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Die deutsche Staatssprache oder Oesterreich ein deutscher Staat

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Academic year: 2022

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DEUTSCHE STAATSSPRACHE

o d e r

Oesterreich ein deutscher Staat.

. „Alea ja c ta est.”

Y o n

DR- STANISLAUS PORAY RITTER Y. MADEYSKI

M itglied des Österreichisch«!! A bgeordnetenhauses.

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W I E N .

IM S E L B S T V E R L Ä G E D E S V E R F A S S E R S .

1884.

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(3)

DEUTSCHE STAATSSPRACHE

oder

Oesterreich ein deutscher Staat.

„Alea ja c ta est.”

Yon

DR' STANISLAUS PORAY RITTER Y. MADEYSKI

M itglied des österreichischen A bgeordnetenhauses.

i-

. J d . \

fiUMUNU

W I E N .

S E L B S T V E R L Ä G E D E S V E R F A S S E R S .

1884.

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1 b% ' o i h b M

G kooojy T

(5)

Seite

V o rw o rt... 5— 6 E in le itu n g ... 7— 13 I. Die S ta a t s s p r a c h e ... 15— 24 II. Die Staatssprache in Oesterreich ... 25— 54 D er aufgeklärte A b so lu tism u s... 25— 29 D er constituirende Reichstag 1848 ... 29— 35 D er verstärkte Reichsrath 1860 ... 35— 43 Dia Decemberverfassung 1867 ... 43—• 54 III. Das nationale Freiheitsprincip ... 54— 69 O e s t e r r e i c h ... 54— 57 S c h w e iz ... 57— 60 B e lg i e n ... ... 60— 68 C r o a ti e n * ... — 69 IV. Das nationale S ta a tsp rin c ip ... 69— 88 Ungarn — engeres G e b i e t ... 69— 78 C r o a tie n * ... .... 79— 80 P r e u s s e n ... ■ 80— 88 V. Die B edeutung des W urm brand’schen Sprachenantrages . 88— 122

Anhang«

A ■ Bericht des Ausschusses und der Ausschussminorität über

den S p ra c h e n a n tra g ... 123—153 B . Siebenbürgisches Landessprachengesetz 1863 ... 154—156 ö. Uebersicht der Sprachenzustände im Justizw esen . . . . 157—161 D . Belgische Sprachengesetze 1873, 1878 ... 162—165 E . Ungarisches Staatssprachengesetz 1868 ... 166—174 F . Preussisches Staatssprachengesetz 1876 ... 175— 179

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Von m ehreren Seiten m it der A ufforderung b eehrt, meine Rede, die ich als B erich terstatter des Ausschusses zum Schlüsse der D e b atte ü b er den b ek an n ten S prachen­

antrag des A bgeordneten G rafen W urm brand am 29. Jan u ar 1884 in dem österreichischen A bgeordnetenhause gehalten habe, zu veröffentlichen, glaubte ich dem obigen W unsche besser zu entsprechen, wenn ich meine Auffassung des gedachten A ntrages, w elche im vollen H ause selbstverständlich nur in flüchtigen Z ügen angedeutet w erden konnte, m öglichst vollständig ausführen w ürde, um d er O effentlichkeit ein abgeschlossenes G anzes übergeben zu können. So entstand denn die vorliegende Schrift.

Bei P rüfung des „S prachenantrages” w ar für mich von Beginn an der staatsrechtliche G esichtspunkt der m ass­

gebende. D enn eine politische P a rte i k an n sich wohl und soll auch dasjenige wünschen, was sie für das allgemeine W ohl als nü tzlich erachtet. A llein eine Action zur Realisirung eines solchen W unsches kan n nur dann als gerechtfertigt anerkannt w erden, wenn dem selben die innere u nd äussere B erech tigun g nicht m angelt. D e r S prachenantrag des A b­

geordneten W u rm b ran d bew egt sich seiner F assu ng nach im R ahm en des geltenden S taatsrechtes O esterreichs. D ie

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allererste F ra g e daher, welche diesfalls zu prüfen war, ist die F ra g e der staatsrechtlichen B egründung des A ntrages.

D ie politische Seite d er S prachenfrage kann unm öglich ausser A cht gelassen w erden, sie ist denn auch theils in dem C ontexte, theils in den A nm erkungen m ehrfach b erü h rt worden. A llein vorherrschend blieb für diese Schrift der staatsrechtliche G esichtspunkt.

U ebrigens glaubte ich im In teresse d er G ründlichkeit in dem A nhänge neb st den A usschusselaboraten die wich­

tigsten frem dländischen G esetze, betreffend die Regelung d er Sprachenfrage, w orauf sich in d er vorliegenden A rbeit bezogen w urde, ihrem vollen W ortlaute nach beischliessen zu sollen.

D e r U m stand, dass dem W u rm b ran d ’schen S prachen- antrage, ungeachtet sich die T agespresse lange genug und das A bgeordnetenhaus durch fünf volle Sitzungen dam it beschäftigt hatte, eine Behandlung, w elche w eiteren, ausser­

halb des P arlam entes stehenden K reisen die volle W ü r­

digung seiner B edeutung zu erm öglichen geeignet wäre, b isher noch nicht zu T heil gew orden ist, möge diese Publi- cation rechtfertigen.

W i e n , den 18. F eb ru ar 1884.

Der Verfasser.

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A m 19. A pril 1880 eriiessen die k. k. M inisterien d er Ju stiz (Strem ayr) und des Innern (Taaffe) eine V er­

ordnung „über den G ebrauch d e r L andessprachen (d er deutschen und czechoslavischen) im V erk eh re d e r politischen, G erichts- und staatsanw altlichen B ehörden m it den P arteien und autonom en O rganen (für das K önigreich B ö h m e n u nd die M arkgrafschaft M ä h r e n ) .” 1

D ie genannte „S prach en v ero rd n u n g ” nahm die m it E röffnung d er IX . R eichsraths-Session 1879 in die P arlam ents- M inorität versetzte „verfassungstreue P a rte i” zum Anlass, um am 1. Mai 1880 eine entsprechende Interp ellatio n an die k. k. R egierung in dem A bgeordnetenhause einzubringen (In terp ellatio n des A bgeordneten W olfrum [Böhmen] und 137 G en o ssen ).2 Am 5. Mai 1880 erfolgte die B eantw ortung d e r In terp ellatio n durch den k. k. Justizm inister S trem ay r.3 A m 4. D ecem ber 1880 beschloss das A bgeordnetenhaus, ü b e r A ntrag des A bgeordneten H e r b s t (Böhm en), die

1 Abgedruckt in der Beilage 323 der stenogr, Protokolle des Abge­

ordnetenhauses, IX. Session.

2 Stenogr. Protokoll über die V erhandlungen des Abgeordneten­

hauses, IX. Session, S. 2870.

3 Ebendort S. 2978.

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Tnterpe 11 ationsb eantw ortung d er R egierung einem beson­

deren A usschüsse zu r B erathung und B erichterstattun g zuzu­

weisen. 1

D ie B efürchtungen, welche die vorerw äh nte „S prachen­

verordnung” in d er M inorität des A bgeordnetenhauses h e r­

vorgerufen hatte, bestim m ten den A bgeordneten W u r m ­ b r a n d (S teierm ark), am 10. Mai 1880 einen von ihm, sowie von 62 M itgliedern der M inorität des A b g eordn eten­

hauses gezeichneten A ntrag folgenden In h altes einzubringen:

„D as hohe H aus wolle beschliessen: D ie R egierung w ird aufgefordert, in A usführung des A rtikels X IX des Staatsgi’undgesetzes vom 21. D ecem ber 1867 ü b er die all­

gem einen R echte der S taatsb ü rg er, einen G esetzentw urf ein­

zubringen, w odurch u nter F esth altu n g d er deutschen S prache als S taatssprache d er G ebrauch d er landesüblichen S prachen in Amt, Schule und öffentlichem L eben geregelt w ird.’' D ieser, in d er Sitzung vom 14. D ecem ber 1880 vom A n trag ­ steller m otivirte A ntrag (S prachenantrag) w urde dem für den obgedachten H e rb st’schen A ntrag gew ählten A usschüsse (dem S prachenausschusse) zur V orb erath u n g und A n trag ­ stellung zugew iesen.2

N achdem in dem A usschüsse die D e b atte ü b er den obigen A ntrag eingeleitet w orden war, sprachen sich m ehrere M itglieder des A usschusses dahin aus: es könne die B e­

deutung, R ichtung und. T ragw eite des A ntrages so lange nicht beu rth eilt w erden, bis d er B e g r i f f d e r S t a a t s ­ s p r a c h e präcisirt w orden sei; eine F estste llu n g dieses Begriffes bilde die unerlässliche V orfrage für die E rö rte ru n g des A ntrages selbst. In F o lge dessen ist d er A ntragsteller

1 Stenogr. Protokolle, cit. 3432.

2 Ebendort S. 3419.

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S taatssprach e zu d e f in i r e n .

