F
1..ab.
y.
Schee.psbouwkunck
Technische Hogeschool
Seeganarngerät als instrumentelle
Entscheidungshilfe für die Schiffsführung im Seegang
von Dipl-Ing. Arno Westram und Dr-Ing. Dieter Hachmann, Germanischer Lloyd AG, Hamburg Herrn Dipl-Ing. Karl Hottinger zum 75. Geburtstag gewidmet
Schiffsführungen tendieren zur Überschätzung der durch Seegang entstehenden
Gefähr-dung für Schiff und LaGefähr-dung und reduzieren die Fahrt entsprechend. Das Bestreben nach
Ein-haltung der geplanten Ankunftszeit erfordert, die Einbußen durch anschließende Geschwin-digkeitserhöhung mit überproportionalem Leistungsbedarf auszugleichen. Für die objektive Beurteilung der aus Seegang und Schiffsgeschwindigkeit resultierenden Belastung wurde ein Seegangswarngerät entwickelt, das von Aufnehmern gelieferte Signale mit einer schiffs-spezifischen Software auswertet und ein Fahrtempfehlungsdiagramm ausgibt. Wichtige Bestandteile dieser Seegangswarneinrichtung sind im Schiff angeordnete Beschleunigungs-aufnehmer und lG-Meßverstärker. Die Aufnehmer lassen sich neben den elektronischen Bausteinen in den robusten Gußgehäusen der Verstärker unterbringen. Die Meßeinrichtun-gen sind sehr einfach kalibrierbar. Der Aufsatz beschreibt auch reale Auswertungsergebnis-se für das als Erprobungsträger dienende 162 m lange MS Stuttgart Express".
1. Einleitung
Der Trend zu neuartigen Schiffstypen mit
notwendiger-weise ausgetüftelten Konstruktionen ergibt den
zuneh-menden Bedarf nach einem Gerät, das im Seegang bei
ver-ringertem Schadensrisiko für Schiff und Ladung die
Fahr-leistungen zu steigern hilft. Dazu wurde vom
Germani-schen Lloyd initiativ in Zusammenarbeit mit der AEG das sogenannte ,,Seegangswarngerät" entwickelt. Diese
Ent-wicklung war als Teil des vom BMFT unter dem
Kenn-zeichen MTK 200 B geförderten Forschungs- und Entwick-lungsvorhabens Schiff der Zukunft" gefördert worden. Im Vordergrund der Entwicklung stand die Lösung des Ziel-konflikts der Schiffsführung, der geprägt ist von den For-derungen
Einhalten der geplanten Ankunftszeit Minimierung des Treibstoffverbrauchs
Vermeidung von Schäden an Schiff und Ladung
Auch in Situationen, wo Schäden an Schiff und Ladung praktisch nicht zu erwarten sind, tendieren die
Schiffs-führer dazu, im berechtigten Interesse nach einem sicheren Schiffsbetrieb, die Gefährdungen zu überschätzen und die Fahrt zu reduzieren. Die Einbußen müssen anschließend
durch erhöhte Geschwindigkeit mit überproportionalem Leistungsbedarf wettgemacht werden. Das Seegangs-warngerät liefert dagegen objektive Meßwerte und
ent-spricht einem ,,Radar" für den Seegang zur Wahl der an-gemessenen Schiffsgeschwindigkeit. Die Anpassung des
Schiffsbetriebs beinhaltet u.a. auch die geeignete Wahl der Beballastung. Bei gutem Wetter sind größere
Glatt-wasserbeanspruchungen zulässig, die bei Wetterver-schlechterung durch Ballast gezielt reduziert werden.
Die Auswertung von Statistiken über
Treibölmehrver-bräuche im Seegang und über Seeschäden zeigt, daß die erhöhten Verbräuche kostenmäßig eindeutig überwiegen. Optimale Verbräuche werden insbesondere bei größeren
30
19 MEl 1988
ARCHEF
Schiffen zumeist dann erzielt, wenn die Geschwindigkeit so lange wie möglich beibehalten wird. Dazu wäre die An-triebsleistung mit Zunahme des Seegangs zu erhöhen, bis das erhöhte Risiko für Schiff, Maschine und Ladung ein kräftiges Einlegen erfordert.
