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Grundsätzliches zur polnischen M inderheitenpolitik

Nachdem im D e z e m b e rh e ft dieser Z e its c h rift die deutsch-polnische M in d e rh e ite n e rk lä ru n g vom 5. N o ve m b e r 1937 b e h a n d e lt u n d im v o rig e n H e ft eine Ü b e rsich t ü b e r die in n e rp o ln is c h e E n tw ic k lu n g des Jahres 1937 gegeben w o rd e n is t, b rin g e n w ir h ie rm it A u s fü h ru n g e n zum A b d ru c k , die die T h e o rie u n d P ra x is d e r polnischen M in d e r h e ite n p o litik in g ru n d s ä tz ­ lic h e re r Weise zum G egenstände haben, — g le ic h z e itig in d e r A n nahm e, daß die e rw ä h n te deutsch-polnische E rk lä ru n g vom N o ve m b e r v o rig e n Jahres b e re ch tig te n A n la ß zu d er H o ffn u n g a u f eine bessere Z u k u n ft d er deutschen M in d e rh e it im polnischen Staat g ib t. D ie S c h riftle itu n g . In P olen s p ie lt sich heute ein geistiger K lärungsprozeß ab. W a r das polnische D enken bisher a u f die E rre ich u n g der staatlichen U n a b hä n g ig ke it Polens ausgerichtet, so sagt man sich heute: Unser 1 5 0 jäh rig e r T ra u m is t in E rfü llu n g gegangen. D e r polnische Staat steht und d ü r f t e kaum ersch ü tte rt werden. A b e r was soll dieser polnische Staat in der Z u k u n ft fü r eine A ufgabe haben? — Das Ergebnis dieser Auseinandersetzungen um die eigentliche M ission des polnischen Staates und die k ü n ftig e S te llu n g der P olen u n te r den anderen V ö lk e rn is t auch die B ild u n g des neuen E inheitslagers, das u n te r der F ü h ru n g des inzwischen zurückgetretenen O bersten K o c Ende F e b ru a r 1937 o rg a n is ie rt w urde.

D ie Ü berlegungen nach d er grundsätzlichen B edeutung und Sinngebung des polnischen Staates machen n a tü rlic h n ich t v o r der M i n d e r h e i t e n f r a g e h a lt. L e b h a ft w ird deshalb e rö rte rt, welche S tellung die n a tio n a le n M in d e r­

h e ite n in Z u k u n ft im polnischen Staat einnehm en sollen. Diesen n ich t e in ­ seitigen E rö rte ru n g e n — denn auch die n a tio n a le n M in d e rh e ite n selbst sind in 124

G r u n d s ä t z l i c h e s z u r p o l n i s c h e n M i n d e r h e i t e n p o l i t i k

lungen und P ositio n e n dieser großen R e p u b lik stehen ih m offen. M it dieser Gleichberechtigung, d er gleichen B ehandlung a lle r B ü rg e r, e rreichten die A m e rik a n e r das W u n d e r, daß A m e rik a f ü r die A usw anderer zum zw eiten V a te rla n d geworden i s t . . . Denselben Weg, den die V e re in ig te n Staaten ge­

gangen sind, muß auch P olen gehen. D ie n a tio n a le n M in d e rh e ite n können an P olen gebunden w erden n ich t m it H ilfe von Ausnahm ezuständen und M a u l­

korbgesetzen, n ich t a u f dem Wege über Repressalien, sondern im Wege der Gew ährung w eitgehender F re ih e it u n d v e rstä n d ig e r T o le ra n z.“ F ü r die B e ­ h a n d l u n g d e r D e u t s c h e n h a t H o lo w k o folgende R ic h tlin ie n a u fg e s te llt:

„D ie Deutschen besitzen eine angeborene L o y a litä t gegenüber den F o rd e ru n g e n des Staates. D ie deutsche B e v ö lk e ru n g der abgetretenen Reichsgebiete w ird sich n ic h t so schnell d a m it abfinden, daß sie n u n m e h r einem anderen Staats­

verband z u g e te ilt ist. P ole n m uß daher den Deutschen gegenüber eine v e r­

n ü n ftig e u n d verständige P o litik fü h re n . W ir müssen f ü r die deutsche Be­

v ö lk e ru n g Lebensbedingungen schaffen, die sie ke in e n a tio n a le B edrückung fü h le n lassen, d a m it, w enn n ich t die gegenwärtige, so doch die k ü n ftig e deutsche G eneration sich so an P olen gew öhnt, daß sie n ic h t m ehr de r V o rtru p p e iner deutschen Revanche sein w ird .“ E in e solche M in d e rh e ite n p o litik fo rd e rte H o lo w k o „n ic h t n u r im Namen de r G e re ch tig ke it u n d im Namen d er re p u ­ blikanischen u n d dem okratischen Grundsätze, sondern v o r alle n D ingen im Interesse der E rh a ltu n g u n d B efestigung de r neuen polnischen U n a b h ä n g ig k e it“ .

