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Ä STH ETIK UND STATISTISCHEN BESCHREIBUNG DES PROSARHYTHMUS

V O N

F R IE D R IC H GROPP.

IN H A L T .

^ 1. Der ästhetische Umdruck von S c h riftw e rk e n ...13

§ 2. frühere Untersuchungen über die äußerlichen Faktoren des ästhe­

tischen E in d r u c k s ... ...

§ 3. Zur Charakteristik der besprochenen U n te rsu ch u n g e n ... 54

§ 4. Zweck der eigenen U n te rs u c h u n g e n ... 56

§ 5. Bemerkungen von F r ie d r ic h S c h le g e l, D o ro th e a S c h le g e l, B r in k m a n n und S c h le ie rm a c h e r über den Rhythmus in H ü l- sens ,,Natur-Betrachtungen auf einer Reise durch die Schweiz“ und S c h le ie rm a c h e rs „Monologen“ ...57

§ 6. Genügt es, wenn eine einzige Person einen T ext sorgfältig skandiert ? . . 59

§ 7. Über den Rhythmus bei H ü ls e n und S c h le ie r m a c h e r ... 62

§ 8. Die Tabellen der h - W e r t e ... 68

§ 9. v und —• als Maßstab fü r den rhythmischen Charakter eines Textes . 74

§ 10. Zusammenfassung der R e s u lta te ... ...

§ 1. D E R Ä S T H E T IS C H E E IN D R U C K V O N S C H R IF T W E R K E N .

Der ästhetische E indruck von Schriftwerken, den w ir haben, wenn w ir ein S chriftw erk lesen oder hören, ist von vielen Faktoren abhängig. Zunächst kom m t n atürlich der Sinn *) der W orte in Be­

tracht, der in dem Leser oder Zuhörer gewisse Bedeutungserlebnisse auslöst, die auch fü r das sogenannte „Verstehen“ des Textes

wesent-] ) K . M a rb e , Vierteljahrsschrift fü r wissenschaftliche Philosophie und Soziologie. Bd. 30. 1906. S. 491 ff.

lieh sind. Solche Bedeutungserlebnisse, die freilich in d ividue ll sehr verschieden sein können, bestimmen auch den ästhetischen Eindruck.

Außer diesem in der letzten Zeit hauptsächlich durch T h e o d o r M e y e r 1) und die moderne Denkpsychologie2) aussichtsreich be­

handelten F aktor, den w ir als den inneren bezeichnen können, g ib t es noch eine ganze Reihe von mehr äußerlichen Faktoren, welche bei der Bestimmung des fraglichen Eindrucks wirksam sind. Schon die Form des Druckes kann z. B. meine ästhetische Stimmung bei der Lektüre von Gedichten beeinflussen. Daß ein schlechter V ortrag eines künstlerisch wertvollen Gedichtes jede ästhetische W irkung vernichten kann, ist bekannt. Auch der R hythm us, die Melodie und vieles andere gehört in die Gruppe der äußerlichen Faktoren des ästhetischen Eindrucks gelesener oder gehörter Texte. Daß natürlich der ästhetische Gesamteindruck ganz abgesehen von der individuellen Verschiedenheit der Bedeutungserlebnisse auch wesentlich von der jeweiligen Stimmung des genießenden Subjekts und den psychischen Eigenschaften dieses Subjekts überhaupt abhängig ist, braucht wohl nicht besonders betont zu werden.

Soviel über die Faktoren des ästhetischen Eindrucks gelesener und gehörter Texte. Der hier in Betracht kommende E indruck selbst besteht wie der ästhetische E indruck überhaupt in bestimmten Be­

wußtseinslagen, die wohl auch vielfach m it Lustgefühlen verbunden sind. Doch ist das Lustgefühl wohl kaum ein unumgänglich n o t­

wendiger F a kto r des ästhetischen Eindrucks. Auch der E indruck des Erhabenen w ird psychologisch betrachtet in gewissen Bewußt­

seinslagen bestehen. E in Teil der äußerlichen Faktoren des ästhe­

tischen Eindrucks is t auch fü r den sogenannten S til des Autors des Schriftwerkes charakteristisch.

Der E influß der äußerlichen Faktoren auf den ästhetischen E in ­ druck ist nun in den letzten Jahren mehrfach exakt untersucht worden.