D e r A ntragsteller äusserte jed o ch den W unsch, zuvor die A nschauung der k. k. R egierung ü b er seinen A ntrag zu hören. H ierü b er gab der M inisterpräsident Taaffe im Namen der R egierung eine präcise E rk läru n g a b ,1 w orauf der A ntragsteller bem erkte, „dass, wenn das B edürfniss für eine gesetzliche Regelung der S taatssprache (von Seite der R egierung) nicht anerkannt w ird, auch die B eantw ortung der an ihn gestellten F ra g e ü b er die Definition des Begriffes der S taatssprache entfalle” . D iese A eusserung des A n trag ­ stellers m achte auf die M ehrzahl d er A usschussm itglieder den E in d ru ck , dass eine F o rtsetzu n g der A usschuss- berath ungen ü b er den A ntrag auch nicht m eh r im W unsche des A ntragstellers gelegen sei: in denselben tra t in F olge dessen eine längere R uhepause ein.

E rs t am 19. Ja n u a r 1883 gab die von d er R egierung ertheilte Bewilligung zu r G ründ ung einer czechischen P rivatsch ule in F av o riten dem der M inorität angehörigen M itgliede des Sprachenausschusses, S tu r m (M ähren), einen Anlass, in dem A bgeordnetenhause die W iederaufnahm e der unterbrochenen A usschussverhandlungen zu urgiren. D iesem W unsche ist sofort entsprochen worden. In den betreffenden Sitzungen w urde der A ntragsteller neuerdings aufgefordert, sofern er nicht etwa einen G esetzentw urf selbst vo rbereitet h ätte, seinem A ntrage w enigstens durch Aufstellung- des Begriffes d er S taatssprache einen fassbaren In h a lt zu geben, w elcher den A ntrag zur B erathun g geeignet m achen w ürde.

Allein auch diesm al h a t der A n tra g ste lle r der obigen A uf­

forderung nicht entsprochen. Zum Schlüsse der V erh an d ­ 1 Bericht des Sprachenausschusses, Anhaiig A, S. 123 dieser Schrift.

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lungen fasste der Sprachenausschuss den Beschluss, in dem A bgeordnetenhause den A ntrag zu stellen, dasselbe möge ü b er den S prachenantrag des A bgeordneten W u rm b ran d zur T agesordnung übergehen. D ie d er M inorität des A b ge­

ordnetenhauses angehörigen neun M itglieder des A us­

schusses hielten an dem A ntrage des A bgeordneten W u rm ­ brand fest und m eldeten denselben als M inoritätsantrag an.

D ie G ründe dieser beiden A nträge sind in den diesfälligen B erichten niedergelegt. D e r M inoritätsbericht ist von dem A bgeordneten S t u r m , 1 der A usschussbericht von dem V er­

fa sse r2 dieser Schrift am 9. M ärz 1883 abgefasst worden. 3 D ie soeben erw ähnten B erichte kam en in dem Sessions­

abschnitte 1883 nicht m ehr au f die T agesordnung. E rs t in d er Sitzung vom 13. D ecem ber 1883 verlangte der A bge­

ordnete C hlum ecky (M ähren), dass der W u rm b ran d ’sche A ntrag m öglichst b ald zur parlam entarischen B ehandlung gelangen möge. D erselbe ist denn auch au f die Tagesordnung der Sitzung des A bgeordnetenhauses vom 24. Ja n u a r 1884 gesetzt w orden. D ie H ausdebatte dauerte fünf Tage, und zw ar in den Sitzungen vom 24., 25., 26, 28., 29. Ja n u a r 1884.4 An der D ebatte haben sieh n eb st den beiden v o r­

erw ähnten B erichterstattern folgende R edner betheiligt: F ü r den M inoritätsantrag die A bgeordneten: T o m a s z c z u k (Bukowina, M itglied des C lubvorstandes der V ereinigten L in k e n );L ie n b a c h e r (S a lz b m ’g,conservativ); B e e r (Mähren, V er einigte L in k e ); W u r m b r a n d (S teierm ark, lib e ra l); R e e h- b a u e r (Steierm ark, V ereinigte L inke); M a g g (Steierm ark,

1 Mitglied des Clubvorstandes der Vereinigten Linken.

2 Mitglied des Polen-Clubs.

3 Die beiden Berichte im Anhänge A, S. 123 dieser Schrift.

4 Stenogr. Protokolle, cit. S. 11090—11285.

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V ereinigte L in k e); P l e n e r als G en eralredn er (Böhmen, V ereinigte Linke).

F ü r den A usschussantrag die A bgeordneten: H o h e n ­ w a r t (Krain, Obmann] des Clubs des rech ten C entrum s);

G r o c h o l s k i (Galizien, O bm ann des P olen-C lubs); R i e g e r (Böhmen, Obmann des C zechen-C lubs); C la m (Böhmen, O bm annstellvertreter des C zechen-C lubs); G r e g r (Böhmen, unm ittelbar nach der R ede in den Czechen-Club aufgenom ­ m en); H a u s n e r (Galizien, P olen-C lub); C z a r t o r y s k i als

G eneralredner (Galizien, Polen-Club).

Z ur Abstim m ung gelangten folgende A nträge:

A n t r a g G r o c h o l s k i : „D as hohe H aus wolle be- schliessen: In E rw ägung, dass die Beschliessung eines G e­

setzes zur D urchführung d er B estim m ungen des A rtikels X IX des S taatsgrundgesetzes über die allgemeinen R echte der S taatsbürger nach dem W o rtla u te des § 11 des S taats­

grundgesetzes ü b er die R eichsvertretung nicht zu r Competenz des R eichsrathes geh ö rt; in w eiterer E rw ägung, dass, abg e­

sehen von d er Com petenzfrage, nach den zutreffenden A usführungen des A usschussberichtes die G eltung der deutschen S prache auf dem G ebiete der gem einsam en Interessen, im öffentlichen L eben, wie in der S taatsv er­

w altung, soweit die S taatseinheit dies erfordert, von keiner Seite bestritten wird,] und durch die staatsrechtliche V er­

einigung d er K önigreiche und L än d er, durch die In teressen­

gemeinschaft d er V ölker des Reiches und durch freiwillige Anerkennung und U ebung eine ausreichende Sicherung findet, geht das H aus ü b er den A ntrag (des A bgeordneten W urm brand) zur T agesordnung ü b er.” 1

1 Stenogr. Protokolle, oit. S. 1112 6.

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D ieser A ntrag (auf m otivirte T agesordnung) ist in nam ent­

licher A bstim m ung m it 174 gegen 167 Stim m en abgelehnt w o rd en .1

A n t r a g d e s S p r a c h e n a u s s c h u s s e s (auf einfache T agesordnung) ist in nam entlicher A bstim m ung m it 184 gegen 157 Stim m en abgelehnt w o rd e n .2

A n t r a g S c h ö n e r e r : „D ie k. k. R egierung w ird auf­

gefordert, einen G esetzentw urf einzubringen, w odurch für das G eltungsgebiet der im R eichsrathe v ertreten en K önig­

reiche und L än d e r — m it Ausnahm e der K önigreiche D a l­

m atien, Galizien und L odom erien m it dem G rossherzogthum e K rak au und dem H erzogthum B ukow ina — die b ish er im öffentlichen L eben, im am tlichen V erk eh re und speciell in d er staatlichen V erw altung in G eltung und G ebrauch stehende und von d er jetzig en P arlam ents-M ajorität eingestandener- m assen n u r bis au f W eiteres freiwillig geduldete deutsche S prache bleibend als S taatssprache gesetzlich d erart sicher­

gestellt wird, wie dies in U ngarn bezüglich d er ungarischen S taatssprache d er F a ll ist.” 3

D ieser A n trag ist m it allen gegen zwei Stimmen (Schönerer, F ü rn k ra n z) abgelehnt w o rd en .4

A n t r a g d e r A u s s c h u s s m i n o r i t ä t (auf A nnahm e des W urm brand’schen A ntrages) ist in nam entlicher Abstim m ung mit 186 gegen 155 Stim m en abgelehnt w orden. 5

1 Stenogr. Protokolle, cit. S. 11283.

2 Ebendort S. 11283.

3 Ebendort S. 11214, 11215.

4 E bendort S. 11284. Als in Folge der Ablehnung lebhafte H eiterkeit entstand, rief der Abg. Schönerer: „Ich bitte auch die H eiterkeit zu protokolliren; ich halte das für die Zukunft fiir sehr wichtig”.