Beim Germanischen Lloyd wurde ein Verfahren zur
Berech-nung der zusammengesetzten Gefährdung aus verschie-denen Schadenskomponenten entwickelt. Berücksichtigt sind dabei u.a. Stöße auf das Vorschiff, Biegung und
Tor-sion mittschiffs und Beschleunigungen der Ladung. Die
Anzeige der zusammengesetzten Gefährdung wird insbe-sondere durch Hinweise und Anregungen von Nautikern und durch die Erfahrungen, die der GL seit vielen Jahren vor allem auf verschiedenen Schiffen gesammelt hat, zu einem wertvollen Hilfsmittel für die Verbesserung der Wirt-schaftlichkeit Im Seegang. Hier sei nochmals erwähnt, daß jeder unnötige Zeitverlust von einer Stunde einen Mehr-bedarf an Treiböl bedingt, der das Doppelte bis Dreifache des stündlichen Verbrauchs ausmacht.
2. Hauptmerkmale des
Seegangs-warngeräts
21 Monitorinhalt
Auf einem Bildschirm wird das Seeverhalten des Schiffs übersichtlich angezeigt, ein Drucker kann wahlweise zuge-schaltet werden. Dabei können am Bildschirm die in Bild i gezeigten Informationen über die aktuelle Situation und deren Trend, in einer anderen Bildart aber auch ein
spe-zielles Fahrtempfehlungsdiagramm dargestellt werden.
Bild 1 a gibt in schematischer Form die Monitordarstellung der aktuellen Situation wieder, in Bild i b ist ein Foto der Anzeige des auf der Brücke des Schiffs befindlichen Moni-tors gezeigt.
Anhand von Bild i sollen jetzt die vom Bildschirm wieder-gegebenen Informationen über die aktuelle Situation kurz erläutert werden. Die wesentlichen Gefährdungen sind in Balkenform dargestellt. Meßbalken sind vorgesehen für:
Stöße auf das Vorschiff
Vertikale Beschleunigungen im Vorschiff Spannungen im Deck mittschiffs Leistungsmehrbedarf im Seegang
Querbeschleunigung in der oberen Containerlage Rollbewegung
Die Länge der Anzeigebalken entspricht den erwarteten Maximalwerten der Schiffsbewegurtgen oder Belastungs-komponenten, lediglich bei dem Leistungsmehrbedarf wird der Mittelwert angezeigt. Die Farbgebung der Meßbalken -gelb oder rot hängt ab von der Länge. Bei Überschreitung der Hälfte des Auslegungsgrenzwerts wechselt die Fär-bung auf rot. Zusätzlich erscheinen Digitalwerte der in den
letzten 15 Minuten gemessenen Maximalwerte der o.g.
Meßgrößen. Ferner wird die Lage der aktuellen Meßgröße im Balken durch ein Dreiecksymbol markiert. Links unten
im Bild ist der Verlauf der sogenannten
zusammenge-a) b) LI5T MEHpBE:r sw
, M
-fIL-Bild 1:
Monitordarstellung der Anzeige der
zusam-mengesetzten Gefährdung durch das
See-gangswarngerät
schematische Wiedergabe Foto der Monitordarstellung
Bild 2: Blick auf den Kommandoplatz der
Schiffsfüh-rungszentrale mit Farbmonitor für die
Über-wachung
setzten Belastung über die jeweils zurückliegenden sechs Stunden dargestellt, so daß der allgemeine Trend der Be-einträchtigung auf einen Blick erkennbar wird. In Verbin-dung mit den Vorhersagen aus den Wetterdiensten kann die Schiffsführung dann durch Extrapolation die noch zu erwartende mögliche Gefährdung abschätzen. In schwe-rem Wetter geht die Kurve der zusammengesetzten
Bela-stung an den oberen Bildrand. Das ist dann das Signal
dafür, die einzelnen Komponenten der Gefährdung gezielt zu betrachten und die Fahrt des Schiffs so einzustellen, daß dessen Belastung erträglich bleibt. Unter Ziffer 5.4 wird auf die zusammengesetzte Belastung" näher eingegan-gen. Unten rechts wird in einer Kompaßrose die Stärke und Richtung des Winds angegeben.
