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Himmel und seine Wunder : eine archäologische Studie nach alten jüdischen Mythografien

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Academic year: 2021

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(1)

Der Himmel und seine Wunder

Eine archäologische Studie

nach alten jüdischen M ythografien

Dr. Joseph Bergei,

Leipzig. £

W i 1 li e 1 m F r

Luslandes.

M ag azin fü r d ie L ite ra l

(2)
(3)

Der Himmel und seine Wunder.

Eine archäologische Studie

n ach a lten j ü d is c h e n M y th o g r a fie n

von

Dr. Joseph Bergei.

±

Leipzig

W i l h e l m F r i e d r i c h

V e r l a g d e s

.Magazin für die L iteratu r des In- und A uslandes“ . I 88l .

(4)

S a y ^ L 2 s

B ib lio te k a J a g ie llo ris k a

10019 5 2 4 4 9

1001952449

(5)

V o r w o r t .

Die jüdischen M y t h e n haben das m it jenen der ändern Völker des A ltertum s gem ein, dass sie blosse Phantasie- Gebilde ohne irgend eine faktische Grundlage sind, und unterscheiden sich dadurch von der S a g e , die im m er au f einer solchen, wenn auch entstellten, beruht. Auch das haben sie m it jenen gem ein, dass sie sämtliche N aturkräfte unter die L eitung eines höhern über den Menschen stehenden W esens stellen. Sie stim m en ferner auch darin überein, dass ihre Darstellungen im m er oder wenigstens grösstenteils a l l e ­ g o r i s c h sind, dass sie nämlich unter dem Bilde oder der Handlungsweise jen er höhern W esen n u r das E ntstehen und Entw ickeln irgend einer N aturkraft bezeichnen.

A ndrerseits unterscheiden sie sich sehr wesentlich von einander. Jede einzelne personifizierte N aturkraft galt bei den Völkern des A ltertum s als etwas Selbständiges, Unab­

hängiges, ihnen w ar die N atur das Konglomerat einer v i e l ­ s e i t i g e n W illensäusserung. Die jüdische Mythe hingegen, auf der Grundlage einer einheitlichen W illenskraft fussend, lässt ihre unsichtbaren Leiter aller N aturerscheinungen bloss als die Vollstrecker jener W illenskraft, als untrennb are Glieder einer und derselben K ette ihre Aufgabe lösen.

Eine andere nicht m inder wichtige Verschiedenheit ob­

waltet zwischen den zwei Mythen. Die in jenen der alten Völker auftretenden Individuen sind v e r k ö r p e r t e höhere

l*

(6)

W esen, die sich an allen menschlichen Leidenschaften betei­

ligen, ohne in ihren H andlungen irgend eine m o r a l i s c h e Grundlage zu bekunden. Die jüdischen M ythen hingegen beruhen fast ausschliesslich auf einer schönen e t h i s c h e n Basis. Das allerhöchste W esen, der W eltenschöpfer und H e rr, ist ein durchaus ethisches W esen, welches die W ohl­

fahrt u n d das Glück seiner Geschöpfe beabsichtigt, sie m it aller Güte und Nachsicht behandelt, und n u r da m it zürnender, strafender Strenge verfährt, wo er hartnäckige V erirrungen in das entsprechende Geleise zurückführen will. Aber auch alle jene vielfachen, seinen Zwecken dienenden W esen sind nic^ht m inder ethischer N atur und tragen nirgends das Ge­

präge ärgererregender Leidenschaften.

Aber auch noch ein d r i t t e r Unterschied findet u n ­ streitig zwischen den zweierlei M ythen statt. Die der ändern Völker, besonders der Griechen, stehen m it ihren Religionen un d Kulten in der innigsten V erbindung. Jed er Einzelne ihrer Ganz- oder H albgötter erhielt eine eigene Verehrung, welche in Folge eben jen er Mythen an Vielseitigkeit gewann.

Die jüdische Mythe hingegen steht n u r insofern m it der R e­

ligion in V erbindung, dass sie allenthalben die Allmacht und die einheitliche Grösse des Schöpfers und H errn verherrlicht, den verm ittelnden W esen aber durchaus keine irgend welche V erehrung beanspruchen lässt.

Endlich m uss noch eines vierten Unterschiedes Erw äh­

nung geschehen. Bei allen Völkern des A ltertum s, besonders bei den G riechen, verband sich schon frühzeitig die Mythe m it der p l a s t i s c h e n K u n s t . Jedes noch so bizarre P h an­

tasie-Gebilde w urde dem Volke in den schönsten kunstvollen Form en versinnlicht und seinem Bewusstsein eingeprägt.

W ohin immer sein Auge blickte, in den W ohnu n g en , Tem­

peln oder auf öffentlichen P lä tz e n , überall lächelte ihm eine

meisterhaft nachgebildete Mythe entgegen, die sich sonach

tief und unvergänglich in das innere Volksleben ein senkte.

(7)

Ganz anders verhält es sich m it der jüdischen Mythe. Durch das strenge mosaische Verbot einer wie im m er gearteten plastischen Nachbildung von N aturgegenständen konnten die P hantasie-G ebilde der Mythe bei dem einfachen noch unge­

bildeten jüdischen Volke nicht recht W urzel fassen, sie blieben n u r das Eigentum einzelner poetischer N atu ren , welche die­

selben je nach ihrer Geistesrichtung erw eiterten und aus­

bildeten.

H ierin aber liegt eben der eigentliche Charakterzug der jüdischen Mythe. Sie bewegt sich nicht in jener Sphäre, die selbst dem schwachen Volksgeiste zugänglich ist, sondern ver- steigt sich zu einer geistigen schwindelnden H öhe, welche wieder n u r von einer geistig hohen schwindelnden Phantasie erreicht werden kann. Sie ist sonach aus dem gemütlichen Bereiche der ursprünglichen Volkspoesie in das luftige, u n ­ fassbare Gebiet der Metaphysik übergegangen.

H aben n u n auch die jüdischen Mythen nicht das F reund­

liche, Anlockende der griechischen, so verdienen sie doch als Belege, wie weit der menschliche Geist sich in die unbegrenz­

ten Regionen der Phantasie verirren kann, die Aufmerksam­

keit eines jeden Denkers. Allein ihrer W ürdigung steht ein unerbittliches Fatum entgegen. Die m eisten der jüdischen F achgelehrten, in deren H änden sie sich bis jetzt befanden, h atten keinen Sinn weder für poetischen Aufschwung noch für ästhetische F orm en, sie betrachteten jene Phantasie-G e­

bilde als etwas faktisch Bestehendes, Greifbares und gerieten dadurch nicht selten ins Abenteuerliche.

A ndrerseits haben diese M ythen in der nichtjüdischen G elehrtenwelt viel zu wenig Beachtung gefunden. Im Strome der allseitigen, grösstenteils der U nkenntnis entsprungenen Geringschätzung sind die in den alten jüdischen W erken ent­

haltenen Sagen und Mythen der V ergessenheit anheimgefallen.

E s dürfte daher vielleicht, besonders für den Archäologen

kein zweckloses U nternehm en s e in , die verschiedenen in

(8)

den erwähnten Schriften zerstreuten Mythen, als Vorbereitung zu einer künftigen jüdischen Mythologie zusamm en zu stellen.

Doch vorher noch einige erläuternde Bemerkungen.

Bei weitem der grössere Teil der jüdischen Mythe ver­

dankt seine E ntstehung der spätem Zeit des nationalen Lebens oder U nterganges der Ju d en und zwar dem E in ­ flüsse teils der persischen und teils der griechisch-röm ischen Mythen, n u r dass sie, wie bereits erwähnt, dem Standpunkte der jüdischen Religion angem essen, modifiziert wurden.

Die P erser stellten bekanntlich die W elt u n ter die Bot- mässigkeit von zwei gleichmächtigen Göttern, der E ine, Ormuzd, beherrschte das Reich des Lichtes und des Guten, der Andere, A hrim an , das der Finsternis und des Bösen. Die zwei Götter m it ihren F e r w e r s und D e w s sind im ewigen Kampfe begriffen und erst nach vielen Jahrtausenden soll das Licht den Sieg davon tragen.

Die Ju d en hingegen, die einen derartigen Dualism us streng zurück weisen und alle W eltverhältnisse in die H and eines einzigen Gottes leg ten , konnten sich in einem solchen W esen die V ereinigung zweier so entgegengesetzter P rinzi­

pien nicht denken und griffen daher zu einem eigentümlichen Auskunftsm ittel.

Jehova hatte näm lich m it der körperlichen W elt zu­

gleich oder, wie manche M ythographen behaupten, schon lange vorher, zahllose Geister (Engel) geschaffen, welche seine festgesetzte W eltordnung überwachen und leiten sollten. Diese ursprünglich reinen , willen-, leidenschafts- und makellosen Geschöpfe bildeten zu r Zeit des ebenfalls noch leidenschafts­

losen ersten Menschenpaares das sogenannte goldene Zeitalter.

