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Die Zukunft, 30. Juli, Bd. 48.

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Berlin, den Zo. Juli 190-X.

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Perim-Königsberg.

VordreiundfechzigJahrenwurdeinPetersburgderMeerengenvertrag

«- alseinMeisterwerkrufsischerStaatskunstbestaunt.Hochsommer1841.

DerZar hießNikolaus,warabereinMannohneNerven,einharterWille undeinKomoediantengenie. PreußensInteressevertrat auchdamals ein Bülow,Heinrich,HumboldtsSchwiegerfohn,dervon London ausuner- müdlichzwischendenGroßmächtenzu vermitteln suchteund, unterPalmer- stonsEinfluß,seinen irrlichtelirendenKönig tiefer,als dieNothwendigkeit derStunde forderte,in dieOrienthändelhineingerissenhatte.ZurTheilung der Türkeiwars nicht gekommen;solcheTheilung, schriebMoltke, seiebenso schwierigwie dieeinesDiamantringes:Alleshängejadavonab,werStambul, denDiamanten, erhaltenwerde. AberderSultan,dendie beidendeutschen MächtemitderEntziehung ihres Beiftandes bedroht hattenunddem weder RufsennochFranzosenseinenTerritorialbesitz verbürgenwollten,war mürb gewordenundbereit, MehemedAliPascha,denRebellen,alsHerrn Egyptens anzuerkennen. Fast, schriebPalmerftonanBülow, ist UnsergroßesGeschäft nnnzu gutemEndegeführtznurder-Krieggegen denbewaffnetenFriedenbleibt Unsnoch-SechsMonatespäterglaubte ersichauchvondieserSorgebefreit.Der.

Meerengenvertragsperrte denKriegsfchiffenallerNationen fürFriedenszeiten denBosporusUnd die Dardanellen. DashieltenalleUnterzeichnerfüreinen Erfolg ihrer Klugheit.LordPalmerftonjubelte, EnglandsHerrschaftim Mittelmeersei gesichert;undvergaß,wiegefährlichderaufFrankreich geübte Druck dem Bunde derWestmächtegewordenwar, wieverhaßterselbst,der

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stolzeLordFeuerbrand,sichbeiLouis PhilippeundGuizot gemacht hatte..

Nochlauterjubelte«GrafNefselrode,derdamalsschoneinVierteljahrhundert lang Rußlands auswärtigePolitikleitete(undsienoch fünfzehnweitereJahre leitensollte).WieeinstdenOsmanen, hießes,gehörtunsjetztdas Schwarze Meer,derWestbund istgelockertunddie Welthatbewundernd wiedergesehen, welcherversöhnlichenGroßmuthunser erhabenerHerr fähigist. JmNovem- ber1850noch,in derDenkschrift,dieerdemheiterauffünfundzwanzigRegens- tenjahrezuriickblickendenZaren vorlegte, sagte Nesselrode:Eninterdisanix Pentree desDardanelles aux vaisseaux deguerre etrangers, le nouve1«acte,-«reconnu par-teures Ies’·Puissances,nous...assure do- renavant contre toute attaque maritime Ean, un resultat des.

plusimportantspournous ä cette epoqueest sortide cette compli- cation d’0rient. C’est la- djssolution de cette alliance anglo-fran- eajse,sihostile ä nosintereis politiques,sifatale pour-laSituation des gouvernements conservateurs. NachdemKrimkrieg wurde,imPariser»

Frieden,der dreiLustren vorher gefchaffeneZustandimWesentlichenbe- stätigt, dochdem«Sultan gestattet, leichten,denGesandtschaftenfremder MächtezurVerfügung gestellenSchiffendurch besonderenFermandie Dar- danellenzuöffnen. Im März1871 wurdewieder dievölligeSperrungder-·