Zusätzliche Angaben im Bildschirm über Propellerdreh-zahl, Brennstoffverbrauch pro Seemeile etc. sind möglich wie rechts unten in Bild i b zu sehen. Die Gestaltung des
Bildschirminhalts wurde gemeinsam mit der
Seefahrt-schule in Hamburg entwickelt. Bild 2 zeigt einen Blick auf
den Kommandoplatz in der Schiffsführungszentrale mit
dem beschriebenen Farbmonitor.
achter! ¡che vor! Ic he ochterliche
See See See
quereinkornrnende See quereinkommeride See
-
Windgeschwiridigked 7 Beaufort'w w
Messtechrrische Briefe 22(1986), Nef t 2 31
90 180 270 360
Begegnuri9swir*eI zwischen Schiff und Seegori
ri Grad
--Bild 3: Schematische Wiedergabe eines vom Monitor angezeigten Fahrtempfehlungsdiagramms 25 t 20 15 E 5 o
2.2 Diagramm für Fahrtempfehlungen
Bild 3 zeigt ein Fahrtempfehlungsdiagramm für ein Con-tainerschiff wie es vom Seegangswarngerät auf dem Moni-tor auf der Brücke des Schiffs ausgegeben wird.Hier ist die empfohlene Schiffsgeschwindigkeit in Abhängigkeit vom Begegnungswinkel zwischen Seegangshauptrichtung und Schiff für verschiedene Beaufort-Stärken aufgetragen.Die den Beaufort-Stärken zugeordneten signifikanten Wellen-höhen und Perioden entsprechen hier den Mittelwertenim
Nordatlantik. Probleme bei der Empfehlung treten auf,
wenn im Einzelfall Wind, See und Dünung unterschiedlich gerichtet sind. Deshalb dient das Diagramm vorzugsweise
der generellen Routingplanung.
Die Erstellung detaillierter Diagramme für individuelle Kombinationen zwischen Wind. Wellen und
Beladungs-zustand des Schiffes kann vom Bordrechner entsprechend der unter Ziffer 5 näher erläuterten Zusammenhänge
rela-tiv leicht vorgenommen werden. Zur Zeit werden dem Schiff ausgewählte Diagramme für typische Kombinationen der Bedienungsanleitung des Seegangswarngerätes
beige-fügt.
3. Hardware
3.1 Meßgräßenaufnehmer
Ein wesentliches Ergebnis einer Erprobungsphase auf der MS Stuttgart Express" in den Jahren 1982 bis 1985 be-steht darin, daß die Anzahl der notwendigen Aufnehmer auf neun reduziert werden konnte. Da heute im allgemeinen auf Schiffen mit hohem technischem Standard die Signale
der Windrichtung, Windgeschwindigkeit,
Propetlerdreh-A1,V1 VertkotbeschLeunI9ung A2,V2 (VertkaLbeschIeursgung) A3. V3 (Querbesrthteuniguog) PropeIterdrehzoh Schitfsgeschwindìgkeit Propeiterdrehrnoment Schiffskurs 16230m
Tabelle 1: Übersicht über die für das Seegangswarn-gerät erfaßten Meßgrößen und die Positio-nierung der zugehörigen Aufnehmer
32
moment, Schiffsgeschwindigkeit und Schiffskurs ohnehin vorhanden sind, wird nur die problemlose Installationvon drei zusätzlichen Beschleunigungsaufnehmern erforder-lich, deren Anordnung aus Bild 4 ersichtlich ist. Tabelle i gibt eine Übersicht über die erfaßten Meßgrößen und die Positionierung der Aufnehmer. Kreiselanlagen und DMS-Mef3stellen haben sich wegen der aufwendigen
Betriebs-unterhaltung und den teilweise unsicheren
Signalquali-täten langzeitmäßig nicht bewährt. Durch die verringerte Zahl der Aufnehmer wurde die Zuverlässigkeit erhöht und der Preis deutlich gesenkt.
Die Beschleunigungen werden gemessen durch
Beschleu-nigungsaufnehmer vom Typ B 12/200. Der große Vorteil dieser Aufnehmer liegt in der einfachen statischen Kali-briermöglichkeit durch Drehen in der Vertikalrichtung um 180" oder ± 90°, wodurch der Ausschlag für ± 1 g
(Erdbe-schleunigung) erzeugt wird.
Als Meßverstärker gelangen die in jahrelangen Erpro-bungen vom Germanischen Lloyd getesteten und bewähr-ten IG-Meßverstärker zum Einsatz. DieMel3verstärker des
1G-Systems sind in robusten Gußgehäusen aus Aluminium untergebracht. Die Kabelzuführungen erfolgen über
Pg-Verschraubungen. Die in den Gehäusen befindlichen Ver-stärker sind in Modulbauweise aufgebaut und können in
Anpassung an die Aufgabenstellung ein- oder mehrkanalig
gestaltet sein. Sie stehen als Gleichspannungs- oder
Trägerfrequenzmeßverstärker mit 225 Hz und 5 kHz zur
Verfügung.
