Theologisches Literaturblatt.
U nter Mitwirkung
z a h l r e i c h e r V e r t r e t e r d e r t h e o l o g i s c h e n W i s s e n s c h a f t und P r a x i s
herausgegeben von
Dr. t h e o l . L u d w i g I h m e l s
P rofessor der Theologie in Leipzig.
Nr. 4. Leipzig, 16. Februar 1912. XXXIII. Jahrgang.
Erscheint vierzehntägig Freitags. — A bonnem entspreis jährlich 10 J t. — Insertionsgebühr pr. gesp. Petitzeile 30 <J. — Expedition i K Snigsstrasse 13.
K a u tzsc h , D. Em il, Biblische Theologie des A lten Testam ents.
J i r k n , Dr. phil. A nt., Die Dämonen.
S an d a, Dr. A., Die B ücher der Könige.
H e rtle in , E d u a rd , Die M enschensohnfrage im letzten Stadium .
B a r b ie r . H e n ry , Essai historique su r la signi- fication prim itive de la sainte-c&ne.
S tä tilln , Otto, Die hellenistisch-jüdische Literatur.
L oesche, D. D. Dr. Georg, Von der Toleranz zur P a rität in Oesterreich 1781—1861.
G a ird n e r, Mag. A., W . H . T., E dinburgh 1910.
L a n e r, H erm ann, Die Moraltlieologie Alberts des Grossen.
S te in e c k e , 0 . , Die Diaspora der Br&dergemeine in D eutschland.
E i e r t , W erner, lic. theol. Dr. phil., Prolegom ena der Geschichtsphilosophie.
D e n n ert, Prof. Dr. phil. E ., Die W eltanschauung des m odernen N aturforschers.
D erselb e, Vom Sterbelager des D arw inism us.
D asselbe, N eue Folge.
K esseler, K urt, Rudolf Euckens W erk.
S cholz, D. H e rm a n n , Fünfundzw anzig J a h re an St. M arien in Berlin.
H&ghagen, D. F r., N efanda-Infanda, W ider den m odernen u n sittlich en R om an.
N eueste theologische L iteratur.
Zeitschriften.
U niversitätsschriften.
K a u t z s c h , D . E m il (*f* Prof. der T heol. in Halle), B i b l i s c h e T h e o lo g i e d e s A l t e n T e s t a m e n t s . T übingen 1 9 1 1 , J. C. B . Mohr (X V, 4 1 2 S. 8). 8 Mk.
A ns dem literarischen N achlasse des am 7. Mai 1 9 1 0 heim - g egan gen en Prof. E m il K autzsch soll nach dessen letztem W illen nur eine A rbeit h erausgegeben w erden, näm lich eine D arlegu n g in b ezu g auf die R eligionsgeschichte Israels. D ies ist aus zw ei Gründen begreiflich. Erstens w ar eben nur ein Manuskript des N achlasses vorher von K autzsch selbst in druckfertigen Zu
stand gebracht worden, und zw eitens betrifft dieses Manuskript den w ichtigsten G egenstand, den ein Professor des A lten T esta
m ents bearbeiten kann. Jener W unsch von E. K autzsch ist nun von einem seiner Söhne, D r. K arl K autzsch (Paator an der evangelisoh-reform ierten Kirche zu Dresden) zur Ausführung gebracht worden. A ber das hinterlassene Manuskript stammt, w ie der H erausgeber im V orwort berichtet, aus dem Frühjahre 1 9 0 4 . In diesem Jahre ist es ins E nglische übersetzt worden und als A bhandlung über „R eligion o f Israel“ in dem Extra- V olum e des von H astings herausgegebenen D ictionary of B ible erschienen. D aher enthält das jetzt veröffentlichte Buoh für die Fachleute nichts neues, und g eg en sieb zig Stellen aus dem selben sind deshalb schon in m einer soeben erschienenen „G e
schichte der alttestam entlichen R eligion , kritisch dargestellt“
zitiert und beurteilt, nämlich der R eihe nach in m einem B uche, S. 2 8 ff., diese Stellen aus K autzsch: S. 18. 2 8 7 . 4 0 . 9 9 . 1 2 f.
13 . 3 0 . 13 (2 mal). 9. 13. 1 3 f. 1 4 (2 mal). 2 6 . 1 2 9 f . 3 7 . 17.
2 1 (2 mal). 3 4 . 3 4 f . 7 2 . 4 9 (2 mal). 4 4 . 5 0 . 4 9 . 6 1 . 6 0 . 66. 6 3 f. 2 9 . 1 6 5 . 1 6 6 . 1 5 4 . 7 3 ff. 5 0 1. 9 8 (2 mal). 5 0 . 9 8 . 9 5 . 9 8 . 5 3 f. 5 3 . 6 7 . 1 1 5 . 3 1 . 3 2 . 3 2 3. 3 3 . 7 4 . 1 0 6 . 2 7 . 8 1 . 7 5 . 2 1 3 . 2 7 6 . 2 6 6 . 2 7 9 (2 mal). 2 7 7 . 2 8 2 . 2 4 2 . 2 8 1 . 3 1 2 .
D er H erausgeber hat in dem B uche selbst „kleine Glät
tungen des W ortlauts und der Interpunktion sow ie Streichung einzelner W orte und S ätze“ (S. IV ) vorgenom m en. U nter diesen U m ständen ist aber der W ortlaut doch nicht v öllig authentisch.
D er H erausgeber hat es auch für sein e A ufgabe gehalten, hinter dem Vorwort und vor den einzelnen Paragraphen die Literatur zusam m enzustellen, die von 1 9 0 4 — 1 9 1 1 auf dem G ebiete der alttestam entlichen R eligionsforschung erschienen i s t So w en ig
7 3
nun dadurch die L ücke überbrückt w erden kann, die zw ischen dem Frühjahr 1 9 0 4 und 1 9 1 1 in dem B uche von K autzsch klafft, so ist es doch gut, dass der L eser des B uches w enigstens durch die A nführung der T itel der in diesem Zeitraum er
schienenen Literatur auf das in ihm geschehene W eiterschreiten der alttestam entlichen Forschung aufm erksam gem acht wird.
N ur ist es m isslich, dass in einem Prospekt der V erlagsbuch
handlung ein Paragraph m it darübergesetzten B uchtiteln ver
öffentlicht ist und doch leider die B em erkung des Vorwortes fehlt, die über den bloss figurativen Sinn dieser Buchtitel auf
klärt. D och gen u g davon!
D ie aus dem Jahre 1 9 0 4 stam m ende D arlegu n g von E . K autzsch ist, w ie man das von ihm nur erwarten kann, eine ged iegen e A useinandersetzung über viele w ichtigste P unkte der israeliti
schen R eligionsgeschichte: die Spuren einer vorm osaischen R eligion Israels; die Stiftung der R eligion Israels (des Jahwis- mus) durch Mose am Sinai; d ie R eligion Israels in K anaan vor der Zeit der Schriftpropheten; die Zeit der Schriftpropheten bis zum E x il; der Prophetism us seit dem E xil; das Priestergesetz, die religiöse L yrik und E legik ; die W eisheitsliteratur: Sprüche, Buch H iob und Prediger. A ber erstens fehlt in dieser D ar
stellung leider m anche allerw ichtigste Partie, w ie z. B . der A us
druck „V olksreligion“ nur zw eim al (S. 2 2 9 . 2 9 8 ) vorkom m t und auch da nicht das b ezeichn et, w as die jetzige W issenschaft darunter versteht, sondern den G egensatz zu „W eltreligion"
m eint. Zw eitens b ezieht sich K autzschs D arstellung durchaus nur auf die B ücher des hebräischen A lten T estam ents. D er w eitere V erlauf der israelitischen R eligionsgeschichte, der sich durch die Apokryphen, viele Pseudepigraphen und die A nfänge des T alm ud bis zur E ntstehungszeit der christlichen Kirche hin
zieht, w ird in dem B uche von K autzsch nicht berührt. D ass in ihm auch viele F ra g en , die erst seit 1 9 0 4 z. B . durch Gress- manns Buch „D er Ursprung der israelitisch jüdischen Eschato
lo g ie“ (1 9 0 5 ) angeregt worden sind, keine B eantw ortung erfahren haben, ergibt sich aus der Zeit seines w ahren Ursprungs. D ie U rteile, die ich im einzelnen über die Ausführungen von K autzsch abzugeben hatte, sind bereits in m einem oben zitierten B uche
vorgelegt worden. Ed, König.
