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Widok Bediener-, bedienungs-, bedienfreundlich: Zu Wortbildungen mit dem Zweitglied -freundlich

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Academic year: 2022

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Studia Linguistica XXXI Wrocław 2012

PETRA SZATMÁRI

Budapest, Ungarn

Bediener-, bedienungs-, bedienfreundlich:

Zu Wortbildungen mit dem Zweitglied -freundlich

1. Vorüberlegungen

Ziel des vorliegenden Aufsatzes ist es, die vielfältigen paradigmatischen Be- ziehungen, die Wortbildungen mit dem Zweitglied -freundlich eingehen, einer näheren Betrachtung zu unterziehen. Dazu wird zuerst das Beziehungsgefüge des Adjektivs freundlich vorgestellt. Anschließend werden anhand eines Kleinkorpus wesentliche morphologische, syntaktische und semantische Eigenschaften der adjektivischen Bildungen mit -freundlich beschrieben.

2. Das Adjektiv freundlich

Das mit dem hochproduktiven transponierenden Affi x -lich (vgl. Eichinger 2009:150) abgeleitete Relativadjektiv freundlich (ahd. friuntlīh)1 in der Bedeu-

1 Es wurde vom seit dem 8. Jh. in der deutschen Sprache belegten Nomen Freund (ahd. friunt) abgeleitet. Dabei wird die lexikalische Bedeutung des Lexems von der Basis und dem Suffi x getragen. Das Suffi x -lich (entstanden aus dem germanischen Substantiv līka ‚Körper, Leib’ und ursprünglich zur Bildung von exozentrischen Komposita genutzt) wird seit dem 8. Jh. auch zur Ableitung von Adjektiven verwendet (vgl. Schmidt 82008:51). Nach Schmidt (82008:121) diente es ursprünglich dazu, „auf etwas dem Stammwort Natürliches, Gemäßes“ hinzuweisen. Als Basis dienen Nomen (Personen-, Gegenstands-, Zeit-, Vorgangs- und Zustandsbezeichnungen: feindlich, briefl ich, nächtlich, feierlich, schmerzlich), Adjektive (reinlich), Infi nitive und Partizipien mit eingeschobenem -t- (fl ehentlich, hoffentlich, wöchentlich) sowie Verben (tauglich, vergesslich) (vgl. Schmidt 82008:121, Beispiele auch dort). Daneben wird das Suffi x -lich auch zur Ableitung von Adverbien herangezogen (neulich, schließlich, wahrlich) (vgl. Schmidt 82008:126, Beispiele auch dort).

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tung von ‚herzlich, verbindlich, wohlwollend’ ist seit dem 11. Jahrhundert Be- standteil des deutschen Wortschatzes.2

Ein Charakteristikum der Adjektive ist, dass sie in (symmetrischen oder asymmetrischen, offenen oder geschlossenen) Kontrastrelationen komplemen- tärer oder antonymer Natur vorkommen können (vgl. Breindl 2009:410). Im Wortschatzportal der Universität Leipzig kommen z.B. die synonymen Relationen von freundlich zu anderen Adjektiven über die Bedeutungsgruppen von Dornseiff anschaulich zum Ausdruck (vgl. wortschatz.uni-leipzig.de, 06.06.2012)3:

Hilfe: altruistisch, freundlich, geneigt, günstig, selbstlos, uneigennützig, wohlwollend;

Lust verursachen: bezaubernd, einnehmend, fein, fesch, fl ott, freundlich, gewinnend, göttlich, himmlisch, köstlich, nett, reizend, schön, verführerisch, ver- lockend, wonnig, wunderbar;

Wohlwollen: aufmerksam, barmherzig, bereitwillig, diskret, edel, entge- genkommend, freigebig, freundlich, gefällig, gemütlich, gerecht, großmütig, gütig, gut, gutartig, gutherzig, gutmütig, human, wohlwollend;

Höfl ichkeit, Gruß: freundlich, gefällig, gesprächig, gutmütig, hilfsbereit, kurzweilig, leutselig, liebenswürdig, mild, nachgiebig, sanft, verbindlich, willfäh- rig, zutraulich, zuvorkommend;

Eintracht: brüderlich, freundlich, freundschaftlich, friedlich, friedlie- bend;

Freundschaft: befreundet, brüderlich, einig, einträchtig, freundlich, ge- neigt, harmonisch, traut, unzertrennlich, wohlwollend, zugetan;

Milde: duldsam, freiheitlich, freundlich, gelinde, generös, glimpfl ich, gnädig, großzügig, gütig, human, lax, liberal, mild, mitleidig, nachgiebig, nachsichtig, sanft, sanftmütig, tolerant.

2 Nach Lohde (2006:186, Fußnote 53) drücken Relativadjektive „eine allgemeine Beziehung (daher auch der Terminus ‚Beziehungsadjektive’) hinsichtlich des durch das substantivische Basiswort bezeichneten abstrakten Begriffs“ aus. Dabei handelt es sich um Beziehungen des Besitzes, der Zugehörigkeit, der Herkunft. Derartige Adjektive bilden antonyme Pole, die zueinander in dem

„logischen Verhältnis der Kontrarietät stehen, d.h. die Affi rmation des einen Pols impliziert zwar die Negation des anderen, aber nicht umgekehrt: da es einen intermediären Bereich gibt, können beide falsch sein, oder: nicht jeder, der nicht hässlich ist, ist deshalb gleich schön zu nennen“ (Breindl 2009:410).

3 In der Quantitativen Linguistik wird statt ‚Polysemie’ der Begriff ‚Polylexie’ verwendet (vgl.

Kamta 2009, Steiner 2004). Der Begriff ‚Polylexie’ bezieht sich auf die Anzahl der Bedeutungen eines gegebenen Lexems zu einem gegebenen Zeitpunkt (vgl. Kamta 2009:5). Es wird u.a. davon ausgegangen, dass es einen Zusammenhang zwischen Polylexie und Wortbildung gibt: Lexeme mit hoher Sememzahl weisen eine große Wortbildungsaktivität auf, wobei diese Lexeme zugleich zentrale (prototypische) Elemente in ihrem Bedeutungsbereich sein müssen (vgl. Steiner 2004:211–212, 247).

Beides trifft – wie die Angaben im Wortschatzportal belegen – in hohem Maße auf das Adjektiv freundlich zu, so dass dessen Wortbildungsproduktivität eigentlich nicht überraschen dürfte.

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Nicht gering ist auch die Zahl der Adjektive, zu denen freundlich in antonymischer Relation steht: abhold, arrogant, aufbrausend, bärbeißig, barsch, boshaft, bösar- tig, böse, brutal, brüsk, düster, eingebildet, ernst, feindlich, garstig, grausam, grimmig, hart, hassend, kalt, kriegführend, rau, reizbar, reserviert, streng, süffi - sant, traurig, trist, unfreundlich, unhöfl ich, verdrießlich, verhärtet, wütend. 4

Unter den signifi kanten rechten Nachbarn von freundlich fi ndet sich im Wort- schatzportal lediglich ein einziges Nomen, und zwar Auskunft (mit 40 Treffern);

infi nite (vor allem Partizipien) bzw. fi nite Verbformen dagegen lassen sich besonders häufi g als rechte Nachbarn ausmachen, was gewisse Rückschlüsse zulässt: (a) auf die zeitliche Lokalisierung der Sätze, in denen freundlich verwendet wird, und (b) auf die attributive Verwendung von freundlich (freundlich lächelnd/gesinnte/wirkender).

Obige Angaben lassen sich des Weiteren präzisieren. Hinsichtlich der Bedeu- tung des Adjektivs hält das DWDS Folgendes fest5:

1. ‚sich den Mitmenschen gegenüber wohlwollend zeigend, wohlgesinnt’:

ein freundlicher Gastgeber, eine freundliche Stimme, ein freundliches Gemüt, jmdm. freundlich danken, jmdn. freundlich anblicken;

2. ‚heiter stimmend, ansprechend’: freundliche Umgebung, freundliches Haus; freundlicher Anblick, Sonne scheint freundlich;

3. ‚Bank’: die Tendenz an der Börse ist freundlich (= ‚günstig’), Wertpapiere liegen freundlich (= ‚stehen günstig im Kurs’).

Außerdem sind einschlägigen Nachschlagewerken wie Wahrig (1991) und Ag- ricolas „Wörter und Wendungen“ (131988) weitere nominale Kollokationspart- ner von freundlich zu entnehmen: personenbezeichnende Nomen (freundlicher Mensch, freundliches Wesen); Nomen, die sich auf Körperteile beziehen, an denen Einstellungen abgelesen werden können (freundliches Gesicht, freundliche Miene); Nomen, die menschliche Verhaltensweisen benennen (freundliches Aner- bieten, freundliche Aufnahme, freundliche Worte) sowie Nomen, die sich auf un- mittelbar in der Umgebung des Menschen Befi ndliches beziehen, auf etwas, mit dem der Mensch in Berührung kommt (freundliche Wohnung/Stadt/Landschaft, freundliches Wetter/Klima). Es kann zudem mit Verben, die Interaktionen zum Ausdruck bringen, verknüpft werden, vgl. jmdn. freundlich behandeln, ansehen;

jmdn. freundlich [zu etwas] auffordern; jmdm. freundlich zunicken, zuwinken;

freundlich zu jmdm. sein.

