Teil I I I
2. Der Eindruck der Proklam ation
„Wer annahm, daß die Proklamation eines unabhängigen Polen und seine Einreihung in den Kreis der europäischen Mächte von allen Polen m it einem einzigen Schrei des Triumphes begrüßt wer
den würde, der irrte sich. Das seit Beginn des Krieges in zwei Lager getrennte polnische Volk bewahrte diese Trennung auch gegenüber dem Manifest über die Unabhängigkeit Polens. In den Tagen unmit
telbar nach der Proklamierung zeigte sich eine Menge von Kund
gebungen und Erklärungen der polnischen politischen Parteien,
Körperschaften und Institutionen. Die einen drückten ihre Freude über die Verkündung der Unabhängigkeit aus, trotzdem das Mani
fest eine Vereinigung der polnischen Länder nicht versprach, die anderen wendeten sich gegen diese Verkündung, eben weil die Ver
einigung nicht versprochen war. Diese beiden Leitgedanken, die m it der höchsten Begeisterung und m it Dankgebeten an Gott begannen, durchliefen eine ganze Stufenleiter von Empfindungen, bis sie schließlich alle in Protest und beißendem Hohn endigten“ 153). Eins aber war allen diesen Protesten gemeinsam, keiner von ihnen er
wähnte auch nur m it einem W ort noch die von Rußland in Aus
sicht gestellte Autonomie, alle hatten sich vielmehr überraschend schnell in die neue Lage gefunden und nahmen die in dem Manifest verheißene Bildung eines unabhängigen polnischen Staates als selbstverständlich hin, alle aber stellten auch sofort neue Forde
rungen.
An demselben Tag, an welchem die Proklamation erfolgt war, tra t das Warschauer Zentralkomite der vereinigten Unabhängigkeits
parteien m it den Forderungen nach einem Sejm, einer polnischen Regierung und einer von dieser Regierung gebildeten polnischen Armee auf, einige Tage später überreichte eine Abordnung Beseler die besonderen Wünsche des Komites. Sie verlangten außer der Bildung einer Regierung auch die sofortige Übertragung des größten Teils der gesamten Landesverwaltung an diese Regierung, sowie die Errichtung einer besonderen militärischen Abteilung unter dem Vorsitz Pilsudski’s, in welche Männer berufen werden sollten, welche das allgemeine Vertrauen der Bevölkerung hätten und deren A u f
gabe es sein sollte, sofort m it den Vorarbeiten fü r die Aufstellung eines national-polnischen Heeres zu beginnen154). Am 6. November präsentierte der rechte Flügel der sozialdemokratischen Partei seine Forderungen, denen sich am folgenden Tage auch die Filiale des Krakauer Obersten Komitśs, die Liga Państwowości anschloß, wobei beide darin einig waren, daß nur ein unter polnischer Führung stehendes Heer in Frage kommen könne, die Passivisten beharrten nach wie vor auf ihrem unbedingt ablehnenden Standpunkt und der linke Flügel der Sozialdemokraten erklärte die Proklamation über
haupt als ein Scheinmanöver der Zentralmächte, „um jetzt auch noch die schrecklichste aller Requisitionen, nämlich die Requisition von Menschen ungestört vornehmen zu können“ . Das war die Illu stration zu den optimistischen Schilderungen Hutten-Czapski’s, der denn auch selbst Zügestehen muß, daß nur der äußere rechte Flügel der Aktivisten sich auf den Boden der Proklamation gestellt habe,
„infolgedessen isolierte Studnicki sich und seinen Klub in kurzer Zeit“ 155).