Die Bedeutung dieser Untersuchungen geht freilich über die Ä sthetik w eit hinaus. Sie haben auch in psychologischer, sprachwissenschaft­

licher und philologischer Beziehung mancherlei Interesse. Im zweiten Paragraphen der vorliegenden S chrift soll über diese Untersuchungen berichtet werden. Später sollen im Anschluß an eine Schrift H ü ls e n s und die Monologen S c h le ie r m a c h e r s ausgeführte eigene U n te r­

suchungen m itg e te ilt werden. E in zusammenfassendes Referat über die 2) Th. A. M e y e r, Das Stilgesetz der Poesie. Leipzig 1001.

2) K . M a rk e , Fortschritte der Psychologie und ihrer Anwendungen. Bd. 3.

1915. S. 1 ff.

älteren Arbeiten dieses Gebietes dürfte deshalb von Interesse sein, weil ein solches bisher n ich t vorliegt, und es dürfte daher sowohl dem Ästhetiker als dem Philologen und Sprachforscher und dem Psycho­

logen willkom m en sein.

§ 2 F R Ü H E R E U N T E R S U C H U N G E N Ü B E R D IE ÄUSSER- ' L IC H E N F A K T O R E N D ES Ä S T H E T IS C H E N E IN D R U C K S .

Der ästhetische E indruck von Prosawerken ist wesentlich vom Rhythm us abhängig. A uf diese Tatsache wurde M a rb e bei der Lektüre des Anfangs des Rochusfestes von Goethe aufm erksam 1).

E r meinte, daß hier infolge des R hythm us ganz andere Bewußtseins­

lagen auftreten als etwa bei der Lektüre der Harzreise von Heine.

Um diese Ansicht zu prüfen, versah er selbst sowie einer seiner M it­

arbeiter sowohl den Anfang des Rochusfestes als den Anfang der Harzreise m it Akzenten. Statistische Untersuchungen ergaben dann, daß beide Texte allerdings in wesentlicher und in einer bei drei F ra k ­ tionen von je 1000 W orten wiederkehrenden Weise rhythm isch ver­

schieden sind. Die Akzentuierung bestand einfach darin, daß eben die „s ta rk betonten Silben“ m it Akzenten versehen, die anderen als

„unbetonte“ angesehen w u rd e n 2), — ein Verfahren, das sich tro tz gewisser naheliegender theoretischer E inw ände3) — n ich t nu r in der A rb e it von M a rb e , sondern auch später im m er wieder praktisch glänzend bewährte. M a rb e dehnte dann seine Untersuchungen auch auf andere Texte aus.

M it Z bezeichnet M a rb e die Anzahl der zwischen zwei aufeinander­

folgenden betonten Silben stehenden unbetonten Silben, m bedeutet das arithmetische M itte l der Z-Werte, v deren m ittlere V a ria tio n 4).

h0 bedeutet die Anzahl der Fälle, in denen Z = 0 ist, h x „ „ ;, ,, ,, ,, ,, Z = 1 ,, h2 >> >> >> >> >> >) j? Z = 2 ,, h n bedeutet die Anzahl der Fälle, in denen Z = n ist.

1) ygp zum folgenden K . M a rb e , Über den Rhythmus der Prosa. Gießen 1904. S* 3.

2) K . M a rb e , a. a. 0. S. 4.

“ ) Th. Z ie lin s k i, Archiv fü r die gesamte Psychologie. Bd. 7. 1906. S. 126 f.

4) Da diese Schrift keineswegs nur fü r Psychologen bestimmt ist, denen der Begriff der m ittleren Variation geläufig ist, sei bemerkt, daß man unter der m ittleren Variation von n Zahlen in der Psychologie diejenige Zahl versteht, die man erhält, wenn man aus den n Zahlen das arithmetische M itte l bildet, jede der

U nter A E verstehen w ir m it M a r be den Anfang des Bochus- festes, unter A H den Anfang der Harzreise. W ir können dann alle von M a r be gewonnenen Kesultate, die sich auf den Unterschied von Bochusfest und Harzreise beziehen, in folgende Sätze zusammenfassen :

a) In A B ist m und v kleiner als in A H .