E in paar Jahre später h a t Leon W a s i l e w s k i diese T h e o rie n e in e r p o l­

nischen M in d e rh e ite n p o litik e rn e u t hervorgehoben. „D u rc h E rfü llu n g de r Be­

dürfnisse de r M in d e rh e ite n w ird sich d er Staat festigen“ , b e to n t er. Auch er bescheinigt den Deutschen ih re n a tü rlic h e L o y a litä t gegenüber dem Staat. Seiner M einung nach h a t „d e r polnische Staat von den Deutschen keine B o sh e it oder gar Schädigungen zu e rw a rte n “ . D ie S c h rift W asilew skis is t u n te r dem E in d ru c k entstanden, daß die ungelöste M in d e rh e ite n fra g e den polnischen Staat einm al in erhebliche S chw ierigkeiten b rin g e n w ürde.

W enn diese T h e o rie n e in e r v e rn ü n ftig e n M in d e rh e ite n p o litik in der P ra xis angewandt w orden wären, dann w ürde de r polnische Staat in d er T a t das M uster eines harm onischen N a tio n alitä te n sta a te s geworden sein, v ie lle ic h t sogar die Schweiz ü b e rtro ffe n haben. L e id e r w a r jedoch die bisherige polnische M in d e rh e ite n p o litik das reine G egenteil dieser schönen T h e o rie n, was um so ersta u n lich e r ist, als Tadeusz H o lo w k o selbst eine Z e itla n g erheblichen E in ­ flu ß a u f die polnische In n e n p o litik ausgeübt hat. D ie bisherigen Ergebnisse de r polnischen M in d e rh e ite n p o litik sind b e ka n n t. K e in e Seite is t von ih r be­

frie d ig t. D ie staatlichen S tellen kennen die o p p o sitio n e lle , ja te ilw e ise re v o ­ lu tio n ä re S tim m ung u n te r den M in d e rh e ite n u n d e rblicken in dem n u r u n ­ b e frie d ig e n d gelösten M in d e rh e ite n p ro b le m m it Recht eine G e fa h r fü r den Be­

stand des Staates. V ie lle ic h t g e lin g t es der deutsch-polnischen M in d e rh e ite n ­ e rk lä ru n g vom 5. N ovem ber 1937, wenigstens f ü r den Bereich de r polnisch­

deutschen Beziehungen W andel zu schaffen ). D e r polnische A u ß e n m in iste r, O berst Beck, h a t in d er seit Abgabe d er E rk lä ru n g verflossenen Z e it m ehrfach den besonderen W e rt d e r d o rt getroffenen Regelung betont.

Abgesehen von de r P r a x i s der polnischen M in d e rh e ite n p o litik is t auch ih re T h e o r i e in jü n g s te r V e rg angenheit einer N a ch p rü fu n g unterzogen worden.

D ie Idee des N a tio n alitä te n sta a te s w ird zugunsten der Idee des polnischen N ationalstaats aufgegeben. D ie Id e o lo g ie de r rechtsgerichteten N ationaldem o- k ra tie Dm owskischer Schule w ird zum P ro g ra m m de r polnischen M in d e rh e ite n ­ p o lit ik erhoben. Im m e r m e h r setzt sie sich auch in jenen K re ise n des P ilsu d ski- Lagers durch, die der N a tio n a ld e m o k ra tie bisher u n versöhnlich gegenüberstanden.

D ie ersten neuen V e rla u tb a ru n g e n f ü r eine k ü n ftig e M in d e rh e ite n p o litik in P olen w aren die A u s fü h ru n g e n des C h e fre d a kte u rs d er „G azeta P olska“ ,

8) V g l. h ie rz u „G e is t d e r Z e it“ , D ezem ber 1937, Seite 903.

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M ie d z in s k i, im D iskussionsklub de r U n a b h ä n g ig ke itskä m p fe r im W arschauer Sejm im F e b ru a r 1937. M ie d z in s k i tr a t fü r eine unterschiedliche B ehandlung de r einzelnen n a tio n a le n M in d e rh e ite n in P olen ein. So solle d er polnische Staat u n d das polnische Spoleczenstwo (d a ru n te r is t das polnische V o lk und die Ö ffe n tlic h k e it zu verstehen) den slawischen M in d e rh e ite n , den U k r a i n e r n u n d W e i ß r u s s e n gegenüber „ d ie P o litik eines ä lte re n B ru d e rs “ einschlagen. D ie D e u t s c h e n u n d R u s s e n dagegen solle man u n te r dem G esichtspunkt behandeln, daß sie „n ic h t Einheim ische a u f dem Boden de r p o l­

nischen R e p u b lik , sondern Nachkom m en von Frem den u n d E ro b e re rn “ seien.

