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Die Zukunft, 16. Juli, Bd. 48.

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« O’O'O’O’Q’Q’Q’J,’ q-f’A’. q-I .r.« .L ANY-Ich-

Berlin, den tö.Juli 1904.

vf CII I f-

Sören Kierkegaard.’««)

IassolleinModerner demgläubigstenundsrömmstenallerMenschen I«-·2desneunzehnten Jahrhundertseinmal nachmachen:dieraffinirteste VorführungsgeschichteundzumSchlußeinePredigtmiteineminbrünstigen Gebet! Und Beidesecht, ungekünstelt,ungesucht,sellssterlebtzdasErstena-

türlichnurin derPhantasie;denn derdänischeProphet hatnie ein Weibberührt;

nur verlobtister einmal gewesen.Erhatdenn auchdieGeschichteunter einemPseudonymherausgegebenundauchdenEremitanoch nichtzuihrem Helden gemacht, sondern ihn,darin nichtebensehr originell,dieerdichteten Papiere,diesie enthielten,ineinemalten Sekretärsinden lassen.Undder Verfasser dieser Papiere spaltet sichwiederinzweiPersonen,denDonJuan A.unddenfrommen EhemannB.,derihninlangen Brieer bekämpft.

PefsimisiischeDiapsalmata (Präludien)eröffnenA.’sBekenntnisse;sie drücken zwar nicht KierkegaardsUeberzeugung,wohlaberseine Stimmungaus,mit derverglichendieinSchopenhauersundTolstois Büchernherrschendeheiter genannt werden könnte. Doch dieseStimmung entspringt nichtetwader

BetrachtungdesWeltelends, derLeiden derThiereundderMenschen,der Kriege,derLasterundVerbrechen,dersozialenZustände.DasAlleskümmert Kietkegaard sehr wenig.Der sozialen Bestrebungen gedenkteran zwei Stellen mitverächtlichemSpott. SozialesElendgabesjawohlzuseiner«

ZeitinDänemarknoch nichtunddie Armen hälter imAllgemeinenfür dieGlücklicheren,schonweilsiewenigervom Unglaubenangefressensindoder stk)Entweder Oder. Ein Lebensfragmcnt.HerausgegebenvonViktor Eremita (SörenKierkegaard).Aus demDänischen nonO.Gleisz.Zweite AussageMitdemBildnißKierkegaards. Dresden,Friedrich RichtersVerlag-

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damals waren. Sein Pessimismus istganzindividueller Natur: eristdie ihmangeboreneTraurigkeit,dieEmpfindungderLeere undOedeinseinem Herzen,derSinnlosigkeitdesDaseins,dienatürlichfür Kierlegaardnur unter derVoraussetzungbesteht, daßman vonGottabsieht.EineAeußerung wirdFritzMauthner gutgefallen. »MeinLebenist völlig ohneSinn.

Es gehtmitihm,wie imLexikonmitdemWorte Schnur,das fürs Erste einSeil bedeutet, zumZweiteneineSchwiegertochter.Esfehltenur, daß esdrittens einKameelundviertens einenBesenbedeutete.«

Auchin derdarauf folgendenAbhandlungüber dasMusikalisch-Erotische istKierkegaardwahrscheinlichmehrerselbstalsseinA. Erentwickeltseine Musikästhetikineinerwunderbar tiefenundgeistreichenAnalysevonMozarts DonJuan. DieseOper ist ihmdieeinzige ihrerArt,istihmdieklassische Oper,weilvollendete EinheitvonJdeeundForm. Jhre«Jdee sei »die sinnliche Genialität«;daseinzigeMedium, indemdieseIdeedargestellt werdenkönne,seidieMusik,unddadiese Jdeeebennur eine sei, in allen Zeitendieselbe,sokönneesnur einenDonJuangeben, währendFaust

»derGeschichteangehöre,jede Zeit ihren eigenen Faust haben,darumauch seinihn darstellendss klassischesDrama hervorbringenkönne. Moliåres, .Heibergs, ByronsDon Juan-Dichtungenerklärterfür verfehlt.Was er überdieOuverture sagt,könnenKomponisten,die überden erforderlichen

"Reichthuman musikalischenGedankenverfügen,mitNutzen studiren;und seineDarstellungderdurchCherubin, Papagenound DonJuanrepräsentirten Stadien der Erotik werden jedenMozartverehrermitEntzückenerfüllen.