Meerengevereinbart. JmFebruar 1878 lief, trotz dieserBestimmungdes LondonerProtokols,eineenglischeFlotte,umKonstantinopelgegendieRussen zuschützen,insMarmarameer ein.AmdreizehntenJuli1878 verpflichtete sichderSultan abermals,keinfremdes Kriegsschiffdurchdie Dardanellen zu3- lassen.Dreizethahredanacherwirkte diepetersburger Regirung ihrer Frei- willigenFlottedaswichtigeRecht,nachvorausgegangenerAnzeige mitSträf- lingenundSoldaten dieMeerenge passirenzudürfen. Auchdasstillcr- weiterte Recht,dieSchiffe dieseraus privatenGeldsammlungen entstan- denenFlotte, trotzdem sieimmerstärkerarmirt wurden, durchdie Darda- nellen zuschicken,ist seitdemnurverweigert worden,wennderGroßherrLust hatteundsichtanti fiihlte, Rußlandzuärgern.Undjetzt?WennKarlRo- bertNesselrodenoch lebte,könnteermanchenFluch hören.Dasfranko-bri-- tischeB-iindniß,·dasihm so schädlichschien, ist heutekeinpapiernerDiplo- matenvertrag mehr, sonderndieErfüllungdervom Bedürfniß bedingten WünschezweiergroßenVölker. UnddieMinister LamsdorffundAvellan wärenfroh,wenn deroft allzu schlaue,-mitEitelkeitbelasteteKanzlerdes erstenNikolaus niemalsseinen Meerengenvertrag unterzeichnet hätte.

Der——vondenBritensnatiirlich nicht eingestandene Hauptzweck

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Perim-Königsbcrg. I«65«

diesesVertrageswar,RußlandinsSchwarzeMeerwiein einenKäfigzu pfcrchen.Wersichnoch nicht abgewöhnthat,inpolitischenDingenvonRecht und Moral zureden, muß sagen, daßdieserVersuch,dasZarenreichin Süd- europavomoffenenMeerabzuschließen,eineschmählicheUngerechtigkeitwar.

AbereristbritischerKunst gelungen. Zwar istdasSchwarzeMeerlängstein russischerSeegeworden; dochdie Dardanellen undderBosporus sindden KriegsschiferdesZaren nochimmergesperrt,dieAusfahrtins Mittelmeer ist seiner Flotteverboten. KeinReichvonderGrößeundKraft Rußlandskönnte diesenZustand aufdie Dauerruhig hinnehmen;und —nebenbeibemerkt-—- keindeutschesInteressewürdeunshindern,einenvonPetersburgansge- stellten Antrag auf Acnderung dieses Zustandeszuunterstützen.Nochaber bestehter; undwerihn beseitigenwill, mußKlugheitder Stärkegesellen.Das hatdie Abenteurerkamarilla vergessen,die denarmen NikolaiAlexandrowitsch schmeichelndbeherrschLJndembegreiflichenAergerdarüber,daßdenJapanern vonfremden Schiffen Munition, vielleichtnochmanchesAnderegeliefertwird, hat sie nachMitteln umhergespäht,diesolcheLieferunghemmenkönnten.

Ganzeinfach,dachtendie dummen Schlauköpfe:wirschickendieFahrzeuge derFreiwilligen FlottealsfriedlicheHandelsschisfedurchdieDardanellen, lassensie dannihre Geschützedemaskiren undgeben-ihnendenAuftrag,am SuezkanalundimRothenMeerjedes verdächtigeSchiff anzuhalten,zu untersuchen und,wennKriegscontrebandegefundenwird,mitrussischerBe- satzungin einen neutralen Hafenzuschleppen,wodasWeiteredannverfügt werden wird. EinKindereinfall,gegen denman nichtinheißemZornwettern, denman liebermitleidigbelächelnsoll. DaßdiepetersburgerHerren sichvon sittlichenSkrupeln nichtlange aufhalten ließen,bedarfkeinerRechtfertigung Daß sieaberandieDurchführbarkeitihres Planes glaubten, stellt ihrer Fähigkeit,politischeMöglichkeitenzuerkennen,dasschlechtesteZeugnißaus.

JM Rothen Meer, schonhinter PortSaid istsindiesemSommer sichersehr heißUnd diefürnichtim Orient gebrühteHirnekaumerträglicheTemperatur Mag dierUssischenKreuzerkapitänenochzuPrivatdumtnheitenverleitethaben.

DerAuftragbliebedennochthörichtgenug.Jetzt, währendeinesKrieges,der jede russischeAktion inEuropa unmöglichmacht, solltendieBriten sichge- fallen lassen,wassiekauminruhigen Tagen geduldet hätten?Siesollten geduldig zusehen,wie derMeerengenvertrag frechgebrochen,ihrerFlaggedie Reverenzversagt,ihre Schiffahrtwider alleSatzung geschädigtwird ?Auch deutscheSchiffesindbelästigtundausihremKursgeschlepptworden. Dar- über wäremanmit ein paarhöflichenPhrasen bequemhinweggekommen.Die

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russischeRegirung hat sichdieGewißheitverschasft,daßsiewährenddesKrieges vonDeutfchland undOesterreichkeineunfreundlicheHandlungzufürchtenhat.