In bezug a u f die J u d e n t r i t t M ie d z in s k i fü r die Begünstigung ih re r A us­

w anderung aus P olen u n d fü r die N a tio n a lis ie ru n g der polnischen W irts c h a ft und K u lt u r ein. D ie Absage an die T h e o rie n H olow kos is t deutlich.

E ine B estätigung d a fü r, daß in P olen ein neuer K u rs a u f m in d e rh e ite n ­ politisch e m G ebiet v o rb e re ite t w ird , w a r auch das A u ftre te n des neuen p o l­

nischen E inheitslagers, des „O b o z Z jednoczenia N a ro d u “ (O Z N .). Oberst K o c h a t sich in seiner am 21. F e b ru a r 1937 v e rk ü n d e te n E rk lä ru n g z u r M in d e r­

h e ite n fra g e n u r ganz allgem ein geäußert, aber auch diese E rk lä ru n g bew eist die A b k e h r des P ilsudski-Lagers von den bisherigen Thesen de r polnischen M in d e rh e ite n p o litik . O berst K o c e rk lä rte , daß die R ic h tlin ie des E inheitslagers f ü r die polnische M in d e rh e ite n p o litik d er W unsch nach b rü d e rlic h e r Zusammen­

a rb e it a lle r Staatsbürger ist, denn die S onderheiten, durch die sich die P olen u n d die anderen N a tio n a litä te n vo n e ina n d e r unterscheiden, w erden a n e rkannt.

A b e r die A n e rk e n n u n g w ird an die B edingung g e k n ü p ft, daß die Pflege der Sonderheiten seitens der anderen N a tio n a litä te n n ich t an die Interessen des Staates rü h r t. V on alle n M in d e rh e ite n fü h rte O berst K o c n u r die Juden an und sprach sich u n te r B eto n u n g der k u ltu re lle n S elbstve rte id ig u n g u n d w ir t ­ schaftlichen S e lb stä n d ig ke it des polnischen V olkes g e g e n jede G ew altlösung der Judenfrage aus. — D ie E rk lä ru n g des Obersten K o c is t n u r an die P olen gerichtet, denn n u r diese sollen ge e inig t u n d gesammelt werden. Noch fe h lt der H in w e is a u f die ausschließliche B estim m ung über den polnischen Staat n u r durch die Polen. Noch fe h lt die E rk lä ru n g : W ir P olen haben den polnischen Staat geschaffen, e r is t unser W e rk ; w ir a lle in sind sein W ir t, u n d n u r w ir bestim m en in ih m u n d ü b e r ih n . Das sind die Thesen der N a tio n a ld e m o k ra tie . Sie w erden je tz t n ic h t n u r von dieser, sondern auch von den U n te rfü h re rn und S e k to re n le ite rn des OZN. v e rk ü n d e t. Insbesondere b a t dies G eneral G a l i c a , de r F ü h re r des D o rfs e k to rs des OZN ., getan.

G eneral Galica h a t in a llen seinen V ersam m lungen, in welchen die W ojew odschaftsgliederungen des D o rfs e k to rs des OZN. geschaffen w u rd e n , im einzelnen eine abweichende, aber im G rundsatz e i n d e u t i g e P o l i t i k d e r N i c h t g l e i c h b e r e c h t i g u n g d e r n a t i o n a l e n M i n d e r h e i t e n i n P o l e n e n tw icke lt. V on Lem berg aus h a t e r es f ü r n o tw e n d ig b e funden, dem in O stgalizien sehr a k tiv e n U k ra in e rtu m zu e rk lä re n , daß „ im polnischen Staat das polnische V o lk a lle in de r W ir t is t u n d b le ib t“ . H ie r im südöstlichen T e il de r R e p u b lik könne das polnische V o lk „k e in e E inengung seiner u n w id e r­

sprochenen Rechte z u r a lle in ig e n E ntscheidung der ö ffe n tlich e n A ngelegen­