Da empörte sich der geflügelte Seraph Samael, aus Eifer­

sucht über die begünstigte Stellung des ersten M enschen­

paares, gegen den W illen und die allgütige Absicht seines H e rrn , w eckte, besonders in dem leichtsinnigen W eibe bis­

her unbekannte Leidenschaften und B egierden, sowie auch

(9)

' den Geschlechtstrieb, der sie sogar in die Um arm ungen der Schlange getrieben baben soll, und verursachte hierdurch die ewigen Leiden u nd den Tod des ganzen Menschengeschlechts.

Zur Strafe dafür w urde Samael m it seinen Sinnesgenossen Asa und Asael für ewige Zeiten aus dem Eeiche des Lichtes d. h. aus dem Himmel verwiesen und in die ödesten, licht­

losesten Teile der Erde verbannt, wo sie das Reich der F inster­

nis gründeten. Seitdem sucht Samael dieses sein Reich zu vergrössern und befindet sich im ununterbrochenen Kampfe gegen die L icbtgeister, deren wohltätiges W irken er im m er zu stören sucht. Auch dieser Kampf wird bis z u r A nkunft des Messias fortdauern, wo dann Licht und das Gute den glänzendsten Sieg erringen werden.

W ie in ihrer W irkung sind die zwei streitenden Mächte auch in Namen u n d Fortpflanzung verschieden. Die Geister des Lichts h e is s e n E n g e l, sind rein geistiger N atur, geschlechts­

los und werden bloss durch das himmlische Licht und F euer, oder auch durch den göttlichen H auch erzeugt. Die Geister der F insternis hingegen heissen Dämonen*) un d haben zum Teil ihre geistige N atur verloren. „Sie haben,“ sagt die Mythe, „Flügel,“ unbeschränkte Bewegung und wissen die Z ukunft gleich den Engeln, essen und trinken aber, pflanzen sich fort und sterben wie die Menschen.“

In einem ähnlichen Yerhältnisse steht die jüdische Mythe zu der griechischen. D ort wurden beide Geschlechter u n ter die Zahl der Götter aufgenom men und beide übten ihre wohl- thätigen oder verderblichen Einflüsse auf die Menschen mit gleicher W illkür u n d U nbeschränktheit aus. Götter und Göttinnen hatten ihre dienstbaren G eister, welche ihre Auf­

*) Dieser Ausdruck soll hier bloss b ö s e G e i s e r , T e u f e l bedeuten.

In der griechischen Mythe bezeiclwete man damit die dienenden Geister der Götter und Göttinnen überhaupt und Homer belegt sogar die Götter selb st mit diesem Namen. (Schöman II, 148.)

(10)

träge zu besorgen hatten und ebenfalls beide Geschlechter vertraten.

Die jüdische Mythe hingegen schliesst aus dem H im m el­

reiche, dem Reiche des Höchstgeistigen, das weibliche Ge­

schlecht gänzlich aus, desto m ehr verzeichnet sie deren im Reiche der Finsternis. Nachdem, wie bereits erw ähnt, die gefallenen Engel einen Teil ihrer geistigen N atur verloren und an irdischen Leidenschaften und Begierden gewonnen hatten, verbanden sie sich m it dem menschlichen W eibe und zeugten m it demselben ebenbürtige D äm onen, unter welchen auch einige hervorragende weibliche bekannt sind und zwar M a c h l a t h und ihre Tochter I g e r e t h , dann L i l i t h und ihre Tochter N a a m i .

Die das M enschengeschlecht allzusehr belästigende Nacht­

schw ärm erin I g e r e t h wurde von dem gottbegünstigten H a n i n a b e n D o s a unerbittlich in die W üste verwiesen u nd durfte fernerhin n u r an F eiertagsabenden, wo die Strassen von Menschen wenig besucht w e rd en , ihr nächt­

liches U nwesen treiben.

Als L i l i t h , eine dämonische Gattin A dam s, von dem­

selben entfloh, w urden ihr die drei Engel S e n o i , S a n s e n o i und S a m a n g e l o p h nachgesendet, um sie zur Rückkehr zu be­

wegen , als sie aber diese durchaus verw eigerte, starben zur Strafe dafür täglich hundert ihrer Kinder. A us Rache dafür w ürgt sie zahlreiche neugeborne M enschenkinder und n ur da, wo sie die Namen der erwähnten drei Engel erblickt, wagt sie keinen feindlichen Angriff.*)

*) Bei den altgläubigen Juden findet man noch jetzt in dem Zimmer einer Wöchnerin mehrere Zettel mit dem Namen jener Engel an Thiiien und Fenstern, sowie am Bette der Wöchnerin angeheftet. Das schrille Aufschreien neugeborner Kinder, als erstes Zeichen einer nicht selten vor- kommenden Gehirnentzündung mag vielleicht Veranlassung zu dieser Mythe gegeben haben.

(11)

W as endlich die Naami betrifft, so wird sie von einigen Mythographen als eine Tochter der Yorigen angesehen. Sie wurde dann die Gattin eines D äm onen-H äuptlings nam ens

„ S c h o m d o n “ , der m it ihr u n ter Ä ndern den berühm ten, all­

bekannten „ A s m o d a i “ König aller Dämonen, zeugte. Naami wird daher als M utter sämtlicher Teufel betrachtet.

Die Zahl der Engel wird als unermesslich gross ange­

geben, denn ausserdem , dass auf jeder Spanne des W eltalls der Eine oder der Andere zur Yollführung der göttlichen An­

ordnungen zugegen ist, wird jeder einzelne Mensch sein ganzes Leben hindurch von einem S c h u t z e n g e l begleitet, der ihn erst im Grabe verlässt. Eben so zahlreich sollen auch di&

Dämonen sein. Sie befinden sich, den ihnen verschlossenen Himmel abgerechnet, in jedem W inkel der W elt, wo n u r irgend ein Schaden anzurichten möglich is t, ebenso verfolgen sie unablässig jeden Menschen um die wohlthätigen Einw irkungen seines Schutzgeistes wo möglich zu paralysieren. Sie füllen sogar unsichtbar die Hörsäle der G elehrten, um durch das unbegreifliche Gedränge die Vorträge zu stören.

Das Gebiet der jüdischen M ytheer streckt sich wohl, wie wir bereits in K ürze gesehen haben und noch ferner sehen werden, auf alle faktischen wie fingierten Teile des W eltalls, auf Erde un d W asser, Himmel und Hölle, Engel und T eufel,'ja sogar auf die Gottheit selber. Überall hat die leichtschaffende Phan­

tasie ihre Gebilde aufgestellt und m ehr oder weniger ausge- schmiickt. E ine ausführliche Beschreibung aller dieser Gebilde würde einen bedeutenden Umfang gewinnen.

H ier soll aber der Leser bloss die Skizze eines Teiles jener zahlreichen Mythen erhalten, die weder Vollständigkeit beanspruchen noch sich in allegorische D eutungen einlassen will. Sie soll aber auch in keinem ernststolzen wissenschaft­

lichen Gewände a u ftre te n , sondern dem zu behandelnden

Gegenstände gleich, sich als ein luftiges, leichtgeflügeltes

(12)

Phantasiegebilde darstellen und sich n u r als ein solches be­

urteilen lassen.*)

*) Mit Jules Verne ist auch hier die leichtleserliche Form einer Reise­

beschreibung gewählt worden. Sollte mein hohes Alter es mir noch ge­

statten eine vollständige jüdische M ythologie zu veröffentlichen, dann dürften Stil und Form sich anders gestalten.

