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Theologisches Literaturblatt, 25. Oktober 1912, Nr 22.

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Theologisches Literaturblatt

Unter Mitwirkung

z a h l r e i c h e r V e r t r e t e r d e r t h e o l o g i s c h e n W i s s e n s c h a f t und P r a x i s

herausgegeben von

Dr. t h e o l . L u d w i g I h m e l s

Professor der Theologie in Leipzig.

Nr. 22. Leipzig, 25. Oktober 1912. XXXIII. Jahrgang.

Ersdiunt viarzehntlgig Freitags. — Abonn.m.nt»pr.ii jährlich 10 Ji. — Insertionsgebühr pr. gesp. Patitzeile 30 — Expedition i Königstrasse 13.

Zur Chronologie der Bekehrung des Apostels Paulus.

B alla, Lic. theol. Emil, Das Ich der Psalmen.

SeeberK, D. Alfred, Der Brief an die Hebräer.

Creiner, Hermann £>. Dr., Biblisch-theologisches Wörterbuch der neutestamentlichen Gräcität.

Delssner, Lic. Kurt, Auferstehungshoffnung und Pneumagedanke bei Paulus.

B e s ; , N ixo?, "ExO-eok; Tt«XocioYpacpix<uv xat Ts^vixdiv spsuvüjv iv xaT<; jj.ovatc

TÖiv Mstsuj'hov.

M aller, Prof. D. Dr. Nikolaus, Die jüdische Kata­

kombe am Monteverde in Kom.

M üller, Alphons Victor, Luthers theologische Quellen.

RitSflbl, D. Otto, Dogmengeschichte des Pro­

testantismus.

W ohlrab, Mart., Das neutestamentl. Christentum.

E ram el, Dr. F elix, Wundts Stellung zum reli­

giösen Problem.

LCber, Georg, Wie ist über den obligatorischen Gebrauch des Apostolikums bei der Kon­

firmation zu urteilen?

D erselbe, Das Apostolische Glaubensbekenntnis bei Taufe und Konfirmation.

N oordtzij, Dr. A., De O.-T.ische Godsopenbaring en het Oud-Oostersche leven.

Dimmler, E., Das Evangelium nach Marcus.

Derselbe, Das Evangelium nach Lukas.

Derselbe, Das Evangelium nach Johannes.

Neueste theologische Literatur.

Zeitschriften.

Verschiedenes.

Zur Chronologie der Bekehrung des Apostels Paulus.

In der Sitzung der philosophisch - historischen K lasse der K gl. Preuss. A kadem ie der W issenschaften vom 18. Juli d. J.

h at A . H a r n a c k Aber die C h r o n o l o g i s c h e B e r e c h n u n g d e s „ T a g e s v o n D a m a s k u s “ referiert. In Stück X X X V II 1 9 1 2 der Sitzungsberichte, au sgegeben am 2 5 . Juli, liegt H arnaoks Abhandlung gedruckt vor. E s sei gestattet, darüber kurz zu berichten und einige kritische Bem erkungen hinzu­

zufügen. A usgehend von dem duroh die Claudius-Inschrift von D elp h i gebotenen D atu m , dass Gallio sein Am t als Prokonsul Aohajas überw iegend w ahrscheinlich im Somm er 51 angetreten habe — doch m üsse auoh der Ansatz „Som m er 5 2 “ offen bleiben — , und in der w eiteren E rw ägung, dass Paulus damals nach Ap.-Gesch. 18, 11 bereits i y 2 Jahre in Korinth gew irkt habe, nim mt H arnack an , dass Paulus A nfang 5 0 (Ende 4 9 ? ) resp. A nfang 51 (Ende 5 0?) von Athen nach Korinth gekom m en sei. D es Orosius N otiz (V II, 6, 15), dass im 9. Jahr des K aisers ClaudiuB (d. h. im Jahr 4 9 ) die Juden durch denselben, w ie Josephus b elich te, aus Rom vertrieben seien , verdiene, un­

b eschadet dessen, dass Josephus tatsächlich nichts davon sage, G lauben, da anzunehm en se i, dass Orosius die Chronik des H ieronym us benutzt habe, diese freilich nach einem , nam entlich aus Julius Afrioanus bereicherten Exem plar (nach Zangemeister).

Zwar sei Julius Africanus der Irrtum, Josephus berichte so, nicht zuzutrauen; warum aber nicht dem, der hier den Africanus ausschrieb und die Chronik des H ieronym us bereicherte? N ach Ap.-Gesch. 18, 2 habe Paulus sich in Korinth an A quila und Priscilla angeschlossen, w elche rcpoccpaxto; = „gerade“ aus Rom dorthin gekom m en seien infolge jenes Claudianisehen Edikts.

E in wunderschönes Zusamm entreffen beider Zeugnisse! B enenne man nun m it x die Zeit zw ischen dem T ode Jesu (anno 30) und der B ekehrung des P au lu s, so habe dieser sich im Jahre 3 0 - f x -j- 3 + 1 4 (vgl. Gal. 1, 1 8 ; 2, 1) = x + 47 von Antiochien zum A postelkonzil nach Jerusalem begeben.

Letzteres habe aber allerw enigstens 8 bis 1 0 M onate, wahr­

scheinlich aber das D oppelte dieser Zeit vor P auli A nkunft in K orinth stattgefunden, also im Jahre 4 8 (allenfalls 49). D em ­ nach bleiben, so schliesst Harnaok, für die Z w ischenzeit zw ischen

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Jesu T od und P auli B ekehrung rund ein oder zw ei Jahre ü b rig, d. h. Paulus ist im Jahre 31 oder 3 2 bekehrt worden.

Zu weiterer K larstellung zieht Harnaok die dreifache U eber­

lieferung heran, w elche sich in der alten Kirche mit B eziehung auf die Zeit naohweisen lasse, innerhalb welcher Jesus als Ver­

klärter nooh mit seinen Jüngern verkehrt habe: I. 4 0 T age (Ap.-Gesch. 1, 3); II. 18 Monate nach (ophit.) Gnostikern (Iren.

I, 3 0 , 14) und den Schülern des V alentinianers Ptolem äus (Iren.

I, 3, 2), auch nach der A scensio Jesajae (9, 1 6 ); III. 1 2 Jahre nach Gnostikern des 3. Jahrhunderts, deren Schriften uns koptisch erhalten sind. D ie A nsätze I und III sollen ursprüng­

lich wahrscheinlich nichts mit dem V erkehr des Verklärten mit seinen Jüngern zu tun gehabt haben, sondern erst auf einer zw eiten Stufe der Legendenbildung mit diesem kom biniert worden sein. „D ie 4 0 T a g e erklären sioh — bessere B elehrung Vorbehalten — w ie die 4 0 T a g e vor dem öffentlichen Auf­

treten Jesu, als eine Art von V orbereitungszeit für den Antritt des mesBianiBchen Amtes im H im m el, und die 12 Jahre er­

klären sich aus der uralten und guten Ueberlieferung, dass die Jünger 12 Jahre zusam m en in Jerusalem geblieben seien“

(S. 6 7 7 f.). U m so mehr W ert leg t H arnack der unter II ge­

nannten U eberlieferung b ei; sie sei, da die Ascensio Jej. kein häretisoh-gnostisohes W erk se i, nicht Erzeugnis gnostischer Spekulation, sondern w olle als geschichtliches D atum verstanden sein, sei dazu sehr alt; „denn w as bei den Gnostikern, Valen- tinianern und in der Asc. Jej. gem einsam steht, muss mindestens auf das früheste nachapostolische Zeitalter zurückgeführt werden.“

N un Bei Paulus nach 1 Kor. 15, 5 — 8 sich bew usst, dass die E rscheinungen des A uf erstandenen, so w ie er sie dort meint, m it der ihm gew ordenen ihren Abschluss gefunden haben.