War aber das Echo, welches die Proklamation selbst in Polen gefunden hatte, wenig verheißungsvoll gewesen, dann wurde die
Stimmung geradezu feindlich, als am 9. November der A u fru f der beiden Generalgouverneure erschien, in welchem sie zur Meldung von Freiwilligen fü r das neue polnische Heer aufforderten. Hier gab es nur die eine Antwort, daß über das B lut polnischer Soldaten nur eine polnische Regierung verfügen dürfe, die den A uftrag dazu von einem polnischen Sejm erhalten habe. Es begann also sofort jenes
„Zug um Zug-Spiel“ , wie w ir es im weiteren Verlauf immer wieder beobachten, und Bobrzynski zeichnet die damalige Lage durchaus richtig, wenn er schreibt: „Angeblich nahmen die Polen das deutsche Anerbieten, ein polnisches Heer aufzustellen, deshalb nicht an, weil die Deutschen sich vorher nicht m it der Bildung einer polnischen Regierung einverstanden erklärt und dieser die Gewalt übergeben hätten. Aber selbst, wenn Deutschland und Österreich auf diese Bedingung eingegangen wären, war es sehr zweifelhaft, ob ih r An
erbieten von der Allgemeinheit angenommen worden wäre. Man kündigte schon jetzt weitere Bedingungen an, man forderte vor der Regierungsbildung einen Sejm, dadurch aber vertagte man die ganze Angelegenheit fristlos, denn während des Krieges konnte von der Vornahme von Wahlen zum Sejm selbstverständlich keine Rede sein.
Die Mehrheit der polnischen Bevölkerung wollte das deutsche An
erbieten nicht annehmen, weil sie einen Staat nicht aus der Hand der Zentralmächte empfangen und nicht ein Heer aufstellen wollte, das an deren Seite kämpfte. Aus dieser Überzeugung machten die Passivisten keinen Hehl, die Linke wiederum fürchtete, sich vor der öffentlichen Meinung zu kompromittieren, wenn sie im A uftrag der Deutschen ihre Hand zur Aufstellung eines Heeres biete, sie wollte sich deshalb lieber in die Geheimorganisation der P. O. W. ver
schließen. Die Liga Panstwowcöw (Studnicki), welche das tat, be
saß überhaupt keinen E in flu ß “ 166).
Unter dem Eindruck dieser teils feindlichen, teils passiven Hal
tung der polnischen Öffentlichkeit tat Beseler den übereilten Schritt, von sich aus, ohne vorher m it Wien in Verbindung zu treten, am 12. November über die Bildung eines Einstweiligen Staatsrats und eines Sejm eine Verordnung zu erlassen, die zwar niemals in K ra ft getreten ist, die aber um so größeren Schaden an
gerichtet hat, denn sie zeigte den Polen nicht nur die starke Span
nung, die zwischen den beiden Zentralmächten in der polnischen Frage bestand, sondern die Eile, m it welcher sie erlassen war, be
stärkte nur den polnischen Argwohn, daß die ganze Proklamation das M ittel zu dem Zweck gewesen sei, so schnell wie möglich pol
nische Soldaten zu erhalten. „In diesem Erlaß behandelte Beseler das Lubliner Generalgouvernement als quantité négligeable, das Königreich Polen aber als Provinz des deutschen Reiches, welcher man eine beschränkte provinzielle Selbstverwaltung gibt. Deshalb nahm auch die gesamte polnische Bevölkerung ihm gegenüber eine
ablehnende Haltung ein und dem Warschauer Generalgouverneur blieb nichts anderes übrig, als sich m it dieser Tatsache abzufinden.
Schon Ende November konnten die Zeitungen mitteilen, daß der E r
laß vom 12. November im Sinn der polnischen Wünsche geändert werden würde“ 157).