Diegroße,diebeinahe einzigeGefahr droht ihrvon England:undindieser Lage mußte siedie denJapanern—- freilichnur recht lose—- verbündeten Briten ärgern,bisaufsBlutreizen.DieRegirung? Ja,werregirtdenn jetztinRußland?NurFiguranten sind sichtbar; dieRegisseurebleiben im Dunkel. GrafLamsdorff,derkeinGenie und kein Mann vonzäherWillens- kraft ist, docheinklarer,besonnener,in moderner Schule gebildeterKopf, ist andemThorenstreich sicherunschuldig, hat sichernichteinenAugenblickan dieWirksamkeiteinesalbernen Schwindelmanöversgeglaubtundwurde wahrscheinlicherstumRathgesragt,alsdasBritengeschreidieregirendeClique schreckte.DawurdedenKreuzernderFreiwilligen Flottedannschnelldas Durchsuchungrechtentzogen. Vielleichtnichtformell nochgenerell;jedenfalls aberistdemUebereiferabgewinkt,denerhitztenHeldenspielernvorsichtigste Zurückhaltungempfohlenwerden. Unddarum Räuberund Mörder? Da- rum denaltenRufrussischerDiplomatie,nichtsUnkluges, nichts unklugzu thun, aufeinSpiel gesetzt,dasnieEtwas einbringenkonnte? Als dieersten Kapergerüchtekamen, durfteman glauben,eshandle sichumdenVersuch einerEinschiichterungDieRussen, dachteman,wissennatürlichselbst, daß sie ihre Forderung nicht durchsetzenkönnen,wollenaberzeigen, daß sie auf demPosten sind,unddieContrebandelieferantenzurVorsicht mahnen.Nun aber,nachdem kaumnothdürstiggedecktenRückzug,istdieLagefürRußland schlimmeralsvordemHundstagewerkEnglandkann demBaltischenGe- schwader,dasendlichjaeinmal seeklarwerdenmuß,mancherlei Schwierig- keitenschaffenund,mit AmerikasBeihilfe,denSultan zurvölligenSperrung derDardanellen drängenzunddiePrifengefahr hat ihre letztenSchreckenver- loren.Dennnachder üblenErfahrungimFallMalakka werdendieRussen sichängstlichvorneuer Belästigungfremder Fahrzeuge hüten,solchersogar, diedringend verdächtigsind,Kriegseontrebandezuführen.UndJapan wird, wenn Skrydlows keckesGeschwaderihm nichtbeiYokohamaundTokio die Zusuhrabschneidet,ausEuropaundAmerikaerhalten,wasesirgend begehrt.

III

WenndieThatsache, daßandere Leuteauch Dummheiten machen, Trostzuspendenvermag, dannhabendieRussendieböseWochevorden Sextilkalenden nicht ungetröstetverlebt. Dichtanihrer Westgrenzebotsich einSchauspiel,dasbewies,quantillaprudentia auchinEuropa nochheute derErdkreis regirtwird. NurwardkeinemerischendesLebensungemischte

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FreudezuTheil.DieHauptverhandlungwiderBraunundGenossen,die, denAngeklagtenzumHeil,in derZeitdergeräuschvollstenKaperthatenvor demkönigsbergerLandgerichtihremEndezuneigte,konnte den inPetersburg waltenden Coulissengötternzeigen, daß ihre Kurzsichtsienichtvonmodisch vermummten Staatslenkern unterscheidet;mußtesieaberauchärgern. Nicht, weil dasVerfahrenohne jedeslohnende Ergebnißblieb, sondern,weilvor GerichtderrussischeKaiserunddierussischenZuständegeschmähtunddiese SchmähungenintausendBlätternweiterverbreitet wurden. Daswardas ResultateinesVerfahrens,dasdenHerrnunddenTshinallerReußenvor Verunglimpfung schützensollte.»SehtJhr«,könnenanderNewa dieBlin- den denTadlern zurufen: »dieDeutschen habenamFrischenHasfnicht mehr GlückgehabtalswirimRothenMeer; auch ihrVersuch,einenunbequemen Störer einzuschüchtern,ist kläglichmißlungen.Undihre Unklugheitwar fast noch größer;dennsie haben sichnichtimKampfe füreinnationalesBedürf- niß, sonderninunserem DienstdieSchlappe geholt.«EinTrostwäre es.

