zu ermöglichen. D a » K om itö erläßt jetzt folgenden
A u f r u f .
I m deutschen Volke ist aller O rten der Wunsch lebendig, dem Reichskanzler Fürsten B i s m a r c k zu seinem 70. Ge
burtstage eine Ehrengabe als Ausdruck des Danke- der Ration zu überreichen. D ie Unterzeichneten haben sich ver
einigt, um fü r dieses Bestreben einen M itte lp u n k t zu bilden und ein Zusammenwirken der das gleiche Z ie l verfolgenden Komit6s zu ermöglichen. W ir halten letzteren den Z u tr itt offen und werden M itg lie d e r derselben gern in unsere M itte aufnehmen. Unser R u f zur M itw irk u n g ergeht an alle Deutsche.
W ir ersuchen, wo dies noch nicht geschehen ist, die Sam m lungen zu eröffnen und die Zeichnungen und Beiträge an unserem Schatzmeister, den Präsidenten der Seehandlung, H errn Rötger, einzusenden.
D e r Bestimmung der Ehrengabe entsprechend, werden auch die kleinsten B eiträge willkommen sein. Ueber die A u s führung werden w ir öffentlich Rechenschaft legen.
B e rlin , den 19. Ja n u a r 1885.
Herzog von R atibor,
P räsident des H errenhauses, Vorsitzender
von K öller, Rötger,
P räsident des Hauses der Abgeordneten, P räsident der S eehandlung.
S te llvertretender Vorsitzender. Schatzmeister,
Diesem Eentralkomits gehören zahlreiche M itg lie d e r des Reichstag«, sowie dc» preußischen Landtags, ferner eine Reihe hervorragender Personen aus dem ganzen Reiche an.
E» ist nicht zu bezweifeln, daß da« Resultat der Sam m lungen ein bedeutende» sein w ird . Trotz aller Hetzereien und V e ru n glimpfungen hat man im deuischen Volke die Empfindung fü r da», wa» e» dem Fürsten Bism arck zu danken hat, nicht au»zureißen vermocht.
D en A u fru f des sogenannten „Central-Kom itöS zur B e - gründung einer B iS m arckstiftung", welches sich vor kurzer Z e it in B e r lin konstituirte, haben w ir deßhalb nicht ver
öffentlicht, w eil w ir diesem Komitö aus verschiedenen Gründen unsere Sym pathie nicht schenken konnten. Dieselbe Behand
lung hat das Kom itö übrigen« auch seitens vieler anderer konservativen B lä tte r erfahren müssen.
noch fo rt, die nächste Plenarsitzung ist noch nicht anberaumt
! und selbst nach Beendigung der eigentlichen Berathungen sind
! noch mehrere Form alitäten zu erledigen, ehe die Konferenz
> «uSeinandergchen kann.
! Nach dem Petersburger „H e ro ld " treiben es die „arm en i verfolgten J u d e n " jetzt denn doch auch schon im s ü d l i c h e n
! R u ß l a n d so arg, daß eine ganz wetterfeste H u m a n itä ts-
! duselei dazu gehört, das geflissentlich ausgesprengte und auf
recht erhaltene Märchen von ihrer gedrückten Lage noch weiter
hin zu glauben. Gedachtem Petersburger B la tte zufolge haben nämlich die Juden in Odessa und Ananjem durch Drohungen und A uflaufe die Freisprechung notorischer V e r
brecher erzwungen, so daß die Behörden gegen das „provoka
torische Verhallen der J u d e n " haben einschreiten müssen.
„D e r Generalgouverneur von Odessa, G e n e ra l-L ie u te n a n t Ch. R o o p ," so erzählt der „Noworossiski Telegraf", „beschied den Odeffaer R abbiner Schwabacher zu sich und forderte ihn
^ auf, nicht n u r persönlich, sondern auch durch die ihm unter
stellten Rabbiner darauf hinzuwirken, daß die Masse der Juden nicht provocirend auftrete und den Behörden unbe
dingten Gehorsam erweise. I m entgegengesetzten Falle werde er, der Generalgouverneur, energische Maßregeln ergreifen, um einer Aufhetzung der russischen Bevölkerung, welche die A u ffü h ru n g der Juden veranlassen könnte, vorzubeugen.
Außerdem erließ der Generalgouverneur an die ihm unter
stellten Gouverneure ein Z irk u la r, in welchem er sie a u f
forderte, alle Erscheinungen antisemitischen Charakters a u f
merksam zu verfolgen und die A u ffü h ru n g der Juden zu überwachen, um auf diese Weise eine Aufhetzung der russischen Bevölkerung gegen die jüdische zu verhüten und gleichzeitig der Regierung die E rgreifung von unliebsamen Repressalien zu ersparen."
D e r Voranschlag fü r die P a r i s e r W eltaurstellung von 1889 beziffert die Kosten auf 56 M illio n e n , W er weiß, ' wer 1889 regiert!
W as w ir unm ittelbar nach Bekanntwerden der deutschen Erwerbungen in O z e a n i e n in Aussicht stellten, ist bereits eingetroffen: die E n g l ä n d e r haben sich eine ganze Reihe noch „herrenloser" Inselgruppen im S tille n Ozean angeeignet und werden dam it wahrscheinlich konsequent fortfahren, bis es fü r andere nichts mehr zu holen giebt. V on irgend welchem praktischen Nutzen kann dabei keine Rede sein, da man sonst schon längst gethan haben würde, was erst jetzt erforderlich erscheint. D aß diese P o litik des Neides über ih r Z ie l hinausschießen m uß, liegt auf der Hand. Schon jetzt kann England, wie Fürst Bismarck am 10. d. M . sagte, fein ungeheures Gebiet in aller W e lt nicht mehr übersehen. W as soll daraus werden, wenn fortwährend neue Erwerbungen hinzukommen?