Hinsichtlich der morphologischen und syntaktischen Eigenschaften verhält sich freundlich wie ein strukturell einfaches (primäres) Adjektiv, d.h. freundlich kann wie ein prototypisches Adjektiv

4 Quellen: http://www.herocall.net/antonym/freundlich.html; http://was-ist-das-gegenteil-von.de/index.

php?q=freundlich; http://synonyme.woxikon.de/synonyme/freundlich.php (Zugriff: 19.05.2012).

5 Wahrig (1991) präzisiert: „wohlwollend, leutselig, herzlich; zutraulich; gutgemeint; liebens- würdig, gefällig; heiter, licht, ansprechend, heimelig“.

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a) attributiv und fl ektiert links von einem Nomen verwendet werden (als At- tribut zu menschlichen Wesen bzw. zu Lebewesen schlechthin, zu Konkreta und Abstrakta treten): eine freundliche Geste; ein freundliches Tier6;

b) attributiv und nicht-fl ektiert links von einem Adjektiv gebraucht werden:

freundlich lächelnde Person;

c) prädikativ, adverbial und unfl ektiert im Satz auftreten: warum es klug ist, freundlich zu sein (http://hpd.de/node/5697, Zugriff: 21.04.2012), Wir haben ihn in dieser Zeit stets als offen, freundlich und einfühlsam erlebt, sowohl im Umgang mit den Patienten als auch mit dem Personal (http://blog.bernerzeitung.ch/leser- blog/index.php/30950/offen-freundlich-einfuhlsam/, Zugriff: 31.03.2012);

d) morphologisch graduiert werden: Osteuropa am freundlichsten zu In- vestoren (http://derstandard.at/1277337617444/Osteuropa-am-freundlichsten-zu- Investoren, Zugriff: 05.05.2012);

e) Leerstellen für zu-/gegen[über]-/von-Phrasen eröffnen7: Euer Vater war immer sehr freundlich zu mir, nicht so wie der Vater von Mrs. Weasley (http://www.

amazon.de/Harry-Potter-8/forum/Fx15WGXOW7E4B6G/Tx1AOQVFIAGGD2S/

1?asin=0545010225, Zugriff: 01.05.2012), Der Pfadfi nder ist höfl ich und freund- lich gegen jedermann. [...] Der Pfadfi nder ist freundlich gegenüber allen Menschen (http://de.wikipedia.org/wiki/ Pfadfi ndergesetz, Zugriff: 01.06.2012), Es wäre sehr freundlich von Ihnen, wenn Sie sich für meine Familie interessierten, [...] (http://

www.nahrungsverweigerung.de/scripts/gedanken3.html, Zugriff: 01.05.2012);

f) substantiviert werden: Das Bild hängt im Mozartmuseum in Salzburg und zeigt von Wolfgang nur das komisch Freundliche des Kindergesichtes [...] (http://

www.zeno.org/Musik/M/Nohl,+Ludwig/Mozarts+Leben/Erster+Teil.+Die+Le- hrzeit+und+die+Wanderjahre.+1756-1781/Erster+Abschnitt.+Die+Kindheit, Zu- griff: 01.05.2012)8;

g) in Gegensatzpaaren aufscheinen: freundlich vs. feindlich, wobei die Ge- gensätzlichkeit aber auch mithilfe der Präfi xbildung mit un- (unfreundlich) ausge- drückt werden kann;

h) intensiviert werden: sehr freundliche Wirtsleute, überaus freundlich, äu- ßerst freundlich9;

6 Ein entsprechender Internet-Beleg lautet: In den Mythen des alten Ägypten war die Krabbe ein Riesentier, das die Göttin des Nils auf dem Rücken trug. Aber für viele der einfachen Leute war sie ein kleines, freundliches Tier, über das sie gern Geschichten erzählten (http://www.internet- maerchen.de/maerchen/krabbe.htm, Zugriff: 03.05.2012).

7 Die Internetrecherche belegt auch die Leerstellenbesetzung durch eine mit-Phrase, vgl. die folgende Abschrift aus dem Schweizerischen Dorfkalender auf das Jahr 1871 (Eine Volkssage aus dem Emmental): Röseli, so hiess dasselbe, war von Allen geliebt [...]. Es hatte ein treues, gutes Herz, liebte alle Menschen gleich und war mit Jedermann freundlich. [...] Röseli war nämlich nur freundlich mit den Sittsamen (http://www.zauri.ch/ diverses/graebt/ index.html, Zugriff: 01.05.2012).

8 Daneben besteht die Möglichkeit, ein Nomen mithilfe des Suffi xes -keit (Freundlichkeit) abzuleiten.

9 Breindl (2009:410–411) hebt hervor, dass relative Adjektive (Bereichsadjektive) im Gegensatz zu den absoluten Adjektiven (Endpunktadjektiven) intensiviert werden können. Sie verwendet für die Ausdrücke, die eine intensivierende Funktion haben, die Bezeichnung ‚Intensitätspartikeln’

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i) Teil neuer Wortbildungskonstruktionen sein: megafreundlich, super- freundlich, scheißfreundlich, überfreundlich, menschenfreundlich,10 umwelt- freundlich.

Das Adjektiv freundlich steht somit in einem umfangreichen paradigmatischen Beziehungsgefüge. Für den vorliegenden Aufsatz sind die Wortbildungsaktivi- täten, genauer gesagt: Bildungen mit dem Zweitglied -freundlich der Art men- schen-/umweltfreundlich, von Bedeutung.

Bei der Bestandsaufnahme dieser Bildungen soll auch der Frage nachgegan- gen werden, welche semantischen und morphosyntaktischen Merkmale des frei vorkommenden Adjektivs in das Zweitglied einfl ießen.

3. Das Zweitglied -freundlich

3.1. Eine Art Bilanz

Eine Ursache für die Zunahme adjektivischer Wortbildungsmodelle glaubt Poethe (1988:342) in der „Verdichtung von Satzstrukturen“ zu erkennen, wodurch es zur verstärkten Attribuierung von Satzgliedern kommt, wozu gerade adjektivische Bildungen besonders geeignet sind, weil sie „verschiedenartige Beziehungen zwischen Gegenständen und Erscheinungen in knapper Form“ (Poethe 1988:342) zum Ausdruck bringen.11

Die jeweiligen Bedeutungsbeziehungen lassen sich mithilfe von Paraphra- sierungen verdeutlichen. Da es aber keine allgemein gültigen Paraphrasierungs- regeln gibt, obliegt es letztendlich dem kompetenten Produzenten/Rezipienten, die Wortbildungsprodukte u.a. aufgrund seines Vorwissens und der kontextuellen Einbettung zu interpretieren.12

(allerdings ist anzumerken, dass in der Fachwelt verschiedene Termini geläufi g sind, z.B.

Steigerungspartikel, Intensivpartikel, Gradpartikel). Neben Intensitätspartikeln wie sehr, überaus, besonders haben verschiedene Adjektive wie recht, äußerst, ziemlich, unglaublich intensivierende Funktion, als Oberbegriff für all diese Ausdrücke fungiert bei Breindl der Terminus ‚Intensifi kator’.

10 Diese Wortbildung zeigt, dass gelegentlich auch das mit Freund gebildete Kompositum als Basis betrachtet werden kann, so dass diese Wortbildungen doppelt motiviert sind, vgl. Menschenfreund – menschenfreundlich bzw. Menschenfeind – menschenfeindlich (vgl. Brdar-Szabó 1990a:113).

11 Schröder (1985:83) erwähnt produktive Bildungen wie umweltfreundlich, -feindlich, -schützend, -gefährdend, -bewusst, -bezogen, -orientiert, -gestört.

12 Nur das Weltwissen des Rezipienten ermöglicht es, umweltgeschützt als ‚schützt die Umwelt’

(vgl. umweltgeschützte Gebiete ‚Gebiete, in denen die Umwelt geschützt wird’) bzw. windgeschützt als ‚vor dem Wind geschützt’ (windgeschützte Buchten ,Buchten, die vor dem Wind geschützt liegen’) zu interpretieren. Auf die Probleme, mit denen diese Methode behaftet ist (Akzeptabilität, annähernd gleicher Informationswert: Problem der Über-/Untercharakterisierung), macht u.a. Brdar- Szabó (1990a:70–71) aufmerksam, wobei der Kontext immer mit berücksichtigt werden muss, denn z.B. Wortbildungen in literarischen Texten wird ein größerer Spielraum für Deutungsmöglichkeiten zugestanden als denen in verwaltungsbehördlichen Texten.