74
J i r k u , Dr. phil. A nt., D ie D ä m o n e n und ihre Abwehr im A lten T estam ent. L eip zig 1 9 1 2 , D eichert (V III, 99 S.
gr. 8). 2. 4 0 .
D ie Sparen des D äm onenglaubens im A lten T estam ent, deren Erforschung in neuerer Zeit H . DuhmB Buch „D ie bösen Geister im A lten T estam ent“ (1 9 0 4 ) gew idm et is t, verdienten gar w ohl eine noch hellere B eleuchtung. D ieser A ufgabe hat ßich nun A. Jirku, ein m it aBsyriologisohen K enntnissen ausge
rüsteter G elehrter, unterzogen. Er bespricht in einem ersten H auptteile die D äm onen in den U nterabteilungen „T otengeister, N achtdäm onen, W üstendäm onen usw .“, und ein zw eiter H aupt
teil handelt über die V ertreibung der D äm onen durch Mani
pulationen mit B lut, W asser, Tiere, Pflanzen, Bildw erke, Glocken, Farben, K notenzauber. In beiden H auptteilen treten sehr w ichtige neue B ehauptungen auf, die unbedingt einer genauen Prüfung bedürfen. Suchen wir zu ihr w enigstens einen B eitrag zu g e b e n !
Im ersten H auptteil ist gleich die erste T hese, die der Verf.
den bisherigen Annahm en en tgegen stellt, d iese, dass 'ob (PI.: ’öböth) n i c h t eine Art von T otengeistern bezeichne. Er führt da die bisher versuchten sprachlichen A bleitungen von nix vor, aber tut dies nur als Referent. D ie H auptfrage ist ihm, ob unter dem 'ob der „T otengeist“ zu verstehen sei, w ie S ch w a lly , B en zin ger, G es.-Buhl und andere annehm en. U m diese F rage zu entscheiden, führt er alle Stellen m it "ob vor und fällt das U rteil, dass „unter dem ’ob der G eist eines V er
storbenen, überhaupt ein Geist zu verstehen is t , ist an keiner Stelle des Alten T estam ents gesa g t“. N u n eine A nsicht braucht doch aber nicht einfach in Form einer D efinition ausgesprochen zu sein , aber ergibt sie sich nicht indirekt und doch hin
reichend deutlich aus den Stellen über 'o b ? E s ergibt sich dooh daraus, dass die 'öböth b e f r a g t w erd en , und dass b ei solcher B efragu n g ein V erstorbener zitiert wird. D as erstere aber steht ausdrücklich in D eut. 18, 11 („und befragt einen 'oft“ ; als A kk.-O bjekt) und Jes. 8, 19 (nachforschen bei den
’öböth; ebenso 19, 3), und auch 1 Chron. 10, 13 heisst a
„befragen“ , w ie sonst (vgl. m ein W B . 4 7 5 b ) , und es ist also dort nicht g esa g t „m ittels des Ob F ragen stellen“, w ie Jirku übersetzt. N äm lich er h at nicht nur dies verkannt, sondern behauptet auch w e i t e r , dass ’öb nach zw ei Stellen nicht „ein geistiges W esen “ bezeichnen k ö n n e . D enn zunächst in 1 Sam . 2 8 , 3. 9 sei gesagt, dass Saul die ’ öbolh aus dem Lande entfernte und ausrottete. A ber dort führt ja schon die B e
fürchtung der H ex e von E ndor, dass sie nun auch aus dem Lande vertrieben w erden könne, zu dem Urteil, dass unter den vertriebenen ’öböth solche Personen verstanden sind, die mit einem
’öh im V erkehr zu stehen m einten (vgl. ba calath ’öb V. 7), und ausserdem ist es eine ganz natürliche Art von M etonym ie, w enn solche Personen naoh ihrem charakteristischen Besitztum oder V erbündeten kurz selbst ’ö b (ö th ) genannt w urden. Aus diesem natürlichen Sprachgebrauch erklärt sich auch die andere Stelle, in der Jirku ein Hindernis für die A uffassung des ’öb als eines T oten geistes findet, näm lich 2 K on. 2 3 , 2 4 , w onach Josia d ie ’öböth verbrannte. Auch zw ei andere Stellen erklären sich ausserdem so, näm lich 2 K ön. 21, 6, w o niz» „beschaffen“ (wie an ändern Stellen; m ein W B .) T otenbeschw örer heisst, und 2 3 , 2 4 . A lso m it U nrecht erklärt Jirku die ’öböth für „greifbare G egenstände“ (S. 11).
Indes Jirku m eint ja behaupten zu k ön n en , an den zw ei Stellen, w o das W ort ’öb im Zusam m enhang mit der T otenbe
schw örung genannt sei, w erde „ausdrücklich das hebräische W ort
für uG eist des V erstorbenen” genannt: es sei dies Elohim(nis-ibs)“.
D ies soll nämlich erstens in 1 Sam . 2 8 , 13 der Fall sein.
D ort wird allerdings das W e se n , w elches die W ahrsagerin aus der Erde em porsteigen sieht und in w elchem sie den Propheten Sam uel erkennt, als elohim bezeichnet. Ist in diesem W orte nun aber deshalb der hebräische Ausdruck für „T otengeist“ zu erblicken? Ich m eine, dass da w ieder einm al das von mir schon m anchm al betonte Prinzip anzuw enden ist: N ach den sicheren A ussagen sind die unsicheren zu deuten. Sicher ist nun in 1 Sam. 2 8 , 7 ff. dies. D as betreffende W eib hatte es m it einem ’öb zu tun oder w ar, w ie man auch übersetzen kann, die V erbündete eines ’öb (V. 7). W eil Bie dies war, g in g Saul zu ihr, und sie fru g ihn sofort, w eil sich das bei einer ba ’alath ’öb von selbst verstand: „W en soll ich heraafsteigen lassen?“ Also w ahrsagte sie m it H ilfe von heraufsteigeuden T otengeistern. F olglich w ar sie ein W eib, das T otengeister zitieren zu können m einte. D em nach ist mit ’öb ein T oten geist gem ein t, und dazu stim m t auch, das ’öb nach dem ara
bischen ’äba (vgl. m ein W B . 7 a) einen zurückkehrenden, im Grabe k eine R uhe findenden G eist bezeichnen kann. N aoh diesen sicheren M omenten von 1 Sam. 2 8 ist es nun zu deuten, w enn in b ezu g auf den zitierten T oten geist des Sam uel dann der Ausdruck elohim gebracht ist. D ieser Ausdruck kann, w ie er auch sonst noch abgeleitete B edeutungen besitzt, in 1 Sam.
2 8 , 13 einen „jenseitigen Geist“ bezeichnen. Aber dadurch w ird elohim nicht ,vdas hebräische W ort für Geist dea V er
storbenen“. N ein, elohim wird durch 1 Sam . 2 8 , 13 nur e i n , und zw ar ein gelegentlicher Ausdruck für den Geist eines V er
storbenen, vielleicht sogar w eil der w ieder lebendig sich zeigende Prophet Sam uel die auf Saul zürnende Gottheit vertritt.