rAberKierkcgaard müßtenichtKierkegaardsein,wenn ersich aufeineMusik- 1philosophiebeschränkthätte.Er-untersucht selbstverständlichauchdenUnter- schiedzwischendeegriechischenunddeechristlichenEentir. Jene hie nicht das WeibalsGeschlechtswesen,sonderndieschöneIndividualitätzumGegen- stand; sie istgeistigerArt. ErstdasChristenthum entfesselt,indemesden Geistinseine Heimatl) beruft,dieSinnlichkeit,dernun dasDiesseitsals EigenthumundTummelplatz zufällt,sodaßsiezurWeltmachtwird. Vom Geist verlassen, beseelt sichdasFleischmitseinem eigenen Geistunddie Erotik wird dämonisch;DonJuanistebender verkörperteDämondes Fleisches,wieFaust,dernurzurZerstreuungeinmal liebt, dergeistigeDämon ist. DieseMusikbetrachtungwirdergänzt durcheineAbhandlungüberden ReflexdesAntik-Tragischenim«Modern-Tragischen,worinwirerfahren, daß esnicht echteTragik sei,wenn in(damals)neueren Dramen derHeldallein für seine Schuld verantwortlich gemachtwerde;dennersei dannböseund dasBöse,dieSünde,habekeinästhetischesInteresse. Das echtTragische, das« denMenscheninseiner Abhängigkeitdarstelle(Kierkegaardwürdealso fürdie heutemodernen Milieudramen Verständnsißhaben) weise aufdie

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Religion, aufdasErbsitnde-undErlösungdogmaalsTröstungundRettung hin;dennwieKeiner vonderallgemeinen Schuld frei, so sei auchKeiner von derGnade ausgeschlossen.DieEthik sei hartund habekeinenTrost insich denhakenur dieReligion undandieAesthetikdürfe sichder durchsieVerführteerst recht nichtumRettungwenden. EineAnspracheandie Symparanekromenoi (die sichmiteinander lebendigbegrabenließen)schildert eineKonkurrenz,indersiegensoll,wer nachweisenkann,daßerderUn- glücklichstesei.Jn mehreren Unglücklichen,diesich vorstellen,erkennenwir Kierkegaard,besondersindemManne, der,ohne selbsteineJugend gehabt zuhaben,dasGlück derJugend preisen muß,undindem, dererstim AngesichtdesTodesbegreift,was Lebensgenußist.

DerVerführer erzähltdannvon seinenvielenVerführungsgeschichten die eine inTagebnchform.Wenn ichihneinenDon Juan nannte, sobe- rechtigtedazunur diegroßeZahl seinerAbenteuer. Seiner Natur nach ist dieser sinnlich-unsinnlicheErotikerkeinDonJuan,dennerist nicht naive, unmittelbare unddurch ihreUnmittelbarkeit imSturm siegendeSinnlichkeit, sondernganzReflexionundBerechnung. AucheineBerschmelzungvonDon JuanundFaust darfman ihn nichtnennen, dennseine Reflexionbleibt immeraufdaserotischeGebietbeschränkt,dasfür Faustnur einvonseinem eigentlichenGegenstandablenkendesDivcrtissementist. UnseremVerführer bereitetseinäußerstkünstlicherBelagerung-undEroberungplanunddieBeob- achtungderWirkungen,dieerdamit injedemStadium auf sein Opfer erzielt, denhöchstenGenuß.Erschiebtdarum deneigentlichensinnlichen Genuß soweitwiemöglichhinaus; ja,eristimStande, aus diesen Genußzu verzichtenunddieGeliebteindemAugenblickzuverlassen,wosie, durch seineManöverzumAeußerstengetrieben, sichihm freiwillig,ganzfreiwillig anbietet. DieeineG;schichte,dieerausführlicherzählt,beginntmitder ersten Begegnung,woihmdasunbekannte MädchenbeimAussteigenaus demWagen auffällt, berichtetüber dienicht geringen Schwierigkeitender Annäherung,wieerdann dievölligUnschuldige,ihrerWeibnatur Unbe- wußteallmählichhalb rasend macht,indemerihreinenzukünftigenBräutigam zufühkksselbst aber, sie scheinbarignorirend, ausschließlichdieTanteunter- hält,wieerinzwischeneinDienstmädchenverführt,Liebespaarefördert oder ihnenSchwierigkeitenbereitet,sichendlichmitseinem Opferverlobtundesso weitbringt, daßesdieVerlobung wieder aushebt,nur um dem Geliebten ganzfrei, ohneäußerlichverpflichtendesBand,angehörenzu können.

