• Nie Znaleziono Wyników

Emil Fahrenkamp: Bauten und Projekte für Berlin

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2021

Share "Emil Fahrenkamp: Bauten und Projekte für Berlin"

Copied!
478
0
0

Pełen tekst

(1)

Emil Fahrenkamp

Bauten und Projekte für Berlin

(2)
(3)

Emil Fahrenkamp

Bauten und Projekte für Berlin

Proefschrift

ter verkrijging van de graad van doctor aan de Technische Universiteit Delft,

op gezag van de Rector Magnificus prof.dr.ir. J.T. Fokkema, voorzitter van het College voor Promoties,

in het openbaarte verdedigen op 9. 1. 2006 om 15.30 uur

door Brigitte JACOB

(4)

Dit proefschrift is goedgekeurd door de promotoren: Prof. Dr. Franziska Bollerey

Prof. Dr. Wolfgang Schäche

Samenstelling promotiecommissie: Rector Magnificus, voorzitter

Prof. Dr. F. Bollerey, Technische Universiteit Delft, promotor

Prof. Dr. W. Schäche, Technische Fachhochschule Berlin, Duitsland, promotor Prof. Dr. J. Petsch, Ruhr-Universität Bochum, Duitsland

Prof. Dr. W. Durth, Technische Universiteit Darmstadt, Duitsland Prof. Dr. K. Hartmann, Technische Universiteit Braunschweig, Duitsland Dr. O. Máˇcel, Technische Universiteit Delft

Prof. Dr. P. Drewe, Technische Universiteit Delft

Res. member: Prof. ir. S.U. Barbieri, reservelid, Technische Universiteit Delft

(5)

1.0 Themenstellung 7

1.1 Untersuchungsgegenstand 9

1.2 Thematische Abgrenzung 10

1.3 Erkenntnisinteresse 12

1.4 Aufbau und Methode der Arbeit 14

1.5 Quellenlage 15

1.6 Forschungsstand 17

2.0 Emil Fahrenkamp: Zu Person und Werk 23

3.0 Planen und Bauen für die Großstadt – Versuch einer

Rekonstruktion der Berliner Arbeiten Emil Fahrenkamps 35

3.1 Das Büro Emil Fahrenkampzu Beginn der 20er Jahre:

Entwicklung und Arbeitsweise 36

3.2 Förderung und Unterstützung: Das rheinische Netzwerk 42

3.3 Der Mentor Wilhelm Kreis 48

3.4 Der Beginn: Bauen für die Rheinstahl AG 59

3.5 Die neue Qualität: Entwürfe für die Großstadt 66

3.6 Der Durchbruch am Ende der Weimarer Republik: Das Shell-Haus 76

3.7 Der Weg ins „Dritte Reich“: Arbeiten und Aufträge bis 1937 84

3.8 Der Höhepunkt der ‚zweiten‘ Karriere: Architekt des

„Generalbauinspektors für die Reichshauptstadt“ Albert Speer 91

3.9 Die Nachkriegszeit: Die Erweiterung des Shell-Hauses 118

3.10 Der Architekt Emil Fahrenkamp:

Korrektur seines Bildes in der Baugeschichte 122

(6)
(7)

Untersuchungsgegenstand Thematische Abgrenzung Erkenntnisinteresse

Aufbau und Methode der Arbeit Quellenlage

Forschungsstand zur Architektur Emil Fahrenkamps

(8)
(9)

1.1

Untersuchungsgegenstand

Thema der vorliegenden Arbeit ist die umfassende Aufarbeitung und Dokumentation der Bauten und Projekte Emil Fahrenkamps (*1885, † 1966) in Berlin und Potsdam-Babels-berg sowie die kritische Einordnung seiner Arbeiten in den Kontext der Baugeschichte des 20. Jahrhunderts.

Den zentralen Untersuchungsgegenstand bildet, neben der gebäudespezifischen Er-fassung der Bau- und Planungsprozesse und der Gebäudebeschreibung Fahrenkamps großstädtische Arbeiten und Entwürfe in ihrem gesellschaftlichen Kontext zu analysie-ren. Zeitlich umfasst die Arbeitsphase Fahrenkamps in Berlin die Jahre zwischen 1920 und 1945, in denen er seine bauliche Aktivitäten sowohl für private Bauherrn als auch für öffentliche Auftraggeber etablieren und ausbauen konnte.

(10)

Thematische Abgrenzung

Emil Fahrenkamp hat nicht nur im Rheinland, sondern auch in Berlin und Potsdam-Babelsberg sowohl ein vielfältiges geplantes wie bauliches Erbe hinterlassen. Sein Schaffen umfasst insgesamt vier Jahrzehnte und reflektiert jeweils die für das Bauen in dieser Zeit bestehenden, unterschiedlichen gesellschaftlichen Bedingungen und Vor-aussetzungen. Obgleich Fahrenkamp Zeit seines Lebens seinen beruflichen Mittelpunkt in Düsseldorf beibehielt, hat sich ab 1920 parallel in Berlin ein zweiter Arbeitsschwer-punkt herausbilden können.

Von der Hauptstadt Berlin als dem politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Macht-zentrum, gingen architektonische Innovationen und Reform- und Theoriediskussionen aus. Die sich in der Metropole eröffnenden Aufgaben waren folglich von den großstädti-schen Problemstellungen bestimmt. Ihre Vielschichtigkeit und ihr inhaltlicher Anspruch bedeutete eine über die klar umrissenen Aufgabenbereiche des Rheinlandes hinausge-hende thematische und architektonische Dimension für Emil Fahrenkamp. Daher muss Fahrenkamps kontinuierliche Planungstätigkeit in Berlin zwischen 1920 und 1945 als eine eigenständige und in sich geschlossene Auftrags- und Arbeitsebene innerhalb sei-nes beruflichen Gesamtprofils angesehen werden. Insbesondere seine umfangreiche

(11)

Tätigkeit für den „Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt“ (GBI) konnte sich ausschließlich in Berlin entwickeln und kontinuierlich festigen. Daher sind die groß-städtischen Bauten und Projekte von seiner rheinischen Arbeitsebene eindeutig ab-zugrenzen.

Fahrenkamps Bauten und Projekte für Berlin und Potsdam-Babelsberg über mehr als zwei Jahrzehnte erweisen sich zudem als ein exemplarischer Untersuchungsbereich für den Wandel architektonischer und gesellschaftlicher Leitbilder.

(12)

Erkenntnisinteresse

Die Einordnung des großstädtischen Werkes von Emil Fahrenkamp in Berlin und Pots-dam-Babelsberg war bisher durch das 1929–32 errichtete sogenannte Shell-Haus (siehe 4.7) definiert. Neben dem Verwaltungsgebäude für die Deutsche Lebensver-sicherung Gemeinnützige Aktien-Gesellschaft (siehe 4.8) wird es in der baugeschicht-lichen Forschung vor allem als eines der vergleichsweise wenigen im Stadtbild noch vorhandenen Gebäude der späten 20er Jahre und als ein Sinnbild für das moderne Bauen betrachtet.

Seine expressive Formgebung bestimmte weitgehend Fahrenkamps Geltung für die Baugeschichte der Stadt Berlin. Eine differenzierte Untersuchung all seiner Bauten und Projekte und daraus abgeleitet eine kritische Reflektion seiner großstädtischen Archi-tektur sowie eine Korrektur seiner Bedeutung für Berlin war bis heute nicht Gegen-stand der wissenschaftlichen Forschung.

Vor diesem Hintergrund richtet sich das wissenschaftliche Erkenntnisinteresse der vor-liegenden Arbeit darauf,

(13)

• seine großstädtischen Bauvorhaben in den sie bedingenden gesellschaftlichen Kon-text einzuordnen,

• seine Bedeutung für die Baugeschichte des 20. Jahrhunderts zu korrigieren und neu zu bestimmen.

Besonders in der Nachkriegszeit erfuhren in der baugeschichtlichen Betrachtung die Gebäude der 20er und frühen 30er Jahre, die die Bombardements des Zweiten Welt-kriegs überstanden hatten und deren Architektur der Moderne verpflichtet war, eine auffallend positive Würdigung. Die Orientierung an den Idealen der 20er Jahre in Städ-tebau und Architektur während der Wiederaufbaujahre ließ sie durch die rückblickende Betrachtung geradezu zu Ikonen der Großstadt werden. Bezogen auf das Werk Emil Fahrenkamps ist diese Betrachtungsebene aber allzu selektiv auf das Shell-Haus redu-ziert geblieben und entspricht nicht der faktischen Dimension seines Wirkens in Berlin und Potsdam-Babelsberg.

Vor diesem Hintergrund richtet sich das wissenschaftliche Erkenntnisinteresse und die Fragestellung auf eine kritische Analyse der Gesamtheit seiner großstädtischen Bauten und Projekte im Kontext ihrer jeweiligen gesellschaftspolitischen und kulturellen Be-dingungen. Die vorliegende Betrachtung aller Bauvorhaben Fahrenkamps für Berlin und Potsdam-Babelsberg führt zu einer Korrektur der Einordnung des Shell-Hauses und daher zu einer veränderten Wertung seines Architekten. Gerade Fahrenkamps umfang-reiche Planungen für den GBI zwischen 1936 bis 1945 bildeten den quantitativ größten Anteil seiner Schaffensphase in Berlin. Dennoch bildeten sie thematisch zu keiner Zeit einen Untersuchungsgegenstand wissenschaftlicher Betrachtung. Denn durch die Ver-drängung des Zeitabschnittes von 1933 bis 1945 und die Idealisierung der Architektur der 20er Jahre blieb die Perspektive auf das Haus konzentriert. Hätte das Shell-Haus in der Nachkriegszeit nicht seine unangefochtene Einzigartigkeit in der Bauge-schichte Berlins des 20. Jahrhunderts erhalten, so hätte sich Emil Fahrenkamps Geltung für die Baugeschichte nicht entwickeln können.

(14)

Aufbau und Methode der Arbeit

Die vorliegende Untersuchung besteht aus zwei inhaltlich miteinander verknüpften Teilen: einer analytischen Einordnung der Bauten und Projekte für Berlin und Potsdam-Babelsberg und einer kritischen Neubewertung von Emil Fahrenkamp für die Bauge-schichte unter Berücksichtigung des unter 1.3 formulierten Erkenntnisinteresses sowie einem umfangreichen Katalogteil der Einzelprojekte und Baumaßnahmen. Schwer-punkt und zugleich der quantitativ umfangreichste Teil der Forschungsarbeit ist dabei der Katalogteil, in dem alle für Berlin und Potsdam-Babelsberg nachweisbaren Pla-nungsvorhaben systematisch aufgearbeitet und dokumentiert werden.

