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Die Zukunft, 5. November, Jahrg. XXX, Bd. 115, Nr 6.

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X X X . Jahrg. B erlin , den 5. November 1921 Nr. 6

Die Zukunft

Herausgeber

Maximilian Harden

INH ALT

Seite Politische Erziehung in Deutschland. Von H e llm u t P le ssn e r 149 Legenden aus der Schöpfung. Von V in cen z o C a rd a re lli . . 165 Kaiserliche Katastrophenpolitik. Von H e in ric h K a n n e r . . . 173 Bankenhausse. Von C h e ir o n ... 175

Nachdruck verboten

Erscheint jeden Sonnabend

Preis vierteljährlich 22 Mk. / Einzelheft 2,50 Mk.

BERLIN

ERICH REISS VERLAG

(Verlag der Zukunft)

1921

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DIE ZUKUNFT

H erausgeber: M a x im ilia n H ard en

X X X . Jahrg. 5. November 1921 Nr. 6

Politische Erziehung in Deutschland

D

er D eutsche hat D isziplin. E r glau bt an Disziplin D isziplin ist das große Wort, vor dem die K ritik seines V erstandes und seines Herzens schw eigt. D as Ausland sieht ihn auch unbedingt so, als den Menschen, dem diese Unterordnung, Einordnung, die Straffheit, das E x a k te , das Schem a über A lles geht. H ier läu ft am Leichtesten w ah r­

nehm bar der K o n tu r der deutschen Psyche, der sie aus dem gesam m teuropäischen Seelenbilde herausschneidet. Hier liegen die hellsten Lich ter neben den schärfsten Schatten.

E s ist nicht blos Freude am Reglem entiren, Polizei- und K asernenhofgeist. Die M otive sind nicht unteroffizierm äßig.

E ben so wenig wie sie in irgendeiner m ystischen G ründlich­

keit zu suchen sind, in dem W illen zur Gem einschaft, zum System und was sonst bei uns an R equisiten zu einer „ g o ti­

sch en " V erkläru ng des deutschen Menschen beliebt ist.

V ielm ehr liegt die Sache so (weshalb diese Bem erkung wie zur E ntschu ldigun g dem A ufsatz vo ra n steh t): Der Glaube an die A llm acht der D isziplin ist in W irklichkeit ein Glaube an die M acht der Erziehung. Sicherlich auch dieser G laube ein Sym ptom letzter Tendenz in der deutschen Psyche auf bewußte G estaltung und Prägung, der Zug zur A k tiv itä t nach vorher bedachtem P lan . Sym ptom der Freude, die Form vorw egzunehm en: und es klap p t doch, die W irklich keit gehorcht der Form und in ihr haben wir sie überwunden, gebändigt, verstanden. U eberall ist dieses Gesetz unserer Auffassungw eise zu sp ü re n , im deutschen

n

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Ju riste n (man denke zum K o n trast an englische R ech t­

sprechung), im deutschen Turner (der E ngländ er spielt), in der deutschen Begriffsphilosophie, im kontrapunktischen S til etw a von B a ch s Musik, im m ilitärischen D rill, in der exakten L ab oratoriu m sarbeit und überhaupt in der : O rganisation.

Irgendw ie muß es im m er so sein, daß m an durch einen Plan, durch U ebung und stra ffe Zucht H öchstleistungen er­

zielt. D er Mensch muß sich organisiren lassen. E r muß erziehbar sein. Angenehm w irkt diese A rgum entation nicht auf andere M enschentypen; und es ist w ieder nützlich, sich zu sagen, welches B ild der Präzision - E nthusiasm us des D eutschen bei leichter V ergröberung in frem den Seelen schafft. E s w ird noch einige Zeit dauern, bis die nahe­

liegenden Assoziationen zum M ilitarism us verw irk t sind, und auch die R epublik, die wieder so verteufelt geölt a r­

beitet m it Parteidisziplin, Fraktiondisziplin, G ew erksch aft­

disziplin, auch die R epublik, auch die schneidig vorgetragene D em okratie w ird noch eine Weile, wo nicht gröbliche mal- veillance, das Läch eln des W iderstrebens hinzunehm en haben.

Ueber seinen Schatten springt aber K einer, auch wenn er ihn kennt, und da der deutsche S ta at als W irtschaftgröße erster Ordnung zum politischen Leben in Großform at en t­

schlossen ist, muß er entsprechende Vorkehrungen treffen.

D as ist ohne w illkürliche Ironie gesagt. E r muß Vorkehrungen treffen. W ir müssen im m er Vorkehrungen treffen. Zw ar haben die Politiker, wenn sie an eine Sache nicht heran­

wollen, eine reizende Redew endung, indem sie em pfehlen, die Dinge organisch wachsen zu lassen. Die Ausrede e x istirte

’vohl schon vor der Zeit, da Stefan George in den berliner Aem tern bekannt wurde, im Großen und Ganzen also nicht erst seit 1 9 1 8 , und seine U nterscheidung von gem achtem und gewachsenem G ebild in ihrer praktischen B edeutung gew ürdigt w ird. A ber die Dinge, um die es sich hier handelt, nicht staatsbürgerliche E rtü ch tigu n g und die im U m kreise dieses m olluskenhaften B egriffs erklingenden Schlager einer sogenannten staatsbürgerlichen Erziehung, sondern die E r ­ ziehung zum V erständniß der P olitik seines Lan des im Innern und nach außen, zur Fü hrun g der P olitik, zur Staatskun st,

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Politische Erziehung in Deutschland 151

diese Dinge sind etw as zu w ichtig, als daß man zarte A b ­ wehrbewegung in die A ufforderung kleidet, nichts machen, sondern organisch es sich entw ickeln lassen zu sollen.

W ir können doch nicht im m erzu auf den großen Mann w arten. V ielleicht kom m t er dann gar nicht. Außerdem verbietet es die V erfassung. V ieles kann eben der große Mann auch nicht machen, näm lich den Sinn fürs spezifisch Politische bilden. D as Genie m acht nie Schule. D as Genie fährt im feurigen W agen gen Him m el und die H interbliebenen stehen blos dabei und verbrennen sich die Finger. Man denke an Bism arck.