Die inBriefform gekleidetenAbhandlungenvonB.sollendemjüngeren Freundebeweisen,daßermitseiner ästhetischenLebensaufsassungundLebens- führungdeswahrhaftSchönenverlustig geheund bei allenästhetischenEinzel- gentissen innerlichöde bleibe, demLebensüberdrußundderVerzweiflung,die

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erübrigensselbst eingestehe,nicht entgehenkönne«Daswahrhaft Aesthetische seinur indemEthischenderEhezusinden,dennnur dieehrlicheLiebesei schönundmache schön;setzedenMenschendadurch,daßersich fürsganze LebendemAnderen hingiebt,inPflichttreuewidmet, indenBesitz seines Selbstunddamit desAbsoluten,sodaßer,dieVergänglichkeitüberwindend, imvollenBesitz-und GenußderGegenwartdieEwigkeitergreife.Daswird mitvielhegelischerDialektik undhinreißenderBeredsamieit vorgetragen und mitnovellistischen Proben illustrirt. Undvon seinemeigenen Eheglückent- wirftderBekehrerein Bild,dasdenEölibatär,ter eserlog,ärgergepeinigt haben mußalsdenkatholischenAsketen sein Stachelhs·md.DerVerkünder- desEheglüeksist fest überzeugtdavon, daßnichts, auch nichtdieJämmev lichkeitendesAlltagslebens,auch nichtArmuthundNahrungsorge,dasAesthe- tischeineinemMenschenunterdrückenkönne. »Ich brauche nichtimLande umherzureisen,Um Schönheiten aufzusuchen,habe auch nicht nöthig,inden Straßenumherzustöbern..Habe ich Zeit, so seheichmirvonmeinemFenster ausdieMenschenanundsehejeden MenscheninseinerSchönheit.Undwäreer noch sounbedeutend,nochsoniedrigundarm: ich seheihnin seinerSchönheit;

denn ichseheinihmdeneinzelnen Menschen,derdoch zugleichderallge- meineMenschist.Jch seheinihmDen, derdiese konkreteLebensaufgabe hat;erhat seineTeleologieinsich selbst,errealisirtdiese seine Ausgabe,—

ersiegt.Denn derMuthige sieht nicht Gespenster, dagegensiegreicheHelden;

aber derFeige siehtnirgendwoHelden,sondernüberallGespenster.«Daichein- mal insCitirengerathenbin, willichdochgleichnocheinWortanführen,weil es,namentlichsiir Berlin,soungemein zeitgemäßist. Der Eheschwärmer beschreibt,wiedasWeibsichunddenMann beglückt,weilesnicht,gleich demManne,denUnendlichennachjagt,sondernamEndlichen Freudeund Genügenfindet. »WeildasWeibdieEndlichkeit soerklärt,darum ist sie desMannes tiefstesLeben, abereinLeben, das verborgen ist,wieesdas LebenderWurzelimmer ist Siehe:deshalb hasse ichdieabscheulicheRede von derEmanzipationdesWeibes aus ganzer Seele. Gott verhüte,daß sie jedieHerrschaft erlange! Jchkann Dirnicht sagen,mitwelchemSchmerz derGedankemeineSeele erfüllt,aberauchnicht,welche leidenschaftlicheEr- bitterung, welchen Haß ichgegenJeden imHerzen trage,derso Etwas zu äußernwagt. Es istmeinTrost, daßdie Leute, diesolcheWeisheitvor- tragen,nichtklug-wieSchlangensind,sondernbornirt,unddaß darum ihr Geschwätzunschädlichist...Sollte eswirklicheineinzigesWeib geben, diesoeinfältig,eitelundjämmerlichwäre,daßsieglaubte,siekönneunter derMaske deeMannes vollkommener werden alsderMann? Muß siedenn nicht einsehen, daß ihr Verlust unersetzlichwäre?«

Wiewürdeerüber eine andereheutigePest,diebiologische,urtheilen?