(13)

L

E ben hatte S a m a e 1, der Todesengel, einen Leichenzug, den er freudig tanzend *) begleitet hatte, verlassen und kam jetzt geradesweges zu mir. Ich hatte wohl schon öfters Ge­

legenheit gehabt m it dem griesgräm igen Alten freundschaft­

lich zu verkehren 2) aber in solch’ einer Übeln Laune wie jetzt war er mir noch niem als erschienen. E r schien jetzt viel grösser zu sein als bei seinen sonstigen Besuchen und der fremdartige A usdruck seines Gesichtes, das grausige Bauschen seiner grossen Schw ingen, das gewaltige zum Einhauen be­

reite Schwert, so wie die drohenden Blicke seiner zahlreichen A u g e n 3) liessen mich durchaus nichts Gutes erwarten. „Höre,“

sprach er, als er m ir nahe genug -war, „auch deine Stunde hat geschlagen, mache dich sofort bereit, damit ich auch deine Seele dem sie erw artenden und in Empfang nehm enden Engel

„ D o m a h “ 4) übergeben könne.“

W as ich sogleich bei seinem Erscheinen gefürchtet hatte, das kam nun wirklich. Indessen wollte ich dennoch den V er­

such machen ob es mir nicht gelingen w ü rd e , wenigstens, einen Aufschub zu verlangen. „Freund Samael,“ sprach ich zu ihm , „du m usst gegen einen alten B ekannten nicht so m ürrisch sein, wir können ja diesen Gegenstand recht freund­

schaftlich verhandeln. W ohl weiss ich, dass du auf aller­

höchsten Befehl h a n d e lst5) und dir dein Tagewerk strenge

vorgeschrieben ist, aber auch das weiss ich, dass du dir schon

(14)

m anchen Unterschleif erlaubt und manchem guten B ekannten einigen Aufschub gewährt hast.6) Auch m ir könntest du einen solchen Freundschaftsdienst erweisen. S iehe! ich hätte, trotz meinem hohen Alter, noch so manches literarische W erk, obwohl von zweifelhaftem pekuniärem Erfolge, auszuarbeiten u n d zu veröffentlichen, gönne m ir hierzu noch einige Zeit un d dann stehe ich dir zur Y erfügnng.“

Etwas milder gestim m t antwortete Samael: „W enn du in der jetzigen durchaus materiellen W elt deine Zeit nicht besser zu verwerten weisst als zum leidigen Bücherschreiben, so will ich dich hierin nicht stören u nd dir noch einige Zeit als Aufschub gönnen. N ur rate ich dir nichts Vernünftiges zu schreiben, du w ürdest sonst vielseitig beneidet, gehetzt und gekränkt werden und mich bald herbeiwünschen.“

Samael war bei zunehmend guter Laune und ich wagte es, eine viel schwierigere B itte an ihn zu richten. „Freund,“

sprach ich zu i h m , „wenn du glaubst, ich werde bald das Zeitliche segnen und meine dauernde W ohnung in einer ändern W elt aufschlagen, so erzeige m ir auch die Gefälligkeit m ir jetzt schon den Platz zu zeigen , den ich nach m einem Tode im Himmel einnehmen werde. Eine derartige Gefällig­

keit hast du bereits einigen unserer ehemaligen Talm udisten erwiesen,7) du könntest daher auch m ir diese Gefälligkeit er­

weisen.“

Da schlug Samael ein höllisches grinsendes Gelächter au f: „Du, der du in allen deinen Schriften dich als ein radi­

kaler Reformer gorierst, und in deinem letzten W erke, die

„ S t u d i e n “ , sogar die Unfehlbarkeit der Talm udisten anzu­

greifen wagst, du glaubst vielleicht im E rn ste dort einen Platz zu finden, wo n u r die Echtgläubigen, die sogenannten Ortho­

doxen zugelassen werden? — Indessen dam it du siehst, dass

ich nicht so schlimm bin, wie ich allgemein angeschrieben

stehe,- will ich dir auch diesen W unsch gewähren. D u sollst

den Himmel in seiner ganzen Herrlichkeit kennen lernen,

(15)

welche du zu deinem B edauern und zu m einer F reude ent­

behren wirst. Bereite dich so schnell als möglich zur Reise und ich will unterdessen m ein Geschäft einem m einer ver­

lässlichsten U ntergeordneten übertragen, dam it während m einer Abwesenheit keine Störung geschehe.8)

Da ich n un u n ter die Zahl m einer noch zu verfertigen­

den literarischen A rbeiten auch die Beschreibung dieser Reise aufzunehm en gedachte, versah ich mich m it den nötigen Schreibrequisiten, schnürte mein B ündel und folgte m einem bereits ungeduldigen Reisegefährten.

II.

Getragen von den gewaltigen Schwingen Samaels durch- schnitt ich im raschen Fluge und im mer n u r in horizontaler R ichtung die Atm osphäre. Samael wollte nämlich den sonst 500 Jahre beanspruchenden W eg von der Erde zum H im m el9) bedeutend abkürzen und nahm diesmal den W eg geradezu dorthin, wo Himmel und Erde in unm ittelbarer B erührung

stehen.10)

Samael w ar fortw ährend bei guter Laune und gesprächig.

Unaufgefordert teilte er m ir einen Teil seiner Biographie mit. „U rsprünglich, “ sprach er, „war ich einer der m it der W elt zugleich erschaffenen und höchstgestellten Urengel ,Serafen“ g e n a n n t.11). Aber verblendet von Eifersucht gegen die W ürde und B egünstigung des bald nach u n s erschaffenen Menschenpaares suchte ich, gegen den ausdrücklichen W illen und die Absicht des Schöpfers, ihre Gefühle und Leiden­

schaften anzuregen u n d führte dadurch ihren Fall herbei.“

„Die Strafe des von m ir verführten M enschenpaares ist

allbekannt und unwiderruflich. Aber auch ich m usste

wegen dieser m einer Unbesonnenheit eine empfindliche

(16)

liehe ervigdauernde Strafe erleiden. Aus dem Himmel wie aus dem K reise m einer Lichtgefährten fü r ewige Zeiten ver-r b an n t, m uss ich hier auf E rden den durch mich herbeige­

führten Tod vertreten und als H enker des ganzen M enschen­

geschlechts dienen. Ich würde vielleicht der gänzlichen V er­

nichtung kaum entgangen sein, w enn ich nicht hei der ein­

geführten W eltordnung ein notwendiger F aktor wäre. Um näm ­ lich Strafe und Belohnung über die Menschen verhängen zu

können, m usste ihre W illensfreiheit unangetastet bleiben, er musste das Gute wie das Böse frei wählen k ö n n e n ; ihn zu Letzterem zu verleiten ist meine Aufgabe u nd ist es m ir g elu n g en , dann kann ich beim himmlischen Gericht gegen ihn als A nkläger auftreten.“ 12)

„Das ich dieses mein Amt bloss bei den Ju d en zu ver­

sehen habe , wird dir wohl bekannt sein. Jedes Volk hat seinen eigentlichen Todesengel, am angenehmsten mag wohl der griechische gewesen sein, desto abschreckender aber der christliche K nochenm ann mit seine grossen Sense. Ich hin­

gegen habe das Gute, dass ich nach Belieben auch in einer etwas freundlichem M enschengestalt verkehren kann, m usste m ir aber dafür manche U nannehm lichkeiten gefallen lassen.“ 13)

„Zu gewissen besonders bevorzugten Persönlichkeiten, z. B. den Patriarchen, sowie zu Moses und Geschwistern, ward m ir der Z u tritt versagt, dort versah Gott selber m eine Stelle, indem er ihre Seelen m ittelst eines K usses ausschied.14) Nach der denkw ürdigen Gesetzgebung auf Sinai wurde, dem höchstgefälligen Benehm en der Israeliten zufolge, mein Amt in ihrem Reiche gänzlich s is tire t16), w urde aber, ihrer unbe­

ständigen religiösen H altung wegen, wieder hergestellt. E in andersm al wieder erhielt mein Stolz eine empfindliche De­

m ütigung. Ich wollte' nämlich m einen Schützling E s a u

von seinem gehassten B ruder Jakob befreien, unterlag in

einem nächtlichen Kampfe m it ihm und m usste froh sein,

m it heiler H a u t davon gekommen zu sein.“ 16)

(17)

U nter solchem Gespräche gelangten wir endlich an die Stelle, wo das Himmelsgewölbe den äussersten Erdenrand fast b erührt, in E rsterem befanden sich hier m ehrere geräu­

mige Öffnungen, durch welche wir in den Him m el gelangten.

W ir waren aber eben noch zur rechten Zeit hierher gekom­

m en , etwas später w ürden wir, wegen der täglichen Um­

kreisung des ganzen Himmelsgewölbes ,7) jene Öffnungen nicht m ehr gefunden haben.

W er m alt aber mein E rstaunen wie meine E nttäusch­

ung, als ich ü ber mich blickend in unerm esslicher E ntfern­

un g den gestirnten Himm el erblickte und als ich hierüber meine Befremden gegen Samael äu sserte, erhielt ich von ihm folgende E rk läru n g : Man sieht es dir an , dass du der allesbesserwissenwollenden Neuzeit angehörst. Glaubst du denn, dass es n u r E i n e n Himmel gäbe? W ürde dies auch einem so m ächtigen Schöpfer und Beherrscher des W eltalls genügen? Die Erde ist vielm ehr, wie auch der sehr weise P y t h a g o r a s schon gew usst h a t, von einem s i e b e n f a c h e n Himmelsgewölbe umschlossen 18) und wir befinden uns gegen­

w ärtig auf dem ersten, oder eigentlich in dem Y o r h i m m e l , Y e l u m g en an n t, der gewissermassen ein ausgespanntes Se­

gel bildet u n d durch Sichöffnen und Schliessen bald Sonnen­

schein u n d bald Einsternis herbeiführt.“ 19)

Nachdem ich ein wenig ausgeruht h a tte , ging unsere Reise mit der grössten Schnelligkeit aufwärts, ohne dass der schnelle Flug mich belästigt hätte, und zu m einer grössten Ü ber­

raschung waren wir in kaum 25 M inuten in dem z w e i t e n Himmel, in dem ersten Reich der himmlischen W under, an­

gelangt.