Günstig für den vorgesehenen Anwendungsfall zur Be-schleunígungsmessung wirkte sich die durch die
Geräte-konzeption gegebene Möglichkeit aus, die
Beschleuni-gungsaufnehmer im Verstärkergehäuse mit unterzubrin-gen. Bild 5 zeigt in einem Foto die Anordnung der beiden
für Vertikal- und Querbeschleunigung eingesetzten
Be-schleunigungsaufnehmer B 12 hinter der Platine im Guß-gehäuse eines zweikanaligen 5-kHz-Meßverstärkers.
Die Windmeßanlage, bestehend aus Anemometer und Richtungsanzeiger, sollte möglichst auf dem vorderen Signalmast so hoch angeordnet werden, daß sie wenig
B 12 für Querbeschleunigung
B 12 für Vertikalbeschleunigung
Bild 5: Im Gußgehäuse der IG-Mef3verstärker hinter
der
Verstärkerpiatine untergebrachte
Be-schleunigungsaufnehmer B 12
Messtechnische Briefe 22(19861, Heft 2
Nr. Meßgröße Position der Aufnehmer
Al vertikale Beschleunigung Vorschiff (Back), Spt. 195, CL A2 vertikale Beschleunigung Torsionshauptträger, Bb.-Seite, Spt. 82
A3 Ouerbeachleunigung Torsionshaupttràger, Bb.-Seite, Spt. 82
A4 Windgeschwindigkeit Top vorderer Mast
A5 Windrichtung Top vorderer Mast
A6 Propellerdrehmoment im Schiff bereits vorhanden
A7 Propellerdrehzahl im Schiff bereits vorhanden A8 Schiffsgeschwindigkeit im Schiff bereits vorhanden
A9 Schiffskurs im Schiff bereits vorhanden
Bild 4:
Für das Seegangswarngerät zu erfassende
Mef3g rOBenA4. A5 (Windgeschwnthgkeit. Wäidnchtung)
A Aufnehmer
durch hochgehende Gischt beim Einsetzen des Schiffs in die See beaufschlagt wird. Prinzipiell kann man Störungen und Beschädigungen vor allem an den Anemometerscha-len nicht ausschließen. Die Anordnung der Windmeßan-lage im Bereich der Brücke bringtzu viele Störungen infolge des Einflusses des Deckshauses und örtlicher Gegeben-heiten wie z. B. Turbulenzen infolge Gittermasten. Die Signale der Propellerdrehmomente und der Propeller-drehzahl sind mehr und mehr auf modernen Schiffen vor-handen. Sowohl Anlagen der Fa. Hoppe Bordmeßtechnik (Messen der Verdrehung zweier definierter Wellenquer-schnitte über die Phasenverschiebung von Tachogenera-toren) als auch auf der DMS-Technik basierende Meßan-lagen sind im Einsatz. Die Signale werden dem Seegangs-warngerät zugeführt und dort aufbereitet.
Die Schiffsgeschwindigkeit wird üblicherweise durch so-genannte Log-Systeme gemessen.
Genauigkeitsschwie-rigkeiten entstehen hier je nach Meßprinzip in der Ab-hängigkeit der Aufnehmersignale von der
Anströmge-schwindigkeit, die vom Seegang, Kurs, örtlichen Einflüs-sen, Tiefgang, Trirrim und Außenhautzustand abhängen können. Wünschenswert ist demgegenüber die Messung der Geschwindigkeit relativ zu einer Wasserschicht bei ca. 40 m unter Kiel, wie sie von modernen Doppler-Logs in der Betriebsart water-track" vorgenommen wird. Bei dem
gegenwärtigen Stand der Technik gibt es dennoch keine überzeugende Möglichkeit zur Messung der Geschwindig-keit durch das Wasser. Deshalb wird die Schiffsgeschwin-digkeit auch von der Propellerdrehzahl und dem Propeller-drehmoment abgeleitet. Flachwassereffekte werden bei dem beschriebenen Verfahren nicht berücksichtigt. da es
vorwiegend Atlantiküberquerungen oder vergleichbare
Routen betrifft. Die Doppler-Log-Anzeigen werden hier nur zur Kontrolle und wenn sinnvoll zur Justierung
herange-zogen.
Die Erfassung des Schiffskurses ist für die Schiffsführung zur Dokumentation bei Schlechtwetter und für die Zuord-nung des Windeinfaliwinkels wichtig. Generell gibt es keine
Festlegungen, wie die Winkelsignale im
bereichsüber-schreitenden Augenblick (0°/360°) den Rechnern mitgeteilt und verarbeitet werden sollen. Digitalanzeige und serielle Schnittstellen erscheinen hier am besten geeignet.