„H ier . . ., nur hier haben wir den Schlüssel zur Erklärung der 1 8 Monate“ : diese lagen zw ischen der Auferstehung und dem T a g e von Dam askns. Paulus nahm ohne Zweifel oft G elegen­

heit, seinen Schülern auch die Zeit seiner B ekehrung m itzuteilen;

solche K unde pflanzte sich bei ihnen fort. „Unterdrückt bzw . in den W inkel geschoben wurde die U eberlieferung durch die 4 0 T a g e deB Lukas und daB kanonische A nsehen seines B uches.

Lukas selbst aber, der selbständige B egleiter (nioht Schüler) des Apostels, war nicht genötigt* die eigentüm liche B etrachtung des

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P au lu s, die abschliessende B edeutung der von ihm erlebten Vision b etreffend, m itzum achen“ (S. 6 8 0 ). Summ a: die B e ­ kehrung Pauli erfolgte präzis im H erbst des Jahres 3 1 (das x ist = 1^2 Jahr). „G egeninstanzen g eg en dieses D atum sind mir nioht bekannt.“

D iesen A ufstellungen H arnacks gegenüber, die übrigens, w ie man sieht, nicht zur Feststellung des „T ages“, sondern nur des Jahres, der Jahreszeit, in w elche der „T a g “ gefallen sein soll, geführt haben, geben w ir hier nur folgendes zu bedenken: dass Lukas in B eurteilung der Paulo w iderfahrenen O ffenbarung des A uf erstandenen von D am askus von Pauli eigener A nschauung so entschieden abgew ichen sein soll, ist m eines Erachtens ganz undenkbar. Man denke: Paulus erzählt w iederholt von seiner B ekehrung und m eldet ausdrücklich Zeit und Stunde derselben;

und Lukas, der doch ohne Z w eifel davon Z euge gew esen sein m uss — auf die U nterscheidung von B egleiter und Schüler, w elche Harnack hier macht, so diskutabel sie ist, fällt jedenfalls in unserem Zusam m enhange kein G ew icht — , soll P auli eigen­

tüm liche B etrachtung nicht „m itgem acht“ haben? W as haben nicht alles H äretiker erträumt und andere als apostolische U eber­

lieferung an gepriesen! A uf L ukas7 F ähigkeiten als Geschichts­

schreiber, für die H arnack doch sonst V erständnis, ja B e­

w underung z e ig t, fiele ein bedenkliches L icht, w enn er unter B eseitigu n g der von Paulus selbst im K reise seiner Anhänger dargebotenen A uffassung seiner B ekehrung dafür eine toto coelo verschiedene B erichterstattung setzte, und zw ar dreim al, und dabei zw eim al Paulus selber unm ittelbar zum Erzähler seines D am askuserlebnisses m achte. E s sei auch nur nebenbei b e­

m erkt, dass L ukas nach Harnack bei A bfassung seines E van­

gelium s am Schlüsse die H im m elfahrt am Ostertage geschehen sich vorstellen soll und ein paar Zeilen w eiter, zu B eginn der A postelgeschichte, 4 0 T a g e später. W arum hat denn L ukas jene erst geh egte und im E vangelium verbreitete M einung nicht a u s d r ü c k l i c h in der A postelgeschichte verbessert und in den schon ins Publikum ausgegangenen Exem plaren des E vangelium s, sow eit es m öglich war, jedenfalls aber in den vom E vangelisten neuerdings ausgegebenen eine R ichtigstellung vorgenom m en?

D och beruht ja die E x eg ese von Luk. 2 4 , 5 0 f., w onach dort die H im m elfahrt des Herrn auf den O stertag fallen so ll, auf einem E indruck, der zw ar beim ersten L esen m öglich is t, der dann aber eben durch Ap.-Gesch. 1, 3 als irrig erw iesen und berichtigt würde. U nd w er wird die H arnacksche Erklärung der T atsach e, dass Lukas von einem 4 0 tä g ig en Verkehr des Auferstandenen berichtet, als irgendw ie überzeugend ansehen?

Jbsub soll eine Art V orbereitungszeit für sein m essianisches Am t im H im m el durchgem acht hab en ? W orin soll die V orbereitung bestanden hab en ? In irgendw elcher aberm aliger sittlicher Er­

probung? In Erw erbung neuer Erkenntnisse und Erfahrung?

D a s und ähnliches ist doch ganz unvorstellbar. U nd muss denn durchaus hinter einer als geschichtlich überlieferten Zahl ein M yste­

rium gesucht werden, um m it H ilfe solchen M ysteriums die Ge­

schichtlichkeit als lu ftig zu erweisen? Ich sollte m ein en , ein Lukas hätte m it den w underlichen Phantastereien der Gnostiker nichts gem ein. E s w ill ferner doch schw er halten , alles das, w as in der A postelgeschichte Kap. 2 — 8 erzählt w ird, in die kurze Spanne von l 1^ Jahren einzuzw ängen. H am ack selbst hört diesen E inw and (S. 6 8 1 ), m eint aber, jen e B ehauptung, dass die dort erzählten E reignisse einen längeren Zeitraum er­

forderten, lasse sioh nicht b ew eisen , „zum al da die E reignisse des H auptteils des 8. K apitels sich naoh der B ekehrung des Paulus abgespielt haben w erden“. W arum doch? Einen durch­

schlagenden Grund dafür, dass die Erzählung von den Vor­

gängen in Samaria Ap.-Gesch. 8, 4 ff. und die Bekehrungeschichte deB Käm m erers aus dem Mohrenlande durch Philippus Ap.-Gesch.

8, 2 6 ff. später falle als die D am askusszene, verm ag ioh nicht zu entdecken.

V on vornherein nim m t H arnack seinen Stand zu sicher in dem Jahre 5 0 als dem Jahr der A nkunft P auli in Korinth.

Gallio kann w ohl schon im Frühjahre 52 in Korinth ein­

getroffen sein*, zu einer Zeit, als Paulus schon dort war, aber nioht schon i y 2 Jahre, 1 Kor. 1 8 ,1 1 , w ie H arnack u. a. m einen.

V ielm ehr w erden diese 1^2 Jahre, w ie m an auch früher ziem ­ lich allgem ein annahm, die gesam te A ufenthaltszeit des A postels in Korinth bedeuten. Für das A postelkonzil kom m t dem gem äss nicht das Jahr 4 8 , sondern E nde 5 0 oder A nfang 5 1 in B e ­ tracht. H arnaok le g t auch jener A n gab e bei Orosius, die V er­

treibung der Juden aus Rom durch K aiser Claudius falle in dessen 9. J a h r, viel zu v iel G ew icht bei. Mit der B erufung des Orosius auf Josephus ist es ja nichts, und es w ill mir viel eher glaubhaft erscheinen, dass Orosius den jüdischen G eschichts­

schreiber ebenso w ie das 9. Claudiusjahr lediglich unter B e ­ geh u n g eines historischen Irrtums nennt, als dass mir jene K ette von Kom binationen einleuchten sollte. U ebrigens heisst das Tcpo;<paTu>c Ap.-Gesch. 1 8 , 2 nioht „gerade“, also: in dem A ugen­

blicke a ls , sondern: vor kurzem , neuerdings, w obei es dem Em pfinden des L esers überlassen bleibt, diese sehr unbestim m te Zeitpartikel in angem essener W eise zu dehnen. Selbst w enn übrigens jener A usw eisungsbefehl dem Jahre 4 9 n. Chr. an­

gehören sollte, können nioht in E inzelfällen längere Fristen bis zur Abreise aus Rom bew illigt worden sein ? Ist nioht denkbar, dass A quila und Priszilla, ehe sie in Korinth landeten, irgendw o anders längeren A ufenthalt genom m en haben?

