Theologisches Literaturblatt.
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z a h l r e i c h e r V e r t r e t e r d e r t h e o l o g i s c h e n W i s s e n s c h a f t und P r a x i s
h e rau sg eg e b en von
Dr« t h e o l . L u d w i g S h m e l s
P r o fe s s o r d e r T h e o lo g ie in L e ip z ig .
Nr. 16. Leipzig, 30. Juli 1915. XXXVI. Jahrgang.
E rsch ein t vierzehntägig Freitags. — Bezugspreis jährlich 10 J i. — A nzeigenpreis für d ie gespaltene P etitzeile 30 «J. — V erlag und A uslieferun g: L eipzig, K önigstr. 13.
Ungnad, Arthur, B abylonische B riefe aus der Z eit
der H am m urapi-D ynastie.
E issfeldt, L ic. Otto, Israels G eschichte.
Dubowy, Dr. E rnst, K lem ens von Rom über die
R eise Pauli nach Spanien.
K ratz, S. J . W ilhelm , Landgraf E rnst von H e sscn -
R h ein fels und die deu tschen Jesu iten .
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des Franziskus von A ssisi.
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toleranz der k atholisch en K irche.
Bunke, E rnst, Innerkirchliche E vangelisation.
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geistlich en B edingungen und Zielen.
S c h a e d e r, D . E rich, T heozentrische T heologie.
G ennrich, P ., Moderne buddhistische Propaganda
und in d isch e W iedergeburtslehre in D eu tsch
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Steinm ann, Dr. theol. T h ., D ie Frage nach Gott.
V. F a u lh a b e r, M ichacl, Zeitfragen und Z eitauf
gaben.
From m el, L ic. Dr. O tto, Franz T herem in. E in
B eitrag zur Theorie und G eschich te der
Pred igt.
C rem er, D . Ernst, D ein R eich kom m e.
Ihm els, D. Ludwig, D ein R eich kom m e.
BrOCkeS, F ., D ie Predigt von Schuld und Sünde
für d ie M enschen unserer Z eit.
Jahrbuch der säch sischen M issionskonferenz für
das Jahr 1915.
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stantism us.
N eu este th eologische Literatur.
Z eitschriften.
U ngnad, Arthur, B abylonische B riefe au s d e r Z eit d er H a m m u ra p i-D y n a stie . (Vorderasiatische Bibliothek, Bd. V.) Leipzig 1914, J. C. Hinriehs (XL, 450 S. gr. 8).
15 Mk.
Ungnad hat in diesem Bande die stattliche Zahl der bis zum Jahre 1913 veröffentlichten altbabylonisohen Briefe in Umschrift und Uebersetzung vereinigt. Wenn auch die meisten dieser Briefe hier nicht zum ersten Male behandelt werden, was besonders von der Korrespondenz Hammurapis gilt, so kann doch kein Zweifel sein, dass Ungnad in vielen Funkten die Lesungen und Uebersetzungen seiner Vorgänger hat be
richtigen können, ganz abgesehen von der grossen Annehm
lichkeit für den Fachmann wie Fernerstehenden, das gesamte Material in einem Bande vereinigt zu finden. Von den 270 Briefen, die Ungnad übersetzt hat, haben 88 Könige aus der Zeit der ersten Dynastie von Babylon zu Verfassern (Rtm-Sin [?], Hammurapi, Samsuiluna, Abie§u{i, Ammiditana, Ammizaduga, Samsuditana; Zeit etwa 2150—1930 v. Chr.), der Rest sind Privatbriefe.
Was den Inhalt der Briefe betrifft (vgl. die kurze Ueber- sicht über den Inhalt der Briefe bei Ungnad, S. XIIIff.), so kann nicht bezweifelt werden, dasB wir durch dieselben ein überaus buntes und anschauliches Bild vom Leben und Treiben in Babylonien um 2000 v. Chr. gewinnen. Die grosse Mehr
zahl der Briefe handelt von rechtlichen und privaten Dingen.
Etwa zehn Briefe sind ganz oder teilweise religiösen und kultischen Inhalts. Die Briefe 2 und 3 (von Hammurapi an Sinidinnam) behandeln den Transport von Statuen von Göttinnen, die von Emutbal (Gebiet der Stadt Der) zu Schiffe naoh Babylon überführt werden Bollen. Die Hierodulen sollen Bie begleiten, ausserdem wird die Beköstigungsfrage genau geregelt. Inter
essant ist Brief 12, wonaoh die Menge deB Getreides, die der Pächter an den Besitzer des Feldes zu liefern hat, duroh
„Gotteswaffe“, also duroh eine Art Ordal, festgestellt werden soll. Aehnlich den Briefen 2 und 3 ist der Brief 59, in dem der König Samsuiluna anordnet, daBs die Statue der Göttin Anunitu naoh Sippar EDIN-NA gebracht werden soll. Brief 62 handelt von Abgaben an den Samaätempel von Larsa, Brief 67
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von Streitigkeiten bei der Bewirtschaftung eines Tempelgutes.
In dem Briefe 80 ordnet Ammiditana an, dass 30 Kühe und ein Quantum Butter zum Kisikkufeste im Monat Ab naoh Babylon gebracht werden sollen, damit während der Festzeit frische Milch und Butter vorhanden sei. In dem Briefe 81 ist die Stelle Rs. 24 ff. interessant, we befohlen wird, dass das Getreide nur dann geschickt werden solle, wenn der Befund der Lebersohau günstig sei. In dem Briefe 97 ist von Bitt
versammlungen die Rede, die zur Abwehr der Pest, die der Gott Nergal über die Stadt verhängt hat, veranstaltet werden.
Der Brief 222, den Idin-Marduk an seine Sehwester geschickt hat, enthält den bemerkenswerten Schluss: „Die Dinge, die ein Gott gefügt, sind unabänderlich! WaB du auch tust, werden meine Träume mir stets melden.“
Sicher kein Brief ist meineB Eraohtens das unter Nr. 89 behandelte Fragment, das in Ungnads Uebersetzung lautet: „In der Hand eines Erbsohnes halte ich nicht mein Haupt empor.
Nimmermehr sättige ich mich an Speise. Ein gutes Gewand, das mir gehörte, habe ioh nicht. Mit Oel salbe ioh nicht mein Gebein. Mühsal ist wie e i n ...eingezogen in mein H e r z ...“ Wir haben wohl hier ein neues Stück des Liedes vom „leidenden Gerechten“ vor uns (das Lied ist zuletzt ausführlich behandelt von Landersdorf er, Eine babylonische Quelle für das Buch Job? S. 10—81).
Am gemütvollsten von allen Briefen berührt der kleine Brief 160 wegen des überaus zärtlichen Tones, den der Schreiber darin anschlägt. Der Brief ist durch Delitzsch, Handel und Wandel in Altbabylonien (S. 33 f.), in den weitesten Kreisen bekannt geworden.
Beigegeben Bind dem Bande ein sehr ausführliches, einer Konkordanz nahekommendes Wörterverzeichnis und mehrere Namenregister. Alles in allem hat uns Ungnad mit diesem Buche eine hochwillkommene Gabe und einen wertvollen Bei
trag für die „Vorderasiatische Bibliothek“ beschert.
A lfred Jerem ia s.
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