W ie der D eutsche einm al ist, muß e; sein ganzes Interesse sein, sich für den großen Mann in der P olitik, sagen wir, vorzubereiten, stark, w iderstandsfähig, charakterfest zu machen, so daß er, brich t der T a g des R uhm es an, ihm als M ann entgegengeht, den ein Sonnenuntergang nicht außer Fasson bringt. W ie der D eutsche einm al ist, geht D as nur durch planm äßige Erziehung. E s w ird bei uns gewiß viel zu viel erzogen, Alles atm et den Schulgeist, A lles atm et Disziplin, überall sieht m an den Oberlehrer durch unser Leben schreiten, unbeirrbar, und doch w ird der N ation kein anderes M ittel helfen, kein M ittel, das ihr im Grunde kon­

form er ist. Die B ild u n g eines politischen C harakters in die Mäße einer ganzen N ation ü b ertragen: D as h eiß t: die Schöpfung einer Schicht, und wenn D as nicht, zum indest die Schöpfung einer B erufsklasse von Politikern, sagen w ir ge­

nauer und doch m ilder : einer geistigen T radition der S ta a ts­

kunst aus deutschem Geist für einen deutschen N ation al­

staat, einer T radition, die fähig ist, E bene fü r staatlich produktive A rb eit zu sein, diesseits, vor aller parteim äßigen, w eltanschaulichen Zerklüftung, unabhängig von der S ta a ts­

form und ihrer Ideologie. D as heißt H erausarbeitung, müh- sälige Form ung eines festen Fundam entes für deutsche P olitik, das durch die großen K on stanten m enschlicher G e­

schichte, durch die psychologischen Charaktere der W elt­

völker, die geographischen G rundverhältnisse, die w irtsch aft­

lichen Cirkulationm öglichkeiten fü r absehbare Zeit (wie Englands politische Tradition beweist, für Jahrhun derte)

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verbü rgt ist. Und D as heißt n ic h t: K odifiziru ng alles Dessen, w as gem acht werden kann, soll und nicht soll. E s heißt n ich t: System atisiru n g der Zukunft.

B ei uns soll nun einm al erzogen werden. W arum also sich dagegen stem m en ? In anderen Län d ern ist es auch nicht v iel anders. Im m erhin ist Form alism us, disziplinärer Technizism us die spezifische deutsche Note. W ir werden sie niem als verlieren. Denn beim Deutschen ist A lles au s­

drücklich. Ihm gelingt nicht, was dem E n glän d er gelingt, R eserve zu w ahren. E r muß aus sich herausgehen, er muß es sagen, er muß doziren. E r kann nicht in eine Methode hineinwachsen, den B lic k fest auf das Ziel gerichtet, ohne sich wieder und wieder der Methode zu erinnern. D as Technische als das D isziplinirbare steht im Vordergrund.

Ü berflüssig, zu sagen, daß eine politische Erziehu n g zu­

unterst Sache der Charakterbildung ist. V erdirbt die P olitik den Charakter, w as noch die F rag e ist, so fordert sie wenigstens C h arakter eben so wie P hantasie, H ärte, Bew ußtheit, E la stiz i­

tät. D as m oralische A priori der P o litik ist eine unanfechtbare N otw endigkeit N ur anlernen kann m an es sich nicht. M ora­

lische D ig n ität des Staatsm an nes w urzelt in seinem B lu t, seiner F a m ilie ; m an muß sie m itbringen. E rs t die Rasse, dann das Train ing. R asse im Sinn von K lasse, nicht von völkischer A rt. Der Ju d e D israeli h atte K lasse wie nur irgendein feudaler B rite. A u f die m oralisch-spirituelle Güte kom m t es an, au f R asse nach ethischen, nicht nach biologi­

schen M aßstäben. N icht das B lu t, sondern die A n stän digkeit entscheidet darüber, wie E in er zu seiner N ation, ihrem E r b ­ gut, ihrer B estim m ung steht.

H ier liegt eine wesentliche Grenze aller Erziehu n g zur P olitik. D ie andere trennt von D iskussionen über das Wesen des S taates oder allgem einer gesagt : von aller W eltanschau­

ung, vom R eligiösen im Geist. E s ist das W esen des P rin ­ zipiellen, jen seits jeder E inigungm öglichkeit zu liegen. Und d a keine H offnung auf E in igu n g besteht, jen seits jeder ' D isku tirb arkeit. G rundsätzliche U nterredungen sind darum ab er n icht sinnlos. Aus dem w echselseitigen W iderstand der M einungen resu ltirt sicher die schärfere Präzision der eigenen Ansicht, bisweilen die E ntdeckung, daß der Kon-

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Politische Erziehung in Deutschland 153

trahent sich zum gleichen Prinzip bekennt. Erziehung zur Politik, als eine N ation alau fgabe betrachtet, kann nur dann die ewigen Gegensätze von K atholizism us und P rotestan tis­

mus, A u fklärun g und traditionaler G ebundenheitkultur, K ap italin d ivid u alism u s und Sozialism us meiden oder (wenn m an will) überwinden, wenn philosophische, w issenschaft­

liche, relegiöse Prinzipiendiskussionen durch die N atu r der in Rede stehenden Sache ausgeschlossen sind.

R echthaberei, Zanksucht, die Schatten eines fanatisch ku ltivirten In dividualism us sind ausgeprägte Fehler des deutschen V olkscharakters. Der Deutsche ist, fa st mehr noch als disziplinär-form alistisch, partikulär, zur A bsonde­

rung neigend und darau f bedacht, als ein Sonderling von der W elt geachtet zu werden. E s dreht sich, sehr zum U n ter­

schied gegen die V ölker einer von A lters her gepflegten geistigen T radition, bei uns hauptsächlich darum , ob der H err Soundso eine persönliche Note offenbart. W ährend die glücklicheren V ölker der A lten W elt mehr d arauf sehen, daß der S til nationalen Geistes in Sprache und B ild gew ahrt und zu erneuter E rscheinung gebracht sei. Der H ang zur O rigi­

n alität, wo er Leidenschaft wird, im Geist Bedeutendes hervorzubringen, eine dem Menschen ehrw ürdig eignende K ra ft, stört jede In itia tiv e der G em einschaft und ist der P olitik abträglich. Stets w ird er bestrebt sein, die K u n st der Staatsfü h ru n g in die S cylla m oralphilosophischer Z än ­ kereien, m ethodischer V orerw ägungen oder in die Charybdis parteim äßiger Gesinnungskontraste zu stoßen und sie zur D iagonale aller dieser K räfteparallelogram m e zu degradiren.

Und w arten wollen, bis eine W issenschaft fertig ist, kann nur der R om an tiker oder die vollkom m ene N aivetät. W äh­

rend w ir reden, geht die Geschichte weiter, neue Bildungen auf werfend und wieder verschlingend. Der E in g riff ist Alles.

M ithin kann es sich, kommen bindende Beschlüsse philosophischer Kongresse, Anweisungen staatsphilosophi­

scher Lehrbücher, D eduktionen staatsrechtlich er und über­

haupt Verstandes- und willenstheoretischer Art nicht in B etrach t, nur darum drehen, eine Technik zu schaffen oder vielm ehr eine aus den Erfahrun gen der Jah rh u n d erte sich ergebende, in Uebung, bewußter oder halbbew ußter, dem

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Politiker und D iplom aten vertrau t gewordene K u n st der M enschenbehandlung und des S taaten verkeh rs zu erkennen, zu zergliedern, in ihr das Allgem eine und T ypische von dem Ausnahm efall zu trennen und das ungeheuer verschlungene Gewebe soziologischer und psychologischer Bedingtheiten auf eine verläßliche Anatom ie zu bringen.