W enn endlich H arnack ganz am E nde seiner A bhandlung anm erkungs w eise zu bedenken gibt, dass für s e i n e Chronologie, nach der der Röm erbrief sehr w ohl noch in das Ende des Jahres 5 4 fallen k ön n e, der Gruss Röm. 1 6 , 11 spreche (a a iz a a a a d s to u ; Ix t<uv N apxioooo to u ; o v ta ; iv xopup), da volle drei Jahre nach dem T od e des N arcissus (d. h. des b e­

kannten F reigelassenen des K aisers Claudius) schw erlich dessen

„HauB“ noch habe bestehen und Paulus an die Christen dort habe schreiben können (S. 6 8 1 f.), so h at dieses B edenken die unzutreffende M einung zur V oraussetzung, dass der N am e eineB Verstorbenen nioht nooh nach seinem T ode zur B ezeichnung seines G ew eses, seiner D ienerschaft angew endet werden könne.

D ie w iderspruchsvollen N otizen der Eusebiusohronik aber be­

treffend den D ienstantritt des F estns können nur dann in die W agsohale gew orfen w erden, w enn andere entgegenstehende D aten ihres G ew ichtes beraubt w orden sind. D arauf einzu­

gehen, ist hier nicht der Ort. G. Wohlenberg.

B alla, Lic. theol. E m il (Privatdozent a. d. U niv. K iel), D a s I c h d e r P s a lm e n , (Forschungen zur R eligion u. Literatur des A. u. N . T estam ents. 1 6 . H eft.) G öttingen 1 9 1 2 , V andenhoeck & Ruprecht (VI, 1 5 4 S. gr. 8). 4 .8 0 . D er V erf. le g t in dieser seiner Erstlingssohrift eine fleissige und gründliche A rbeit vor, und es ist m it D an k zu begrüssen, dass er es sich nicht hat verdriessen lassen , das schon so viel verhandelte T hem a nooh einm al prinzipiell zu erörtern. W enn auch vieles von dem, w as er zugunsten seiner zw eifellos richtigen

* Siehe m e i n e n A rtikel: E ine C laudius-Inschrift von D elphi in der „Neuen Kirchl. Zeitscbr “ 1912, 389 ff.

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individualistischen A uffassung der Ich-Psalm en auf führt, natur­

g e m ä ß Bchon früher gesa g t is t, so lässt sieh doch auch an dieser A rbeit w ieder der erfreuliche Fortschritt der W issenschaft in den beiden letzten Jahrzehnten konstatieren. In doppelter R ichtung ergänzt er gu t und überzeugend das, w as Budde, K ö n ig , G unkel, der U nterzeichnete u. a. früher g eg en Smend, Stade usw. in b ezu g auf das Problem geltend gem acht haben, er w eiss, die G eschichte des poetischen Stils in Israel sow ohl w ie eine V ergleichung der babylonisch-assyrischen Literatur und auch der uns erst kürzlich w ieder zugänglich gew ordenen ägyptischen Psalm en zugunsten der individualistischen D eutung geltend zu m achen. So w ollen w ir hoffen , dass diese Schrift dazu beitragen m ö g e, dass endlich jene duroh und durch synagogal-jüdische A uslegung aus der protestantischen E x eg ese w ieder ganz verschw inden m öge. N icht voll befriedigt hat uns das, w as der V erf. S. 131 ff., 1 4 5 ff. über Psalm 2 2 sagt; hier werden wir, so gew iss die kollektivische D eu tu n g ausgeschlossen ist, kaum mit einer Erklärung aus der hochpoetischen D iktion aus dem unüberbietbaren Pathos allein auf die D auer aus- kom m en; hier scheinen mir doch unm ittelbare B eziehungen zu den G ottesknechtsstücken, mit anderen W orten ein unm ittelbar aus der Seele des duldenden R etters heraus gedichtetes Lied vorzuliegen, das von H ause aus durchaus m it Jes. 4 9 , 1 ff.;

5 0 , 4 ff. auf einer Linie stand. Sellin.

S e e b e r g , D . Alfred (o. Prof. an der U nivers. Rostock), D e r B r ie f a n d ie H e b r ä e r erklärt. (Evangelisch-Theologische Bibliothek. H erausgegeben von Prof. Lio. B . Bess. K om ­ mentar zum N euen Testam ent. L eipzig 1 9 1 2 , Quelle &

Meyer (1 6 3 S. gr. 8). Geb. 3. 6 0 .

D ie vorliegende A uslegung des Hebräerbriefs erscheint als erster Band eines Gesamtkommentars zum N euen Testam ent. * Er ist in der W eise an gelegt, dass je w eilen eine zusam men­

hängende Besprechung eines Abschnitts vorausgeht und sodann Einzelbem erkungen philologischen, textkritischen und polem ischen Inhalts folgen. Man kann diese Auseinanderreissung des Stoffes kaum b illigen, da sie zu W iederholungen führt und den ein­

heitlichen Eindruck der Erklärung abschwächt. W ill man in einem kurzgefassten Kom mentar die Darstellung des Gedanken­

zusam m enhangs von dem exegetischen D etail loslösen, so g e ­ schieht es w ohl besser in der W eise, w ie es das Strack- Zöcklersche Bibelw erk versucht hat. Seebergs A uslegung liest sich glatt. Sow eit es der geringe U m fang des W erkes gestattet, hebt Bie geschickt die Hauptfragen heraus und behandelt sie im allgem einen klar und übersichtlich. Einen zu breiten Raum be­

anspruchen allerdings die Erörterungen über die Glaubensformeln der U rgem einde, die im Zusamm enhang der E xegese noch w eniger überzeugend wirken als in den Spezialuntersuchungen des Verf.s, auf die reichlich verw iesen wird. Mit Anerkennung ist hervorzuheben, dass Seeberg ernstlich den Versuch macht, den Hebräerbrief geschichtlich zu verstehen. N ach einer An- dautung auf S. 3 schliesst er sich in seiner Gesamtauffassung des Briefes der Anschauung seines verstorbenen Freundes Prof.

W . Bergm ann in Dorpat an. In der E xegese scheinen H of mann und W estcott besonders Einfiuss auf ihn geübt zu haben. D er B rief ist nach Seeberg etw a 6 9 oder 7 0 von einem Juden­

christen an die aus ehem aligen Juden und H eiden zusam men­

gesetzte römische Gem einde gerichtet. Eigentlich ist er eine paränetische A nsprache, die zum Zw eck der Vorlesung in der

* Vgl. Verschiedenes in dieser Nummer.

Gem einde niedergeschrieben wurde. In den W orten irepl -qc XocXoufiev 2, 5 gibt sich die Form der Rede noch zu erkennen (S. 2 4). D er Schluss 1 3 , 2 2 — 2 5 ist ein Stück eines Privat­

briefs (S. 4 . 1 4 8 . 1 5 0 . 1 5 5 ). Zweck des Schreibens is t, die Leser „angesichts der drohenden Gefahr des Abfalls zum Juden­

tum dem Christentum zu erhalten“. „Man war im Kreise der Leser geneigt, das christliche Bekenntnis, bzw . das „Apostolikum”

aufzugeben. D iese Stellungnahm e Buchte man durch theoretische B edenken zu rechtfertigen. Man bem ängelte die Erlösung, die ein Mensch durch Leiden zustande gebracht, und w ies darauf hin, dass Israel in seinem Priestertum und Opferkultus ein gott­

geordnetes, unübertreffliches Sühneinstitut habe. Es bedürfe der Person Jesu gar nicht, denn auch Israel kenne in den Engeln hohe und erhabene Helfer, und auch Israel habe in Mose einen D iener, der treu gew esen im H ause Gottes. D er H inw eis auf das H offnungsziel der Christen aber sei eine leere Vertröstung.“

D er Verfasser des Hebräerbriefs sucht nach Seeberg zwar alle diese Argumente zu w iderlegen, aber er ist sich dessen wohl bew u sst, dass der entscheidende Grund gegen das Christentum in Leidensscheu und W eltliebe bestand. „Jene theoretischen B e­

denken waren nur ein D eckm antel, durch den die böse Ge­

sinnung des U nglaubens verhüllt werden sollte“ (S. 3 f.). Mit grösser K onsequenz führt Seeberg diese seine Auffassung der geschichtlichen Situation der Leser in der A uslegung duroh.

