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Die Zukunft, 7. September, Bd. 36.

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Berlin, den 7.September 1901.

. J H v

KriminalistischeKetzereien.

Of

aum zwei-oderdreimal imLebenhabe icheinederwohlfeilenAns- gabendesStrafgesetzbuchesinderHand gehabt;dieGerichte habe ichimmergemiedenwieGiftundmich fürjuristischeFinessenniemals inter- essirt.Wenn einsoGearteter praktischeVorschlägemachenwollte zur Ver- besserungunserer Strafjustiz,ineinerZeit,woesaußeretwa hundert- tausendJuristenso viele tausendKriminalstudentenjedenRangesundStandes giebt, sowäre Das wirklich lächerlich.Aberman hat doch seineGedanken über einenGegenstand;undwarum sollman dienicht ausplaudern?Frei- lichstehtesum meineBerechtigungzumReden nochschlechteralsum die so manchesanderen Unkundigen,dennichbinindieser wie inmancheran- derenSache PessimistundUtopist; ichbinüberzeugt,daßtrotz allemguten Willen derBerufenen unsere Justiz so langeimmerschlechterwerden muß, wie diegesellschaftlichenVerhältnisseimmerverwickelterwerden, undichträume von einerZukunft,inderdieGesellschaftso einfach geworden seinwird, daß siekeineJustiz mehr braucht.DaaberdieUtopien frühernannte man sie Jdeale nichtganzwerthlos sind, weil sie nicht seltendenPrak- tikerndieRichtung angeben,indersich ihre Reformthätigkeitzubewegen hat, so findetman esvielleichtnichtganzunverschämt,wenn ichmeineuto- pischen Faseleienhierauskrame.

Das Wenige,dasichvom römischenRechtkenne,hathingereicht, mich davonzuüberzeugen,daßesnicht ohneGrund gepriesenwird. Dieses RechtmitHautundHaarenindieGesetzbücherundin dieRechtspflege

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von Völkernaufnehmen,dietausendJahre nachdenalten Römern und unter ganz anderen Verhältnissenleben: Das istfreilich Wahnsinnund richtetVerderben an; aber alsMusterimscharfsichtigenErkennen aller Rechtsverhältnisse,imDefiniren,UnterscheidenundEintheilenwerden die römischenRechtsbücherdenStudenten undvielleichtauchdengereiftenGesetz- gebernimmer guteDiensteleisten.Hat dochauch noch unserneues Bürger- liches GesetzbuchdieEintheilunginPersonenrecht,SachenrechtundObli- gationenrechtundderObligationenindieexcontractu unddieexdelicto beibehalten,wenn essie aucheinBischen verschleiert. Jch findeabernoch zwei großeVorzügeimrömischenRecht,diewahrscheinlichvondenheutigen Juristen weniger hoch geschätztwerden. Deneinengedenkeich spätereinmal zu nennen; derandere bestehtdarin, daßdasältesterömischeRechtkeinen Strafprozeßkennt. DashatwohlJheringvor Augen,wenn ersagt,in seiner ältestenGestalt seidasrömischeRecht dem germanischenverwandt ge- wesen. DaßinDeutschlandbis ins fechzehnteJahrhundertFälle vorgk kommen sind,wonacheinemMord dieObrigkeiterklärte, dieSache gehe fieweiter nichtsan, dasichdieFamiliedesErmordeten durchdievom Mördergezahlte Entschädigungsummebefriedigterkläre, daranhabeichin der»Zukunft«schoneinmalgelegentlicherinnert· JnRom hatte,wiebei denGermanen,derGeschädigtezunächstdasRechtderSelbsthilfenndSelbst- rache, namentlichinallenganz klarenFällen, zumBeispiel,wenn erden Dieb, denEhebrecherinHagranti ertappte·BrachteerdieSacheinzweifel- haftenFällenvor denRichter-,so wurde sie in Form einesPrivatprozesses behandelt·DerRichter stand nichtalsObrigkeitüber denParteien, sondern war blosSchiedsrichter, seinesententiu ebennur dieMeinungäußeruug, daßAgegen BRecht habe,undAselbst exekutirtedenSpruch. Er, nicht derRichter,war deragens, derRichterblosSentiens unddicens.

