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Was kontrastieren wir in der kontrastiven Diskurslinguistik?

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Academic year: 2022

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Waldemar Czachur (Warszawa)

Was kontrastieren wir in der kontrastiven Diskurslinguistik?

1. Vorbemerkungen

Der Titel des Beitrags knüpft an einen Aufsatztitel von Hugo Steger vom Jahre 1991 „Was kontrastieren wir eigentlich in der kontrastiven Pragmatik“, in dem der Autor feststellt, dass mit der pragmatischen Wende „die Bedeutung einer kontrastiven Pragmatik als wichtiges und lohnendes Feld für die Grundlagen- forschung, für die Universalienforschung, für die Soziolinguistik sowie für die angewandte Sprachwissenschaft, insbesondere den Fremdsprachenunterricht erkannt worden“ ist (Steger, Modellierung, 1991, S. 428). Tatsächlich hat sich die kontrastive Linguistik viel versprochen und ihre Betätigungsfelder gerne benannt, jedoch mit der pragmatischen Wende ihr methodologisches wie auch methodisches Fundament kaum entwickelt (Prokop, Tertium, 1999). Zu betonen wäre in dem Kontext, dass bei der kontrastiven Forschung ihr heuristisches Potenzial in den Hintergrund geraten ist (Morciniec, Nutzen, 1996, S. 331).

So möchte der Beitrag danach fragen, was die Ziele einer kontrastiven Diskurslinguistik sind und was in der kontrastiven Diskurslinguistik eigentlich miteinander verglichen wird. Das Ziel ist es, einen theoretisch fundierten Methodenrahmen für kontrastive Diskurslinguistik im Anschluss an Warnke/

Spitzmüller (2008) festzulegen.

2. Diskurslinguistik und ihre Aufgaben

Bevor auf das Prinzip der Kontrastivität eingegangen wird, sollen hier kurz die Ziele und Aufgaben der Diskurslinguistik skizziert werden. Der Begriff Diskurslinguistik wird heute sehr oft mit Düsseldorfer Forschungsgruppe um Dietrich Busse und mit Ingo Warnke in Verbindung gebracht1, wobei der letzte das Konzept der Diskurstheorie von Foucault linguistisch begründet hat. So wurden der Diskurslinguistik folgende methodische Grundsätze zugrunde gelegt wie das Prinzip der Umkehrung, das Prinzip der Diskontinuität, das Prinzip

1 Zu den weiteren diskursorientierten linguistischen und soziologischen Ansätzen siehe Blum/Deissler/Scharloth/Stuckenbrock (2000), Keller (2007).

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der Spezifi zität und das Prinzip der Äußerlichkeit. Nach diesen Prinzipien interessiert sich die linguistische Diskursanalyse dafür, warum eine Aussage bzw. ein Text zu einer Diskursformation gehört, wo Brüche in der Positivierung von Wissen sind, wie verstehensrelevantes Wissen in einem Diskurs konstruiert wird und wie sich dieses Wissen im Diskurs an der Oberfl äche versprachlicht.

Dem Diskurs als einer thematisch-kohärenten Struktur können vier Kom - ponente zugeordnet werden, die nach Gardt (2007) den Diskursbegriff ausmachen:

– Textbezogenheit – Wissensbezogenheit – Handlungsbezogenheit – Machtbezogenheit.

Linguistische Diskursanalyse untersucht also Texte, Wissen, sprachliche und nicht-sprachliche Handlungen und Machtverhältnisse, die durch einen thematischen Diskurs in einer Gemeinschaft generiert werden. Mithin ist die Diskurslinguistik daran interessiert, „nicht nur Regularitäten des Sprachsystems jenseits der Grenze des Einzeltextes beschreiben zu wollen, sondern auf dem Weg der Sprachanalyse etwas über zeittypische Formationen des Sprechens und Denkens über die Welt aussagen zu können“ (Warnke/Spitzmüller, Methoden 2008, S. 15). Das Ziel der Diskurslinguistik ist es, die Möglichkeitsbedingungen von sprachlichen Konstituierung von Wissen in den Diskursen aufzudecken.