Das Him m elsgewölbe, auf welchem wir uns jetzt be­

fanden, bestand aus einer gewissen halbfesten, gestockten

M asse, auf welcher jenes zur Zeit der Schöpfung nach oben

abgeschiedene U r w a s s e r ruhte. A n der u n te rn , der Erde

zugekehrten Fläche des Gewölbes befand sich die glühende

(18)

Sonne nebst den zahllosen flammenden Sternen im fried­

lichen Beisammensein m it ihrem w ässerigen Urfeinde.20) W ie die unzählbaren sogenannten F ixsterne in die wässe­

rige Himmelsdecke für ewige Zeiten unbeweglich eingehängt si nd, ist wohl eines der grössten W eltw under, welches nur ein Gott bewerkstelligen konnte; bei weitem wunderbarer aber und unbegreiflicher ist die Bewegung der sogenannten sieben P la n eten 21) und des Tierkreises. An der Spitze der ersteren stehen Sonne und M ond, welche bei der W elt­

schöpfung von gleicher Grösse w aren, letzterer w urde aber b ald , zur Strafe für seine neidische Unzufriedenheit bedeu­

tend v erk le in ert22) und soll erst zur Messiaszeit seine ur­

sprüngliche Grösse wieder erh alten .23) Den Planeten wie dem Tierkreise sind bestimmte Bahnen zugew iesen, die sie um die feststehende Erde herum unabänderlich durchlaufen m üssen, ohne sich je zu durchkreuzen.

Am wichtigsten, besonders für die Erdbewohner, ist un­

streitig die tägliche Bewegung der Sonne, welche des Morgens aus ihrem östlichen Schlafgemache hervorbricht und nach er­

haltenem S tu rzb ad e24) m it einem jede andere Stimme ü ber­

tönenden G eräusch25) ihre Bahn nach W esten verfolgt, dort aber durch die daselbst befindlichen Öffnungen auf der obern Fläche des Himmels wieder zu ihrer des Morgens verlasse­

nen R uhestätte gelangt. 2li) Dieselbe R ichtung nim m t auch der Mond auf seiner nächtlichen W anderung.

U nvereinbar m it m einer bisherigen V orstellung von der Halbkugelgestalt des Himmels war die Bewegung des Tier­

kreises. Dieser soll ebenfalls seine R undreise um die Erde in 24 Stunden vollenden, so dass jede zweite Stunde eines seiner zwölf Bilder im W esten untergeht, während im Osten ein anderes em portaucht,27) was mit der erwähnten Vor­

stellung sich nicht verträgt.

Als ich diese Bem erkung meinem F ührer mitteilte,

sprach e r : „Dein Zweifel ist nicht unbegründet, auch hat der

(19)

Himmel in der That keine H albkugelgestalt, sondern er be- , steht in W irklichkeit aus einer ganzen hohlen K u g e l,28) die sich ununterbrochen um die Erde bewegt und alle ihr an­

gehängten Planeten, Tierkreis und sonstige Gestirne m it sich fährt. A usser dieser täglichen U m kreisung machen säm t­

liche Himmelskörper noch eine besondere R undreise um die E r d e , und zwar Sonne und Tierkreis in 12 M onaten , der Mond in 30 Tagen, Ju p iter in 12 Ja h re n , Saturnus in 30, V enus und Mars in 480 Jahren.“ 29)

„Dass alle Planeten von lebenden Geschöpfen bewohnt w e rd en , haben die Gelehrten der E rde schon längst ver­

m utet , 30) sie konnten aber die A rt dieser Geschöpfe nicht wissen. Sie sind sämtlich höherer geistiger N atur, u nd du w irst bald Gelegenheit haben, sie näher kennen zu lernen.“

„Jeder Him m elskörper ü berhaupt, besonders aber jeder P lanet, hat einen eigenen von Gott angeordneten Schutzengel oder Oberherrn , 31) der nicht n u r die Existenz und Bewe­

gung seiner Schutzbefohlenen, sondern auch deren von den alten und neuern Astrologen aller N ationen anerkannte E in ­ w irkung auf die Erde zu überwachen hat. Diese Einw irkung besteht nicht bloss in den elementaren Einflüssen auf das vegetative Gedeihen des E rdballes, sondern erstreckt sich vorzüglich auf Beschaffenheit, Entw icklung und Geschicke der auf der Erde lebenden Menschen.“ 3Sä) Jedes Jahr, jeder Tag, ja sogar jede Stunde steht u nter dem besonders vorherr­

schenden Einflüsse eines der P lan eten , d. h. seines Schutz­

h e rrn , und der Z e i t p u n k t , in welchem ein Mensch ge­

boren w urde, entscheidet über Charakter und Geschicke seines ganzen Lebens.

Schliesslich zeigte mir Samael noch die Stelle an diesem H im m el, von welchem aus die einstige Sündflut ihren A us­

gangspunkt nahm. Bekanntlich hält die am zweiten Schöpfungs­

tage geschaffene A u sd eh n u n g 33) die obern Urwasser u n ter Schloss und Riegel und lässt n u r zuweilen in die aufsteigen-

B e r g o l , W under des Himmels. 2

(20)

den W olken einen Teil als Regen durchsickern.34) Als nun die Sündflut einbrechen sollte, nahm Gott zwei Sterne aus den Plejaden heraus, so dass durch die hierdurch entstan­

denen Öffnungen sich das TJrwasser in gewaltigen Strömen auf die E rde ergiessen konnte. Als aber die Sündflut ihrer verderblichen Aufgabe Genüge geleistet hatte, w urden m ittelst zweier, dem Schweife des W idders entnom m enen Sterne jene Öffnungen geschlossen und die von hier weggenommenen Sterne dorthin versetzt.“ 35) Je tz t aber drängte Samael zur W eiterreise und ich m usste mich fügen.

W er malt aber mein Erstaunen,, als ich aufwärts blickend, abermals einen dem soeben verlassenen vollkommen gleichen gestirnten Himmel über m ir erblickte! Samael, mein Staunen bemerkend, sagte: „Freund du m usst hier deine kleinlichen irdischen Ansichten aufgeben und von der Grösse eines W eltherrn andre Begriffe fassen. Jeder der nun folgenden Himmel ist ebenso wie der vorige m it Sonne, M ond, Fix- und W andelsternen versehen, welche ebenfalls unter Obhut u nd Leitung eines Engels stehen.36) N u n ging es wieder im raschen Fluge aufwärts und kaum dass ich es glauben konnte, war ich im d r i t t e n Himmel.

H ier sollte mir abermals eine Überraschung werden. So weit mein bereits sehr geschärfter Blick in den unerm ess­

lichen R aum blicken konnte, sah ich eine fast unabsehbare Menge rasch sich bewegender M ü h l e n , welche für die ver­

storbenen From m en das himmlische M a n n a m ahlten.37) Diese Speise wurde einst von hier aus den Israeliten in der W üste gespendet, die a b e r, sobald sie in die irdische Atmosphäre gelangte verkörpert, anders gestaltet w urde und einen ändern, dem jedesm aligen W unsche angemessenen Geschmack er­

hielt.38) Mein V erlangen, dieselbe versuchen zu dürfen, wurde zurückgew iesen, indem sie n u r für Echtgläubige be­

reitet wird.

Die soeben erhaltene Lektion liess mich jvon m einer

(21)

W eiterreise nicht zu viel Erfreuliches erwarten und ich fing schon an mein unbesonnenes Unternehm en zu bereuen. Allein das grinsende Gelächter meines Führers fürchtend, verbarg ich m einen M issmut und setzte m eine Reise in den v i e r t e n H i m m e l fort.

A uf diesem ganzen W ege machte ich die Bemerkung, dass auf der einen Seite Massen von geflügelten W esen nach abwärts zu r Erde ström ten, während au f der ändern Seite ebenso viele aufwärts eilten.39) Als ich hierüber meinen Führer befragte, erhielt ich die A ufklärung, dies seien die dienstbaren Geister, welche täglich, ja stündlich zur Erde ab­

gesendet werden, um irgend einen Auftrag des Allerhöchsten zu vollziehen, während die Ä ndern nach versehener Sendung wieder zurückkehren. Da aber jeder einzelne Dienstm ann n u r einen einzigen Auftrag zu vollziehen h a t,40) so dürfte die Menge der Bediensteten nicht allzu auffallend sein.