DieBiologie, PhysikundAstronomie sindherrlicheWissenschaften,abersie

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zeigendie ganzeFülle ihrer Herrlichkeitnur, wenn man ihrenGegenstand alsdie über allenBegriff großartigeund lunstreiche Zurüstungbetrachtet, diekeinenanderen Zweckhatalsden,das DaseinunddieEntfaltungdes Menschengeisteszuermöglichen.Gliedert man dagegenimvermeintlichen JnteressederEinheitderWissenschaftdenMenschenalsZellenhäufchenin dieReihederOrganismenund alswinziges AtomhäufchenindenWelt- mechanismus restlosein,dann bleibtvon ihmnichtsübrigalsimersten Fall dieunangenehmsteundunglücklichstealler Bestien (genau gesagt:die einzige nnglückliche),imzweiteneinNichts, dessenIllusion, Jdeenzuhaben wieGüte,Wah1heit,Schönheit,Recht,Vaterlandundsichdafür zubegeistern, nur Hohnverdient; DenNaturphilosophenkommtdieFurchtbarkeit ihres Attentates nicht zumBewußtsein,weilsieesnur potentia, nicht actube- gehenkönnenz dennesfälltkeinemMenschen, ihnen selbstamAllerwenigsten ein,mitdervonallenLiteraturgrößengepriesenenTheorie Ernstzumachen undsichalsBestjenoderNichtseeinzuschätzenKierkegaardwürdewohleiner solchen untermenschlichenPhilosophiedenRückengewandthaben, ohne sie einespolemifchenWorteszuwürdigen;aber eineBemerkungzeigt,vonwelchem Punkteausersie widerlegthabenwürde,wenn ergewollt hätte.DieEhe, sagter,muß aufLiebegegründetsein,womithierselbstverständlichdiegeistig- sinulicheGeschlechtsliebegemeint ist; dieseLiebemußsichnicht erstin derEhe finden, obwohlsieinihrvollendetwird, sondern ihr vorhergehen. »Oderman heirathet,weilman hofft,dieEhewerdemitKindern gesegnetwerden,um sozurFortpflanzungdesmenschlichenGeschlechtesaufErdenseinen geringen Beitragzuleisten.DerStaat hat diesen ZweckoftgenugvorAugen gehabt undzuweilengarPrämien ausgesetztfür Die,derenEhenmitdenmeisten Kinderngesegnetwürden.DasEhristenthum hat geradedenentgegengesetzten We geingeschlagenundfürDiePrämien ausgesetzt,dienicht heiratheten.War Dasnun aucheinMißverständniß,so bezeugtesdocheinentiefen Respekt für diePersönlichkeitunddafür, daßman denEinzelnen nichtzu einemMoment, sondernzumDefinitiven machenwollte... EsisteineBeleidigungfürdie Frau,wenn man sieaus irgendeinemandern Grundeheirathet,alsweil man sieliebt.«

JneinemdervielenNietzschebücherwirdNietzschederseltsamstealler MCUschMgenannt.Dasisteinseltsames Urtheil. DaßeinMenschvon beweglichemGeist heutedie Götterverbrennt,dieergestern angebetethat, daßineinerzartbesaitetenSeelealleMelodien derZeit mitklingen, durch dasgleichzeitigeErklingenzur Disharmoniewerden und dasInstrument zerreißen,daß wahnsinnigwird,wer sichnichtmitderdemMenschen hie- nieden alleinzugänglichenOberflächenerkenntnißbegnügt,sondern eigensinnig AmSchleierderJsis zerrt:das Allessindwirvon altenZeitenher gewöhnt

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und langevorNietzschehat jederdenkendeJüngling seine Zeit gehabt,wo er ein kleinerNietzschewar. Was NietzschevorAnderen auszeichnet,istnur dieEnergie,mitdererinjenem Jünglingsstadiumverharrt, ist außerdemder ReichthumauMelodien,diesein Instrument auszunehmenvermag, unddie

«Virtuos1tät,mitderersie wiedergiebt;sristeineungewöhnlichinteressante Erscheinung,aberdurchaus nichtseltsam.Dagegen ist Kierkegaard wirklich derseltsamsteallerMenschen,dieichkenne. Gottist ihm,dem Nordländer desneunzehntenJahrhunderts,vonKindheitanbis zum Tode,gerade sowie einerekstatischenJungfrau,die realste aller Realitätenundstets gegenwärtig.