Die Bem ühungen des H istorikers, Gesellschaftforschers und Psychologen, des Staatsrechtlers nicht zu vergessen, wiewohl seiner nicht einseitig zu gedenken, haben sich mit denen der in praktischer P olitik, innerer wie äußerer, B e w a n ­ derten zu vereinigen, eine A rb eit zu beginnen, welche nicht unschicklich allgem eine und differentielle N aturgeschichte der praktischen P o litik heißen möchte, wobei zw ar nicht an eine A ufzeichnung der natürlichen E n tsteh u n g und A u s­

bildung der U sancen d6s Staaten verkeh rs, der gesellschaft­

lichen und speziell diplom atischen Um gangsform en, sofern sie politisch relevan t sind, gedacht ist, sondern in dem Namen der N aturgeschichte angedeutet werden soll, wie ausschließ­

lich der Gesichtspunkt der Beschreibung des wirklichen T atbestandes und seiner im W esen m enschlicher Psyche und G esellschaft liegenden U rsachen im Gegensatz zu einer m oralischen Bew ertu ng fü r diese A rb eit G eltung haben soll.

E in e auf sorgfältigster A n alyse der M em oirenliteratur, B io ­ graphien, überlieferten Gespräche beruhende, nicht oder nicht ausschließlich im Interesse historischer B edeutsam keit durchgeführte U ntersuchung könnte unter Fü hrun g des H istorikers vorzügliches M aterial bereitstellen. Der P sych o ­ loge* hierbei nicht als E xp erim en tato r oder V erfechter irgend­

w elcher Theorien von der Psyche, sondern als M enschen­

kenner aufgefaßt, dessen Ziel das V erständniß frem den Seelen­

lebens zugleich m it der Fäh igk eit ist, die T y p ik des O bjektes wie die T y p ik seines Verständnisses begrifflich zu präzi- siren, ohne das B ild von der individuellen Geschlossenheit irgendeines persönlichen Charakter-, Begabun g - R eak tio n ­ typ u s darin zu verlieren, wird, um es zu wiederholen, als ein der M ittel seiner K en ntn iß sich bewußter Menschenkenner das Z iel der U ntersuchung bestim m en. Schließlich bedarf es der soziologischen Blickh altu ng, m it der die form alen und stru k ­ turellen Seiten m enschlicher Beziehungsgefüge sichtbar w er­

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Politische Erziehung in Deutschland 155

den. Sie verhütet es, in eigentüm lichen Form en der Gegen seitigkeit, virtu eller und aktueller Beeinflussung, als welche uns die Farb en p rach t m enschlichen Gem einschaftlebens bei genauerer M ikroskopie erscheint, W irkungen ausschließlich w irtschaftlicher Fak to ren zu verm uten. Sie giebt der U n ter­

suchung die R ich tu n g aufs U niverselle, auf K o llek tivitä t, aufs Sozial-Syn tagm atisch e, während die Psychologie stets zu iso- liren, die H istorie zu in d ividualisiren bestrebt sein wird. Sie giebt ihr das M ittel des die Form menschlichen Zusam m en­

seins in statisch er und dynam ischer H insicht bezeichnenden B egriffes, um in den Erregungen, welche die Anteilnahm e an der V ergangenheit des M enschengeschlechts und besonders unseres V olkes in uns auslöst, einen H alt zu haben und die kühle O b jek tivitä t bewahren zu können.

Zugegeben, daß es es schwer ist, sich von dieser A rb eit­

gem einschaft dreier W issenschaften eine deutliche V o r­

stellung zu machen, sollte m an doch nicht das P ro jekt mit dem E in w an d zu diskreditiren versuchen, daß eine K oop era­

tion der Ergebn isse in P sych ologie, Geschichtschreibung und G esellschaftlehre wie überhaupt in der W issenschaft nicht durch K ooperation der U ntersuchung zu bew erkstel­

ligen sei. Der Ein w an d hat ganz R echt, wo es sich um theore­

tische Ergebnisse handelt. H ier gilt der m ilitärische G ru nd­

sa tz : G etrennt marschiren, vereint schlagen. Unser P rojekt hat abei lediglich eine K ooperation mehrerer W issenschaften zu ausgesprochen praktischen Zw ecken im Auge. E s han ­ delt sich dabei gar nicht in erster Lin ie um neue E n td ecku n ­ gen, um neue Einsichten, sondern um Zusam m enfassung des Bekan n ten in den einzelnen W issenschaften unter einem Gesichtspunkt, der ihnen an und für sich frem d ist. E in G e­

sichtspunkt, den die S ta atsp ra xis einzunehmen verlangt und unter dem sich wohl auch neue theoretische Einsichten in das W esen von Mensch und S taat, in die Gesetze der in te r­

nationalen Psychologie finden lassen, w as aber für das Unternehm en nicht m aßgebend sein d arf. Den Ausschlag giebt das Bedürfniß des Abgeordneten, der seine W ähler überzeugen, seine Gegner aus dem Felde schlagen will, das Bedürfniß des R edners und U nterredners. W as uns fehlt, eine Schule der Staatsku n st für das Innere wie für das

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Aeußere, darf nicht blos sein eine Akadem ie zur gründlichen oder abgekürzten Einw eihung in die Geheimnisse der Gesetz­

bücher, der Staatsbürgerkunde, der V erw altungtechnik, son­

dern muß werden eine Akadem ie des ausgesprochen p oliti­

schen V erstandesgebrauches, für welchen die juristisch e V orbildung nicht notwendiger ist als die V orbildung in irgen d­

einem anderen Fach.

Die bekannte Tatsache, daß die P olitik der Mächte der ganzen W elt heute von R echtsan w älten gem acht w ird, sollte nicht falsch ausgelegt werden. Der R ech tsan w alt ist der Politiker in der Ju rispru d en z. E r ist nicht Ju rist, wie der R ichter oder der V erw altungbeam te. E r ist nicht Bureau- k rat. E r ist T aktiker, D iplom at, Redner, A gitator, er rechnet mit dem R echt, nicht, wie der R ichter, nach dem R echt.

Und eben, weil er trotz seiner Berührung m it V erw altung und Rechtsprechnung Stratege und T aktiker ist, ein K ü n stler der Situation, weil er alle wesentlichen Eigen schaften m it­

bringt, welche die praktische P o litik braucht, weil er schlau und elastisch sein muß, die T y p ik der m enschlichen N atu r bald beherrscht, den U nw ert der K o d ifik atio n durchschaut, die Biegsam keit aller Bestim m ungen, Gesetze, V erträge er­

probt hat und sich zu decken weiß, wo ein Anderer sich verrät, weiß er, wie m an zur M acht im S ta at komm t, wie m an sich und den S ta a t in der M acht hält. Diesen sub specie politica unleugbaren Vorzügen des R echtsan w alts steht der bedeutende N achteil seines in der R egel schlecht verhüllten Cynism us zur Seite. Große Staatsm än ner sind aus der R ech tsan w altsp raxis nur herausgewrachsen, wenn sie im Stande waren, ihren geschickten M anipulationen, ihren V er­

schwörungen und Trium phen das A ir m oralischer Größe und den G lanz von ihren E rfo lgen als Sternenschein des Schicksals der N ation ins Gedächtniß zu geben. Zur Hoheit, in der eines ganzen V olkes C harakter verk lärt erscheint, so daß es selbst nicht weniger als die ausw ärtiger M ächte im Mann, der sie ausstrahlt, den notwendigen und göttlich legitim irten W ortführer em pfinden, bedarf es jenseits aller V irtu osität der L eistun g fester Substanz und tiefer Bildung.