3.2 Computer-Hardware
Das Kernstück der Computer-Hardware ist ein zukunfts-weisender Mikroprozessor 68000 mit VME-Bus und
An-passungsfähigkeit an erweiterte zukünftige Problemstel-lungen. Unter anderem ist vorgesehen, einen Ladungs-rechnerfür statische Lastfälle zu integrieren. Die Speicher-kapazität beträgt z.Z. 512 kbyte RAM.
Das Betriebssystem ist VERSADOS mit Mehrplatzsystem für vier Anwender und sechs gleichzeitigen Programmen.
Im Seegangswarngerät werden vier Programme simultan ausgearbeitet. Es sind dies die Meßdaten-Akquisition, die Fourieranalysen, die Datenauswertung und die Kommuni-kation mit dem Grafikprozessor.
Mit Ausnahme eines TV-Monitors und den Verstärkerein-heiten läßt sich die Hardware in einem genormten 19-Rack
mit Höhe einer Doppel-Europakarte unterbringen. Alle
Komponenten sind vom Germanischen Lloyd dem Typ-test" für elektrisches Equipment unterworfen worden.
4. Signalaufbereitung
Die verstärkten Signale der Beschleunigungsaufnehmer werden für jeden Kanal mit einer 10-Hz-Rate digitalisiert.
Im Frühstadium der Entwicklung betrug die Abtastrate 5Hz, was zu ungenügender Genauigkeit bzw. höherem Rechen-aufwand beim Auftreten von Spitzenwerten der
Vertikal-beschleunigung im Vorschiff führte. Bei einer
Abfrage-frequenz von 10 Hz werden 1024 Meßdaten kontinuierlich
in einer Zeitreihe x(t)
über eine Grundperiode von
Tm = 102,4 Sekunden behandelt. Die Fouriertransformation liefert mit f0 = 1/Tm die Cosinus- und die Sinuskomponen-ten der Fourierreihe
512
x(t) =
(a,cosi2rf0t + b,sini2rf0t).
(1)1U
Die Ableitung nach der Zeit liefert
512
*(t) = 2t fo ¡[b, cos (i 2r tot) - a sin (i 2.t tot)]. (2)
¡=1
Die Ordinaten im Spektrum (Schätzwerte) ergeben sich für die Zeitfunktion x(t) zu
=
(a + b)
(3)2f0
und für die 1. Ableitung k(t) zu
k (i f0)
(2i)2
f0 (a + bi). (4)Für die Berechnung der Spannungen aus den gemessenen Beschleunigungssignalen werden die Kovarianzen Cx(t);
= E x(t) '(t)} benötigt (hierzu auch Abschnitt 5.1).
Die Funktion x(t) beschreibt die Beschleunigung mittschiffs (Aufnehmer 2 in Bild 4) und (T) gibt die zeitliche Abwei-chung der am Bug gemessenen Beschleunigung (Aufneh-mer 1 in Bild 4) an. Die Kovarianz wird bestimmt über den
Realteil der Kreuzspektraldichte:
Re (i
fo)! = ci (a b - b ai).
(5)Die Varianzen und Kovarianzen werden durch Summierung der Ordinaten der Spektren und Kreuzspektren bestimmt
zu
V(xl = fo (if0) (6)
C{x,}/}=fo
S(if0)
(7)wobei ¡, und ¡ die untere bzw. obere Grenze des
zuge-hörigen Frequenzbereichs darstellen. Im Frequenzbereich wurden drei Bereiche unterschieden, die den unterschied-lichen Ursachen der Schiffsbewegungen Rechnung tragen.
Es sind dies das Frequenzband des ,,whipping', dabei schwingt das Schiff in der Eigenfrequenz der 2-Knoten-Biegeschwingung, das Frequenzband der Starrkörper-schwingungen, die etwa mit der Begegnungsfrequenz zwischen Schiff und Wellen schwanken sowie das
Ere-quenzband um die Eigenfrequenz der Rolibewegung. Die hohe Frequenzauflösung durch die Fouriertransforma-tion geht durch die Summenbildung gemäß G). (6) oder G). (7) wieder verloren, umgekehrt ist die statistische Sicher-heit der Ergebnisse entsprechend höher. Die grobe Auf-schlüsselung der Beschleunigungen n die drei Frequenz-bereiche erwies sich als ausreichend.