Jedenfalls ergibt sich die T h ese von Jirku auoh nicht aus den W orten von Jes. 8,1 9 . D a schliesst sich Jirku der A uslegung von Marti u. a. an, nach der auch die letzten zw ei Sätze von den G egnern Jesajas gesprochen sein sollen. A ber das ist doch eine unnatürliche A nnahm e, dass die Aufforderung zur B e fragu n g der ’öböth usw . so ausführlich m otiviert worden w äre, und dass dabei der Ausdruck elohim im G egensatz zu den L ebendigen die T oten bezeichnen soll, eben derselbe A us
druck elohim, der sonst (überall) im A lten T estam ent Gott und den L ebensquell bezeichnet. D ie mir richtig scheinende A us
leg u n g von Jes. 8, 19 gib t m eine „Gesch. der alttestl. Rel.
kritisch dargestellt“ 1912, 6 9 f.).
Also gleich die erste A ufstellung von Jirku kann nicht für begründet gehalten w erden. So m üssen aber w eiter alle seine T hesen geprüft w erden. D enn, ich w iederhole es, w ichtig sind sehr viele von ihnen. Leider kann ich aber hier nicht w eiter
darauf eingehen. Ed. König.
S a n d a , D r. A . (Prof. d. T heol. am Priestersem inar zu Leitm eritz, Böhm en), D ie B ü c h e r d e r K ö n i g e . 1. H albband: D as erste B uch der K ön ige (ist: E xegetisch es H andbuch zum A lten T estam ent, in V erbindung m it F achgenossen heraus
geg eb en von Dr. Joh. N ik el; 9. Band). Münster i. W . 1 9 1 1 , Aschendorff (X LV I, 5 1 0 S. gr. 8). 8 Mk.
Ein w eit an gelegtes U nternehm en, dessen H inausführung viel T atkraft und konzentrierte A rbeit erfordern wird, tritt mit diesem B ande an die lOeffentlichkeit: ein e geschlossene D ar
stellung der W issenschaft vom A lten T estam ent durch römisch- katholische Fachm änner, die sich bisher in Bardenhew ers B ibli
schen S tudien, oder, w ie der V erf. des zuerst hervortretenden T eilbandes, in den M itteilungen der V orderasiatischen Gesellschaft
oder in tüchtigen M onographien über den S a b b a t, über den T ex t des Qoh61et n. dergl. bekannt gem acht hatten. E inige N am en ans jenem L ager werden vielleicht noch die jetzt vor
g eleg te Liste der V erf. vervollständigen, ein ige w erden zu zeigen haben, dass sich der ganze gelehrte Generalstab, dem sie sich angegliedert haben, w issenschaftlich hom ogen zusam m enfügt.
N ich t nur ein Kom m entar — auch zu den A pokryphen — ißt in Aussicht genom m en, auoh fü n f historisch-system atische B ände über das A lte T estam ent und das Judentum w erden angekündigt.
D ie E inteilung des Kom mentars, nioht auoh die Buchausstattung b efo lg t das V orbild eines neuen französischen K om m entars zum A lten T estam ente. D er „beBterreichbare Grundtext“ wird bereits der U ebersetzung zugrunde gelegt. D ieselb e übernim m t durch gelegentlich angebrachte G lossen auoh einige Funktionen des Kom m entars m it; sie w ill die vergangenen Zustände und E in
richtungen w eder durch m oderne noch durch ehem alige deutsche w iedergeben und bevorzu gt daher m öglichst um fassende abstrakte Form eln, unter w elchen sich sow ohl das israelitische E inst w ie das m oderne A equivalent vorstellen lässt; sie liest sich daher vornehm -gelehrt im besten Sinne, während das Original in der R eg el beides nioht ist. D en Eindruck unterstützen die E igen nam en; in ihrer W iedergabe m acht sich jen e „B erücksichtigung der V ulgata“ trotz Grundtext und K onjektur geltend, ohne die es angesichts des Leserkreises, auf den das U nternehm en in erster L inie rechnet, anscheinend nun einm al nicht geht. V on dem Prinzip, hebräische W orte ganz zu ignorieren, und dies durch ( ) anzudeuten, darf w ohl nooh häufiger Gebrauch g e m acht w erden; Zusätze w ie 1, 2 8 : R ufet mir d i e B atseba waren w ohl schon in L X X , denen sie der U ebersetzer nachahm t, aus einer P ietät g eg en das Original (V>) hervorgegangen, deren Leistungen jetzt ganz anders w irk en , als ihre Urheber beab
sichtigten.
D ie G elehrsam keit des Kom m entars ist reichhaltig und um
sichtig au sgew äh lt; über die N ichtberücksiohtigung mancher A ufstellungen der letzten Jahre, z. B . auf dem topographischen G ebiet (Machanaim!), wird m an m it dem Verf. nicht rechten.
D ooh hätte im Kom m entar durch eine geschickte Anordnung w ohl ein iges an W orten gespart und dam it doch auch w ieder P latz für mehr M itteilungen gew onnen w erden können. M öchte es dem Kom m entar vergönnt Bein, in den jetzigen, für die W issenschaft in der röm ischen Kirche nioht leichten Zeiten für gesunde geschichtliche A nschauungen von der B ib el dort Bahn zu brechen, w o sie im Interesse des Gesam tchristentum s zu w ünschen ist. S ch ad e, daBS nach L a g e dar V erhältnisse ein interkonfessionelles Zusam m enarbeiten am A lten T estam ent w en ig A ussicht auf A nklang hat. D a ss das A lte T estam ent von N ichtjuden dargestellt werden soll, ist eine verständliche nnd notw endige Forderung. D ass aber das A lte T estam ent von solchen, die ausserhalb des A lten TestamentB stehen, auch w ieder prin
zipiell verschieden a u sgelegt w erden m üsste, das w äre doch seltsam nnd ist ja auch nicht der Fall. Trotzdem w erden wir nicht anfhören, abw echselnd katholische und protestantische Kom m entare über ein w eder katholisches noch protestantisches B uch zu schreiben.
E r l a n g e n . L ic . D r. Wilh. Oaflpaxi.
H e r t l e i n , Eduard, D ie M e n s c h e n s o h n f r a g e im l e t z t e n S t a d iu m . E in V ersuch zur Einsicht in das W esen alt- christlichen Schrifttum s. Berlin, L eipzig u. Stuttgart 1 9 1 1 , W . Kohlham m er (X, 1 9 3 S. 8). 4 Mk.
Schon der T itel zeig t ein D oppelgesicht: kühnes Selbst
b ew usstsein, mit dem Behauptungen auf gestellt w erden, und dooh soll die Schrift nur ein V ersuch sein. A ehnlich ist die Schrift selbst, aber auch da überw iegt der Stolz uns T heologen gegen über. V erf. ist Philolog. Schon in der Vorrede w erden Gunkel, B ousset und H arnack abgekanzelt — anders kann das Ver
fahren nicht bezeichnet werden — , für Br. B auer wird eine L anze gebrochen. V erf. hat 1 9 0 8 eine M onographie ver
öffentlicht: „D er D aniel der R öm erzeit“, worin er, einen G e
danken P . de LagardeB aufnehm end, nachzuw eisen versucht h a t, dass D an. 7 nachchristlichen U rsprungs, 7 0 n. Chr.
anzusetzen sei. D ie Folgerungen dieser D atierung für die M enschensohnfrage zieht Verf. in der vorliegenden Schrift.