JmUnterschiedevon denRömernhabendieGriechendenStraf- prozeßsozusagenmitLeidenschaftausgebildet;kaumzuzählenistdieMenge derGerichtshöfeund dieverwirrende Fülle derverschiedenenKlage-und Prozeßarten,diesichdieAthenerzuihremVergnügenschufen; daßesauf dasVergnügenund die paar Obolen Richterfolddaneben abgesehenwar, hat ja Aristophanesin den»Wefpen«höchstergötzlichgezeigt. Jcherkläre mir Das aus denbestenundausdenschlechtestenEigenschaftenihresVolks- charakters WiedieWerkeihrer großenPhilosophenundDichter beweisen, verbanden siemiteinemstarken, feinenundlebhaftenGerechtigkeitgefühlden philosophischenTrieb, dasWesenallerDinge, demnachvorAllemDessen, was sie so lebhaft bewegte,derGerechtigkeit,zuerforschen,unddasGerechtig- keitgefühldrängtedannwiederzurVerwirklichungDessen,masman gefunden zuhaben glaubte.So hielten sichdenn ihreGesetzgeberund ihre Obrig-

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Kriminalistische Ketzereiem 379 keitenverpflichtet,imStaat dieGerechtigkeitzuverwirklichenund durch Bestrafung jedes UebelthätersdieverletzteGerechtigkeitwiederherzustellen.

Aberihr philosophischerTrieb artete inSpitzsindigkeitausund inderen Dienst stelltesichdieRedefertigkeitnndRedekunst,die mitjener zusammen jeden AthenerzumgebotenenSophistenundAdvokatenmachte. JmOrient wiederumwaren dieHerrschenden,mochtensiesichPriesteroderKönigenennen, Jnkarnationen oder WenigstensWerkzeugeund SprachrohrederGottheit.

DieGottheitnun belohnt selbstverständlichdasGuteundbestraftdasBöse;

hier gehörtealsodasStrafenzu denheiligstenPflichtenderObrigkeit.Eben so selbstverständlichaberistesfüreinenmodernenVerstand, daßdieAus- übung jenergöttlichenFunktiondurchMenschenimJudenlandeso jämmerlich ausfallenmußte wie inGriechenland.VollvonGerichtenistEureStadt, donnert Jesaja, abernichtvollGerechtigkeit;EureFürsten sindDiebes- gesellen,liebenBestechung;derWaiseschaffensie nichtRechtunddieSache derWittwe führensienicht.DiePsalmensind vollvonKlagendarüber, daßdasRechtunterdrückt werde, dieUngerechtigkeittriumphire,undso geht esfort,bisChristus (Matthäus 23)dasgroßeWehe ruftüber alle. welt- lichenundgeistlichenGewalten. Undso grundverschiedenHellenenthumund Judenthum sonst waren,inzwei Dingenwaren sieverwandt: inderSpitz- findigkeitundinderEinbildung,denWillenderGottheitgenauerkanntzu haben.Man lesePlatos Euthyphron!DerTitelheldundseinVaterhaben einePlantage auf Naxoszeinerihrer dortigen Tagelöhnerschlägtihnenim RauscheinenHaussklaventot,derVatersperrtdenMörderein undläßt bei derzuständigenBehörde,demExegetendesBlutgerichtes,anfragen,was mitdemMenschengeschehensolle; Dieseraber kommt imKerkerlochum, ehederBotezurückist,nndEuthyphroneiltnachAthen,um denVater, dessen HärteoderNachlässigkeitdenToddesTotschlägersverschuldethat, desMordes anzuklagen.Alle Verwandten sagen ihm,esliege jagarkein Mord vor,undwenn Das auchderFallwäre,sowürdeesdoch Unrecht sein,deneigenenVateraufMordanzuklagen;aberdieseLeute,prahlt Euthy- phron, wüßtenebennicht,wasbei den Götternalsheiligundgerechtgelte,

eraberwisseDasganzgenauunderwisse insbesondere, daßersichselbst dieBlutschuldzuziehenwürde,wenn ermitdemMörderzusammenlebte, stattdieSühnedesVerbrechenszubewirken. StecktnichtindiesemGriech- leindie ganzeSchaarder heiligen Zelotenvon KaiphasbisTorquemada und Calvin, dieindenSchoßderGottheit eingedrungen sindunddarin denBefehl gefundenhaben,Alleumzubringen,die einen anderenBegriffvon derGottheit haben, sammtallen Gerechtigkeitfanatikernvon Ezzelinbis Robespierre? Daß sich Euthyphronindembekannten Kreise dreht: gerecht ist,wasGottgefällt,undGottgefälltnichtsAnderesalsdasGerechte,und