b) F ü r A B ist hx, h2, h3 im allgemeinen größer als fü r A H ; h4, h 5 usw. ist fü r A B durchschnittlich kleiner als fü r A H . Als Sätze, die fü r A B und A H sowie auch fü r die anderen von ihm untersuchten Texte gemeinsam in gleicher Weise gelten, ergaben sich folgende:

c) Z ist der Zahl 2 häufiger gleich als irgend einer anderen, d. h.

also h2 ist größer als h0, hx, h3, h4 usw.

d) Die H äufigkeit der rhythm ischen Formen _L JL 1___ JL, 1_______ 1 usf. ist durchschnittlich um so geringer, je mehr Z einerseits den W ert 2 übersteigt, und je mehr es anderer­

seits h inter dem W ert 2 zurückbleibt, d. h. also: es ist im a ll­

gemeinen h0 < hx; hx < h2; h 2 > h3; h3 > h4; h4 > h 5; usf.

Denselben Satz können w ir auch so form ulieren: Die h-W erte nehmen um so mehr ab, je mehr sich ihre Indices vom Index 2 entfernen.

e) — ist ungefähr gleich 0,5.V

f) Der M axim alw ert von Z beträgt zirka 11.

Die Sätze c, d, e, f haben eine gewisse allgemeine Bedeutung fü r die deutsche Sprache. Die Sätze e und f scheinen überhaupt fü r das Neuhochdeutsche eine universelle Bedeutung zu haben 1), wenn auch

V . . . ,

- in den einzelnen Texten schwankend ist und, wie w ir sehen werden, gelegentlich ca. 0,3 betragen kann. Die Sätze c und d treffen freilich nu r fü r bestimmte Textgattungen allgemein zu. H u g o U n s e r, welcher nach den M a r besehen Methoden viele Texte von Goethe untersucht hat, fand näm lich, daß diese Sätze allerdings auch fü r sein eigenes M aterial gelten, soweit es sich dabei um Texte handelt, die einen künstlichen B hythm us aufweisen und den Gattungen der erzählend-beschreibenden Prosa angehören. E r bemerkte jedoch, daß * *) n Zahlen wieder von dem M itte l subtrahiert und dann aus den so gewonnenen Zahlen wiederum ohne Rücksicht auf ih r Vorzeichen das arithmetische M itte l bildet.

*) H. U n s e r, Über den Rhythmus der deutschen Prosa. Freiburger Disser­

tation. 1906. S. 37 f.

im Gespräch und dem affektvollen B rief / öfter gleich 1 als gleich 2 ist und daß fü r diese Textgattungen der Satz g i l t : Die h-W erte nehmen um so mehr ab, je mehr sich ihre Indizes vom Index 1 entfernen. Der affektlose B rie f n im m t nach U n s e r eine M ittelstellung zwischen dem affektvollen B rie f und der Erzählung ein. Ferner stellte U n s e r fest, daß m und v in der Erzählung und im affektlosen B rie f am größten sind, daß sie dagegen im affektvollen B rief und im Gespräch kleiner sind.

Im folgenden teilen w ir zunächst eine Tabelle aus der A rbeit von M a rk e m it, die sich auf die ersten (I), die zweiten ( II) und die d ritte n ( I I I ) tausend W orte des Rochusfestes und der Harzreise, sowie auf Briefe Goethes und Heines, sowie endlich auf einen Text von V olkelt bezieht. Die Buchstaben M, R und D zeigen an, ob der betreffende Text von M a rb e oder von R o e tte k e n oder von D ü r r (f) skandiert wurde. Diese Tabelle bezeichnen w ir m it A.

A .1)

Text A utor m V V

m

Rochusfest I (M) . . . . Goethe 2,34 1,10 0,47

Rochusfest I I (R) . . . . 99 2,07 0,88 0,43

Rochusfest I I I (M) . . . 2,24 0,96 0,43

Rochusfest I I I (R) . . . 99 2,35 1,02 0,43

Brief an Fried. Oeser (M) 2,30 1,06 0,46

Rezension ( M ) ... 2,47 1,14 0,46

Lehrjahre I (M) . . . . 2,36 1,16 0,49

Lehrjahre I I (M) . . . . ,, 2,22 1,08 0,49

Brief an Schiller (M) . . 2,29 1,15 0,50

Brief an Zelter (D) . . . 99 3,05 1,59 0,52

Harzreise I ( M ) ... Heine 2,84 1,32 0,46

Harzreise I I (R) . . . . „ 2,36 1,06 0,45

Harzreise I I I (M) . . . . 99 2,73 1,21 0,44

Harzreise I I I (R) . • • ■ 99 2,62 1,22 0,47

B rief an Steinmann (M) . 99 2,34 1,06 0,45

Börne I ( M ) ... 99 2,76 1,30 0,47

Börne I I ( M ) ... 99 2,60 1,21 0,47 Brief an Campe (D) . . .