D enn ist die T h ese H ertleins betr. D an. 7 richtig, so ist es ausgeschlossen, dass Jesus sich in A nlehnung an D an. 7 „Menschen
sohn“ genannt habe. D a nun aber die F rage nach Jesu Messias- bew usstsein unlöslich mit der anderen zusam m enhängt, ob er sich den M enschensohn genannt h a b e, so ist ersichtlich, von w ie einschneidender B edeutung für das geschichtliche Ver
ständnis Jesu das behandelte Problem ist. D en theologischen Grundgedanken von H ertleins Schrift hat denn auch W redes
„M essiasgeheim nis“ 1 9 0 1 geliefert. E rst M arkus, das älteste E van geliu m , das nach H ertlein S. 4 8 in K ap. 13 auf die Zer
störung Jerusalem s 1 3 5 n. Chr. B ezu g nehm en soll, hat in teils verhüllender, teils offenbarender W eise von Jesus als dem M enschensohn gesprochen in A nlehnung an die gleichfalls b e reits nachchristliche Stelle D an. 7, und von da ist die B e
zeichnung Jesu als M enschensohn in die anderen E vangelien nnd w eitere christliche Literatur übergegangen.
Man kann dem V erf. die A nerkennung nicht versagen, dass er sich im Unterschied von manchem P h ilologen , der in die theologischen D ebatten eingegriffen hat, sehr sorgfältig m it der theologischen Literatur auseinandersetzt. A uch existiert für ihn nicht nur die kritische T h eologie, sondern auoh Autoren der konservativ-theologischen R ichtung finden gründliche B eachtnng.
Oft hat man seine Freude an den scharfsinnigen Erörterungen deB Verf.s. Seine Polem ik g eg en die A nnahm e, dass frem de M ythen auf die G estaltung des B ildes des M enschensohnes D an. 7 wirksam g e w esen seien, S. 5 3 — 8 7 , sow ie das K apitel: „D er babylonische und hellenistische M ythos vom uM enschen” nnd der biblische t(Menschen- sohn”“ S. 8 8 — 9 8 verdienen B eachtung. U nd doch ist Verf., der die B efangenheit der T h eologen gegenüber den historisch-theo
logischen Problem en des Urchristentums so scharf tadelt, Belbst in die grösste B efangenheit verstrickt. Er sieht nicht die un
löslichen S chw ierigkeiten, an denen seine H ypothese scheitert.
E s rächt sich , dass er heute noch Gelehrte w ie W . Brandt, W rede und W ellhausen als E ideshelfer wählt. D enn ungefähr auf der ganzen L inie der heutigen T heologie w ird erkannt, dass die Genannten hinsichtlich des V erständnisses des Ent- w iokelungsganges der U rchristenheit für eine gesunde W issen
schaft ungangbare W eg e geführt haben. U nd zw ar war ihr F ehler eben der H yperkritizism us, dem auoh H ertlein selbst huldigt. A ls Philolog m öchte er uns nur eine einzige U eber
lief erungssohicht des Altertums auf z e ig e n , in der eine gesunde Philologie sioh unterfangen h ä tte, bo ausserordentliche U m bildungen, w ie er sie in der nentestam entliohen Ueberlieferung annimmt, innerhalb des Zeitraum es von etw a einem Jahrhundert für wahrscheinlich zu erklären. Aber die neutestam entliche Literatur ist ja vogelfrei. Freilich, w er w ill es einem Gelehrten verargen, w enn er die T hese durohzuführen versucht, dass D an . 7 erst christlichen Ursprungs sei? W ir kom m en in der T a t in
der W issenschaft nur vorwärts, w enn wir versuchen, die D in g e einm al anders anzusehen, als es traditionell geschieht. Aber die genannte T hese w ird, w ie H ertlein durch R ezensionen seiner Schrift bekannt gew orden ist, bestritten, und zw ar m it keines
w eg s leicht w iegenden A rgum enten. Trotzdem hält er sie in der hier anzuzeigenden Schrift nicht nur fe s t, sondern er w ill m it ihrer H ilfe die ganze G eschichte Jesu und des Urchristen
tum s bis tief in das 2. Jahrhundert hinein Umstürzen. D as kann aber nur zu einem M isserfolg führen. D ie A rt, w ie S. 4 6 ff. über die Q uellenverhältnisse der E vangelien gesprochen wird, erscheint dem R ef. dilettantisch. Gerade als Philologen hätte ihm die synoptische Zweiquellentheorie etw as mehr A chtung abgew innen können. E s gibt sehr gew ichtige Gründe, w elche es verbieten, die A bfassung unserer Synoptiker später anzusetzen, als im letzten D rittel des 1. Jahrhunderts. D ann reichen aber sicher die R eden und die M arkusquelle in das 5. und 6. Jahrzehnt des 1. Jahrhunderts zurück. D am it jedoch w ird es sehr schwer, die B ehauptung aufrecht zu erhalten, dass die Selbstbezeichnung Jesu als M enschensohn in der U eberlieferung nicht vor 7 0 nachw eisbar sei. D ass die Bilderreden des H enochbuohes, in denen in A nlehnung an D an. 7 vom Messias unter dem B ilde deB M enschensohnes gesprochen wird, christlich beeinflusst seien, ist keinesw egs so sicher, w ie H ertlein annimmt. Aber auoh die grössten sachlichen B edenken sind geltend zu m achen. U m nur ein ige zu nennen: Paulus m it seinem Christusbild schw ebt b ei H ertleins H ypothese in der Luft. D ieser A postel Christi steht aber im hellen L ichte der G eschichte des ersten christlichen Jahrhunderts. D enn seine C hristusverkündigung hat die H eiden
kirche geschaffen. Ferner nur eine aller psychologischen W ahr
scheinlichkeit bare B etrachtung kann das Christusbild der E van
gelien als eine Schöpfung des 2. Jahrhunderts durch einen H ellenisten erklären. D er palästinensische E inschlag, der histo
rische Hintergrund der L age des jüdischen V olkes zur Zeit Jesu und die konkreten Z üge einer m enschlichen Person treten sehr klar aus der evangelischen U eberlieferung zutage. D a s alles ist in den E vangelien nicht gem ach t, sondern hat urw üchsige Art. W ie leichtherzig nim mt R ef. die E ntstehung des griechi
schen Term inus „der Sohn des M enschen“ im 2. Jahrhundert aus D an. 7 a n , dessen E ntstehung im 1. Jahrhundert ihm mit den grössten Schw ierigkeiten verknüpft zu sein scheint. D aher können w ir uns nicht überzeugen, dass H ertlein einen brauch
baren G edanken verfolgt. Feine.
B a r b ie r , H en ry , E s s a i h i s t o r iq u e s u r l a s i g n if i c a t i o n p r im it i v e d e l a s a i n t e - c e n e . Saint-B laise 1 9 1 1 , F oyer Solidariste. (V III, 1 7 1 S. gr. 8). 4 fr.