Trotzdem wird, kom m t der Ju r is t in Frage, wegen seiner technischen V irtu o sität der R ech tsan w alt im Allgem einen

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Politische Erziehung in Deutschland 1 5 7

den anderen juristischen K atego rien vorzuziehen sein. Die form alistische N eigung des Deutschen, übertriebener R espekt vo r kodifizirter Gelehrsam keit, die Tendenz zur B egriffs- chinoiserie lassen es rätlich erscheinen, Staatsm änner nicht in den R eihen der V erw altungbeam ten und R ich ter zu suchen. Gerechtigkeitsinn, P ün ktlich keit und G enauigkeit sind für die P o litik nun einm al nicht das E rste und nicht das Letzte. K onform m it dem ausgesprochenen W illen vieler Berufsklassen und bisher ängstlich zurückgehaltener Schichten des Volkes, m it jener langsam en U eberw indung des Assessorism us in der politischen F ü hrun g vollzieht sich eine Befreiung des politischen Verstandesgebrauchs von der H errschaft des juristisch en Denkens. H at es die Deutschen bis zum K rie g feinfühliger in ihrem Em pfinden für das R echte und Gerechte gem acht, daß sie von Ju riste n politisch gefü h rt w urden? W ar es nicht ein Ju ris t, der m it seiner E rk lä ru n g über das Belgien zugefügte U nrecht die erste Bresche schlug in das Bew ußtsein des deutschen Volkes, in diesem K riege R ech t zu haben ? H aben es die Ju risten , die se it dem Bestehen einer politischen M acht die Fü hrun g in Deutschland besaßen, verhindern können, daß D eutschland zum P rotagonisten der Gewaltlehre, zum U rbild des V er­

tragsbrechers gem acht w urd e? Man sieht, es ist nicht die Sum m e der R echtsgelehrsam keit, welche einem S ta at neben der U n abh än gigkeit die W ürde und das rechtliche Ansehen erhält.

K ein V orw urf gegen die Jurispruden z, sondern gegen ein über Gebühr von ihrem politischem B ild u ngw ert enthu- siasm irtes P arterre. D er politische Erziehungw ert der A d vo ­ katen p raxis soll nicht geleugnet w erden; aber die Kenntniß des Ju s ist d afü r nicht verantw ortlich zu m achen. Im U nterschied zu anderen juristischen und nicht juristischen Berufen ist der A d vo k at in erster Linie R edner und A gitator, T ak tik er und Psychologe und dadurch (neben einem gewissen kaufm ännischen Typus) der bisher einzige R epräsen tan t politischer D enkfähigkeit und diplom atischer R eag ib ilität.

D ie E n tw ickelu n g der sozialen V erhältnisse bringt aber in steigendem Maße andere Berufe und Stände in die politische Fü h run g hinein, Gew erkschaft- und reine P arteifunktionäre, K au fleu te und Industrielle, Gelehrte und Jo u rn alisten . D as

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hän gt nicht etw a von der H errschaft des S ystem s der for­

m alen D em okratie ab, sondern ist Folge der zugespitzten K lassenkäm pfe, Ständekäm pfe und der in ihnen n atü rlich scharf werdenden Tendenzen auf genossenschaftlichen und gew erkschaftlichen Zusam m enschluß, au f m öglichste Selbst­

verw altu n g und M achtfülle der Interessengem einschaften im S taate, der, um die centrifugalen K rä fte zu bändigen, sie nach M öglichkeit an die Centrale zu fesseln sucht. (Die ko n servative geht m it der revolutionären R ich tu n g konform , wenn sie die form al-juristisch funktionirende B u reau k ratie berufsständischen Selbstverw altungeinheiten opfern will.)

D as P ro jek t einer Schule für politisches Denken d a rf m an auch dam it nicht abfertigen wollen, daß m an sie als ein In stitu t auffaßt, welches m achtpolitischen Interessen im U nterschiede zu Interessen einer au frichtigen V erständigung- und V ersöhnungpolitik unseres Lan d es dienen soll. D aß m an in ihr ein Centrum w ittert für gew iegte K öpfe, die den Ju n g en die Schliche und K n iffe beibringen werden, m it denen m an seine Gegner au f rechtlich un antastbare Weise zu F a ll bringen kann. E in en M ittelpunkt, der fü r ein ent- w affnetes D eutschland die F u n ktion des G eneralstabes, n ur in der Sphäre civiler M ittel, zu übernehm en habe und an dem sich eine ähnliche Tradition von Mut, K en ntn iß und technischer Vollendung in S taatsk u n st und D iplom atie aus­

bilden solle. E s ist leicht, m it agitatorisch en Phrasen eine Sache, zu der m an wegen ihres ungewöhnlichen C h arakters nur schw er V ertrauen fassen, die m an sich außerdem nur schlecht vorstellen kann, lächerlich und veräch tlich zu m achen. D er G egensatz von M achtpolitik und V erstän digu ng­

p o litik h a t nur dann einen festen Sinn, wenn er den U n ter­

schied zwischen einer P o litik der reinen und der unreinen M ittel bezeichnet. U nreine M ittel sind diejenigen, die aus der G ew alt stam m en und in G ew alt einm ünden, Polizei und, M ilitär. Sie charakterisiren eine P o litik der D rohung.

K riegerisch er M ittel beraubt, ist D eutschland ohnehin ge­

zwungen, sich zu einer P o litik des reinen M ittels zu bekennen, einer P o litik des überzeugenden Argum ents und der frei­

w illigen U ebereinkunft, welche auf den natürlichen Interessen der L än d er und der genauen Selbsteinschätzung des eigenen

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Politische Erziehung in Deutschland 1 5 9

Lan d es beruht, deren oberster G rundsatz aber nicht mehr die A usbildung des Geistes der W ehrhaftigkeit, sondern die A ch tun g des Friedens ist.

D ie gesinnungm äßigen Dinge einm al bei Seite gesetzt, welche sehr viele Leu te vor den K o p f stoßen, ist die A rb eit einer solchen Schule fü r P o litik und D iplom atie, auf wissen­

schaftliches Studium gegründet, absolut unabhängig von Pazifism us und Internationalism us, Parteilehre und A gitation.

E in für alle M al sei es g e sa g t: das E th o s ihrer R echtfertigun g hat keinerlei E in fluß au f die A rt und W eise ihres Betriebes.

D ieser ist w issenschaftlich. E s handelt sich um Erkenntniß und Form ulirung der wesentlichen Regeln, welche S ta a ts­

kunst und D iplom atie beobachtet haben und beobachten müssen, wenn sie Vorgesetzten Zw ecken entsprechend dem Lan de dienlich sein wollen. W ie die Sprache es andeutet, um Erken ntn iß der politischen K unstregeln oder, wie m an es auch nennen kann, um die Präzisiru n g der gesam m ten Technik des Staaten verkeh rs und der Regirung, also nicht w eniger um die H erausarbeitung alles Dessen, w as an sozialer, w irtschaftlicher, geistig-stim m ungm äßiger Gegeben­

heit die Entschlüsse bestim m t, wie der freien p sych isch e^

soziologischen, historischen K on stanten , welche die A rt der D urchführung der Entschlüsse herbeiführen.