Methodisch ist der Katalogteil längsschnittartig aufgebaut. Jedem Projekt/Gebäude wird zunächst eine Kurzlegende mit Lage, Funktion, Bauherr/Eigentümer und der Bau-zeit vorangestellt. Ihr folgt die Baugeschichte unter Einbeziehung des übergeordneten Planungszusammenhangs. Daran schließen sich eine Baubeschreibung sowie eine ar-chitektonische Einordnung an, die das jeweilige Projekt in den gesellschaftlichen und architektonischen Kontext einzuordnen suchen.

In einem gesonderten Anhang sind in chronologischer Reihenfolge bedeutende Quellen der Arbeit dokumentiert. Ein umfangreiches Quellen- und Literaturverzeichnis sowie ein Zeitschriften- bzw. Zeitungsnachweis beschließen den Katalogteil.

(15)

Quellenlage

Wie unter 1.3 formuliert, ist eine systematische Beschäftigung mit allen Projekten von Emil Fahrenkamp in Berlin und Potsdam-Babelsberg bis dato nicht geleistet worden. Mit dem in 1.1 dargelegten Anspruch, eine umfassende Rekonstruktion von Fahren-kamps großstädtischem Schaffen unter Einbeziehung der gesellschaftspolitischen Bedingungen zu erarbeiten, stellt die vorliegende Untersuchung auf diesem Gebiet einen ergänzenden und korrigierenden Beitrag zur baugeschichtlichen Grundlagen-forschung dar.

Vor diesem Hintergrund konnte eine Korrektur und Einordnung von Fahrenkamps groß-städtischem Werk und seiner Bedeutung für die Baugeschichte des 20. Jahrhunderts nicht allein auf einer Auswertung von Sekundärquellen erfolgen. Es bedurfte vor allem der methodischen Aufarbeitung von Primärquellen. Ihre Sachverhalte wurden in der vorliegenden wissenschaftlichen Untersuchung dementsprechend ausgewertet. Durch die Nutzung der Primärquellen war es zum ersten Mal möglich, die Berliner Werkperio-de von Emil Fahrenkamp vollständig zu dokumentieren. Innerhalb Werkperio-der Dokumentation kam der Planungstätigkeit Emil Fahrenkamps für den GBI eine besondere Bedeutung zu. Gerade für diese, in der bisherigen Forschung unbearbeitete Arbeitsphase erwies

(16)

sich die Sichtung, das Studium und die Auswertung der Primärquellen als unverzicht-bar. Unter dem jeweils mit ihrer Herkunft1

aufgeführten Quellenmaterial sind es vor allem die Aktenbestände des Bundesarchivs Berlin (BArch) sowie der Plankammern der Bau- und Wohnungsaufsichtsämter der Berliner Bezirksämter, die für die systematische Rekonstruktion der Planungsverfahren in hohem Maße ergiebig waren. Gerade die Be-stände des Bundesarchivs Berlin eröffneten für die Vervollständigung von Fahrenkamps Werkverzeichnis und für seine Arbeit für den GBI wertvolles und bis dahin nicht unter-suchtes Quellenmaterial. Um die Kontur Fahrenkamps in der Zeit zwischen 1933 und 1945 zu präzisieren, wurden in der vorliegenden Untersuchung Zitate aus Briefwechseln zwischen Fahrenkamp und dem GBI zu den Planungsvorgängen eingearbeitet, die die enge Verbindung zwischen dem Architekten und seinem Auftraggeber verdeutlichen. Vor allem bei der Darstellung der Einzelprojekte bis 1933 erwiesen sich die Fachzeit-schriften als gehaltvolle und differenzierte Quellen, die sowohl zur Rekonstruktion der Planungsverfahren dienten als auch für die zeitgenössische Einschätzung der Projekte von großer Bedeutung waren. Gerade diese Publikationen spiegeln dabei die zum Teil ambivalente Bewertung der Arbeit Fahrenkamps wieder und unterscheiden sich damit von der heutigen Sichtweise und Einschätzung.

Von den neueren Untersuchungen zu Emil Fahrenkamp sind im besonderen zwei her-auszuheben. Die im Jahre 2002 erschienene bisher umfassendste Arbeit zum Werk des Architekten Emil Fahrenkamp 1885–1966. Architekt im rheinisch-westfälischen Industrie-gebiet2

von Christoph Heuter, deren Schwerpunkt auf der Tätigkeit Fahrenkamps im Rheinland lag, stellte dabei für die vorliegende Untersuchung eine wichtige Quelle dar. Die Arbeit betrachtet das Œuvre des Architekten aber aus einer kunsthistorischen Per-spektive, die thematisch nicht dem hier unter 1.3 formulierten Erkenntnisinteresse ent-spricht. Auch die bereits 1976 erstellte Untersuchung Emil Fahrenkamp3

von Anthony de Taranto bedeutete eine wesentliche, aber unzulängliche Quelle, da der Autor hierin einige der relevanten Bauten beschrieb, jedoch eine differenzierte kritische Wertung vermied.

1. In den Anmerkungen ist je-weils die vollständige Quellen-angabe verzeichnet. Siehe dazu auch die entsprechende Gesamt-auflistung der benutzten Archive.

2. Heuter, Christoph: Emil

Fahren-kamp 1885–1966. Architekt im rhei-nisch-westfälischen Industriege-biet. Arbeitsheft der rheinischen Denkmalpflege 59.

Landschafts-verband Rheinland. Petersberg

3. Taranto, Anthony de: Emil

Fahrenkamp. Dissertation for

(17)

Forschungsstand zur

Architektur Emil Fahrenkamps

Nachdem die baugeschichtliche Forschung – bis auf wenige Ausnahmen – die Zeit des Nationalsozialismus bis zu Beginn der 70er Jahre nahezu ausgeklammert hatte, erfolg-ten dann im Nachgang zu anderen Disziplinen inerfolg-tensive und umfassende Untersu-chungen zu Architektur und Städtebau dieser Zeitspanne und brachten die bis dahin tabuisierte und verdrängte Thematik in die öffentliche Diskussion. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang vor allem die Arbeiten von Anna Teut Architektur im Dritten Reich. 1933–1945 (Frankfurt/M., Berlin 1967) und Joachim Petsch Baukunst und Stadtpla-nung im Dritten Reich. Herleitung/Bestandsaufnahme/Entwicklung/Nachfolge (München, Wien 1976). Ihnen folgten differenzierte Grundlagenarbeiten, welche – mit unterschied-lichen Fragestellungen – die Geschichte systematisch aufarbeiteten und in der Folge weitergehende Untersuchungen erst möglich machten. So hat Wolfgang Schäche in seinem Buch Architektur und Städtebau in Berlin zwischen 1933 und 19454

nicht nur die Rolle von Architektur und Städtebau im Nationalsozialismus dargestellt, sondern erst-mals auch den Zusammenhang von Architektur und Politik am Beispiel Berlins umfas-send herausgearbeitet. Insbesondere die Planungen zum Umbau der Stadt im Rahmen von Albert Speers „Neugestaltungsmaßnahmen für die Reichshauptstadt Berlin“

wur-4. Schäche, Wolfgang:

Archi-tektur und Städtebau zwischen 1933 und 1945. Planen und Bauen unter der Ägide der Stadtverwal-tung. Die Bauwerke und Kunst-denkmäler von Berlin, Beiheft 17.

Herausgegeben von der Senats-verwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz, Landeskon-servator, Berlin 1991.

(18)

den in der Veröffentlichung Von Berlin nach Germania5

wissenschaftlich thematisiert und ausführlich dargestellt.

Vor dem Hintergrund dieser grundlegenden Arbeiten konnten dann insbesondere die Verbindungen vermeintlich „moderner“ Architekten für Bau- und Planungsvorhaben und Wettbewerbe im Auftrag des „Generalbauinspektors“ thematisch zum Gegenstand baugeschichtlicher Untersuchungen werden.

Zu Emil Fahrenkamp, der in Berlin über zwei Jahrzehnte in das öffentliche und private Bauen eingebunden war, fehlte allerdings eine explizite Aufarbeitung seiner Schaffens-phase zwischen 1933 und 1945, obwohl seine Bauten und Projekte für den „Generalbau-inspektor“ den quantitativ größten Anteil seiner Arbeiten für die Stadt ausmachten. Die einseitige Konzentration baugeschichtlicher Betrachtung auf das sogenannte Shell-Haus und die daraus abgeleitete Bedeutung Fahrenkamps für die Architekturgeschichte verhinderte eine kritische Auseinandersetzung mit seinem Berliner Gesamtwerk. Die erste Monografie zum Werk von Emil Fahrenkamp erschien im Jahre 19286

. Sie be-trachtete in exemplarischer Form die von ihm geplanten und ausgeführten Bauprojek-te, Innenraumplanungen und Möbelentwürfe des Zeitraumes von 1924 bis 1927. Tenor dieser Publikation ist die Beschreibung einer Architektur, die vor allem durch eine bau-künstlerische Formensprache gekennzeichnet ist. Gestaltung und Form werden dabei als Teil einer neuen „Baukunst“ verstanden, die im Grundsatz durch Funktion und Konstruk-tion eines Gebäudes bestimmt wird und die nur allein durch „schöpferische Persönlich-keiten“ entwickelt werden kann. August Hoff stellt Fahrenkamp darin als einen im Rheinland verwurzelten Architekten dar, dessen künstlerisches Selbstverständnis auf der Geschichte und Kultur seiner Heimat fußt und sich nur durch sie entwickeln konnte. Diese Veröffentlichung ist ein durch die zeitgenössische Aktualität bestimmter Längs-schnitt seiner Arbeiten der ersten Hälfte der 20er Jahre. Sie leistet indes keine kritische Betrachtung von Fahrenkamps Projekten. Dennoch weist sie bereits, noch vor dem Bau des Shell-Hauses, auf seine baugeschichtliche Geltung als einen der Funktion und der sachlich-anmutigen Formgebung verpflichteten Gestalter. Die von Hoff mit Fahrenkamps Architektur assoziierten Begriffe wie „Ernst und Heiterkeit, Größe und Feinheit, Kraft und Anmut, Monumentalität und Feinnervigkeit, konstruktive Sachlichkeit und maleri-sche Zierlust“7

beschrieben eine unpolitische und auf die baukünstlerische Aufgabe

5. Reichhardt, Hans J.; Schäche, Wolfgang : Von Berlin nach

Ger-mania. Über die Zerstörungen der „Reichshauptstadt" durch Albert Speers Neugestaltungsmaßnah-men. Berlin 1998.

6. Hoff, August: Emil Fahrenkamp.

Ein Ausschnitt seines Schaffens aus den Jahren 1924–1927. Stuttgart

1928.