D er Verf. behandelt sein T hem a in vier K apiteln m it einer in kurzen Strichen au f den augenblicklichen Stand der F rage hinführenden E inleitung (1 ff.) und einem das E rgebnis zusammen- fassenden Schluss nebst Antorenregister (1 6 0 ff.). Im ersten K apitel (1 7 — 4 0 ) sucht er den W ortlaut der E insetzungsw orte b ei den Synoptikern festzustellen und gelan gt nach einer scharfsinnig durohgeführten U ntersuchung zu dem S a tz, dass uns die ursprüngliche Form derselben im D -T ex t des Lukas (2 2 , 1 7 — 1 9 ), also in einer im V ergleich zum kanonischen L ukas-T ext w esentlich verkürzten und m odifizierten F orm , er
halten ist (33). — Im zw eiten K apitel (4 1 — 7 4): Christi T odesdatum , A bendm ahl und Passah g elan gt er zu dem über
raschenden E rgeb n is, dass nicht allein Johannes die quarto- deeimaniflche Tradition vertritt, sondern dass auch Markus,
w enn man nur richtig zusieh t, eine ganze R eihe von Zügen bietet, die der A nnahm e, Jesus sei an einem F esttage g e
k reu zigt, w idersprechen (vgl. 1 4 , 15 1 5 ,4 2 ; 1 4 , 4 3 ; 1 4 , 5 3 ; 15 , 21 u. a.). Mithin ist er an einem W erktage gekreuzigt;
dann aber war das von ihm mit seinen Jüngern began gen e Mahl gar nicht das Passahm ahl. — D as dritte K apitel (7 5 — 116) sucht sodann das V erhältnis zw ischen dem A postel Paulus und dem vierten E vangelium festzustellen. In B etracht kom m en hier 1 Kor. 11 (und w egen des Sakram entsbegriffs auch 10) und Joh. 6. B ei beiden findet sich die „notion saoram entaire“. — Im letzten K apitel (1 1 7 — 1 5 9 ) wird dann die „ursprüngliche B edeutung des A bendm ahls“ festgestellt. Jesus hat niem als an die B egründung eines „neuen B undes“ gedacht, sondern er hat sich nur als Propheten naoh den Propheten g e g e b e n , und das
„R eich G ottes“ stand im M ittelpunkt seiner R eden. Jesus hat vielleicht seinen T od vorhergesehen, aber ihn nicht in allen E inzelheiten vorhergesagt und niem als ihn als einen Opfertod auffassen w ollen, dem entsprechend ist Mark. 1 0 , 4 5 als späterer Zusatz zu betrachten.
V on hier aus kom m t nun der V erf. zu dem E rgebnis:
Essen und T rinken ist ein S ym bol der G em einschaft, und in dem der Herr es ihnen darreicht, w ill er den Jüngern andeuten, dass er m it ihnen in Gem einschaft bleiben w ill. V on vielen gleichartigen Mählern, die der Herr m it den Jüngern gehalten hat, unterscheidet es sioh nur dadurch, dass es das l e t z t e ist.
So hat es die Gem einde auoh, w ie wir 9ns A ct. 2, 4 2 . 4 6 ; 2 0 , 7.
D idache 9, 4 . 3 ; 10, 1. 4 ersehen, im A nfang gehalten. D er Sakram entsbegriff ist Jesu G edankenw elt völlig fremd. Er w ill k einen R itus einBetzen, sondern die H erzen um wandeln.
W as w ir feiern, ist der paulinische Ritus.
D a s B uch ist mit lobenswerter K enntnis der deutschen theo
logischen L iteratur, vor allem der religionsgeschichtliohen, g e schrieben — die einleitende B ibliographie b ietet v iel mehr deutsche als französische W erke — , es setzt m it der U nter
suchung an dem P unkte ein, von dem die gan ze moderne E nt
w ickelung der Forschung ausgeht: dem Erscheinen von H arnacks A rbeit „Brot und W asser: die eucharistisehen E lem ente bei Justin“ 1 8 9 1 . E s ist auch m it grossem exegetischen Scharf
sinn gearbeitet, und man wird insofern m anche A nregung dem selben entnehm en können. Aber daneben b ietet es doch auoh w ieder A nlass zu m anchen B edenken: so die mehrfache ein
seitige H ervorhebung der lukanischen Tradition. So muss Mark. 10, 4 5 späterer Zusatz se in , w eil Lukas ihn nicht hat, und b ei den Einsetzungsw orten des Abendm ahls wird gar der D -T ex t von L ukas allen anderen A utoritäten gegenüber bevor
zugt. H a t denn der D -T ext seinerseits die ausserkanonische Tradition beeinflusst, oder könnte er nicht ebensogut seinerseits durch dieselbe beeinflusst sein? Ioh bin g e n e ig t, das letztere anzunehm en. D ie stärksten B edenken endlich muss man gegen die T heorie von der ursprünglichen B edeutung des Abend
m ahls erheben. W enn der Herr w irklich das A bendm ahl als ein Sym bol der G em einschaft aufgefasst h ä tte, warum hätte er dann sich selbst vom Genuss desselben ausgeschlossen, während doch alle seine Jünger daran teilnehm en m üssen. E ine Ge
m einschaft der Jünger untereinander, die durch ihn nicht ver
m ittelt ist, w äre doch ein N onsens. U nd anderseits führt doch nichts bei der ganzen Schilderung darauf h in , dass der Herr selbst m itgenossen hat. M eines E rachtens ist der R iss, der zw ischen Paulus nnd den E vangelisten konstruiert w ird, doch ein Kunstprodukt. — Lobensw ert ist die G enauigkeit, m it der deutsche Zitate gedruckt sind, w ie denn der Verf. in der T er
m inologie der deutschen w issenschaftlichen T h eologie gründlich zn H anse zu sein scheint.
C o tt b u B . H. Stocks.
S t ä h l in , Otto, D ie h e l l e n i s t i s c h - j ü d i s c h e L it e r a t u r ( = S . 4 0 5 bis 5 0 6 von W ilhelm v. Christ, Griechische Literaturgeschichte.
Fünfte A uflage in V erbindung m it Dr. Otto Stählin, o. Prof.
an der U niversität W ürzburg, bearbeitet von Dr. W ilhelm S c h m i d , o. Prof. an der U niversität T übingen. Zweiter T e il, erste H älfte, 2. Lieferung: N achklassische Literatur von 1 4 6 v. Chr. bis 1 0 0 n. Chr.). Aus Band V II des Hand
buchs der klassischen Altertumswissenschaft von Iw an v. Müller. München 1 9 1 1 , C. H . B eck. Geh. 4 . 5 0 . In 1 2 9 Paragraphen auf 1 0 2 Seiten haben w ir T heologen hier aus der Hand eineB P hilologen eine Uebersicht über eine für uns w ichtige Literatur, w ie sie besser nicht gew ünscht werden kann; nur schade, dass sie im Buchhandel nicht einzeln zu haben is t, w o r a u f d e r V e r l e g e r h o f f e n t l i c h b e i d e r n ä c h s t e n A u f l a g e R ü c k s i c h t n im m t . D ieser W unsch m ag hier zur E m pfehlung der Arbeit genügen. N ach einer all
gem einen E inleitung (Hellenism us unter den Juden; Entstehung, Zweck, Formen der hellenistisch-jüdischen Literatur) werden be
handelt: 1. das griechische A lte Testam ent (§ 5 8 5 /6 1 0 Septua
ginta; andere griechische U ebersetzungen; selbständige Schriften;
dabei auch schon anhangsw eise die Oden Salom os); Schriften ausserhalb des griechischen Alten T estam ents (die pseudepigraphen Apokalypsen; Bearbeitungen der heiligen Geschichte und L e
gen d en , bis § 1 2 5 ); 2. Schriften jüdischer Autoren in griechi
schen Literaturformen, a) historische (D em etrios, Eupolem os, Artapanos, Aristeas, Malchos, Josephos (§ 6 3 3 — 6 7 9 ), Justus von Tiberias); b) philosophische (Aristobul); c) Epos und Drama (Philo, T heod ot, Ezechiel); d) Pseudepigraphisches (S ib yllen , H ystaspes, H ekataios, Aristeas, Phokylides, Menander, H eraklit);
e) Philon (S. 4 7 8 — 5 06).
D iese U ebersicht zeigt, dass die Arbeit grösstenteils m it dem zusam m enfällt, w as Schürers grosBes W erk in Bd. III bietet;
aber sie ist auf den neuesten Stand ergänzt und als Uebersicht auch neben dem groesen W erke höchst willkom m en.
M a u l b r o n n . Eb. Nestle.
L o e s c h e , D . D . Dr., G eorg, (o. ö. Professor der K irchen
geschichte in W ien), V o n d e r T o le r a n z z u r P a r it ä t in O e s t e r r e ic h 1 7 8 1 — 1 8 6 1 . Zur Halbjahrhundertfeier des Protestantenpatentes. L eipzig 1 9 1 1 , J. C. H inrichs (VI, 9 6 S. gr. 8). 1 Mk.
