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Die Zukunft, 15. Oktober, Jahrg. XXX, Bd. 115, Nr 3.

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(1)

X X X . Jahrg. B e r lin , den 15. Oktober 1921 Nr. 3

Die Zukunft

Herausgeber

Maximilian Harden

I N H A L T

Seite

Nach fernen M e e r e n ...62

P a n o r a m a ...62

Ewige W iederkunft... ... 68

Totenorakel . , ... ...73

Aktienfasching. Von C h e i r o n ... . . . 85

Nachdruck verboten

Erscheint jeden Sonnabend

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Preis vierteljährlich 22 Mk. / Einzelheft 2,50 Mk.

BERLIN

ERICH REISS VERLAG

(Verlag der Zukunft) 1921

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J e r u s a l e m e r S t r a ß e 31 G e g rü n d e t 1887 — T e le p h o n : Zentrum 5991 u. 11964

K o r p u l e n z

F c l t l e i l b i g r l i e i t beseitigen P r . H o I T b a i i e r ’s ges. gesch.

E n t f e t t u n g s t a b l e t t e n

Vollkommen uuscliädl. und e rfo lg re ich ste s Mittel gegen F e tts u c h t und ü b e r­

m äßige K orp alen z. auch ohne Einhalten einer bestimmten Diät. Keine Schilddrüse.

L e ich t beköm m lich. — G ra tis B ro sch ü re «uf W unsch. '■

E l e f a n t e i i - A p o t l i e k e , Berlin SW 414, Leipziger S tr .74 (Dönhoffpl.) Amt Zentr. 7192

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DIE ZUKUNFT

H erausgeber: M a x im ilia n H arden

ie W ahl des Blickpunktes lichtet (also: formt) dem Betrachter das Antlitz des Bildes. Pflanzt vor den herr*

lichsten Van Gogh sich Einer so dicht, daß sein Auge der Pinselspur nachtasten kann: das W under höchst persönlich frommer Naturvision wirkt nicht in ihn; er sieht, vielleicht, manche „Valeurs“, W erthe des Malerkönnens, doch nicht den Bau des Bildes, nicht die warmem Erdschoß ent*

sprossenen, steil oder matt in Sonnenbrut reifenden Gold*

ähren; und seine Seele befährt nicht das Meer der stillen, nur vom Gluthkuß der Himmelsflammen leis bebenden Luft.

Träte er weit zurück: er sähe nur Goldgelb mannichfacher Tönung, Blau, W eiß, andere Tupfen und Tüpfchen; und müßte sich in die Freude an der Symphonie dieser Farben bescheiden. Fühlt Einer sich Ruinen so kindhaft zugehörig, daß er jeden aus den Fugen gelösten Stein, als dröhnte draus die Stimme empörter Gottheit, mit seinen Thränen netzt, dann wird Nothwendigkeit und Segen der Zerstörung, die doch zu Neubau erst Raum schuf, ihm niemals bewußt. Und bohrt ein Volk sich tief in den W ahn, der Nabel der Erde zu sein (der es als Zehe oder Finger, Streckmuskel oder Darmstück dienen mag), dann merkt es zu spät die Wand*

lungen im Leib dieser Erde, Schwangerschaft, Wehen, Ge*

burt, und reiht nicht vorn, nicht zu rechter Stunde sich in

X X X . Jahrgang 15. X . 21 Nr. 3

Nach fernen Meeren

P a n o ra m a

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den G a n g solchen W erd en s. Trachtet, R egirer, Schreiber, R edner, daß nicht länger noch falsche W ah l des B lickp u n k tes dem deutschen V o lk das A n tlitz des W eltb ild es verneble od er verzerre. D ieses U n h eil w ährt fort, w enn Ihr H irn und O hr des V o lk es mit A lltagsschw atz über die Fruchtverheiß un g neuer Parteienkoalition u nd den Frevel un ausrodbarer Valuta*

schieberei, gar m it neuem G ezeter über die im B ezirk anderer V ö lk e r nistende m ißtrauische Feindschaft vollstop fet. D e r E d elsin n eines M en schen , also spricht C h inas w eisester G eist, offenbart sich darin, daß er über V erken n u n g nicht m urrt; und die V ern un ft eines V o lk es darin, daß es durch unerm üdliche V ersittlichung seines W o lle n s und H an deln s, nicht nur des sichtbaren, und durch nie selbstgefällige Ver*

feinerung seiner Lebensart die Feindschaft entwaffnet. D ie A n deren, saget Ihr (w eils aus allen W in k e ln Euch zugeflüstert oder zugebrüllt w urd e), die Sieger sollen an fan gen ? A u sred e träger H erzen. D a ß andersw o üble K erle hausen, entbindet uns nicht der Pflicht zu Selbstveredelung. D a ß dem Schw ein in Speck und D reck w o h lig ist, d a rf den M enschen nicht hindern, sich in die ihm verheißene K ron e der Sch öp fun g aufzurecken.

W ie w eit sich, jenseits von unseren G renzen, das R eich rück#

ständiger D um m heit und gew issenloser N iedertrach t dehne, hörten w ir vo r dem K rieg alltäglich; in den K riegsjahren, w ie nah ringsum allen feindlichen Ländern die N ach t des N ieder*

bruches sei. U n d schon h atvo r U nm ündigen das alte T ru g sp iel w ieder begonnen. Schnell m uß es enden; ehe neues U n h eil in unsere W e lt gesät ist. N ich t dem deutschen V o lk , nur den ihm feindlichen M ächten, zinst der V ersuch, seinen W ille n in Zorn esgluth aufzuschüren. D e r V erlust deutschen oder in zäher A rb e it dem D eutschthum eroberten Landes schneidet ins H erz und kein G erechter kann fordern, kein seine E rd e Liebend er d a rf w ünschen, daß diese W u n d e rasch verharsche.

D o c h die G ren zverrücku n g ist nicht, w as sie Jahrhu n derte lan g und gestern noch w är: ein dem Besiegten eingebranntes Schm achzeichen; ist unserem H o ffen der A n fa n g von Entstaat*

lichung, Internationalisirung, ist ein M ittel zu V erschm elzung von V ölkern , die, w eil sie einander nicht kennen und hart in engem R aum stießen, H aß geschieden hat und die einander

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doch heute nützlich ergänzen können und m orgen m üssen.

Ist ein M eilenm erkstein a u f dem in hohem B o gen über das W ild en vo ru rth eil gegen Frem dglauben, Frem dblu t steilan bis in das E m pyreum der M enschenbrüderschaft führenden W e g . Senkte er vom G ra t sich in schw eflig dam pfende Finster*

niß und schlängelte in langer W in d u n g dann sich durch die neun H öllen kreise, über die sieben Büßerterrassen der dant*

isch en U n terw elt: erhobenen H auptes, m ithellem B lick , schritte ihn D eutschlands V o lk , das sein Schicksal lieben lernte. Schrei*

tet, D eutsche, ged u ld ig, in Q ualm und Loh e tapfer aufrecht, in das D ritte Reich, den lichten T em pel reiner M enschlichkeit, dessen T h o r nur den vo n H o fa rt und Praß lust, N e id und G eiz, L ü ge und H aß U nheilbaren nie sich entriegelt. W e h aber dem bis ins M a rk der Seele Besudelten, den selbst des Fegfeuers sengender Besen nicht zu säubern verm ag.