Dabei isternichts wenigeralsekstatisch, sondern verwirftdieMystikals eineweichlicheundegoistischeFormderReligion.Erist, wieerklagt,als Greis,ja,alsGeist aufdieWeltgekommenunddarum wederKindnoch·

Jüngling gewesen,was ihnzum Manne dergroßenTraurigkeit gemachthat, unddennochvermag ersichvollkommenindasKind,indenJüngling,in densinnlichenMenschenhineinzusühlen.Jn tiefster Einsamkeit lebend,beob- achteterdieWeltund dieMenschenund stellt sie richtigdar. Gottund dasChristenthumsinddereinzigeGegenstandseinerLiebe undseines Strebens, undumdieReligionzufördern, thuterzweiDinge,vondenenjedes einzelne gewöhnlichfürdasbesteMittel zuihrer Zerstörung angesehenwird: erstellt einenVerführerverführerischdarundgreiftdieKirchean. Undunterwelchen UmständenhaterdieVerführergeschichtegeschrieben! ,,Persönlichwar ich weitdavonentfernt,dasMenschenlebenberuhigendzurEhe zurückzurufen, ich,derich wassich hinterdemNamen Viktor Eremita verbirgt schon imKlosterwar. ,Entweder Oder«istimstrengenSinne des Wortes im Klostergeschrieben.Jchkannversicheru, daßderVerfasservon .Entweder Oder«regelmäßigmitklösterlicherGenauigkeiteinebestimmteZeit hindurch ganzeTageum seinerselbstwillenmitdemLesen erbaulicherSchriftenzu- brachteunddaßerinvielFurchtundZittern seine Verantwortungbedachte;

erdachtedabeibesondersandasTagebuchdesVerführers.« Dieses Tage- buchwar,wieseineganzeästhetischeSchriftstellerei,eineKriegslist,einBetrug, wieersich selbstausdrückt. ErwilldieSeelefürGott gewinnen.Das gelingtabernicht,wenn man sieimBekehrerton anredet;darum welch einJesuit!—stellterverlockendeästhetischeUntersuchungenanundführtdie nichtsahnendeSeele aufUmwegenans Ziel.AuchalssokratischeMäeutik, Hebammenkunst,charakterisirterseine"Methode.DieästhetischenSchriften, indenenerdasReligiösenur vonfernanklingen läßt, hatermitPseudo- nymen, allereligiösenmitseinemNamen gezeichnet.Erwollte dadurch anzeigen, daßernur inderzweiten Gruppe wirklich selbst,in derersten aus«derSeele Anderer spricht.

Nicht weniger seltsamalsdiesesVerfahren ist sein Angrisf aufdie

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Kirche; auch Grundtwigs VolkskirchefindetkeineGnadevorihm.Keinfana- tischer AtheistkanninhärterenundbeleidigenderenWorten aufdiePfaffen schelten,keinSozialdemokratüberzeugendernachweisen,daßdasChristenthum desNeuenTestamentesnirgends aufderErdezusinden ist. Dieses, sagt

erinderErinnerunganLuthers Thesen, daßeskeinChristenthumgiebt, seiseineeinzige These.Erbeweist,daßeskeinChristenthum gebenkönne, solangeesbeaknteteundbesoldeteGeistlichegiebt.Erbeschimpftdentoten Bischof MynsterunddessenNachfolger,denProfessor Martensen,derin der LeichenrededenVerstorbeneneinenWahrheitzeugengenannt hat«Erwidmet eineigenes KapiteldemNachweis, daßdieGeistlichenMenschenfressersind;

erfordertdie Leuteauf,ihreKinder nicht mehr taufenundkonsirmirenzu lassenunddenGottesdienstnicht mehrzubesuchen;damitwürdensie ihre Sündenschuldverringernzerfür seinePersonwollelieberimSpielwaaren- ladenSteckenpferd,SäbelundFahne kaufen,einenfeierlichenEidauf diese Fahne ablegenunddann mitfeierlichemErnst auf feinem Steckenpferdgegen den FeindlossprengenalsindieKirche gehen;dennmitJenemwürdeer nur sich selbst,mitDiesemaberGott zumNarren machen.Underthut undschreibtdasAllesin derUeberzeugung,daßerdamiteineSendunger- füllt.Ergiebt ausführlichRechenschaftvon seinemVerhältnißzu Gott-