Seiner kurzen, aber gehaltvollen G eschichte des Protestan
tism us in Oesterreich (1 9 0 2 ) h at der W iener Kirchenhistoriker eine „G eschichte der neuerstandenen protestantischen K irche in Oesterreich von 1 7 8 1 — 1 8 6 1 “ folgen lassen. Sie ist aus zw ei akadem ischen Festreden zur F eier des vor 5 0 Jahren erlassenen Protestantenpatents erw achsen und teils im Jahrbuch zur G e
schichte des Protestantism us in Oesterreich (3 2 . u. 3 3 . Jahrg.) teils in der Zeitschrift „D eutsch-E vangelisch“ (1 9 1 1 , H eft 3 u. 4) gedruckt. A ber m it R echt w ollte sie der V erf. in w eitere K reise bringen. D en n sie lässt sich kurz in Galileis W ort:
„Sie b ew egt sioh doch“ zusam m enfassen und stärkt das V er
trauen in die K raft des evangelischen Glaubens in der heutigen trüben Zeit. A ber auch der Kirchenhistoriker muss Loesohes A rbeit beach ten , denn sie b ietet die Frucht von eingehenden A rchivstudien, w elche nicht nur „das Gewirre der V erordnungen und D ekrete, Ausnahm en und V orbehalte“, sondern auch die für
die K aiser vorbereiteten Vorträge, die oft zu um fangreichen und gediegenen geschichtlichen und juristischen D enkschriften werden, die kaiserlichen EntsohliesBungen und V erhandlungen der obersten Stellen berücksichtigen und einen B lick in das T riebw erk der G esetzgebung und „den K am pf der M einungen, den K am pf zw ischen T heorie und Praxis, dem angeborenen und anerzogenen V orurteil und der sich bahnbrechenden B illigk eit und Mensch
lichkeit“ tun lassen. Man ist überrascht, in den A kten der obersten Stellen „strenge G esetzlichkeit, feines R echtsem pfinden, w ohl
w ollende G esinnung für die A katholiken, natürlich innerhalb des R ahm en der D uldung von b e d a u e r n s w e r t e n V e r ir r t e n v o n M e n s c h e n u n d C h r i s t e n z w e i e r l e i G r a d e s “ zu finden.
Sehr w illkom m en sind die scharf gezeichneten Charakterbilder nicht nur der H errscher, sondern auch der leitenden Staats
männer, des hohen Klerus und der tonangebenden Geister.
H ier sei nur auf Leopold II. und Franz II., K aunitz und K obenzl, H offbauer, Jaroke, dasB Lehrer Franz Josephs, aufmerk
sam gem acht. H atte L oesche mit diesen Charakteristiken im ersten Abschnitt „D ie U m w elt des Toleranzpatents“ (S. 9 — 44) geschildert, so entw ickelte er im zw eiten die kirchenpolitisohen Verhältnisse des A katholizism us, „die U eberbietung des Toleranz
patents in bevorrechteten G ebieten“ (Schlesien, Asch, Fleisaen, G alizien, Bukow ina), seine A usserkraftsetzung in Tirol, seine B eschränkungen gegenüber „Schwärm ern“, Pietisten, BooBianern“
und „die Durchführung des Patents im einzelnen“ (S. 4 5 — 81).
D er letzte A bschnitt „A usblick“ kennzeichnet „die M ängel in der D urchführung der G leichberechtigung“, w elche das Patent vom 9. April 1 8 6 1 gew ährt hatte (S. 8 2 — 85 ) und stellt die L age des heutigen Protestantism us mit seinen Schranken (Schul
w esen, Eherecht, Strafgesetz usw.) ins Licht. D as U ngeheuerlichste bleibt die A usnahm estellung der theologischen Fakultät. Einer V eröffentlichung harren noch zahlreiche ungedrackte B riefe von B oos an den Pfarrer von E fferding (S. 57).
S t u t t g a r t . G. Bossert.
G a ir d n e r , Mag. A., W . H . T ., E d in b u r g h 1 9 1 0 . An acoount and interpretation of the W orld M issionary Conference.
Edinburg, Oliphant, Anderson and F ern er (2 8 1 S.).
2V2 sh.
D ie Edinburger W eltm issionskonferenz hat in Deutschland eine eingehende Berichterstattung gefunden, nam entlich in dem B asler M issionsm agazin und in der W arneckschen A llgem einen M issionszeitsohrift 1 9 1 0 /1 1 sow ie auoh in dem interessant und fesselnd geschriebenen Büchlein des Missionsdirektors Dr.
Schreiber - B rem en „D ie Edinburger W eltm issionskonferenz“
(2 Mk.), das lebensw arm e E inzelbilder auB der Feder ver
schiedener deutscher K onferenzm itglieder vereinigt. W er jedooh eine quellenm ässige volle K enntnis von jener miBsionsgesohicht- lich bedeutsam en K onferenz haben w ill, der kann die reicher fliessenden Quellen der englischen B erichterstattung nicht entbehren:
den neunbändigen K onferenzbericht, der in diesem Blatte schon an gezeigt wurde (Jahrg. 1 9 1 1 , Sp. 3 0 2 ) und den oben genannten, im A uftrag und m it Zustim m ung des Edinburger Konferenzkom itees herausgegebenen Bericht des R ev. W . H . T . Gairdner. D er Ver
fasser, ein Missionar der Englisch-kirchlichen Mission, der schon mehrere M issionsmonographien geschrieben h a t, ist mit allen E inzelheiten, dem Personal und den V erhandlungsgegenständen so vertraut, dass es ihm gelungen ist, nicht bloss als Chronist ein lebensvolles B ild des V erlaufs der K onferenz zu zeichnen, sondern auoh als D olm etscher die B eratungen nach ihrer inneren Bedeutung und T ragw eite so zu charakterisieren und
verständlich zu m achen, daas aneh Fem erstehende sich ein deutliches B ild von dem G ang derselben m achen können.
M anche Szenen sind m it dramatischer A nschaulichkeit geschil
dert, nam entlich die Eröffnungs- und die Schlusssitzung sow ie die A bstim m ung über den V orschlag des Zusam m enwirkens (Cooperation) aller, evangelischen M issionen, der eigentliche H öhepunkt der K onferenz. Freilich der rosige Schein, den der Verf. in seiner hellen B egeisteru n g über die von ihm gezeich
neten Bilder hat strahlen lassen, ist jetzt etw as verblichen.
Man h at sich daran gew öh n t, die K onferenz etw as nüchterner anzusehen und zu beurteilen. N icht bloss in den oben zitierten deutschen Zeitschriften, sondern auoh in englischen B lättern hat m an an der K onferenz die nötige K ritik geübt und m anches zurechtgestellt. A ber damit ist dieser eigenartigen Missions
versam m lung nichts von ihrer eigentlichen B edeutung geraubt.
S ie hat schon m anchen heilsam en A nstoss zum Fortschritt des M issionswesens daheim und draussen gegeb en , und ihre N ach
w irkung w ird noch lan ge spürbar sein. D ah er hat auch jetzt noch obiges Buch seinen W ert. M iseionssenior Handwarm.
L a u e r , Herm ann (Dr. theol., Redakteur in D onauesohingen), D ie M o r a lt h e o lo g i e A l b e r t s d e s G r o s s e n m it beson
derer B erücksichtigung ihrer B eziehungen zur Lehre des hl. Thom as. Freiburg i. B . 1 9 1 1 , H erder (X III, 3 7 2 S.
gr. 8). 6 Mk.