W ie sieht die W elt au s? E uropas O st ganz anders als noch im Som m er. H ungersnoth, die furchtbarste, vo n der uns G eschichte erzählt, und R ü ckzu g in T h eorie und P raxis der W irth sch aft hat den N im b u s M o skau s gebleicht. Polens neuer Finanzm inister, H err M ichalski, ein Fachm ann, w agte gestern, in W arschau dem Reichstag, dem berüchtigten Sejm , zu sagen, die polnische M a rk (ein Fünfzigtel der deutschen, die selbst kaum ein D reiß igtel ihres G o ld w erth es bew ahrt hat) habe nur noch „lo k ale K a u fk ra ft“ , w erde hinter der G ren ze nicht viel höher als der Sow jetru bel geschätzt; und forderte, als letztes N oth m ittel zu R ettung der in drei kurzen Ja h ren v ö llig zer*

rütteten Staatsfinanzen, O pferbereitschaft, die das A n tlitz der w arschauer Slachta, der ost* und w estpolnischen B o urgeoisie seltsam er als alles a u f ihrer E rd e in fü n f Jahrhu n d ertvierteln Erlebte verändern m üßte. D u rch das G ed rö h n glühender Ju liso n n e schmetterte die Fanfare von nahem G riech en sieg, der A n g o ra der M ach t M ustap h a K em als entreißen, w ieder, endlich, einen K onstantin nach K onstantinopel führen, das alte B yzantion, als H ellenenerbe, aus bunt schillernder V er*

w esun g erlösen w erde. In den ersten H erbstn ebel zerrann das Luftschloß . A n g o ra ist nicht erobert, Stam bul niem als be*

droht w orden, d a sG lü c k , d a sV en izelo s den G riech en brachte, von T in o s Fahnen geflohen. W endet sichs w ied er? A u f

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anatolischer, nicht vom A th em träger und feiler E ffen dis verpesteter E rd e w ar Kem al, fü r den der B au er focht und der Senussi * O rden w a r b , bisher unüberw in dlich . Schon heischt er die R äu m u n g K leinasiens und Th rakiens, w eigert dem V ertrag vo n Sevres die A n erken nu n g, hat mit Italien Son derfrieden geschlossen, verhandelt über franko * türki*

sehen m it dem A b geo rd n eten Fran klin *B ou illon und kann, w enn ihm G lü ck sg u n st w inkt, m orgen v o r K onstantinopel stehen. W ü rd e G riech en lan d den U n h eilsbrin ger, der ihm den Einsatz langen M üh en s leichtfertig verspielte, zum dritten M a l w egjagen ? W ic h tig er ist die F rag e, ob E n glan d ver*

suchen w ird, den G riech en , die es ein Ja h r lang leis unter*

stützte, w enigstens das Lan d um Sm yrna zu sichern. Suez, G ib raltar, B o sp o ru s: die an diesen drei Stellen gebietende M ach t kann m it der Löw en pran ke das M ittelm eer schließen und öffnen. V erzicht a u f die vo n C urzon s kühnstem Traum nicht erhoffte H errschaft über Südosteuropas M eerengen w ü rd e den B riten schw er. A b e r sie dürfen in dem unruhigen, vo n B o lsch ew ik en sen d lin gen bis in dunkle T ie fe aufgew üh lten In dien die M oham m edaner, den festesten D eich gegen die H in d u flu th , nicht verletzen, haben den neuen K h alifat, den sie, zu unheilbarer Entm achtung des Tü rken sultan s, ersehnen, w eder in M ek k a noch in B a g d a d einzuw urzeln verm ocht;

und üb er allen K üsten ihres Riesenreiches lagert das G e w ö lk schw arzer Sorge. N ation alisten fieber in E gyp ten , dem kein zw eiter C ro m er erstanden ist. Schw ellender Britenhaß in Frankreich (auch der K a m p f um A n g o ra, Sevres und Katto*

vitz ist im G ru n d ja franko*britischer K rieg ). D reih un dert M illio n en P fu n d , hundertzw anzig M illiard en Papierm ark, seit dem W affen stillstan d fast nutzlos in A b en teu ern verthan.

Schnelle L ö su n g des Irenproblem s nicht ganz sicher. U n d die englische P o litik w ird nicht m ehr in Lon d o n gemacht.

K ein beträchtlicher Schritt ohne Z ustim m un g der D om inions:

D a s ist seit der letzten Reichskonferenz im Em pire G esetz.

A u c h dieser P egel m eldet das E b b en des Europäerein*

flusses. D ie großen, in Selbstbew uß tsein gereiften D om i*

nions, Südafrik a, K an ad a, N eu seelan d , A u stralien (an Land*

besitz größ er als die V ereinigten Staaten vo n A m e rik a:

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und an V o lk szah l nicht reicher als G ro ß * Paris, durch das T ro p en k lim a ungeheurer Landstrecken a u f farbige B au er angew iesen : und aus ethnischem T rie b doch w id er deren E in w an deru n g heftig aufgebaum t), alle sträuben sich gegen die unveränderte D a u er des anglo*japanischen Bündnisses, alle drängen zu V erstän d igu n g mit W ash in gto n . M it dem selben E ifer zu der dort gew ünschten A b rü stu n g a u f den M eere n ? Ihre U n abh än gigkeit w äre fester verbü rgt, w enn E n g lan d die P olypenarm e seiner Flotte nicht so w eit strecken könn te; und erst nach dem Entschluß , ohne überm ächtige Seegew alt sich in friedliche V ölkergem ein sch aft zu fügen, w äre m it dem K abin et des Präsidenten H a rd in g über die Streichung der K riegsschu ld en zu reden. L o n d o n und T o k io m öchten die K onferenz, die den Fragen des Pacific, der Flotten rüstun g und W eltfinanzirun g die A n tw o rt finden soll, vertagen, w eil beide R egirungen fühlen, w elche G efah r entstünde, w enn die Fragen öffentlich gestellt und die Ant*

Worten nicht gefunden w ürden. G elin g t der G igan ten trust British Em pire * U n ited States, der (fü rs E rste) Ja p a n a u f den Platz eines Ju n io rp a rtn e rs klettern ließe und dessen H auptm ärkte C h ina, R uß lan d , Südam erika und alle aufnahm e*

fähigen M an datbezirke A frik a s w ären, dann muß E u rop a sich in E inheit sputen; als ein K nirp s, der nur ein B ü n d el geflickter V aterlän der und den m ageren E rtrag sonnenloser, zerklüfteter W irth sch aft m itbrächte, w ürd e es in A rm u th und O hnm acht verdam m t. W a s ist son st? A ustro*ungarischer Z w ist um das ödenburger K om itat. In Bu dapest, W ie n , Salz*

bürg, Innsbruck, M ün ch en allerlei plum pes und feines Ge*

m ächel für Restauration eines K önigthum es, ein süddeutsch*

m agyarisches D a n u b ien ; hie H ab sb u rg, hie W ittelsbach (das höheren K u rs hat). Italien und Y u g o sla w ie n blühen a u f und trachten, die R eibu ngfläch e zu kleinern, die sie trennt. H err T a k e Jo n escu , Rum äniens A uß enm inister, ist in geschäftiger B e w e gu n g ; stets a u f der T our als com m is v o y ag eu r der K leinen Entente. D eren Schöpfer (als Schüler, Schwieger*

sohn, tauglichstes W e rk z e u g des Präsidenten M asa ryk ), H err Benesch, hat das M inisterpräsid iu m in der Czecho*