Auch ein anderer Schritt erwies sich als schädlich, nämlich die Erlaubnis, welche er der P. 0. W. erteilte, besondere Werbebüros einzurichten, denn es war vorauszusehen, daß diese Stellen Frei
willige fü r ein von den Deutschen in Aussicht genommenes pol
nisches Heer niemals werben, sondern daß sie ausschließlich fü r die Verstärkung ihrer eigenen Reihen arbeiten würden, um eine mög
lichst große Anzahl von Mannschaften fü r ein zukünftiges pol
nisches Heer unter Pilsudski’s Führung bereit zu haben. Wie stark muß das Mißtrauen Beselers gegen die Legionen gewesen sein, wenn er sich dazu entschloß, derselben P. 0. W. die Errichtung von Werbe
stellen zu überlassen, von welcher er, wie w ir aus dem Bericht an Falkenhayn wissen, überzeugt war, daß sich in ihren Reihen „eine sehr große Anzahl politisch höchst unsicherer Elemente befinde.“
Solche Maßnahmen waren nicht geeignet, die ablehnende Haltung der Polen zu mildern, sie trugen im Gegenteil nur dazu bei, sie in dieser Haltung zu bestärken, denn „alle diese Dinge, die Schlag auf Schlag einander folgten, zeigten nur zu deutlich, daß der Zweck der Zentralmächte vor allen Dingen die Armee, der polnische Soldat war.
Das polnische Volk b e g riff das denn auch sofort, und die Meinungs
verschiedenheit unter den Parteien bestand nur darin, daß die große „passivistische“ , oder wie man von jetzt ab sagen mußte,
„nationale“ Mehrheit jeden Gedanken an ein Heer auf der Seite Deutschlands und Österreichs a p rio ri verwarf, selbst dann, wenn dieses Heer nur gegen Rußland Verwendung finden sollte, während die „A ktivisten“ die Tatsache, daß die Besatzungsmächte offenbar eine polnische Armee zu bilden versuchten, als bequemen Ausgangs
punkt betrachteten, um Zug um Zug politische Konzessionen zu er
halten“ 158).
„Die maßgebenden Faktoren in Österreich-Ungarn hatten die Empfindung, einen doppelten Verlust erlitten zu haben. Sie ver
loren nicht nur die Aussicht darauf, das Königreich m it Österreich zu vereinigen und die Monarchie um 12 Millionen polnischer Be
völkerung zu vergrößern, sondern sie verloren gleichzeitig auch die Anhänglichkeit, welche die galizischen Polen so lange Österreich gegenüber gezeigt hatten, denn es war vorauszusehen, daß die galizischen Polen immer nach dem unabhängigen polnischen Staat hinüberneigen würden und daß zu den verschiedenen nationalen Irredenten, welche die Monarchie beunruhigten, noch eine neue, polnische käme“ 159). In der Tat gingen die Wogen der Erregung
unter den polnischen Politikern Österreichs hoch. Als Biliński den Mitgliedern des polnischen parlamentarischen Klubs am 3. Oktober die M itteilung machte, daß der Gedanke einer Vereinigung des Königreichs m it Galizien gefallen sei, wurde ein Mißtrauensvotum gegen Burian beschlossen, das allerdings wieder zurückgezogen wurde, nachdem man erfahren hatte, daß Galizien eine erweiterte Autonomie erhalten solle und nachdem der Kaiser in einem Hand
schreiben vom 4. November den österreichischen Ministerpräsiden
ten beauftragt hatte, sofort m it den erforderlichen Vorarbeiten zu beginnen. Wenn man in Österreich fü r diesen A kt die Form eines kaiserlichen Handschreibens gewählt hatte, so wollte man dadurch seine W ichtigkeit besonders hervorheben, zumal die eigentliche Proklamation nicht von den .beiden Kaisern, sondern nur in ihrem Aufträge von den beiden Generalgouverneuren unterzeichnet war, ein Umstand, der von den Polen sofort argwöhnisch bemerkt und ausgewertet wurde. Jedenfalls legte sich die feindliche Stimmung bald wieder und, als sich der polnische Klub am 12. November wie
der versammelte und Biliński bei dieser Gelegenheit dem Kaiser im Namen der Polen dankte, wurde seine Rede m it stürmischem Beifall aufgenommen. Man hatte sich m it der erweiterten Autonomie abgefunden und hoffte, daß auch die Lage der Polen in Preußen sich unter dem Eindruck eines benachbarten polnischen Staates günstiger gestalten und daß es schließlich doch noch gelingen werde, auch die Stimmung des Königreichs fü r Österreich und fü r eine Personalunion des neuen Staates m it der Habsburger Monarchie zu gewinnen.