5 E bendort S. 11285.

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A n t r a g C o r o n i n i : „D ie R egierung w ird aufgefordert, in A usführung des A rtikels X IX des S taatsgrundgesetzes ü b er die allgem einen R echte der S taatsb ü rg er einen G esetz­

entw urf einzubringen, w odurch d er G eb rau ch der landes­

üblichen S prachen in Amt, Schule und öffentlichem L eben unter F esth altu n g des G ebrauches d er deutschen Sprache, wie sich dieser für die Z w ecke der einheitlichen S taats­

verw altung als unerlässlich erw eist, geregelt w ird .” 1 D ieser A ntrag ist in gew öhnlicher A bstim m ung ohne C onstatirung des Stim m enverhältnisses abgelehnt w o rd e n .2 A n t r a g O e lz : „In E rw ägung, dass die A ufoctroyirung einer Staatssprache durch die R eichsvertretung für O ester­

reich ü b erh au p t und für das D eutschthum in O esterreich ganz insbesondere n u r schädlich und gefährlich sein könnte (G elächter l i n k s — Rufe: Faschingsw itz!), ü b e r den A ntrag W u rm b ran d zu r T agesordnung ü b erzu gehen” — fand nicht die genügende U n terstützung und gelangte nicht zur V e r­

handlung. 3

D ie S prachendebatte h a t somit k ein positives R esultat zu Tage gefördert; es ist ab er auch ü b er die S prachenfrage nicht „zur T agesordnung” übergegangen worden, und eine ruhige P rüfung derselben von allen zulässigen G esichts­

p unk ten aus kan n nur zur allseitigen K lärung derselben beitragen.

1 Stenogr. Protokolle, cit. S. 11214.

2 E bendort S. 11285.

3 Ebendort S. 11214, 11215.

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W ir beginnen unsere U ntersuchung sofort m it der F rag e:

„ W a s i s t S t a a t s s p r a c h e ? ”

D i e W i s s e n s c h a f t h a t e in e a b s t r a c t e S c h u l- d e f in i t i o n f ü r d e n B e g r i f f d e r S t a a t s s p r a c h e b i s h e r n o c h n i c h t f e s t g e s t e l l t .

Die U rsache dieser Y ersäum niss mag darin liegen, dass der N ationalitätenfrage ü b e rh a u p t von d er T heorie eine e r­

schöpfende U ntersuchung noch nicht zu T heil gew orden ist.

B egegnet m an dieser F ra g e bei einem Staatsrechtslehre!', so ist es, w eil dem selben die grosse geschichtliche und politische E rscheinung der staatsbildenden nationalen E in i­

gung Italiens und D eutschlands das N ationalitätsprincip als eine der m ächtigsten Ideen der Neuzeit erscheinen liess, w eshalb denn auch die F ra g e hauptsächlich von dieser einen Seite b etrachtet wird.

W enn dah er auch d er S taatssprache in abstracto neb en­

h e r gedacht wird, um deren B estand vom S tandpunkte der Zw eckm ässigkeit zu rechtfertigen, so dient dabei zum A us­

gangspunkte stets je n e einseitige Auffassung d er N atio­

nalitätenidee. D as e in e nationale S t a a t s v o l k w ird ü b er die sprachverschiedenen N a t u r v ö l k e r gestellt, welch letzteren dann folgerichtig keine nationale, sondern blos eine natürliche E xistenzberechtigung zuerkan nt wird. So sagt B l u n t s c h l i :

„Jedes N aturvolk h at ein R echt auf seine n a t ü r l i c h e E x i s t e n z , somit insbesondere ein Recht, seine S prache zu reden . . . A us diesem Princip folgt aber nicht, dass es in den S taatsangelegenheiten nicht eine bevorzugte S t a a t s ­

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s p r ä c h e geben dürfe mit Ausschluss aller übrigen V o l k s ­ s p r a c h e n . So weit es sich nicht um das blosse natürliche V olksleben, sondern um das S taatsleben handelt, da kann das Interesse des gesam m ten S taatsvolkes die E in heit der Sprache erfordern.” U n d als ob der V erfasser je d e n Zweifel d arüber beseitigen wollte, dass seinem A usspruche die ein­

seitige B etrachtung einheitlicher N ationalstaaten zur Basis liegt, fügt derselbe hinzu: „So w ird im englischen P arlam ente m it R echt n u r englisch, nicht auch irisch noch gälisch g e­

sprochen, in den französischen S taatsbehörden nu r französisch, nicht auch deutsch, noch celtisch.”

A nders der S tatistiker — die neue R u brik der „N atio­

nalität” erschloss dem zählenden B eobachter eine Z au b e r­

w elt von m annigfaltigen Erscheinungen, welche sein spähendes A uge umso m ehr reizen, je w eniger er sie m it seinem Ziffernapparate zu bem eistern verm ag. D erzeit unfassbar, sie versprech en ihm doch eine lohnende Z u k u n ft,1 und er em pfiehlt sie d aher dem Staate, dessen Gewalt er für sie fürchtet, z u r liebevollen B ehandlung.

In der A nerkennung des N ationalitätsprincips erblickt denn auch B ö c k 2 „den Keim zu einem unerm esslichen F o rtsch ritt in der E ntw icklung der V ölker” , als Consequenz einer staatsrechtlichen A nerkennung dieses Princips erkennt er „die F ö rd eru n g d e r B ildung jed es Volksstam m es in seiner eigenen Sprache durch die A usbildung derselben” und er tra u t d er deutschen Nation die Mission zu, „in diesem Sinne dem N ationalitätsprincip G eltung zu verschaffen zu G unsten des eigenen V olkes wie zu G unsten aller V ölker, welche u n ter dem D rucke frem den Sprachenzw anges leiden”. „D er höheren G eltung e i n e r S t a a t s s p r a c h e , ” sagt ferner B ö c k ,

1 Vergl. F i c k e r , Commission perm anente du congres international de statistiqne. Memoires. St. Petersbourg 1876, p. 203—227.

G l a t t e r , in dem obigen Buche S. 229—240.

K e le ti , E bendaselbst S. 241—252.

2 D er Deutschen Volkszahl und Sprachengebiet in den europäischen Staaten. Berlin 1869.

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„b e d arf es n u r für diejenigen A ngelegenheiten, welche ge­

m einsam und ihrem W esen nach innerhalb eines Staates örtlich nicht th eilb ar sind, m it and eren W orten, die S taats­

sprache kan n n u r den V orzug beanspruchen, d ie e r s t e u n t e r g l e i c h e n zu sein, also da als die m assgebende b etra ch tet zu w erden, wo im Zusam m entreffen m eh rerer S p rach en einer die entscheidende G eltung zu erk ann t w erden m uss.” W elchen Um fang für die S taatssprach e der preussische G esetzgeber aus B öck’scher Auffassung abgeleitet, davon w ird später die B ede sein .1

Ein S taatsrechtslehre!’, der vorher als h ervo rragen der polnischer P ublicist den ihm angeborenen Sinn für N atio­

nalität einzuschärfen G elegenheit hatte, Professor G u m - p lo w ic z , wusste den F e h le r einseitiger B etrachtung des N ationalitätsprincips zu verm eiden. U nd wenn er trotzdem in seinem vorzüglichen W e rk e : „D as R echt d er N ationalitäten und Sprachen in O esterreich-U ngarn”, 2 welches ü b erhau pt als die erste und einzige w issenschaftliche U ntersuchung der N ationalitätenfrage bezeichnet w erden muss, unseres E rachtens nicht bis dahin gelangt ist, aus dem W esen des N ationalitäts­

princips den innersten K ern in dessen rein er N acktheit herauszuschälen, so m ag der G rund darin Hegen, dass er m it der staatsrechtlichen Lösung dieser F ra g e für O ester­

reich nicht ganz befriedigt, in d er praktisch en D urchführung des Princips nicht blos die nöthige R em edur, sondern auch zum Theile eine R ückw irkung auf den C h arak ter des Princips selbst suchen zu sollen glaubt — wobei ab er der S tand pu nk t dieses A utors, rein vom G esichtspunkte der p r a k t i s c h e n Zw eckm ässigkeit aus, nieht als unrichtig anerkannt w erden kann. G u m p lo w ic z m eint: „Mit B ezug auf die b erech ­ tigte A nw endung im Staatsleben gibt es in O esterreich- U ngarn drei K ategorien von Sprachen, und zw ar: S t a a t s ­ s p r a c h e n , L a n d e s s p r a c h e n und V o l k s s p r a c h e n (diese letzteren, strenge genommen, Stam m essprachen) . . . . .