Slowakei übernom m en. E in m eist behutsam K lu ger, der im

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W esten sich früh A ch tu n g erw arb, V ersöhn u ng der in Böhm en angesiedelten, der W irth sch aft unentbehrlichen D eutschen erstrebt und der, trotz seinem stolzen Slaw ism us, uns will*

kom m en sein kann, w eil er die M achtsphäre des fast immer w eisen Staatsmannes M asa ryk w eitet, dessen W illen sw eg überall zuletzt in V ern un ft m ündete. D ieser A llerh ellerin bahnt in Frankreich der G r o ll gegen E n glan d m ählich nun eine G asse. Langsam . N o c h d a rf H err B rian d nur schüchtern sich in leise A n d eu tu n g der W irk lich k eit vorw agen , deren Erkenntniß ihm dämmert. N o c h ist auch vorn , an der R am pe des politischen Betriebes, die Z a h l D erer gro ß , die Deutsch*

land nicht anders sehen w ollen , als v o r bald neun Jahrzehnten H einrich H eine es ihren G ro ß vätern zeigte. „N e h m e t Euch in A ch t, Franzosen. Ich m eine es gu t m it E u ch und des*

halb sage ich E uch die bittere W ahrh eit. Ih r habt von dem befreiten D eutsch land m ehr zu fürchten als von der ganzen H eiligen A llian ce sammt allen K roaten und K osaken.

Einst, im B ierkeller zu G öttin gen , äußerte ein ju n ger Alt*

deutscher, daß m an Rache nehm en m üsse an den Franzosen für K on rad in vo n Staufen, den sie in N eap el köpften . Ihr habt D a s gew iß vergessen. W ir aber vergessen nichts. Da*

her rathe ich, a u f E urer H u t zu sein. In D eu tsch lan d m ag Vorgehen, w as da w olle, m ag der K ron prin z von Preußen oder der D o k to r W irth zur H errschaft gelangen : haltet E u ch im m er gerüstet, bleibet ruh ig a u f E urem Posten stehen, das G ew eh r im A rm . Ich m eine es gu t m it E uch und es hat m ich schier erschreckt, als ich jü n g st vernahm , Eure M in ister beabsichtigten, Frankreich zu entwaffnen. D a Ihr geborene K lassik er seid, so kennt Ih r den O lym p . U n ter den nackten G öttern und G öttin n en , die sich dort bei N ek tar und A m b rosia erlustigen, seht Ihr eine G ö ttin , die, obgleich um geben von solcher Freu d e und K u rzw eil, den*

noch im m er einen Panzer trägt und den H elm a u f dem K o p f und den Speer in der H an d behält. E s ist die G ö ttin der W e ish e it.“ D a s steht in H eines B u ch „ U e b e r Deutsch*

lan d “ . D e r D o k to r W irth , v o r dem der Spötter die Fran*

zosen w arnte, w ar ein bayerischer R echtsanw alt und P ublizist, den die Sehnsucht nach einem in Freiheit geeinten Deutsch*

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land in R ebellenzorn hitzte, ins G efän g n iß , dann unter Polizeiaufsicht brachte, der den Peinigern nach Frankreich entlief, z w ö lf Ja h re danach in die erste D eutsche N ational*

Versam m lung abgeordnet w urd e und im J u li 48 in Frank*

furt starb. W äre die D eutsche R ep u b lik , w ie K in d sk ö p fe jetzt ausschreien, internationalen V ertrauens nur w ü rd ig, w enn der neue D o k to r W irth , auch ein w ackerer D em okrat, fest a u f dem K an zlerstuhl sitzt, dann dürfte H eines W arn u n g unverjährt fortw irken. D a ß über uns stärkere M ächte walten, ist T rost. W ü rd e dem rastlos beredten K anzler das Stimm*

band unheilbar gelähm t: D eu tschland m üßte selbst dieses Leid (das der H im m el verhüte) überleben. K önnte. N ich t im D u n k el oberschlesischer Schachte w ächst, nicht am Papp*

stiel des W iesbadener V ertrages hängt sein Schicksal. Schauet in die W elt. D ie W a h l des Blickpu nktes lichtet ihr Antlitz.

E w i g e W ie d e r k u n f t

In der schottischen Stadt Inverneß, w o einst M acbeth den K ö n ig D u n can getötet haben soll, hat der v o r Schatten nicht furchtsam e H err L lo y d G eo rg e an die A ehn lich keit des Z ustan d es von heute m it dem der n achbonapartischenZeit er*

innert. A u c h er dachte, w ie A lle , die sich seit drei Ja h ren in diesen V ergleich schanzten, zunächst nur an V erarm ung, V erschu ldu n g, W irrw a rr der Europäerw irthschaft. T ie f aber streckt die A eh n lich keit sich in Bezirke der P olitik und des G eistes. H ö ret! „ D a s W eltreich w ar gefallen ; über seinen Trüm m ern erhob sich w ieder eine friedliche Staatengeseil*

schaft. A b e r jenes alte System der europäischen P olitik, das durch Bü n dn isse und G egen bü n d n isse die fü n f G roßm ächte im G leich gew ich t zu erhalten suchte, kehrte vorerst nicht w ieder. M onarchen und leitende Staatsm änner hatten sich an einen vertrauten persönlichen V erkeh r gew ö h n t und beschlos*

sen, auch in Z u k u n ft alle großen Fragen in persönlichen Zu*

sam m enkünften zu besprechen. D e r B u n d der vier M ächte betrachtete sich als den O bersten G erich tsh o f E u ro p as; er hielt fü r seine nächste Pflicht, die neue O rd n u n g der Staaten*

gesellschaft v o r einem Friedensbruch zu bew ahren und dar*

um das unberechenbare Frankreich, den H erd der Revo*

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lutionenund der Kriege, gemeinsam zu überwachen. Während das europäische Besatzungheer unter Wellingtons Ober*

befehl die Ruhe in Frankreich aufrecht zu erhalten hatte, sollten die vier Gesandten zu Paris in regelmäßigen Kon*

ferenzen die laufenden Geschäfte der großen Alliance er*

ledigen; in einzelnen Fällen luden die Vier auch den Herzog von Richelieu (den Minister des achtzehnten Louis von Frankreich) selbst zur Berathung ein. Alle Streitfragen, die sich aus den Friedensverträgen ergaben, wurden dieser Ge*

sandtenkonferenz zugewiesen. Das Protektorat der vier Mächte beherrschte den Welttheil minder gewaltsam, aber eben so unbeschränkt wie einst der W ille Napoleons. Die Staaten zweiten Ranges (,les Sous*Allies‘ nannte man sie spöttisch in den diplomatischen Kreisen des Vierbundes) sahen sich von allen Geschäften der großen Politik völlig ausgeschlossen; als der hochmüthige spanische Hof, der die Zeiten Philipps des Zweiten nicht vergessen konnte, Zutritt zu der pariser Gesandtenkonferenz verlangte, ward er scharf zurückgewiesen, am Schärfsten von Preußen. Die Franzosen ahnten dunkel, daß ihre Regirung durch das Ausland beauf*

sichtigt werde, und verfolgten mit überströmendem Haß den ,Lord Prokonsul* Wellington. DieHerrschaft des alten König*

thums konnte schon darum nicht wieder feste Wurzeln schlagen, weil sie dem Volk als eine Fremdherrschaft erschien. Nur zu bald bewährte sich die Warnung, die Humboldt dem pariser Friedenskongreß zugerufen hatte: Die Revolution werde niemals enden, wenn Europa die Franzosen unter seine Vormundschaft nehme. Der wilde Kampf der fran*

zösischen Parteien erregte in der Gesandtenkonferenz um so schwerere Besorgniß, da das reiche Land sich von seinen wirthschaftlichen Leiden wunderbar schnell erholte und bald wieder zu einem neuen Krieg fähig schien. Das ganze Land war von einem Netz geheimer Gesellschaften überspannt;

jeder Veteran der Großen Armee, der in sein heimathliches D orf zurückkehrte, predigte die napoleonische Legende.