E s lassen sich die m annichfaltigen Gegenstände einer d erartig angefaßten E rziehu n g zur praktischen P o litik unter mehrere T itel bringen. Im B ereich der inneren P o litik : das Studium der Psychologie öffentlicher V ersam m lungen und des Parlam ents, der agitatorischen M ittel in Rede, D iskussion, Presse, der Technik der V erw altu ng und der U sancen des politischen G eschäfts Verkehres der Behörden m it der Centrale und dem P ublikum . Studium auf G rund auch praktischer Teilnahm e an solchen Geschäften. De facto w ird gerade dieser P u n kt die geringsten Schw ierigkeiten haben, w'eil auf eine solche Akadem ie fü r P o litik nur entsprechend gründlich V orgebildete gelassen werden könnten. Genügende K enntniß volksw irtsch aftlich er und geschichtlicher Tatsachen muß von den A spiran ten der staatsm ännischen L au fbah n verlan gt werden, denen heute hierfür in cler A kadem ie der A rb eit in F ran k fu rt, in der Hochschule für P o litik in B erlin und in

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dem schon sehr dichten N etz von Volkshochschulkursen über das ganze R eich hin bedeutende H ilfsm ittel geboten werden. Im Bereiche der äußeren P o litik w ird das Studium , vielleich t in Anlehnung an das R egionalsystem des A u s­

w ärtigen Am tes, die sehr schw ierige Synthese vieler und zerstreuter Tatsachen, Vorgänge, B erichte in V ergangenheit und G egenw art unter psychologischem A sp ekt versuchen müssen. M it der H ilfe reichen historischen und zeitgeschicht­

lichen Stoffes (etwa Lesu ng und A n alyse der R eden führender Staatsm än ner unserer Zeit im O rigin altext unter B erücksich­

tigung ihrer staatsm ännischen Technik, der eigentüm lichen Psychologie ihres Landes u. s. w.) muß versucht werden, nicht nur ein B ild der gegenw ärtigen L age in die K öp fe der poli­

tischen Sem inaristen zu bringen, sondern ihren Sinn für die Gesetze der T a k tik und S trategie des Friedens m it friedlichen M itteln, für die den Reden, Verhandlungen, V erträgen und dem ganzen Gebahren eines K abin ets, einer Presse im m anente politische Technik zu wecken und zu schärfen. Größte Sorg­

falt w ird der Ausbildung der Diplom aten zu Teil werden m üssen. Sprachenkenntnisse, historisches W issen, spezielle p in sic h t geographischer, w irtsch aftlicher A rt zu verm itteln, soll d a nicht die A ufgabe des geplanten In stitu tes sein. Dem D iplom aten intim e K enntniß der Gesetze des Gesprächs, der U nterredung und der U nterhandlung zu verm itteln, erst dazu bed arf es neuer L eh rk räfte und Lehrm ittel, welche unsere Hochschulen nicht aufzuw eisen haben.

N icht zu vergessen, daß Län d er m it dem okratisch­

parlam entarisch oder auch anders gearteter Selbstregirung durch die Belebung det P arteitä tig k eit für die politische Selbsterziehung sorgen. W er politisch Carriere machen will, geht zur P artei und lernt durch Anschauung, wie m an es m achen muß. Genau so erzieht das Parlam en t, der B e ­ triebsrat, der V ollzugsrat seine Leu te. So kom m t die Routine, so kom m t auch tieferer E in b lic k und gesellschaftliche Ge­

w andtheit. Man muß einen gewissen Fonds von technischem W issen und G eschäftsroutine sich selbst «sammeln lassen.

K u n st der M enschenbehandlung und des civilen V erkehrs erw ächst einem Je d e n aus seiner E rziehung und Begabun g.

(Es w ird im m er M änner geben, die dazu neigen, eine F ra u

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Politische Erziehung in Deutschland 1 6 1

wie eine öffentliche Versam m lung zu behandeln. Solche Leu te sind für die diplom atische L au fbah n ungeeignet.)

Die in F rag e stehende politische Akadem ie kann nicht m it U nm öglichkeiten belastet werden, denn eine politische P äd agogik enthält nicht R egeln über den U m gang m it Dam en oder über die Gründe der In opportun ität, E rbsen m it dem Messer zu essen. Ih r A rbeitgebiet fällt aber auch nicht m it den A eußerlichkeiten des innen- und außenpoliti­

schen Geschäftsganges zusammen. Die diplom atischen Ge­

pflogenheiten, vom Agrem ent bis zum Abbruch der B e ­ ziehungen, sind gewiß eine um ständliche W issenschaft für sich. Doch sind sie nur das Skelet, nicht der G eist diplo­

m atischen Lebens, notw endig wie dieses, den L eib zu stützen.

D as hauptsächliche M aterial politischen Studium s b il­

den die Entschließungen, Reden, Memoiren und sonstigen M anifestationen der großen Staatsm än ner und D iplom aten aller Zeiten, die politischen K lassiker, ferner die Bewegungen der gesam m ten zeitgenössischen P olitik. Methode und G esichts­

punkt folgen aus dem Zw eck einer Schulung politischen Sinnes, einer Beherrschung der Prinzipien und Beachtu ng der natürlichen Gesetze staatsm ännischen Vorgehens. Auch der Friede h at seine Schlachtfelder, auch der Friede braucht seine W issenschaft. Die A ufrechterhaltung des friedlichen V erkehrs w ird nicht nur in diesem Z eitalter souverainer N ation alstaaten, welche sich m it m ilitärischen M achtm itteln n icht w eniger als m it civilen in Schranken zu halten suchen, sondern für alle Zeiten, auch bei völlig anderer O rganisation der V ölker, eine eigentüm liche und nur schwer zu erlernende K u n st bedeuten, deren Strategie und T a k tik erst noch ge­

schrieben und zu sorgfältiger E n tw ickelun g gebracht werden muß. W ie überall, wo Parteien, Interessen, M acht- und W illenskom plexe, m ögen es nun Arm een oder V ölker oder G eschäftshäuser oder Vereine sein, einander gegenüber­

stehen und sich befehden, m it dem Zw eck, günstige A b ­ kommen zu treffen, bestehen Situationen, Chancen der kom- plizirtesten A rt wie etw a beim Schach. A n g riff und V er­

teidigung, A ufm arsch und R ückzug, Ablenkung und Irre­

führung, U eberraschung und Bedrohung, E rregu n g und H em m ung: all D as sind K atego rien jeder käm pfenden Gegen­