1 Siehe S. 84 dieser Schrift 2 Innsbruck 1879.

M a d e y s k i , d eu tsch e S ta atssp ra c h e . 2

(20)

— 18 —

A ls c h a r a k t e r i s t i s c h e M e r k m a le d e r S t a a t s s p r a c h e können hingestellt w erden: 1. D e r G ebrauch derselben bei den höchsten R e g i e r u n g s a c t e n , also kaiserlichen V erord­

nungen und H andschreiben, M inisterialverordnungen und E r ­ lässen, G esetzeskundm achungen für je einender b eiden L än der- gesam m ttheile dies- und jenseits d er L eith a; 2. der G ebrauch derselben als V erhandlungssprache in den M i n i s t e r c o n s e i l s und als G eschäftssprache in den beiderseitigen M inisterien;

3. der G ebrauch derselben bei den V erhandlungen der beiden H äuser der beiderseitigen P a r l a m e n t e und als interne G eschäftssprache bei den beiderseitigen höchsten J u s t i z b e h ö r d e n . ” (S. 239, 240.)*

V on der W issenschaft auf das praktisch e L eben ü b e r­

gehend, ist im A llgem einen ebenfalls zu constatiren, d a s s d e r A u s d r u c k „ S t a a t s s p r a c h e ” d e r ö s t e r r e i c h i s c h e n G e s e t z g e b u n g v ö l l i g f r e m d is t. E r ist in keinem der bestehenden oder bestandenen G esetze zu finden, noch h at er auch j e in den legislatorischen V erhandlungen der P a rla ­ mente in O esterreich zum A usgangspunkte oder zur G rund­

lage eines G esetzes gedient.

N ur ein einzigesmal klang das W o rt in dem M unde eines deutschböhm ischen A bgeordneten (B orrosch—P rag) in dem constituirenden R eichstage 1848, als die V erhandlungs­

sprache des Reichstages zum A ustrage gelangte. „Ich kenne keine Staatsreligion, ich kenne aber eine von der V ernunft und von dem praktischen B edürfnisse gebotene p a r l a m e n ­ t a r i s c h e S t a a t s s p r a c h e ” — m it diesen W o rte n begann

1 Mit U nrecht berief sich der Abg. B e e r in der D ebatte über den W urm brand’schen Sprachenantrag auf die von Gumplowicz gegebene Definition der Staatssprache. Stenogr. S. 11139. Denn ganz was Anderes verstanden die A nhänger des Sprachenantrages unter der Staats­

sprache als Gumplowicz. L etzterer hat nirgends das V erlangen nach gesetzlicher Regelung der deutschen Sprache in Oesterreich begründet.

E r anerkennt auch neben der Staatssprache (in seinem Sinne) L andes­

sprachen mit einem autoritativen C harakter, welchen ein weites Gebiet des Staatslebens zugedacht erscheint, das von den A nhängern des Sprachenantrages für die Staatssprache reclam irt wird. Vergl. Gumplowicz, S. 221—243.

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der A bgeordnete B o r r o s c h seine Rede, in w elcher er dem W unsche dalm atinischer A b geo rd n eter entgegentrat, dam it einzelne parlam entarische A cte in italienischer U ebersetzung zur V erfügung gestellt w erden m öchten. Allein in eine Definition der S taatssprache ist bei diesem Anlasse nicht eingegangen w orden, weshalb auch eine nähere B eleuchtung der angedeuteten V erhandlungen des R eichstages erst in den folgenden A usführungen ihren P latz finden w ird .1

Mit R ücksicht auf das bisher G esagte w ar es n u r eine ganz natürliche Erscheinung, dass, als der A ntrag des A b ­ geordneten G rafen W urm brand in dem diesfalls ausgesetzten

„Sprachenausschusse” des A bgeordnetenhauses zur V erhan d­

lung gelangte, von m ehreren Seiten die F ra g e gestellt w erden musste, was d e r A ntragsteller u n ter der S taatssprache v e r­

steh e? D iese F ra g e ist w eder von dem A ntragsteller, noch von irgend einem d er A bgeordneten, w elche sich als A n ­ hänger des A ntrages in dem A usschüsse ausgesprochen hatten, beantw ortet w orden — w elcher U m stand u n ter Anderem auch m it als ein Motiv zu dem U ebergan ge zu r Tagesordnung von d er A usschussm ajorität in dem B erichte derselben h ervo r­

gehoben ersc h e in t.2

In der längeren F erien zeit des österreichischen P a rla ­ m entes 1883 hat sich anlässlich eines R echenschaftsberichtes n u r ein einziger A bgeordneter aus der M itte der P artei der

„V ereinigten L in k en ”, welche den S prachenantrag des A b­

geordneten W u rm b ran d zu ih rer Partei-A ction gem acht hatte, sich in eine D efinirung des Begriffes der Staatssprache eingelassen. D e r V e rtre te r d er böhm ischen S tädtegruppe K arlsbad, R u s s , definirt näm lich die Staatssprache folgender- m assen: „D er e n g s t e B egriff ist der, dass alle S taatsacte in dieser S prache abgefasst sind, ähnlich wie das F ra n ­ zösische als internationale S taatssprache gilt. E in w e i t e r e r B egriff liegt darin, dass die O rgane des Staates ein und derselben Sprache als ih rer A m tssprache m ächtig sein müssen,

1 Siehe S. 33. dieser Schrift.

2 Siehe Bericht, Anhang A S. 123.

2*

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und der w e i t e s t e ist dort zu finden, wo Jed erm ann im S taate berech tig t ist, überall im S taate von jedem Organe desselben den V e rk eh r in einer und derselben bestim m ten S prache zu verlangen.” 1

E rs t in der zw eiten B erathung des A bgeordnetenhauses ü b e r die betreffenden A usschussberichte sind von Seite des U rh eb ers sowie der A nhänger des W urm b ran d ’sclien A n­

trages Definitionen versucht w orden, und zw ar drei lediglich dem Um fange nach concretirte Definitionen, sowie eine von dem B erich terstatter der A usschussm inorität, A bgeordneten S t u r m , nach dem Inhalte gestellte ab stracte Definition.

Das engste G ebiet scheint auf den ersten B lick die S taatssprache in der von dem V e rtre te r der Landgem einden Salzburg, L i e n b a c h e r , gegebenen Definition zu umfassen.

D ahin gehören nämlich nur: 1. Reichsgesetze, allerhöchste E ntschliessungen und Verfügungen, allerhöchste un d R e­

gierungsverordnungen; 2. S taatsverträge; 3. die M ilitär­

verw altu n g .2 W ird jedoch diese Definition, die der A bgeord­

nete selbst „eine concretirte Bezeichnung dessen, was S taats­

sprache ist”, nennt, m it einzelnen Stellen seiner R ede v e r­

glichen, so dehnt sich dieselbe bis zur U nfassbarkeit aus.

D enn zum A usgangspunkte für A ufstellung d er Definition dient dem A bgeordneten d er m indestens ausserordentlich elastische Satz: „S taatssprache ist die Sprache des Staates.” 3 U nd als sich dem selben die F ra g e aufdrängt: „m üsste die

1 Extra-Beilage zu Nr. 97 der „Tetschen-Bodenbacher Zeitung”, S. 4.

Charakteristisch für den egoistisch-nationalen Standpunkt dieses Abge­

ordneten ist der Umstand, dass seiner „w eitesten” Definition der Staats­

sprache der Gesichtspunkt einer Berechtigung der deutschen Staatsbürger zu Grunde liegt. W arum aber nicht auch der Staatsbürger aller übrigen Volks­

stämme, da doch bei uns Gleichberechtigung herrscht? Dieser Abgeordnete unterscheidet sich übrigens vortheilhaft von seinen Gesinnungsgenossen dadurch, dass er bei der F rage der Staatssprache wenigstens den Staat nicht personificirt, um ihn den Staatsbürgern als ein f r e m d e s Wesen entgegenzustellen. Vergl. S. 22, Anmerkung 1 dieser Schrift.

2 Stenogr. Protokolle des Abgeordnetenhauses, IX. Session, S. 11120.

3 E bendort S. 11119. Bezüglich der Auffassung des Begriffes „Staat”

siehe S. 22, Anmerkung 1 dieser Schrift.