In dem v i e r t e n Himmel angelangt, überraschte mich daselbst eine neue wundervolle Erscheinung. Den mich um ­ gebenden unermesslichen R aum füllte eine unabsehbar grosse prachtvolle S tadt, aus deren Mitte ein glänzender Tempel hervorragte. „Dieses ist,“ sprach Samael unaufgefordert, „das himmlische J e r u s a l e m , 41) welches dem künftigen, nach A n­

kunft des Messias zu erbauenden irdischen als Modell dienen soll. Das künftige Jerusalem wird um je tausend Gärten, P lätze, P aläste, Türm e und öffentliche Gebäude grösser und prachtvoller sein, als das vorige ze rstö rte42) und wird als W eltstadt von allen Yölkern der Erde besucht un d ver­

ehrt werden.43) Diese R iesenstadt in ihrem ganzen Umfange zu besichtigen, dazu fehlte es mir an Z eit, so viel konnte ich indessen bemerken , dass alle Gebäude in einem edlen Stile und aus einem fremdartigen glänzenden Material auf­

geführt waren, insbesondere der T em pel, wohin es mich be­

sonders zog. Dieses grossartige Prachtgebäude bestand aus einer Mosaik der verschiedenartigsten Edelgesteine, welche

2*

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das Auge blendeten, besonders m erkwürdig aber waren die zwei 20 Schub hohen und 10 Schuh breiten, je aus einem Karfunkel bestehenden T hürflügel44), welche eben geöffnet waren und mich zum E in tritt in das Innere einlud.

H ier nahm eine unerw artete Erscheinung meine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch. Am glänzenden, feuersprühen­

den Altäre stand der ehrwürdige Grossfürst der E ngel M i ­ c h a e l in hohenpriesterlichem Gewände und brachte eben ein rauchendes O pfer45), dessen einzelne dem P riester zustehende K örperteile46) nach abwärts zu r Erde als N ahrung für wilde Ih iere geworfen w urde.47) Seit der Zerstörung des irdischen Tempels und der dadurch aufgehobenen Opfer sucht dieser gütige Schutzengel der Ju d en immerfort jenen M angel zu ersetzen, um das göttliche Wohlwollen seiner Schutzbefohlenen fortwährend zu erhalten.

Auch noch eine andere nicht m inder auffallende Denk­

w ürdigkeit gestattete mir die kurze Zeit meines hiesigen Auf­

enthaltes zu besichtigen, es war näm lich das nach dem ein­

stigen irdischen Yorbilde hier errichtete m o s a i s c h e S t i f t s- zeht , in welchem der ewig jugendliche Him m elsfürst „ M e - t a t r o n “ zuweilen die Seelen einzelner Frommen zum Wohle ihrer Glaubensgenossen opfert.48)

Die ausserordentliche Gestalt dieses Engels übertraf alles, was ich bisher gesehen hatte. Es war eine m enschenähn­

liche Licht- und Feuersgestalt in allen möglichen Formen und S chattierungen49) und seine hohe Gestalt glich einer blitze­

sprühenden Flam m englut, der ich nicht zu nahen wagte. Da ich nun über diese ausserordentliche Persönlichkeit etwas Näheres zu wissen wünschte, berichtete mir Samael ungefähr Folgendes.

Ü ber den U rsprung dieses gewaltigen Himm elsfürsten sind die M einungen verschieden. Einige g la u b e n , er sei schon im göttlichen Kate gew esen, als der erste Mensch er­

schaffen w urde, dem entgegen behaupten A ndere, getsützt

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auf seine eigene E rz äh lu n g ,80) er sei der fromme, bei leben­

dem Leibe in den Himmel entführte antidiluvianische biblische H a n o c h 51) gew esen, welcher seiner irdischen Körperteile entkleidet und in diese vergeisterte flammensprühende Licht- gestalt um gewandelt wurde und diesen Namen — vielleicht analog dem persischen Lichtgotte M i t r a s — erhielt.52)

Samael wurde wieder ungeduldig und drängte zur W ei­

terreise , ich schwang m it daher auf den Rücken meines ge­

flügelten F ührers und fort ging es im raschesten Fluge ohne jegliches H indernis zum f ü n f t e n Himmel empor. Schon in bedeutender E ntfernung von demselben kamen uns verwor­

re n e , gewaltige, die ganze Atmosphäre erschütternde Töne entgegen, aber je näher wir dem Himmel kam en, desto m ehr gestalteten sich jene Töne zu einem lieblichen harmo­

nischen W ettgesange, welcher, wie ich nach m einer A nkunft daselbst sah, von zahllosen Gruppen der verschiedensten Engel ausgeführt wurde. 53) Dieser blos in hebräischer Sprache vorgetragene54), aus den glühendsten Lobliedern be­

stehende Gesang durfte n u r des Nachts angestim mt werden, damit er die täglichen Gebete der Israeliten nicht stö re .ä5)

Sämtliche i hier anwesenden Engelgruppen hatten eine zartere, edlere Menschengestalt, waren mit 2—6 Flügeln und m it 2 —4 Gesichtern versehen 56) und konversierten ebenfalls in hebräischer Sprache. Sie waren aber grösstenteils, wie ich später e r fu h r, wegen verschiedener Vergehen aus dem obersten Himmel hierher verwiesen, wo sie ihre Strafzeit ausharren m ussten. 57)

So gerne ich hier noch längere Zeit verweilt hätte, um mich an den lieblichen Lob- und W ettgesängen dieser himm­

lischen Chöre zu e rg ö tz en , so m usste ist doch Samaels

Drängen nachgeben und die Reise fortsetzen. Aber in dem

s e c h s t e n angelangt, fand ich daselbst wenig erfreuliche

Entschädigung für die allzugrosse Eile meines ungeduldigen

Führers. W ährend sich bisher allenthalben die Grösse und

(24)

Machtstellung des W eltbeherrschers durch erhabene und glän­

zende Denkmale bekundet hatten, fand ich hier dieselben durch furcht- und schreckenerregende Strafwerkzeuge ausge­

sprochen. H ier waren nämlich die V orratskam m ern von Schnee, Hagel, Frost, Stürm en, sowie von allerlei die Menschen plagenden Elem entarübeln angehäuft und u n ter feurigen Thüren verschlossen.58)

Endlich sollte ich das lang ersehnte Ziel erreichen und den höchsten zugleich letzten Himmel in seiner ganzen im voraus geahnten Herrlichkeit zu sehen bekommen un d m it ängstlicher Beklommenheit setzte ich meine Reise fort. Als ich aber meinen Blick nach aufwärts e rh o b , sah ich m it Befremden, dass, statt der anderseitigen leuchtenden Stern­

masse, dieses Himmelsgewölbe von einem Licht- und F eu er­

meer in seiner ganzen Ausdehnung umflossen war. „Dieses ist,“ sprach Samael, „den irdischen Gelehrten wohlbekannte Lichtstrom ,Nehar di n u r1, den seinen U rsprung , wie du später sehen wirst, von dem Schweisse der den göttlichen Thron tragenden vier T ie re 59) nim m t und seinen glühenden Lauf nach der Hölle über die dortigen Sträflinge richtet. Aus diesem Strome gehen täglich neue Engelgestalten hervor, welche nach verrichtetem Dienste wieder verschwinden und durch Andere, Neugeschaffene ersetzt werden. 6<l) In dieser glühenden Flüssigkeit m üssen sich auch alle jene Seelen baden, welche ihre 12monatliche W artezeit im Grabe eines V erstorbenenfil) , oder die Strafzeit in der Hölle „Gehinom“

überstanden haben, sowie jene, die jeder gläubige Ju d e für den Sabbathtag als besondere Zulage erhält, dam it sie vollkommen rein ihren himmlischen Sitz einnehmen k ö n n e n .6ä)

Endlich hatte ich auch diesen furchtbaren Strom glück­

lich überschritten oder vielmehr überflogen, ohne irgend

welchen Schaden erlitten zu haben u nd den Ort meines

eigentlichen W unsches erreicht, aber kaum hatte ich den Fuss

auf den Boden dieses Himmels gesetzt, als mich schon eine

(25)

unerw artete Gefahr bedrohte. Eine unzählige Menge fremd­

artiger schattenähnlicher glänzender Gestalten umgab mich m it drohendem Getöse: „W as will ein W eibgeborner hier bei uns ?“ ? 63) von M inute zu M inute wuchs die Menge wie das Getöse und der glühende H auch ihrer W orte drohte mich zu verzehren, so dass ich mich schon für verloren hielt.