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Den adjektivischen Wortbildungen wie unfallfrei, standardmäßig, lichtbe- ständig, schlüsselfertig, ofenfrisch, körpergerecht, leistungsintensiv, fachspezi- fi sch, datenverarbeitend, gefi er getrocknet usw. gegenüber zeigt sich eine Of- fenheit, die Sanders (21990:166, Beispiele auch von dort) auf den Punkt bringt, indem er betont, dass diese „sich in stark produktiven Typen dem modernen Sprachgebrauch bestens einfügen.“

Hier lassen sich ebenfalls die Wortbildungen mit dem Zweitglied -freundlich einreihen, die im Folgenden einer näheren Betrachtung unterzogen werden sollen.

Bei den Wortbildungen mit dem Zweitglied -freundlich handelt es sich um eine Erscheinung der Gegenwartssprache. Wenn man sich am Wortschatzportal der Universität Leipzig orientiert, in dem umweltfreundlich mit 127 Belegen den ersten Platz unter diesem Wortbildungstyp einnimmt, und sich vor Augen führt, dass in dem 1976 von Ruth Klappenbach und Wolfgang Steinitz heraus- gegebenen 5. Band des „Wörterbuchs der deutschen Gegenwartssprache“ u.a.

umweltfreundlich/-feindlich als Neuprägungen verzeichnet sind (vgl. Liimatainen 2008:59), kann man davon ausgehen, dass ab den 1950er/1960er Jahren verstärkt solche Konstruktionen gebildet wurden,13 die bald das Interesse der Linguisten auf sich lenkten. In den Arbeiten wurde vor allem versucht, deren Status zu be- stimmen, in erster Linie drehte es sich um ihre Zuordnung, d.h. um die Frage, ob Wortbildungskonstruktionen mit einem Zweitglied wie -freundlich adjektivische Komposita (Lipka 1966, Lohde 2006:159–160) sind, oder ob das Zweitglied in diesen Wortbildungsprodukten als Suffi xoid (vgl. Engel 21992:578), d.h. als Wortbildungsmittel mit Übergangscharakter vom freien zum gebundenen Mor- phem, anzusehen ist.14 Auf eine Diskussion der Auffassungen wird hier verzich-

13 In Lipka (1966) fi nden sich neben den dem Rechtschreibduden (1961) entnommenen Bildungen franzosenfreundlich, menschenfreundlich, scheißfreundlich auch die vom Autor exzerpierten Belege hautfreundlich, kirchenfreundlich, regierungsfreundlich sowie einige Bildungen mit Eigennamen, z.B. CDU-freundlich, wobei er ausdrücklich Anspruch auf Vollständigkeit erhebt und betont, dass für das Deutsche nur Belege aufgenommen wurden, die gebräuchlich sind (vgl. Lipka 1966:18).

14 Suffi xoide sind dadurch gekennzeichnet, dass sie in Wortbildungskonstruktionen (a) bedingt durch eine Uminterpretation eine generellere Bedeutung haben; (b) unmarkierter sein können; (c) eine Verbindung eingehen, für die zum gleichen Wort keine „systematischen syntaktischen Konstruktionen“

vorliegen (vgl. Motsch 1996:167). Fandrych (2011:140) lehnt den Begriff als zu eng ab. Weil damit wichtige Kernbereiche der adjektivischen Wortbildung wie der Ausbau mit relationalen (-freudig) bzw.

partizipialen (-orientiert) Zweitgliedern nicht erfasst werden, sei eine differenziertere Beschreibung und andere Terminologie unumgänglich. Er schlägt die Begriffe ‚lexematische Junktionsbildung’

für den Prozess bzw. ‚lexematischer Junktor’ für das Wortbildungsmittel vor. Eichinger (2000:73) dagegen übernimmt die Begriffe Affi xoid bzw. Halbaffi xe und meint, dass die Analyse adjektivischer Wortbildungen es zulässt, „den klassischen Übergangsbereich in dieser Wortart, die sogenannten Halbaffi xbildungen, als eigenständige Erscheinungen zu berücksichtigen,“ was er damit begründet, dass sie „‚zuviel’ lexikalische Bedeutung haben, als dass sie guten Gewissens schon als Suffi xe erklärt werden könnten, und andererseits als zu unselbständig gelten müssen, als dass man sie guten Gewissens unter die Komposita einordnen könnte“ (Eichinger 2000:157). Vor diesem Hintergrund arbeitet er auch mit Formulierungen wie „der eher kompositionelle Teil der sogenannten Halbaffi xbildungen“

(Eichinger 2000:133). Des Weiteren vertritt er die Auffassung, dass sich solche Bildungen am besten „in Termen der Inkorporation“ (Eichinger 2000:158) erfassen lassen. Ein anderer Ansatz

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tet, einig sind sich letztlich alle Beschreibenden darin, dass diese reihenbildenden adjektivischen Zweitglieder über Eigenschaften verfügen, die weder eine eindeu- tige Zuordnung zu den Kompositionsgliedern noch eine zu den Suffi xen zulassen.

Anhand der mir zur Verfügung stehenden Fachliteratur möchte ich zunächst eine überblicksartige Zwischenbilanz ziehen (vgl. Kühnhold/Putzer/Wellmann 1978, Poethe 1988, Duden 1984, Schröder 1985, Brdar-Szabó 1990a, Motsch 1996, Fandrych 2011):

(1) Adjektivische Bildungen mit dem Zweitglied -freundlich stellen ein hochproduktives Muster dar, d.h. sie sind reihenbildend und folgen einem seman- tisch bestimmten Modell.

(2) Bei diesen Bildungen kommt es zu einer semantischen Verschiebung.15 Kühnhold/Putzer/Wellmann (1978:464) stellen fest, dass Reihenbildungen mit -freundlich als zweiter Konstituente zwei Wortbildungsmuster aufweisen:

(2.1.) Das Wortbildungsmuster Nomen + freundlich bringt entweder ‚eine Hilfe oder Begünstigung’ (wirtschaftsfreundlich ‚begünstigt die Wirtschaft’) oder ‚von Basisnomen (BN) wenig brauchen’ (pfl egefreundlich ‚braucht wenig Pfl ege’) oder

‚BN schonen’ (darmfreundlich ‚schont den Darm’) zum Ausdruck. (2.2.) In Ver- bindung mit einem Verb bekommt die Konstruktion eine passivische Bedeutung (frisierfreundlich ‚lässt sich leicht frisieren/kann leicht frisiert werden’) oder lässt sich (2.3.) einer Restgruppe zuordnen, in der es darum geht, dass etwas mit einer Eigenschaft ausgestattet wird, die veranlasst, dass man sich gern darauf einlässt (schmusefreundlich ‚dass man gern mit jmdm. schmust’) (vgl. Kühnhold/Putzer/

Wellmann 1978:140, Beispiele auch dort).16

Schröder (1985:82) geht von zwei Varianten der Bedeutungsveränderung aus:

Sie liest -freundlich als ‚entgegenkommend’ in benutzer-, leser-, bevölkerungs- freundlich und als ‚schonend’ in faser-, haar-, hautfreundlich. Poethe (1988:344) folgt eher einer minimalistischen Auffassung, indem sie -freundlich (kunden-,

versucht diese Wortbildungen im Übergangsbereich von Komposition und Derivation mithilfe von Merkmalbündelungen zu erfassen und im Sinne von Zentrum und Peripherie zu beschreiben (vgl.

Brdar-Szabó 1990a/b) bzw. im Rahmen der Prototypentheorie zu erklären (vgl. Brdar-Szabó/Brdar 2000).

15 Dies zeigt sich auch daran, dass eine „syntaktische Aufl ösung in die Komponenten“ (Brdar- Szabó 1990a:69) nicht gegeben ist. Bedeutungsverschiebung ist gerade das Merkmal, an dem sich die Geister für bzw. gegen den Affi xoid-Status scheiden. Fandrych (2011) z.B. meint, dass die Herleitung der Kategorie ‚Halbsuffi x/Suffi xoid’ („Verblassung der Ausgangsbedeutung: Umkehrung der ursprünglichen Bedeutungsbeziehung“) nicht in jedem Fall zutrifft. Er stützt seine Feststellung durch Belege aus dem Wortschatzportal der Universität Leipzig, wo für die meisten Belege mit -freundlich/-feindlich Bezugnomen vorkommen, die „als Handlungen oder Handlungsresultate von Individuen, Personengruppen oder Institutionen aufgefasst werden können und somit ein Agens durchaus implizit ist“ (Fandrych 2011:151). In der Fußnote 15 bringt er einige der wenigen gefundenen Belege für Bezugsnomen, die unbelebt und „auch nicht indirekt auf ein Agens beziehbar“

sind: bürstenfreundliche Glatze, badefreundliche [Temperatur-]Werte (vgl. Fandrych 2011:151).