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deutsche Staatssprache im ganzen S taate O esterreich gelten, überall, in allen L ä n d e rn ? ” •— so nim mt er keinen A nstand, zu erk lären : „Ja! virtuell ist es richtig . . . .’n

E ine w eitere sch arf begrenzte Definition d er S taats­

sprache gab der A n tragsteller A bgeordneter W u r m b r a n d selbst. D ieses G ebiet um fasst: 1. die R eichsgesetzgebung, 2. M ilitärverw altung, 3. die A m ts tä tig k e it des obersten G erichtshofes, 4. den inneren V e rk eh r d er M inisterien, sowie den V e rk eh r derselben m it den obersten Landesstellen, 5. den inneren D ien stv erk eh r d er S taatsbehörd en in allen L än d ern ausser Südtirol, D alm atien und Galizien. E in V orzugsrecht der S taatssprache b esteh t nebstdem darin, dass sie 6. bei allen B ehörden O esterreichs ausser Südtirol und D alm atien angenomm en w ird.” 2

Am w eitesten erstreck t sich der B ereich der S taats­

sprache nach der Definition, welche der V e rtre te r der steierischen S tädtegruppe Leibnitz, A b g eordn eter M a g g , im Folgenden aufgestellt h at: D ie S taatssprach e ist: 1. Sprache der Gesetze, 2. die A m tssprache im eigentlichen Sinne (d. h.

der i n n e r e n G eschäftsführung der B ehörden), 3. die Sprache des ä u s s e r e n D ienstes der B ehörden (d. h. V erhandlungs­

oder A m tssprache im V e rk e h re m it den P arteien, die E n t­

scheidungssprache), 4. die E r f o r d e r n i s s s p r a c h e für ge­

wisse staatliche Zw ecke (E rforderniss für gewisse staatliche Belange, insbesondere für A nstellungen im S ta a tsd ie n ste ___

E rforderniss des V erkehres, dass m an z. B. im praktischen Eisenbahndienste, im T elegraphendienste im Staatsinteresse mit der deutschen Sprache als Staatssprache v e rtra u t is t).3 Endlich definirt der M inoritäts-B erichterstatter S tu r m die S taatssprache folgenderm assen: „D ie deutsche S taats­

sprache ist die Sprache, welche d er S taat durch seine Organe spricht, insoferne er nicht durch verfassungsm ässige E inzel­

rechte d er S taatsb ü rg er d aran b esc h rän k t ist.” 4 1 Stenogr. Protokolle, IX. Session, S. 11122.

2 Stenogr. Protokolle, cit. S. 11159.

3 Stenogr. Protokolle, cit. S. 11197.

4 Ebendort S, 11260.

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D ass die letzterw ähnte Definition für w issenschaftliche sowie für legislatorische Z w ecke ganz und g ar unverw endbar erscheint, leu ch te t au f den ersten B lick ein. Sie weist nur eine in logischer und psychologischer B eziehung eigenthüm - liche E rscheinung auf, welche darin besteh t, dass eine U n ter­

suchung der F ra g e : ob der deutschen S prache die B erech­

tigung zustehe, als S taatssprache anerk ann t zu w erden, dem E ntschlüsse, ih r dieses R echt zuzusprechen, nachgefolgt ist. E s ist das somit eine Definition des politischen W unsches des betreffenden A bgeordneten, nicht aber, eine Definition d er S taatssprache. U eberdies leidet die Definition offenbar an der fehlerhaften Auffassung des Staates als einer von den S taatsb ü rg ern völlig getrennten P ersönlichkeit, w elche A uf­

fassung m it dem Begriffe eines F reiheitsstaates nicht in E in ­ klang ste h t.1 D ie Definition ist endlich nichtssagend, sie ist leer. D enn bei m angelnder B ezeichnung des In h altes d e r­

jenigen „E inzelrechte der S ta atsb ü rg er”, w elche gemäss d er Definition den Umfang der S taatssprache beschränken, bleib t die F rag e eine offene, ob denn durch diese sogenannten

„E inzelrechte der S ta atsb ü rg er” nicht das R echt der deutschen S taatssp rache consum irt2 erscheint?

F asst m an die übrigen oben angeführten Definitionen schärfer in’s Auge, so w ird m an sofort einsehen, dass d ie­

selben in Ansehung des I n h a l t e s des Begriffes d er S taats­

sprache übereinstim m en, indem sie insgesam m t denselben in den s t a a t l i c h e n F u n c t i o n e n des Staatsw esens suchen und keine derselben den B ereich des Staatslebens ü b e r­

1 „Diese Individualisirung,” sagt der Abgeordnete C la m in seiner Rede, „diese Personificirung des Staates, dieses Bestreben, den Staat loszulösen von seinem Inhalte, von dem Volke, von den Völkern, die ihn bilden, ihm ein Leben beizumessen, welches frem d ist dem Leben des Volkes und der Völker ist Etwas, was der W ahrheit und dem Rechte in ’s Gesicht schlägt, und was schliesslich zu unglaublichen Con- sequenzen führen muss. D er S taat ist ein Organismus, aber nicht eine P erson.” Stenogr. Protokolle der Verhandlungen des Abgeordnetenhauses, IX . Session, S. 11164. D ieser Ausspruch galt als E ntgegnung in erster L inie den Ausführungen des Abgeordneten Lienbacher.

2 Siehe S. 45 dieser Schrift.

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schreitet. M it R ücksicht auf den Inhalt m üssen daher die Definitionen, wiewohl sie eine concretirte B ezeichnung des Umfanges sich zum A usgangspunkte genom m en haben, alle für richtig angesehen werden. E ine abstracte Definition auf dieser G rundlage, lediglich nach dem In h alte des Begriffes construirt, m üsste dah er folgenderm assen lauten:

„ S t a a t s s p r a c h e i s t d i e j e n i g e S p r a c h e , in w e lc h e r s t a a t l i c h e F u n c t i o n e n z u m ä u s s e r e n A u s d r u c k e g e ­ l a n g e n .”

W as hingegen den U m f a n g des Begriffes d er S taats­

sprache anbetrifft, so muss zunächst eine Ei-scheinung auf­

fallen. Alle R edner, welche in dem A bgeordnetenhause den W u rm b ran d ’schen A n trag unterstü tzt h atten, erklärten, dass der in O esterreich derm alen thatsächlich geltende V erw en­

dungsbereich der deutschen S prache den Umfang der S taats­

sprache genau decke. U ngeachtet dessen führte eine syste­

m atische Z erglied erung dieses thatsächlichen V erw endungs­

gebietes der deutschen Sprache nach dem G esichtspunkte des Inhaltes d er S taatssprach e die einzelnen Definitionen zu so verschiedenen R esultaten, dass sie nicht blos selbst in der B ezeichnung des U m fanges für die S taatssprache auseinandergehen, sondern dass in kein er derselben dieser Umfang der S taatssprache m it dem geltenden V erw endungs­

gebiete der deutschen Sprache g ed e ck t erscheint. Diese E rscheinung bew eist unzweifelhaft, dass bei je d e r Definition der Staatssprache irgend eine E inschränkung platzgegriffen hat, welche nich t aus dem W esen des Begriffes der S taats­

sprache fliesst, sondern ausserhalb desselben einen A nhalts­

pu n k t findet. B eides ist richtig, denn wenn m an sich die F rag e stellt: w arum denn lediglich der heute bestehende Z ustand für den Um fang der S taatssprache m assgebend sein soll? so findet man in den R eden die A ntw ort: w ir wünschen, wir verlangen n ich t m ehr! U nd w enn m an w ieder die F rag e aufwirft: w arum Südtirol, Galizien und D alm atien in den Begriff der S taatssprache nicht hineingehen ? so will die E rk läru n g dieser A usnahm e in der geographischen Lage dieser L än d e r gefunden w erden. Allein die G esetze der

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L ogik p aetiren eben w eder mit dem politischen W unsche einer P artei, nocli m it der G eographie: ein B egriff ist ent­

w eder rich tig definirt, dann setzt er sicli ü b er Politik und G eographie hinw eg, oder er ist unrichtig definirt, dann kan n der Definition w eder ein politischer W unsch noch auch die geographische L age hinüberhelfen. U n d wenn tro tzdem von einer politischen P a rte i eine solche Definition v ersu ch t w urde, so liegt darin w ieder ein Beweis, dass bei ih r der E ntschluss einer P rüfung nach dessen B erechtigung vorangegangen ist. E s m uss dah er zugegeben w erden, dass alle obangezogenen Definitionen in A nsehung des U m f a n g e s der S taatssprache unrichtig sind, indem keine denselben vollständig erschöpft. U nd dass ausserhalb des in den D e ­ finitionen concretirten Um fanges in der T h at G ebiete liegen, welche der S taatssprach e b e g r i f f l i c h angehören, dessen, w aren sich D iejenigen, w elche die Definitionen aufgestellt hatten, auch wohl bew usst; sonst w äre es n icht erklärlich, wie der A ntragsteller im Nam en d er gesam m ten P artei seinen G egnern h ä tte im P arlam ente zurufen können: „W ir ziehen die G renze für die S taatssprache h e u t e , ab er n u r h e u t e innerhalb des A ntrages, den w ir stellen, m o r g e n u n d ü b e r m o r g e n vielleicht nicht m ehr so. E s ist das eine sehr günstige G elegenheit für die H erren, dem A ntrage zuzustim m en.” 1

R ichtig k an n ab er auch eine abstracto Definition lediglich in dem F alle sein, w enn der Umfang des B e­

griffes seinen In h alt selbst deckt, je d e E inengung ist etwas A eusseres, etwas Zufälliges, was aus dem Begriffe selbst sich nicht ergeben kann.

So muss denn die von uns dem In halte nach vorher construirte Definition auch in A nsehung des Um fanges als die einzig richtige aufrecht bestehen. D ieselbe un d n u r diese ist geeignet, w issenschaftlichen, und legislatorischen U n ter­

suchungen zur G rundlage zu dienen.