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seitigkeit auf welchem Schlachtfeld auch im m er. N ur der bloße P h an tast glau bt den V erkehr zwischen interessirten Personen, In stitu ten und Staaten regellos und nach den E in gebungen von H erz und Gew issen abw ickeln zu können E r unterliegt der gröblichsten Täuschung, denn nicht einm al uns selbst gegenüber, nicht einm al im engsten häuslichen K reise, nicht in den V erhältnissen der Liebe und F reu n d ­ schaft, geschweige denn in der unpersönlichen Sphäre der O effentlichkeit ist U eberzeugung die einzige M acht oder gar der M aßstab m enschlichen Zusam m enschlusses, m ensch­

licher V erträglichkeit. W oran D as liegt, sei hier nicht un ter­

su ch t; D as gehört in die Philosophie der Gesellschaft. D as E in e ist sic h e r: K ein m oderner S ta a t üb erträgt ungeschulten O ffizieren die taktische und strategische Fü hrun g über seine A rm ee; nur Inkonsequenz kann dann U ngeschulten die politische Fü h run g Z u t r a u e n , die in der D isposition der gesellschaftlichen und volksw irtschaftlichen M achtm ittel der N ation, als d a sind Geld, Industrie, W issenschaft, Presse, O effentliche Meinung, Sym pathien und A ntipathien, die kulturelle P ro d u k tiv ität als K olonisation- und W erbe kraft, eine der m ilitärischen vergleichbare Fü hrerau fgab e vor sich haben.

W ill m an A nknüpfungpunkte fü r diese fundam entalen Problem e der politischen P ädagogik, so w ird m an wohl am E hesten an die alte, halb vergessene U niversitätsdisziplin der R h eto rik zu denken haben,, nicht im Sinn ihrer modernen Betriebe, der Stim m bildung, Sprechtechnik und V ortrags­

kunst bezweckt, sondern im hum anistischen Sinn einer W issenschaft und K un stlehre der R ede und U nterredung nach ihrer geistigen M öglichkeit, Grenze und W irksam keit betrachtet und psychologisch begründet. A rten und Form en der Gesprächsführung, Methoden der U nterhandlung (Feil­

schen ist ja nur eine von vielen), Fü h run g einer D iskussion, Polem ik und V erteid igu n g: D as sind Beispiele, die sich leicht verm ehren und konkretisiren lassen, Beispiele aus ta k ti­

schem G ebiet. A us der S tra teg ie: Begründun g und A usbau der E n ten te Cordiale unter französischem und englischem G esichtspunkt, V orbereitung von Bündnissen, m oralische P ropaganda, welche eine psychische Atm osphäre zum A b ­ schluß von V erträgen bilden soll, V erhütung von K riegen

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Politische Erziehung in Deutschland 1 6 3

und so w eiter. Fern er bietet uns die moderne Psychologie der K ultu rkreise, N ationen und politischen Gruppen A n ­ sätze zu einer speziell den ausw ärtigen D ienst im Einzelnen unterstützenden Psychologie. D ie Gesetze der internationalen Psychologie, Massen- und Gruppenpsychologie harren nach w ie vor genauerer E rforsch un g und Präzision.

E in e A rb eitstätte dieses Stils h at D eutschland bis jetzt nicht, obwohl sich alle dafür verantw ortlichen Stellen über die N otw endigkeit sorgsam er politischer Erziehung k lar sind. W ie soll m an die Erziehu n g organisiren, ohne wieder in die alten F eh ler zu verfallen und zu viel Z w an g zu schaffen ? W enn den W ünschen nach einem besseren geographischen U n ter­

rich t in V olks- und M ittelschulen m ehr entgegengekom m en wird, kann m an die Grundlegung der E rziehu n g zu p oliti­

schem Denken ruhig von der Selbsterziehung in den p oliti­

schen Parteien . Gew erkschaften, Genossenschaften, Vereinen un d so w eiter erw arten. D ie H ochschulen geben zw ar nur ein em Teil des V olkes die historischen, juristischen und philo­

sophischen K enntnisse, welche der Stand der R egirenden n icht entbehren k a n n ; aber die W ege der Akadem ie der A rb eit in F ra n k fu rt werden w eiter gan gbar sein und dahin führen, daß geeignete A rbeiter und Angestellte die nötigen gründlichen historischen, volksw irtschaftlichen, sprachlichen K en ntn isse sich verschaffen. A ls Abschluß w äre w ohl für alle ein L eh rgan g an der Hochschule für P o litik in B erlin zu denken. E rs t nach Vollendung dieses Bildungsganges ist die Zulassung zu dem von uns em pfohlenen In stitu t für P o litik und D iplom atie angängig, so daß dieses In stitu t die K rö n u n g des System s der politischen Erziehu n g bilden muß.

U eber die genauere O rganisation des In stitu tes V or­

schläge zu machen, ehe m an es m it dem Gegenstände v e r­

sucht und aus der praktischen Forschung- und U nterrich ts­

erfah ru n g konkrete V orstellungen über das E rreichbare ge­

w onnen hat, ist zwecklos. E s sagt n ichts über W ert und U nw ert eines Projektes, dessen N otw endigkeit gefühlt wird, dessen R ichtlin ien deutlich angebbar sind, daß m an nicht auch vom In halt, d a er erst zu erarbeiten ist, um fassend berichten kann . E s gilt, Neues zu schaffen. Also entscheidet der Versuch.

Die Methode kann nur sein die des sem inaristischen B e ­

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triebes, des K olloquiu m s und der Arbeitgem einschaft, nicht nur zwischen Hörern und Dozent, sondern gerade auch zw i­

schen den Dozenten. Geringe A nzahl der Teilnehm er bürgt allein für In ten siviru n g der A rbeit. Präzise Fassu n g des Them as, vielleich t im Anschluß an Vorlesungen der Hoch­

schule für P o litik (zum Beispiel ,,D ie P o litik L lo y d Georges in seinen R eden als E rste r M in ister“ , ,,H auptargum ente und Methoden der französischen A gitatio n gegen D eutsch land“ ,

„D ie am erikanische M entalität auf G rund der R eden W ilsons w ährend des K rieg es“ , ,,D ie W irkung von B ethm anns E r ­ klärung über den E in m arsch in Belgien auf die europäischen N eu tralen “ ), auf Grund vergleichenden Pressestudium s, unter­

stü tzt durch In terpretation von Fachleuten, den P sych o­

logen nie zu vergessen, und A n alyse solcher Them en unter sehr verschiedenen G esichtspunkten („Form en und M ittel der P arlam en tsberedsam keit“ , „W ah lrh etorik im Verhältniß zur M entalität des Volkes, Berufes und S tan d es“ , „A ffek tw e rte der Ideen bei den verschiedenen N ation en “ , „C h arak terk o n ­ stanten in der D iplom atie“ und so weiter) können die V orau s­

setzung für ordentliche A rbeit und Stetigkeit schaffen.