Fausts Entwicklungsgang

99 3,16 1,53 0,48

( D ) ... V olkelt 2,12 0,95 0,45

J) Übernommen von K . M a rb e , Über den Rhythmus der Prosa. Gießen 1904. S. 26.

Dann geben w ir unter B eine Tabelle von H . U n s e r wieder.

Jede Zeile dieser Tabelle ist aus einer ganzen Keihe verschiedener Texte von Goethe gewonnen. U n s e r hat alle seine Texte selbst skandiert.

B . 1 2)

Texte von Goethe (M ittelwerte).

Textgattung m V Vm

Gespräch... 1,95 1,10 0,56 A ffektvoller B r i e f ... 2,00 1,12 0,50 Affektloser B r i e f ... 2,42 1,29 0,53 E r z ä h lu n g ... 2,40 1,21 0,49

C .2)

Texte von Goethe (M ittelwerte).

Gespräch Affektvoller Brief

Affektloser

Brief Erzählung

h„ 37,9 39,5 21,8 14,1

hi 121,9 106,3 77,3 67,9

h, 80,0 86,0 76,8 89,4

57,3 52,7 50,4 56,2

h. 27,0 27,3 32,9 32,0

h 10,3 14,0 17,2 17,1

4,7 4,1 8,4 7,8

h7 1,3 2,1 4,5 2,9

hK 0,4 0,9 1,7 U

h0 0,3 0,1 0,7 0,2

hio h tl

— 0,2 0,5 0,4

0,1

Die Tabellen A und B beziehen sich auf die Größen m, v und ih r gegenseitiges Verhältnis. Die Tabelle 0 ist wiederum aus der A rb e it von U n s e r entnommen und bezieht sich nur auf Goethesche Texte.

M a rb e h a t am Schluß seiner S c h rift3) auf die W ichtigkeit des Studiums des Prosarhythmus fü r verschiedene Textgattungen h in ­

1) Übernommen von H. U n s e r, a. a. O. b. .50.

2) Übernommen von H . U n s e r, a. a. 0. S. 31.

3) K . M a rb e , a. a. 0. S. 28 ff.

gewiesen. U n s e r h a t zu dieser von M a rb e gestellten Aufgabe wesent­

liche Beiträge geliefert. Auch die Frage, ob der Prosarhythmus eines Schriftstellers m it dem F o rts c h ritt der Zeit va riie rt, wurde von M a rb e aufgeworfen. Ferner betont er, daß weitere zum R hythm us der Prosa nach seiner Methode angestellte Untersuchungen auf mancherlei spezielle Fragen L ic h t werfen können, wie z. B. auf das Problem des R hythm us der Satzschlüsse. Auch die Frage, wie der natürliche Prosa­

rhythm us m it den in der Poesie üblichen R hythm en zusammenhängt, könnte seiner Ansicht nach durch solche Untersuchungen gefördert werden. Auch Echtheitsfragen könnte man auf Grund ausgedehnter Untersuchungen dieser A rt näher treten. Auch die Verwertung ähn­

licher Methoden fü r fremde Sprachen, fü r den quantitierenden und den musikalischen Akzent bespricht er. A u f Grund dieser Anregungen sind, abgesehen von der A rbeit von U n s e r, viele andere Arbeiten entstanden.