D ennoch ist sie dem Ref. nicht einleuchtend geworden. Eine Gemeinde, welche die Offenbarungsmittler und Institutionen des A lten BundeB höher schätzte als die deB N euen Bundes, brauchte nioht erst vom Christentum abzufallen, sie war schon abgefallen.

U nd w ie wäre eine derartige Situation bei einer zum T eil aus ehem aligen H eiden bestehenden Gem einde überhaupt denkbar?

Seeberg selbst kann sie sich nicht recht vorstellen, w enn er die theoretischen B edenken der Leser im Grunde gar nicht ernst gem eint sein lässt. Aber warum macht dann der Verfasser des B riefes, der doch den wirklichen Sachverhalt durchschaut, sich selbst und den Lesern die unnötige Mühe einer weitläufigen und gar nicht leicht verständlichen Erörterung aller Einw endungen?

Warum redet er den Lesern nicht einfach ins Gewissen und zieht ihre U nw ahrhaftigkeit nicht schonungslos ans Licht? D ass auch die bei den Lesern vorausgesetzten B edenken sich in dieser Form ulierung aus den Ausführungen des Briefes nioht ableiten lassen, könnte nur duroh eine ins einzelne gehende E xegese g e ­ zeig t werden.

Für einen solchen N achw eis w ie überhaupt für eine B e­

sprechung des D etails fehlt hier leider der Raum. D er Ref.

kann sich aber des Eindrucks nioht erwehren, als ob der Verf.

über m anche Schw ierigkeiten doch zu leicht hinw eggekom m en sei. Zum B elege greife ich einige Stellen heraus. Zu 2, 8 traut Seeberg dem Verfasser des Hebräerbriefs den banalen G edanken zu, in das icavxa von P s. 8 Bei auch die Ver- heissnngsw elt eingesohlossen (S. 18), während diese doch nichts anderes ist als ein künftiges Entwickelungsstadium der gegenw ärtigen W elt. Zu 2, 11 lässt Seeberg einen B ew eis be­

ruhen auf „der als selbstverständlich vorausgesetzten W ahrheit, dass ein Mensch nicht anders als auf dem W ege der Leiden Erlöser von Menschen werden konnte“ (S. 2 0 ), obwohl doch dieser Gedanke für die Leser nichts weniger als selbstverständ­

lich war. Allzu leicht m acht sich Seeberg S. 9 9 die A uslegung von 9, 9 b , wenn er bemerkt, man m üsse annehm en, der Ver­

fasser habe statt x o ö ’ ov versehentlich x a ö ’ r,v geschrieben.

D er wiederholt vorgetragene Gedanke (S 9 9 . 1 0 2 . 1 0 6 . 1 0 9 ), dass in und m it dem Priester die Gemeinde den Gottesdienst voll­

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511

zieh e, ist durchaus nicht die A nschauung des Hebräerbriefs, in dem gerade zwischen Priester nnd Gem einde stark unterschieden wird. D ie Lesart der L X X ooijxa . . xaxrjpxtatu Hebr. 1 0 , 5 wird S. 1 1 0 aus einem ursprünglichen u m a . , . tupuSac, d. h.

ans einem W ortlaut erklärt, der weder in der L X X noch in einer anderen griechischen Version existiert. In 1 0 , 3 2 — 3 4 soll an die Judenaustreibung unter Claudius erinnert sein (S. 118), aber selbst wenn diese durch Wirren hervorgerufen w ar, die infolge der Predigt von Christus entstanden, hätte der Verfasser doch nicht an ein s aus Juden und Heiden gem ischte Gem einde schreiben können, Bie habe sich in jener Verfolgung gleich nach ihrer Bekehrung glänzend bewährt. Besondere B edenken kam en mir bei manchen philologischen Erklärungen. E s beruht schwerlich auf einem Zufall, dass im ganzen Kom mentar immer nur die seinerzeit gew iss verdienstvolle Grammatik von W iner zitiert wird, während sich die Benutzung von Blass nirgends wahrnehmen lässt. Mit B e­

dauern konstatiert auch der Ref., dass trotz seiner eingehenden U ntersuchungen über die lateinischen Kom m entare (Zahns Forschungen Bd. VIII) die A uslegungen deB Alkuin und H aim o bei Seeberg (S. 8) immer noch als W erke des Ambrosiaster und Prim asius figurieren.

E s liegt in der N atur der Sache, dass ein Rezensent vor allem das namhaft macht, was ihn befremdet. Darum soll zum Schluss noch ausdrücklich gesagt werden, dass Seebergs Kommentar auch viel Treffliches und Schätzenswertes enthält.

B a s e l. E. Riggenbach.

C r e m e r , Herm ann D . Dr., B i b l i s c h - t h e o l o g i s c h e s W ö r t e r ­ b u c h d e r n e u t e s t a m e n t l i c h e n G r ä c itä t . Zehnte, völlig durchgearbeitete und vielfach veränderte A u flage herausg.

von D . Dr. Julius K ö g e l (a. o. Professor der T heologie an der U niversität Greifswald). 2. L ieferung: ’ApeTVj bis ätxaioc, .".Lieferung: 8 ix a io cb is EPu>. Gotha 1 9 1 1 /1 2 , F .A .P e r th e s (S. 1 6 1 — 3 0 4 ; 3 0 5 — 4 4 8 ). ä 4 Mk.

V on der von K ögel bearbeiteten zehnten A uflage des biblisch­

theologischen W örterbuchs Herm ann Cremers, über die ich im

„T heol. Literaturblatt“ 1 9 1 1 S. 4 6 5 /6 7 berichtete, liegen nun­

mehr schon die zw eite und dritte Lieferung v or, so dass fast die H älfte des W erkes fertig ist. D er V ergleich mit der vorigen A uflage zeig t auch bei diesen L ieferungen w ieder, m it w elcher Sorgfalt und Akribie im einzelnen K ögel bei seiner N eubearbeitung vorgegangen ist. Man sieht, w ie er nicht bloss hier und da auf die neue Literatur hingew iesen h a t, sondern w ie er sozusagen die Substanz jedes einzelnen A rtikels voll­

kom m en nachgearbeitet h a t, um bald grössere, bald kleinere E inschübe vorzunehm en. So ist es eine Freude, zu sehen, w ie das W erk durch K ögel eine so treffliche V erbesserung em pfängt;

w ir sehen dem A bschlüsse des W erkes m it den besten Er­

w artungen entgegen.

E r l a n g e n . Herm ann Jordan.

D e i s s n e r , Lic. Kurt, A u f e r s t e h u n g s h o f in u n g u n d P n e u m a ­ g e d a n k e b e i P a u l u s . L eip zig 1 9 1 2 , D eichert (VI, 15 7 S.

gr. 8). 3 . 5 0 .