Gefährlicher als die Opposition erschien jedoch vorerst die fanatische Verblendung der royalistischen Ultras, der Heiß«

sporne, die blutige Rache an den Königsmördern und den

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G ottesm ördern verlangten. M etternich schrieb w arn en d: ,D ie R ü ckk eh r zu einer vergangenen O rd n un g der D in g e bildet eine der größ ten G efah ren fü r einen Staat, der aus einer R ev o lu tio n hervorgeht*; nachher entfuhr ihm sogar der schm erzliche A u s ru f: ,D ie Legitim isten legitim iren die Re*

volutionl* E rst im Feb ruar 1 8 1 7 eröffneten die V ie r dem H erzo g von R ich elieu : seine oft w iederh olte Bitte um V erm in d eru n g der Besatzungslast sei nun erhört, das H eer W ellin gton s solle um ein F ü n ftel, dreißigtausend M ann, verm indert w erd en ; doch versäum ten sie nicht, hinzuzu*

fügen, daß die löblichen G rundsätze des H erzogs und seiner A m tsgen ossen viel zu diesem E ntschluß beigetragen hätten.

S o tie f w ar das stolze Frankreich gedem üthigt: sein Erster M in ister m ußte eine förm liche B e lo b u n g von dem H ohen R ath E u rop as hinnehm en. Indessen zeigte sich bald, daß die Selbständigkeit der m odernen Staaten eine so innige Ge*

m einschaft, w ie sie der V ierb u n d begründet hatte, a u f die D a u er nicht ertragen konnte. D e r englische V o rsch lag , über eine gleichzeitige A b rü stu n g aller M ächte zu berathen und jed em Staat die Stärke seines Friedensheeres vorzuschreiben, blieb liegen ; unverkennbar richtete dieser fried fertige A n trag seine Spitze gegen die russischen R üstungen. W äh ren d der ersten Ja h re nach dem Friedensschluß quälte alle H ö fe des V ierb u n d es beständig die Sorge, Preußen könne durch sein fanatisirtes H eer zu revolutionären A ben teu ern fortgerissen w erden. W ellin gto n sagte, dieser Staat sei schlim m er dran als Fran kreich; hier bestehe gar keine A u to rität mehr. D ie M assen des deutschen V o lk es, denen die Ideale der teuto*

nischen Ju g e n d im m er frem d blieben, verhielten sich gleich*

giltig. In den gebildeten K reisen aber, die sich als die T räger der O effentlichen M ein u n g fühlten, herrschte eine Unsicher*

heit des sittlichen U rth eils, die zu den traurigsten Ver*

irrungen unserer neuen G eschichte zählt. N ich t nur die akadem ische Ju g e n d begrüßte die E rm o rd u n g K otzebues als ein ,Z eich en D essen, w as kom m en w ird und kom m en muß*. Selbst reife M änner verglichen den M ö rd e r mit T e il, B rutus, m it Scaevola. D e r stralsunder K on rektor hielt in d er Schule einen V ortrag über die groß en Tyrannenm örder

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Die Zukunft

der H ellenen. In N asses M ed izinischer Z eitsch rift sagte der Irrenarzt G roh m an n : ,Sands T h at hatte nur die äußere, scheinbare Form des M eu chelm ordes; es w ar offen ausge*

machte Fehde, es w ar die T h at eines bis zum höchsten G ra d e der M oralität, der religiösen W eih e erhöhten und verlebendigten B ew u ß tsein s.4 E in e solche V erw irru n g aller sittlicher B egriffe in einem ernsten V o lk w ü rd e unbegreif*

lieh sein, w enn sie sich nicht aus der politischen V er*

Stimmung erklärte. D e r allgem eine M iß m uth über Deutsch«*

lands O hnm acht hatte sich, endlich, in einem gräßlichen A u f*

schrei L u ft gem acht; den Patrioten w ar, als ob der M ö rd er nur ausgedrückt habe, w as in unzähligen H erzen lebte. J e länger die U ntersu chu ng gegen K arl Sand w ährte, um so lauter äußerte sich die T h eilnahm e fü r den from m en D u ld er, der, unbeugsam in seinem W a h n , alle Q uälen mit stoischer R u h e ertrug. Selbst der Scharfrichter verehrte ihn als einen H eld en der nationalen Idee, bat ihn im V o ra u s um Ver*

zeihung, em pfing seine letzten A u fträ g e und schenkte dann den Stuhl, der zur H in richtu ng gedient, einem heidelberger G esin n un gsgen ossen ins H aus, w o das H eiligth u m als ein theures Verm ächtniß von K ind ern und K in d eskin d ern bew ahrt w urde. Z u r H in richtung w aren die Burschen aus H eidel*

berg in Schaaren nach M annheim gekom m en und ließen abends in ihrer M usenstadt m anch kräftiges Pereat a u f K ö n ig Friedrich W ilh elm erschallen. D ie mit dem B lu te des heiligen Sand bespritzten Späne w urden eifrig gekau ft und die Stätte seines T o d e s hieß im V o lk ,Sands Himmel*

fahrtw iese‘. A u c h der alte Rassenhaß w id er die Ju d e n und der G ro ll über die W uchersü n d en der jün gsten Ja h re brachen furchtbar aus. D a und dort haben sich w o h l einige teutonische Burschen an dem U n fu g betheiligt und der S p o ttru f ,H e p h ep ‘, der dam als zuerst erklang, scheint in gelehrten K reisen entstanden zu sein (er sollte bedeuten : H ierosolym a est perdita). G leic h w o h l ist ein Zusam m enhang zw ischen den christlich*germ anischen Träum en der Burschen*

■Schaft und jenen w üsten A u sb rü ch en einer lange verhaltenen V olksleid en sch aft w ed er nachw eisbar noch w ahrscheinlich.