DochwiesprachHiobzuEliphas? »Ihr seidallzumal leidige—Tröster.«

DieParoxysmen,andie unsdieBesprecherdeskönigsbergerPro- zessesgewöhnthaben,kann und willichnichtleisten. Nicht empörendfand ich dieseKriminalkomoedie,sondernbeschämend;siereizteherzumSpottals zurWuthundhat DasistihreeinzigeguteSeite ja auchkein armes Menschenkindempfindlichgeschädigt.Wer revolutionäreSchriftenüber die Grenzeschmuggelt,mußmit dernahen MöglichkeiteinerGesängnißstrafe rechnen(wobliebesonstdas Verdienst,der Anspruchaufeinen PlatzimMar- tyrologium?)unddiekönigsbergerRichter ließenesbeidrei Monaten als höchstemStrafmaßbewenden. Die der Stadt Kantsangethane Schmach, derSchandfleckaufPreußensEhre,derangeklagte,verurtheilte, zusammen- gebrochene,imSchmutz erstickteZarismus:DasundAehnlichesist fürden agitatvrischenHausgebrauchund alsFeriensensation vielleicht gutzu ge- brauchen,hatmiternsthafterPolitikabernichtszuthun.Einmetkwürdiges Vergnügen,denOzeanmitStachelruthenzupeitschen;KurzweilfürKinder.

WirWollen in allerRuhe prüfen,warum,mitwelcherAbsichtdieserProzeß begonnenundmitwelcherKriminalistenweisheiterdurchgeführtwurde.

Für seine NothwendigkeithattenimParlamentzweiExcellenzenge- zeUthHerrSchönstedt,derpreußischeJustizminister,undHerrvonRicht- hofen,derStaatssekretärdesAuswärtigenAmtes.Wer dieErinnerungan dieGroßthatendieserWürdenträgerin treuemGedächtnißbewahrt,konnte Schlimmes ahnen;immerhinmußteaucheraneinen normalen Verlaufder

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Sache glauben.DieMinifterialinstanzhattesichjuriftisch,dasAuswärtigeAmt politischdamitbeschäftigt:also mußteAlles inbesterOrdnung,derftrafbare Thatbestand festgestellt,dasrechtlicheFundamentdesVerfahrens gesichert sein.Wennzwei Excellenzensichpersönlichbemühen,wenndreiVierteljahre languntersuchtwird unddieAnklageschriftdreihundert Foliofeiten füllt, ist gewißeineverblüffendeEnthiillungzuerwarten. GeheiineVerbindung,Hoch- verrath,gröblicheBeleidigungdesZaren,vonLondon,Zürich, Genfaus organisirter Schriftenschmuggelt sicheristseineLebensgefahr,ausder das Deutsche ReichdieReußenregirungreißt. Offenbar haben unsereStaats- männerdieSchleichwegeeinerinternationalen Verschwörungentdeckt und die Häupterheimlichso fest gepackt,daßsiedemRächerarmnicht mehrentrinnen können.Rußlandwirdsich,alsdiezunächstbetheiligte Macht,dankbarer- weisen;undhatsichdasalteSchlagwortvonder,,Solidarität derkonserva- tivenInteressen«erstwiedereingebürgert,dann lebtvielleichtauchdieHei- ligeAlliancenocheinmalauf.Einholder Traum, jauchztederEine ; ein quälenderAlbdruck, ächztederAndere. DiegutenSeelen,dieimmer,trotz allerErfahrung, noch wähnen,imneustenDeutschland müsse,weil Redner- lärmgemacht wird, Großesgeschehen!JndergemeinenWirklichkeit sahdie Staatsaktion ganzanders aus. NichtsalsderüblicheSchriftenschmuggel, andendiepetersburgerBureaukratie längstgewöhntistundüber densiesich kaumnoch aufregt.Jn Rußland hat beinahe JedereinenFreund,derihm verboteneBücherundBrochuren verschafft,undhundert Plehweskönnten nicht hindern, daßdieSchriftenMarxens,Bakunins und derspäterenNihi- listenauseinemStudentennestins anderegeschlepptwerden.Jst auchkein Unglück.Vor einerpolitischenRevolution nach pariser Muster zitternweder die Romanows nochdieTfhinowniks.Dieselben Menschen,diegestern für Tolstois EssäerevangeliumschwärmtenunddasBildderVeraSassu- litschwie einKultgeräthehrten, ziehenmorgen inpatriotischemHochgefühl gegenJapaninsFeld. AquderEisenbahn fluchen sie leisewohl nochder Regirungz aufdemSchlachtfeldpreisen siedasLos, fürsHeiligeRußland fechtenundfallenzudürfen.Sowars seitderDekabriftenzeitundsowirds nocheine Weile bleiben.WäredasZarenreich durchrevolutionäre Literatur in dieLuftzusprengen,dannhätteesschondieTageTurgenjews nichtüberlebt.