1 Stenogr. Protokolle cit. S. 11159.

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II. Die Staatssprache in Oesterreich.

Der aufgeklärte Absolutismus.

A us d er bisherigen U ntersuchung ergab sich die fol­

gende D efinition d er S taatssprache in abstracto als die richtige:

„Staatssprache ist diejenige S prache, in w elcher staat­

liche F unctionen zum äusseren A usdrucke gelangen.”

D ie staatliche T h ätig k eit verfolgt in jedem Staatsw esen eine zweifache R ichtung: einmal nach aussen hin, wo sie sich auf dem G ebiete diplom atischer und internationaler Beziehungen zu anderen Staaten bew egt, ferner nach innen zu, allwo sie sich in den Beziehungen der S taatsgew alt zu den S taatsangehörigen v erk ö rp ert. D em gem äss ist eine U nterscheidung der ä u s s e r e n von der i n n e r e n S ta a ts ­ sprache begrifflich gerechtfertigt. E in strenges A useinander­

halten dieser beiden U n terarten d er S taatssprache ist aber fü r unsere U ntersuchung ein unabw eisbares Bedürfniss, D enn die „F esth altu n g d er deutschen S prache als S taats­

sprache”, welche der W u rm b ran d ’sche A ntrag verlangt, bildet nach dem W ortlaute und Sinne des A ntrages blos eine P arenthese des H auptan trag es, w elcher die D u rc h ­ führung der nationalen G leichberechtigung intendirt. Diese letztere gehört ab er auf G rund des A rtikels X IX der so­

genannten G run drechte zu den politischen R echten, welche den S t a a t s b ü r g e r n gegenüber der Staatsgew alt einge- räum t und verfassungsm ässig gew ährleistet w orden sin d .1 D er A ntrag b esc h rän k t somit selbst seine A ction rein nu r arrf die B eziehungen der S taatsbürger zu. der Staatsgew alt, m it anderen W orten, er b esc h rän k t sich auf das G ebiet der inneren S taatssprache. W enn es aber au f die F ra g e

1 Vergl. den Ausschussbericht im Anhänge 4 S. 123.

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ankom m t, welche S prache berechtigt ist, die innere S taats­

sprache in O esterreich zu sein, so m uss die Untersuchung- völlig selbstständig du rch g efü h rt w erden, und je d e r Schluss, w elcher diesfalls aus d er äusseren S taatssp rach e au f die innere oder um g ek eh rt gezogen w erden wollte, erscheint von vornherein als unstatthaft. D enn die äussere S taats­

sprache rich tet sich nach den Bedürfnissen an d e rer Staaten und R ücksichten des diplom atischen V erkehres, die innere S taatssp rach e dagegen nach den B edürfnissen der S taats­

angehörigen, beziehungsw eise nach den politischen Rechten der S ta a tsb ü rg e r.1 W ir finden denn auch, dass in den S taaten, w elche m ehrere N ationalitäten umfassen, die e r­

w ähnten G ebiete d er S taatssprache von verschiedenen S prachen b eh e rrsch t w erden. So spricht U ngarn nach au ssen ungarisch, deutsch und französisch, nach innen nur ungarisch und croatisch; Belgien nach aussen n u r französisch, nach innen französisch und vläm isch; die Schweiz nach aussen n u r französisch, nach innen französisch, deutsch und italienisch u. s. w.

D ie staatlichen Functionen auf dem G ebiete der inneren S taatssprache fassen sich, ihrem In h a lte nach, in folgende drei H auptzw eige zusam m en: Die A m t s t ä t i g k e i t , das

1 Es muss daher dem Bestreben des Berichtes der Ausschussminorität, auf diese Weise die Berechtigung1 der deutschen Staatssprache für Oesterreich mundgerecht zu machen, jede U eberzeugungskraft abge­

sprochen werden. D er daselbst befindliche Hinweis auf die Gesetze und Uebung, womit die deutsche Sprache als V erhandlungssprache der öster­

reichischen D elegationen, als Sprache der Staats vertrage (zugleich mit der französischen) oder gar als Geschäftssprache der österreichisch-unga­

rischen Bank (wohl wieder mit der ungarischen gemeinschaftlich) ein­

geführt worden ist und aufrecht besteht, bildet durchaus keine R icht­

schnur für die officielle Sprache auf dem Gebiete der staatlichen T hätigkeit innerhalb Oestereichs. Bericht S. 9,10. Ebenso belanglos ist die Constatirung, welche der A ntragsteller Abg. W urm brand in seiner Rede vornahm, dass

„dort, wo der Staat in seiner Gesammtheit auftritt, noch heute die deutsche Sprache gesetzmässig zu gebrauchen ist”. E rklärt doch der Redner selbst, was er darunter versteht „dort, wo er nach a u s s e n verkehrt”. Stenogr.

Protokolle cit. S. 11152, 11153.

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S c h u l w e s e n und das ö f f e n t l i c h e L e b e n . D as der inneren S taatssprache begrifflich zukom m ende Sprachgebiet um fasst dem nach: 1. Die S prache der R egierung sowohl für den internen D ienst derselben als auch fü r ihre V erordnungen, ferner die innere D ienst- u nd äussere G escliäftsspraclie säm m tlicher S taatsbehörden, B eam ten und Functionäre'; 2. die U nterrichtssprache säm m tlicher S taats-U nterriclitsanstalten;

3. die G eschäftssprache säm m tlicherpolitischer K örperschaften, die unter staatlicher A u to rität stehen und staatliche F u n c ­ tionen ausüben, som it insbesondere die Sprache der V e r­

handlung und B eschlussfassung d er gesetzgebenden K ö rp e r­

schaften und folgerichtig die S prache d er G esetze, sowie die G eschäftssprache der V erw altungskörper.

D ass das gesam m te G ebiet d e r S taatssp rach e (von nun an stets in der B edeutung d e r i n n e r e n S taatssprache gemeint) in O esterreich bis zum J a h re 1848 von der deutschen Sprache ausschliesslich b eh e rrsch t war, unterliegt keinem Zweifel,1 und zw ar w ar d er dam alige B esitzstand derselben nicht das P ro d u ct eines natürlichen geschichtlichen Processes in dem Sinne, als ob sich die deutsche S prache durch eigene K raft ohne B eistand der S taatsautorität eine bevorzugte Stellung geschaffen hätte. Im G egentheile, eine solche Stellung ist der deutschen Sprache lediglich dad urch er­

rungen und gesichert worden, dass ih r der autoritative C harak ter der S taatssprache ausschliesslich verliehen w urde.

D ie deutsche S taatssprache diente d er zielbewussten 1 N ur auf einem Missverständnisse beruht die Ansicht, welche von einigen Kednern in der bekannten Sprachendebatte geäussert wurde, als ob irgend ein R edner der M ajorität des Abgeordnetenhauses den Bestand der deutschen Staatssprache vor der Verfassungs-Aera bestreiten wollte.

Z.B. Abg. W urm brand, Stenogr. Protokolle cit. S. 11152. D arum w ar es für die Gegner des W urm brand’schen Antrages überraschend, dass einzelne Anhänger des Spraclienantrages das Bedürfniss gefühlt haben, in langen Ausführungen unter Anführungen der unterschiedlichen P aten te und Decrete bis aus dem 16. Jahrhunderte die historische Thatsache zu beweisen, dass die deutsche Staatssprache in O esterreich zur Zeit des Absolutismus bestanden hat. So der Abg. Beer. Stenogr. Protokolle cit.

S. 11137.

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R egierungspolitik des aufgeklärten Absolutism us als M ittel zur E rreich u n g eines doppelten S taatszw eckes.1 In cul- t u r e l l e r B eziehung hatte sie die Bestim m ung, das Volk durch A ufklärung gleichförm ig zu erziehen, un d auf diesem W ege das Id eal einer österreichischen C u l t u r - g e m e i n s c h a f t zu realisiren; in s t a a t l i c h e r H insicht w ar sie bestim m t, dasjenige feste B and zu bilden, von welchem man die H erstellung eines centralisirten E inheitsstaates nach dem M uster F ran k reich s, E nglands, Russlands e r­

w a rte te .2

N eben der deutschen S taatssprach e bestan den zw ar die S prachen aller übrigen in O esterreich sesshaften V olks­

stämme, doch n u r in d er E igenschaft als V o l k s s p r a c h e n . E s lag gewiss nicht in d er A bsicht jenes R egierungssystem s, die V olkssprachen völlig auszurotten. D enn d e r Zeitgeist w ar dam als von der N ationalitätsidee noch nicht b eh errsch t gew esen, und deutsch-nationale Politik konnte d ah er in dem

1 So sagt der Staatsrath Gebier in seinem votum separatum vom 2. August 1780, welchem Kaiserin M aria Theresia ihre Zustimmung gab :

„D er S t a a t muss darauf arbeiten, nach und nach ein Volk zu w erden.”