7. Siehe dazu: Hoff, August: Emil

(19)

bezogene Persönlichkeit. Dieses so skizzierte Profil beeinflusste, ungeachtet der weiteren architektonischen Entwicklung, insbesondere der zwischen 1933 und 1945, die nachfol-gende künstlerische Bewertung und Einschätzung Fahrenkamps im Grunde bis heute. So wurde – wie bereits erwähnt – im Jahre 1976 von Fahrenkamps Enkel Anthony de Taranto eine Arbeit über Emil Fahrenkamp8

erstellt, in der längsschnittartig exemplari-sche Bauprojekte vorgestellt wurden. Einen Schwerpunkt der Arbeit bildete, neben der Mischung biographischen Daten mit den Bauaufgaben ab 1922 einmal mehr das Shell-Haus, dem eigens ein separates Kapitel gewidmet war. Auch die realisierten Projekte ab 1935 wurden mit ihrer spezifischen Architektur und Gestaltung erwähnt. Vorherrschend aber war das Unverständnis gegenüber Fahrenkamps architektonischer Wandlung, für die der Autor die politischen Verhältnisse verantwortlich machte. Zwar wurde der Wi-derspruch zwischen der modernen Architektur des Shell-Hauses und dem groben Mo-numentalismus seiner Planungen für den GBI benannt. Doch auch in dieser Untersu-chung wird Fahrenkamp als unpolitischer Baukünstler charakterisiert und die Gebäude-auswahl überwiegend auf ihre funktionale und sachliche Formgebung hin beschrieben. Zugleich unterblieb eine kritische Auseinandersetzung zu Fahrenkamp und dem gesell-schaftlichen Kontext seiner Architektur. Vor diesem Hintergrund stellt diese Arbeit Fah-renkamp als vorwiegend großstädtischen Architekten dar, der für seine differenzierten Bauaufgaben jeweils eine individuelle baukünstlerische Lösung suchte. Die Anpassung an die vom GBI geforderte Architektur wurde mit den übergeordneten, nicht beein-flussbaren politischen Bedingungen begründet. Damit bleibt diese Monografie nicht nur unvollständig und lückenhaft, sie stützt das schon bei Hoff geschaffene Bild des Künstlers, dessen Ambitionen jenseits der politischen Realität in der künstlerisch-ästhe-tischen Architektur liegen.

Bereits im Jahre 1929, also ein Jahr nach der Hoff’schen Publikation, erschien anlässlich der Fertigstellung und Eröffnung des Parkhotels Rechen in Bochum eine Monografie9

, für die Paul Joseph Cremers einen erläuternden Textbeitrag verfasste. Neben den ge-bäudebezogenen Daten und Beschreibungen wurden einmal mehr die künstlerischen Aspekte im Schaffen Fahrenkamps untersucht. Assoziative Begriffe wie

Raumkörper-8. Taranto, Anthony de: Emil

Fahrenkamp. (Anm. 3).

9. Parkhotel Haus Rechen Bochum

erbaut von Emil Fahrenkamp.

(20)

gestaltung und Raumschöpfung für Fahrenkamps Hotelarchitektur betonen den künst-lerischen Aspekt seiner Arbeit und lenken den Blick auf eine ausschließlich ästhetische Ebene. Im Jahre 1999 erschien das Buch in der monografischen Reihe Neue Werkkunst in einer Neuausgabe mit einem Nachwort von Christoph Heuter, in der er Emil Fahren-kamp und sein Werk erläutert. Auch in diesem Epilog, der neben biografischen Daten vor allem durch zeitgenössische Wertungen die Künstlerpersönlichkeit Fahrenkamps und sein „baukünstlerisches Schaffen“10

in den Vordergrund stellt, bleibt seine Arbeit für den GBI, die Haupttätigkeit in der Zeit des Nationalsozialismus nur eine Randnotiz. Die Beauftragung Fahrenkamps wird hier mit dem wirtschaftlichen Aufschwung be-gründet und der Auftragszuwachs überwiegend im industriellen und privaten Sektor beschrieben. Auch in dieser Untersuchung unterbleibt eine kritische Auseinanderset-zung mit der Stellung Fahrenkamps während des Nationalsozialismus. Heuters Analyse sucht seine Arbeit für den GBI im Kontext seines Gesamtschaffens zu einer Marginalie zu machen. Einmal mehr wird das Bild des Baukünstlers bemüht und bestätigt und in der Folge sein Erfolg überwiegend durch sein künstlerisches Selbstverständnis und seine gestalterische Vielfalt begründet. Die Ausblendung seiner Position innerhalb des GBI bekräftigt das bereits vorhandene Bild eines ausschließlich an die Baukunst gebun-denen, unpolitischen Architekten.

Vom selben Autor erschien im Jahre 2002 die als Dissertation vorgelegte Veröffentli-chung Emil Fahrenkamp 1885–1966. Architekt im rheinisch-westfälischen Industriegebiet11

, in der die Bauplanungen und Projekte im Rheinland im Mittelpunkt der Untersuchung standen. Sie ist die bisher umfangreichste Arbeit, die zur Fahrenkamp-Rezeption er-schienen ist. In der unzweifelhaft umfassenden Werkdarstellung, die auf den biografi-schen Etappen in Fahrenkamps Œuvre aufbaut, ist neben Primär- und Sekundärquellen auch die interpretierende Literatur wissenschaftlich ausgewertet worden. Darüber hin-aus sind Berichte von Zeitzeugen hin-aus Familie und Büro Bestandteil der Untersuchung, die zum einen die Person beleuchten sollten und auch die persönlichen Verbindungen von Auftraggebern und Bauherren zu ihrem Architekten thematisierten. Obwohl dabei auch die in Berlin geplanten bzw. ausgeführten Bauten Bestandteil dieser Arbeit sind, sind sie nicht zentraler Gegenstand der Betrachtung.

10. Heuter, Christoph: „Emil Fah-renkamp – ,Form, Farbe, Lebens-freude‘, in: Parkhotel Haus Rechen

Bochum erbaut von Emil Fahren-kamp (Anm. 9), S. II.

11. Heuter, Christoph: Emil

(21)

Eine Ausnahme bildet dabei wiederum das Shell-Haus, welches auch hier als das em-blematische und herausragende Gebäude im Werk von Fahrenkamp beschrieben ist. Christoph Heuter allerdings untersucht die einzelnen Bauprojekte stilistisch, indem er für die Gebäude die gestalterischen Vorbilder, die möglichen Vergleichsbauten und ent-wicklungsgeschichtlichen Herleitungen eruiert. Nicht die differenzierte Aufarbeitung der Baugeschichte und eine wertende architektonische Einordnung stehen dabei im Mittelpunkt des Werkkataloges, sondern eine kunsthistorisch determinierte, eher be-schreibende Nachzeichnung der gestalterischen Entwicklung der einzelnen Gebäude und Projekte. Doch mit diesem Ansatz rücken wiederum Architektur und Formgebung ins Zentrum der Betrachtung. Fahrenkamp wird dabei einmal mehr zum ‚Künstlerarchi-tekten‘ stilisiert, der sich mit den politischen Umständen und Bedingungen seiner Ar-beit nicht befasst hat. Obgleich seine Tätigkeit für den GBI nicht negiert und im Zusam-menhang mit den Bauaufträgen auch benannt wird, entfällt doch eine kritische Aus-einandersetzung mit den benutzten Quellen und eine differenzierte Wertung dieser Zeitspanne im Rahmen seines Gesamtwerkes. Vor diesem Hintergrund ist die Unter-suchung ein umfangreicher Katalog im Sinne eines erstmals vollständigen Werkver-zeichnisses, in dem primär die architektonische Begabung und Gestaltungsvielfalt Fahrenkamps vorgestellt und reflektiert wird. Die spezifischen Umstände seiner Be-auftragung, seine Anpassungsfähigkeit und Einbindung beim GBI bleiben für die Wer-tung weitgehend unberücksichtigt. Methodisch aber wird durch die stilistische Betrach-tung und stilgeschichtliche HerleiBetrach-tung eine differenzierte Auseinandersetzung mit Person und Werk nicht nur verhindert, die daraus resultierenden Deutungen festigen vielmehr das bereits bestehende Bild eines auf die Baukunst und die Ästhetik bezoge-nen Architekten.

Neben den umfassenden Untersuchungen zu Leben und Werk von Emil Fahrenkamp, sind in der Zeitschriften-Bibliographie zur Architektur in Berlin von 1919 bis 194512

alle we-sentlichen Bauten und Projekte für Berlin vertreten. Von Beginn der 20er Jahre an wur-den seine Entwürfe kontinuierlich veröffentlicht. Der weitaus größter Anteil der Fach-aufsätze allerdings ist auch hier wieder dem Shell-Haus gewidmet, das noch vor seiner Fertigstellung von der Fachpresse beständig publizistisch begleitet und beschrieben

12. Güttler, Peter und Sabine:

Zeitschriften-Bibliographie zur Architektur in Berlin von 1919 bis 1945. Die Bauwerke und Kunst-denkmäler von Berlin. Beiheft 14.

(22)

wurde. Von insgesamt 92 Veröffentlichungsbeiträgen zu Fahrenkamps Berliner Planun-gen beziehen sich allein 27 Aufsätze auf das Shell-Haus, das in diesem publizistischen Zusammenhang sowohl städtebaulich, architektonisch als auch konstruktiv und bau-typologisch ausführlich untersucht wurde. Dieser quantitativ hohe Anteil spiegelt aber nicht nur das große Interesse der Fachpresse an dem Gebäude und seiner Architektur. Der überwiegend positive Tenor dieser Abhandlungen zeichnete bereits das Bild des großstädtischen Architekten Fahrenkamp, das sich in der baugeschichtlichen Betrach-tungsweise der Nachkriegszeit weiter festigen konnte.