»DiesesmeinVerhältnisszu GottistdieglücklicheLiebe meinesmannichfach unglücklichenUndbeschwertenLebens.« Aus Liebe zu Gott allein undaus GehorsamgegenihnschreibterBücher.Erhat nicht nöthig,dieMusean- zurufen. »Im Gegentheil: ich brauche jedenTag Gott,ummichdesReich- thumesder Gedankenzuerwehren.Wahrlich,giebeinemMenscheneinesolche ProduktionkraftunddazueinesoschwacheGesundheit,-!«)sowirderschon beten lernen. JchkönntemichniedersetzenundununterbrochenTagundNacht undnochmalseinenTagundeineNacht fortschreibenzReichthumgenugist da. Dieses Kunststückkonnteich stetsmachen,kannesnoch jetzt. Thäte iches,sowäreich gefprcngtzNurdiegeringsteUnvorsichtigkeitin derDiät, fv binichinLebensgefahr.Wennich aber Gehorsamlerne, die Arbeitals strenge Pslichtarbeit thue,dieFeder ordentlichhalteundjeden Buchstaben sorgfältigschreibe,sokann ich.Unddann habe ich oftvielmehr Freude von meinemgehorsamenVerhaltengegen Gottgehabtalsvon denGedanken, dieichproduzirte.«

Kierkegaardsoll Jbsenden»Brand«inspirirt haben-;sehrmöglich;Alles Odernichts ist jaBeiderLosung.NurmußmanBrandnicht füreineNach- bildungvonKierkegaardsPersönlichkeithalten.Wollte ein Maler den»Brand«

Ilc)Kierkegaardhatnur zweiundvierzig Jahre,von 1813 bis1855,ge- lebt,undwarnur dreizehn Jahrelang,von 1842 bis1855,Schriftsteller-.

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illustriren, so müßteerfürdenHeldendieZüge Jbsens wählen, nicktdas sanfteundfchwermüthigeAntlitz unddendemüthigniedergeschlagenenBlick KierkegaardsNiewürdeDer hart gewesenseingegen Weib, Kind,Mutter oderirgendeinenMenschen. Rigoristwar ergarnicht. ,,Jndertiefen Ueberzeugung,daß seinLebenethisch angelegtist,ruhtdasIndividuum in vollerSicherheitundplagtdarum wedersich nochAnderemitsoitzfindigen, ängstlichenFragenüberDiesesoderJenes. Daß nämlichderethischLebende gehörigenRaum fürdasJndifferente hat, finde ichganzinOrdnung;und esbezeugt sogar EhrfurchtvordemEihischen, daßman esnicht in«jede Kleinigkeithineinzwängenwill« Dasschreibtzwar derEhemannundAssessor in»Entweder Oder«, aberesgehört nichtzudemaus einer fremden Seeleheraus Geschriebenen LaxismusoderRigorismus:dieFrageküm- mertKierkegaardgarnicht.NurWahrhaftigkeit,Ehrlichkeitwiller;unddie ein- zelneSeele zurJnnerlichkeitzurückrufen.DennauchdasganzeKirchenwesen, gegendaserdonnert, die Stände, dieerangreift, überhauptdieMassen sind ihm gleichgiltig.Alspotenzirter Jndividualist siehterinjeder Mengenur eineAnhäufungvon SchlechtemundvonUnwahrheit. ,,DemEinzelnen«

widmeterseine Schriften. »WerTubist,weißich nicht;wo Dubist,weiß ich nicht;wie Dein Namelautet,weiß ich nicht; dennochbistDumeineHoff- nung,meineFreude,meinStolz,meine Ehre.«Der Einzelne:mitdieser Kategorie steheundfalledieSachedesChristenthumes. »Esistnichtmeine Aufgabeund kann inder,Christenheit·nicht wahrhaftdieAufgabe sein, noch mehrTitularchristenzuschaffenoderdieMillionen inderEinbildung, sie seien Christen, bestärkenzuhelfen;nein:dieAusgabeist gerade, diesen Schurkenstreichzubeleuchten,der(wie raffinirt!)in christlichemEiferund Ernst,inWahrheitaberimInteressederKirchenfürsten,derPfaffenund derMittelmäßigkeitdieseMillionen zuStande gebracht hat;esgilt,diesen Schurkenstreichzubeleuchten,um klarans Lichtzubringen, daß christlicher EiferundErnst geradeinderundankbaren Arbeit liegt,dasChristenthum von einigendieserBataillone vonChristenzubefreien.« DieseAufgabehaben heutedieSozialdemokratenübernommen, die dergläubigsteundfrömmste Mann desneunzehntenJahrhundertsalsMitarbeiter begrüßenwürde. Und was wurdeersagen,wenn ersähe,mit wessenGeldernimheutigenBerlin der»Schurkenstreich«verübt wird!