D a s L ebensw erk A lberts des Grossen ist durch das seines grösseren Schülers T hom as ungebührlich in den H intergrand gedrängt. A n form aler G estaltungskraft w ar eben der in den röm ischen Kulturtraditionen gross gew ordene R om ane dem in seiner V ielw isserei unbeholfenen Germ anen überlegen. U nd der U m fan g und die Veratreutheit der W erke A lberts schrecken doch den protestantischen T heologen leicht von einem Studium ab, bei dem der Zeitaufwand in keinem V erhältnis zum Ertrag steht. E ine G esam tausgabe der W erke A lberts wird w ohl noch länger auf sich w arten lassen als eine einigerm assen befriedigende M onographie. Bisher zersplittert sich die A rbeit in Einzelunter
suchungen. U nd da ist eine B ehandlung der Moral sehr dankensw ert. D ie in der H auptsache auf dem Sentenzen
kom m entar und der Sum m a fussende D arstellung gliedert den Stoff in zw ölf H auptstücke: 1. V on dem E ndziel und der B eseligu n g des M enschen. 2. D ie höchste R egel und Richt
schnur des sittlichen H andelns. 3. D ie allgem eine Lehre vom G esetz. 4. D ie natürlichen sittlichen K räfte des Menschen.
5. D ie G nadenausrüstung des M enschen. 6. D ie allgem eine Lehre von der T ugend. 7. D ie L ehre von der sittlichen B e
schaffenheit der m enschlichen H andlungen. 8. D ie L ehre von der persönlichen Sünde. 9. D ie drei göttlichen T agenden.
1 0 . D ie vier Kardinaltugenden. 11. Von den P flichten der einzelnen Stände und B erufe. 1 2 . V on den Sakram enten.
Ohne au f das einzelne eingehen zu k ön n en , w ill ich nur als G esam tergebnis hervorheben S. 2 0 : „W as T hom as geleistet hat, vollendet das W erk Alberts. E s ist die K rönung des G anzen. Ohne die Riesenarbeit A lberts w äre aber T hom as w ohl schwerlich in der L a g e g ew esen , das der W issenschaft zu hinterlassen, w as w ir heute als das hervorragendste des ganzen scholastischen Schrifttum s betrachten, seine Summen, vor allem seine Sum m e der T h eologie.“
D ie B ezeichnung A lberts als des berühm testen deutschen T heologen ist w ohl nur ein lapsus lin gu ae: gegen ü b er Luther ist A lbert der Grosse doch nur ein Z w erg, als reiner Tradi
tionalist entbehrte er der Selb stän d igk eit, und selbst als Ein
führer des aristotelischen W issenstoffes in die scholastische W issenschaft w ar er nur T räger einer Zeitström ung. N icht einm al m it Meister E ckart ist er an Selbständigkeit und bahn
brechender K raft in eine R eihe zu stellen.
H e i d e l b e r g . L. Lemme.
S t e i n e c k e , 0 ., D ie D ia s p o r a (G em einachaftspflege) d e r B r ü d e r g e m e i n e in D e u t s c h l a n d , E in B eitrag zu der Gesch. der ev. K irche D eutschlands. D ritter T eil. S ü d - u n d W e s t d e u t s c h l a n d . H alle 1 9 1 1 , Rieh. Mühlmann (VI, 12 6 S. gr. 8). 2 Mk.
D er hier vorliegende dritte T eil des verdienstvollen W erkes von 0 . Steineoke ist m it derselben A kribie und au sgiebigen Q uellenbenützung gearbeitet w ie die beiden früheren T eile (1. T eil, A llgem eines; 2. T eil, M itteldeutschland, beide 1 9 0 5 ).
D er neu h in zu gefü gte U ntertitel „G em einschaftspflege“ soll die historisch richtige A uffassung des W ortes „D iaspora“ der B rüdergem eine sioherstellen. V ier K apitel behandeln die Geschichte der brüderischen G em einschaftspflege von A nfang an bis in die neuere Zeit in I. Franken, II. W ürttem berg, III. D en oberrheinischen D iasporabezirk, IV . D en niederrheini
schen Diasporabezirk. D ie D arstellung ist durchw eg klar und einfach. D er .Kirchenhistoriker findet viel interessantes D etail, so über die Stellungnahm e von Männern w ie Schubert S. 2 0 , Sailer 2 3 , Gossner 2 6 f., B en g el 3 8 f., S. K . v. K lettenberg 6 9 f., G oethe 7 1 , T ersteegen 88 u .a . Er bedauert vielleicht, d assSteineoke aus p r i n z i p i e l l e n Gründen (s. Vorwort al. 2) es verschmähe hat, noch genauer darauf einzugehen. U eber einen Mann w ie W eiz (s. S. 53 f.) m öchte m an gern mehr erfahren oder w enigstens einen V erw eis auf die allerdings vergriffene k leine B iographie von Ledderhose erhalten. Korrekturen w üsste ich sonst keine anzubringen. Statt F enneberg S. 2 8 lies Feneberg. Ob wirk
lich der H ofprediger E ylert auch noch in seinem A m te in Potsdam sich als Freund der B rüdergem eine erw iesen hat, w ie S. 1 0 3 behauptet w ird, m öchte ich bezw eifeln. Er hat bekanntlich den m ilden Parabeldiohter F . A . Krum macher des „schroffen M ystizism us“ beschuldigt. (E ylert: L eben Friedr.
W ilh. III.) E ine w ertvolle E rgänzung zu Steineckes W erk ist der teils darauf fussende A ufsatz von Unitätsciirektor H . B auer, „D as D iasporaw erk der Brüdergem eine“ , der im 2 . H eft des V . Jahrganges der Zeitschrift für B rüdergeschichte erschienen ist.
O p f e r t s h o f e n . H. Geizer, P fr.
E i e r t , W erner, lio. theol. Dr. p h il., P r o le g o m e n a d e r G e s c h i c h t s p h i l o s o p h i e . Studie zur G rundlegung der A po
logetik. L eip zig 1 9 1 1 , D eichert (V III, 1 1 5 S. gr. 8) 2 Mk.
Dr. Eiert hat seiner Schrift den U ntertitel einer „Studie zur A p ologetik “ g egeb en . D as w ill also sa g en , dass er die Ge
schichtsphilosophie der T h eologie bzw . der christlichen A pologetik einordnet. H unzinger hat ihn hier w esentlich beeinflusst. „D ie G eschiohtsphilosophie“, schreibt er, „ist . . . . letzten E ndes eine W eltanschauungsfrage. W eil aber die Prinzipien einer W elt
anschauung zw eifellos eine bestim m te Stellung . . . . zur R eligion einsohliessen, . . . . so ist auch die Geschiohtsphilosophie von der S tellung zur R eligion abhängig. E s w ird sioh daher em pfehlen, sie einer theologischen D isziplin anzugliedern, w elche die zur W eltanschauungsbildung notw endigen religiösen Prin
zipien zum G egenstand ihrer V erhandlung maoht“. In der T at wird Eiert darin R echt haben, dass es sich für die Geschichts
philosophie darum handeln m uss, den Standpunkt der Trans
zend en z, und zw ar einer inhaltlich bestim m ten, zu gew innen.
Ohne diesen transzendenten archim edischen P unkt ist Geschichts
philosophie nichts, ist Bie unm öglich. Eiert setzt sich eingehend m it der reinen Im m anenz, sow ohl der kausal-m echanistischen w ie der teleologisch-finalen auseinander, um die U nm öglichkeit zu erw eisen , von hier auB zu einer tatsächlichen Philosophie der G eschichte zu gelangen. D er M onismus, er sei nun so oder anders geartet, verm ag die G eschichte nicht zu „erklären“ — und das eben ist die A bsicht der Geschiohtsphilosopliie und ihre B edeutung. N un aber handelt es sich darum , w ie denn d ie zur G eschichtsphilosophie notw endige T ranszendenz zu g e w innen sei. E iert lehnt ebenso die neologische Methode E uckens w ie die von Siebeck und T roeltsch em pfohlene Kom bination von R eligionsgeschichte und R eligionspsychologie ab. In der T at!