A u f dieses Ziel hin arbeitete jetzt auch Burian m it allem Nach
druck, dazu aber erschien es ihm erforderlich, zunächst die Stellung der Deutschen innerhalb des Königreichs nach Möglichkeit zu untergraben und die Vorteile einer solchen Personalunion m it Österreich in um so hellerem Licht erscheinen zu lassen. Gerade über diese Arbeit des österreichischen Außenministers bringt Biliński interessante Einzelheiten, wenn er schreibt: „Jetzt beschloß Burian, in Warschau selbst eine Gegenaktion gegen die Deutschen zu unternehmen. E r ernannte also zum Vertreter der Monarchie in Warschau den Baron Konopka und gab ihm den dort schon bekann
ten Rosner zur Seite, man schickte auch irgend einen General dort
hin und später, fü r die diplomatischen Angelegenheiten, den bis
herigen Referenten im Ministerium, Ugron. Über allen diesen, te:ls fähigen, teils guten Männern waltete von jetzt an auf dem War
schauer Boden inoffiziell der bekannte Graf Tarnowski. Alle diese Agitatoren widmeten sicherlich ihre ganze K ra ft und A rbeit dem Wohl Polens, aber die neue Formel Burians half ihnen dabei nicht viel, denn der österreichischen Diplomatie ging es in W irklichkeit nicht darum, Polen gegen die Preußen zu schützen, sondern haupt
sächlich darum, durch ihren E influß den deutschen Einfluß zu über
flügeln, bei diesem Kampf aber schädigte man oft die Interessen Polens oder hemmte sie wenigstens“ 160). Ein anderes U rteil über die Bedeutung dieser „betriebsamen Wühlarbeit“ fü r die Polen fä llt allerdings Filasiewicz: „Diese Dissonanz, dieser K o nflikt der beider
seitigen Gelüste milderte sich erst, als der eine der beiden Kon
kurrenten, nämlich Österreich, infolge äußerer und innerer Schlap
pen sich seinem Partner auf Gnade und Ungnade ergeben mußte.
Diese Dissonanz aber war es, welche lange Monate hindurch wäh
rend der schwierigsten Verhältnisse des Okkupationsregiments die Politik der nationalen polnischen Mehrheit erleichterte, die alle ihre Hoffnungen auf die westlichen Demokratien gesetzt hatte. Gerade sie erleichterte ihre Politik oft mehr, als die tatsächlichen Schritte der A lliierten und Assoziierten Mächte und ergänzte auf diese Weise höchst wertvoll die so lange unentschiedene Haltung der Entente gegenüber Polen“ 161). Das ist in der Tat die richtige Wertung dieser vielleicht traurigsten Begleiterscheinung des deutsch-österreichi
schen Bündnisses während des Krieges.