Gumplowicz, das Recht der N ationalitäten, Innsbruck 1879, S. 24.

2 D as Rescript K aiser Joseph’s II. vom 11. Mai 1784 lautet: „W ie viele Vortheile dem allgemeinen Besten erwachsen, wenn nur eine einzige Sprache in der ganzen Monarchie gebraucht wird, und in dieser alle Geschäfte besorgt w erden; wie dadurch alle Theile der Monarchie f e s t e r unter einander v e r b u n d e n und die Einw ohner durch ein s t ä r k e r e s B a n d der Bruderliebe verknüpft werden, wird Jederm ann leicht einsehen und durch das Beispiel der F r a n z o s e n , E n g l ä n d e r u n d R u s s e n davon überzeugt w erden.” Gumplowicz, cit. S. 26. „Alle Provinzen der Monarchie sollen nur ein G a n z e s ausmachen, in allen die K räfte des Volkes auf ein gemeinsames Ziel — Oestereichs M acht— gerichtet sein.”

Mit diesen W orten verkündete Joseph II. sein Regierungsprogramm. Gum­

plowicz, cit. S. 25. Es ist daher ganz richtig, wenn die Verfechter des Josephinismus, welche von der linken Seite des Abgeordnetenhauses den W urm brand’schen Sprachenantrag unterstützten, diesen K aiser vor dem Vorwürfe einer absichtlichen Germanisirung schützen zu sollen glaubten. N ichtsdestoweniger wurde der Druck, welchen die aus Staats­

rücksichten bezweckte zwangsweise Einführung der deutschen Staatssprache auf die N ichtdeutschen üben musste, von diesen Letzteren als Germanisirung empfunden.

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Systeme der R egierung nicht lie g e n .1 A us S taatsrücksichten ist den ausserdeutschen S prachen jed w ed er Z u tritt in die Domäne der S taatssprache ab g e sp errt worden, sie blieben nur auf das P rivatleben beschränkt.

Der constituiren.de Reichstag' 1848.

Allein gerade diese V erbannung und die dadurch bedingte U eberm acht der deutschen S prache rief bei den ausserdeutschen V olksstäm m en das Bew usstsein der U n te r­

drückung h erv o r; d er D ru c k erzeugte einen G egendruck, w elcher in dem allgem einen E rw achen des N ationalbew usst­

seins gipfelte und w elcher — wie natürlich — seine Spitze dorthin keh ren m usste, w oher der D ru c k gekom m en war.

D ie nationale Bewegung, w elche im J a h re 1848 bei allen ausserdeutschen V olksstäm m en O esterreichs gleichzeitig zum V orscheine gekom m en war, rich tete sich d aher unm ittelbar gegen die ausschliessliche H errschaft d er deutschen Sprache au f dem B ereiche der S taatssprache. Ih r Z w e c k w ar kein anderer, als durch G leichstellung m it der deutschen Sprache für alle übrigen S prachen freien Z u tritt in das G ebiet der Staatssprache zu erlangen. Als M o tiv diente der Bewegung das durch E rfahrung eingeprägte Bewusstsein, dass nu r die der S taatssprache zustehende staatliche A utorität dasjenige M ittel ist, welches die E ntfaltung der eigenen Nationalität bedingt, und welches, wenn allen V olksstäm m en gleichm ässig zuerkannt, dieselben gegenseitig vor Suprem atie zu schützen vermag.

1 In dem Rescripte M aria Theresia’s vom 15. April 1775 heisst es unter Anderem; „. . . . gleichwohl ist es nöthig, die Schulbücher in die Landessprache zu übersetzen, um nicht den G lauben aufkommen zu lassen, dass man die Landessprache ausrotten will Gumplowicz, cit.

S. 24. Darum sagt auch H e l f e r t , „Volksschule seit Maria Theresia I .”

S. 469: „Doch ging dieses Bestreben (der deutschen Sprache den Weg durch die Schule in die Behörden und Aemter, in den öffentlichen Ver­

kehr, in das Haus der höheren Stände zu bahnen) von Anfang her, namentlich in den böhmischen K ronländern, mit einer landesväterlichen Sorgfalt in Erhaltung und P f l e g e d e r M u t t e r s p r a c h e Hand in H and.”

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I n d ie s e m S in n e v e r l a n g t e n d ie n i c h t d e u t s c h e n V o l k s s t ä m m e v o n d e r S t a a t s g e w a l t g e g e n d a s a u t o r i ­ t a t i v e P i v i l e g i u m d e r d e u t s c h e n S p r a c h e e in e n a t i o ­ n a le G l e i c h b e r e c h t i g u n g a ls u n t r e n n b a r e n B e s t a n d ­ t e i l d e r p o l i t i s c h e n F r e i h e i t .

D ieser C harak ter der nationalenB ew egung des Jah res 1848 ergib t sich aus dem In h alte der zahlreichen D enkschriften und E m anationen der sogenannten „N ationalen”, welche in A nsehung des S prachenrechtes in dem P ostulate gipfeln:

es m ögen säm mtliche S prachen in O esterreich als A m ts­

und G erichtssprachen, ferner als U nterrichtssprachen , endlich als G eschäftssprachen in öffentlichen V erhandlungen prin- cipiell einander gleichgestellt; w e rd e n .1 In gleichem Sinne haben denn auch die V ertreter der N ichtdeutschen in dem Verfassungsausschusse des constituirenden R eichstages ihre nationalen W ünsche formulirt.

D e r betreffende § 21 des E ntw urfes d er G rand rechte lau tet wie folgt:

„ A lle V o l k s s t ä m m e d e s R e i c h e s s in d g l e i c h ­ b e r e c h t i g t .

J e d e r V o l k s s t a m m h a t e in u n v e r l e t z l i c h e s R e c h t a u f W a h r u n g u n d P f l e g e s e i n e r N a t i o n a l i t ä t ü b e r h a u p t u n d s e i n e r S p r a c h e i n s b e s o n d e r e .

1 Die in der „W iener Zeitung” vom 10. April 1848 kundgemachte Adresse der böhmischen Stände bat, „ilass die c z e c h i s c h e N ationalität der d e u t s c h e n N ationalität überhaupt, insbesondere im U n t e r r i c h t e und in der öffentlichen V e r w a l t u n g in Böhmen vollkommen g l e i c h ­ g e s t e l l t w e r d e ”. Gumplowicz, S. 58 A nm erk.2. Die g a l i z i s c h e n Stände stellten ihre nationalen W ünsche noch Joseph’s Nachfolger, dem Kaiser Leopold dar; dieselben wurden in der Folge zu wiederholtenmalen er­

neuert und um fassten stets die W iedereinführung der polnischen Sprache als U n t e r r i c h t s s p r a c h e sowie als A m t s s p r a c h e an Stelle der d e u t s c h e n in Galizien. Bericht des galizischen Landesausschusses über den Gesetzentwurf, betreffend die Amtssprache der Gerichte und der Verwaltung. 1868. Beilage der Zeitung „Gazeta narodowa”, 1868 Nr. 202.

In gleichem Sinne petitionirten die U ngarn, Serben, Rumänen und Slovaken. Gumplowicz, cit. S. 58, 60, 61.

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D ie G l e i c h b e r e c h t i g u n g a l l e r l a n d e s ü b l i c h e n S p r a c h e n in A m t, S c h u le u n d ö f f e n t l i c h e m L e b e n w ird vo m S t a a t e g e w ä h r l e i s t e t . ” 1

In diesem Sinne fassten D iejenigen die nationale G leich­

berechtigung auf, welche sie f ü r s ic h verlangten, welche

„die N e h m e n d e n ” w aren. E s fragt sich, ob andererseits diejenigen F acto ren , zu deren U ngunsten die nationale G leich­

berechtigung ausfallen m usste, welche som it „die G e b e n d e n ” gewesen, nachdem ihnen die T ragw eite des Verlangens bekannt gew orden war, darin eingewilligt h aben oder n icht?

W as zunächst die R egierung an b g rifft, so kann die gestellte F ra g e im H inblick au f den A bschnitt der öster­

reichischen V erfassungsgeschichte, der sich in dem con- stituirenden R eichstage v erkörperte, nicht b eantw o rtet w erden.

D er § 4 d er P iliersdorf’sehen V erfassung vom 25. A pril 1848 verm eidet ebenso behutsam die Bezeichnung „G leichberech­

tigung” wie auch eine A nerkennung des autoritativen C ha­

rakters d er S p rachen a u f dem G ebiete d er Staatssprache, nämlich in Amt, Schule und öffentlichem L eben. D erselbe lautet ganz bü ndig: „ A lle n V o l k s s t ä m m e n i s t d ie U n v e r ­ l e t z l i c h k e i t i h r e r N a t i o n a l i t ä t u n d S p r a c h e g e w ä h r ­ l e i s t e t . ” B eide soeben b e rü h rte M omente enthält d er ob- angezogene § 21 der von dem V erfassungsausschusse entworfenen G rundrechte, allein in Folge d er vor E rledigung der G rundrechte erfolgten A uflösung des constituirenden Reichstages kam die R egierung nicht in die L age, diesem Entw ürfe gegenüber Stellung zu nehm en.