E g g e r t 1) hat m ittels der M arbeschen R ußm ethode2) die Sprachmelodie untersucht und Beziehungen hergestellt zwischen dem musikalischen Akzent und dem von M a rb e und U n s e r allein unter­

suchten sogenannten dynamischen Akzent. E g g e r t bezeichnet die Gipfel der Melodiekurve als Tongipfel und kam auf experimenteller Grundlage zu den Ergebnissen 3) :

a) Jeder Tongipfel, der in größerem Zeitabstand dem voraus­

gehenden folgt, entspricht einem dynamischen Akzent.

b) Zu mehreren beieinander liegenden Tongipfeln gehört nur ein dynamischer Akzent.

c) Die dynamischen Akzente liegen kurz vor den zugehörigen Tongipfeln.

Diese Ergebnisse sind fü r den Zusammenhang des musikalischen und dynamischen Akzentes sehr w ichtig. Wenn man z. B. innerhalb der Kreise der Sprachforscher a n n im m t4), daß der ältere griechische Akzent melodisch, der spätere dynamisch war, so zeigen die U n te r­

suchungen E g g e r ts , daß der musikalische und der dynamische Akzent tro tz ihrer begrifflichen und sachlichen Verschiedenheit doch wesent­

lich voneinander abhängig sind.

x) B. E g g e rt, Zeitschrift fü r Psychologie. Bd. 49. 1908. S. 218 ff.

2) Zur L ite ra tu r dieser Methode vgl. K . M a rb e , Fortschritte der Psycho­

logie und ihrer Anwendungen. Bd. 1. 1913. S. 132.

3) B. E g g e rt, a. a. 0. S. 237.

4) Vgl. A. T h u m b , Fortschritte der Psychologie und ihrer Anwendungen Bd. 1. 1913. S. 144.

Fortschritte der Psychologie. I. lie ft. IV . liand. 4

Nachdem schon L i p s k y 1) ähnliche Untersuchungen, wie sie M a rb e fü r das Deutsche und teilweise fü r das Französische 2) m itg e te ilt hatte, fü r die englische Sprache ausgeführt hatte und nachdem er zu dem interessanten Ergebnis gelangt war, daß im allgemeinen den größeren m -W erten eine größere m ittle re Silbenzahl, den kleineren m-W erten eine kleinere m ittle re Silbenzahl parallel geht, gelangte K u l l m a n n 3) zu folgenden Ergebnissen:

a) Zwischen der Größe der Z-W erte und der Silbenzahl besteht ein Zusammenhang. Je größer das M itte l der Z-Werte ist, desto kleiner is t die Zahl der E insilber und desto größer ist die m ittlere Silbenzahl eines Wortes.

b) Das Drama h a t mehr E insilber als der B rief, dieser mehr als die Erzählung, und diese mehr als die Abhandlung. Der natürliche B rie f steht in seiner Einsilberzahl dem Drama näher, der stilisierte B rie f der Erzählung. — Die m ittlere Silbenzahl ist im Drama am kleinsten, größer im natürlichen Briefe, noch größer im stilisierten Briefe und in der Erzählung, und am größten in der Abhandlung. — Das Gespräch hat eine größere Zahl von Einsilbern und eine kleinere m ittlere

Silbenzahl als andere Darstellungsformen.

c) Gefühlsbetonte Texte haben mehr Einsilber als indifferente.

Die m ittlere Silbenzahl eines Wortes is t in gefühlsbetonten Texten kleiner als in indifferenten Texten.

Diese Ergebnisse zeigen zunächst, daß zwischen Prosarhythmus und Silbenzahl der W orte bestimmte Beziehungen bestehen und daß man daher auch sagen darf, der ästhetische E in d ru ck eines Textes sei auch eine F u n k tio n der Silbenzahlen der in ihm vorkommenden W orte. W ir sehen ferner aus den Resultaten K u llm a n n s , wenn w ir sie m it denen U n s e rs in Verbindung bringen, daß das Gespräch und der natürliche affektvolle B rie f zugleich kleinere Z-Werte und durchschnittlich kürzere W orte enthalten als die anderen Textgattungen und daß die V erm utung berechtigt ist, daß die verschiedenen T e xt­

gattungen (abgesehen vom Sinn und anderen Faktoren) auch infolge der verschiedenen Silbenzahlen der Worte einen verschiedenen ästhe­

tischen E in d ru ck machen. Daß gefühlbetonte Texte mehr Einsilber 1) A. L ip s k y , R hythm as a Distinguishing Characteristic of Prose Style.

Archives of Psychology. Nr. 4. New Y ork 1907.