A u f diesem W eg e wird man nioht zum Ziele gelangen. E iert schliesst sich hier für die G ew innung der T ranszendenz m it B ew usstsein an Frank a n , seiner christlichen Gewissheitslehre, allerdings in der M odifikation, w elche dieselbe durch Ihm els erfahren hat.
In einem A nhang g ib t E iert nooh bedenkensw erte Richt
linien ffir die V erhandlung der Geschichtsphilosophie. — Ohne Z weifel hat sioh der V erf. m it dieser A rbeit recht gu t in die w issenschaftliche T heologie eingeführt.
B r e s l a u . L ic . D r. Stier.
D e n n e r t , Prof. Dr. phil. E ., D ie W e l t a n s c h a u u n g d e s m o d e r n e n N a t u r f o r s c h e r s . 2. Tausend. Mit dem BildniB des Verfassers. Halle a. S. 1 9 1 1 , R. Mühlmann (3 4 4 S.
gr. 8). 7 Mk.
D e r s e l b e , V o m S t e r b e la g e r d e s D a r w i n i s m u s , ein B e
richt. 4 .—6. Tausend. Stuttgart 1 9 0 5 , Max K ielm ann (1 2 0 S. gr. 8). 2 Mk.
D a s s e l b e . N eu e F olge. Ebd. (1 3 4 S. gr. 8). 2 Mk.
In dem ersten B u ch e, das dem A ndenken Albert W igands gew idm et is t, behandelt D ennert sehr ausführlich W eltbild und W eltanschauung von sieben naturwissenschaftlichen Gelehrten der neueren Zeit; es sind dies H aeckel, W allace, Verworn, G eorge Romanes, W . Ostwald, N . Driesch und J. R einke; die letzten zw anzig Seiten erst sind einem system atischen K apitel über die W eltanschauung des modernen Naturforschers gew idm et.
D as ganze erste D rittel deB Buohes gilt H aeek el, einer sehr ausführlichen D arlegung und Besprechung seiner Ansichten in den W elträtseln und Lebenswundern. Schritt für Schritt folgt D ennert seinem alten G egner; es ist ja bekannt, w ie vernichtend diese Nachprüfung ausfällt; D ennert hat es ja schon oft genug g esa g t, und man m öchte ihm raten, es nun g en u g sein zu lassen. Aber m it vollem Recht geiaselt er es, dass H aeckel seine dogm atischen Glaubenssätze als erw iesene Lehrsätze hinstellt. D ennert ist selbst Deszendenztheoretiker, aber er selbst w eiss es sehr wohl, dass er damit das G ebiet der Glaubenssätze betritt (S. 4 3 ). Schonungslos w eist er es H aeokel nach, w ie die Phantasie bei ihm regiert und nicht w issenschaft
liche empirische Untersuchung. Er zeigt überzeugend, w ie auch d ie U m deutung alter fester B egriffe helfen muss, um unter allen U m ständen die Absicht zu erreichen, so w enn eine Stufenreihe von „Seelen“ von den Moneren bis hinauf zum Menschen g e
schaffen werden so ll, oder die A nfänge der Sprache bei den niederen Tieren festgestellt werden muss; H aeckel vorwischt eben auf allen Gebieten die Grenzen nach Möglichkeit, um das Tier dem Menschen näher zu bringen. So müssen ja auch, damit
das Mass voll ist, z. B . die alten Saurier Moral haben. D ie Kristalle haben Funktionen des L eb en s, um die Grenzen des Lebens zu verwischen; der B egriff des W illens wird ver
allgem einert und so auch den Pflanzen zugeschrieben. N icht um einen Naturforscher handelt es sich nach D ennert bei Haeckel, sondern um einen N aturphilosophen, der Metaphysiker sei w ie jeder andere auch.
N eben H aeckel stellt D ennert sodann den englischen B io
logen W allace, über dessen B uch „D es Menschen Stellung im W eltall“ er wiederum referiert. W allace komm t es ja im G egen
satz zu H aeckel darauf a n , die anthropozentrische Lehre zu rehabilitieren, indem er nachw eist, dass allein die Erde von allen Planeten die K om bination aller jener Eigenschaften hat, die zur Entstehung des Lebens nötig sind. Im ungeheuren W eltall konnte sich der Mensch demnach nur auf der Erde entwickeln.
Schärfer muss D ennert sodann wieder m it dem Göttinger P sycho
logen Verworn verfahren; zw ar dass dieser nun den Materialismus radikal p reisgibt, wird D ennert zu einer apologetischen W affe;
aber sein Psychom onism us erregt ebenso seines Kritikers Miss
fallen w ie die T h ese, dass es einen prinzipiellen G egensatz zw ischen Organismen und unorganischen Körpern nicht gebe, also die Jenenser Methode. D aneben kom m t sofort w ieder ein G egenstück in George R om anes; hier breitet D ennert die An
sichten Beines von ihm selbst deutsch herausgegebenen Buohes
„Gedanken über R eligion“ aus. N ach seinem Dafürhalten ist die von Romanes vorgetragene K om bination des kosmologisoh- teleologischen B ew eises für das D asein Gottes der beste, den es gibt, sow eit hier von B ew eisen die R ede sein könne. Lob und T adel lieg t dann wieder nebeneinander bei der Besprechung des energetischen Monismus des L eipziger Chemikers O s t w a ld . D ass der wissenschaftliche Materialismus hier überwunden wird, ist als R einigung der Luft zu begrüssen, aber ähnlich w ie Verworn verm ag auch Ostwald den Tatsachen des N atorlebens nicht gerecht zu werden; es ist der Tod des energetischen M onismus, daBS es eine Leitung auf zw eckm ässige Ziele hin gib t, die ausserhalb des Spielraums der Energie lieg t, selbst keine E nergie ist. Dadurch wird auch hier der Monismus durch, brochen. — E inen versöhnenden Abschluss des Buches bildet schliesslich die Besprechung der Ansichten von D r i e s c h und R e in k e . Zugrunde liegen dabei ihre W erke: „D er Vitalismus als Geschichte und als Lehre“ und: „D ie W elt als T a t“
Dennert hebt hervor, w ie bei Driesch nun der experim entelle N achw eis von der E igengesetzlichkeit des Lebens neben das chemisoh-physikalische Geschehen tritt. Ebenso wird einleuchtend dargestellt, w ie auch nach R einke das Leben selbst des unvoll
kom m ensten Organismus sioh nicht restlos aus chem isch-physi
kalischen Kräften erklären lasse. Es ist bekannt, w ie R einke in seinen „D om inanten“ solch einen die Energien lenkenden Zwang annimmt. D ie Anerkennung einer kosm ischen Intelligenz be
hütet die letzten Forscher vor den Irrtümern anderer. N ach Reinke führt die Natur ja sogar unausweichlich zur Gottesidee, der Atheismus ist ein Rtickfall in prämosaische Barbarei. In der Schlussbetrachtung zieht D ennert nun die Konsequenz, dass es eine einheitliche W eltanschauung, ja ein einheitliches W elt
bild des modernen Naturforschers überhaupt nioht geb e, und dass jedenfalls Atheismus oder Pantheismus nicht mit N otw endig
keit aus dem modernen W eltbild zu folgern sei.
Man braucht nicht unbedingt Anhänger der Dennertschen Methode zu sein und kann diesem Buch doch den besten Er
folg wünschen. W enn heute so oft die für eine theistische W elt
ansicht negativen Momente hervorgehoben werden, so ist es Btets