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DieZukunft.

daßerdavonläuft,alsermerkt,daß ihnSokrates ausdiesemKreiseher- ausdrängt,macht daskleineGesprächfürdieBeurtheilungdertheologischen Ethikauch heute noch werthvoll.

Diese hellenistischeSpitzfindigkeit hatnun mitderrabbinischenzu- sainmengewirkt,im GeistedesPaulus und derchristlichenTheologendas- Diogmavon derErbsündeundihrer SühnedurchdenTod desGottmenschen (ein Dogma, dessen hohen symbolischenWerth ich keineswegsverkenne)aus- zubrütenund immerjuristischer-—zugestalten,undunter derHerrschaftdieses DogmasunddermitdemChristenthumaus Asieneingewandertentheokra- tischenJdee lebtensichdiechristlichenObrigkeitenindieVorstellungein, daß ihnen,alsStellvertretern Gottes,dieheilige Pflicht obliege,das Gute zubelohnenunddasBösezustrafen,wobeidieersteHälftederPflicht sehr- baldvergessenwurde,weildiezweiteweitleichterzuübenwar undden immer wilder werdenden GemüthernVergnügenbereitete. Und mitder KenntnißundRezeptiondesrömischenRechteskamMethodeinsStrafen- Denn dieses rezipirte römischeRechtwar nichtdasursprüngliche,daszwar hart, aber, alsvonFreienfür Freie geschaffen,nicht despotischgewesenwar, sondern dasinByzanzzueinerZeit kodifizirte,woalleReichsangehörigen Sklaven einesDespotenwarenundwo man auchschondenStrafprozeß mitanuisition undFolterzur höchstenVollkommenheitausgebildet hatte.

Undsokam, wieFriedrich List sagt,dieRechtspestüberEuropa, ausgehend vomLeichnameines Toten, der darum nicht wenigereinLeichnamwar, weil derToteim Lebengroß gewesenwar. «Undessingeinfrisch, fromm, fröh- liches Köpfen,Hängen,Rädern, Viertheilen, Foltern, Verstümmeln,Zwicken mitglühendenZangenundVerbrennen an, dasim siebenzehntenJahr- hundert, alsoinderZeitdesheißestenkatholischen, lutherischenundcalvi- nischenGlaubenseifers, seinen Höhe-undGlanzpunkt erreichte-

Wenn dieTheologenundJuristendieser wilden unddüsterenJahr- hundertedieBibel ohnedieBrille ihres Fanatismus gelesenhätten, so würdensiedarindieVerurtheilung ihres Richtwahnes gefunden haben.Sie hättenausdemBuch Hiob gelernt,daßesnichtinderAbsichtGottes liegt, imDiesseits dieUebereinstimmungherzustellenzwischenderäußeren Lage desMenschenundseineminnerenWerth,undaus demGleichnißvomUn- krautunter demWeizen, daß Jesus dasAusreuten desBösengeradezu verbietet,weildamit zugleichdas Gute vertilgtwerde. Siewürdenim neunten KapiteldesPredigersSalomonis gelesen haben, daßderMensch vonsich selbst nicht weiß,oberderLiebewürdigseioderdesHasses (also esvon einemAnderen erst recht nicht wissen kann)unddaßdieGleichheit desSchicksalesderGutenundderBösen nicht Wenigeirrmacht,so daß siesich ohne GewissensbissedemBösenergeben.SiewürdendieMahnung