3. Kontrastivität als eine linguistische Herausforderung Das Vergleichen als wissenschaftliches Verfahren hat zunächst in der Grammatik und dann in der linguistischen Forschung einen festen Platz gefunden. Vergli- chen wurden entweder die Sprach(sub)systeme oder der Sprachgebrauch (in einem konkreten Kontext oder Funktion). Der Vergleich verfolgt unterschied- liche Ziele, zum einen, um die system- oder verwendungsbedingten Unter- schiede aber auch die Gemeinsamkeiten in zwei Sprachen für den Fremdsprachenunterricht oder für die Translatorik nutzbar zu machen und zum anderen, um aus der Außenperspektive neue sprachtheoretische und anwen- dungsorientierte Erkenntnisse über die Mutter- und Fremdsprache zu gewinnen, nicht selten aus dem interkulturellen Erkenntnisinteresse. Von der kontrastiven Linguistik, die sich solche Ziele gesetzt hat, wurde viel erwartet, besonders im glottodidaktischen Zusammenhang. Dass ihre sprachpraktischen Versprechungen nicht erfüllt werden konnten, und dass man in der Forschung von einer Krise der kontrastiven Linguistik noch vor der pragmatischen Wende gesprochen hat, lag vor allem an der „Krise ihrer Voraussetzungen und ihrer Motive […], die verursacht haben, dass ihr Ziele gestellt wurden, die außerhalb des Rahmens

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ihrer Möglichkeit liegen“ (Grucza, Bemerkungen 1986, S. 263). Während diese Krise mit der beschränkten Geeignetheit von Forschungsergebnissen für den Fremdsprachenunterreicht verbunden ist, so hat die pragmatische Wende erneut die Möglichkeiten der kontrastiven Linguistik auf den Prüfstein gelegt. Denn als ungelöst erwies sich die Frage von tertium comparationis. Erst die Text- linguistik mit der Kategorie der Textsorte konnte die theoretischen Fundamente für den Vergleich schaffen. Die pragmatische Linguistik hat zwar einzelne Sprechakte kontrastiv analysiert, jedoch über den Bereich der sprachlichen Höfl ichkeit hinaus kaum (didaktisch orientierte) Erfolge erzielt. Mit der kontra- stiven Analyse aller möglichen Textsorten wurde auch die kontrastive Textlin- guistik oder kontrastive Textologie etabliert2. Nichtsdestotrotz hat sich die bisherige kontrastive Linguistik, ob im Bereich der Pragmalinguistik oder der Textlinguistik oder auch der Diskurslinguistik kaum darum bemüht, die theo- retischen Grundlagen und die methodischen Verfahren für die linguistischen kontrastiven Studien zu entwickeln. Selbstverständlich geht es nicht darum, ein universelles Analysemodell für kontrastive Zwecke zu erarbeiten, denn viele methodische Schritte sind von der Zielsetzung der konkreten kontrastiven Analyse abhängig und diese kann auch beliebig variieren. Vielmehr handelt es sich darum, die theoretischen Voraussetzungen und die Frage des tertium comparationis vor dem Hintergrund neuer linguistischen Disziplinen wie z.B.

Text- oder Diskurslinguistik zu diskutieren.

4. Voraussetzungen einer kontrastiven Diskurslinguistik Geht man davon aus, dass die Diskurslinguistik darauf gerichtet ist, das diskursiv konstituierte Wissen einer Gesellschaft zu erfassen, also mit Hilfe von lingui- stischen Methoden offenzulegen, was eine Gesellschaft weiß, so bildet den Gegenstand der kontrastiven Diskursanalyse das Wissen einer Diskursgesell- schaft. Es handelt sich also um das Wissen, das zum einen durch die Sprache konstruiert und konsolidiert wird und zum anderen durch die Sprache erkennbar und für die Sprachwissenschaftler erfassbar ist. Daraus abgeleitet kann man