16 Die Autoren geben zudem auch eine Reihenfolgehierarchie an. Am häufi gsten kommen demnach Bildungen der Art wirtschaftsfreundlich vor, ihnen folgen Konstruktionen wie frisierfreundlich, auf Rang drei liegen gleichmäßig verteilt Bildungen wie darmfreundlich bzw. pfl egefreundlich, sehr selten sind Bildungen wie schmusefreundlich.

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fußgänger-, presse-, familien-, kunstfreundlich – Beispiele: Poethe 1988) als ‚an- genehm in Bezug auf etwas/für jemanden’ verstehen will.

Im Duden (1984:491) wird neben anderen Bildungen die Wortbildung spülfreundlich den „Verbaladjektiven des passivisch-modalen Typs“ (im Sinne von ‚kann ... werden’) zugeordnet, wobei -freundlich zusätzlich das Merkmal

‚leicht’ trägt.

Bei der Beschreibung der reihenbildenden adjektivischen Zweitglieder spielt auch der Umstand eine Rolle, dass die Argumentstellen ihrer frei vorkommenden Pendants in die Wortbildung einfl ießen, was Eichinger (2000) z.B. mit dem Begriff ‚Inkorporation’ und Fandrych (2011:140, vgl. auch Fußnote 14 meiner Arbeit) mit der ‚lexematischen Junktionsbildung’ zu erfassen suchen. Die Argu- mentstellen mitberücksichtigend unterteilt Fandrych (2011:151, Beispiele auch dort) die adjektivischen Zweitglieder in semantisch-funktionale Gruppen und billigt dem antonymischen Zweitglied-Paar -freundlich/-feindlich einen eigenen Bereich ‚positive/negative Wirkung zeigend: Y hat negative/positive Auswirkung auf X’17 zu, in dem -freundlich in die Untergruppen ‚Y hat positive/keine negative Auswirkung auf X’ (umweltfreundlich, wissenschaftsfreundlich) und ‚Y hat posi- tive Einstellung zu X’ (gewerkschaftsfreundlicher Wirtschaftsweiser) eingeordnet wird. Auch Brdar-Szabó (1990a:113f.) räumt dem antonymischen Zweitglied- Paar -freundlich/-feindlich ein eigenständiges semantisches Paradigma ein: „Pro und Kontra.“

(3) Ein gewichtiges Argument gegen die Auffassung von -freundlich als Kompositionsglied ist neben der Reihenbildung und der Verblassung der Be- deutung, dass das Zweitglied „oft nicht die gesamte Konstruktion semantisch repräsentieren kann, wie das bei Determinativkomposita üblich ist: *freundliche Öffnungszeiten (für kundenfreundliche Ö.)“ (Poethe 1988:344; vgl. auch Brdar- Szabó (1990a:66) und Fandrych (2011:140)).

3.2. Korpusanalyse

Die folgende Beschreibung, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben will und auch keine statistische Auswertung anstrebt, beruht auf dem von mir erhobe- nen Kleinkorpus, das derzeit 132 Belege umfasst18:

17 Die anderen beiden Subgruppen füllen Bildungen mit -feindlich aus: ‚Y hat negative Auswirkungen auf X’ (rückenfeindlich) und ‚Y hat negative Einstellung zu X’ (fussballfeindlich) (vgl. Fandrych 2011:151).

18 Die Belege wurden dem Rückläufi gen Online-Wörterbuch der Deutschen Sprache, dem Wortschatzportal der Universität Leipzig, Online Dictionary English-German, Magyar Német Online szótár [Online-Wörterbuch Ungarisch-Deutsch], Retrográd online-szótár [Rückläufi ges Online-Wörterbuch], Internetrecherchen und der Fachliteratur entnommen. Die Aufnahme dieser Wortbildungen in die Online-Wörterbücher scheint eine Gewähr für eine gewisse Geläufi gkeit zu sein. Ergänzt wird das Material durch eigene Beobachtungen und Lektüre.

(9)

Tabelle 1. Liste der Adjektive auf -freundlich192021 Erstglied

Anzahl Beispiele

bezeichnet

Nomen Personen 39 aktionärs-, allergiker-, anfänger-, anleger-, anwender-, arbeiter-, arbeitnehmer-, ausländer-, baby-, bediener-, behinderten-, benutzer-, bevölkerungs-, bürger-, einsteiger-, empfänger-, fahrgast-, familien-, franzosen-, frauen-, fremden-, fußgänger-, gast-, kinder-, konsumenten-, kranken-, kunden-19, leser-, menschen-, merkel-, minderheiten-, nutzer-, patienten-, raucher-, schwulen-, studierenden-, user-, verbraucher-, zuschauerfreundlich Handlungen,

Vorgänge, Zustände, Handlungsresultate

24 alters-, anwendungs-, bedienungs-, bildungs-, erwartungs-, entspannungs-, geschäfts-, innovations-, investitions-, kultur-, kunst-, lebens-, markt-, montage-, recycling-, reparatur-, service-, transport-, technik-, umwelt-, verpackungs-,

wachstums-, wartungs-, wirtschafts-, wissenschaftsfreundlich

Gegenständliches 13 auto-, automaten-, bahn-, bürsten-, bus-, euro-, fahrrad-, faser-, gewebe-, gleis-, motorrad-, material-, waffenfreundlich

Tiere 9 bienen-, haustier-, hunde-, hühner-,

insekten-, katzen-, tier-, vogel-, wildtierfreundlich

Körperteile 8 augen-, darm-, haar-, haut-, magen-, nasen-, rücken-, zahnfreundlich

Länder, Städte 7 deutschland-, england-, europa-, frankreich-, italien-, rom-, russlandfreundlich

Institutionen 6 gewerkschafts-, kirchen-, partei-, presse-, regierungs-, regimefreundlich

Sportevents 2 sport-, radmarathonfreundlich

Sprache 1 deutschfreundlich

Sonstiges 5 alltags-, klima-, synonymie-20, tatsachen-21, zukunftsfreundlich

19 Um „geschlechtergerecht/-freundlich” zu formulieren, fi nden sich (im Bereich der Amtssprache) sogar Belege mit Binnengroßschreibung: Der Magistrat der Stadt Wien spricht verständlich und kundInnenfreundlich. Eines war von Beginn an klar: Verständliche Sprache kann nicht von oben verordnet werden, sondern muss von MitarbeiterInnen für MitarbeiterInnen entwickelt werden.

Natürlich gibt es Bereiche, in denen die KundInnenfreundlichkeit nicht leicht zu leben ist. KundIn- nenfreundlichkeit heißt, beide Geschlechter gleichermaßen anzusprechen (http://www.wien.gv.at/

medien/pid/pdf/wien-spricht-anders.pdf, Zugriff: 28.06.2012).

20 Der Beleg in Liimatainen (2008:186) lautet: Besonders synonymiefreundlich scheint die Wortart Adjektiv zu sein.

21 Der volle Beleg Nur ich sah sie, das war normal und würde von nun an so bleiben, ich blieb nüchtern und tatsachenfreundlich, aber ich gewöhnte mich an diese Begleiterin wurde dem Roman von Christa Wolf, 2010, „Stadt der Engel oder The Overcoat of Dr. Freud“ (S. 327) entnommen.

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Verb Tätigkeiten (Handlungen) 18 abschlepp-, bade-, bedien-, bügel-, druck-, fahr-, frisier-, gebe-,

kauf-, lese-, pfl ege-, sing-, schmuse-, schreib-, spiel-, spül-, wasch-, werbefreundlich

Belege insgesamt 132

Vergleicht man nun die Kollokationspartner mit den bei den Wortbildungen aufschei- nenden Erstgliedern, zeigt sich einerseits eine Beibehaltung der Affi nität des frei vorkommenden Adjektivs zu bestimmten Kollokationspartnern, so dass diese grund- legenden Merkmale in die Verwendung des Adjektivs als Zweitglied einfl ießen, vgl.

freundlich

Kollokationspartner nominale

personenbezeichnende Nomen

Körperteile bezeichnende Nomen, an denen Einstellungen ablesbar sind menschliche Verhaltensweisen ausdrückende Nomen

Nomen, die sich auf unmittelbar in der Umgebung des Menschen Befi ndliches beziehen

verbale

Interaktionen ausdrückende Verben

-freundlich

Erstglieder nominale

personenbezeichnende Nomen Körperteile bezeichnende Nomen

menschliche Verhaltensweisen ausdrückende Nomen

Nomen, die sich auf unmittelbar in der Umgebung des Menschen Befi ndliches beziehen

Artefakte bezeichnende Nomen Tierbezeichnungen

Länder, Städte, Institutionen, Events, Sprachen, Sonstiges bezeichnende Nomen (wobei der Bezug zum menschlichen Handeln gegeben ist)

Handlungen, Handlungsresultate ausdrückende Nomen

mit Menschen in Beziehung stehende Vorgänge, Zustände bezeichnende Nomen verbale

Interaktionen ausdrückende Verbstämme (Handlungs-, Tätigkeitsverben)

(11)

Andererseits wird aber auch deutlich, dass weitaus mehr Konzepte als Erst- glied dieser Bildungen genutzt werden. Damit sind eine Verallgemeinerung der Bedeutung von -freundlich und die Zunahme der Suffi xartigkeit dieses Elements verbunden.