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Kriminalistische Ketzereien 381 Jesn beherzigthaben: Richtet nicht,damitJhr nichtgerichtetwerdet, und hättenandasWort Pauli gedacht: Jch richte mich auch selbst nicht,denn ichbinmirzwarkeinerSchuld bewußt, halte michaberdarum nicht für gerechtfertigt;darum richtetnichtvor derZeit, ehederHerrkommt, der alles VerborgeneansLicht bringenunddieAbsichtenderHerzen offenbar machen wird. Freilich istesgerade Paulus, ausdensiesichberiefen,daerim Römerbriefelehrt,daß GottderObrigkeitdasSchwertzurBestrafungder Bösen verliehen habe.VoneinerZeit,wonebenanderemAberglaubender unsinnigsteJnspirationglaube herrschte,kannman nichterwarten, daßsieden Widerspruch zwischendiesenund ähnlichenaus demOpportunismusdes- Gemeindegründerszuerklärenden Stellen mitdemganzen Geistenndden ausdrücklichenLehrenJesu gemerkt haben sollte.DieTheologenundJuristen würden also wohlbiszumjüngstenTage fortgefahren haben,mitFeuer, EisenundStrick das Unkraut auszureutenundGerechtigkeitherzustellenauf Erden, wenn essichdieUnterthanen solangegefallen lassen hättenund wenn ihnennichtdiePhilosophiezuHilfe gekommenwäre,namentlich durch das anhaltendeNachdenkenüberpsychologischeFragen.

DesNachfolgendenwegen binichgezwungen,meinen eigenenStand- punktinpsychologischenFragen kurz anzugeben. Jch nehme selbstverständ- lichmitDank an,swasdie moderneNaturwissenschaftüber denZusammen- hangdesleiblichenmitdemSeelenleben lehrt,undlassedieEntwickelung als Dasgelten,wasihrNamebesagt, daß sie nämlichim Individuumwie indenVölkerndievorhandenenAnlagen entwickelt;aber ichlehneden materialistischenBegriffderEntwickelungab undglaube, daß, so wenigdie Erziehungaus einem DummkopfGenie entwickelnkann, sowenigauch dieErziehungdesMenschengeschlechtesdurchdenKampfums Dasein Jn- telligenz, ästhetischeund sittlicheJdeenaus ihm hättenentwickelnkönnen, wenn sie nichtvonAnfanganinihm gesteckthätten. Jch nehme also mit PlatoewigeundunveränderlicheJdeenan, undzwar,miteinerunbedeu- tenden Abweichungvon Herbart,viersittlicheGrundideen: Gerechtigkeit, Wohlwollen, VollkommenheitundFreiheit.JnBeziehungaufdieGerechtig- keitmachtuns nun diePsychologiezusammenmiteineretwadreitausend- jährigenhistorischenErfahrung zweierleiklar: erstens,daßdas historische Recht nichtdieGerechtigkeitverwirklicht. GleicheinederwichtigstenGrund- anschauungendesRechtsvolkes-.».T’Rufs-,dassichallespäteren Rechts- schöpferzumMustergenommen haben, stehtimschneidendstenWiderspruch zurGerechtigkeit.DieGerechtigkeitfordert,daßeskein anderesEigenthum gebealsdurchArbeit geschaffenesodererworbenes;Arbeit istdieeinzige sittlichzurechtfertigendeQuelle desEigenthumsrechtes.VondenRömern aber sagt Gajus:Maxime Sua esse credebant, quae ex 11ostibus

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cepissent. DasSchwertwar ihrEigenthumsrechtschaffendesArbeitinstru- ment (ganz sodachtendieDeutschen: Pigrum etiners videtur, sudore adquirere, quod possis Sangujne parat-re Teic. Germ. 14) undselbst im FriedengeschahdieEigenthumsübertragungdurch Kaufsub hast-L DasAndereist, daßdieObrigkeit Gerechtigkeitnicht erzwingenkann,man magdiesesWort subjektivalsgerechteGesinnungoderobjektivals die Ueber- einstimmungderäußerenLagederMenschenmitihrem Verdienstundihrer Würdigkeitverstehen.Das Erste istansichklar:Gesinnung läßt sich nicht erzwingen.DasZweitekommtbesonders fürdenStrafprozeßinBetracht.

DieMenschen je nachdemGradeihrer Würdigkeitzubeglücken:Das hat derStaat zurEhredes inihmwaltenden Verstandes seiesgesagt garnicht erst versucht;aberdenMissethäternnachdemGrade ihrerVer- schuldung Schmerzen zuzufügen:Daskommt ihm auch heute noch manch- malindenSinn;esistaberoffenbar sounverständigwiedasAndere.