DenStrafantrag, den diedeutschenBehördenwünschen,sollen sie haben, aberwir regen uns wegensolcheralltäglichenGeschichtenicht aufundstiirzen unserst rechtnichtinArbeitunkosten. Sehr nett, daßsichdieLeutebemühen;

dochdiebösenPamphlete hältdemRiefenleib unseres Reiches aufdie Dauer

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keinEifer fern...DerHerrnvonRichthosenvorgesetzteCitiirkünstlersollte .denStaatssekretärandasweiseWorterinnern,das unswarnt,-Wohlthaten saufzudrängenDeutscheMandarinnen haben nichtdieAufgabe,Rußland zuretten; dürften,ohnederPflichtzufehlen, wenigstenswarten, bissolche Rettungerbetenwird.Dasthaten sienicht.Wollten diligentiaim prästiren und vergaßen,dieEilsahrtgegenEntgleisungzusichern.DieRussenblieben kühl,antworteten aufdieFragen unserer Behördengarnichtodermitun- höflicherVerspätung,zeigtenkeinirgendwiesichtbaresInteresseanderSache,

undwünscheniminnerstenHerzenskämmerleinjetztwahrscheinlich,derHim- melmögealleRechtgläubigenfortanvorsogefährlicherFreundschaftschützen.

DieHauptverhandlung ließwiedererkennen,wieweitdas Elend deut- scherStrafrechtspslege gediehenist.WannendlichkommteinProzeß,dem derAufrichtigenichtargeGlossennachsendenmuß?DaßinKönigsbergKant falschcitirt, SpinozamitHegel verwechseltwurde,maghingehen; aufdas Postulat allgemeiner Bildung hatdieWesensartvielhöhererBeamtenuns längst verzichtengelehrt. Aufsallenderwarschon,daßdiehartbedrängtenVer- treter derAnklagesichzu derBehauptungverstiegen,einOberstaatsanwalt könneinamtlicherFunktionebenso leichtirrenwiejederandereMenschund dieReichsgerichtsrätheseien»auchnurJuristenwie wir«.VielSelbstgesühl undkühnerMuth.LeidergabdiesichtbareLeistungdenProkuratorenkeinRecht zusolchemStolz.DerProzeßstoffwarsomangelhaftvorbereitet,daß,zumBei- spiel,erst nach langer Wirrung halbwegs festgestelltwerdenkonnte, welche Schriftenbei deneinzelnenAngeschuldigtengesundenwordenseien.Nachneun- monatigerUntersuchung.MandenkesicheinenBandendiebstahl,indessen HauptverhandlungderGerichtshofdurch umständlicheVerhöreermitteln muß,ob die Seidenwaare beiFranz Müller,derLeinwandballenbei Aron Kanalgeruchgefunden wurde;Niemandkönnte demVorsitzendenverübeln, wennerdem Staatsanwalt seineMeinungübersolcheProzedur ungemein deutlichsagte.DerkönigsbergerPräsidentwarmanchmalzuheftigundließ sichmanchmalwieder dieLeitungentwinden. »DaßdieReporterfalschbe- richteUssehenWirhier jedenTag.« »DieSozialdemokratenhabendenGrund- satz-VorGerichtdieUnwahrheitzusagen.«DieseAeußerungenzeigten nicht die edleRuhe,dievoneinemRichterzufordern ist,undriefenlautenWider- stuchhervor,derfüreine WeiledanndieThatkraftdesVorsitzendenzu lähmenschien.NachsolchenZusammenstößenbeherrschtendiesozialdemo- kratischenVertheidigerdasForum.Siewaren gewaffnetund hattendie Ar- beitgethan,die derStaatsanwaltschastundderdasVerfahren eröffnenden

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"170 DieZukunft.