Die Darstellungen im Monitor werden im 15-Minutentakt aktualisiert. Hierdurch werden die Varianzen und Kovarian-zen über eine Zeit von neun Grundperioden à 102,4 Sekun-den gemittelt, wodurch eine zufrieSekun-denstellende Glättung in der Monitoranzeige erreicht wird.
5. Auswertung
5.1 Bestimmung der Beanspruchung aus
den Beschleunigungssignalen
Die meßtechnische Bestimmung der Dehnungen oder
Spannungen in Hauptverbänden der Schiffskonstruktion
wurde durch eine geeignete Auswertung der vertikalen
Beschleunigung am Bug und mittschiffs ersetzt. Hierdurch konnten die Zuverlässigkeit des Geräts gesteigert und die Kosten entscheidend gesenkt werden. UmfangreicheTests
mit verschiedenen Algorithmen führten auf eine relativ
einfache Formel für die Abschätzung der Mittschiffsbean-spruchung im oberen Decksbereich von Containerschiffen:
Vjc}
= [(c1+c7F,,)w,+c2+c8F,,+(c3+cgF,,)/w,
+ (c4 + c10 F,,)/w,1 V1 + [C5 + C,1 F,, + (c6 + c12F,,)/w,] C{1,, 1ml.
Die Beanspruchung wird in Form der Varianz ausgedrückt; das ist ihr quadratischer Mittelwert. VV stellt die Varianz der vertikalen Beschleunigung im Vorschiff und C12;, 2,,,I die Kovarianz zwischen den Ableitungen über der Zeit für die Vertikalbeschleunigung am Vorschiff und der Vertikal-beschleunigung mittschiffs dar. Die
Schiffsgeschwindig-keit wird über die Froudesche Zahl F,, berücksichtigt. Wm ist
die signifikante Kreisfrequenz entsprechend
wm_V{l
2 V{ZV (9)Die Koeffizienten c bis c12 in G). (8) wurden nach der
Methode der kleinsten Fehlerquadrate bestimmt, wobei die Differenz zwischen den aktuellen Spannungen und der mit GI. (8) gegebenen Näherung minimiert wurde. In Ermange-lung geeigneter Daten wurden die aktuellen Spannungen rechnerisch simuliert, wobei der Bereich der wesentlichen Wellenperioden und Froudeschen Zahlen 0,07 <F,, <0,22
abgedeckt wurde. Drei Koeffizientensätze wurden in
Zu-ordnung zu den Hauptrichtungen des Schiffskurses zur
34
(8) b)
See (vorliche, quereinkommende und achterliche See)
bestimmt. Die Auswahl des aktuellen Koeffizientensatzes erfolgt im Seegangswarngerät automatisch entsprechend der Schätzung des Schiffskurses nach der Formel
=o+o,,F,,+(u1+z,,,F,,)
Vllm}
cj,
(10)wobei die , schiffsspezifische Konstanten sind.
Das Verfahren wurde durch meßtechnische Großversuche
auf MS Stuttgart Express' im Winter 1983/84 überprüft. MS Stuttgart Express" ist ein Containerschiff, das im
Nordatlantikdienst fährt. Die Schiffslänge betrug seiner-zeit 205 m. 1986 wurde das Schiff um 25 m verlängert. An Bord waren drei Beschleunigungsaulnehmer, drei
DMS-Vollbrücken, eine Kreiselanlage sowie eine
Windmeß-anlage vom Germanischen Lloyd installiert worden. Bild 6 zeigt eine Gegenüberstellung der sich aus der Rechnung über die Beschleunigungssignale ergebenden
kennzeich-nenden Spannungsamplitude im Mittschiffsbereich als
Z
4;
30 20 0o 10 20 30 40 30 20 lo zeit ir, h -.---.-Zeit in hBild 6: Gegenüberstellung der gemessenen und
be-rechneten signifikanten Spannung im
Mitt-schiffsbereich als Funktion der Zeit
mit DMS direkt gemessener Spannungs-verlauf
aus den mittschiffs und im Vorschiff
ge-messenen Beschleunigungen berechneter Spannungsverlauf
50 60 70
40 50 60 70
Messtechnische Briefe 22(1986). Heft 2
3°
Funktion der Zeit (Bild 6a) und der sich aus der Messung
über die DMS ergebenden Spannungen für die gleiche
Zeitspanne (Bild 6 b). Es wurde hier ein Zeitbereich von drei
Tagen mit vorherrschend vorlicher See betrachtet. Die Übereinstimmung ist als gut zu bezeichnen. Bei
achter-licher See sind Einbrüche der Verläufe festgestellt worden, so daß die Aussage des Seegangswarngerätes bei achter-licher See zur Zeit noch gewisse Einschränkungen erfor-derlich machen.