Uolitische Tagesschau.
D e r Schluß der a f r i k a n i s c h e n K o n f e r e n z dürfte noch nicht sobald eintreten. Frankreich ist zwar bereit, den neuen Kongostaat und dessen Begrenmng anzuerkennen, die übertriebenen Ansprüche aber, welche P o rtugal noch nicht fallen gelassen hat. stoßen auf den Widerstand der G roß mächte. V o rlä u fig dauern die Berathungen in der Kommission
Deutscher Weichstag.
31. Plenarsitzung am 23. Januar.
Am Tische deS BundeSralhS: Staatssekretär D r . S t e p h a n und mehrere RegierungS-Kommiffarien.
P räsident v. W e d e l l - P ie s d s rf eröffnet die S itz u n g um 1 U h r 15 M in .
D a S H a u - t r i t t sofort in die Tagesordnung und genehmigt den H a n d e lsve rtra g m it Griechenland in d ritte r Lesung ohne jede Diskussion nach der R egierungsvorlage. D a u n fo lg t a ls zweiter Gegenstand der T agesordnung die erste B e ra th u n g de- Postspar- kassen-Gesetze-.
Abg. A c k e r m a n n (d.-kons.) v e r tr itt die Ansicht, daß die V o rla g e eine Verfassungsänderung bedinge, denn nach der Ver
fassung sei die Post lediglich V e rkehr-anstalt. I n Sachsen haken sich die Sparkassen aus der G em eindeverw altung entwickelt und diese E in ric h tu n g habe sich nach allen Richtungen h in b e w ä h rt;
bedeutende vo lk s w irts c h a ftlic h e A u to ritä te n haben sich be re it- für das Verbleiben der Sparkassen bei den Gemeinden ausgesprochen.
Redner sucht durch statistische Zahlenangaben nachzuweisen, daß eS bedenklich sei, in einen so umfangreichen Geschäftsbetrieb so tief einzugreifen, wie die V o rla g e dies bezwecke.
A b g . K a l l e ( n a t . - lib . ) : D ie Frage der Postsparkassen habe daS H a u s schon früh e r beschäftigt, heute stehe der Gedanke m it der sozialen R e fo rm im Zusam menhang, die Verfassungsmäßigkeit der Frage wäre zu prüfen. I n E n g la n d habe sich diese E in richtung außerordentlich bewährt. D ie F urch t, daß in kritischen Z eilen die K ü n d ig u n g der K a p ita lie n bei der Post stärker sein werde, a ls bei den K om m unen, sei g ru n d lo s, wie die E rfa h ru n g e n von 1866 und 1870/71 ergeben. Außerdem werde ja das Risiko der S p a re r auf ein M in im u m beschränkt. D ie Verdienste unserer bestehenden Sparkassen wolle er gern anerkennen, den» die G e- schichte unserer Sparkassen sei eine Ehrengeschichte fü r unser V o lk ; aber a uf diesem Gebiete sei noch v ie l zu schaffen: so namentlich im Osten des Kreise-, wo auf 60,000 E in w o h n e r n u r eine S p a r kasse komme.
Staatssekretär D r . S t e p h a n : D ie V o rla g e sei ein w ich
tig e - G lie d in der Reihe der sozialen R eform en, die m it der Allerhöchsten Botschaft in a u g u r ir t seien. D ie S parsam keit sei ein gewaltiger Hebel fü r den Volksw ohlstand und die S ittlic h k e it der N a tio n . D a ß die Postsparkassen segensreich wirken «erden, könne schon d a ra n - gefolgert werden, daß an S te lle der jetzigen 3000 Sparkassen 15,000 Postanstalten treten, die Spargelegenhciten also sofort verfünffacht w ürden. Nehme d a - H a u - die V o rla g e an, so werde es dadurch dem V aterlande einen großen D ie n st erweisen. (Lebhafter B e ifa ll.)
A b g . S c h e n c k ( D e m o k r a t) : D ie Eigenschaft der Post zur Sparannahm estelle sei ja anzuerkennen; aber sie sollte nur die Ueberführung der G elder an die Sparkassen v e rm itte ln , ihnen nicht Konkurrenz machen. Redner empfiehlt die Verweisung der V o r lage an eine Kom m ission.
A b g . G ü n t h e r - S a c h s e n (R e ic h s p .): D ie M ein u n g e n über die Zweckmäßigkeit der Postsparkasse seien getheilt, er aber könne seine lebhaften Bedenken gegen dieselben nicht unterdrücken;
daß durch den S ta a t den bestehenden Kassen Konkurrenz gemacht werde, h ä lt Redner fü r nicht berechtigt. (Z u s tim m u n g .)
A b g . v . H e l l d o r f - B r e d a (kons.) w ird m it seinen politischen Freunden dem Gesetz zustimmen, w e il es nothw endig ist, die Spargelegenheiten in unserm Baterlande in vielen Gegen
den zu vermehren, und daS Gesetz ein M it t e l zur Hebung der arbeitenden Klassen ist.
A bg. D r . W i n d t h o r s t ( C e n tr .) : O h n e Verfassungs
änderung könne das Gesetz nicht erlassen werden, das die V e r-
U n te r fremder Ila g g e .
Roman von M . L ilie .
(F o rts e tzu n g )