D a nahte sich eine grosse, glänzende, ehrfurchtgebie­

tende Gestalt und wie durch einen Zauberschlag verstum m te das tobende Getöse. Alles tra t ehrerbietig zurück und machte dem Nahenden — es war der allbekannte, lebend in den Himmel entführte und vergeisterte Prophet E l i a s — Platz. „Freunde,“ sprach e r , „unten auf der Erde spricht m an allgemein davon, dass hier weder Zank noch Streit, noch sonst irgend eine Leidenschaft obw altet,64) ihr habt soeben das Gegenteil bewiesen und euch von einer be­

dauerlichen kleinlichen Leidenschaft hinreissen lassen. Es war wohl eine kühne Verwegenheit dieses schwachen E rd en ­

sohnes, sich bei lebendem Leibe hierher zu w agen, aber eben sein H iersein, wo er von allem , was er bis jetzt ge­

glaubt und gedacht hat, das Gegenteil finden wird, kann zu seiner B esserung fü h re n , so dass er künftig nach seinem Tode hier doch den Platz finden d ü rfte , den er für jetzt vergebens sucht.“

Übrigens ist dieser unerw artete Gast nicht so ganz ohne alle Verdienste und darf einige Nachsicht beanspruchen. E r ist ausübender Arzt u n d hat schon oft Gelegenheit gehabt irgend eine Judenseele aus den gierigen Klauen des Todes­

engels zu entw inden, was ih m , wie ihr wissen w erdet, bei der Gottheit so angerechnet wird, als hätte er die ganze W elt erhalten.65) Diese W orte beschwichtigten nu n vollends die aufgeregte Menge, die mich umgebende Phalanx drohen­

der Gestalten löste sich allmählich auf und ich fing an freier zu atmen.

„Samael“ sprach ferner Elias zu meinem Begleiter, „Du

(26)

w irst wahrscheinlich schon längst die Ü berzeugung gewonnen haben, dass D u in den hiesigen Kreisen nicht allzugerne ge­

sehen und n u r als ein unentbehrliches Übel geduldet w irst,66) ausserdem erlaubt Dir Dein B eruf nicht auf längere Zeit von Deinem D ir angewiesenen W irkungskreise abwesend zu sein.

Kehre daher für jetzt zur Erde zurück und überlasse m ir Deinen Schützling, ich werde ihm alle himmlischen D enk­

würdigkeiten zeigen und dann wohlbehalten in seine irdische H eim at zurückbringen.“

„Tritt m ir doch dieser,“ sprach der m ürrisch sich ent­

fernende Samael, „überall feindlich entgegen. Schon bei sei­

ner ersten Aufnahme als vergeisterter Mensch in diese Regio­

nen wäre ich bald seiner Übermacht erlegen, wenn das gött­

liche W ort mich nicht gerettet hätte,67) ich will es ihm aber auf Erden zu vergelten suchen.“

So sehr sich auch mein bisheriger Begleiter alle mög­

liche Mühe gegeben hatte, m ir m it Freundlichkeit und Zu­

vorkommenheit zu begegnen, so empfand ich doch in seiner Nähe ein gewisses Unbehagen, dem ich mich nicht ganz ent- wehren konnte. Ich war daher doppelt froh, an seiner Stelle einen solchen allbeliebten, allverehrten Führer, dessen öfteres unerwartetes, wohlwollendes Einschreiten auf Erden nicht u n ­ bekannt i s t , 68) als F ührer in dieser mir ganz fremden W elt zu haben. Sein gütiges und freundliches Anerbieten liess mich hoffen, dass er meine vielleicht zuweilen unzeitige W iss­

begierde nicht unwillig befriedigen werde.

III.

Je tz t erst wagte ich es, meinen jetzigen Aufenthaltsort

etwas näher zu besichtigen, allein der mich umgebende un-

, ermesslich grosse R aum war von solch’ einem hellen unge­

(27)

wohnten Lichtglanze umflossen, dass meine Augen denselben nicht zu ertragen vermögend, sich schnell schliessen m ussten.

Als Elias dies bem erkte, berührte er m it seiner flachen H and meine geschlossenen Augen, welche sich sogleich öffne­

ten und m ir einen freien Blick in alle mich umgebende Einzelheiten g ew ährten.69)

Das E rste, welches meine Aufmerksam keit in Anspruch nahm, war der Boden, auf welchem ich stand. H ier wieder­

holte sich die bereits oben erwähnte wunderbare Erscheinung.

Die ganze siebente Him m elskugel bestand aus einer glänzen­

den E i s m a s s e , welche weder durch den unterhalb glühen­

den Eeuerstrom schmolz, noch die gewöhnliche starre Kälte, sondern vielmehr eine angenehme wohlthuende W ärm e ver­

breitete. Allenthalben waren Öffnungen angeb rach t, durch welche, wie m ir Elias erklärte, die für den Erdendienst be­

stim m ten Engel hinabsteigen und von dort wieder zurück­

kehren.

Aber auch noch einen ändern höhern Zweck haben diese von Gott ausdrücklich angeordneten Öffnungen. Durch die­

selben sollen näm lich die frommen Gebete der Menschen von der Erde zum Himmel emporsteigen und m ittelst eigener hierzu bestimmter Engel vor den allerhöchsten Thron gelan­

gen.70) N un geschieht es aber nicht selten, dass durch nei­

dische, feindlichgesinnte oder allzu dienstfertige Geister die Öffnungen zeitweise geschlossen w erden, um dem Gebet irgend einer besonderen Persönlichkeit oder eines reuigen Sünders den Durchgang abzusperren,71) bei welcher Gelegen­

heit der hierüber unwillige Gott selber einschreiten muss.

E r lässt dann in der Nähe seines Thrones eine eigene Öffnung machen, durch welche er unm ittelbar die Gebete aufnim m t.72)

Der mich um gebende von einem unbeschreiblich lieb­

lichen W ohlgeruche durchduftete73) ätherische Him m elsraum , war, trotz seiner unübersehbaren A usdehnung m it den ver­

schiedenartigsten Anlagen und Baulichkeiten so sehr über­

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füllt, dass fast nirgends eine Leere zu bemerken war. Nicht m inder zahlreich war dessen Bevölkerung. So weit mein Blick reichen konnte, wogten Myriaden von Licht- und F euer­

gestalten der verschiedenartigsten Form und Beschaffenheit in reger Eilfertigkeit auf und ah. H ier sah ich viele, deren oberer Teil als Mensch, der untere aber als irgend ein Tier, und wieder andere die in um gekehrter W eise gestaltet waren.

Viele waren auch hier m it 2 —8 Gesichtern und 2 —6 Flügeln versehen. E ben so verschieden war auch die Masse [aus welcher sie bestanden, sie vertraten näm lich die vier Elemente, und bestanden aus Feuer, W asser, Luft oder Erde, oder auch aus einem Gemische derselben.74)

Elias, mein E rstaunen hierüber bem erkend, erklärte m ir :

„Die hier sichtbaren Myriaden der Engel Gottes bestehen sämtlich aus neun Klassen u deren Namen im allgemeinen nach Verschiedenheit ihrer Form, Gestalt, Beschaffenheit und Dienstleistung ebenfalls verschieden ist,75) und folgende Namen tragen; T i e r e (Chajoth), B a d f ö r m i g e (Offanim), H e l d e n (Arälim), F e u e r s p r ü h e n d e (Haschmalim), B r e n n e n d e (Serafim), B o t e n (Malachim); G e w a l t i g e (Aelim), J u g e n d ­ l i c h e (Kerubim) und M a n n h a f t e (Ischim .)76) Alle diese Engel bilden vier Legionen, welche u n ter der Botmässigkeit der vier Oberengel M i c h a e l , G a b r i e l , R a f a e l und U r ie l, den eigentlichen Vorstehern der erwähnten vier Elem ente, stehen.77) N ur m uss ich Dir noch bem erken, dass sowohl diese Vorsteher, als auch noch andere derartige Hauptengel schon seit Erschaffnng der W elt bestehen und von ewiger D auer sind, während die untergeordneten Geister vergäng­

liche W esen sind und nach geleisteten Diensten, wie bereits erwähnt, untergehen.78)

„Siehe! soeben kommen die erwähnten vier Urengel in eifrigstes Gespräche vertieft hierher. Der aus einer glänzen­

den Eism asse bestehende ist der allbekannte M i c h a e l , der

zweite feurig glänzende der nicht minder bekannte G a b r i e l ,

(29)

der dritte, eine feine Ä thergestalt bildende ist U r i e l , und der V ierte aus der zartesten durchsichtigen Erdm asse geschaffene ist R a f a e l . “ 79)

Die in M enschengestalt einherschreitenden vier Ürengel hatten so Grossartiges u n d Ehrfurchtgebietendes an sich, dass sämtliche Massen der Engel scheu und ehrerbietig zurück­

wichen und ihnen einen freien Durchgang gestatteten. Auch Elias ging ihnen entgegen, wechselte einige W orte m it ihnen, und kehrte zu m ir zu rü ck , während jene eine andere Rich­

tu ng einschlugen. Auch hier wird, wie ich bereits im fünf­

ten Himm el bemerkt hatte, bloss Hebräisch gesprochen und auch ich m usste mich zu dieser Sprache bequemen.