DieVerantwortlichkeitfragesoll hier noch nicht aufgeworfenwerden.

Wirnehmen einstweilenalsausgemachtan,daß derMenschfür seine Hand- lungen verantwortlichist. AberdaßdieVerantwortlichkeitdurchSeelen- zuständeundäußere Einwirkung, durch Leidenschaften,Rausch, Krankheit, Unwissenheit,durchZwangundVerführung,gemindertundunterUmständen auchganzaufgehobenwird,erkennenselbstdieTheologenundJuristenan.

Seelenkunde undErfahrung lehrennun weiter,daßwirniemals, niemals imStande sind,denGrad unserer eigenen Verantwortlichkeit, geschweige dennden einerfremden,zuermitteln. Esgiebt heutekeinenhistorischund philosophischgebildeten,imLebenerfahrenen Richter,dernicht wüßte-:wenn ichunter denselben Umständengeborenwordenundausgewachsenwärewie dieser Angeklagteundmichinderselben Lage befunden hätte,sowürdeich höchstwahrscheinlichdieselbe That begangen haben. Undwenn esdem RichterineinemschwachenAugenblickeinfallen sollte, sichaufs hohemora- lische Pferdzusetzenund sichalsRächeran GottesStatt undalsHer- stellerderverletztenGerechtigkeitzufühlen, sowirdersich nachwieder- erlangterBesinnungdasSelbesagen,wasPaulus dendieheidnischeGott- losigkeitund Lasterhaftigkeitverdammenden Judensagt: »Wie kannstDu Dich unterstehen,Anderenzupredigen, daß sienicht stehlen, nicht ehebrechen sollen,daDu selbst stiehlstunddieEhe brichst«, wenn nichtjetztund thatsächlich,sodochderGesinnungnach,daDuesbei einemgewissenGrade derVersuchungthun würdest? Tabakrauchenist gewißkeinnatürlichesund daherniemals eindringendes BedürfnißJederJunge raucht früheroder später seine erste Cigarre,weilDas beiuns derBeweis der erlangten Männlichkeitist,wiebeiweniger civilisirtenVölkern dasTätowireu oder

"Kopfabschneiden;aberseineNaturwiderstrebtundprotestirt nicht selten durch

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Kriminaliftische Ketzereien. 383 Eruptionengegendenihrvon derMode aufgezwungenenGenuß. Hat sich danndieNatur daran gewöhnt,sowirddasansichUnnatürlicheBedürfniß, undzwarinsolchem Grade, daßmanche LeuchtederWissenschaft,manche StützedesThrones,des Altares,derGesellschaft,gewißauchmancherRichter, nicht mehrimStande ist,sicheinenvollenTag gänzlichdesRauchenszu enthalten.Wenn nun von denhöchstgestelltenPersonenvielesowillens- fchwachsind, daß sie sichnichteinmalderBefriedigungeineswidernatürlichen, anerzogenen und vielleichtnur eingebildetenBedürfnisses enthaltenkönnen:

mitwelcherStirn werdensiedaeinenMenschenverdammen,dernicht stark genug war, denDrangzurBefriedigungeineswirklichen Bedürfnisseszu überwinden, undderdabeinur darum einGesetzübertretenhat,weilihm dergesetzlicheWegzurBefriedigungverschlossenwar?« MitwelcherStirn werdensieeinearme Frauverurtheilen,dieanhundertmitDelikatessenge- fülltenSchaufenstern vorübergegangenist, hinter hundert Restaurationfenstern lachendeGesellschaftenschmausenundtrinken sahund dannendlicheineMark gestohlenhat,umBrot,Butter nndMilch für ihreKinderzukaufen?Oder einenkräftigenBurschen,denderstärksteallerNaturtriebe amunrechtenOrt oderzurunrechtenZeitoderinBeziehung aufeinungeeignetesObjektüber- wältigt hat?Jener Trieb, dessenUebermachtalleHerrschendenalsihr höchstes Kleinod schätzen,alsden Talisman, derihnen jedeArtvonKothinGold verwandelt? WennjeeinmaldieVernunft seiner Herrwürde,sowürde