Die Analyse des Korpus erfolgt zunächst unter morphosyntaktischen Ge- sichtspunkten, denen folgen semantische Aspekte, um dann auf Relationen kom- plementärer oder antonymischer Natur einzugehen.

3.2.1. Morphosyntaktische Aspekte der Wortbildungen mit dem Zweitglied -freundlich

Aufgrund des Kleinkorpus lassen sich folgende Strukturmuster für Bildungen mit dem Zweitglied -freundlich festhalten (gelegentlich treten auch Fugenelemente auf):

1) das Erstglied (= die erste Unmittelbare Konstituente – UK) ist ein Sim- plex: hautfreundlich,

2) die erste UK ist ein Kompositum: radmarathonfreundlich, 3) die beiden UK sind Suffi xderivate: leser-, anwendungsfreundlich, 4) ein Eigenname bildet das Erstglied: deutschland-, merkelfreundlich, 5) die erste UK ist ein Verbstamm: bügel-, spülfreundlich,

6) die erste UK ist ein Fremdwort: recycling-, userfreundlich.

Als Erstglied treten in erster Linie Nomen auf. Es zeigt sich aber auch, dass Verbstämme zunehmend in dieser Funktion genutzt werden. Bei den Nomen handelt es sich häufi g um personenbezeichnende bzw. handlungs-/vorgangs-/

zustandsbezeichnende Suffi xderivate. Als verbales Erstglied dienen Handlungs- bzw. Tätigkeitsverben, also Verben, die ein Agens fordern.

Damit zeigt sich eine deutliche Verschiebung in Bezug auf das Erstglied insofern, als die von Kühnhold / Putzer / Wellmann (1978) festgestellte Reihenfolgehierarchie nicht mehr zu bestehen scheint. Den Autoren zufolge lassen sich die Bildungen in folgende, nach rechts hierarchisch abnehmende Reihenfolge wirtschaftsfreundlich – frisierfreundlich – darm-/pfl egefreundlich – schmusefreundlich anordnen (vgl.

auch Fußnote 16). Das Korpus verdeutlicht eine erkennbare Verlagerung zugun- sten von Bildungen, in denen das Erstglied eine Person bezeichnet. Die Wortbil- dungen scheinen zudem eine große Affi nität zu von verbalen Basen abgeleiteten Nomen zu haben: Nomina agentis wie Benutzer, Verbraucher, Bediener, Nomina actionis wie Anwendung, Bedienung, Wartung. Demgemäß überraschen auch nicht die vielfältigen Wortbildungen mit einem Verbstamm als Erstglied wie bedien-.22

22 Im Wortschatzportal der Universität Leipzig zeigt sich diese Tendenz auch in der Anzahl der Belege, mit 7 Belegen ist bedienerfreundlich am meisten vertreten, gefolgt von bedienungsfreundlich mit 3 Belegen, und für bedienfreundlich gibt es 2 Belege. Der Google-Suchabfrage (24.06.2012) zufolge sieht das Bild allerdings ein wenig anders aus: bedienerfreundlich 534 000 Treffer, bedienungsfreundlich 911.000 Treffer und bedienfreundlich 38 200 Treffer.

(12)

Nicht uninteressant sind die als Basis fungierenden von Verben abgeleiteten -ung-Derivate. Verbalsubstantive auf -ung können sowohl die Handlung als auch das Ergebnis der Handlung ausdrücken. In den Wortbildungen meines Korpus (anwendungs-, bedienungs-, bildungs-, verpackungs-, wartungsfreundlich) kom- men transitive Handlungsverben vor, d.h. Verben, die ein Agens und ein Patiens fordern.

(1) Anwendungsfreundliche Auftragssoftware für kleine Unternehmen (http://

www.presse-artikel.org/2011/anwendungsfreundliche-auftragssoftware- fuer-kleine-unternehmen-41025/, Zugriff: 04.06.2012).

(2) Gut ausgestattetes, bedienungsfreundliches Smartphone. Android-Be- triebssystem Version 2.3.3. Touchscreen. Recht gut ausgestattetes und rundum bedienfreundliches Smartphone (http://www.testbericht.de/kon- sument/tr-1161-ausgabe-10-2011.html, Zugriff: 04.06.2012).

(3) Die Gemeinschaftsschule ist richtig und sinnvoll für eine bildungsfreund- liche, familienfreundliche, soziale und moderne Stadt Freiberg (http://

www.gruenefreiberg.de/index.php?id=4&tx_ttnews%5 Btt_news %5D=3 9&cHash=c8cd8c5886da453737a6332d53804432, Zugriff: 04.06.2012).

(4) Produkte sind prozessgerecht entwickelt. Wenn die Produkte eine „ein- fache“ Distribution ermöglichen: – verpackungsfreundliche Gestaltung, – transportfreundliche Gestaltung; und einen einfachen After-Sales-Auf- wand erfordern: – wartungsfreie/wartungsfreundliche Produkte, – re- peraturfreundliche [sic!] Gestaltung (http://www.jp-beratung.de/Leistun- gen/Logistik/logistik.html, Zugriff: 04.06.2012).

Der verbale Ursprung ist bedeutsam für die Lesart der adjektivischen Bildungen:

Sie bekommen ebenfalls einen passivisch-modalen Aspekt und die Konnotation

‚leicht’, eine anwendungsfreundliche Auftragssoftware (eine Software, die leich- te Anwendung fi ndet/leicht angewendet werden kann), bedienungsfreundliches/

bedienfreundliches Smartphone (ein Smartphone, das leicht in seiner Bedienung ist/leicht bedient werden kann), verpackungsfreundliche Produktgestaltung (das Produkt ist so gestaltet, das es leicht verpackt werden kann), wartungsfreundliche Produkte (das Produkt kann leicht gewartet werden).

Deutlich zeigt sich der Unterschied zum lexikalisierten Nomen Bildung (‚gei- stige Vervollkommnung’). Das von diesem Nomen gebildete Adjektiv (bildungs- freundliche Stadt Freiberg) enthält keine passivisch-modale Komponente, son- dern bringt die positive Einstellung der Stadt Freiberg zur Bildung als geistiger Vervollkommnung zum Ausdruck.

Aber auch die passivisch-modale Lesart kommt nicht bei allen verbalen Ba- sen so ausgeprägt zum Tragen. Ist die verbale Basis des Wortbildungsprodukts ein intransitives Tätigkeitsverb, z.B. baden in badefreundlich (badefreundliche Temperaturen, badefreundliches Wetter), bleibt zwar die modale Komponente erhalten, die Adjektivbildung jedoch kann aktivisch im Sinne von ‚Temperaturen,

(13)

bei denen es sich baden lässt/man baden kann/die geeignet dafür sind, dass man badet’ bzw. passivisch im Sinne von ‚Temperaturen, bei denen gebadet werden kann/die geeignet dafür sind, dass gebadet wird’ interpretiert werden.

Wortbildungen mit dem intransitiven Verb schmusen haben sich im Wort- schatz gehalten,23 weisen aber im Vergleich zu badefreundlich wenig Treffer auf, vgl. Google-Suche (06.06.2012): schmusefreundlich 315 Treffer – badefreundlich 7880 Treffer. Bedeutend mehr Treffer (11 800) weist dagegen spielfreundlich auf.

Dabei zeigt sich, dass Bezugsnomen und Kontext bei der Lesart dieser Wortbil- dung gleichermaßen eine bedeutende Rolle spielen, so dass sich spielfreundlich als ‚geeignet dazu, dass man spielen kann/dass gespielt werden kann’ oder als

‚man spielt gern’ (vgl. (5)) interpretieren lässt:

(5) junge Katzen überaus neugierig und spielfreundlich (Google-Recherche, 06.06.2012); Überhaupt spielt die Leinwand über der von Frank Rommers- kirchen praktisch und spielfreundlich konstruierten Bühne eine wichtige Rol- le. (http://wortschatz.uni-leipzig.de/aachener-zeitung.de vom 15.10.2005);

Transposition in sing- und spielfreundliche Tonarten (http://www.justmu- sic.de/librairie-/partitions/partitions/9109949/der-neue-kinderlieder-schatz- hit-auf-hit-und-du-singst-mit-.html?setlanguage=fr, Zugriff: 06.06.2012).