E s giebt finstere Zeiten , in denen selbst edle V ö lk e r w ie von

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N ach fernen Meeren 72 einer epidem ischen G eisteskran kh eit ergriffen scheinen. W e r die ansteckende K raft des politischen Verbrechens kennt, w ird nicht bestreiten, daß die K ronen, nach A llem , w as geschehen, so berechtigt w ie verpflichtet w aren, durch eine strenge U ntersu chu ng die letzten G rü n d e der G ew altthaten zu erforschen und gegen einige Schriftsteller, w elche den M eu chelm ord offen vertheidigten, sch arf einzuschreiten. Uner#

bittlich, schrieb M etternich, m üsse je d e deutsche R egiru n g gegen die P rofessoren vorgehen, die ihre revolutionären G ru ndsätze der Ju g e n d ,in jed er A r t und Form täglich bis zur T ru n ken keit einprägen4. U n d die badische R egiru n g (a u f deren G eb iet die vom lautesten W id erh a ll um toste M ord#

that geschehen w ar) erklärte dem Petersburger K ab in et: ,W ir w o llen den D espotism us unterdrücken, den die H erren Pro#

fessoren unter der A e g id e einer unerfahrenen und allzu leicht erregbaren Ju g e n d über die politischen M ein un gen Deutsch#

lands auszuüben su ch en /“ Im M a i 18 19 . A u s dem zweiten B an d von T reitschkes „D eu tsch er G esch ichte“ habe ich diese Bruchstückchen gelöst. Staunend sähe sie H err L lo y d G e o rg e , der diesen H istoriker w oh l im m er nur einen tobsüchtigen Eisenfresser nennen hörte. Spuren der Ä h n lich k eit, die er sucht, fände er aber auch in ihm näherem Literaturland. „ D ie V erbü n deten behandelten Frankreich, als w ärs am W erk N ap o * leons m itschuldig. O esterreich, mit noch heftigerem E ifer Preuß en w ollte es zerstücken; erst durch den Einspruch des Z ars und E ngland s w urde der Ehrgeiz der Z w e i in feste Schranken gezw ungen. A b e r Frankreich verlo r P h ilip p eville, M arien b u rg, Sarrelouis, B o u illo n , Landau, Savoyen . D ie E ntschäd igun g vo n den K riegskosten sollte siebenhundert M illio n e n betragen; durch Ein zelford erun gen w urde sie aber noch um die H älfte erhöht. Frankreich m ußte m ehr als eine M illiard e (nach dem G eld w erth von 1 8 1 5 U n geh eures) zahlen und außerdem in seinen O stdepartem ents, w o fast ein eM illio n Soldaten fü n f M on ate lang gehaust hatte, ein Besatzungheer vo n hundertfünfzigtausend M an n fü n f Ja h re herbergen und nähren. N a c h dem W o rtla u t des zw eiten Pariser Friedens konnte die Besatzun gfrist um zw ei Ja h re gekürzt w erden, w enn Frankreichs polititche L ag e den V erb ü n d eten keinen

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G ru n d zu fortw ährender U n ru h e gab. Im H erb st 18 18 fühlte die K ö n iglich e R egiru n g sich stark genug, um die R äum un g des französischen B o d en s zu fordern. D ie in A ach en ver*

sammelten M onarchen und M in ister erfüllten den W u n sch , be*

schlossen den R ückm arsch ihrer T ru p p e n ; und seitdem w urde der H erzo g von R ichelieu, Frankreichs Bevollm ächtigter, dem bis dahin die Z u lassu n g in einen K on greß der V erbündeten nicht gew ährt w ord en w ar, zu allen Sitzungen eingeladen.

E rst die Sonderverträge, die Frankreich im O ktob er 18 18 m it jed er einzelnen der verbündeten M äch te schloß, sicherten ihm die W iederau fnahm e in das Europ äisch e K on zert.“ D as steht in der G ran d e E ncyclop ed ie, die Berthelot, D eren b ou rg und D rey fu s herausgaben. Ists nicht heute noch lehrreich ? E in paar W o rte nur brauchst D u zu ändern: und C h ro n ik klingt w ie E rleb niß . A lle s, spricht N ietzsche, „ist w iedergekom m en:

der Sirius und die Spinne und D ein G ed an k e in dieser Stunde und dieser D ein G ed an ke, daß A lle s w iederkom m t.“

T o t e n o r a k e l

A u s des selben H irn es G lu th blitzt der Z o rn ru f: „ D ie D eutschen haben, als eine force m ajeure von G en ie und W ille sichtbar w urde, stark genug, aus E u ro p a eine Einheit, eine politische und w irthschaftliche Einheit, zum Z w e c k der E rd regiru n g zu schaffen, m it ihren , Freiheitkriegen4 E u rop a um den Sinn, um das W u n d e r von Sinn in der E xistenz N ap o leo n s gebracht; sie haben dam it A lle s, w as heute da ist, a u f dem G ew issen , diese ku lturw idrigste K rankheit und Un*

Vernunft, die es giebt, den N ation alism u s, diese V erew igu n g der K leinstaaterei E u rop as, der kleinen P o litik : sie haben E u ro p a selbst um seinen Sinn, um seine V ernunft, sie haben es in eine Sackgasse gebracht.“ Einem , der Flam m e sein w ollte, hob die flackernde Brun st des Erken ntn iß w illens das Z ie l Eu rop as aus finsterer Fern e; die L än ge des h in füh ren d en W eges ermaß er nicht. V o n D eutsch en forderte er, w as T ü ch tige niem als gew ähren könn en : Selbsto pferu n g im D ien st eines leis erst keim enden G edan ken s, noch nicht der K rip p e ent*

w achsener, nur von w eiser E in falt geahnter G ottheit. G rau t ihnen nicht jetzt noch v o r der M ah nu n g, den G efü h lsd ran g

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ins Internationale zu w eiten ? D ie nächsten M ale m ehr davon.

D e r schwache, kaum hörbare W id erh a ll, der Bism arcks drittem Ban d, einem K eulenschlag, nachächzt, lehrt d esG rau en sG rü n d e erwittern. A llz u m enschlich riechts hier; v o r b e i. . . A n die G em üthsstim m ung, die des B lickp u nktes W a h l entschied und dam it zugleich des Buches U rform gestaltete, und an die G rim assen der H ö fe sei hier, ohne Feierlichkeit, erinnert.

18 92. In Preußen hatte der Schulgesetzen tw u rf der G ra fen C a p riv i und Z ed litz die G eister erregt. In Oester*

reich w ütheten die Ju ngczechen w id er die P unktationen; und ihre schon schw ächeren K onkurrenten, R iegers zusammen*

schrum pfende G efo lg sch aft und der konservative G roß * grundbesitz, fanden eine taktische Schw en ku ng nöthig und forderten die V ertagu n g der A u sgleich saktio n „ a u f ruhigere Z e it“ . D u rch die Presse beider R eiche schw irrte der Lärm und w eckte ein E cho in der Seele des einsamen Zeitung*

lesers, der, entamtet, seit zw ei Ja h re n ein m achtloser M an n , im Sachsenw ald saß. W ie w ehrfäh ige T a g v ö g e l, denen in später D äm m erung eine E u le naht, flatterten in diesem heißen G reisen h aup t allerlei streitbare G ed an ken a u f und E rin n eru ng rie f helle und dunkle Stunden der Stam m esgeschichte, deut*

sches W erd en und deutsches Irren in sG ed äch tn iß zurück. E in N am e, den der Z u fa ll vors A u g e führte, w eckt assoziative K räfte zu rascher A rb eit. „Sch w arzen berg . . . A u f schwarzen*

bergischem B o d en sah ich 18 6 3 in G astein , w ie ju n gen M eisen die N ah ru n g ins N est getragen w urde. R au pen und anderes U n geziefer. U n glau b lich , w ie oft der V o g e l in einer M inute den W e g hinab und h in au f m achen konnte;

und ,niem als kehrt’ er heim, er bracht’ E u ch E tw as4. D aran erinnert m ich der E ifer m ancher R egirungen, die schließlich ja aber zu den Parteien nicht im V erhältn iß vo n Eltern zu K in d ern stehen. H ie r ein Bissen, da ein Bissen. In dem Bestreben, jed en M u n d zu stopfen und drohenden G efech ten a u f dem heißen S an d w eg der V ersöhn ungen auszuweichen, w ird die W arn u n g des trop de zele leicht vergessen. A n Un*

geziefer läßts nun die N atu r im Som m er nie fehlen ; der V orrath an K onzessionen aber ist überall bald erschöpft, und w enn dann der W in te r des M iß vergn ü gen s anbricht,