D ie Rede von einem starken Beeinflusstsein Pauli durch hellenistische Gedanken gipfelt in der B ehauptung des wider­

spruchsvollen Charakters seiner E schatologie. Seine ursprüng­

liche, im jüdischen Gem eindeglauben wurzelnde Anschauung, die m it Zwischenzustand, Parusie, Auferstehung und Gericht rechnete, sei je länger je mehr von einer hellenistisch-Bpirituellen abgelöst w orden, naoh der die Vollendung unmittelbar naoh dem T ode

anhebe. A uf die Spitze getrieben wnrde diese von Pfleiderer u. a. vertretene A uffassung 1 8 9 6 in Teichm anns K onstruktion:

während 1 Thess. eine Auferstehung der irdischen Leiber lehrt, tut 1 Kor. mit der Annahme einer eschatologisehen W andlung schon die ersten Schritte auf der Bahn zur Annullierung der Auferstehungsvorstellung, 2 Kor. 5 aber und Phil. 1 ist das Ziel erreicht, die hellenistische A nschauung zum S iege geführt, der B egriff der Auferstehung beseitigt.

Im G egensatz zu dieser Auffassung tritt D eissner m it an­

erkennenswerter Entschiedenheit und im ganzen durchaus ein­

leuchtender Bew eisführung für die w esentliche Einheit der paulinischen Zukunftshoffnung ein. D as Ergebnis seiner sehr eingehenden und sorgsamen E xegese der drei eschatologischen Hauptstellen 1 Thess. 4 , 1 3 — 17 (S. 1 0 — 1 6 ), 1 Kor. 1 5 (S. 16 bis 4 7 ) und 2 Kor. 5, 1— 1 0 (S. 5 4 — 86) ist dieses: Schon in 1 Thess. gilt ein pneumatischer V organg, nämlich der Zu­

sam menschluss der Gläubigen m it dem erhöhten C hristus, als notw endige Voraussetzung der Auferstehung. Paulus hat also von A nfang an das künftige L eben als pneumatisohe E xistenz­

w eise verstanden, und zw ischen 1 T hess. und 1 Kor. besteht kein W iderspruch. Mit beiden Briefen harmoniert aber auoh die D arlegung in 2 Kor. 5. Zwar ist hier ausdrücklich von einer schon unmittelbar naoh dem T ode eintretenden vollen pneum atischen Gem einschaft m it Christus die Rede, diese jedoch zugleich deutlich als ein noch recht unvollkommener Zustand (der pfi-voTTjc) gekennzeichnet, der erst durch die bei der Parusie erfolgende B ekleidung m it dem Him m elsleibe überwunden werden soll. Daraus aber folgt: Paulus hat den P neum a- und den Auferstehungsgedanken allezeit unmittelbar zusam mengedacht.

In der pneum atischen Gem einschaft m it Christus sieht er die notw endige Grundlage der Auferstehung nnd in dieser die not­

w endige V ollendung jener. — N ur eine D ifferenz glaubt D eissner zw ischen den früheren Briefen und 2 Kor. konstatieren zu müssen:

in jenen sei der Zwischenzustand (das xoifxaoöai) als ein unseliger (vgl. 1 Kor. 1 1 ,3 0 ), in dieser als ein seliger Zustand vorgestellt. D ie Q uelle der späteren A nschauung sei jedoch nicht der Hellenismus, sondern die Christuserfahrung des Apostels gew esen. Ein religions­

geschichtlicher Exkurs (der in der Ausführung seltsam erweise eine ganz andere Ueberschrift hat als in der Inhaltsangabe) über die stoische Pneum alehre, den Epikureismus und die alexandrinische R eligionsphilosophie sucht diese B ehauptung vollends zu erhärten.

D en Ausführungen über den B egriff des xo i|x a a & a ti kann ich nioht zustimm en. D enn über die Christuserfahrung, die den W echsel in der Anschauung vom Zwischenzustande hervorgerufen haben so ll, verfügte Paulus doch w ohl vom Anfänge seines ChristenlebenB an. 1 Kor. 11 aber ist offenbar nur das v o r ­ z e i t i g e Sterben vieler als Zeichen eines über die Gem einde er­

gehenden Gerichtes gedacht. Endlich zeugen gegen Deissner direkt 1 Thess. 4 , 1 6 und 1 Kor. 3, 2 2 , indirekt auch Luk. 2 3 , 4 3 und Act. 7, 5 9 . — Im allgem einen ist neben grösser W eitschw eifig­

keit, die viele W iederholungen veranlasst h a t, die Nichtberück­

sichtigung der neuesten Literatur und damit auch der neuesten Problem stellung zu bem ängeln. V on einem Buche m it der Jahreszahl 1 9 1 2 ist doch zu verlangen, dass es von den 1 9 0 9 und 1 9 1 0 erschienenen Kom mentaren von v. Dobschütz, Lietz- mann und Joh. W eiss zu 1 T hess. und den Korintherbriefen, sow ie von Olsohewski „D ie W urzeln der paulinischen Christo­

lo g ie“ 1 9 0 9 (zu 1 Kor. 15) und von Reitzenstein „D ie hellenisti­

schen M ysterienreligionen“ 1 9 1 0 N otiz nimmt.

K ö n i g s b e r g i. P r. Juncker.

(5)

514

B £ e « , N T x o s , * E x ö eo i; icakaioypcupixwv x a l xe^vixtuv ^peovcbv iv xat; ixovaic t w v Msxeu>pa>v. Athen 1 9 1 0 (68 S.).

W ährend die A thosklöster die deutsche W issenschaft mehr­

fach beschäftigt h ab en , ist die Erforschung und K enntnis der höchst eigenartigen M eteorenklöster in Thessalien vorw iegend innerhalb der griechischen Literatur verblieben. D ie sehr ver­

diente „B yzantinische Gesellschaft“ — BuCavnoXoYtxT] *Exai- peia — in Athen hat sich jetzt als eine w ichtige A ufgabe ge­

stellt, der wissenschaftlichen Erforschung dieser uralten Mönchs­

niederlassungen näher zu treten, vor allem den handschriftlichen B esitz festzuBtellen. Zwar w urden im Jahre 1 8 8 2 nach dem türkischen K riege nioht w eniger als 1 2 0 0 H andschriften nach Athen überführt, und die schon vorher und seitdem in noch höherem Grade m isstrauischen M önche legten es darauf an, den Tatbestand zu verschleiern, um so überraschender war es, dass es einem jungen griechischen Gelehrten, eben dem Verfasser des vorliegenden Schriftohens, der durch verschiedene V eröffent­

lichungen Beine w issenschaftliche T üchtigkeit erwiesen hat, und der im A ufträge der genannten Gesellschaft die M eteoren b e­

reiste, gelang, noch 1 2 2 4 Handschriften an Ort und Stelle auf­

zuspüren. Sie beginnen mit dem 9. und schliesBen m it dem 1 9 . Jahrhundert. D er in dem Schriftchen kurz skizzierte Inhalt um fasst antike, biblische, apokryphe, patristische und m ittelalter­

liche Literatur. Auch M iniaturen sind verhältnism ässig zahlreich vorhanden. Ea wird nun darauf ankom m en, den W ert im einzelnen zu bestimm en, w ozu der Verf. Belbst bereits den A nfang gem acht hat. D aneben hat B ees auch der Architektur, den W andm alereien und den W erken der K leinkunst seine A uf­

m erksam keit zugew andt. Ob seine kunsthistorischen Schlüsse richtig sind, lässt sich erst dann beurteilen, w enn die von der B yzantinischen Gesellschaft zu erwartende V eröffentlichung vor­

liegt. Man wird diesen Bericht m it seinen anziehenden E inzel­

heiten und den Bachverständigen B em erkungen des w ohl unter­

richteten Verf.s gern und m it N utzen lesen.

Victor Schnitze.

M ü ll e r , Prof. D . Dr. N ik olau s, D ie j ü d i s o h e K a t a k o m b e a m M o n t e v e r d e i n B o r n (aus: Schriften der G esellschaft z. Förd. d. W iss. des Judentum s). 1 2 A bbildungen. L eipzig 1 9 1 2 , F ock (1 4 4 S. gr. 8).