2 Hingewisen sei hier auf einige Arbeiten von deutschsprachigen und polnischen Forschern, die zum einen die theoretische Rahmen für einen Vergleich refl ektieren wie Spillner (Sprachver- gleich, 1981), Adamzik (Grundfragen, 2001), Eckkrammer (Ausblicke, 2002), Bilut-Homple- wicz (Textsortenspezifi k, 2004), Bilut-Homplewicz (Kontrastivität, 2008) oder konkrete kontra- stive Analysen darstellen wie Drescher (Textsortenvergleich, 2002), Spillner (Textsorte, 2002), Rolek (Abstracts, 2005), Smykała (Tourismuswerbung, 2005), Czachur (Vereinssatzungen, 2007), Czachur (Neujahransprachen, 2009), Czachur/Zielińska (Tischrede, 2009), Mikołajczyk (Danksagungen, 2008). Einen Überblick über die kontrastiven Arbeiten in Polen und in Deutsch- land liefert Smykała (Kontrastywna, 2009).

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als Ziel einer kontrastiven Diskurslinguistik festlegen, dass sie das Wissen von mindestens zwei Kultur- und Sprachgemeinschaften zu vergleichen und auf die Offenlegung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden zu achten hat.

Lewandowska (2008) weist aber zu Recht darauf hin, dass die Analysen zwar Unterschiede und Gemeinsamkeiten aufdecken, aber sie noch nicht über das Vorhandensein von „wechselseitiger (kultureller) Fremdheit“ aussagen, denn

„nicht jede beobachtbare Differenz oder Gemeinsamkeit zwischen verschie- denen Kulturen hat den gleichen kulturellen Stellenwert im System der jeweils anderen Kultur. Das heißt, nicht jede kontrastive Differenz und nicht jede Gemeinsamkeit ist auch interkulturell distinktiv!“ (Lewandowska, Sprichwort- Gebrauch, 2008, S. 97).

Somit ist das Ziel einer kontrastiven Diskurslinguistik nicht nur auf die Unterschiede und Gemeinsamkeiten hinzuweisen, sondern auch nach dem Stellenwert dieser Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der jeweiligen Diskursgemeinschaft zu fragen. Nach Lewandowska wäre die Frage zu stellen:

„Stehen bestimmte Phänomene von verschiedenen Kulturen auch tatsächlich in einer interkulturell bedeutsamen „Opposition“ zueinander, d.h. sind sie interkulturell distinktiv?“ (Lewandowska, Sprichwort-Gebrauch, 2008, S. 164).

So sind hier die bisherigen Überlegungen zur Kontrastivität um die Aspekte der Interkulturalität zu erweitern und in das Konzept der kontrastiven Diskurs- linguistik einzubauen. Es wird sich jedoch nicht um Interkulturalität im Sinne von Analyse der Rahmenbedingungen für eine kommunikative Begegnung von zwei Kulturen handeln, sondern um die Aufdeckung von kulturbedingten wissensbezogenen Unterschieden und Gemeinsamkeiten, die anhand der diskurs- linguistischen Analyse erklärt werden können. Darüber hinaus darf hier nicht übersehen werden, dass die Bewertung von kulturellen Unterschieden ein mehrperspektivisches Problem verkörpert (Földes, Prolegomena, 2007, S. 30) und sehr oft einer Generalisierung oder Stereotypisierung ausgesetzt ist. Mit Stereotypisierung wird gemeint, dass alle Mitglieder einer Kulturgemeinschaft die gleichen Eigenschaften bzw. das gleiche Wissen haben oder sich gleich verhalten. Deswegen wird hier mit Nachdruck betont, dass diese Annahmen falsch sind und das als Ziel der kontrastiven Studien nicht gilt, Stereotypisie- rungen zu erzeugen. Die kontrastive Diskurslinguistik, die darauf abzielt, das diskursiv erzeugte Wissen aufzudecken, kann jedoch nicht ohne sog. kulturelle Generalisierungen auskommen, die hier als „vorherrschende oder typische Meinungen, Werte, Normen und Ansichten in einer Kultur“ defi niert werden (Wawra, Kulturvergleich, 2008, S. 207).