Auch in Deutschland wurde die Proklamation m it sehr ge
mischten Gefühlen aufgenommen. Zum Teil stand die Bevölkerung dem Gedanken an einen neuen polnischen Staat stark skeptisch gegenüber, der größte Teil, besonders in Ostdeutschland, lehnte ihn jedoch entschieden ab, weil man hier auf Grund jahrelangen Zusam
menlebens m it den Polen wußte, daß dadurch auf alle Fälle auch bei einem fü r Deutschland glücklichen Ausgang des Krieges, eine neue Gefahrenzone und ein neuer Herd von Unruhen fü r eine polnische Irredenta in der preußischen Ostmark entstehen würde. Daß solche Bedenken nicht unberechtigt waren, hatte schon die Reichstagsver
handlung am 31. Oktober gezeigt, bei welcher der Abgeordnete M. Seyda erklärte: „Die Polen des Deutschen Reiches bilden einen integrierenden Bestandteil der gesamten polnischen Nation, die mehr als 20 Millionen Seelen zählt, und w ir haben in den Räumen dieses Hauses vor dem Krieg und während des Krieges wiederholt das Gefühl der nationalen Einheit aller Polen zum Ausdruck ge
bracht. Wenn man uns jetzt sagt, daß die Zentralmächte sich an
schicken, die polnische Frage zu lösen, (die polnische Fraktion er
hielt erst am 4. November von dem Inhalt der Proklamation offiziell Kenntnis), so wird man trotzdem nicht bestreiten können, daß auch w ir, als ein Teil der polnischen Nation, lebhaft daran interessiert sind, in welcher A r t diese Lösung erfolgen soll. Man kann nicht einen Teil der Nation allein dazu aufrufen, die polnische Frage zu lösen, ohne gleichzeitig nicht auch die anderen Teile zu berücksich
tigen, wie wenn es fü r diese überhaupt keine polnische Frage gäbe.“
(Rückübersetzung aus dem Polnischen.) Diese Bedenken kamen auch in der Sitzung der Budgetkommission des Reichstages am 9.
Novem-ber 1916 zum Ausdruck, in welcher dem Kanzler von verschiedenen Rednern Vorwürfe gemacht wurden, daß er durch den A kt vom 5. November einen Sonderfrieden m it Rußland erschwert habe und gleichzeitig die Besorgnis vor den Rückwirkungen auf die Posener Polen ausgesprochen wurde. Die Antwort Bethmanns zeigte, wie unsicher er selbst in der Beurteilung der Lage war, als er erklärte, daß Deutschland vor die Frage gestellt war, ob es den Versuch wagen wolle, Polen in den Kreis der Mächte des europäischen Westens hineinzuziehen, oder ob es den Versuch scheue. „Werden die Polen dem Westen zurückgegeben, dann w ird fü r uns eine Ver
teidigungslinie nach Osten hin geschaffen, deren Vorzüge m ilitä
risch, politisch und wirtschaftlich gegenüber dem früheren Zu
stand unschätzbar sind“ 102). (Rückübersetzung aus dem Polnischen).
Sehr deutlich aber zeigte sich diese skeptische und ablehnende Stimmung bei den Verhandlungen des Preußischen Abgeordneten
hauses am 20. November über den Antrag Heydebrand, in welchem die bestimmte Erwartung ausgesprochen wurde, daß bei der end
gültigen Gestaltung der Verhältnisse des neuen polnischen Staates dauernd wirksame militärische, wirtschaftliche und allgemein poli
tische Sicherungen fü r Deutschland geschaffen werden, — „das Haus der Abgeordneten“ , so heißt es dann weiter, „behält sich die Stellungnahme zu etwaigen politischen Maßnahmen, welche die Interessen der polnisch sprechenden Preußen berühren, nach Maß
gabe der weiteren Entwicklung der Verhältnisse durchaus vor, es erklärt aber schon heute jede Regelung der innenpolitischen Ver
hältnisse in den deutschen Ostmarken fü r unmöglich, welche geeignet wäre, den deutschen Charakter der m it dem preußischen Staat un
lösbar verbundenen und fü r die Existenz sowie fü r die Stellung Preußens in Deutschland unentbehrlichen östlichen Provinzen irgend wie zu gefährden“ . (Rückübersetzung aus dem Polnischen). In seiner Antwort auf die Begründung dieses Antrags sprach der preußische Innenminister v. Loebell die Hoffnung aus, daß die preußischen Staatsangehörigen polnischer Abkunft der Regierung ihre Aufgabe, die sie im Osten zu erfüllen habe, erleichtern werden, er stellte auch in Aussicht, daß die künftigen Beschlüsse der Re