Man sieh t: ein Vorlesungw esen ist das In stitu t nicht, sondern ein Sem inar, bei dem der Schw erpunkt in der p rak ­ tischen U ebung liegt. Von wesentlicher Bedeu tu ng ist die Ausw ahl der M itarbeiter, welche zunächst von den berliner Hochschulen, aus den Aem tern, aus dem P arlam en t zu holen sein werden. E ben so wesentlich ist die Innehaltung eines ordentlichen N iveau bei den H ö rern ; und wenn m an auch nicht daran denken kann, P artei- und Gew erkschaftbeam te, Generalsekretäre und Jo u rn alisten , Ju riste n u n d 'V o lk sw irt­

schaftler aus dem „p olitisch en G arnisondienst“ an diese

„K rieg sak ad em ie der friedlichen M ittel“ zu kom m andiren, muß m an doch auf die Q ualität der Sem inaristen großes G ew icht legen. A uch eine parlam entarische D em okratie d arf die Führerauslese nicht dem bloßen K a m p f ums Abge­

ordnetendasein überlassen.

E s w ird auf den Versuch ankom m en. M it einigen K ursen w ird m an zweckm äßig, billig und ohne R isik o den A n fan g m achen können. In kleinem K reis, nicht in dem Form at von V olkshochschulvorträgen oder -arbeitgem einschaften,

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deren N iveau eben doch ein ganz anderes ist. V ielleich t arbeitet m an auch schon in dieser R ich tu n g (D iplom atenschule unter Professor Saenger im A usw ärtigen A m t ?) und es liegen Erfahrun gen vor. D aß m an nichts gehört hat, wäre nur dankbar anzuerkennen und als erster E rfo lg politischer E r ­ ziehung zu betrachten. Große W orte, E in b eru fu n g eines Kongresses fü r politische P äd agogik w irken hier ruinös.

(Es giebt auch eine volksfreundliche E x k lu siv itä t.) H e l l m u t P l e s s n e r . Legenden aus der Schöpfung 1 6 5

Legenden aus der Schöpfung")

i . D a s W e i b

B

is zu der Stunde, d a der Mensch geschaffen wurde, w aren die W erke des H errn gleichm äßig, im Verborgenen, ohne Zeugen einander gefolgt. Aber der Mensch öffnete die A u g e n ; und das W under, das geschah, w ar so groß, als sich die W elt, ganz aufgehellt und erleuchtet (denn bis zum letzten H ori­

zont waren die Schatten verschwundefi) in seinem liebend langsam en B lic k erkannte, daß sich der H err entdeckt fühlte.

In diesem A ugen blick m ußte die W elt undankbar werden gegen Gott. V orzeitig raubte sie ihm der Mensch, verbreitete L ich t und Freude in jeden W inkel, als sei A lles schon ge­

schaffen, ob auch der H err meinte, so könne die W elt noch

*) Ins dritte Ja h r ihres Bestehens geht jetzt „ L a Ronda“ , eine bedeutsame literarische Monatschrift in Rom, in der ein Kreis von Dichtern und Kritikern mit hohen Gaben und großem E rn st bemüht ist, gegen den Strom des Im- und Expressionismus, Italiens Sprache, Kultur und Stil im Geiste Leopardis und, in gewissem Sinn, Dantes selber weiterzuführen. Getrieben von allzu großer Skepsis gegen den modernen Vers, spüren die Männer dieser „W ache“ auch bei ihren Hausdichtern nur der Prosa nach und haben soeben in einem Doppel­

heft eine großartige Uebersicht über Leopardis Aesthetik gegeben, aphoristisch wie Nietzsches Nachlaßwerke geordnet, summirt aus Bänden, die Niemand liest. Diese einsam tapfere, kluge Schaar wird geführt von dem mephistophelischen Melancholiker Vincenzo Car- darelli, aus dessen Legenden hier ein Stück zum ersten Male deutschen Lesern zugeführt wird. Em il Ludwig.

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iiicht bleiben, und ob er auch, in zorniger U nzufriedenheit, sein Geschöpf in solcher E in sam k eit nicht lassen wollte.

W eil sich der H err nun seiner U n vorsicht bewußt wurde, d aß er ein W esen m it unberechenbaren Folgen und überdies zu früh geschaffen hatte, w eil er von Neuem E in sam k eit brauchte und doch die W elt nicht ins Chaos zurücksenden konnte, von dem, außer einem leuchtenden Fluten, sich keine S p u r mehr zeigte: so entschloß er sich, die D unkelheit und U nordnung wenigstens in die V ernunft des Menschen zu bringen. E r erfand den Schlaf. E in sch lafen m ußte jenes W esen, es gab kein anderes M ittel; und so, w ährend der Mensch seine entblößte F lan k e darbot, entstand das W eib, w ah rh aft die F ru ch t eines V errats.

Den H errn ergriff eine A rt von Reue, daß er auf diese A rt den Menschen hingestreckt hatte, und je m ehr er ihn im Schlaf betrachtete, um so weniger verstan d er, w ie dieser junge, edle und starke K ö rp er ihm h atte im W ege sein können. Ü ber diesen Gedanken und ein W’enig auch durch den V erdacht beunruhigt, der Mensch könnte von einem zum ändern A ugenblick erw achen (denn er w andte sich von Z eit zu Z eit nach ihm um), h atte der H err fiebernd seine A rb eit fortgesetzt. Seine H ände, obwohl sie die eines G ottes w ären, zitterten, als er das W eib sc h u f; zögernd ruhten sie a u f dem lieblichen S to ff und ließen m ehr als ein Zeichen der U nsicherheit darin zurück. Doch D as nahm ihr nichts von der Anm ut und V ollendung ihrer schönen Glieder. N ur mußte es, freilich, un tilgbare Spuren in ihrer Seele hinterlassen.

E in e plötzliche Schw erm ut fühlte er in sich eindringen, die ihn zur größten M ilde bestim m te, wenn der H err diese seine letzte, späte F ru ch t betrachtete, vo r der er sich zum ersten M al im Zw eifel fühlte und m it der er ganz deutlich von der W elt Abschied nehmen w ollte: es w ar die M elan­

cholie des Schöpfers vo r seinem letzten W erk.

Gerade zu dieser Stunde gin g die Sonne unter. U nd er, dem es versag t blieb, indem er den Menschen schuf, ihn auch zu rühren, er, der gesehen hatte, w ie Je n e r das Geschenk des Lebens em pfing und kaum den K o p f wandte, jetzt in der D äm m erung des Abends hörte er überschw ängliche D ankes- w oite und staunte über ein Wesen, das vor ihm kniete.

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Legenden aus der Schöpfung 1 6 7

D arauf w ar er nicht vorbereitet, Dies nicht vorgesehen; seine strenge G erechtigkeit w ard unerw artet erschüttert. U nd ge­

rade darum w ard er so gerührt und tief entzückt durch diese Geberde der H ingebung und Treue, die die F ra u niem als w ieder erreicht hat, durch diese B itte um Gnade, weil sie in diesem A ugenblick den Thron seiner M acht wieder festigte, au f dem er unsicher geworden war, und weil nun endlich Lohn und Trost fü r D as erstand, w as er geschaffen hatte.

W as nun geschah, das W eib allein könnte es erzählen, doch bleibt es ihr Geheim nis. Gewiß ist, daß es zu einer V erhandlung kam , durch die das W eib unendliche M acht errungen hätte, w äre ihr noch der V orzug der Erin n erung geworden und w äre nicht der Mann zu rechter Z eit erw acht.