Der Ausbau des Wortbildungsmusters durch die Verwendung von transitiven Handlungs- und intransitiven Tätigkeitsverben bzw. Verbalabstrakta als Erstglied drückt dessen Vitalität aus und auch die Tendenz, dass sich die Bedeutung von -freundlich weiter verallgemeinert und es somit weitere suffi xartige Merkmale an- nimmt. Brdar-Szabó (1990a:90) zufolge ist „[d]ieser Typ der Kollokationsauswei- tung [...] die höchste Stufe der semantischen Entfernung von gebundenen Morphe- men in Übergangskonstruktionen im Vergleich zu ihren freien Entsprechungen.“

Ähnlich argumentiert auch Motsch (1996). Er spricht von „Uminterpretationen der primären Bedeutung,“ wenn die komplexen Wörter mit dem produktiven Zweitglied -freund lich nicht mehr wie das frei vorkommende Pendant primär zur Charakterisierung des Verhaltens von Personen zu Lebewesen24 genutzt werden.

Er meint sogar, dass diese Uminterpretationen es zulassen, „freundlich mit dieser Lesart [als] eine gebundene Lexikoneintragung“ (Motsch 1996:166) anzuführen.25

23 Folgende Belege sollen dies veranschaulichen: Die beiden Kater sind im Dezember erst wenige Monate alt, spiel- und schmusefreundliche und freuen sich immer über Besuch. Das perfekte Pferd für schmusefreundliche Mädchen und Damen abzugeben. Das schmusefreundliche Utensil kann sogar im Sturm erobert werdet [sic!], weil ein rutschfester Nylon-Boden Bewegungen des Bettes bestens abbremst (Google-Recherche, 06.06.2012).

24 Aus diesem Grund fordert das frei vorkommende freundlich Personen, Institutionen und Gruppen als Bezugswörter bzw. Lebewesen als Komplemente (Frau Müller ist immer sehr freundlich zu ihren Nachbarn), es kann aber auch metaphorisch (das Wetter ist uns freundlich gesinnt) verwendet werden, vgl. u.a. Motsch (1996).

25 Lohde (2006:169–170) stellt dazu fest: „Typisch ist hierbei die Tendenz, Eigenschaften, die eigentlich auf Menschen bezogen sind, auf Gegenstände zu übertragen (vgl. Wellmann 1995:515,

(14)

Eine stichprobenartige Suchabfrage des Wortschatzportals der Universität Leipzig, bei der nur systematisch die drei mit den meisten Belegen vertretenen Wortbildungen abgefragt wurden, bestätigt die Affi nität zu nominalen Basen, die Personen bezeichnen (vgl. Anhang).26 Bei den verbalen Erstgliedern allerdings wird ein wesentlicher Unterschied offensichtlich: Lediglich vier Wortbildungen (bedien-, bügel-, lese-, spielfreundlich) wurden im Wortschatzportal in einer äußerst niedrigen Anzahl registriert (s. Anhang). Nachstehend sind die am häu- fi gsten verzeichneten Bildungen (beginnend mit über 10 Treffern) aufgelistet:

Tabelle 2. Liste der am häufi gsten registrierten Bildungen (beginnend mit über 10 Treffern)

umweltfreundlich 127

gastfreundlich 76

familienfreundlich 73

kinderfreundlich 49

kundenfreundlich 45

wirtschaftsfreundlich 26

menschenfreundlich 25

verbraucherfreundlich 23

bürgerfreundlich 21

benutzerfreundlich 16

arbeitnehmerfreundlich 15

klimafreundlich 14

frauenfreundlich 11

nutzerfreundlich 11

Die Wortbildungen mit dem Zweitglied -freundlich sind wie das frei vorkom- mende Pendant

a) prädikativ, attributiv und adverbial verwendbar:

(6) Canterbury zeigt sich busfreundlich. Kathedralenstadt mit Preis als busfreundliche Kommunalbehörde ausgezeichnet (http://www.buspla- ner.de/aktuelles/omnibus-news-touristik-nachrichten/5075/canterbury- zeigt-sich-busfreundlich/kathedralenstadt-mit-preis-als-busfreundli, Zugriff: 20.03.2012),

Erben 2000:72): magenfreundlicher Tee (Tee, der den Magen schont, ihm gut tut), lauffreudiger Motor (Motor, der gut läuft), lernfähiger Computer (Computer, der zum Lernen fähig ist) usw.“

26 Es fi nden sich z.B. keine Einträge für allergiker-, anfänger-, arbeiter-, bevölkerungs-, fahrgast-, franzosen-, fremden-, kranken-, merkel-, minderheiten-, raucher-, studierendenfreundlich.

(15)

(7) [...] sich studierendenfreundlich, wissenschaftsfreundlich und damit zu- kunftsfreundlich zu engagieren (http://thestarlitecafe.com/poems/105/

poem_91191144.html, Zugriff: 20.03.2012),

(8) „Wenn diese Gesellschaft nicht kinderfreundlich ist, so ist sie auch nicht zukunftsfreundlich“, so Bürgermeister Michael Müller beim Festakt (http://www.augsburger-allgemeine. de/augsburg-land/Den-Kindern-ein- Fundament-gegeben-id4999241.html, Zugriff: 20.03.2012),

(9) In zwei Urteilen hat der BGH jedoch werbefreundlich entschieden (http://

www. mediadonis.net/page/16/, Zugriff: 15.05.2012);

b) komparierbar:

(10) Die Werbewirtschaft investiert massiv in die Fernsehwerbung. Mehr als 60 Prozent der Werbeausgaben fl ießen in diesen Bereich. Serien stellen dabei das werbefreundlichste Umfeld dar (http://www.wissen.

de/thema/daily-soaps-und-telenovelas?chunk=Wirtschaftsfaktor%20 Daily%20Soap%20und%20Telenovela, Zugriff: 03.06.2012); Der Ver- lag folgt damit Kundenwünschen und beendet den Sprachmix aus deutschen und englischen Ausgaben und sorgt für eine klarere Sprach- struktur und leserfreundlichere Gestaltung (http://www.oegg.at/, Zu- griff: 03.06.2012);

c) substantivierbar:

(11) Suche also etwas Kinderfreundliches und ich habe gehört es gibt auch teilweise Kinderhotels wo man am Abend gemütlich im Restaurant sitzen kann [...]; bzw. regulär mit dem Suffi x -keit, vgl. Familienfreundlichkeit zeigt sich also nicht nur in der konkreten Unterstützung von gesamten Familien [...] (Google-Recherche, 06.06.2012).

3.2.2. Zu semantischen Aspekten der Wortbildungen mit dem Zweitglied -freund- lich

Wortbildungen mit dem Zweitglied -freundlich befriedigen ein breites Spektrum an aktuellen Benennungsbedürfnissen. Vor dem Hintergrund, dass das freie Le- xem eine ‚wohlwollende, gefällige Haltung den Mitmenschen gegenüber’ zum Ausdruck bringt, gehe ich von einer Bedeutung aus, die als Dach für alle Subbe- deutungen fungieren kann: Sie bringen semantisch-funktional „Konzilianz“27 zum Ausdruck, d.h. eine wohlwollende, entgegenkommende, ausgleichende Haltung einem Kontakt„partner“ gegenüber, wobei Kontaktpartner sehr weit zu fassen ist

27 „Konzilianz (aus dem lat. conciliare ‚versöhnen’) ist eine soziale Haltung, die sich um Entgegenkommen, Ausgleich und Versöhnung bemüht, Verständnis für den anderen oder auch den Gegner aufbringt“ (Auszug aus: http://de.wikipedia.org/wiki/Konzilianz, Zugriff: 06.06.2012).

(16)

(als jmd./etwas mit dem jmd./etwas in irgendeiner Form in Berührung kommt).

Daraus leiten sich verschiedene Subbedeutungen ab, wobei sich deren metapho- rische Umdeutung aus der Interdependenz mit dem Erstglied ergibt, indem in der Konstruktion neben personenbezeichnenden Erstgliedern auch Konkreta und Abstrakta vorkommen und es nicht mehr um eine konkrete Umgangsform mit den Mitmenschen geht. Allerdings bleiben – wie bereits erwähnt – die Kollokations- partner des frei vorkommenden Pendants (vgl. Abschnitt 1) deutlich nachweisbar.

Es lassen sich folgende Bedeutungen ausmachen:

Konzilianz

‚wohlwollende, entgegenkommende, ausgleichende Haltung einem Kontaktpartner gegenüber’

‚Y kommt den Bedürf- nissen von X (Erstglied) entgegen’

‚Y hilft/begünstigt/

hat positive bzw. keine negative Auswirkung auf X’

‚Y hat positive Einstellung zu X’

(benutzer-, leser-, bevölke- rungs-, pressefreundlich)

(umwelt-, wissenschafts- freundlich)

(deutsch-, bienenfreundlich)

Subbedeutungen

− ‚Y braucht wenig von X’ (pfl egefreundlich ‚braucht wenig Pfl ege’)

− ‚Y schont X’ (darmfreundlich ‚schont den Darm’)

− ‚Y kann leicht ge-X-t werden’/‚Y ist geeignet dazu, dass man X-en kann/

dass ge-X-t werden kann’ (passivisch-modale Bedeutung: frisierfreundlich ‚lässt sich leicht frisieren/kann leicht frisiert werden’; bügel-, anwendungs-, bade-, werbefreundlich)

− ‚Y drückt aus, dass man gern X tut’ (schmuse-, spielfreundlich)

Ein wesentliches Merkmal der Adjektive ist, dass sie zur Realisierung ihrer Hauptfunktion, nämlich das, worauf sie sich beziehen, auf vielfältige Art zu prä- zisieren und auszudifferenzieren, zahlreiche semantische Beziehungen eingehen.