gierung von Wohlwollen fü r die polnische Bevölkerung getragen sein würden, ließ aber keinen Zweifel darüber, „daß die überkommene und bisher erfüllte Aufgabe Preußens in naher und ferner Zu
ku n ft bestehen bleiben werde“ . Die Polen protestierten gegen den Antrag, in welchem sie eine Provokation erblickten, weil er ihnen zeige, daß sich in der preußischen Polenpolitik auch in Zukunft nichts ändern werde, und der Abgeordnete Styczyński formulierte die Stellung seiner Landsleute dahin, daß die Polen niemals auf
gehört hätten, das Gefühl ihrer nationalen Zusammengehörigkeit zu betonen und daß sie hofften, das in diesem Krieg vergossene
Blut werde dazu beitragen, daß die europäischen Völker das Lebens
recht aller Nationen anerkennen. Durch den A k t vom 5. November sei die polnische Frage wohl eine internationale geworden, die Be
fürchtungen der Polen aber seien dieselben geblieben, denn es sei unmöglich, nur einem der drei Teilgebiete die Freiheit zu geben und diese Freiheit in einem andern Teilgebiet in starkem Umfang zu beschränken. Damit war zum Ausdruck gebracht, daß die Polen in der Proklamation vom 5. November nur eine Anzahlung auf einen Wechsel sahen, den sie bei gegebener Gelegenheit zu präsentieren hofften.
In Rußland, das durch den Schritt der Zentralmächte nächst den Polen doch am meisten betroffen wurde, löste die Proklamation keine besondere Erregung aus, nur der englische und französische Botschafter hatten sofort m it Stuermer eine Besprechung und gaben am 7. November eine gemeinsame öffentliche Erklärung ab: „Der Akt, welchen die Deutschen eben proklamiert haben, zeigt, daß sie von den Polen verlangen, sich m it einem polnischen Staat zufrieden zu geben, der nur aus dem russischen Teilgebiet, also ohne Posen und Galizien gebildet ist. Andererseits wissen w ir, daß die Alliierten es als ihre Aufgabe betrachten, den polnischen Staat in seiner Ge
samtheit m it Einschluß von Posen und Galizien wieder herzu
stellen.“ Die Polen selbst protestierten am 14. November in der Duma gegen die Proklamation und betonten erneut die Notwendigkeit, daß Rußland und seine Verbündeten so schnell wie möglich ihren Ent
schluß verkündeten, die polnischen Gebiete zu vereinigen und aus ihnen einen autonomen polnischen Staat zu bilden, Rer neue russi
sche Außenminister, Protopopow, beschränkte sich auf die Ver
sicherung, daß die Regierung sich nach wie vor an das Manifest des Großfürsten und an die Erklärung Goremykin’s gebunden fühle, und endlich, am 15. November, erschien der offizielle russische Protest, daß die Provinzen des Königreichs trotz der Proklamation nicht aufgehört hätten, einen integrierenden Bestandteil des russi
schen Kaiserreichs zu bilden und daß ihre Bewohner nach wie vor durch ihren dem Kaiser geleisteten Treueid gebunden wären.
Gleichzeitig brachte die russische Presse eine Erklärung der Re
gierung, daß sie die Errichtung eines vereinigten polnischen Staates beabsichtige, der nach dem Krieg das Recht erhalten solle, sein nationales, kulturelles und wirtschaftliches Leben unter dem Zepter der russischen Kaiser und in unlösbarer Einheit m it dem russischen Reich auf der Grundlage einer Autonomie fre i zu ent
wickeln163). An dieser, nach wie vor abwartenden Haltung Rußlands änderte sich auch nichts, als Stuermer zurücktrat. Am 2. Dezember 1916 erklärte der neue Ministerpräsident Trepow in der Duma es als
wickeln163). An dieser, nach wie vor abwartenden Haltung Rußlands änderte sich auch nichts, als Stuermer zurücktrat. Am 2. Dezember 1916 erklärte der neue Ministerpräsident Trepow in der Duma es als