D ass in dem § 5 der hierau f octroyirten V erfassung vom 4. März 1849: „ A lle V o l k s s t ä m m e s i n d g l e i c h b e r e c h ­ t i g t u n d j e d e r V o l k s s t a m m h a t e in u n v e r l e t z l i c h e s R e c h t a u f W a h r u n g u n d P f l e g e s e i n e r N a t i o n a l i t ä t u n d S p r a c h e ”, die R egierung u n ter „G leichberechtigung”

dasjenige eingeräum t wissen m öchte, was daru nter „die N ationalen” verstanden, ist m ehr als fraglich. U ebrigens ist diese Verfassung schon durch das kaiserliche P aten t vom

1 Gumplowicz, cit. S. 81.

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31. D ecem ber 1851 aufgehoben w orden — w orauf au der- ausschliesslichen H errsch aft der deutschen S prache auf dem G ebiete d er S taatssprache von der S taatsgew alt rücksich ts­

los festgehalten w u rd e .1

D agegen muss die oben aufgestellte F ra g e in A nsehung d er V e rtre te r des deutschen V olksstam m es insoferne u n b e­

dingt b e ja h t w erden, als an dem ernsten W illen derselben, den „N ationalen” die G leichberechtigung in dem Sinne, in welchem sie dieselbe b eg e h rt haben, voll und ganz einzu­

räum en, nicht gezweifelt w erden kann.

Beweise hiefür liegen nicht blos in d er dazum al allge­

m einen B egeisterung fü r die Id e en der F re ih e it un d G leich­

heit, w elche denn auch d er nationalen G leichberechtigung zur G rundlage dienten; nicht blos darin, dass der E n tw u rf der G rundrechte, somit auch der obangeführte § 21, w elcher die nationale G leichberechtigung proclam irt, das P ro d u ct einer gem einsam en A rbeit aller M itglieder — somit auch d er deutschen ■— im V erfassungsausschusse gew esen war.

E in Beweis liegt überd ies in der Stellung, welche die deutschen A bgeordneten in den V erhandlungen des con- stituirenden Reichstages gegenüber den sprachlichen und N ationalitätsfragen, soferne diese incidentaliter auftraten, stets eingenom m en haben. L eh rreich ist in dieser Beziehung insbesondere jen e E pisode des R eichstages, in w elcher gerade ein G ebiet der S taatssprache, näm lich die V erhandlungs­

sprache des Reichstages, zum G egenstände einer E rö rteru n g gew orden ist. V on deutscher Seite (Abg. M ayer) w urde die Aufnahm e einer Bestim m ung in die G eschäftsordnung bean­

trag t, w ornach die deutsche S prache als V erhandlungssprache zu erk lären w ä re .2 D ie D alm atiner verlangten andererseits, dass für sie die einzelnen P arlam entsacte in die italienische Sprache ü b ersetzt w erden mögen. Einzelne V e rtreter anderer

] Vergl. die vorzügliche D arstellung dieser Periode in Gumplowicz, cit. A bschnitt III. Das Decennium der Eeaction (1849— 1859) S. 97— 119.

2 Verhandlungen des österreichischen Reichstages nach der stenogr.

Aufnahme. W ien, k. k. Hof- und Staatsdruckerei, I, S. 7.

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r ■ ■

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Volksstämme wollten das B egehren der D alm atiner auch auf ihre Connationalen ausgedehnt w issen .1

D a ergriff der deutsch-böhm ische A bgeordnete B o r r o s ch (Prag) das W ort, um den G egenstand sofort zu einer P rin- cipienfrage zu erheben und definitiv zu lösen. D ieser Abgeordnete sah es ein, dass es sich hier um einen Bereich handelt, w elchen nur diejenige S prache zu b etre ten berechtigt ist, welche den autoritativen C harakter einer S taatssprache besitzt. E inen solchen C harak ter negirt der R edner für alle anderen Sprachen, m it A usnahm e der deutschen, deren B erechtigung er in der staatlichen R ücksicht au f den C en­

tralism us suchen zu sollen glaubt. „Ich kenne keine S taats­

religion” — rie f Borrosch den D alm atinern zu — „ich kenne aber eine von d er V ernunft und dem p raktischen Bedürfnisse gebotene parlam entarische S t a a t s s p r a c h e . . • . 2 W enn wir fortfahren, e i n g e m e i n s a m e s V a t e r l a n d , in dessen Namen wir hier sitzen, durch N ationalitätenstreit in F rag e zu stellen, so w ird uns, den Siegern im K am pfe für V olks­

freiheit, zuletzt dennoch nichts übrig bleiben, als w ieder um der N ationalitäten willen als B esiegte durch das Joch hindurch zu schreiten — m ir steht aber die p o l i t i s c h e F r a g e j e d e s m a l ü b e r b l o s s e N a t i o n a l i t ä t s - F r a g e n . 3 Ich ehre und achte je d e N ationalität hoch, sie dient dazu, um das V olk heranzubilden, sie ist die S prache des G em üthes, sie ist ein Fam ilienkleid, ein H ausrock, sie wird ab er sehr oft auch zum Schlafrocke, wenn m an nicht die S t a a t s t o g a anerkennt . . .”

Von czechoslavischer Seite (Abg. Rieger) w urde dem deutschen A bgeordneten die E rw iderung: „. . . Ebenso wenig ich als freisinniger Mann eine privilegirte Religion anerkenne, ebenso wenig kann ich im S taate eine p r i v i l e g i r t e N a tio n , e in e S t a a t s s p r a c h e anerkennen. . . . D er H e rr A b ­ geordnete h at gesagt, man müsse die S taatstoga einer S taats­

sprache annehmen. E r h ätte sich h ier ebenso gut des bei 1 V erhandlungen des österr. Reichstages etc., II, S. 321.

2 Ebendort II, S. 321.

3 Ebendort II, S. 324.

M a d e y s k i , deu tsch e S ta atssp ra c h e . 3

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ihm so beliebten A usdruckes „eine Z w a n g s j a c k e ” bedienen können . . . Ic h w erde . . . auf voller und w i r k l i c h e r G l e i c h b e r e c h t i g u n g mit den anderen N ationalitäten des S t a a t e s bestehen . . . Ic h verw ahre mich ab er nochm als feierlichst gegen die B ehauptung, dass es e in e S t a a t s ­ s p r a c h e gebe und je geben könne, ich w erde ein solches P r i v i l e g i u m e i n e r N a tio n nie anerken nen .” 1

In gleichem Sinne äusserten sich noch m ehrere andere

„nation aleV ertreter” (Potocki, Trojan, L ubom irski, H aw elka).2 D ieser von „nationalen” R ednern dargelegten Auffassung des G leichberechtigungs-Princips ist ausser B orrosch von k ein er Seite entgegengetreten worden, im G egentheile sp ra c h der deutsche A bgeordnete N e u w a ll F o lg e n d es: „. . . E s ist ein u n v e r ä u s s e r l i c h e s R e c h t des D eputirten, in d er Sprache, die seine heim ische ist, zur V ersam m lung zu reden (Beifall). W enn es bis je tz t nicht geschehen ist;, so w ar n i c h t e in e V e r z i c h t u n g a u f d i e s e s R e c h t daran U rsache, sondern der W unsch nach Versöhnung, nach E inklang, nach F ö rd erung der V erhandlung (Beifall). E s ist dies eine f r e i w i l l i g e C o n c e s s i o n , welche Je d e r von seinem heiligen angestam m ten R echte gem acht hat, um das allgem eine W ohl . . . selbst mit V erzichtleistung seiner eigenen B equem ­ lichkeit und G ew ohnheit zu fördern.” 3

E s w urde dann andererseits vom praktischen G esichts­

punkte der Zw eckm ässigkeit eines gem einsamen V erstän­

digungsmittels gegen die deutsche V erhandlungssprache im Reichstage kein B edenken erhoben, es klang ab er auch dabei in den betreffenden Reden der nichtdeutschen A b­

geordneten stets die V erw ahrung: als Zugeständniss, als freiwillige U ebung ja ! doch nicht als Pflicht, welche das entgegengesetzte R echt ausschliesst! (Bilinski, Lubom irski). 4 U nd auch vom praktischen S tandpunkte aus fand diese frei-

1 Verhandlungen des österr. Reichstages etc., II, S. 328.

2 Ebendort II, S. 322, 323, 330.

3 Ebendort II, S. 326.

4 Ebendort I, S. 7 u. f.

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