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ist die verw öh nte H a u t doppelt em pfindlich. A ls in D o*

beran noch gespielt w urde, setzte eines T a ges der G roßher*

zog immer a u f die selben R oulettenum ern w ie sein N ach*

bar, der als T ö pferm eister w ohlhaben d gew orden w ar, also vielleicht auch am Spieltisch G lü c k haben w ürde. D o ch dam it w ars diesm al nichts; und als B eid e d ie m itgebrachte Barschaft an die B an k verloren hatten, fragte der G roß * herzog: ,N a , Pötter (T ö p fe r), w at m akt w i n u ? ‘ D e r w ar um die A n tw o rt nicht verlegen : .H o h eit schriew en Stüern ut un ik m ak P ö tt!‘ G an z so bequem gehts in der P olitik heutzutage doch nicht m ehr; un d darum em pfiehlt sich, nicht A lle s, w as m an in der T asche hat, zu verspielen. D er M u n d , den m an gestop ft zu haben glaubt, ist schnell w ied er o ffen ; und am E n d e sucht m an vergebens dann nach neuem Futter. D a s caprivische Schulgesetz w ürde das C entrum nicht a u f lange satt m achen; und es ist m ir sehr zw eifelhaft, ob die österreichische Staatskrankheit mit Kon*

Zessionen zu heilen ist. D e r A p p e tit kom m t beim Essen “ D ie „G e rm a n ia “ , das berliner O rgan der K atholikenpartei, hatte das Schulgesetz m it der B eh au p tu n g em pfohlen, die deutschen Siege von 18 7 0 und 1 8 7 1 seien zum nicht geringsten T h e il auch dem konfession ellen U nterrich t und der geist*

liehen Schu lin spektion zu danken. D a s gin g dem Fürsten Bism arck über den Spaß. N ein , sagte er: „w e r deutsche W affengän ge m it konfession ellen W irre n in V erb in d u n g bringen w ill, m uß schon bis in den D reiß ig jäh rigen K rieg zu rückden ken ; und schlim m ere T a g e hat unser V aterland nie gesehen.“ G e ra d e diese dunkelste E poche heim ischer Geschichte beschäftigte den Fürsten dam als oft. A ls Pro*

fessor Schw eninger einm al sehr lange nach M itternacht ins Schlafzim m er schlich, um nach seinem Patienten zu sehen, fand er ihn w ach. „ Ic h konnte nicht einschlafen und trieb d as alter Leute eigentlich un w ü rd ige G esch äft, Luftschlösser zu bauen. Sehen Sie: ohne die Schlacht am W eiß en B erge w äre A lle s anders gekom m en .“ U n d nun folgte eine Dar*

Stellung, w ie die D in g e sich entw ickelt hätten, w enn Friedrich der Fünfte, das O berh aup t der Protestantischen U n ion , w eniger schw ächlich und vergn ü gu n gsüch tig gew esen und

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in Böhm en nicht nur ein W in terk ö n ig geblieben w äre. W as hätte ein H a b sb u rg e r w o h l zu dieser N ach tvisio n eines ent*

lassen en M inisters g e sa g t? U n g efäh r das Selbe wahrscheinlich, w as die ju n g e n Spree*Literaten sagten, als H eine ihnen er**

zählte, er habe beim Schreiben über seinem H au p t ein Rauschen, w ie vom F lü gelsch lag eines F ab elvo gels, gehört:

D ergleichen sei ihnen nie geschehen, meinten sie; und schüttelten m itleid ig die D ich terk öp fe. Bism arck hatte immer den M u th , seine G ed an k en bis ans E n d e zu denken. E r lächelte, freilich , selbst, als er m ir später einm al vo n dem Lu ftsch loß sprach, das er a u f den Sand des W eiß en Berges gebaut hatte. „N o ttu rn o , D ivertim en to ; T rio n a l ist w eniger schädlich.“ D a n n aber gin g es doch w eiter, durchs D ickich t der G esch ichte und durch eigenes E rleb en bis zu der Stunde, w o er in F ran kfu rt die D epesch e des Fürsten Schw arzenberg (vo m siebenten D ezem ber 18 5 0 ) las und der E in b lick in das Program m „ A v ilir , puis dem olir“ ihn erkennen ließ, „d er gordische K noten deutscher Z u stän d e sei nicht in Liebe dualistisch zu lösen, sondern nur m ilitärisch zu zerhauen.“

In zw ei kurzen N ach tstun den d u rchflog sein G en iu s den am E in g an g nur spärlich erhellten Riesenraum dreier Jahr*

hunderte. E in w itziges W o rt des klugen Li*H u n g*T sch an g fällt m ir ein. D e r klagte in Friedrichsruh über S ch laflo sigkeit und fragte, w ie es dam it denn beim Fürsten stehe. „Sch lech t,“

hieß es; „w e n n ich m ich hinlege, setzt sich politische Sorge ans B ett und hält m ich v o r dem B ild naher G e fa h r w ach .“

D e r schlaue C h inese, der in B erlin eben den dritten K anzler gesehen hatte, schw ieg eine M in ute und sagte dann schmun*

zelnd: „F ü rst H o h en loh e schläft gew iß besser.“

A ch tzeh n ter Ju n i 1892. Z u m ersten M ale seit der Ent*

lassun g ist B ism arck w ied er in B erlin . E r betritt den B o d en der H au p tstad t nicht. E in paar hundert M enschen, die sich den Z u g a n g erharrt, erlistet, erkäm pft haben, sehen ihn a u f dem A n h alter B a h n h o f am offenen Fenster seines Salon*

w agens. K ein e Ehrenw ache, w ie am neunundzw anzigsten M ärz 1890, beim A b sc h ie d ; kein kriegerischer K lan g von T rom m eln und P fe ife n ; w ed er Präsentirm arsch noch Front*

rapport. W ie der A u sz u g einer vom frem den E ro berer ge*

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stürzten D yn astie war es dam als gew esen; viel L ieb e w einte, viel H aß knirschte den drei Landkutschen nach, die aus der W ilhelm straß e in die preußische via trium phalis bogen.

Jetzt schw ieg der H aß für ein W eilch en und nur die L ieb e drängte an das enge Fenster, das einer Sehnsucht aufgethan w ar. D a stand er. N ich t der schw efelgelbe K ürassier.