A nfang Septem ber ist der unermüdliche Spezialist für K ata­

kom benforschung unter den evangelischen T heologen heim ­ gegan gen ; die V erdienste seiner w eit, auch auf andere kirchen- historisohe G ebiete verzw eigten L ebensarbeit zu zeichn en , ist hier nioht der Ort. E s ist jedoch b ei seiner A rbeit an den Grabstätten der Christenheit auch eine N ebenfrucht erwachsen, die verm öge der religionsgeschichtlichen Zusam m enhänge des Urchristentums auch auf christlicher Seite eifrige B eachtung be­

anspruchen darf. N ur als ein vorläufiges E rgebnis h at die gründliche G ew issenhaftigkeit des D ahingeschiedenen die im folgenden an gezeigte Publikation bew ertet sehen w ollen; und das kam so: Müller erkennt in der K atakom be am Monte­

verde eine schon von B osio gesehene Begräbnisstätte wieder, b egin n t schon vor Jahren m it ihrer Durchforschung, sieht sich aber an deren B eendigung durch eine R echtsfrage behindert, die an dem die K atakom be enthaltenden Grundstücke entsteht nnd den italienischen Behörden G elegenheit g ib t , Scharfsinn und Z ähigkeit an den T a g zu le g e n , während der A rchäologe d ie bekannten Tantalusqualen aussteht. D ie einstw eilen durch d ie G rabungen erzielten R esultate, die durch finanzielle U nter­

stützung von jüdischer Seite begünstigt w urden, bestehen teils

in A ngaben über A nlage und Bauart der K atakom be, teils in zahlreichen Resten der K leinkunst und des H andw erks, die in ihren Räumen gefunden und von Müller m it bekannter Sorgfalt bestim m t und beschrieben wurden. Sie liegen jetzt im Museo L ateranense, aber bis auf den T a g , der die Eröffnung des letzten T eiles der K atakom be bringt, noch ebenso verschlossen w ie diese. Für die Erforschung des Urchristentums sind die Zusam m enhänge und U nterschiede des Stils und der Bräuche in den jüdischen und christlichen C öm eterien, nam entlich syn- kretiBtische A nwandlungen der römischen Judenschaft, von hohem Interesse. D och m öchte R ef. fragen, ob das S. 4 0 erw ähnte „Porträt“ eines Sarkophags nicht vielm ehr ein ohne B ezieh u n g auf den D rinliegenden gefertigtes bzw . gekauftes D ekorationsstück sei, in der B eschreibung m utet es teils genre­

haft; au, teils ist es mit Sym bolen vereinigt. D ie Totenkleider (S. 48 ) scheinen aus Material gefertigt, das spurlos verschwinden konnte; ist es vielleicht m inderwertig gew esen ? Mit dem Er­

gebnis, dass die Leichen in ungelöschtem K alk gebettet wurden, hat sich vielleicht noch die Seuchengeschichte zu beschäftigen.

Für Bibelforscher ist, ausser Einblicken in die Bynagogale Orga­

nisation der römischen Judensohaft, eine R eihe von Zeugnissen über die R ichtung unter den Juden w ichtig, die sich selbst die

„hebräische“ nannte und in den E inleitungsfragen zum Hebräer­

brief eine w ichtige R olle spielt. Müller sohliesst sich in der A uffassung der Rolle, die diese R ichtung im Judentum gespielt hat, an Schürer an (S. 1 1 0 f.)* W enn man es auch mit Müller bedauern m uss, dass die V eröffentlichung nicht schon auf der gesam ten und abgeschlossenen Grabung fussen konnte, so ist ihm doch für das, w as er diesmal noch geboten hat, der D ank derer sicher, die sich um die in seinem B uche geförderten F ragen kümmern.

N un hat der T od dem gelehrten fossor den Spaten aus der H and genom m en. R efrigere!

E r l a n g e n . Lic. Dr. Wilh. Caspari.

M ü ll e r , Alphons V ictor, L u t h e r s t h e o l o g is o h e Q u e l le n . Seine V erteidigung gegen D en ifle und Grisar. Giessen 1 9 1 2 , A lfred T öpelm ann (vorm. J. Ricker) (X V I, 2 4 4 S.

gr. 8). 5 Mk.

Ist es schon bedeutsam , dass ein früherer D om inikanerpater für Luther auf den Plan tritt, so ist noch w ichtiger, w ie er die V erteidigung führt. Er w eist nach, dass Luthers grundlegende Sätze längst vor ihm ausgesprochen worden Bind und zu seiner Z eit, vor allem aus der Mitte Beines O rdens, V erteidiger ge­

funden haben; zugleich nim m t er, da D en ifle und Grisar Luthers „verderbtes In n ere“ für seine L ehre verantwortlich machen, auch Luthers L eben vor Entstellungen in Schutz und scheut nioht davor zurück, seinen neuesten katholischen B io­

graphen, vor allem D enifle, die bona fides abzusprechen.

A us den 2 6 P unkten, die Müller bespricht und die auch nur im einzelnen aufzuzählen der en g bem essene Raum ver­

b ietet, greifen wir nur ein ige Proben heraus und w ählen vor allem d ie, die Luthers Leben und die von ihm darüber g e ­ m achten A ussagen betreffen. An einer Probe zeigen w ir so ­ dann näher, w ie Müller die V erteidigung der Lehre Luthers angreift.

D ie Idee des D enifleschen Lutherwerkes ist, den geistlichen Zusammenbruch Luthers zu zeigen. D eshalb w ill er naoh- w eisen, dass Luther eigentlich niem als ein wahrer Ordensmann nnd Mann des G ebetes gew esen ist. W as aber dem aus Luthers eigenen A ussagen widerspricht, das sieht er mit anderen A ugen.

(6)

So erzählt Luther von seinen B ussübungen, von K älte nnd F rost, von N achtw achen und Fasten. D en ifle w ill ob nioht wahr haben (s. D enifles Luther S. 3 5 5 ff.) und unternimmt sogar, um Luthers A eusserangen herabzudrücken, den N achw eis, dass zu Luthers Zeit in W ittenberg keine Ordensdisziplin geherrscht habe (a. a. 0 . S. 32 ff.). D en dabei zum B ew eis benutzten B rief Luthers an Joh. L an g in Erfurt vom 1. März 1 5 1 7 ver­

w endet in ähnlicher A bsicht auch Grisar, ihn noch etw as mehr, als D en ifle, beschneidend. T eils aus dieser entstellenden B e­

nutzung der Q uellen, teils auch aus seiner eigenen Ordens­

kenntnis heraus bew eist nun Müller die W ahrheit der A ussagen Luthers und erw eckt mindestens schw ere B edenken gegen die W ahrhaftigkeit der beiden von ihm behandelten Beurteiler des Reformators. D ennoch bin ich überzeugt, dass sie ihrer Ueber- zeu g u n g nach die W ahrheit geschrieben, und dass sie wirklich in die Quellen hineingelesen h ab en , w as sie uns daraus mit- teilen. D er H ass macht scharfsichtig, aber er m acht auch blind! W enn Luther Bagt, er sei ins K loster gegangen, w eil die K irche und der Orden ihm an geb oten , dass er so den strengen Richter versöhne, einen gnädigen Gott k rieg e, die Sünden tilg e, Gott und den H im m el fin d e, so nennt D enifle das eine L egende, die für im mer aus der Lutherbiographie zu streichen sei (a. a. 0 . S. 3 9 9 ). „W o hat D en ifle eigentlich T heologie studiert — schreibt dazu Müller (S. 19) — , dasa er eine bo dreiste B ehauptung aufzustellen w agt? W as Luther sagt, war nicht nur allgem eine theologische A uffassung zu seiner Z eit, sondern ist es noch heutzutage. D irekt und dringend werden die BusBwerke zur T ilgu n g „der Sünden”, d. h. der Sündenstrafen empfohlen.“ Stark ist es, w enn D en ifle Luther vorw irft (S. 57), dass er seine L eser m it der R egel und den Konstitutionen seines Ordens „getäuscht“, also absichtlich die U nwahrheit gesa g t h ab e, indem er als Zw eck des Probejahres eine Prüfung iu der Keuschheit hinstellt. Um so abstossender aber w irkt dieses Urteil, w enn wir dann bei Müller lesen, dass sich gerade ausdrücklich und wörtlich in den Konstitutionen des Dom inikanerordens aus dem Jahre 1 5 0 7 ein Satz findet, der Luther recht gibt. D eclaram us, heisst es da, quod cum austeritas ordinis praecipue in continuatione consistat, debet annus proba- tionis integer esse et continuus (S. 23 ). H ier wird es allerdings schw er, an der bona fides D enifles feBtzuhalten. U nd ähnlich steht es m it Luthers B eurteilung der Mönohstaufe. V ergeblich hat D en ifle sich bem üht, zu zeigen, dass sie innerlich zu fassen se i, und dass Luther sie mit Unrecht für W erkerei erkläre;