(23)

Emil Fahrenkamp: Zu Person und Werk

Emil Fahrenkamp: Zu Person und Werk

2.0

(24)
(25)

Emil Fahrenkamp: Zu Person und Werk

Das Leben Emil Fahrenkamps, welches die Zeit des Kaiserreiches, der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus umfasste und sich in den späten Nachkriegsjahren der Bundesrepublik vollendete, war nicht nur geprägt von den politischen Umbrüchen dieser Jahrzehnte und der Erfahrung zweier Weltkriege. Es wurde darüber hinaus be-stimmt durch seine Herkunft und tiefe Verwurzelung in der rheinischen Kultur und Gesellschaft. Sein Leben und seine steile Karriere als Architekt sind durchzogen von einer bemerkenswerten Synthese aus persönlichen Kontakten und Netzwerken, außer-gewöhnlichen handwerklichen Fähigkeiten und Talenten, einer auffälligen Anpassungs-fähigkeit an seine Auftraggeber und Bauherren und an die jeweils aktuellen architekto-nisch-gestalterischen Strömungen und Zeitstile. Durch die Integrierung in diese gesell-schaftlichen Verbindungen und mit den ihm eigenen Begabungen schien Fahrenkamp prädestiniert für unterschiedlichste Bauaufgaben, legte er sich doch Zeit seines Lebens nicht auf eine architekturtheoretische und gestalterische Orientierung fest, sondern variierte und modifizierte seine Konzepte jeweils entsprechend der realen Aufgabe. Die Einzelprojekte in seinem umfangreichen Werk sind vor diesem Hintergrund auch als ein Spiegel der jeweiligen architektonischen Vorlieben und Neigungen sowohl des

(26)

tekten als auch seiner jeweiligen Auftraggeberschaft zu betrachten. So führte er aus: „Die Arbeit und Leistung des Architekten gewinnt in Deutschland immer mehr an Bo-den und an Anerkennung. … Eben darum ist es notwendig, daß … Klarheit darüber herr-sche, was ein Architekt ist und welche Aufgaben ihm gestellt sind, welchen Wert und welchen Umfang seine Arbeit in jedem Einzelfalle hat, welche ganz bestimmten Gren-zen ihm gesteckt sein müssen, damit er seine im wesentlichen künstlerische Leistung als Architekt und seine Funktionen als ‚Treuhänder des Auftraggebers‘ in vollem Maße erfüllen kann. … Er organisiert das Zusammenarbeiten aller Teilelemente, d.h. er ist Künstler und Organisator seines Baugedankens.“13

Sein Berufsweg und seine Architektur waren mehr durch die pragmatische Auseinan-dersetzung mit den jeweiligen architektonischen Strömungen und ihrer konkreten auf-gabenbezogenen ‚Verwertung‘ gekennzeichnet als auf die Entwicklung einer eigenen unverwechselbaren Architektursprache ausgerichtet. „Man wird vielleicht die unbeding-te Konsequenz vermissen, die die oft ungemein inunbeding-teressanunbeding-ten Problematiker auszeich-net; er ist dafür frei von der Gequältheit und Gedanklichkeit ihrer Arbeiten.“14

Wer war Emil Fahrenkamp? Als Sohn des Zigarrenfabrikmeisters Louis Fahrenkamp und seiner Frau Wilhelmine wurde Emil Gustav Fahrenkamp am 8. November 1885 in Aachen geboren.15

Nach vier Jahren Volks- und sechs Jahren Realschule16

, begann er im April 1908 eine Ausbildung im Büro des Architekten Carl Sieben (1864–1927), der seit 1905 den Lehr-stuhl für Baukonstruktion an der TH Aachen innehatte. Doch bereits im April 1909 wech-selte Fahrenkamp als erster Assistent in das Privatatelier von Wilhelm Kreis (1873–1955), der im Jahre 1907 den Deutschen Werkbund mitbegründet und ab 1908 als Nachfolger von Peter Behrens die Leitung der Kunstgewerbeschule Düsseldorf übernommen hatte. Mit ihm sollte Fahrenkamp nicht nur eine lebenslange Freundschaft pflegen, der be-reits etablierte Wilhelm Kreis protegierte und unterstützte ihn beständig und konse-quent über nahezu vier Jahrzehnte. Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges sorgte er auf diese Weise für die erforderliche Kontinuität in Fahrenkamps beruflichen Werdegang. Für die eigene Biografie bedeutete die Arbeit bei Wilhelm Kreis einen enormen Schub, konnte dieser ihn doch im Jahre 1911 zunächst als Assistent von Alfred Fischer anstellen, der ebenfalls an der Kunstgewerbeschule lehrte. Bereits im Jahre 1912 wurde er

schließ-13. Fahrenkamp, Emil: „Das Ar-beitsgebiet des Architekten. Ent-wurf und Organisation des Bau-gedankens“, in: Innen-Dekoration, Jg. 39, 1928, S. 222.

15. Christoph Heuter hat in seiner Publikation eine umfassende und detaillierte Recherche zu Emil Fahrenkamps Leben erstellt und sie in Verbindung zu seinem Werk und seiner Arbeit als Architekt

chen und Akten. Siehe hierzu: Heuter, Christoph: Emil

Fahren-kamp 1885–1966 (Anm. 2).

(27)

Gymna-lich zum hauptamtGymna-lichen Lehrer – trotz des fehlenden Hochschulstudiums und quasi als Autodidakt aus der Praxis – an die Kunstgewerbeschule Düsseldorf berufen. Damit war für ihn zunächst eine solide wirtschaftliche Grundlage geschaffen, auf der er seine freiberufliche Tätigkeit aufbauen konnte. Mit Beginn seiner Lehrtätigkeit beendete Fah-renkamp zugleich auch seine Arbeit im Privatatelier von Kreis.

In der Zeitspanne zwischen 1909 und 1915 stellte er sich dann als Teilnehmer in verschie-denen Wettbewerbsprojekten der Fachöffentlichkeit vor. Stets mit Wilhelm Kreis als Preisrichter empfahl er sich dabei – jedes Mal mit einem Ankauf bedacht – für weitere Aufgaben. Parallel zu seiner Wettbewerbstätigkeit, konnte Fahrenkamp zwischen 1910

(28)

und 1911 seine ersten eigenen Aufträge in Düsseldorf-Oberkassel realisieren. Die von ihm entworfenen Fassaden für die Stadthäuser sind mit reduziertem, achsial akzentu-ierendem Dekor in ihrer architektonischen Haltung noch der zu dieser Zeit üblichen tra-ditionell-konservativen Architektur verhaftet.

Im März 1915 wurde Fahrenkamp als Soldat eingezogen, doch bereits in der ersten Hälf-te des Jahres 1916 konnHälf-te er aus dem ErsHälf-ten Weltkrieg auf Grund einer Kriegsverwun-dung nach Düsseldorf zurückkehren.

Er konzentrierte sich in der Folgezeit zunächst auf Landhausentwürfe. Doch mit der Ein-gliederung der Kunstgewerbeschule in die Kunstakademie Düsseldorf im Jahre 1918, die auf Betreiben von Wilhelm Kreis initiiert worden war, avancierte Fahrenkamp ein Jahr später zum Akademieprofessor und übernahm im Jahre 1919 das Meisteratelier für „Künstlerische Durchbildung im Einzelnen, Wohnungsbau und Raumkunst“. Mit der Ausrichtung der Kunstakademie auf die Pflege der rheinischen Bautradition unter Wil-helm Kreis’ Direktorium konnte sich auch Fahrenkamp in seiner Haltung einbinden las-sen. „Durch die Berufungen der beiden führenden typischen rheinischen Maler August Deusser und Max Clarenbach an die Akademie hat die Pflege heimischer Eigenart eine

(29)

besondere Stütze erhalten. Auch durch die Berufung des jugendlichen rheinischen Ar-chitekten E. Fahrenkamp, der schon heute zu den gesuchtesten LandhausarAr-chitekten in den Rheinlanden zählt. Die Detailhandlung seiner Bauten ist eine reizvolle Bereiche-rung der heimischen Backsteinarchitektur.“17

Sein Status als Professor sicherte ihm auch eine gefestigte gesellschaftliche Position. Seine Klientel rekrutierte sich aus der vornehmlich großbürgerlichen und vermögenden rheinischen Gesellschaftsschicht, für deren private Bauvorhaben Akademiedirektor Wil-helm Kreis häufig Architekten empfahl. Die von WilWil-helm Kreis bewusst geförderten Verbindungen zwischen der kunst- und kulturinteressierten Industrieklientel und Mit-gliedern der Akademie schufen ein engmaschiges Kontaktnetz. Potentielle Auftragge-ber konnten mit den potentiellen Auftragnehmern zusammenkommen und es ist zu vermuten, dass Fahrenkamp eine Reihe von Privataufträgen zu Beginn der 20er Jahre diesem Beziehungsgeflecht verdankte. „In Düsseldorf ergab sich eine … Entwicklung: da wurden Volkskunstmotive und andere geschichtliche Vergangenheiten wirksam, ver-banden sich leicht und glücklich mit expressionistischen Elementen und ergaben so einen lebendigen Formenstrom, der auch die Arbeit des Düsseldorfer Architekten trägt,

17. Klapheck, Richard: „Baukunst und Kunstakademie“, in:

Was-muths Monatshefte für Baukunst

4, 1919/20, S. 247.

(30)

von dem hier die Rede ist: Emil Fahrenkamp …. Fahrenkamp greift frisch in den rings-herum aufgehäuften Vorrat von Ausdrucksmitteln hinein.“18

Ein für Fahrenkamps Gesamtwerk entscheidendes Resultat dieser fruchtbaren Kontakte lag in der Tätigkeit für die Rheinstahl AG, die eine kontinuierliche und langfristige Auf-tragslage mit sich brachte und ihn als anerkannten Industriearchitekten auch über das Rheinland hinaus bekannt machte. Aus der Verbindung zu diesem Unternehmen erga-ben sich für Fahrenkamp die ersten beiden realisierten Bauvorhaerga-ben in Berlin.

Neben privaten Wohnbauten waren es zwischen 1921 und 1923 vor allem Fabrik- und Verwaltungsbauten, die er für dieses Unternehmen in Frankfurt/M., Hamburg, Erfurt und Düsseldorf ausführen konnte. Diese Baumaßnahmen förderten Fahrenkamps künstlerisches Profil und gesellschaftliches Renommee. Als Metapher für eine moderne und zukunftsorientierte Zeit hatten die „Industriebauten … den Reiz der neuen Aufga-be, sie sind nicht einer falschen Tradition versklavt; sie sind ganz auf Konstruktion, auf Zweckgestaltung, auf Sachlichkeit und Wirtschaftlichkeit gestellt … . Mit bewunderns-werter Leichtigkeit und feinem Gefühl für Harmonie gliedert Fahrenkamp die riesigen Massen seiner großen Industrieaufgaben, seiner Maschinenhallen, seiner Verwaltungs-gebäude, der Lagerhäuser und ähnlicher Großanlagen. Der edle Maßstab und der Wohl-klang des Rhythmus geben seinen Bauten der Arbeit eine eigentümliche Heiterkeit und ihm eigene Anmut. … Diese glückliche Mischung ist heute eine große Seltenheit.“19

Mit Beginn der 20er Jahre bedeutete der Zuwachs an Wettbewerbsteilnahmen, Auf-trägen und Bauaufgaben für das Büro Fahrenkamp eine enorme Expansion20

. Der Ar-beitsschwerpunkt aber blieb dabei weiterhin im Rheinland, der Bürostandort war Düs-seldorf. Organisatorisch wurden das Verwaltungsgebäude für die Rheinstahl AG (siehe 4.1) und das Wohnhaus für den Rheinstahl-Direktor Ballin (siehe 4.2) in Berlin mit Hilfe eines Kontaktarchitekten ausgeführt.