5.2 Leistungsmehrbedarf und
Widerstand-erhöhung
Schiffsbewegungen im Wasser verursachen zusätzlichen
Widerstand. Das bedingt eine Reduzierung der
Schiffs-geschwindigkeit und ein Absinken der Drehzahl oder bei unveränderter Geschwindigkeit eine Erhöhung der Lei-stung, d.h. des Propellerdrehmoments. Deshalb können Drehzahl und Drehmoment hinsichtlich der Schiffsbewe-gungen und der Gefährdung durch überkommendes Was-ser ausgewertet werden.
Moderne Schiffe sind mit Leistungsmeßanlagen
ausge-rüstet, in die eine Überwachung der Hauptmaschine be-züglich Drehmoment und Drehzahl integriert ist, so daß für das ,,Seegangswarngerät" dadurch wertvolle
Informatio-nen für eiInformatio-nen geringen Preis (Anpassung, Signalaufberei-tung) verfügbar sind.
12 1: 6 4 e 2 00
/
Zeit in hBild 7: Zeitverlauf des Leistungsmehrbedarfs für die in Bild 6 dargestellte Zeitspanne
Die Torsionsmomente und die Propellerdrehzahlen
wur-den detailliert nach Leistungsmehrbedarf und
Wider-standserhöhung ausgewertet. In Bild 7 ist der Leistungs-mehrbedarf für den selben Zeitbereich dargestellt, für den Bild 6 die Spannungen wiedergibt. Dabei wird der Kosten-faktor Seegang deutlich, denn der Leistungsmehrbedarf
ist in der Spitze größer als die erforderliche Antriebs-leistung bei ruhiger See. Zur Ermittlung des Leistungs-mehrbedarfs wurden umfassende Algor)thmen für die
Berechnung der Glattwasserleistung vorgesehen, die den Einfluß von Außenhaut- und Propellerrauhigkeit erfassen.
So liefert das Gerät auch im normalen Betrieb einen Beitrag
zur Wirtschaftlichkeit, indem die Erhöhung der
Außenhaut-rauhigkeit festgestellt und Dockzeiten für Sandstrahlen
und Beschichtung optimal eingeplant werden können.
5.3 Seegangsstöße aufs Vorsch 1ff
Stöße durch Seegang auf das Vorschiff (bow impact)
ver-ursachen plötzliches Schwingen des Schiffs (whipping)
in der Eigenfrequenz der 2-Knoten-Biegeschwingungen. So wie Drehzahl und Drehmoment an der Propellerwelle
der Erfassung der Schiffsbewegung dienen, so wird die Grundbiegeschwingung des Schiffs zur Erfassung der
Stöße aufs Vorschiff verwendet. Aus Bild 8 erkennt man, daß der Starrkörperbewegung des Schiffs mit einer kenn-zeichnenden Periode von 9 s eine Biegeschwingung mit ca. 1 Hz überlagert ist. Mit Hilfe der Fourier-Analyse lassen sich die jeweiligen Komponenten leicht trennen.
1f
0,5 o 0.5 6 E 2 3 2Bild 8:
Zeitverläufe der Bewegungen eines
Contai-nersch if f sDie Lastgröße des whipping' wird durch die
Summen-bildung gemäß GI. (6) berechnet, wobei die unteren und oberen Grenzen des Frequenzbandes ca. ± 30%
unter-bzw. oberhalb des Mittelwerts der 2-Knoten-Biegeschwin-gungsresonanz eingesetzt sind. Durch die Bandbreite wer-den die durch die Beladungsveränderung bedingten Eigen-frequenzverlagerungen ebenfalls abgedeckt. Der Rausch-anteil im Signal, vorwiegend durch höherfrequente Schwin-gungen durch die Hauptmaschine erregt, wird ebenfalls berücksichtigt, um eine verläßliche Erfassung der Stoß-belastung zu ermöglichen.