Kammer unnöthigerschienenwar.Kaumglaublichklingtsundist dennocher- wiesen:in einemProzeß,dermitWissenundWillenderhöchstenJnstanzen eingeleitetwordenwarundfür dessenBerechtigungunddrängendeNothwen- digkeitsichdieHerrenSchönstedtundRichthosenimParlamentverbürgthat- ten, wurde in derallerletztenStunde festgestellt,daßeineVerurtheilung wegen HochverrathesundMajestätbeleidigunggarnicht erfolgen könne,weil kein russisches Gesetzdie in denParagraphen102und103StGB verlangte Gegenseitigkeitzusichere.MitdieserFrage standundfiel dasVerfahrenz sie mußteunzweideutigbeantwortet sein,ehederEröffnungbeschlußgefaßtwurde.

Niemand hattedarangedacht.Wirdsichspäterfinden.Einstweilensinddie Leute ,,hinreichendverdächtig«undsitzenimLoch.DiedickeAnklageschriftschrumpfte zu einemPapierhäuflein.DieBeschuldigung,dieAngeklagtenhättendurch dieVerbreitungderPamphletedenZaren beleidigt,ließderStaatsanwalt selbst fallen;vonderAnklage,Hochverrathgeübtundgegen einenbefreun- detenStaat feindlicheHandlungenunternommen zuhaben, sprachderGe- richtshofalleBeschuldigtenfrei. Resultat: Sechs unbeträchtlicheGenossen werdenausein paarWochen eingesperrt,weil dasKollegiumzu der Ueber- zeugung gelangt ist, sieseiender»TheilnahmeaneinerVerbindung«schuldig, -»derenDas ein,VerfassungoderZweckvorderStaatsregirung geheimgehalten werdensoll.«DieWirkung dieses nicht unanfechtbaren Urtheils ist leichtvor- auszusehen.Danichts Aergereszufürchtenist,wirddieEinschmuggelung derRebellenliteratur künftigingrößeremUmfangbetriebenundnur jedes ThatbestandsmerkmaldesGeheimbundesvermiedenwerden.

HatderProzeßalsokeineUeberraschunggebracht? Doch: eine;eine geradezuverbliiffendesogar,die eineneue AeraderRechtspflege eröffnen kann. Die innereundäußerePolitikdesZarenreiches istzumGegenstande derBeweisausnahmegemachtworden.Jm Ernst.DasGericht hat sichnicht damitbegnügt,Tage langallevondenBrandrothengegenNikolaiAlexan- drowitschunddessenRäthegeschleudertenFlücheverlesenzulassen:eshatauch über dierussischenZustände»Beweiserhoben.«Zu welchemZweck? Nonli- quet.WennderZareinneronischesScheusal,RußlandeinvonGräuelsaatbis andieäußersteGrenzebedecktes,einhimmelan stinkendesKhanat wäre,müßten Deutsche,die gegendiesesunsimSinndesVölkerrechtesbefreundeteLand eine feindlicheHandlung begangenhätten,nachderNormdesGesetzesbestraftwer- den.FürdieFrage nachderSchuldoderUnschuldderAngeklagtenwar diese langwierigeBeweisausnahme alsounerheblich.UndfürdasStrafmaß?Soll künftigetwavorLandgerichten»thatsächlichfestgestellt«werden,wannineinem

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Perim-.Königsberg. 1 7 l

fremdenStaat einZustand eintritt,derfeindlicheHandlungenrechtfertigt oder dieSchuld mindestens mildert,wann einfremderMonarch sichsobe- trägt,daßerSchmähungverdient? Dann können wirhübscheDingeerleben- WennHerrvonKoscielskivordemSeinetribunal überdiepreußischePolen- politik,HerrBebel inZürichüberZuchtundSitte imdeutschenHeerver-

nommen würde,bekäme die WeltvielleichtähnlicheUrtheilezuhören,wie der demrussischenDienst entlaufeneProfessorvonReusner sieinKönigsberg

-überseinVaterland fällte. Jchweißnicht,ob derHerrZeugeoderSachver- ständigerwar;jedenfallsschilderteerRußlandalseineHölle,inderenKoth- gestankselbstSatans Großmutternichtlebenmöchte.Daswar seingutes Recht.Aber eineZeugenaussage?DasbeeideteGutachteneinesSachver- ständigen?ZehntausendgebildeteRussen,dienichtzumTfhin gehören,keine Gunst erstrebenund dasLeid,denfurchtbarenJammer ihresLandestiefem- pfinden, hättendiesemProfessorinleidenschaftlicherEmpörungwidersprochen.