Vor dem Hintergrund obiger Überlegungen sollen die theoretischen Voraus- setzungen erörtert werden, die für kontrastive Analyseverfahren konstitutiv sind:

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– Das Kontrastieren bedeutet Vergleichen (Grucza, Bemerkungen, 1986, S. 265) und das Vergleichen ist ein Erkenntnisverfahren, das darauf ausgerichtet ist, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den verglichenen Elementen aufzuzeigen. Somit ist die erste Voraussetzung einer kontrastiven Analyse das Vorhandensein von Elementen, die miteinander verglichen werden können. Das Vorhandensein von diesen Elementen in mindestens zwei vergli- chenen Sprachen setzt auch voraus, dass zwischen ihnen auch Übereinstim- mungen, Ähnlichkeiten und Unterschiede auftreten können (Földes, Phraseologie, 1996, S. 15).

– Die Vergleichbarkeit der identifi zierten Elemente, die miteinander vergli- chen werden sollen, besteht darin, dass diese Elemente miteinander verglichen werden können, dass sie vergleichbar, im Sinne „miteinander komparabel“

sind. Denn es gilt das Prinzip, dass man „nichts Unvergleichbares vergleichen kann“ (Helbig, Konfrontation, 1981, S. 81). Die Vergleichbarkeit der Diskurse hängt mit dem Äquivalenzpostulat zusammen (Drescher, Textsortenvergleich, 2002, S. 47).

– Das Vergleichen von zwei vergleichbaren Elementen setzt weiter die Modellierung von einer übereinzelsprachlichen Bezugsgröße voraus, die bei den kontrastiven Analysen als tertium comparationis gilt. Tertium comparationis ist ein einheitliches theoretisches Konstrukt, das die Ermittlung von Unter- schieden und Gemeinsamkeiten zwischen den verglichenen Elementen möglich macht und dann auch die Interpretation der ermittelten Analyseergebnisse sichert.

Während das erste Postulat mit den Zielen der Diskurslinguistik verbunden ist, konzentriert sich der zweite Punkt auf die Frage der Objekte, die mitein- ander verglichen werden. Der dritte Punkt behandelt dann die Methodik, also das tertium comparationis. Somit sind drei Fragen: Wozu, Was und Wie gestellt.

Das Vergleichsobjekt in der Diskurslinguistik ist selbstverständlich der Diskurs, der jedoch in unterschiedlichen Vergleichskonstellationen vorkommen kann. Nach Böke/Jung/Niehr/Wengeler (2002) sind folgende Vergleichskon- stellationen von Diskursen denkbar:

– thematisch gleiche oder ähnliche Diskurse, die in zwei Diskursgemein- schaften gleichzeitig geführt werden,

– thematisch gleiche oder ähnliche Diskurse, die in zwei Diskursgemein- schaften zu unterschiedlichen Zeiten geführt werden,

– thematisch verschiedene Diskurse, die in zwei Diskursgemeinschaften zur gleichen Zeit geführt werden.

Vor dem Hintergrund der obigen Voraussetzungen einer kontrastiven Diskurs- linguistik stellt die erste Konstellation einen Idealfall für eine Vergleichbarkeit.

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Man kann man auch von Paralleldiskursen sprechen3. Unabhängig davon, für welche Konstellation des Diskursvergleiches sich der Forschende entscheidet, kann er nicht der Frage der Vergleichsmethodik, also des tertium comparationis ausweichen. Das methodische Verfahren ist aber von der Vergleichskonstella- tion abhängig: Steht die Analyse der thematisch-inhaltlichen Ebene im Vorder- grund, so gewährleistet das gemeinsame Thema die Vergleichbarkeit, werden verschiedene Diskurse, die in zwei Sprach- und Kulturgemeinschaften zu gleichen Zeit geführt werden, herangezogen, so „muss hier stärker von der thematisch-inhaltlichen Ebene zugunsten einer pragma-systematischen Ebene abstrahiert werden“ (Böcke/Jung/Niehr/Wengeler, Überlegungen, 2000, S. 250).