Die Ausweitung der Planungsaufgaben vom Rheinland nach Berlin vollzog sich für das Büro Fahrenkamp nach den beiden Bauvorhaben für die Rheinstahl-Niederlassung in Berlin-Neukölln und dem Wohnhaus Ballin in Berlin-Schmargendorf. In der Metropole Berlin boten sich zu Beginn der 20er Jahre anspruchsvolle großstädtische Aufgabenstel-lungen; dies bedeutete für Fahrenkamp eine neue Herausforderung und eine weitere Möglichkeit der künstlerischen Profilierung. Neben den Projekten, die er weiterhin im

18. Die Beschreibung bezieht sich auf die architektonische Hal-tung bei der Innenraumgestal-tung für das Haus Filius in Duis-burg aus dem Jahre 1919, die nach Fahrenkamps Entwurf für den

19. Hoff, August: Emil

Fahrenkamp (Anm. 6), S. 8.

(31)

Rheinland bearbeitete, beteiligte sich Fahrenkamp nun auch an den großstädtischen Wettbewerben in der Reichshauptstadt. Nachdem er bei den Konkurrenzen zur Deut-schen Allgemeinen Zeitung (siehe 4.3), zum Verwaltungsgebäude der Kathreiner-Malz-kaffeefabriken (siehe 4.4) sowie zu beiden Wettbewerben zur Erweiterung des Reichs-tages (siehe 4.5, 4.6) äußerst erfolgreich war und damit der Berliner Fachöffentlichkeit aufgefallen sein musste, konnte er sich mit der Realisierung des so genannten Shell-Hauses (siehe 4.7) nun endgültig in der Reichshauptstadt etablieren. Das Shell-Haus sollte bis 1933 nicht nur bestimmend für seinen künftigen Status in Berlin werden, an seiner bestechenden Architektur entzündeten sich die damals essentiellen Themen und fundamentalen Fragestellungen großstädtischer Architektur und großstädtischen Städ-tebaus – und sind es bis heute geblieben. Fahrenkamp gerierte sich inzwischen als ,mo-derner‘ Architekt, der die künftigen Aufgaben der Großstadt nur mit ,modernen‘ Mitteln zu erreichen sah – das Shell-Haus wurde zum Symbol einer an der Funktion und der Bau-kunst orientierten Architektur. „Die Leichtigkeit und Harmonie der Massengliederung Fahrenkamps fühlt man besonders bei seinen großen Verwaltungsgebäuden … und ähnlichen Projekten. Hier bewundert man die Ruhe der Fassadengestaltung mit stets betonter horizontaler Gliederung, der gut ausgewogene, starke vertikale Akzente an städtebaulich wichtigen Punkten und glücklich im Bauganzen entgegengesetzt sind.“21

Das zwischen 1930 und 1932 realisierte Verwaltungsgebäude der Deutschen Versiche-rung Gemeinnützige Aktien-Gesellschaft (siehe 4.8) konsolidierte und festigte seine Position innerhalb der Berliner Architektenschaft. Mit der Ausführung des Shell-Hauses aber und als Folge des immensen (Fach)-Interesses an diesem Projekt zählte er nun zu den öffentlich diskutierten Architekten seiner Zeit. Anlässlich einer im Jahre 1930 gezeigten Werkschau wurde sein Renommee und seine anerkannte Stellung unmiss-verständlich ausgedrückt: „Die … Ausstellung [zeigt Arbeiten] des rheinischen Archi-tekten Emil Fahrenkamp, Düsseldorf, der heute im Alter von 45 Jahren zu den führen-den Architekten Deutschlands gehört.“22

Mit der 1929 einsetzenden Weltwirtschaftskrise allerdings konnten sich Fahrenkamps Erfolge nicht weiter fortsetzen. Der Niedergang der Wirtschaft bedeutete das vorläu-fige Ende der viel versprechenden Perspektiven. Den Fertigstellungen des Shell-Hauses

21. Hoff, August: Emil

Fahren-kamp (Anm. 6), S. 8.

(32)

und des Verwaltungsgebäudes der Deutschen Versicherung Gemeinnützige Aktien-Gesellschaft folgten in Berlin zunächst keine weiteren Aufträge.

Im Jahre 1932 musste Fahrenkamp auch sein Büro in Düsseldorf schließen, konzentrierte sich auf seine Lehrtätigkeit an der Akademie und verlagerte seinen Wohnsitz nach Kro-nenburg in der Eifel. Diese abwartende und in der Hoffnung auf Besserung der wirtschaft-lichen Lage angelegte Haltung charakterisierte Fahrenkamps vordergründig unpolitische Einstellung. Der erzwungene Rückzug ins Private und der Freundeskreis in Kronenburg kompensierten offenbar die Folgen der so genannten Machtergreifung im Januar 1933 und die damit verbundenen grundlegenden gesellschaftlichen Veränderungen. Die sorgsam aufgebauten Verbindungen im Rheinland allerdings blieben auch nach den politischen Umwälzungen bestehen, so dass Fahrenkamp im Jahre 1935 den zwei-ten Bauabschnitt für das Verwaltungsgebäude der Deutschen Arbeitsfront (DAF, siehe 4.8) in Berlin nicht nur entwerfen, sondern auch ausführen konnte. Seine Beauftragung ist nicht nur die Folge einer bereits vollzogenen Anpassung an die nun vorherrschenden architektonischen Vorstellungen, sie signalisiert Fahrenkamps Einverständnis mit den etablierten Arbeits- und Gestaltungsbedingungen. Er gründete und organisierte sein Büro neu und richtete sich auf neue Aufgaben ein. Neben den Planungen für die DAF projektierte und realisierte Fahrenkamp im Jahre 1935 auch das so genannte „schorn-steinlose Kraftwerk“ für die I.G. Farben in Leverkusen.

(33)

Berlin sowie die Ausstellung Schaffendes Volk 1937 in Düsseldorf. Die Orientierung Fahrenkamps an den Intentionen seiner Auftraggeber, der Erfolg und die positive Sanktionierung seiner Entwürfe empfahlen ihn für weitergehende Aufgaben. Insbe-sondere die Projektierung und die Bauleitung der „Hermann-Göring-Meisterschule“ in Kronenburg, die durch Hermann Göring und den Maler Werner Peiner, Fahrenkamps Freund und Akademiekollegen gegründet worden war, führte zu einer noch engeren Bindung an das nationalsozialistische Regime. Die Schule „will durch ernstes, friedsa-mes Schaffen in enger Gemeinschaft und fester Führung‚ die großen Züge deutschen Wesens herausbilden und vertiefen‘.“23

In Folge seiner bereits präsentierten Arbeiten und im Vorfeld künftiger attraktiver Auf-gaben, wurde Fahrenkamp am 1. Mai 1937 als Mitglied der NSDAP eingetragen24

. Bis dahin war er Mitglied der Deutschnationalen Volkspartei. Jetzt als Mitglied der NSDAP hatte Fahrenkamp in der Partei das Amt eines „Gauamtsleiters“ inne.

Ende Juli 1937 schließlich erfolgte die Ernennung Fahrenkamps zunächst zum kommis-sarischen Leiter der Kunstakademie Düsseldorf. Sein Einritt in die NSDAP und seine Ernennung zum Direktor25

in der Nachfolge von Peter Grund bestätigen seine vollzoge-ne Integration in das politische Gefüge. Als Parteimitglied waren zudem auch die for-malen Voraussetzungen für weitere Kontakte und Aufträge geschaffen. Insbesondere die offizielle Konstituierung des „Generalbauinspektors für die Reichshauptstadt Berlin“ (GBI) im Januar 1937 muss für Fahrenkamp und seine ehrgeizigen Zukunftspläne ein be-deutendes Datum gewesen sein.

War bis dahin Fahrenkamps Wirkungsfeld – wie dargestellt – noch schwerpunktmäßig im Rheinland und der quantitativ größere Anteil seiner Planungsprojekte im rheini-schen Industriegebiet angesiedelt, so konzentrierte sich seine Arbeit ab 1937 in Erwar-tung größerer Bauaufgaben im Rahmen der „NeugestalErwar-tungsmaßnahmen“ auf die Ent-wicklung in Berlin. Ab 1938 ist Fahrenkamp kontinuierlich zu Wettbewerben und für Planungsprojekte im Auftrag des GBI aufgefordert worden. Die Fülle und Vielseitigkeit der Planungsaufgaben für Berlin spiegeln dabei Geltung und Akzeptanz seiner Person und Architektur innerhalb des GBI.

Die offizielle Reaktion auf die Architektur Fahrenkamps für das (temporäre) Ausstel-lungsgebäude „Deutsches Haus“ auf der Internationalen Wasserausstellung in Lüttich

23. Lauter, Heinrich: „Atelier-Bauten“, in: Kunst im Deutschen

Reich, Ausgabe B,

August/Sep-tember 1940, S. 140.

24. Die Aufnahme in die Partei wurde von Fahrenkamp zwar am 10. Juli 1937 beantragt, der Auf-nahmestempel zeigt jedoch den

1. Mai 1937 als Aufnahmetag mit der Mitgliedsnummer 4 913 472. Seine Aufnahme in die NSDAP wurde damit zurückdatiert. Es ist nicht zu rekonstruieren, warum

der Aufnahmeantrag nicht mit dem Aufnahmedatum zusam-menfallen sollte. Möglicherweise steht die Übertragung der Bau-leitung für die „Hermann-Göring-Meisterschule" am 5. Juli 1937 mit der Datierung in Zusammenhang. Bundesarchiv (BA, ehemals BDC), NSDAP-Gaukartei. Christoph Heu-ter (Anm.2) hat fälschlicherweise Fahrenkamps Antragsdatum mit dem Aufnahmedatum verwech-selt. Bundesarchiv (BA, ehemals BDC), NSDAP-Gaukartei sowie BA

(34)

im Jahre 1939 verdeutlicht sinnfällig seine anerkannte Position: „[Der] Entwurfsgestal-ter, Prof. Fahrenkamp [hatte] den besonderen Bedingungen von Lage, Anordnung und Ausstellungszweck Rechnung zu tragen, zugleich auch die künstlerische Verpflichtung, im Einzelnen möglichst viel Eigenes zu zeigen. Es ist ihm geglückt, und das Deutsche Haus gehört nicht nur zum Besten, was der Architekt Fahrenkamp in letzter Zeit ge-schaffen hat, sondern auch als Gemeinschaftsleistung aller Beteiligten in die Reihe der bedeutenden Werke neuer deutscher Baukunst.“26

Mit dem Gewinn des Wettbewerbes für die „Filmstadt Babelsberg“ (siehe 4.11.10) und dem daraus resultierenden Zuwachs an Macht und Einfluss als „Gewährsmann“ und direkter Vertreter Albert Speers für die Filmstadtplanung, war die Position Fahrenkamps inner-halb des GBI nun vollends gefestigt und seine Auftragslage schien bis zu seinem Lebens-ende gesichert. Mit seiner Stellung für die Gesamtplanung der „Filmstadt“ war er inte-grativer Teil des Systems des GBI geworden, ausgestattet mit weitreichenden Entschei-dungskompetenzen und er identifizierte sich vollkommen mit seiner Machtposition. Durch die Kriegsentwicklung nach 1942 wurden die laufenden Planungen dann bis nach dem „prognostizierten Endsieg“ zurückgestellt. Fahrenkamp konzentrierte sich darauf-hin bis Ende 1944 wieder auf seine Akademiearbeit.