2) K . M a rb e , a. a. O. S. 33 ff.

s) P. K u llm a n n , Zeitschrift fü r Psychologie. Bd. 54. 1910. S. 310.

enthalten und eine geringere m ittlere Silbenzahl auf weisen als in ­

stehenden Texten im allgemeinen derjenige langsamer gelesen w ird, der mehr Einsilber bzw. durchschnittlich kürzere W orte enthält.

Der ästhetische E indruck gelesener Texte erweist sich somit auch als eine F unktion der Lesegeschwindigkeit.

® eer weist zunächst darauf hin, daß der Anfang der lutherischen Bibelübersetzung einen erhabeneren E indruck mache als der Anfang dei Bibelübersetzung von Kautzsch. Statistische Untersuchungen ergaben nun, daß jene viel langsamer gelesen w ird als diese, daß aber vorige Tabelle den inneren Zusammenhang zwischen Einsilberzahl, m ittle re r Silbenzahl und Lesezeit. A lle Texte wurden den Versuchs­

personen natürlich in gleicher (Schreibmaschinen-) S chrift vorgelegt.

B e e r zeigte, daß die Lesezeit vom „S in n w e rt“ der W orte ab­

hangt und daß kürzere W orte deshalb langsamer gelesen werden, weil im allgemeinen die H äufung von Einsilbern resp. die Abnahme

') M. B e e r, Zeitschrift fü r Psychologie. Bd. 50. 1910. S. 264 ff.

4.*

der m ittleren Silbenzahl m it einer H äufung von Sinnwerten parallel geht. Die Lesezeit ric h te t sich also n icht nach der Größe der W orte und der Silbenzahl, sondern nach der Anzahl der Sinn werte dieser W orte.

Einsilber m ittleren Silbenzahl parallel geht, verlängert die Lesezeit.

b) H äufung von Einsilbern, resp. Abnahme der m ittleren Silben­ daß Gefühlsbetonung, Silbenzahl der W orte, Sinnwerte, R hythm us und Lesezeit m iteinander im Zusammenhang stehen und daß sie som it alle als Bedingungen des ästhetischen Eindrucks aufgefaßt werden können. Von besonderem Interesse sind die B e e r sehen E r ­

P r a n d t l x) konnte tro tz eines vielleicht etwas zu sehr beschränkten Yersuchsmaterials zeigen, daß ernste Texte langsamer gelesen werden als heitere und daß sie gleichzeitig durchschnittlich eine kürzere W o rt­

länge und eine größere Anzahl betonter Silben und beim Lesen mehr und längere Sprechpausen aufweisen als heitere Texte. Analog wie die ernsten Texte scheinen sich diejenigen zu verhalten, welche den E indruck der Bewegung machen; analog wie die heiteren diejenigen, welche den E indruck der Ruhe machen. Letztere scheinen also durch­

schnittlich schneller gelesen zu werden als jene. Sehr interessant ist P r a n d t ls Ergebnis, daß eine Versuchsperson einen bestimmten Text schneller lie st, wenn man ih r suggeriert, er sei heiter, als wenn man ih r suggeriert, er sei ernst.

T o d o r o f f * 2) hat Grenzgebiete zwischen Poetik und Musiktheorie bearbeitet. E r hat sich m it der Frage beschäftigt, inwiefern die rh y th ­ mischen Tatsachen der Sprache bei der K om position von Texten in B etracht kommen, und gezeigt, daß die Komponisten gewissen T a t­

sachen der Sprache u n w illk ü rlic h Rechnung tragen. Abgesehen von einer Reihe von Ergebnissen, die mehr fü r die Theorie der M usik Interesse haben, kam er zu folgenden Resultaten:

a) Es besteht eine Beziehung zwischen Versrhythm us und rela­

tiv e r Tondauer: die m ittle re Tondauer der betonten Silben is t stets größer als die m ittlere Tondauer der unbetonten Silben.

b) Auch in den Kom positionen von Prosatexten haben die be­

tonten Silben eine längere m ittlere Tondauer als die unbetonten Silben.

c) In den Kom positionen von Prosatexten entspricht den ein­

silbigen W örtern meistens im D urchschnitt eine längere Ton­

dauer als der einzelnen Silbe im mehrsilbigen W orte.

d) Die betonten Silben der Lieder haben meist eine größere m ittlere Tonhöhe als die unbetonten Silben.

e) In den Kom positionen von Prosatexten haben die betonten Silben fast stets eine größere Tonhöhe als die unbetonten Silben.