„Ich habe soeben,“ sprach Elias zu m ir, „Deine A n­

wesenheit, wie D einen waghalsigen W unsch diesen vier der wichtigsten Persönlichkeiten des Himmels angezeigt und ihre unbedingte Zustim m ung erhalten. Ich kann Dir n u n unge­

hindert alles Sehenswürdige zeigen, folge mir n u r getrosten Mutes und sei versichert, dass Du u n ter m einer Leitung keine Gefahr zu besorgen hast.“

„Vor allem sollst D u sehen, welche A nstalten hier ge­

troffen sind, um das Menschengeschlecht zum E intritte in die hiesige W elt vorzubereiten und zu befähigen. H ier sind reichliche Schätze von G e r e c h t i g k e i t , G e s e t z l i c h k e i t , - U n s c h u l d , S e e g e n , W o h l l e b e n und F r i e d e n u. dgl.

an g eh äu ft,80) und welche durch gewisse dazu besonders ge­

eignete Urengel u n ter die Menschen verbreitet werden sollen.

Leider tritt der gefallene, ränkesüchtige S a m a e 1 mit seinem Anhänge allen solchen B em ühungen feindlich en tg eg en ,81) so dass n u r selten eine Seele so rein hierher zurückkehrt, wie sie von hier entsendet w urde.“

„Hier siehst D u ,“ sprach Elias mich weiter führend,

„den Sammelplatz wie den A ufbew ahrungsort aller m ensch­

lichen Seelen. Die Zahl der mit dem W eltall zugleich er­

schaffenen Seelen sollte zwar immerfort unverändert dieselbe

(30)

b le ib e n ,82) allein sie erfährt doch hie und da manchen u n ­ vorhergesehenen Abgang. So w urden z. B. bei den zwei Söhnen des Hohenpriesters A a r o n 83) und dem Edomiter D o j e g 84) so wie bei allen gerichtlich zum Eeuertode ver­

urteilten Yerbrechern 85) d i e S e e l e g ä n z l i c h v e r b r a n n t , un d eben so verhält es sich bei den grossen keiner Gnade m ehr zugänglichen Sündern in der H ö lle .8B) E in solcher Abgang m uss von hier aus wieder ersetzt werden, damit das Y erhältnis zwischen Sterbenden und Geburten auf der Erde ungestört bleibe. Auch dient, wie du bereits erfahren hast, dieser Y orrat dazu jedem echtgläubigen Ju d en für den Sabbath eine Seelenzugabe zu spenden. 87) Endlich dürfte eine bedeutende Seelenzahl für die künftige A uferstehungs­

zeit nötig sein, für welche auch zugleich ein Y orrat von himmlischem B e l e b u n g st au. hier angehäuft und auf bewahrt wird.“ 88)

Als wir weiter schritten gelangten wir auf einen freien Platz, der von einer unabsehbaren Menge eben solcher u n ter­

geordneten W esen, wie wir sie oben bereits gesehen haben, angefüllt war und die uns kaum den D urchgang gestatteten.

In der Mitte des Platzes erhob sich eine feurige Tribüne, auf welcher der uns bereits bekannte M e t a t r o n in seiner ganzen Glorie und umgeben von einigen ändern ehrwürdigen Lichtgestalten sass. „H ier w irst Du einer himmlischen Ge­

richts- und Strafprozedur beiwohnen“ bem erkte Elias.

„B rüder!“ sprach M e t a t r o n sich von seinem Sitze er­

hebend, „unser allgütige H err und W eltschöpfer ist gewöhn­

lich sehr nachsichtig gegen die Y erirrungen seiner Geschöpfe, hält aber auch strengeres Strafgericht gegen verstockte u n ­ verbesserliche Sünder. Yon Ersterem seid ihr täglich über­

zeugt , von Letzterem aber euch ein warnendes Beispiel zu geben bin ich vom Allerhöchsten hierm it beauftragt.“ „Kedomiel, Pedael, Gasriel, Ahriöl u n d R a tie l!“ sprach er, „tretet näher!

Ih r habt euern Herrn verraten und es mit unsern Erzfeinden

(31)

m it Samaels Anhang gehalten, ihr seid deswegen aus dem Buche des Lebens gestrichen. Enfiel thue deine Pflicht!“

A uf diese "Worte stieg einer der Gerichtsbeisitzer von der Tribüne herab, streifte m it seiner H and über die Y erurteilten und in einem Augenblicke waren sie von einer grässlichen Flamme verzehrt und spurlos verschw unden.89)

„Ihr A r k i e l u n d H a i d i e l “ sprach ferner M e t a t r o n ,

„habt euern D ienst selbstsüchtig und anmassend versehen und des H errn V ertrauen m issbraucht, ihr seid deswegen von hier auf 138 Jah ren nach dem fünften Himmel verbannt, wo ihr euern Leichtsinn abbüssen sollt.“ 90)

„Endlich ihr Kudschiel und Markiel habt unbesonnen hierortige Geheimnisse an die Menschen verraten und sollt dafür gezüchtigt werden.“ A uf seinen W ink liess Enfiel den V erurteilten eine B astonade mit feurigen R uten geben.91— 92)

„Hier siehst du sieben prachtvolle W ohnungen für die P lanetenvorsteh er, welche hier täglich ja stündlich die aller­

höchsten V erordnungen durch M e t a t r o n erhalten und in u n ­ unterbrochenem V erkehre m it der Erde stehen, die Hamen

derselben sind: R a f a e I für die Sonne, E r n 61 für den Mond, Z a d k i b l für V e n u s, H a s d i e l für M erkur, G a b r i b l für M ars, B a r k i e l für Ju p iter und M i c h a ö l für Saturnus.“

„Leider werden auch diesen Schutzengeln sieben von Samael und Asmodai abgeordnete Geister der F insternis entgegen gestellt, um ihre Einw irkungen zu hem m en, diese erliegen aber jedes Frühjahr im Kampfe gegen die Licht­

geister.“ 93)

N un sollte ich auch einen Blick in die politischen V er­

hältnisse des Himmels thun. W ir gelangten nämlich in einen herrlichen weit ausgedehnten P a rk , der nach der Zahl der auf der Erde w ohnenden V ö lk e r94) in s i e b e n z i g mehr oder weniger grosse genau begrenzte Bezirke abgeteilt war.

Jeder dieser Bezirke wurde von einem sein Volk hier v er­

tretenden gekrönten Engelfürsten eingenommen und durfte

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ohne besondere Veranlassung oder Erlaubnis nicht über­

schritten werden. 95) Ein freier Raum vor den einen H alb­

kreis bildenden Bezirken galt als ein sogenannter neutraler Boden, auf welchem die F ürsten freundschaftlich verkehrten, was auch gegenwärtig der Fall war. H ier schienen sie die besten intim sten Freunde zu sein , während sie innerhalb ihrer Bezirke, wie mich Elias m it tiefem Bedauern ver­

sicherte, von N eid, M issgunst, H ass, Stolz, Ü berm ut un d Vergrösserungssucht beherrscht werden. Sie m üssen indessen hier aller Geschicke ihrer untergebenen Völkerschaften schon im vorhinein teilhaftig w erden, weil kein Volk auf Erden steigen oder fallen k a n n , bevor nicht ihr himmlischer Vor­

steher gestiegen oder gefallen is t.96)

Zu meinem grössten E rstaunen m achte ich die Bemerk­

ung, dass ich seit meinem A ufenthalte im Himm el nicht das geringste Bedürfnis nach Essen oder Trinken verspürte, eben so wenig fühlte ich die geringste E rm ü d u n g , obwohl ich bereits eine Fussreise von m ehreren Tausend Meilen gemacht hatte. Elias, der, wie es scheint, alle m eine Gedanken wusste, sagte lächelnd: „Dir geht es so wie einst euerem grossen Moses, der sogar 40 Tage ohne N ahrung hier verw eilte.97) Du möchtest aber schon g e r n e , wie ich m erk e, das eigent­

liche Ziel deiner H ierherreise, die B esichtigung des P ara­

dieses, erreichen, wir wollen u ns daher dorthin begeben.

IY.