Trotz seines Karriereweges im Nationalsozialismus, wollte Emil Fahrenkamp nach Kriegsende als Professor wieder in der Akademie arbeiten. Die britische Militär-regierung entließ ihn jedoch im Hinblick auf seine Parteizugehörigkeit zum 1. Septem-ber 1946. Im Juni 1948 wurde er als „entnazifiziert“ anerkannt und in den Ruhestand versetzt. Verbittert und enttäuscht zog sich Fahrenkamp aus dem öffentlichen Leben zurück. Obwohl er kein offensichtliches Interesse am Baugeschehen der Nachkriegszeit mehr zeigte, arbeitete er dennoch weiterhin als Architekt. Seine Aufträge, überwiegend im Bereich des Wohnungs- und Geschäftshausbaues führte er dabei meist für private Bauherren durch. So wurde die Planung eines Erweiterungsbaues für das Shell-Haus im Jahre 1956 zwar von ihm bearbeitet, kam aber über die Vorentwurfsphase nicht hinaus. Erst Anfang der 60er Jahre wurde nach einem Wettbewerb die Erweiterung nach einem Entwurf von Paul Baumgarten ausgeführt. Im Mai 1966 starb Emil Fahrenkamp im Alter von 80 Jahren in Breidscheid.

26. Bender, Ewald: „Das Deutsche Haus auf der Internationalen Wasserausstellung in Lüttich 1939“, in: Zentralblatt der

Deut-schen Bauverwaltung, 59. Jg., Heft

(35)

Das Büro Emil Fahrenkamp zu Beginn der 20er Jahre: Entwicklung und Arbeitsweise

Förderung und Unterstützung: Das rheinische Netzwerk Der Mentor Wilhelm Kreis

Der Beginn: Bauen für die Rheinstahl AG Die neue Qualität: Entwürfe für die Großstadt

Der Durchbruch am Ende der Weimarer Republik: Das Shell-Haus Der Weg ins „Dritte Reich“: Arbeiten und Aufträge bis 1937 Der Höhepunkt der ,zweiten‘ Karriere:

Architekt des „Generalbauinspektors für die Reichshauptstadt“ Albert Speer Die Nachkriegszeit: Die Erweiterung des Shell-Hauses

Der Architekt Emil Fahrenkamp: Korrektur seines Bildes in der Baugeschichte

Planen und Bauen für die Großstadt

Versuch einer Rekonstruktion der

Berliner Arbeiten Emil Fahrenkamps

(36)

Das Büro Emil Fahrenkamp zu Beginn

der 20er Jahre: Entwicklung und Arbeitsweise

Die ersten ausgeführten Bauaufträge von Emil Fahrenkamp sind – wie bereits angedeu-tet – in einer Zeit entstanden, in der er zugleich als erster Assistent im Privatatelier von Wilhelm Kreis, dem Leiter der Kunstgewerbeschule Düsseldorf tätig war. Entwurf und Umsetzung der Fassadengestaltungen für die Wohnhäuser in Düsseldorf-Oberkassel aus den Jahren 1910 und 1911 bedeuteten für den 25-jährigen, baupraktisch unerfahre-nen Architekten, der bis dahin lediglich an einigen Wettbewerben teilgenommen hatte, den ersten Schritt in die reale Fachtätigkeit. Mit seiner Anstellung als hauptamtlicher Lehrer an der Kunstgewerbeschule im Jahre 1912 begann eine für sein gesamtes berufli-ches Leben kennzeichnende Parallelität von selbstständiger und akademischer Tätig-keit. Es schien sich für Fahrenkamp Zeit seines Lebens, trotz wachsenden Auftragsvolu-mens und geschäftlicher Expansion kaum ernsthaft die Frage gestellt zu haben, seine Lehrtätigkeit zugunsten seiner freischaffenden Arbeit aufzugeben.

Nachdem er im Jahre 1919, im Alter von 34 Jahren als Akademieprofessor an der Kunst-akademie in Düsseldorf das Meisteratelier für „Künstlerische Durchbildung im Einzel-nen, Wohnungsbau und Raumkunst“ übernommen hatte, war seine wirtschaftliche und gesellschaftliche Situation stabil. Für seine freiberuflichen Tätigkeiten und

(37)

bewerbsteilnahmen ließen ihm die überschaubaren akademischen Verpflichtungen ge-nügend Zeit und Raum. Diese solide ökonomische Situation erlaubte auch den Umzug der Familie in eine neue Wohnung, eine separate Büroadresse lässt sich zu diesem Zeit-punkt nicht nachweisen.

Den vermutlich schon in den Jahren des Ersten Weltkrieges entstandenen, aber erst im Jahre 1919 veröffentlichten Landhausentwürfen folgten im selben Jahr zwei Aufträge für Innenraumgestaltungen von Wohnhäusern in Düsseldorf27

. Es ist zu vermuten, dass Fahrenkamp diese noch verhältnismäßig bescheidenen Maßnahmen dem durch Akade-miedirektor Wilhelm Kreis geförderten Kontaktnetz verdankte.

Schon während Fahrenkamp im Jahre 1920 mit dem Entwurf für das Verwaltungsge-bäude der Rheinstahl-Handelsgesellschaft mbH in Berlin-Neukölln (siehe 4.1) befasst war, konnte er die Fassadengestaltung für ein Bankgebäude sowie ein eingeschossiges Bürohaus für ein Düsseldorfer metallverarbeitendes Unternehmen ausführen28

. Dieses Gebäude kann dabei als ein in seiner Größenordnung übersichtliches ‚Lehrstück‘ im

27. Es handelt sich hierbei um den Umbau des Wohnhauses Oberheid in Düsseldorf, den Fah-renkamp für den Direktor der Rheinstahl-Handelsgesellschaft mbh realisierte sowie um Raum-gestaltungen in der Villa des kaufmännischen Direktors der Rheinischen Stahlwerke AG Carl Filius, ebenfalls in Düsseldorf. Detaillierte Beschreibungen die-ser beiden Projekte finden sich im Katalogteil Kat. 40 und 41, in:

Heuter, Christoph: Emil

Fahren-kamp 1885–1966 (Anm. 2), S. 273,

274.

28. Die Fassadengestaltung war für das Bankhaus Alfred Fester & Co. bestimmt, der Neubau für die Matthes-Fischer-Werke in Düssel-dorf-Lörick. Siehe Kat. 43 und 44, in: Heuter, Christoph: Emil

Fahren-kamp 1885–1966 (Anm. 2), S. 276,

277.

(38)

Vorgriff auf sein erstes in Berlin realisiertes Projekt gelten. Erstmals konnte er ein Neu-bauvorhaben mit einem kalkulierbaren Bauvolumen vom Entwurf bis zur Fertigstellung entwickeln und umsetzen und dabei seine baupraktischen Erfahrungen ausbauen. Schon bei dieser Baumaßnahme wird die bemerkenswerte Arbeitsmethode Fahren-kamps deutlich, die er im Laufe seines Berufslebens kultivierte und weiterentwickelte: spezifische Ideen und Komponenten aus Grundrissordnung und Fassadenstruktur von bereits durchgearbeiteten, möglicherweise schon baulich ausgeführten Projekten nutz-te er für die Bearbeitung anderer Bauaufgaben weinutz-ter und innutz-tegriernutz-te sie in neue Ent-wurfskompositionen. Fassadengliederung und Materialwahl dieses Geschäftsgebäudes weisen erhebliche Analogien zu den Wirtschafts-, Expeditions- und Lagerbauten des Berliner Rheinstahl-Komplexes auf, die als Erweiterungstrakte nach Fertigstellung des Hauptgebäudes entstanden waren. Schon am Beginn seiner Karriere als freischaffender Architekt wird damit ein Arbeitsverständnis erkennbar, das nicht durch eine auf die reale Bauaufgabe individuell zugeschnittene Lösung, sondern durch die Wiederverwen-dung schon vorhandener Konzeptionen gekennzeichnet war. Fahrenkamp verstand seine Architekturstudien und Entwürfe offenbar als pragmatisch zu nutzende Ideen-und Formensammlung, die für unterschiedliche Bauvorhaben herangezogen Ideen-und aus der Gestaltungselemente extrahiert werden konnten.

(39)

das Grundstück durch die veränderte Lage im Stadtraum eine beträchtliche Wertstei-gerung erwarten ließ.

So zügig nach seiner Berufung als Akademieprofessor und noch am Beginn seiner Kar-riere als freischaffender Architekt muss dieser Auftrag in Berlin für Fahrenkamp selbst eine persönliche Herausforderung gewesen sein und außerordentliche berufliche Be-deutung besessen haben. Dieses über drei Bauabschnitte angelegte Gebäudeensemble für die Rheinstahl bildete gleichsam den Auftakt zu einem vielfältigen, am großstäd-tischen Maßstab orientierten Œuvre in Berlin, das kontinuierlich über mehr als zwei Jahrzehnte parallel zu seinem Arbeitsmittelpunkt im Rheinland entstehen konnte. Aus der sicheren Position einer Direktbeauftragung heraus konnte er sich mit den Ver-waltungs- und Organisationsstrukturen der neuen Stadtgemeinde Groß-Berlin vertraut machen und seine baupraktischen Erfahrungen im Neubau erweitern. Darüber hinaus aber war er erstmals in der Lage, in einem komplexen Nutzungskontext seine architek-tonischen Begabungen und gestalterischen Fähigkeiten einem ihm bereits bekannten Bauherrn und der Berliner Öffentlichkeit zu präsentieren. Vor diesem Hintergrund ist das Verwaltungs- und Gewerbeensemble an der Ziegrastraße von besonderer Bedeu-tung für Fahrenkamps Gesamtwerk. Der Entwurf vollzieht den Maßstabssprung von Um- und Ausbauten bereits bestehender Bebauung in seiner rheinischen Heimat hin zu einer an der großstädtischen Dimension orientierten, repräsentativen Architektur. Offensichtlich umfasste Fahrenkamps beauftragte Leistung nur den Entwurf und die In-nenraumplanung, so dass er an der Durchführung und Bauleitung nicht beteiligt war. Alle mit der Bauabwicklung und Fertigstellung notwendigen Entscheidungen und den behördlichen Schriftwechsel besorgten die ausführende Baufirma und der Eigentümer. Die personelle und organisatorische Teilung von Entwurf und Ausführung, an diesem Bauvorhaben erstmals umgesetzt, erwies sich trotz der räumlichen Distanz zwischen dem Architekten und der örtlichen Bauleitung als praktikabel und effizient. Die Fertig-stellung erfolgte ohne zeitliche Verzögerungen oder finanzielle Einbußen, was Fahren-kamp bewogen haben mag, auch in den Folgejahren seine Bauprojekte in Berlin in die-ser Arbeitsteilung abzuwickeln.