Die Vergleichbarkeit wird dann auf der Ebene der sprachlichen diskursiven Strategien, Handlungsmustern oder Deutungsmodellen gesucht.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Frage, wie ein zu vergleichender Diskurs identifi ziert, ausgewählt, vordefi niert wird, nach welchen Kriterien derselbe bzw. ein ähnlicher Diskurs in der zweiten Gesellschaft ausgesucht wird.

In der Regel wird für die Zwecke der linguistischen Diskursanalyse ein eigenes Textkorpus zusammengestellt. Dabei sind solche Beschränkungen notwendig wie thematische Umrahmung, zeitliche Rahmen und textsortenspe- zifi sche Einschränkung (Böcke/Jung/Niehr/Wengeler, Überlegungen, 2000, S.

253), um eine Vergleichbarkeit von zwei Paralleldiskursen zu ermöglichen.

Wichtig ist, dass dabei eine vertikale Vergleichbarkeit (innerhalb eines Diskurses) und eine horizontale Vergleichbarkeit (zwischen den zu vergleichenden Diskursen) gewährleistet wird. Bei der vertikalen Vergleichbarkeit handelt es sich um eine Art Ausgewogenheit, so dass z.B. eine linke Zeitung aus einem Land mit einer rechten aus einem anderen Land nicht verglichen werden darf.

Text 1 (L 1) Text 2 (L 1) Text 3 (L 1) Text n (L n)

Text 1 (L 2) Text 2 (L 2) Text 3 (L 2) Text n (L n) Vertikale

Ausgewogenheit

Horizontale Ausgewogenheit

Schaubild 1: Diskursvergleich anhand ausgewogener Textkorpora (nach Böcke/Jung/Niehr/

Wengeler, Überlegungen, 2000, S. 255).

3 Dieser Begriff wurde von Drescher (2002) übernommen, die beim Vergleichen von Text- sorten von Übersetzungsvergleich und Paralleltextanalyse spricht.

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Ein Vergleich von zwei Diskursen kann entweder unilateral oder bilateral erfolgen (Helbig, Konfrontation, 1981, S. 74, Czochralski, Grundsätzliches, 1996). Unilaterales Verfahren zielt darauf ab, dass eine Sprache aus der Perspe- ktive einer anderen Sprache analysiert, während bilaterales Verfahren vergleich- bare Diskurse aus zwei Ländern gegenüberstellt und mit Hilfe einer übereinzelsprachlichen Bezugsgröße, also mit Hilfe von tertium comparationis die Diskurse untersucht. Das bilaterale Verfahren ermöglicht eine symmetri- schen Ermittlung und eine fundierte Analyse von Vergleichsergebnissen.

5. Das Tertium comparationis in der kontrastiven Diskurslinguistik

Die Frage nach einer methodologischen Fundierung eines kontrastiven Ansatzes wird in der Linguistik immer wieder diskutiert und – wie Prokop feststellt –

„bis jetzt noch kaum formuliert“ (Prokop, Tertium, 1999, S. 395). Ein Modell für kontrastive Analyse soll dazu dienen, zum einen das Verfahren selbst und die Ergebnisse zu präzisieren und zum anderen auch die Bedingungen schaffen,

„das Problem des tertium comparationis, mit ihm auch den Verlauf, die Reich- weite, den Grad der Genauigkeit sowie den Modus der Formalisierbarkeit von Konfrontationsergebnissen näher zu bestimmen“ (Dębski, Bemerkungen, 1985, S. 33). Es handelt sich also um die theoretischen Grundlagen, aus denen die Instrumente kontrastiver Analysen abgeleitet werden können, die dann die Offenlegung von Untersuchungsgegenständen, ihre Vergleichbarkeit und letzt- endlich die Verifi zierbarkeit der Ergebnisse ermöglichen.