Müller führt eine ganze R eihe von Stellen a n , die „die über­

ragende R olle des W erkes“ b ei der zw eiten T au fe bew eisen (S. 27).

Ganz von selbst haben das L eben und die Erlebnisse Luthers uns zur Lehre geführt. Aubihr noch ein B eispiel. W ir w ählen einen zentralen B egriff: die concupiscentia invincibilis, w eil sie besonders geeign et ist, D en ifles Art und Müllers W iderlegung zu zeigen. W ir alle w issen, w as Luther unter der concupisoentia invincibilis verstanden hat. D enifle aber hat es offenbar nicht begriffen. E r nennt die Lehre von der unüberwindlichen B e­

gierlichkeit den A usgangspunkt für Luthers U m schw ung vom Guten zum Bösen. „N ach und nach — sagt er (S. 9 5 f.) — gelan gte Luther in einen Zustand, in w elchem von einem K am pf oder W iderstand auoh gegen die fleisohliohen V ersuchungen und B egierden, von einer B ezähm ung deB Fleisches keine R ede mehr w a r, nnd den aufsteigenden B egierden die E inw illigung so ­ gleich auf dem F usse folgte.“ E ine gem eine V erleum dung des Reformators nennt das M üller, und unbegreiflich ist e s , w ie !

solche V erzerrung aus der hohen Bittlichen A uffassung Luthers hat entstehen können. Aber das W ichtigste: Müller w eist nach, dasa nicht nur der Ausdruck conoupisoentia invincibilis als be­

deutsam er L ehrpunkt der Augustinusschule schon längst vor Luther d agew esen , dass er beispielsw eise bei Robertus Pullus auch die von Luther vertretene B edeutung gehabt h a t, dass es nämlioh nicht in der Macht unseres W illens steh e, die auf­

steigenden B egierden derart zu unterdrücken, dass sie nicht mehr da seien; der Mensch könne und solle ihnen W iderstand leisten , aber er verm öge nicht, sie auszurotten. Müller w irft auoh hier D enifle bew usste T äuschung vor; w ir m einen, seine T endenz ist stärker gew esen als selbst sein profundes W issen.

U eber Grisar urteilt Müller sehr geringschätzig; nur ein K apitel w idm et er ihm besonders, w o er von der „R eligion des unfreien W illens“ h andelt, da Grisar hier ohne die L eitung D en ifles operiere. Sonst, urteilt er, fusse er einfach auf den Resultaten D enifles, und tut ihn deshalb durchw eg in den An­

m erkungen ab.

D enifle und Grisar haben dem evangelischen V olke Beinen Luther nicht genom m en, aber ganz gew iss haben sie in der katholischen Christenheit nur die V erachtung Luthers und derer, die sioh nach ihm nennen, neu gew eckt; und die wird auch Müllers schneidige B ew eisführung nicht b eseitigen , denn die ihn am m eisten lesen m üssten, werden ihn nioht lesen dürfen. U ns aber sei er ein A ntrieb, im mer sorgsam er Lather und seine theologischen Q uellen zu studieren.

I l f e l d a. H. Ferdinand Cohrs.

B i t s c h i , D . Otto, D o g m e n g e s c h i c h t e d e s P r o t e s t a n t is m u s . II. O r t h o d o x i e u n d S y n k r e t i s m u s in d e r a l t ­ p r o t e s t a n t i s c h e n T h e o l o g i e . E r s t e H ä l f t e : D ie T heologie der deutschen Reform ation und die E ntw icke­

lung der lutherischen Orthodoxie in den philippistischen Streitigkeiten. L eipzig 1 9 1 2 , Hinrichs (VI, 5 0 0 S. gr. 8).

1 2 Mk.

W ährend der erste B and dieser „D ogm engeschichte des Protestantism us“ sich m it der E ntw ickelung und H erausbildung der form alen M assstäbe der orthodoxen T heologie, d. h. m it der E ntw ickelung des orthodoxen Schriftprinzips im G egensatz zum M elanchthonschen Traditionalism us beschäftigt, dringt dieser zw eite B and in den Inhalt der reformatorisohen Lehre ein und sucht die E ntw ickelung verständlich zu m achen, die schliesslich zu der orthodoxen Form ulierung der R echtfertigungslehre g e ­ führt hat. U nd ebenso, w ie der erste Band dadurch, dass der Verf. von neuem w ieder einm al aus den Quellen gearbeitet hat, eine Fülle w ichtiger wissenschaftlicher Ergebnisse zutage gefördert h a t, so muss auch diesem zw eiten nicht minder sorgfältig g e ­ arbeiteten B ande das Zeugnis ausgestellt w erden, dass er zur K lärung der E ntw ickelung der orthodoxen T heologie a u s s e r ­ o r d e n t l i c h w e r t v o l l e B eiträge liefert.

W orin besteht die B edeutung dieses B andes? Zunächst einm al darin, dass der V erf., ohne geistreiche Kom binationen zu m achen, ohne irgendw ie überraschende E rgebnisse herbei- zw ingen zu w ollen, mit H ilfe lediglich eines durchgreifenden Q uellenstudium s nur dies im Sinne gehabt hat, klar zu m ach en : w i e h a t a u s d e m a l l e r e r s t e n E n t w u r f d e r T h e o l o g i e L u t h e r s , d e r t h e o l o g i a c r u c i s , s c h l i e s s l i c h d e r o r t h o ­ d o x e T y p u s d e r r e f o r m a t o r i s o h e n L e h r e e r w a c h s e n k ö n n e n ? Man w ird es jedenfalls von anderer Seite dem Verf.

als M angel vor w erfen, dass er diese ganze E ntw ickelung g e ­ schildert h a t, ohne ausführlich auf die V oraussetzungen der

(7)

katholischen V ergangenheit zuriiekzugreifen. Insbesondere die­

jenigen T heologen, die m it der historischen V oraussetzung arbeiten, dass eigentlich das ältere Luthertum , der „Altprotestantismus“, nur eine Abart des K atholizism us sei oder w enigstens nooh ganz im K atholizism us steck e, wird m it der von Bitschi g e­

wählten M ethode, sioh sein Forschungaobjekt m öglichst zu isolieren, nicht zufrieden sein. Ich dagegen m öchte es gerade als ein grosses V erdienst des Verf.s ansehen, dasB er auf alle solche doch Bchliesslich von vornherein diese Entw ickelung von einem dogm atischen Standpunkte aus e n t w e r t e n d e n Gesichts­

punkte prinzipiell verzichtet hat. Er fasst seine A ufgabe wirklich h i s t o r i s c h , d. h. nicht das ist Beine T en d en z, die protestantische T heologie nur in die E ntw ickelung einzuordnen, sondern sie in ihrem E i g e n w e r t zu verstehen, sie in ihrer Individualität zu erfassen. V ielleicht geht Eitschl in dieser Zurückhaltung oft etw as zuw eit: er iat hier und da — besonders in der E ntw ickelung der T heologie Luthers — zu sehr Stati­

stiker; es w äre oft besser, w enn er nicht nur in den W orten L uthers, sondern in eigenen W orten die dargestellte Lehre rekapitulierte und auf diese W eise das Verständnis dem Leser noch mehr erleichterte. Aber dieae U ebertreibung seiner Methode ist doch verständlich gegenüber dem sonst so häufig sich geltend machenden B estreben, nioht historisch darzustellen, sondern frei referierend sofort alle m öglichen H ypothesen, K om binationen und W ertnrteile einzufleohten. Man m erkt aus der Einfühlungßfähigkeit des Verf.s in die A nschauungen, die er w iedergeben will, durchaus den durchgebildeten System atiker heraus, der es versteht, in den inneren GedankenzuBammenhang wirklich sich hineinzu denken und deshalb auch einzuführen.