(40)

im Industrie-, Büro- und Verwaltungsbau. Möglicherweise führten die durch die rasche Abwicklung der drei Bauabschnitte des Berliner Rheinstahl-Komplexes positiven Erfah-rungen des Bauherrn mit Fahrenkamp u.a. zum Auftrag für die 1923 geplante und reali-sierte Lagerhalle mit Werkswohnungen und Garagen in Düsseldorf. Seine wirtschaftli-che Situation war mehr als zufriedenstellend, denn im Jahre 1922 wurde der Umzug in ein von einem ehemaligen Bauherrn erworbenes Stadthaus in Düsseldorfs vornehmer Gegend möglich29

.

Gleichsam im Nachgang zur Fertigstellung des Verwaltungs- und Gewerbeensembles in der Ziegrastraße folgte im Jahre 1923 – wie bereits erwähnt – der Auftrag für das Wohn-haus des Generaldirektors der Rheinstahl-Handelsgesellschaft Otto Ballin in Berlin-Wilmersdorf. Wie bereits bei dem Komplex in Neukölln, lieferte Emil Fahrenkamp den Entwurf und in diesem Fall wurden Hugo und Otto Schellenberg als Kontaktarchitekten mit der Organisation und Koordination der Bauausführung betraut. Fahrenkamp ent-wickelte ein freistehendes repräsentatives Wohnhaus, dessen Grundrissstruktur und Fassadengestaltung mit dem Entwurf für das Landhaus Gottschalk aus dem Jahre 1919 nahezu identisch ist. Wie bereits erwähnt, verwertete er auch hier unter Anpassung an die konkreten Vorgaben eine von ihm bereits erarbeitete Entwurfslösung für die aktuel-le Bauaufgabe wieder.

Emil Fahrenkamp befand sich zu Beginn der 20er Jahre in einer wirtschaftlich und ge-sellschaftlich soliden und etablierten Lebenssituation. Die Bewältigung der vielfältigen und für ihn neuen Nutzungsanforderungen an den Verwaltungs- und

Produktionskom-Ansicht des Gebäudekomplexes der Rheinstahl-Handelsgesell-schaft in Düsseldorf mit den Werkswohnungen und der Lagerhalle, Aufnahme um 1924.

(41)

Matthes-Fischer-plex in der Berliner Ziegrastraße kann als Fundament für den nun einsetzenden qualita-tiven Aufschwung in seiner freischaffenden Arbeit gelten. Der im Jahre 1924 erfolgte Auftrag für das „Lochnerhaus“30

in Aachen und seine Beteiligung am Fassadenwettbe-werb für die Deutsche Allgemeine Zeitung (siehe 4.3) im gleichen Jahr verdeutlichen den Maßstabssprung in Größenordnung und Volumen sowie im architektonischen Aus-druck, den erst das Berliner Rheinstahl-Projekt begründen konnte.

30. Fahrenkamp entwarf für die Lochner'sche Bauunternehmung einen kompakten, fünfgeschossi-gen Gebäuderiegel mit einem zwölfgeschossigen Turmbau mit einer Nutzungsmischung aus Läden, Verwaltung und einem Kino. Der markante Baukörper war als Eisenfachwerkbau mit

einer Backstein- und Muschelkalk-verblendung konzipiert. Nach Errichtung der Tragkonstruktion wurde der Bau auf Grund wirt-schaftlicher Probleme stillgelegt und konnte erst 1929 fertig gestellt werden. Vgl. Heuter, Christoph: Emil Fahrenkamp

1885–1966 (Anm. 2), S. 304 f.

(42)

Förderung und Unterstützung:

Das rheinische Netzwerk

Der Werdegang und das Werk von Emil Fahrenkamp werden nur unter der Einbezie-hung der spezifischen strukturellen und gesellschaftlichen Bedingungen verständlich und nachvollziehbar, die seinen beruflichen Aufstieg im Rheinland beförderten. Dabei bildete nicht nur die großbürgerliche rheinische und Düsseldorfer Gesellschaftsschicht einen bedeutsamen Stützpfeiler für die ‚Versorgung‘ des strebsamen Emil Fahrenkamp mit reizvollen Aufträgen. Um in das sorgsam gepflegte Kontaktnetzwerk, aus welchem sich die möglichen Auftraggeber rekrutieren konnten, integriert zu sein, bedurfte es der Unterstützung und Förderung eines geachteten und einflussreichen Mentors. Die zen-trale und einflussreiche Position von Wilhelm Kreis im Rheinland über mehr als 17 Jahre bildete die Brücke, über die sich die vielschichtigen Verbindungen von potentiellen Auf-traggebern aus Industrie und Düsseldorfer Gesellschaft zu Emil Fahrenkamp entwickeln konnten.

In den vier Jahren von 1903 bis 1907, in denen Peter Behrens als Leiter der Düsseldorfer Kunstgewerbeschule u.a. für die Lehrinhalte und die personelle Besetzung verantwort-lich zeichnete, hatte das Lehrinstitut einen gravierenden Wandel vom starren

(43)

dungsinstitut zu einer reformorientierten, modernen Mustereinrichtung vollzogen. Neue Lehrprogramme und vor allem die von Behrens ausgewählten Lehrer, u.a. Max Benirschke, Josef Bruckmüller, Wilhelm Niemeyer und Johannes Lauweriks standen für ein anspruchsvolles, auf hohem Niveau angelegtes Ausbildungsprogramm. Doch der „relativ kurze Aufenthalt von Peter Behrens kann zur damaligen Zeit in und um Düssel-dorf kaum einen nachweisbaren Einfluß ausgeübt haben. Seine Gestaltung war zu pro-gressiv, zu avantgardistisch, als daß sie in der Provinz auf fruchtbaren Boden hätte fal-len können.“31

In dieser eher konservativ geprägten Situation folgte Wilhelm Kreis Behrens als Leiter der Schule. So begann Kreis am 1. Juli 1908 seine Arbeit unter guten Bedingungen in Düsseldorf. Von Anfang an unterhielt er ein von der Stadt zur Verfügung gestelltes Privatatelier in den Räumen der Akademie, in das weniger als ein Jahr später, im April 1909, Emil Fahrenkamp eintrat.

Schon bei seiner Antrittsrede distanzierte sich Kreis von dem durch Behrens verkörper-ten Programm und stellte unverkennbar einen konzeptionellen Umschwung in der Lehre in Aussicht. „Von Anfang an arbeitete Kreis gegen die Behrens-Schule und deren Reformgeist. Seine Angriffe richteten sich vor allem gegen die von [ihm] neuberufenen Lehrer … und die damit einhergehende Zerstörung der Ergebnisse der Reform von Beh-rens, die bewußte Ausschaltung moderner Kunst … .“32

In wenigen Jahren waren diese Lehrer bis auf zwei Ausnahmen, Max Benirschke und Josef Bruckmüller systematisch durch ergebene Anhänger des neuen Direktors ersetzt worden. In der Logik dieses strukturellen Wandels war folglich auch Fahrenkamps Arbeit in Kreis’ Privatatelier durch die Rückbesinnung auf die traditionellen Kunstwerte bestimmt. „Die Abhängig-keit der Ausbildungsinstitution von der Kreisschen Gestaltung hat unzweifelhaft einen nachhaltigen Eindruck sowohl auf die Schüler als auch Lehrer ausgeübt, dem sich ein-zelne nur schwer haben entziehen können. Im Werk von Emil Fahrenkamp ist beispiels-weise erst nach ca. 1925 eine Eigenständigkeit erkennbar, die allerdings nur … wenige Jahre anhalten sollte. Andere Kunstgewerbelehrer wie Fritz Becker und Karl Wach … haben die Affinität zum Werk von Wilhelm Kreis nie verloren.“33

Im Alter von 24 Jahren war der junge Architekt Fahrenkamp in seiner gestalterischen Orientierung nicht festgelegt und folglich noch flexibel und formbar. Durch seine

31. Busch, Wilhelm: Bauten der

20er Jahre an Rhein und Ruhr. Architektur als Ausdrucksmittel. Beiträge zu den Bau- und Kunst-denkmälern im Rheinland. Im Auftrage des Ministers für Stadt-entwicklung und Verkehr des Lan-des Nordrhein-Westfalen und Lan-des Landschaftsverbandes Rheinland. Band 32. Herausgegeben von Udo

Mainzer. Köln 1993, S. 27.

32. Möller, Gisela: „Wilhelm Kreis und die Düsseldorfer Kunstge-werbeschule“, in: Wilhelm Kreis.

Architekt zwischen Kaiserreich und Demokratie 1873–1955.

Herausge-geben von Winfried Nerdinger und Ekkehard Mai. München, Berlin 1994, S. 60, 68.

33. Busch, Wilhelm: Bauten der

20er Jahre an Rhein und Ruhr

(44)

Arbeit im Privatatelier stand er von Beginn an unter Kreis’ künstlerischer Einflussnah-me. Fahrenkamps architektonische Grundhaltung und gestalterisches Verständnis wur-den durch Wilhelm Kreis angelegt, ausgebildet und strukturiert. Mit Beginn der Tätig-keit im Privatatelier von Wilhelm Kreis sind auch seine ersten Architekturentwürfe nachweisbar34

. Wilhelm Kreis war für Fahrenkamp einflussreicher Arbeitgeber, profes-sioneller Ausbilder und erfahrener Architekturlehrer in einer Person, ein ‚Spiritus Rector‘ und der Gestalter seiner architektonischen Sozialisation.