Schw arzer T u ch ro ck, w eiß e unm odische H a lsb in d e , Reise#

m ütze: so hatten die Berlin er ihn selten gesehen. E in Jau ch zen , als kehrte Je d e m der V ater heim. Z u m G ru ß entblößt er den m ächtigen Schädel. „ E r sieht jü n ger a u s!“ „ D a s A u g e !“

„ D ie zarte H a u t!“ H u n d ert H än d e erbetteln zugleich den D ru ck dieser einen H an d . H u n d ert B lum ensträuß e w inken und w erben um Ein laß . Schon sind die schm alen, soignirten Fin ger von derb zupackender Z ärtlich keit geröthet: und noch ist die Schaar der G etreu en nicht zufrieden. „ E r w ird red e n !“ „ E r m uß red en !“ „Silen tiu m fü r B ism a rck !“ E r lehnt sich a u f den rechten A rm und legt den linken Zeige#

finger a u f die lächelnden Lip pen. „S ch w eigen ist jetzt m eine B ü rgerp flich t.“ „D a n n w erden die Steine reden “ , ru ft E in er;

und ein A n d e re r: „ N o c h ist D an k b arkeit a u f dieser E rd e nicht ausgestorben; w enn A lle untreu w erden, so bleiben w ir doch treu !“ W ie d er schüttelt der M assensturm die arme, w ehrlos h ö flich e H an d . O ffiziere, Bahnschaffner, Schutz#

leute: alle B an d e der D iszip lin reiß en; w ie sonst um Beute nur und um Frauenliebe, so rauft m an hier um das Sekunden#

glück, die Tatze des L ö w en zu d rü cken ; und ahnt nicht, w ie leicht je d e Schm erzem pfindung sie lähmt, seit K ullm anns K u g e l den rechten D aum en gestreift hat. E in Stöhnen der L ok om otive m ahnt zur A b fa h rt. V o n hinten her heults:

„ H ie r b leib e n !“ G an z vorn kreischts im D isk a n t: „W ied er#

kom m en!“ E in Lächeln, das viel sagt und w en ig verspricht, eine leis in die H ö h e w eisende A rm b ew egu n g , ein A u fzu ck en der A ch seln . „B itte , zurückzutreten 1 Z u r ü c k !“ M anchen Z ö g ern d en zerrt die Faust eines Beam ten aus gefah rvo ller N ä h e ... D e r Z u g rollt aus d erH alle. N a c h R ö d e ra u , w ohin die O ffiziere aus R iesa a u f ihren Ja g d w agen geeilt w aren und w o die B egrü ß u n g schon „am tlich er“ w u rd e als im Preußischen.

N ach D resd en , w o M agistrat und Stadtverordnete a u f dem

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B a h n h o f vertreten sind und vierzehntausend Fackeln zu der Estrade des H o tel B ellevu e hinaufgrüßen. Pirna, Schandau, Tetschen, Iglau , Z n aim , W ien . E in e andere Strecke als im Septem ber 1879, a u f der Fahrt zum A b sch lu ß des deutsch*

österreichischen Bündnisses. N o c h lauter als damals aber der Ju b e l. A u ch hinter, nam entlich hinter den schw arzgelben G ren zpfäh len . D e r R eichskanzler hatte die Friedensbürgschaft der stärksten europäischen M ilitärm acht mit a u f den W e g ge*

nommen. Jetzt brachte Bism arck nichts, kam m it leeren H änden, nicht als K anzler des N achbarreiches, nur als in Un*

gnade gefallener Privatm ann, um den ältesten Sohn v o r den T raualtar zu geleiten. U n d er schreitet durch dichte Ehren*

spaliere und bis in die stillsten Stuben des Palais P alffy dröhnt der D a n k ru f leidenschaftlicher L ieb e ihm nach.

K am er w irklich nur als zärtlicher V ater und Schwieger*

papa nach W ie n ? In B erlin und noch w eiter w estlich gab es Furchtsam e, die längst daran zw eifelten. In Fürstenschlös*

sern und M in isteria l*B u rea u x; ehrenwerthe Leute, die ihn bis in die N ieren zu kennen behaupteten, w ackere, die nach seinem jäh en F all durch Schlam m und G e rö ll a u f H ü gelchen geklettert w aren. F igaro kannte sie, als er rief: „M ed io cre et ram pant, et l ’on arrive ä to u t!“ D ie spintisirten und kal*

kulirten. N o ch w ar das fürstlich dum m dreiste W o rt nicht gesprochen: „ D e r M an n gehört nach S p a n d au !“ M anche reizbare Schw äche aber fühlte noch die Spu r rauher Be*

rührung. Einem G ro ß h erzo g hatte der erste K anzler, mit h ö flich er, doch nervöser Stim m e, vorgehalten, er habe ihn zw anzig M in uten über die vereinbarte Besuchszeit hinaus warten lassen. E in Bun desfürst, der dem eben Entlassenen das Bedauern eines durch die Ereignisse v ö llig U eber*

raschten aussprach, m ußte den Satz hinnehm en: „Ic h glaubte bisher, gerade E u er H oheit hätten zu dem Personenw echsel wesentlich m itg ew irkt!“ A lte W u n d en brannten noch. U n d die G eschichtenträger w aren seit den finsteren M ärztagen des Ja h res 1890 nicht m üß ig gew esen. E r hat den K aiser brüskirt, sich das M agisterrecht angem aßt, m it der Fau st a u f den Schreibtisch geschlagen, das T in ten faß gegen die W a n d g e sc h le u d e rt. . . D u lieber H im m el: ein M o rp h in ist! D em ist

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A lle s zuzutrauen. U n d beinah alles ihn Schw ärzende w urde geglaub t. Selbst den freundlichen Beurtheilern fehlte der Schlüssel zu dieser Persönlichkeit, die E in sicht in das W esen des G en ies, das im m er n aiv ist und niem als aus kom pli*

zirender B erechnung heraus seine Pläne spinnt. E in e unge*

heure Intelligenz, ein M an n , der A lle s w eiß, A lle s schlau w ägt und v o r der W a h l der M ittel nie sittsam zaudert:

so sieht der einseitig nach der V erstandesschärfe G eb ild ete den genialen M enschen, der K am m erdiener den H elden . D e r strapazirt sich nicht w egen einer H ochzeit, hieß es.

D e r hat, w enn er sich in B e w e g u n g setzt, ganz andere Z iele, höhere, die E u er blöd es A u g e noch gar nicht sieht.

W artets nur ab l V ielleich t ists nur ein letzter V ersuch, das V o lk au fzuw iegeln . O d er noch m eh r? In die am tlichen Sphären sickerte die N ach richt, der greise Fürst habe von dem K aiser Franz Jo s e p h eine A u d ien z erbeten. D a seht Ihrs!