Aber während heutzutage oft die Historiker sich die Objektivität ihrer B eobachtungen durch dogm atische W erturteile verderben lassen, m erkt man hier w ieder einmal, dass eine wirkliche dog­

m atische B ildung die historische Sehfähigkeit ausserordentlich za sohärfen im stande ist.

Ist dem gem äss, schon vom rein m ethodischen Standpunkte aus, dieses B uch — gerade ro seiner Selbstbesohränkung — ein M eisterw erk, ho ist auoh der inhaltliche Ertrag der Arbeit in jedem A bschnitt ausserordentlich reich. Zunächst (S. 1— 2 2 5 ) g ib t der Verf. eine sehr ausführliche, eindringende D arstellung der T heologie L u t h e r s , und zw ar stellt er sioh das Problem : w ie ist aus der ursprünglich stark m ystisch beeinflussten, von dem mönchischen Ideal der D em ut beherrschten theologia crucis die Bpätere reformatorisohe Lehre von der R echtfertigung durch den Glauben gew orden? Ea sind nach Ritschl hauptsächlich z w e i M otive, die auf diese U m biegung eingew irkt haben, einm al das immer klarere Erfassen des H eils als einer g e g e n ­ w ä r t i g e n G nadengabe Gottes ( = favor) und dann der prin­

zipielle hauptsächlich aus dem Studium der S ch ilft erw achsene G laubensirrationalism us, der in steigendem MasBe es erkannte, dass gerade darin Gottes Gnade beBteht, dass dem S ü n d e r G e r e c h t i g k e i t im putiert wird. D ie K om bination beider Motive hat dann schliesslich das Ideal mönchischer D em ut und R esi­

gnation im mer mehr zurücktreten lassen, und — in diesem N ach­

w eis lieg t ein besonderer R eiz der Ritschlschen D arstellung — mitunterstützt duroh die glaubenstärkenden Erfahrungen Beines L eb en s, ist ihm jener freudige und trotzige Glaube zuteil gew orden, der das eigentliche W esen des reformatorischen G laubens ausm acht. B esonders der Abschnitt über die Paradoxie des Glaubens (S. 8 5 ff.), über den nioht bo sehr aus Occams T heologie, Bondern aus seinen eigensten Erlebnissen, insbesondere im V erkehr mit der Schrift entstandenen GlaubensirrationalismuB,

ist ausgezeichnet, und ioh glaube, dass der Verf. sehr recht hat, w enn er S. 1 2 0 , Anm. 1 im G egensatz zu Tröltsch hier auch gerade die entscheidenden r e f o r m a t o r i s c h e n Ideen Luthers sucht. Ausserdem aber halte ich den Abschnitt über Luthers Busslehre für ausserordentlich bedeutungsvoll: gegenüber den V ersuchen, hier ein allmähliches Zurücksinken Luthers in den K atholizism us aus volkserzieherischen Gründen konstatieren zu w ollen, sucht Ritschl die innere Geschlossenheit der Lutherschen Busslehre zu erw eisen. Er hat nie — das ist das Ergebnis von R itschls U ntersuchung — seine U eberzeugung von der durch Gottes G üte herbeigefQhrten Busse als einer dauernden A ngelegenheit des christlichen Lebens fahren lassen , hat aber auch zu gleicher Zeit die N otw endigkeit der G e s e t z e s p r e d ig t für die verhärteten MenBohen immer behauptet. E ine alle indi­

viduellen U nterschiede nivellierende Bekehrungstheorie hat er eben absichtlich verm ieden. —

W ar schon im ersten Band des Ritschlschen W erkes anerkannter- massen seine D arstellung des M e l a n c h t h o n s c h e n Traditio- naHsmus eine besonders bedeutende wissenschaftliche Leistung, so m öchte ich das von der D arstellung der Melanchthonschen Rechtfertigung^- und BiiBBlehre (S. 2 2 6 — 3 3 2 ) nicht minder b e ­ haupten. E s ist im Rahmen einer kurzen Besprechung unm ög­

lich , all den feinen B eobachtungen nachzugehen, die Ritschl gerade in diesem A bschnitt über den charakteristischen Unter­

schied der beiden deutschen Reformatoren macht; er hebt den Mangel an D em u t, die „latente R echthaberei“ , die Leidens­

scheu als charakteristisch für Melanchthon heraus; — w ichtig ist hier nur das Ergebnis, dass die grössere persönliche K ühle Melanchthons, die T atsach e, dass seine Stellung zum E van ­ gelium nicht aus dem selben inneren R ingen und Käm pfen hervorgegangen ist w ie b ei L uther, die theologische F olge g e­

habt hat, dass M elanchthon nun die nicht von ihm so m ächtig erlebte Lehre von der mortificatio und vivificatio nicht mehr, w ie es Luther tat, als paradoxe gleichzeitige Erfahrung, sondern als p sychologisch-analysierbare, a1'mähliche W andlung dar­

stellte. D araus erklärt es sich auch, dass Melanchthon schliess­

lich die Lehre von der R echtfertigung als Lehre von der B usse darstellt, und dass er unter V erwertung der aristotelischen P sychologie mit besonderer Sorgfalt die Mitwirkung des m ensch­

lichen W illens b ei diesem Prozess untersucht: alle die melanch- thonischen Eigentüm lichkeiten, der leise rationalisierende Zug, der Synergism us, das allmähliche Vor w iegen des (rationalisierenden) G esetzesbegriffes in der G toudanlage seiner T heologie erklären sich daraus. W ohl hat M elanchthon immer in der R echt­

fertig nngslehre selbst form al mit Luther übereiugestim m t, Luther verdankte ja Bogar gerade Melanchthon den exegetischen N ach­

w eis der G egenw artsbedeutung der R echtfertigung, aber das Interesse M elanchthons war ein anderes: in der U m wandlung der Lehre von der R echtfertigung in die Lehre von der B usse offenbart sich das lehrhafte erzieherische Bedürfnis Melanch­

thons, dem es darauf sn k a m , dem V olke in schlichter W eise ein ethisch-ertragreiches Christentum zu vermitteln.

D ie eigentliche B edeutung des Ritschlschen W erkes lie g t nun aber doch nicht in diesem ersten A bschnitte über Luthers und Melanchthons T heologie — hier stellt er doch im w esent­

lichen nur die Ergebnisse der bisherigen Forschungen, freilich in selbständiger N achprüfung und deshalb auch durch eine Fülle neuer B eobachtungen erweitert, zusammen — , sondern in dem zw eiten Abschnitte, der sich m it den p h i l i p p i s t i s c h e n S t r e i t i g k e i t e n beschäftigt. H ier w ird nämlich durch dies W erk die historische A uffassung dieser ganzen Z eit w irklich

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