KierkegaardundseineThätigkeitbeurtheilenkönnteman nur, wenn man allseine Schriftensorgfältigstudirt hätte; ich habeaußer»Entweder

Oder«nur »LebenundWalten der Liebe«gelesenund dieStrei.schriften, die derihm seelenverwandteSchrempfmit Dorner zusammenunter demTitel

»Sären KierkegaardsAngriff aufdieChristenheit«1896 herausgegeben hat.

Dasgenügtaber,michzueinerFragezuberechtigen,dieich, obirohlvon

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Lamaladie dequirrantajne. 95

Sympathie fürdieOberhofmeistercliquevöllig frei,andengroßenChristen stellenwürde,wenn ernochlebte: GlaubstDu,daß,wenn dieKirchen,mit allihren GebrechenundLächerlichkeiten,mitallerHeucheleiundNiedertracht vielerihrerDiener,vor einpaarJahrhundertenvomErdboden verschwunden wären,daßdann außereinigenGelehrten noch irgend Jemand dasNeue Testament lesenwürde? Undwoher solltederEinzelne,zudemDusprichst, sein Christenthumnehmen,wenn er vondessen ExistenzgarkeineAhnung hätte? Vielleichtbeantwortet stattdeslängst VerstorbeneneinerderHerren von der,,ChristliehenWelt«meine Frage.

Neisse. Karl Jentsch.

La maladie de quarantaine.

achzehnjährigemAufenthaltinderProvinzbinichwiederinmeinerGe-

, '

burtstadtundsitze jetztaneinemMittagstischunter denaltenFreunden.

WirsindAlleungefährfünfzig Jahre alt;dieJüngerenumoderüberVierzig.

Wirsehenerstaunt, daß wir seitdemletzten Beisammenseineigentlich nichtge- altert sind. Jm Bart undandenSchläeristbeiEinzelnen freilich einBischen Grau zuentdecken;Mancheabersind seitdem letzten Maljünger geworden undgestehen,-daß sichums vierzigste JahreinemerkwürdigeVeränderungin ihrem Leben creignet hat« Sie fühltensichaltundglaubten,dasLebengehe zuEnde; sie entdecktenKrankheiten,dienichtda waren; dieOberarme wurden steifundesfiel ihnenschwer,denUeberrockanzuziehen.Alles kamihnenalt undabgenutztvor; Alleswiederholte sich,war ihnenwieeinewiges Einerlei;

die junge Generation drangvorundnahmvondenThatenderAelteren keine Notiz.UnddasAergerlichstewar, daßdieJungendieselben Entdeckungen machten,die wirgemacht hatten,unddasSchlimmste, daß sie ihrealtenNeuig- keiten erzählen,alshabe keinMenschbisher Etwas davongeahnt.DerFranzose, derfür Alles einen Namen hat,weilerAllesbeobachtet,nennt diese Krisisdes MannesvonvierzigJahren:Lamaladie deqnarantaine.

WährendwirvonaltenErinnerungenausderJugendzeit sprachen, sanken wirindiese Zeitzurück,lebtenbuchstäblichvomVergangenen, standen da,wo wirvorzwanzig Jahrenwaren. Schließlichfragte Einer,miteinemKopfschüttkln, ob esdennüberhaupteineZeit gebe. »Diese Frage hatKantschonEVENng Antwortete einPhilosoph.»Die Zeit istnurunsere AuffassungdesSeienden«.

»So? Das habe ich mirauch gedacht;denn wenn ich michankleine Ereignisse erinnere,die vierzig Jahre zurückliegen,stehtmirAlles soklarvor Angeldalsseiesgesterngeschehen;undwas inmeiner Kindheit geschah, ist MirinderErinnerungebenso nah,alshätte ichesvor einemJahrerlebt.«

Dannfragtemansich,ob zu allenZeitenAlle dasSelbegesunden hätten.

EinSiebenzigjähriger,derEinzige inderGesellschaft,denwiralsGr:is be-

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Sache glauben.DieMinifterialinstanzhattesichjuriftisch,dasAuswärtigeAmt politisch damit beschäftigt:also mußte Alles in besterOrdnung, der ftrafbare Thatbestand festgestellt,

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