E rst m acht er gegen den H an d elsvertrag m obil und emp*

fiehlt eine an V asallen d em u th grenzende Ehrfurcht v o r der M o sk o w ite rk n u te ; und nun w ill er in der w iener H o fb u r g die alte D ip lo m aten ku n st leuchten lassen. W ah rsch ein lich w ird er sich auch in D resd en un d M ün ch en den M onarchen aufdrängen. D ie hohen H erren sollen sich für ihn ver<=

w enden, ihm am E n d e ins A m t zurückhelfen. D ie a b e r w itzigsten G erü ch te w urden herum getragen und vo n gläu*

b iger E in falt fü r W ah rh eit genom m en. „ W e n n alle Stricke reißen, schlägt er seinen H erbert in W ie n fü r die N ach*

fo lge K aln o k y s v o r; und ein zweiter B eu st w äre eine noch viel ärgere G e fa h r als v o r 1866 der Sachse.“ Schnell einen R iegel vorschieben ; einen doppelten, w enns geht. M it dem G eräu sch der R eise w uchs auch die A n g st der interessirten Lauscher. A ls den Q uestenberg, der m it seiner Akten*

Weisheit im Lager des Friedländers herrschen m öchte, hatte m an ihn in den n ikolsbu rger T agen verhöhnt. Je tz t wis*

perte m an von einem neuen W allen stein. „ D e r geht aufs G an ze. W ie in Schillers drittem A k t : Laß t sehn, ob sie das A n tlitz nicht m ehr kennen . . W as folgte, schien schlim m e V erw irk lich u n g düstersten A h nens. D ie dem H erau sgeb er der N eu en Freien Presse gew ährte , In terview , der A u fen th alt in M ün ch en , K issingen, Je n a (m it der götzi*

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sehen E in lad u n g), die R eden des Fürsten, die unverkennbar vo n ihm inspirirten A rtik e l: A lle s schien zu bestätigen, daß hier a u f die deutsche R eich sp olitik ein Stu rm an griff gew agt w erden sollte, den ein klu ger Stratege lange besonnen hatte.

W elc h Sch ausp iel! A b e r, ach! ein Schauspiel nur!

Z w eim al sah ich Bism arck in Stunden, w o die Presse des ganzen E rd run d es ihm geheim n iß voll furchtbares Planen zuschrieb; zw eim al erkannte ich, w ie unzugänglich die G e*

füh lsw elt eines G o eth e dem sp ekulativen V erstän d e der B örn es bleiben m uß. Im Ja n u a r 1894 hatte W ilh elm dem genesenden Fürsten den Steinberger W ein geschickt und den G eneral*O berst dringend ins Schloß geladen. T ausen d H o ffn u n gen , abertausend A en gste regten sich un ruhvoll.

Jetzt, raunte die A n g st, hat ers endlich erreicht und der arm e C a p riv i kann seine K o ffe r packen. Jetzt, jauchzte die H o ffn u n g , kehrt uns die alte Sonne w ieder. W e h uns!

H e il uns! D en N ächsten sogar stiegen Z w e ife l auf, w as nun w erden solle, w erden könne. M it neunundsiebenzig Ja h re n ins Staatsjoch zu rü ck ? N o c h einm al das alte Leid, infandum , im perator, d o lo rem ? N u r E in er blieb nüchtern.

A ls die Frage besprochen w urd e, ob er der E in lad u n g folgen, sich unverm eidlichen E rregu n gen und w ahrscheinlichen Ent*

täuschungen aussetzen solle, schnitt er mit kurzer G eb erd e den Faden der E rö rterun g ab, w ies a u f die W einflasche, d ie noch unentkorkt a u f dem T isch e stand, und sagte: „ L e bouchon est tire, il faü t b o ire !“ D er K o rk ist aus der F lasch e; jetzt heißts trinken. M an n en pflicht gebot, zu gehen ; M en schen ku n de verbo t, als G ep äc k Illu sion en mitzunehm en.

„Ic h w ill nichts, bin vollkom m en saturirt un d m öchte wetten, daß der H e rr unter A u ssch lu ß aller P o litik m it m ir kon*

versiren w ird .“ So kam es denn auch. Furcht und H o ffn u n g w urden enttäuscht. In ungew andelter G em üthsstim m ung kehrte der Fürst in der N ach t nach dem A b fah rtm orgen heim. U n d : „O tto ch en “ , sagte die treue F rau Jo h an n a, „ist nun doch einm al noch durchs B ran den bu rger T h o r gefahren.“

D a ß es 18 92 anders kam , w ar nicht die F o lg e eines vorausbedachten Planes. A n einem Frühsom m ertag w ar ich nach Friedrich sruh geladen und zu vor m ehrm als von W ie n aus gebeten w orden , der A n k u n ft des R iesen zu präludiren;

6*

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über Bism arcks Stim m ung, A b sich t, Sentim ents fü r Oester*

reich „E tw a s zu schreiben“ . D a ich nie gen u g (oder im m er zu v ie l? ) E hrgeiz besaß, um nach der R o lle eines Bism arck*

C h oragen zu streben, hatte ich die A n träge dankend ab*

gelehnt. A u c h hätte ich nichts zu schreiben gew u ß t. W ie der groß e Preuß e zu O esterreich stand, w uß te die W e lt;

und ein gü tig in die Intim ität A u fgen om m en er hatte nicht Schleier zu lüften, die der H aush err noch n öthig fand.

Im L a u f eines W ald gesp räch es erzählte ich dem Fürsten von den unerfüllten W ün schen der ihm freundlich ge*

stimmten w iener Z eitun gen . Lebhaft, m it der feinen, alle U nterschiede des Lebensalters und der Leben sleistun g be*

hutsam w egw ischenden H ö flic h k e it, die ihn nie verließ , gin g er d a rau f ein: „Ic h glau be, m ir bei Ihnen den w ohlanstän*

digen R u f eines Privatm annes erw orben zu haben, der sich jed er Ingerenz a u f das H an deln seiner Freu nd e enthält. Cha*

cun ä son goüt. A u c h in diesem F all hätte ich Ihre Ent*

schlüsse nicht prägravirt. Jetzt aber kann ich offen sagen, daß die Entscheidung, die Sie w ählten, m ir sehr angenehm ist.

Sehr. Ich m öchte m ich in O esterreich ganz geräuschlos halten und A lle s m eiden, w as zu politischen, sogar zu nationalen D em onstrationen irgendw iej A n la ß geben könnte. D esh alb fahre ich auch nicht über Prag. D a ist im mer ein Bischen G ew ittern eigu n g und das Stam m esgefühl könnte sich lauter äußern, als rebus sic stantibus w ünschensw erth ist. Schließ*

lieh w erden die streitenden T h eile sich doch von V o lk zu V o lk verständigen müssen (ich erwarte E in iges d afü r vo n D em , w as m an heutzutage Soziale F rage nennt; W irth * schaft, H o ratio l A u c h vo n gem einsam fühlbarem ungarischen D ru ck. W e n ig von gouvernem entalen E in g riffen ; die H a u t ist zu w u n d und die n ervöse U eberreiztheit zu w eit ge*

diehen). E in Frem der hat in innere österreichische Fragen erst recht nicht dreinzureden; w ed er in die böhm ische noch in die ungarische, die, w enn ich richtig sehe, m ehr und mehr zur cisleithanischen E xisten zfrage w erden w ird. Ich reise nicht in G esch äften und bin schon F rau und K ind ern schuldig, m ich w ie ein ordentlicher H au svater aufzuführen.

A u ß erd em w erde ich den K aiser Franz Jo se p h sehen, der m ir unter den bekannten erschw erenden U m ständen immer ein

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feiner Mann.“ Während Emilia die Spangen des Mieders löst, stiehlt das Wort, schmerzlichen Vergleiches Stöhnen, sich über die Lippe; nicht mehr der Nachsatz: „Wärs auch

Sie, Herr Hanseat, glauben nicht, daß aus der buntsteinigen Höhlung ein Quickborn sprudeln könne; und schließen auf schlechtes Wetter für Preußen, dem Sie

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