Nein: eineStrafkammerkannnichtüberden status einesReiches urtheilen; nichteinmalüberden deseigenen,dassiewenigstenskennt. Wenn dieHerren

vonManteuffelundRichter,GrafReventlowundSinger,SattlcrundFaz- dzewskizurAussageüberNutzenundNachtheilder neudeutschenPolitikbe- rufen würden,kämensechsgrundverschiedeneAuffassungenandenTag.Soll dann gegenRichter undGenossendasVerfahrenwegenEidesverletzungein- geleitetwerden? DiekönigsbergerMethode,die denältestenValkanklatsch, crambe repetita, wiederauffrischen ließ,wirdsich nicht einbürgern.Sie entsprichtwederdeneinfachstenPflichteninternationaler Höflichkeitnochden Erfordernissenernsthafter RechtsprechungWirwürden unsihre Anwendung auf unsereVerhältnissehoffentlich selbstvondemmächtigstenStaat nicht gefallen lassen;undsollten sie deshalb auchkeinem Anderenzumuthen.

Diesmalpaßtesiein dasganze Bild. DenRufsensollein unerbe- tenerDienst geleistetwerden. Soungefährwie in derZeitdesPolenauf- standes,woBismarckvonallen liberalenMännern einfeigerKnutenknecht ohncNationalgefühlgeschimpftwurde. Bernhard, gebt Acht, hat nichtge- ringerenMuthalsOtto; auchertrotztstolzeiner Welt. Bismarcksperrte denHCUIfenMazzinisundMieroslawskis,BülowdenTitanen Mandelstamm undSilberfarbdieGrenzeundverfolgteBraun, Nowagrotzky,EhreUPfOkt undGenossenbis indie-HallendesLandgerichtes.Durch dieseAktion wurde MancheserreichtWassonstkaumanarchistischeWinkelblättchenüber den Zarenzuveröffentlichenwagen,standnun in allenbourgeoisenZeitungen.

DieSchriftenschmugglersindnichteingeschüchtert,sondern ermuthigtworden«

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»1.72 DieZukunft..

»UnddieBeweisaufnahmein puncio russischeZuständehat, solasen wir, »für ldenZarismuseinvernichtendesErgebnißgehabt.«AmFrischenHaffderselbe Triumphwie imRothenMeer...VonNeunmalweisen, die, wichimdall, derAse,dasGras wachsenhören, istinRußlandundFrankreich dieFabel verbreitetworden,WilhelmderZweite seinur nach Kiautschougegangen, umdieRussenin dieFallevonPortArthurzu locken unddenDeutschendie unbestritteneVorherrschaftinEuropazusichern.Das ist natürlichUnsinn, wirdabergeglaubtundistbis ingroßepariser Zeitschriftengesickert.Wahr- scheinlicherwürdeimmerhin, sothörichtsiewäre, dieBehauptung klingen,die deutscheStaatskunst;derman sichtbareDummheiten draußennoch nichtzu- trauen möchte,habedenkönigsbcrgerProzeßnur begonnen,zumunter dem VorwandeinesFreundesdienstes,dendiebethörtenRnssenihrobendreingar nochdankenmüßten,dasZarthumvorEuropagründlichzukompromittiren.

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» Soboshaft ist unserReichsplauderer nicht.ErhatGutesgewollt;

dochleiderrecht Schlimmes geschaffen.SeitJahren istimdeutschenLand nichtmitsolcherWuth,solchemHaßüber denNachbarimOsten gesprochen wordenwiejetzt.Warum? VondenzwischenPerimundSuez begangenen Thorheitenhatdiepetersburger RegirungschleunigEntschuldigungerbeten; undfürdiekönigsbergerKomoedieist sie nicht verantwortlich. Habenwir auchnur über dierussischenZuständeNeues erfahren? NichtdasAller- JgeringsteWieesscheint,lebenunterunsaberLeute,diewähnen,jetzt,während desAsiatenkrieges, seies anderZeit,über die Moskowiter herzufallen.Mit demMaulund derFeder, verstehtsich;aneinenKrieggegen dasReichderRo- tnanows denkensie nicht,nur: daßman Rußland,daesdochnächstenszu- sammenbricht,nicht mehrängstlichzuschonenbraucht. Dieser Wahn birgt ernsteGefahr.Rußlandwirdsehr schlechtregirt;derKlüngel,der da mit hundertunddreißigMillionen Menschenschaltetwie miteinerMeute,einer Katzenbrut,bereitetdemkleinen,kränkelnden,inden TraumderGottähnlichkeit gelulltenAutokraten Schwierigkeiten,diesichbaldfühlbar rächenwerden.