Messtechnische Briefe 22(1986), Heft 2 35
760 770 780 790 800 810 820
Zeit in s
5.4 Zusammengesetzte Belastung
,,Com-bined Load"
Für die realistische Bewertung des momentanen Seever-haltens st es erforderlich, die verschiedenen
Komponen-ten der Beeinträchtigung bzw. Gefährdung auf eine
ge-meinsame Bewertungsbasis zu bringen. Erst dann ist es möglich, die verschiedenen Auswirkungen von Kurs- und Geschwindigkeitsänderungen gegeneinander abzuwägen und die Komponenten zu der im Gerätsogenannten Com-bined Load" zusammenzufassen. Die Zusammenfassung der Gefährdungskomponenten zu einer einfachen MeS-zahl wurde gewählt, um der Schiffsführung die Gefährdung auf einen Blick deutlich zu machen, und zwar unabhängig davon, ob z.B. die Beanspruchungen im Hauptdeck oder die Querbeschleunigungen in der oberen Containerlage oder die Kombination dieser Komponenten maßgebend ist. Die Zusammenfassung der einzelnen Komponenten der Beeinträchtigung bzw. Gefährdung zur zusammengesetz-ten Belastung erfolgt nach der Formel
C=cP
(11){
V Vi{uf
+
Vjexp
Or,] 2(ViladI + vfrr1)cT
In dieser Formel sind cp der Preis pro Leistungseinheit,
Pder Leistungsbedarf im Seegang, c, die erwarteten Kosten
bei Überschreiten der ertragbaren Belastung, VUd} die
Varianz der aktuellen Mittschiffsbeanspruchung,V,{a die
Varianz der tatsächlichen Ertragbarkeit
(Widerstands-fähigkeit von Schiff und Ladung gegen die Belastungseirl-flüsse), a die vorhandene Ertragbarkeit und T00 die kenn-zeichnende Periode der Belastung.
Für die während der Erprobungsphase 1983/84 auf der MS Stuttgart Express" erfaßten Einzelkomponenten wurden
36 120 loo o lO 20 30 Ze,t ir, h
Bild 9: Zeitverlauf der ,,Zusammengesetzten Bean-spruchung" für die in den Bildern 6 und 7 dar-gestellte Zeitspanne
1.0 SO 60 70
zusammengesetzte Belastungen errechnet. Bild 9 zeigt beispielhaft die zusammengesetzte Belastung für den
selben Zeitbereich, für den Bild 6 die signifikanten Span-nungen und Bild 7 den Leistungsmehrbedarf wiedergibt.
6. Fahrtempfehlungsdiagramm für
die bei Seegang zu wählende
Ge-schwindigkeit
Die Schiffsgeschwindigkeit ist der wesentliche Parameter für die Beeinflussung des Seeverhaltens. Das Kriterium für die optimale Schiffsgeschwindigkeit im Seegang basiert auf der im Abschnitt 5.4 definierten Zusammengesetzten
Beanspruchung'. Der Erstellung des Diagramms in Bild 3 liegt folgende Gleichung zugrunde:
dC
dv V - C = const. (12)
Hierbei ist dC/dy die Ableitung der mit G. (11) ermittelten Kennzahl C nach der Geschwindigkeit y. im einzelnen wer-den folgende Schritte bei der Berechnung der empfohlenen Geschwindigkeit ausgeführt:
Wahl der Konstanten auf der rechten Seite von GI. (12) entsprechend dem Wert auf der linken Seite für ruhiges Wasser und eine Schiffsgeschwindigkeit, die 10% über der erforderlichen Dienstgeschwindigkeit liegt. Berechnung derSchiffsgeschwindigkeitvgemäßGl.(12)
für den betrachteten Seegang und den Kurs zur See. Bestimmung der maximalen Geschwindigkeit Vmax ent-sprechend der maximal verfügbaren Antriebsleistung.
Verwendung des kleineren Werts y oder vm8,.
Bild 3 zeigt das Ergebnis für den Erprobungsträger MS Stuttgart Express".
7. Zusammenfassung
Die instrumentelle Entscheidungshilfe soll die Handhabung der Schiffe im Seegang erleichtern ähnlich einem
Radar-gerät, das den Schiffsverkehr bei unsichtigem Wetter
sicherer und schneller gemacht hat. Die Gefährdung des
Schiffs wird in dem Trenddiagramm der
Zusammenge-setzten Belastung" kompakt angezeigt. Nach Bedarf kann die Schiffsführung einzelne Belastungskomponenten ge-zielt in einem Trenddiagramm anzeigen lassen.
Besondere Bedeutung kommt dem erhöhten Kraftstoffver-brauch aus dem Leistungsmehrbedarf im Seegang zu. Zu-sätzlich sind auch gezielte Angaben für erhöhte Leistung infolge Außenhautbewuchs und Propellerrauhigkeit mög-lich, wodurch auch für Fahrt des Schiffs im ruhigen Wasser
sich wirtschaftliche und terminhiche Vorteile ergeben
können.
Mestechr,iche Briefe 22(1986), Heft 2
C r, So E C