W ir kam en n u n in einen nach allen Regeln der, K unst u n d des Geschmackes angelegten Garten. Die vielen herr­

lichen fremdartigen Baum - und B lum engruppen überraschten

m ich, sowie der entgegenduftende niegekannte W ohlgeruch

mich entzückte und belebte. „Das Paradies bestehet,“ be-

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lehrte mich E lia s , „aus zehn A bteilungen, welche von den Seelen der V erstorbenen je nach dem Grade ihrer Fröm m ig­

keit bewohnt werden. H ier leben sie ohne Speise und Trank, sowie ohne jegliche beunruhigende Leidenschaft, sondern ergötzen sich sich bloss an dem G lanz, der W eisheit und Güte Gottes, der ihnen alle Schätze des W issens, sowie die verborgensten Geheimnisse der N atu r offenbart.“ 98)

„Hier befinden wir uns in der e r s t e n Abtheilung, dem W ohnsitze der e i n f a c h F r o m m e n , welche während ihres Lebens auf E rden an den heiligen B und festhielten, jede böse Leidenschaft m utig bekämpften und das Gesetz pün kt­

lich befolgten. D er V orsteher dieser Abtheilung ist der einstige egyptische Vizekönig J o s e p h , dem die Engelgruppe A r ä l i m zur dienstlichen V erfügung steht.“ 99)

W ir gingen nun weiter in die z w e i t e A bteilung, den Aufenthaltsort jener S eelen , die ihren irdischen Lehenswandel r e d l i c h , ehrlich und ränkelos geführt haben. H ier war P i n k a s , der Sohn des Priesters E le a sa r, der Vorsteher und die Engelgruppe H a s m a l i m stand ihm zur Verfügung. Von hier gelangten wir in die höher gestellte d r i t t e Abteilung deren Bewohner während ihrer Lebenszeit a u f r i c h t i g gegen Gott und Menschen gehandelt hatten. Ih r Vorsteher war der V ater des V origen, der einstige P riester E l e a s a r , dem die Engel T a r s c h i s c h i m zu Gebote stan d en .100)

Von hier gingen wir in die wieder höher gestellte und von den sogenannten H e i l i g e n bewohnte v i e r t e Abteilung.

H ier war wo möglich eine noch glänzendere, prachtvollere Gartenanlage, in deren Mitte sich eine wundervoll singende Säule erhob, deren entzückende Melodien auch die Bäum e des Gartens zur A nstim m ung himmlischer Gesänge anregten.

Dieser A bteilung steht der einstige H ohenpriester A a r o n selber vor und hat die Engelgruppe S e r a p h i m zur V er­

fügung. In dieser A bteilung lustw andelt zuweilen die Gott­

(34)

heit selber, bei deren Erscheinen von allen hier befindlichen Wesen das laute dreimalige „ H e ilig “ erschallt.10))

Die f ü n f t e A bteilung wird von den Seelen der r e u i g e n S ü n d e r bewohnt. Auch diese erfreuen sich hier, ihrer m utigen sich selbstverleugnenden W illenskraft wegen, einer besondern Auszeichnung, stehen noch höher als die vorigen in der göttlichen Gnade, die sie nicht selten m it ihrem Licht­

strahle unm ittelbar beglückt. Der Vorsteher dieser Abteilung ist der einstige jüdische König M a n a s s e und dessen dienende Geister sind die O f f a n i m . 102)

Von hier aus kam en wir in eine der interessantesten, in die s e c h s t e A bteilung, den Aufenthaltsort der Seelen frühzeitig verstorbener, u n s c h u l d i g e r Kinder. Ih r V or­

steher und Pfleger war der der oft erwähnte M e t a t r o n , der diese Abteilung täglich besucht und den jugendlichen Seelen den ausgedehntesten U nterricht erteilt. Jede M itternachts­

stunde findet diese zarten Lehrlinge wieder in den noch zu beschreibenden himmlischen Lehrsälen, wo die Gottheit selber sich mit ihnen unterhält und sie des ferneren belehrt. Die sie bedienenden Engel sind die bekannten C h e r u b i m . 103)

Die nun folgende, u nter den bisherigen die höchste und dem allerhöchsten Hoflager zunächststehende s i e b e n t e A b­

teilung wird von den Höchstfrommen, den sogenannten H a s - s id im bewohnt und geniesst der besonders auszeichnenden Ehre, dass sie u nter der Obhut vier der merkwürdigsten P e r­

sönlichkeiten, un ter A d a m dem E rsten u nd den drei P a tri­

archen A b r a h a m , I s a a k und J a k o b steht und zu ihrer B edienung die heiligen Tiere (Hajoth hakodes) hat.101)

In der nächstfolgenden a c h t e n A bteilung wohnen die Seelen der echtgläubigen, wahrhaft getreuen P r o s e l i t e n . 106) In den frühem Zeiten gehörte wirklich eine ungewöhnliche Selbstverleugnung dazu, in den V erband einer Glaubensge­

nossenschaft einzutreten, deren religiöse Vorschriften so strenge

und beschränkend und deren soziale wie politische Stellung

(35)

so schmachvoll herabgedrückt w ar, sie verdienten daher mit vollem Rechte eine besondere himmlische Begünstigung, welche die jetztzeitigen Proseliten nicht so leicht finden dürf­

ten. Der V orsteher dieser Abteilung war der aus der Bibel bekannte Prophet „ O b a d i a “ . 106)

Einen kleinern aber höchst an m u tig e n , m it den selten­

sten Pflanzen geschm ückten Garten bildete die n e u n t e Ab­

teilung , deren Bewohner der einsam e, kranke, leidende und mutlose M e s s i a s ist. Seit vielen Jahrhunderten w artet er ungeduldig auf den göttlichen Auftrag, seiner Mission nach­

zukom m en, aber weder kommt dieser Auftrag, noch wird er auf E rden jetzt m ehr erw artet, noch gewünscht. E r wäre demzufolge gänzlich trostlos, wenn nicht der Vorsteher dieser A bteilung, m ein allzu gütiger F ührer E lias, der auch seiner Zeit sein V orgänger und A nkündiger sein w ird 107), ihn trösten und m it Hoffnung beleben m öchte.108)

Endlich gelangten wir in die z e h n t e und letzte in näch­

ster Nähe des göttlichen Hoflagers . gelegene und für die bekannten jüdischen z e h n M ä r t y r e r bestimmte Garten­

abteilung.109) Diese denkwürdigen Helden, die ihre Glaubens­

treue m it ihrem B lute besiegelt h atten , haben hier selbst in jene Kreise der göttlichen Majestät Zutritt , der selbst den

höchstgestellten Engeln versagt is t.110)

Y .

Endlich waren wir an dem P u n k te angelangt, der den eigentlichen Sitz der Gottheit von dem der übrigen Him m els­

bewohner scheidet. W ar alles, was ich bisher gesehen hatte, von einer unbeschreiblichen, der Grösse und W ürde eines W eltherrn angemessenen P racht u nd Herrlichkeit umgeben, so steigerten sich diese, je m ehr wir vorwärts schritten, zu

B e r g e i , W under des Himmels. 3

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einer ungeahnten Höhe, so dass mein obwohl bedeutend ge­

schärfter Blick den wundervollen Lichtglanz kaum ertragen konnte.

Der allerhöchste Sitz bestand aus m ehreren feuerglühen­

den, in allen Barben der Bdelgesteine u nd des Regenbogens prangenden H allen, deren jede eine besondere B estim m ung hatte. In der ersten sassen die Seelen der ehemaligen wie neueren Schriftgelehrten, welche auch hier die E rläuteru ng en der schriftlichen, mosaischen, wie der mündlichen, talm udischen, Gesetze eifrigst fortsetzten und an denen nicht n u r jeder Einzelne der hoch- und höchstgestellten U rengel, sondern sogar die Gottheit selber sich zuweilen beteiligte. W enn in frühem Zeiten u n ter den Gelehrten der Erde irgend eine Streitfrage unentschieden blieb, da pflegte von hier aus eine massgebende Stimme — Bath-Kol — zur Erde entsendet zu w erden, welche aber dort nicht beachtet w u rde.11')

Sehr auffallend war es mir ab er, dass hier u n ter den vielen ihrer Zeit ausgezeichneten Talm udisten gerade die zwei in ewigem Streite lebenden Schriftgelehrten S c h a m a i und H i 11 el die Auszeichnung desY orsitzes genossen. „Diese zwei Gesetzeskundigen,“ bemerkte Elias, „haben während ihres Lebens, trotz der Verschiedenheit ihrer Ansichten, doch das meiste zur K lärung und Feststellung der Gesetze beigetragen und erwarben sich hier m it vollem Rechte diese Auszeich­

n u n g und sogar den Namen „ V ä t e r d e r W e l t . “ " 2)

In der nächstgelegenen Halle befand sich der G e r i c h t s ­

s a a l , wo täglich u nter Vorsitz des Allerhöchsten über das

ganze W eltall Gericht gehalten wird. An der Spitze dieses

himmlischen Gerichtshofes stand wieder der m ä c h tig e M e ta tro n

als Geheimschreiber, ihm zu r Seite die zwei Geheimräte J o f i ö l

und S . u r i 61, der Siegelbewahrer und Gerichtsexekutor E n -

f i e l und die zwei Herolde A c h s e r i ö l und R a s i e l . " 3) Ausser-

dem waren hier die Grossfürsten M ichael, G abriöl, Rafael,

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