Es ist anzunehmen, dass Kreis an Fahrenkamp nicht nur dessen kreative, handwerkliche oder organisatorische Fähigkeiten schätzte und ihn um seiner selbst willen förderte, sondern gezielt im Sinne der eigenen politischen und personellen Perspektive auch be-rechenbare Konstellationen in der Lehre der Kunstgewerbeschule schaffen wollte, in-dem er frei werdende Stellen mit in-dem durch ihn geprägten akain-demischen Nachwuchs besetzte. Als Emil Fahrenkamp im Februar 1912 als hauptamtlicher Lehrer an die Kunst-gewerbeschule wechselte und die Klasse für Innendekoration und Detail übernahm35

, mag dies eine erste Anerkennung für dessen Gelehrigkeit und Willigkeit gewesen sein. Die frühe architektonische Ausrichtung an seinem Lehrer wurde von Fahrenkamp sicher eher bereichernd als begrenzend begriffen, denn die lebenslange Verbundenheit von Meister und Schüler verdeutlicht das tiefe Einverständnis mit Kreis’ künstlerischer Grundhaltung. „Die neue Baukunst muß aus der Technik hervorgehen, aber sie ist nicht in ihr enthalten. Der Eisenbeton, die Ziegelmauer, das Fenster, die Öffnung, die Maße, die Stützen, alle diese Elemente müssen in ihren Funktionen zusammenkommen, um in der Art, wie sie sich zueinander verhalten, die Rhythmik hervorzubringen, welche … die Form erzeugt, wodurch das Bauwerk zum Kunstwerk in persönlicher Künstlerschaft gesteigert wird … Der Persönlichkeitswert, den der Künstlergeist unerklärbar … überzeu-gend zum Ausdruck bringt, steigert das Werk der Kultur zu einem Werk der Kunst.“36

Fahrenkamps Selbstverständnis als Baukünstler war durch Wilhelm Kreis geformt, mit dem er sich einig war, dass die Architekten „die eigentlichen Kulturträger der Nation“37

seien.

Mit seinem einflussreichen und ihm zugewandten Mentor im Hintergrund sowie aus der Sicherheit einer Festanstellung heraus, konnte Fahrenkamp nun eine weitergehen-de, freiberufliche Perspektive konkreter ins Auge fassen. Wilhelm Kreis’ zielgerichtetes

34. Vgl. Heuter, Christoph: Emil

Fahrenkamp 1885–1966 (Anm. 2),

S. 225 ff.

35. Daneben lehrte Fahrenkamp die Fächer „Aufnahme aller Bau-ten“, „Innenräume“, „Gartenan-lagen“ und „Entwerfen von Hoch-bauten“. Vgl. Heuter, Christoph:

Emil Fahrenkamp 1885–1966

36. Kreis, Wilhelm: „Die Baukunst vor dem Kriege und heute“, in:

Wilhelm Kreis. Berlin, Leipzig,

Wien 1927. Neu herausgegeben von Roland Jaeger in der Reihe

(45)

Engagement sorgte für die Einbindung von Lehrern und Schülern in schulunabhängige Kulturprojekte und damit für Öffentlichkeit und beträchtliche Außenwirkung der Kunstgewerbeschule. „Anders als Behrens, der in der Rheinmetropole und dem an-grenzenden Industriegebiet als Künstler nicht hatte Fuß fassen können, wurde Kreis in Düsseldorf ein vielbeschäftigter Architekt mit großen Bauaufträgen und zahlreichen Ausstellungsbeteiligungen … Was Behrens und den von ihm berufenen Lehrern nie glückte, die Integration in das Düsseldorfer Kunstleben, wurde Kreis und seinen Lehr-kräften zuteil.“38

Im Jahre 1915 konnte er für die große Ausstellung Aus Hundert Jahren Kultur und Kunst die Architekturabteilung der Kunstgewerbeschule einbinden. Obgleich dieses Vorhaben auf Grund des Ersten Weltkrieges dann nicht zustande kam, verdeut-lichte es doch die engen Verbindungen zwischen der Kunstgewerbeschule und den öffentlichen und kommunalen Kunst- und Kultureinrichtungen. Man darf sicher sein, dass Wilhelm Kreis, der zu den Gründungsmitgliedern des Deutschen Werkbundes 1907 gehörte, sich aber mit der Zielsetzung einer Vereinigung von Kunst, Industrie, Hand-werk und Handel nie verbunden fühlte, vielfältige Kontakte zur Industrie knüpfen konnte und diese auch für seine Belange zu nutzen wusste. Vom Erfolg der Kreisschen Öffentlichkeitsarbeit und seinem Aufstieg als Architekt in Düsseldorf und dem rheini-schen Umland profitierten in der Folge auch die Lehrkräfte ‚in seinem Schatten‘, indem der Mentor ihre Verankerung in den kunst- und kulturinteressierten Kreisen unterstütz-te und begleiunterstütz-teunterstütz-te.

Emil Fahrenkamp konnte ohne Druck in den nächsten Jahren Erfahrung in der Lehre sammeln, ohne in die sich anbahnenden Konflikte zwischen Akademie und Kunst-gewerbeschule selbst verwickelt zu werden. Die direktorale Politik von Wilhelm Kreis – er hatte eine Klasse für Monumentalbauten in der Architekturabteilung der Kunstge-werbeschule eingerichtet – führte zu einer konfrontativen Auseinandersetzung mit der Kunstakademie, die traditionell diesen Lehrbereich für sich beanspruchte. Der Konflikt führte schließlich zu einer Verlegung dieser Klasse an die Kunstakademie mit Wilhelm Kreis als nebenamtlichem Lehrstuhlinhaber. Mit seiner Orientierung hin zur Akademie war die Spaltung der Kunstgewerbeschule faktisch vorprogrammiert und ihr Weiter-bestehen stand auf dem Spiel. „Wilhelm Kreis ließ die Schule rasch zur Bedeutungs-losigkeit herabsinken und führte [sie] schließlich zur Demontage.“39

38. Möller, Gisela: „Wilhelm Kreis und die Düsseldorfer Kunstge-werbeschule“ (Anm. 32), S. 68.

39. Busch, Wilhelm: Bauten der

20er Jahre an Rhein und Ruhr

(46)

Nachdem die Kunstgewerbeschule in ihrem Profil durch die Kriegsjahre und rückläufige Schülerzahlen zusätzlich angeschlagen war, fiel dann im Jahre 1918 die Entscheidung, die Kunstgewerbeschule in der Kunstakademie aufgehen zu lassen. Wilhelm Kreis wur-de Akawur-demieprofessor, übernahm nun hauptamtlich das Meisteratelier für Monumen-talbaukunst40

und sorgte zudem für die Übernahme ‚seiner‘ Lehrer an die angesehene Wirkungsstätte. „Von den Lehrern der Kunstgewerbeschule wechselten Friedrich Becker, Emil Fahrenkamp, Hubert Netzer, Ernst Aufseeser, Richard Klapheck sowie Lud-wig Heupel-Siegen an die neue Arbeitsstätte hinüber.“41

Auch Karl Wach war vermutlich mit der Fürsprache von Kreis im Lehrbetrieb der Kunstakademie untergekommen. Die beiden letzten, aus der Behrens-Ära verbliebenen Lehrer wurden an der Fachschule für Handwerk beschäftigt, einer handwerklich orientierten Ausbildungseinrichtung, für deren Lehrinhalte sie vollkommen überqualifiziert waren. Im Zuge der Fusion hatte sich Wilhelm Kreis für die unliebsamen Lehrer sicher nicht um eine adäquate Tätigkeit be-müht, sondern konnte nun an der traditionsreichen Akademie mit einer Gruppe von Gleichgesinnten seine Intentionen und Zielsetzungen in der Lehre verankern. „Die Pflege rheinisch-westfälischer künstlerischer Eigenart mit ihren uralten Beziehungen … wird überhaupt eine der wichtigsten Aufgaben der Düsseldorfer Kunst bleiben. In diesem Festhalten an jahrhundertealten Traditionen liegt eine Stärke, die allen revolu-tionären Erscheinungen gegenüber sich viel einsichtsvoller behaupten konnte.“42

Emil Fahrenkamp bekam das Meisteratelier „Künstlerische Durchbildung im Einzelnen, Wohnungsbau und Raumkunst“ übertragen und hatte mit Hilfe seines Mentors Kreis nun eine unbefristete und angesehene Position einnehmen können. Der Wechsel in die akademische Lehre der Hochschule war für Fahrenkamp in seiner eigenen Karriere von großer Bedeutung, denn sein Rang als Professor nutzte vor allem im Bezug auf die Verbindungen zur wohlhabenden Düsseldorfer Gesellschaft. Für die Direktoren der Rheinstahl- Handelsgesellschaft Carl Filius und Gustav Oberheid hatte Fahrenkamp bereits im Jahre 1919 Umbauten der Innenräume ihrer Wohnhäuser in Düsseldorf aus-führen können.

Auch an der Kunstakademie pflegte Kreis als anerkannter Architekt weiterhin die be-stehenden Außenkontakte und konnte Beziehungen knüpfen, von denen auch sein mit ihm verbündetes ‚Gefolge‘ profitierte. Das Profil der Architekturabteilung an der

40. Der Bildhauer und Architekt Arno Breker war ein Meister-schüler von Kreis an der Kunst-akademie. Für die in den Jahren 1924–26 errichteten Bauten für die GESOLEI nach dem Entwurf

41. Möller, Gisela: „Wilhelm Kreis und die Düsseldorfer Kunstge-werbeschule“ (Anm. 32), S. 69.

Cytaty

Powiązane dokumenty

Schlacht bei Breitenfeld.. Schlacht bei Rain

In den angeführten Definitionen wird hervorgehoben, dass es sich um ein Produkt aus Schweinefleisch handelt, das vielfältig zubereitet werden kann: gekochter, gepökelter,

Die Stadtverordneten aus den Gewerten, und den unzänftigen Bürger-Fabri- kanten, welche nicht zu den Kaufleuten gezählet werden, müssen es sich angelegen sehnlassen, die

Das Aufkommen an den vier wichtigsten Personalsteuern des Reichs ist in O stpreußen je Kopf der Bevölkerung noch nicht einmal halb so groß wie im Reichsdurchschnitt; nur 1,6 v.. d

Except for their specific range of application, fiilly grown sea at deep water for the P-M spectrum, developing sea for the Jonswap spectmm and sea in shallow water for the TMA

Im Kontext dieses Bekenntnisses erscheint, daft auch hier das neue Lebensgefühl durch die Hin- wendung zum Subjektiven im Zusammenhang mit den gesellschaftli- chen

pen ; kaum war diese erfolgt, als auch schon die obere Weichsellinie, (von hier bis Warschau) all- mählig von den Franzosen verlassen wurde. Da- voust zog sich von Thorn,

chors. Der Verstorbene, der einige Zeit als Bauführer im Bangeschäft von Degen tätig gewesen und im Jahre 1834 sich selbständig gemacht hatte, wußte ich durch