esbeimarmen Volkekeineanderen als Josefsehen, dahernach zwanzig

JahrenwederArbeiter nochSoldaten mehr geben;mitallenRenten nnd Dividenden undmit allerKönigsherrlichkeitwäre esdann vorbei. Der Staat —- undderRichteralsdesStaates Organ maggezwungen sein, dieseundvieleHandlungenzustrafen, hartzustrafen;aberwenn dieVer- treter des Staates wahrhaft gebildeteund erleuchteteMenschen sind,werden sie sich nichteinbilden, beisolchemStrafen dieGerechtigkeitGotteszuver- körpern,alsGerechtedemUngerechtengegenüberznstehenunddurchVer- hängungeinesStrafübelsüber Diesensowohl ihmdie verdiente Lagebereitet alsdieverletzte objektiveGerechtigkeitimAllgemeinen wiederhergestelltzu haben.Der felige Roscherbekenntindenvon feinemSohneherausge- gebenenreligiösenBetrachtungen, ihmsei ein Stein vom Herzen gefallen, alsererfahren habe, daßdieEchthendererstenelfVersedesachtenKapitels desJohannesevangeliumsangezweifeltwerde;eshießedoch,die ganzeRechts- ordnung umstürzen,wenn man Sündern nicht gestatten wolle,über Sünder zurichten.Damit beweistdergroßeNationalökonom,daßerindenSinn derSchriftnur oberflächlichundindenderRechtspflegenichtgartiefein- gedrungen ist.DieGeschichtevon derEhebrecherin istso im Sinne Jesu geschrieben,daß sieinweithöheremGradealsmancheanderedasZeugniß

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derEchtheitinsich trägt.DiebürgerlicheOrdnungkannfordern, daßEhe- brecherinnen bestraftwerden, und«dannmüssenauch solcheRichterdieStrafe verhängen,dieselbst nichtfreivonähnlicherSchuld sind.AberdiePhari- säer,die das WeibzuJesu brachten, fordertendieSteinigung nichtumder bürgerlichenOrdnungwillen,sondern,weilsieÜberzeugtwaren, daß die DelinquentindenTod verdient habe,undweilsie sichihr gegenüberalsdie gerechtenWiederherstellerderGerechtigkeitfühlten.DakonntedennJesus keine andereAntwort anf ihre Frage gebenalsjene wahrhaft göttliche.Ein dreijährigesKnäblein pflücktBeeren von desNachbarn Sträuchern.Der Vaterverbietetesihm,aberesthutswieder. Dagiebt ihmderVater ein paarschmerzendeStreiche;ermußesthun, wenn erdemKleinen, der andereBeweggründenoch nicht versteht,dieLust, sichim Freien zu tummeln, nichtraubenwill. Doch welcher lächerlicheWichtwäredieserVater,wenn erdasKindalseinenSchuldigcn, dessenrein thierischesThunalsSünde, dieSchlägealsSühne eines Unrechtes ansehen, sich selbstaberals das OrgandesgerechtenRächersimHimmel fühlenwollte! Nun: klüger,als einsolcherTropfvonVaterseinwürde,ist auchderRichter nicht,derseine UrtheilealsSühnakte auffaßt.

Die HerstellungderGerechtigkeitistaber auch deshalb unmöglich, weilwirgarnicht wissen,wiesie aussieht. Zwar weißJeder,wasmit dem Wortegemeint ist,aber Niemand weiß,wasimeinzelnenFalledasGerechte sei.Was daspositiveRecht fordert:Das freilich weißderRichter.Er weiß,daßder.Acker,um denSchulzeundMüller streiten,demSchulze gehörtundnichtdemMüller. AberobSchulze seinerinneren Würdigkeit nacheingroßesodereinkleinesLandgutoder denGalgenverdient, kann erunmöglichwissen;Das weiß Schulze selbst nichteinmalgenau, obwohl ermehrvon sichweißals dieübrigenMenschen;DasweißNiemand als unserHerrgott.DerRichter weiß, daß derMörder-, dervorihm steht, nachdemParagraphendesStrafgesetzbuchesdenTodverdient hat. Aber obnicht vielleichtdieKränkungen,dieervondemErmordeten erduldet hat, schwererwiegenals seineRachethat,obnichtimhimmlischenElearing- housesogar nocheinGuthaben für ihn verzeichnetstehtunderimSterben diebeseligendenWorte vernehmenwird: Heute noch wirstDumitmirim Paradiese sein,währendderErmordete nocheineSchuldhaft abzusitzenhat,