DochdasZarthum,dasBonaparteundPalmerston,denKrimkrieg,Gortscha- kowsGroßmannssuchtunddieersteRasereidesTerrorismus überdauert hat,wirdauchdensinnlosen,ziellosenFeldnggegenJapanüberleben.Wenn dreiArmeeeorpsnicht ausreichen,wirdesfünf, sechsnachOstasien schicken, außerdensechshundertMillionen,diederKriegbis zum Ende des Kalender- jahres1 904kostenwird,imnächstenJahr,wennsseinmuß,nocheinegeborgte Milliarde Rubelin dasAbenteuer stecken, undwirdschließlichsiegen,

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Perim-Königsberg. 1 7 3

weilessiegenmuß;weilesmehr Menschen, mehr Geld, also mehr Zeithat alsseinGegner.DerRiesenleibwirdaus abertausendWunden bluten; doch von allenSeiten werdenstarkeFreundedenSiegerumwerben. Sollunsere Wirthschaft undPolitikdannunter denFolgendesvonunverantwortlichen SchwärmernundPhrasiernbewirkten Lärmesleiden?SolldenDeutschen danndasBewußtseintrösten,daßderZarismusin derHundstagshitzedieses Heilsjahres ausderAnklagebanksaß,inunzähligenLeitartikelngebrandmarkt, von einemGerichtsschwätzerkontumazirt,mitDonnerkeilen zerschmettert wurde? Ueber einenKrieg,ausdemEtwas zuholen wäre, ließesichreden;

Scl)i111pferei,diesichbis zukriegerischenKonsequenzennichtvorwagen darf, istimVölkerverkehrimmergefährlich.DieHerrenBalsourundChamber- ,lainwerdenPalm erstons Jrrthum nichtwiederholen,dasZarenreich nicht für ohnmächtighalten,sondern stets ausdieStundelauern,dieeinererträglichen VerständigungmitRußland günstigscheint.Mittenim lautestenAergerüber dieBelastigung britischerSchifseriefuns, einpaarWochen nachdemkielerVer- ssöhnungsest,diePressedesJnselreichesüber denKanal: VonEuchwollen wir nichts wissen,unterkeinenUmständenmitEuchgemeinsamhandeln; unser Freund,unserMandatarinPetersburgistFrankreich;Jhr,liebeVettern, eßt EureSuppe gefälligstallein aus.Und indieserSituation wollen wir demoffi- ziellen Rußland, nachBismarcks burschikosemWort,dieFenster einwerfen, weilFinenundValten, PolenundJuden, LutherischeundSektirer,weil diehitzigstenVertreter derIntelligenzvonderanderNewaregirenden Sippe schlechtbehandeltwerden? Jeder Deutsche sollte sichsdreimal überlegen.

Rußlandistum mindestenseinJahrhundert hinter Europa zurückundhat jetztdasUnglück,dieAllgewaltin derzitternden Handeinesunzulänglichen Monarchenzusehen.WennnichtalleZeichen trügen,wirdesinnächster Zeit schwereStunden undschmerzhafteEnttäuschungenerleben;undgerade dadurch vielleichtaufdenWeggesunder organischerEntwickelunggedrängt werden. Starkaber,einungeheurer FaktorimRechenexempelinternatio- nalerPolitikwirdesinjedemFallbleiben;undwirhaben nicht so mächtige Freunde, nicht so naheundzahlungfähigeKunden, daßwir,ausSchwär- mcreifüreineFreiheit,derenköstlichsteGüterwirselbstnoch entbehren,uns solchemNachbar entfremdendürften...ThorheitenderRegirenden,wiedie letztenWochen sieuns wiederzeigten, sind unangenehmgenug; die Völker sollten,so lange sienichtim Lebensnervbedrohtsind, nüchternbleiben und das Privilegium,Dummheitenzumachen,neidlosdenExcellenzengönnen.

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Das mag sein, wird man mir sagen; und doch können die Kriege erst dann aufhören, wenn alle oder die meisten Menschen die Theilnahme am Krieg.. Die Weigerung eines Einzelnen, er sei

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