Am bedeutendsten sind die synonymischen und antonymischen Relationen.

3.2.2.1. Zu den synonymischen Relationen

Es ist – wie folgende Belege zeigen – sicher sinnvoller, die synonymischen Bezie- hungen für jede Bildung getrennt zu ermitteln, so dass hier anhand der Beispiele lediglich die Komplexität dieses Unterfangens angedeutet werden kann, vgl.

(17)

z.B. die folgenden Synonyme: hautfreundlich – hautschonend – hautsympathisch – hautschützend; menschenfreundlich – menschengerecht – menschenwürdig – menschlich.

(12) [...] die hautfreundliche Creme enthält eine [...]; Bukkake ist eine haut- schonende Creme für Frauen, die für zarte und geschmeidige Haut sorgt;

Die ARGAMINT Schönheitsfarm Creme ist eine hautsympathische, bio- logische Tagescreme für jeden Hauttyp; kremka Hautschutz ist eine wasserlösliche hautschützende Creme (Google-Recherche, 05.06.2012).

(13) Sie setzen sich für bestimmte Ziele ein: für einen neuen Kinderspielplatz, für eine saubere Umwelt, für eine menschenfreundliche Gestaltung von Arbeitsplätzen; Dabei sollen von beiden Seiten die gesicherten arbeits- wissenschaftlichen Erkenntnisse über die menschengerechte Gestaltung der Arbeitsplätze berücksichtigt werden; Kümmern Sie sich auch um eine menschenwürdige Gestaltung von Arbeitsplätzen? (Google-Recher- che, 05.06.2012); für *menschliche Gestaltung der Arbeitsplätze gab es keinen Treffer.

(14) Großes Erstaunen und Kompliment für diese unglaublich versierte men- schenfreundliche Behandlung und Beratung; Insgesamt stellen die nun verabschiedeten Regelungen erste Schritte auf dem Weg zu einer men- schenwürdigen Behandlung von Pfl egebedürftigen dar; Menschenge- rechte Behandlung und Pfl ege Kranker mit psychischen Problemen; [...]

ist eine möglichst individuelle und menschliche Behandlung der anver- trauten Patienten – [...] und gleich menschenfreundlich untergebracht [...] werden; [...] wie viel Raum ein Mensch braucht, um menschenwür- dig untergebracht zu sein; [...] Hühner nicht mehr hühnergerecht, son- dern menschengerecht untergebracht werden; Ich bin froh, dass Paps hier menschlich untergebracht ist, [...] (Google-Recherche, 05.06.2012), (15) Wir alle geben unser Herzblut, um unsere belebte und unbelebte Umwelt lebenswerter und menschenfreundlicher zu gestalten!; [...] die Arbeit menschengerechter zu gestalten; [...] die Welt gerechter, umweltverträg- licher und menschenwürdiger zu gestalten; [...] erkennen eine Umwelt, die wir uns menschlicher gestalten könnten [...] (Google-Recherche, 05.06.2012).

Es zeigt sich eine systematische Konkurrenz von Wortbildungsmitteln (z.B.

zwischen adjektivischem Zweitglied und partizipialem Zweitglied: -freund- lich, -schonend, -schützend), die in weiteren Untersuchungen, die sich vor allem den Feindifferenzierungen in semantisch-konnotativer Hinsicht zuwen- den sollten, zu präzisieren ist (um DaF-Lehrenden/Lernern und Dolmetschern/

Übersetzern eine Verwendungshilfe zu geben). Daneben ist es ebenso wichtig – besonders für eben erwähnte Benutzergruppen – die komplementäre Distribu-

(18)

tion dieser Bildungen aufzudecken, vgl. menschfreundliche/menschengerechte/

menschenwürdige/*mensch liche Gestaltung von Arbeitsplätzen ↔ menschfreund- liche/menschengerechte/menschenwür dige/menschliche Behandlung; menschen- freundlich/menschenwürdig/menschenge recht/menschlich untergebracht. In Be- zug auf Beleg (15), der aus der Suchabfrage „Umwelt + adjektivische Bildung im Komparativ + gestalten“ hervorging, ergibt sich die Frage danach, ob es ein Zu- fallstreffer ist, dass die vom Verb gestalten geforderte Akkusativergänzung in der Distribution mit menschenwürdiger bzw. menschengerechter nicht mit „Umwelt“

besetzt ist. Korpuslinguistische Untersuchen können darüber Aufschluss geben.

Während kinderfreundlich, -gerecht, -würdig als Attribut zu Welt oder fami- lienfreundlich, -gerecht, -würdig als Attribut zu Umgebung aufscheinen können,28 zeigt die Internetrecherche zu arbeitnehmerfreundlich eine starke Einschränkung hinsichtlich der Distribution: Demzufolge gab es kein Nomen, das mit allen drei Adjektiven kombiniert wurde, belegt sind u.a. arbeitnehmerfreundliche/arbeit- nehmergerechte Politik; arbeitnehmerfreundliches/arbeit nehmerwürdiges Um- feld; arbeitnehmerfreundliche/arbeitnehmergerechte Lösungen; arbeitnehmer- liche Mobilität; arbeitnehmerliche Praxis.

Beobachtungen hinsichtlich der Kollokationspartner können ebenfalls wich- tige neue Erkenntnisse liefern, wenn es um Aussagen zu Entwicklungen des Beziehungsgefüges geht. Die eingeschränkten Kombinationsmöglichkeiten bei diesen Wortbildungen jüngeren Datums könnten sich damit erklären lassen, dass das Ökonomieprinzip wirkt und konkurrierenden sprachlichen Formen ihren Platz im System zuweist.

Anders liegt der Fall bei Wortbildungen mit dem Erstglied gast-. Dass diese adjektivischen Wortbildungen nicht in gleicher Umgebung (vgl. ein gastfreund- liches Hotel/Volk/Land; eine gastgerechte Beschreibung der Gerichte; nach aus- führlichem Beschnüffeln für gastwürdig befunden) auftreten, hängt vermutlich damit zusammen, dass die Zweitglieder noch relativ stark ihre Eigenbedeutung mit einbringen, so dass sie vergleichbar mit Determinativkomposita die gesamte Konstruktion semantisch vertreten können (vgl. ein freundliches Land; eine ?ge- rechte Beschreibung der Gerichte; nach ausführlichem Beschnüffeln für würdig befunden).

3.2.2.2. Zu den antonymischen Relationen

Bei den antonymischen Beziehungen zeichnet sich in Form von -freundlich vs.

-feindlich eine außerordentliche Systematik ab, so dass von antonymischer Rei- henbildung und Antonympaar (Karbelaschwili 2009:154) bzw. einem antony- mischen Zweitglied-Paar (Fandrych 2011:151) gesprochen wird. Letzterer gesteht ihnen sogar eine eigene Gruppe zu, die ich hier noch einmal anführen möchte:

‚Positive/negative Wirkung zeigend: Y hat negative/positive Auswirkung auf X’

28 Wobei systemgerechte Bildungen wie kinderlich und familienlich nicht belegt sind.

(19)

(Fandrych 2011:151).29 Die Google-Suchabfrage belegt recht anschaulich die systemhaften antonymischen Beziehungen,30 vgl.

-freundlich -feindlich Google-Recherche (04.06.2012)

anwendungsfreundlich anwendungsfeindlich Das Ganze sei umständlich, kompliziert und höchst anwendungsfeindlich – selbst für Informatiker.

augenfreundlich augenfeindlich

Leider werden die Farben meist in einer Masse und Zusammensetzung verwendet, die extrem augenfeindlich ist [...].

bedienungsfreundlich bedienungsfeindlich [...] kann es sein, dass der Magura Lockout-Hebel extrem bedienungsfeindlich ist?

bedienerfreundlich bedienerfeindlich Bedienerfeindliche Programme machen krank.

bedienfreundlich bedienfeindlich

Die letzte Bastion ungestörter Kompatibilität und Funktionalität soll endgültig durch bedienfeindliche DRM Systeme erobert werden.

bügelfreundlich bügelfeindlich Ich hab u.a. einen weißen molton, dieser ist ja sehr knitterfreundlich und bügelfeindlich.

29 Lohde (2006:160) gibt die Bedeutung der Suffi xderivate freundlich und feindlich mit ‚angenehm, geeignet, entgegenkommend’ bzw. ‚nachteilig, ungünstig, ablehnend’ an.