DaskannwederderRichter noch sonsteinMensch wissen.Daspositive Recht,nach dem derRichter urtheilen muß,kanndasgeradeGegentheildes absolutenRechtes sein;aberselbstwenn dieGesetzgebersichehrlich bemüht haben,die beiden Rechtemit einander in Einklangzubringen,und wenngewissenhaftnach diesemvortrefflichenRechtverfahrenwird,soist damit die Idee derGerechtigkeitnoch lange nicht verwirklicht,weil, wiegesagt,

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KriminalistischeKelzereim 385 Niemand auf Erden weiß,welcheäußereLage, welcherGrad von Glück oderElenddemVerdienstundderWürdigkeiteinesJeden entspricht.Was wirmiteinigerSicherheitzuerkennenvermögen,istdasrelativ Ungerechte·

Wenn einMann fürdiemühsameArbeit einerWoche,eines Monats, vom AuftraggeberkeinenLohnbekommt, soistDas zweifellosungerecht.Wenn derEinefür eineleichteund werthlose Leistungviel,derAnderefür eine schwierige,mühsälige,derGesellschaftnothwendigeLeistung wenigbekommt, so istDasohne Frageungerecht.Aberwie vieleinjeder Minister, Berg- werksdirektor,Fabrikanternehmer,Bankier,LandwirthGrubenarbeiter, Pro- fessor,Arzt, Richter, Volksschullehrer,jedeWaschfrauundNähterinbekommen müßte,wenn derLohngerechtausfallen sollte,vermag keinMenschzuer- mitteln. Wenn derBankdieb,dereineMenge Menschenum ihrganzes Vermögengebracht hat,dreiJahre Gefängnißbekommt, einemarmen Teufel aber, derschondreimal wegen Diebstahls bestraftworden istunddersich einviertes Mal erwischenläßt,und zwar beim Entwenden einer leeren Bierflasche,vierJahreZuchthaus aufgebrummtwerden(thatsächlichvorge- kominen!),so ist Das offenbarungerecht;aberwelcherGradvon Peinden Verschuldungeneines jeden Menschen, auchDerer, dieniemals vor den Strafrichtergeladenwerden,entspricht:Das vermagkeinMenschzusagen.

AusAlledemfolgt fürdenStaat, daß ihmKant,FichteundHegel eineunmöglicheAufgabe gestellt haben,alssieforderten,daßer sichzum Vernnnftstaate entwickele unddiesittlicheWeltordnung verwirkliche.Wenn

ernichteinmal die Jdee derGerechtigkeitverwirklichenkann, dieihmvon allensittlichenJdeenseinem Wesen nachamNächstenliegt,—- wiesollerdie sittlicheWeltordnung herstellen,von derwirnochweitweniger wissen,wie sieaussieht?DasmußerdenPrivatmenschenunddenkleinenLebenskreisen überlassen,dieauf diesemGebietnoch eher Erträglicheszu Stande bringen; in einerFamilie,ineiner kleinenStadt- oderDorfgemeindeläßt sichein leidlichgerechterZustandherstellen,einZustand,dessenGerechtigkeitnicht unmittelbar undpositiv, sondernnurdaran erkanntwird,daßNiemand-über Ungerechtigkeitklagt.DerStaat hatnur füräußereOrdnungundSicher- heit zusorgen.Es verhält sichmitderSittlichkeitundihrem politischen Theil,derGerechtigkeit,wiemitdenübrigenBethätigungenderhöheren, derwahrhaft menschlichenKultur: derStaat kannweder künstlerischenoch gelehrteGeniesschaffen,erkannauch selbstwederdichten nochmalen noch forschen,abererkann undsolleineOrdnung herstellen,in der dieVroduzenten höhererKulturgüterruhig ihrerArbeit obliegenkönnen-

FürunserenGegenstand,dieKriminaljustiz,aberfolgtausdendar- gelegtenThatsachen,daßdieSühnealsihr Zweckfchlechterdingsnicht mehr festgehaltenwerdenkann. AngefeheneRechtsgelehrtehaben diese Zweckbe-

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