Vor dem Hintergrund der oben skizzierten methodologischen Grundsätzen der Diskurslinguistik und der kontrastiven Analyse der Paralleldiskurse ist hierbei die Frage zu stellen, wie das tertium comparationis in der kontrastiven Diskurslinguistik bestimmt werden kann.

Blickt man auf das Konzept der Diskurslinguistik, das Warnke/Spitzmüller (2008) erarbeitet haben, so wird ersichtlicht, dass die linguistische Diskurs- analyse als eine Mehrebenenanalyse aufzufassen ist. Die beiden Autoren verwenden die Bezeichnung diskurslinguistische Mehr-Ebenen-Analyse (DIMEAN). Es wird zwischen der intratextuellen Ebene, der Ebene der Akteure und der transtextuellen Ebene differenziert4. Die Analyse der intratextuellen Ebene ist stark textlinguistisch orientiert und somit auch mit den Analyseme- thoden der kontrastiven Textlinguistik vergleichbar. Die zwei weiteren Ebenen ermöglichen aber die komplexe Erfassung der Diskursorganisation.

4 Zu der theoretischen Begründung dieser Differenzierung Warnke/Spitzmüller (2008).

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Transtextuelle Ebene

Diskursorientierte Analyse

Intertextualität

Schemata (Frames/Scripts) Diskurssemantische Grundfi guren Topoi

Sozialsymbolik

Indexikalische Ordnungen Historizität

Ideologien/Mentalitäten

Allgemeine gesellschaftliche und politische Debatten

Akteure

Diskursregeln Diskursprägung

Interaktions- rollen

– Autor

– Antizipierte Adressaten

Diskurs- positionen

– Soziale Stratifi zierung/Macht – Diskursgemeinschaften – Ideology Brokers – Voice

– Vertikalitätsstatus Medialität

– Medium

– Kommunikationsformen – Kommunikationsbereiche – Textmuster

Intratextuelle Ebene

Textorientierte Analyse

Visuelle Textstruktur

– Layout/Design – Typographie

– Text-Bild-Beziehungen – Materialität/Textträger Makrostruktur:

Textthema

– Lexikalische Felder – Metaphernfelder

– Lexikalische Oppositionslinien – Themenentfaltung

– Textstrategien/Textfunktionen – Textsorte

Mesostruktur:

Themen in Textteilen

Propositions- orientierte Analyse

Mikrostruktur:

Propositionen

– Syntax

– Rhetorische Figuren – Metaphernlexeme

– soziale, expressive, deontische Bedeutung

– Präsuppositionen – Implikaturen – Sprechakte

Wortorientierte Analyse

Mehr-Wort-

Einheiten – Schlüsselwörter – Stigmawörter – Namen

– Ad-hoc-Bildungen Ein-Wort-

Einheiten

Tabelle 1: Layout der diskurslinguistischen Mehr-Ebenen-Analyse (DIMEAN) nach Warnke/Spitzmüller (2008).

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Wichtig ist, dass es bei diesem Analysemodell nicht um „ein summarisches Abarbeiten einer Checkliste, sondern um die Darstellung der Möglichkeiten systematischer Zuordnung von Diskurselementen“ (Warnke, Text, 2008, S. 47) handelt. Wie oben erwähnt, hängt die Wahl der Analyseebene und dann der konkreten Analysekategorie von der Zielsetzung der diskurslinguistischen Arbeit ab. Diese im diskurslinguistischen Methodenmodell herangezogenen Analyse- kategorien werden in der kontrastiven Diskurslinguistik jeweils als tertium comparationis aufgefasst. Diese Analysekategorien als tertium comparationis dienen dazu, das verstehensrelevante Wissen, das durch zwei Paralleldiskurse in zwei Sprach- und Kulturgemeinschaften konstituiert wird, offenzulegen.

Welche Aspekte vom verstehensrelevanten und kollektiven Wissen aufzuzeigen sind und welche Forschungsperspektiven dabei herangezogen werden, ist eben von der Zielsetzung der Arbeit abhängig.

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