h e ite n zulassen“ . E in geschlossenes P o le n tu m sei h ie r n o tw e n d ig , um „g e ­ b ü h re n d die polnische Staatsraison zu v e rtre te n “ . In Polessien u n d W o lh y n ie n , wo das U k ra in e rtu m w eniger a k tiv u n d das W eißrussentum ka u m zum n a tio ­ nalen B ew ußtsein gelangt ist, h a t Galica von e in e r M in d e rh e ite n p o litik des b rü d e rlic h e n u n d staatsbürgerlichen Zusammenlebens de r gesamten a u f dieser E rd e w o h n h a fte n B e vö lke ru n g gesprochen. U k ra in e r, W eißrussen u n d Polen d ü rfe n n ich t eine M auer zwischen sich rich te n , sondern sollen gemeinsam eine solche um die östliche Grenze der R e p u b lik P olen legen. So s ta rk er in seinen E rk lä ru n g e n an die U k ra in e r u n d W eißrussen das H errscherrecht des polnischen Volkselem ents b e to n t, so is t doch in diesen E rk lä ru n g e n das Bestreben u n ­ v e rke n n b a r, das Zusammenleben zwischen P olen u n d den erw ä h n te n M in d e

r-G r u n d s ä t z l i c h e s z u r p o l n i s c h e n M i n d e r h e i t e n p o l i t i k

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h e ite n a u f d er G rundlage e iner slawischen S o lid a ritä t u n d B rü d e rlic h k e it zu gestalten.

V ö llig anders la u te n Galicas F o rm u lie ru n g e n gegenüber der d e u t s c h e n

\ olksgruppe. In fh o r n h a t G eneral Galica von de r N a tio n a lis ie ru n g des ökonomischen Lebens gesprochen, die dem P o le n tu m die w irtsch a ftlich e Selb­

stä n d ig k e it b rin g e n solle. H ie r in T h o rn h a t Galica den versam m elten F u n k ­ tio n ä re n des OZN. in E rin n e ru n g gebracht, daß sich „ a u f d er T h o rn e r E rde de r polnische Gedanke gegen die M ethoden de r deutschen G ew alt Jahrhunderte- lang durchgesetzt h a t . H ie r in T h o rn müsse daher das P o le n tu m besonders a u f die S tärkung des polnischen N ationallebens bedacht sein. A lso k e in W o rt von Zusam m enarbeit m it dem D eutschtum , im G egenteil: B etonung de r N o t­

w e n d ig k e it, die eigenen n a tio n a le n P o sitionen zu verstärken. — Noch schärfere A kze n te gegen das D eutschtum fie le n a u f der Tagung in Posen. H ie r w urde die Beschleunigung der A g ra rre fo rm g e fo rd e rt. Bezeichnend w aren die A u s­

fü h ru n g e n des A bgeordneten K o z u b s k i , der, obw ohl g rundsätzlich gegen die Schaffung von K e lin w irts c h a fte n als Ergebnis der P a rz e llie ru n g e ingestellt, die

„A n w e n d u n g de r A g ra rre fo rm als eine staatliche N o tw e n d ig k e it“ ansah und eine K o r r i g i e r u n g d e s B o d e n b e s i t z v e r h ä l t n i s s e s d e r d e u t s c h e n V o l k s g r u p p e zu ih re r zahlenm äßigen S tärke fo rd e rte . D e r Zustand, daß 9 P ro ze n t Deutsche in Posen 29 P ro ze n t des Bodens besitzen, sei u n tra g b a r, e rk lä rte er. —- A m negativsten is t jedoch de r m in d e rh e ite n p o litisch e T e il der O ZN .-E ntschließung in K a t t o w i t z ausgefallen. D o rt h e iß t es: „ D ie polnische M in d e rh e ite n p o litik w ird aus tra d itio n e ll-h is to ris c h e n G esichtspunkten w ie aus G ründen der Gegenwartslage z u r A u fgabe haben, bei v ö llig e r B erücksichtigung der n a tio n a l-k u ltu re lle n Interessen de r deutschen M in d e rh e it sich alle n Be­

strebungen e in e r p o litischen u n d k u ltu re lle n Offensive dieser M in d e rh e it a u f ein ih r n a tio n a lfre m d e s Gebiet entschieden zu w idersetzen.“

Das alles sind erst E rk lä ru n g e n . D e r OZN. h a t noch k e in bestim m tes P rogram m a u f m in d e rh e ite n p o litis c h e m Gebiet fo rm u lie rt. Das P rogram m ist, w ie die verschiedenen U n te rfü h re r und S e kto re n le ite r angeben, noch in der A u sarbeitung. Es d ü rfte aber keinem Z w e ife l u n te rlie g e n , daß dem e n d g ü ltig fo rm u lie rte n P rogram m die schon je tz t v e rk ü n d e te n Thesen zugrunde liegen werden. W ie auch im m e r der OZN. die ih m zugefallene A ufgabe e rfü lle n w ird , das polnische V o lk zu sammeln — in jedem F a lle w ird er ein beachtlicher F a k to r de r polnischen In n e n p o litik werden. N ic h t n u r seine p olitischen A k tio n e n , sondern auch seine ideologischen Ä ußerungen w erden a u f die p o l­

nische S ta a ts p o litik E in flu ß haben. ; c P r e u ß .

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