W ir sehen hieraus, daß der K om ponist u n w illk ü rlic h den T a t­

sachen des dynamischen Akzentes in der Sprache und dem Umstand, daß kurze W orte re la tiv lang gesprochen werden, gerecht w ird. Be­

*) A. P r a n d tl, Zeitschrift fü r Psychologie. Bd. 60. 1912. S. 26 ff.

2) K . T o d o r o ff, Zeitschrift fü r Psychologie. Bd. 63. 1913. g. 401 ff.

tonte Silben der Sprache werden auch in der M usik betont, sei es durch re la tiv lange, sei es durch re la tiv hohe Klänge. Die einsilbigen W orte, die länger ausgesprochen werden als die Silben mehrsilbiger Worte, werden vom Komponisten in s tin k tiv auch durch längere Noten ve rto n t.

Während in den bisherigen Arbeiten, die sich an M a rb e s Schrift anschlossen, das ästhetisch-psychologische Interesse überwog, h a t der Sprachforscher A. T h u m b 1) neuerdings eine Untersuchung p u b li­

zie rt, durch die er unter Anwendung von M a rb e s Methoden be­

sonders die Sprachwissenschaft und Philologie zu fördern beabsichtigte.

T h u m b untersuchte den dynamischen R hythm us und nach einer neuen bisher n ich t verwendeten Methode auch den musikalischen Akzent griechischer Texte. E r leitete dann eine Reihe von Sätzen ab, die sich auf den R hythm us der griechischen Sprache im allge­

meinen, sowie auf Platon, Xenophon, Demosthenes und das neue Testament im besonderen beziehen. Diese Ergebnisse sind in der vorliegenden Zeitschrift im einzelnen zusammengestellt2) und sollen daher hier n ich t wiederholt werden. Freilich muß es einstweilen offen gelassen werden, ob T h u m b s Ansichten in allen Stücken aufrecht erhalten werden können, da das von ihm benützte M aterial noch erw eitert werden muß. Diese Auffassung seiner Ergebnisse liegt ganz im Sinne T h u m b s , der selbst s a g t3): „ W ir haben im Flug einige Entwickelungsform en der griechischen Prosa auf R hythm us und M odulation durchm ustert. Unsere Beobachtungen können n a tü r­

lich nur einen vorläufigen, heuristischen W ert haben.“

§ 3. Z U R C H A R A K T E R IS T IK D E R B E S P R O C H E N E N U N T E R S U C H U N G E N .

W ir haben hier eine Reihe von Arbeiten vor uns, die in ästhe­

tischer und auch in vielfacher anderer H insicht wichtige E igentüm lich­

keiten von Schriftwerken nach wissenschaftlich einwandfreien Me­

thoden untersuchen. A lle diese Arbeiten können als statistische bezeichnet werden.

1) A. T h u m b , Fortschritte der Psychologie und ihrer Anwendungen. Bd. 1.

1913. S. 139 ff.

2) A. T h u m b , a. a. 0 . S. 166 ff.

3) A. T h u m b , a. a. O. S. 168.

Diese Untersuchungen unterscheiden sich wesentlich von denen der Sieverssehen Schule. Während S ie v e r s 1) seine Schlüsse bloß auf den subjektiven E in d ru ck gründet, werden hier auch die Objekte des ästhetischen Genusses systematisch untersucht. Die besprochenen Arbeiten unterscheiden sich aber auch wesentlich von den üblichen statistischen Untersuchungen der sogenannten philologischen Klausel­

theoretiker 2). Es liegt durchaus im Sinne von M a rb e , daß n ich t etwa einzelne Stellen, sondern der ganze Text, über den man Aus­

sagen machen w ill, statistisch untersucht w ird. Auch in den Seminar­

übungen, die ich bei H errn Professor M a rb e besuchte, betonte er immer wieder, daß der einzige richtige Weg zur Erforschung des

übungen, die ich bei H errn Professor M a rb e besuchte, betonte er immer wieder, daß der einzige richtige Weg zur Erforschung des

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