30 Lediglich für spülfreundlich konnte das Antonym nicht belegt werden. Dies liegt sicher daran, dass dieses Adjektiv vorrangig zum Anpreisen von Produkten dient, so dass es kaum negiert wird bzw. wenn doch, dann mithilfe der Negationspartikel nicht, vgl. den gegoogelten Beleg: deren Versiegelung war bei weitem nicht so „spülfreundlich“ (05.06.2012). Der systemhafte Ausbau dieses Gegensatzpaares zeigt sich gerade vor diesem Hintergrund. Brdar-Szabó (1990a) hat in ihrer profunden Promotion zu Wortbildungskonstruktionen (WBK) im Übergangsbereich von Komposition und Derivation ein sog.

„positives Paradigma“ angenommen, in das WBK eingeordnet werden, die „eine positive immanente Eigenschaft des Bezugswortes, die besondere Eignung des Bezugswortes für bestimmte Zwecke“

zum Ausdruck bringen (Brdar-Szabó 1990a:120). In Bezug auf dieses Paradigma kommt sie dann zu der Feststellung (vgl. Brdar-Szabó 1990a:121): „Der Anteil der okkasionellen WBK-en ist im Vergleich zu den anderen Paradigmen besonders groß. Die meisten WBK-en dieses Bereiches wurden für Werbezwecke geprägt. Das zeigt sich auch an dem asymmetrischen Ausbau des „positiven“

Paradigmas; negativ wertende Entsprechungen fehlen nämlich ganz und gar.“ Die bei ihr angeführten Beispiele atmungsaktiv/atmungsfreudig bzw. haftfest/haftaktiv haben bereits heute im 21. Jh. – wenn auch in geringer Zahl – negativ wertende Entsprechungen, vgl. atmungsfeindlich, haftfeindlich ([...]

ein eng geschnürtes Korsette ihrer Taille eine unnatürliche und atmungsfeindliche Form verleih;

Die glatte und haftfeindliche Oberfl äche sorgt [...] (Google-Recherche, 26.06.2012)). Des Weiteren stellt Brdar-Szabó (1990a:136) fest, dass -feindlich sich nicht mit verbalen Erstgliedern verbindet.

Wie obige Beispiele belegen, erfolgte für das Wortbildungsmuster mit dem Zweitglied -feindlich eine Ausweitung der Kategorie, indem z.B. durchaus von bedien-, bügel- oder lesefeindlich gesprochen werden kann.

(20)

gastfreundlich gastfeindlich Ich persönlich käme mir total gastfeindlich vor, wenn ich Besuch hätte, und nur Wasser anbieten könnte.

hautfreundlich hautfeindlich

Hemmt die Schweißbildung und ist nicht so extrem hautfeindlich. [...] und wie toni schon sagte, das material ist hautunfreundlich, man schwitzt da drinnen voll usw.

klimafreundlich klimafeindlich Warum ist das Heizen mit Strom klimafeindlich? Merkels Kabinett fährt noch immer klima-unfreundlich [...].

wirtschaftsfreundlich wirtschaftsfeindlich

Es ist wirtschaftsfeindlich, und es ist klimafeindlich, dass die Bundesregierung bei der

Gebäudesanierung seit Jahren auf die Bremse tritt.

wartungsfreundlich wartungsfeindlich

Zwar konnten wir verhindern, dass unsere Anlagen großen Schaden nahmen, aber es fi el auf, dass unsere Anlagenfl ächen sehr wartungsfeindlich waren.

lesefreundlich lesefeindlich [...] langen, extrem lesefeindlich formatierten Text [...].

Da sich dieses antonymische Zweitglied-Paar nicht komplementär gegen-über- steht, sondern graduell,31 kommt es hier zu einer systemhaften Dreigliederung mithilfe des Präfi xderivats unfreundlich,32 vgl. hautfreundlich – hautunfreund- lich – hautfeindlich; babyfreundlich – babyunfreundlich – babyfeindlich33; spiel- freundlich – spielunfreundlich – spielfeindlich.34

Vor diesem Hintergrund sei noch eine Anmerkung gestattet. Beleg (16) zeigt, dass in der Rechtssprache sich diese Paarigkeit bereits lexikalisiert hat:

31 Bei Karbelaschwili (2009:154) fi nden sich „folgende Arten lexikalischer Antonymie“:

(1) graduelle Antonyme (mit Abstufungen zwischen den gegensätzlichen Polen): groß – klein;

(2) reverse Antonyme (entgegengesetzte Perspektive auf Handlungen, Merkmale und/oder Eigenschaften): hineingehen – hinausgehen; (3) komplementäre Antonyme (einander ausschließend, mit komplementärer Gegenüberstellung): falsch – richtig; (4) konverse Antonyme (verschiedene Perspektiven auf dieselbe Situation): gewinnen – verlieren.

32 Fandrych (2011:152) misst dieser Möglichkeit der antonymischen un-Präfi gierung innerhalb der Bildung besondere Bedeutung bei: Einerseits bekräftige sie die Lebendigkeit des Wortbildungsmusters und andererseits könne sie „als deutlicher Indikator gegen eine naturgesetzliche Grammatikalisierung hin zum Suffi x gelesen werden.“

33 Vgl. folgendes Google-Suchergebnis: Doch dies bedeutet noch lange nicht, dass die Klinik

„babyunfreundlich“ ist. Ich bin traurig, aber irgendwie überwiegt die Wut auf meinen Körper, dass er so babyfeindlich ist (Google-Recherche, 24.06.2012).

34 Das Gelände besteht größtenteils aus Rasen, spielfreundlich für Kinder; [...] da die Umgebung der Häuser meist „spielunfreundlich“ war [...]; Spielfeindliche Umgebung führt zu Störungen und [...] (Google-Recherche, 24.06.2012).

(21)

(16) Unter Bedingungsfeindlichkeit versteht man, dass das betreffende Rechts- geschäft (z.B. Vertrag) nicht unter einer Bedingung abgeschlossen werden darf. Der Eintritt des mit dem Rechtsgeschäft beabsichtigten Erfolges darf also nicht von Faktoren abhängig sein, die außerhalb des Rechts- geschäftes liegen, und die zukünftig und ungewiss sind. [...] Grundsätz- lich sind Rechtsgeschäfte nach deutschem Recht bedingungsfreundlich (http://de.wikipedia.org/wiki/Bedingung_(Recht), Zugriff: 04.06.2012).

Derartige Bildungen sind eher ein Indiz für die Entwicklung der besprochenen Zweitglieder zu suffi xähnlichen Elementen.

4. Fazit

Die hochproduktiven Adjektivbildungen mit dem Zweitglied -freundlich kommen sowohl in der geschriebenen wie auch in der gesprochenen Sprache vor. Ihre Ver- wendung in Blogs legt Zeugnis dafür ab, welch großer Ausdrucksbedarf in diesem Bereich vorhanden ist. Die Bildungen haben ihren Weg in Nachschlagewerke und in die Fachsprachen gefunden, so dass es sich lohnt, ihre Entwicklung weiter zu beobachten. Gehäuft kommen diese Bildungen in den Bereichen Technik, Kosme- tik, Familienpolitik und Umwelt vor.

Im Rahmen dieses Beitrags konnten lediglich verschiedene Erscheinungen, die mit dem produktiven adjektivischen Zweitglied -freundlich verbunden sind, herausgegriffen und beschrieben werden – diese sind aber ein beredtes Zeugnis für die vielfältige Einbindung dieser Konstruktionen in das System. Zugleich wird deutlich, dass derartige Wortbildungen einer differenzierten Beurteilung bedürfen, denn als Phänomene im Übergangsbereich zwischen Komposition und Derivation erlauben Bildungen mit dem Zweitglied -freundlich verschiedene Les- arten, so dass bei der Interpretation die Wechselwirkungen zwischen Erstglied und Umgebung, in der die Wortkonstruktion aufscheint, stets zu beachten sind.

Ein weiterer Grund dafür, Zweitglieder wie -freundlich im Auge zu behalten, ist der, dass sie auch als Muster für Wortbildungen in anderen Sprachen (z.B. im Schwedischen, Finnischen, Ungarischen) dienen. Wertvoll können hier Untersu- chungen sein, die die Entwicklungen in den betreffenden Sprachen parallel verfolgen.

Literatur

Primärliteratur

AGRICOLA Erhard (Hg.), 131988, Wörter und Wendungen. Wörterbuch zum deutschen Sprachge- brauch, Leipzig.

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Dafs der Sophista und der mit ihm eng verknüpfte Politicus, falls sie überhaupt echt sind, — was nach Socher ’s 4) und Schaarschmidt ’s 5) bisher unwiderlegt

ständige Werke einen entscheidenden Wert behalten. — Nächst Luther kommen hier in Frage die von O. Schade herausgegebenen Satiren und. Dieselben sind nicht bloft in