Von diesem T a g an ergiebt sich der Mensch ungern dem Sch laf und das E rw achen fällt ihm schwer. Lieb er h ätte er eine so niederschm etternde Stunde nie erlebt, wie nun, als er die Augen einem L ich t öffnete, das nicht m ehr das alte Avar, einem Eden , das schon die Schlange bedrohte, die durchs Gras heran glitt und es für im m er b e fl^ k te . A ls er je tz t neben sich das überraschende und neue W esen sah, d a s zarte und bereitw illige Geschöpf, in jeder A nm ut er­

fahren, m it allen Feinheiten der K u n st aus einem schon ge­

form ten und müden Stoffe gebildet, das seinen Schlum m er ausgenutzt und un m ittelbar m it G ott verhandelt h a tte : da fühlte er sich in dieser Gesellschaft unsicher und erniedrigt und einsam er als zu vo r; w ährend der Herr, der in seiner W eisheit die W elt nun endlich vollendet glaubte, es geraten fand, sich zu entfernen.

Dies w ar die letzte E pisode der Schöpfun g; und nicht ganz im Stande der U nschuld w ar sie vor sich gegangen.

I I . K a i n

Der H err h atte dem Mann und dem W eibe alle Frü chte des G artens E d en überlassen m it Ausnahm e einer einzigen.

D ie h atte das süßeste Fleisch, weil sie durchdrungen w ar vom Safte des W issens: der ist der A n fan g alles Lebens und aller Zeu gun g; und diesen hütete der H err eifersüchtig.

Daher geschah es, daß A dam und E v a , nachdem sie von der

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Fru ch t gegessen, ohne es zu wissen, dem H errn leid w u rd en ; f und ihre lüsterne V erbindung w ar nun dem U rteil eines furchtbaren Gegners unterw orfen. E s schien dem Herrn in seiner tiefen Verstim m ung, daß ihr E rstgeborener kaum der Mühen der Zeugung w ert sei, - noch viel w eniger der großen K rän ku ng, die er seinetwegen erfahren h a tte ; und darum verflu chte er ihn. A ber schon h atte (die W ahrheit zu sagen) der H err sich entschlossen, die Sache im Großen abzutun, indem er die ganze E rd e verfluchte und auf ih r jeden einzelnen G rash alm ; denn er w ußte wohl, daß vo r der U nreinheit des W eibes und des Mannes, ja, noch vor den Anzüglichkeiten des Teufels, des klügsten aller Tiere, schon die Sünde die E rd e um klam m ert hielt, die in gleich- giltiger F ru ch tb arkeit den B au m des Guten und Bösen her­

vorgebracht hatte. W ie Sam en, der irgendw ie hingeweht war, h atte sich die Sünde in erschreckender W eise ausge­

breitet, so daß sie nun in jeder Pflanze wie in jedem n atü r­

lichen D in g verborgen w ar. U nd schon lange vor der Schöp­

fun g A dam s ^ n d der G eburt K ain s gab es verw ild erte Plätze in Eden, wo die R ep tilien und andere w ilde und unreine Tiere wohnten, schon w ar die E rd e voll böser K rä u te r und giftiger Blum en, schon gab es Früchte, die den W urm in sich bargen. So daß der Herr, als er der Schlange einen Ort der Strafe bestim m en w ollte, nichts Abscheulicheres fan d als den Stau b der E rd e : ,,D u w irst auf Deinem B au ch kriechen und alle Deine T age w irst D u den S tau b der E rd e fressen .“

Und das gottlose Tier antw ortete lüstern, daß das Fleisch des Menschen im Grunde auch nichts Anderes sei als S tau b und daß der H err in seinem Zorn ihm ein schönes R eich zu weise.

W ie konnte, nach Alledem , der H err die Früchte, die K a in ihm opferte, freundlich ansehen ? Dem Unwillkom­

menen Sohn A dam s konnte nichts Schlim m eres geschehen, als daß er B au er wurde.

K a in h atte schon viele Jah rh u n d erte sein m ühsam es B auerndasein gelebt, ohne zu wissen, daß der Böden, aus dem er das B e ste ,z u ziehen bem üht war, verflu ch t worden sei. D aß die E rd e, um Frü ch te herzugeben, au f gehackt und bearbeitet werden müsse, daß sie v iel Mühe erfordere, schien ihm, der nach der V erfluchung gekom m en war, N aturn ot­

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w endigkeit. D as rechnete er zur Ordnung der D inge. E r ahnte nicht im Geringsten, daß der Zw eck der Schöpfung ein anderer sein könne; darum konnte er A bel nicht verstehen.

E r wußte flicht, daß es in der A bsicht des H errn gewesen war, den Menschen wehrlos und unzerstörbar zu machen, dam it er die Gaben und das G lück der E rd e in einer u n ­ schuldigen und beschaulichen R uhe genießen möge. Darum hatte sich der H err darein beschränkt, von dem ganzen W eltall nur einen kleinen G arten bis zur V ollendung auszu­

arbeiten, w ährend er das Ü brige unfruchtbar und unbrauch­

bar liegen ließ. A ber von diesem entzückenden G arten h atte K a in niem als reden hören, auch nicht in seiner K indheit, denn nach ihrer V ertreibun g hatten A d am und E v a ihn vergessen. W elchen W eg w aren sie wohl an dem T a g ihres Auszuges gegangen, als sie n ackt und zitternd sich an einander hielten, w ährend hinter ihren Schultern furchtbar, flam ­

mend, die Schw erter der Erzengel durch die L u ft kreisten ? Sie w ußten es nicht mehr, sie h ätten es nicht sagen können;

und vielleicht schäm ten sie sich auch, daran zu denken.

N iem and h ätte K a in eine A u skun ft geben können über dieses Paradies, das einm al gewesen war, N iem and hätte ihm zeigen können, wo es lag. Der H err selbst, der h a rt­

n äckig fern blieb, schien zu wünschen, daß er in der dunkelsten Unwissenheit aufw achse. Und K a in wurde in ih r großund stark.

N iem als h ätte er geglaubt, daß auf der Erd e, vor seinem Erscheinen, so w ichtige Dinge, so verw ickelte Ereignisse ge­

schehen w aren. In seinem beschränkten Denken kam er zu der Meinung, daß die W elt m it ihm entstanden war, denn der Zustand, in dem er sie kennen gelernt hatte, schien ihm zu sagen, daß zuvor N iem and H and oder Fu ß darau f gelegt hatte. Die Täler w aren überschwem m t, die Berge von schw ar­

zen und dichten W äldern bedeckt. Und er h atte sich überall W ege gem acht und m it seiner verlierenden K r a ft stem m te er sich gegen die V erw irrung der Elem ente, die ihn um ­

zingelten, und berauschte sich an eben diesen W iderständen und Mühen. U nd als er das Feu er entdeckt hatte, w ar es im Som m er1 bei günstigem Südw inde sein größtes Vergnügen, die W älder in R au ch und Flam m en aufgehen zu sehen, wie das H erdfeuer einer ungeheueren Schm iede, w ährend A bel

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