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Das Zeitalter des Verfalls

W dokumencie Geschichte der polnischen Litteratur (Stron 97-129)

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III. Das Zeitalter des Verfalls

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D i e J e s u i t e n .

jie freudige helle Flam me, in welcher die geistige Bewegung 1 des goldenen Zeitalters glühte und leuchtete, begann zu erlöschen, der kaum zum hellen Glanz erweckte Edelstein sich unter Schlacken zu verbergen. Dem Erblühen und A u s ­ schwingen folgte eben so schnell ein Verwelken und Herabsinken, veranlasst durch politische Faktionen und durch d ie , zur E r­

reichung ih re r Absichten kein M itte l scheuenden J e s u i t e n D er Orden, eben erst geboren, stand, ohne eine K in d h e it oder Jugend­

zeit durchlebt zu haben, sofort als ausgewachsener Riese da und nahm den K am pf m it V ölkern auf. W ie wenn am Abend eines Sommertages die N atur in stillem Frieden lächelt das scheidend Lichtgestirn die üppigen F ru ch tfe ld er, die sanft sich kräuselnde M eerflut vergoldet und alle Creatur der Segenspenderin ein frohes und hoffendes „a u f W iedersehn“ zuruft, - d * m aber plo z eine dunkle W olke herannaht, sich ausdehnt und es in >

markerstarrenden Nebel hüllt, so sah sich auch das herrliche Land der Polen, das sich frie d lich im Lichte einer gesunden A u M a r u g sonnte, schnell w ieder in dunkle N acht versetzt. D er bigotte Obskurantismus erklärte vor Allem der nationalen D ichtung d Vernichtungskrieg. K e in Sänger aus Czarnolas feierte je tzt

go

im hohen Liede Gott und seine Schöpfung, kein Geschichts­

schreiber wie Bielski, kein freier Denker wie G órnicki legte mehr das als wahr und recht Erkannte in mustergiltigen Werken nieder.

Die L itteratur sank in eine Lethargie zurück, aus der sie erst gegen die M itte des 18. Jahrhunderts wieder erwachen sollte.

D er eifrigste Kämpfer für die Aufrechterhaltung des katho­

lischen Glaubens in den polnischen Ländern war der Cardinal S t a n i s ł a w H o s i u s . Im Jahre 1504 geboren, erhielt er die erste Ausbildung in seiner Vaterstadt Krakau und in W ilna und trat darauf in den geistlichen Stand. Der Bischof von Krakau Peter lo m ic k i sandte ih n , seinen Eifer und seine Fähigkeiten erkennend, nach Padua, wo er erfolgreiche Studien machte, die er dann in Bonn vollendete. Tom icki’s Nachfolger Samuel M a­

ciejowski bewirkte seine Aufnahme in das Krakauer Kapitel.

Wegen seiner Kenntnis der deutschen Sprache wurde er nun zunächst m der Kanzelei Sigmund Jacgiello’s m it der Erledigung der preussischen Angelegenheiten beauftragt, alsdann aber von Sigmund August zum Bischof von Culm und 1550 zum Bischof von Ermeland ernannt, und zwar gegen die Gesetze des Dom ­ kapitels, denen zufolge nur ein M itglied desselben zu dieser Würde erhoben werden durfte.

A u f der Synode zu Petrikau im Jahre 1551 legte Hosius seine berühmte, 1553 in Krakau gedruckte, Confessio fidei vor.

Seme sonstigen Schriften dürfen keinen besonderen W ert bean­

spruchen. Vom Papste Pius IV . nach Rom berufen, wurde er von ihm und der ganzen Hierarchie aufs Höchste ausgezeichnet und ^ erhielt den Kardinalshut. Nachdem er dann auf dem T ri- dentiner K onzil als Abgesandter ' Roms die Interessen desselben wahrgenommen hatte, kehrte er nach seiner Diöcese zurück. Da er kräftige Massregeln gegen den bereits vielfach eingewurzelten Protestantismus für durchaus geboten hielt, eröffnete er zunächst m Braunsberg 1565 ein Jesuitenkollegium. Von dort aus ver­

breiteten sich die Jünger Loyola’s später über das ganze Land.

Im Jahre 1569 reiste Hosius noch einmal nach Rom und ver­

blieb, vom Papste Pius V. m it Auszeichnung aufgenommen, dort bis an sein Lebensende 1579. Sein Stellvertreter und späterer

Nachfolger im Am t M a r t i n K r o m e r (siehe Seite 33) wirkte im gleichen Sinne weiter fort.

Hosius wurde in Rom und in der ganzen katholischen W elt als ein vom H im m el zum Schutz der Herde Christi gegen Luther und Calvin Gesandter angesehen. M an gab ihm die ehrenden Beinamen: Stütze der Kirche, Hammer gegen die Ketzer, Phönix der Kardinale, polnischer Patriarch, Altvater Abraham, Augustin, Melchidesek, Wächter des Glaubens, Wunder der W e lt, Mauer des Katholizismus. Die Lutherischen nannten ihn „A b go tt der Katholiken“ und das römische Bekenntnis den „Hosius’schen Glauben“ . Melanchthon erkannte seine hohe Begabung an, indem er von ihm sagte: „wenn er nicht Papist gewesen wäre, hätte er eine Fackel der Kirche sein können — er habe wohl den Ruhm, aber nicht das W ohl des Vaterlandes vermehrt“ . M an muss Hosius das Zeugnis geben, dass er m ildthätig und ein wahrer Vater der Arm en und Unglücklichen war. E r bediente sich der Jesuiten zur Erreichung des von ihm als heilsam Erkannten, wie man ein Heer in den K am pf sendet, bei dessen Tapferkeit man wohl auch nicht nach seinen sonstigen Eigenschaften fragt. Übrigens gingen aus dem Jesuitenorden, wie w ir später sehen werden, manche würdige und wahrhaft verdiente M änner hervor. U nd hatte nicht die neuere Zeit einen gleich rücksichtslosen Unterdrückungskampf geg en die katholische Kirche aufzuweisen, in welchen^ jeder Atheist, und sogar offiziöse Zeitungen roh und derb m it den üblichen Phrasen und Gemeinplätzen von „Pfaffentum“ u. s. w.

um sich warfen?

Wenn w ir aber den Erfolg der Thätigkeit des Kardinals Hosius im Ganzen betrachten, überkommt uns ein Gefühl tiefer Trauer. Der Einfluss der unter e in e m Banner, m it^ e in e m Losungswort vorschreitenden Jesuiten machte sich bald in Polen fühlbar. Den klarsten gesetzlichen Bestimmungen entgegen wur­

den die Dissidenten von allen Ämtern, auch vom Reichstage, aus­

geschlossen und ihre K in d e r für erbunfähig erklärt.

Es galt damals der Spruch: Vexa Lutheranum dabit thalerum.

Den Launen der Bischöfe und Mächtigen, oft sogar fanatischer Rotten schutzlos preisgegeben, lebte fortan das seinem Bekenntnis

treu gebliebene H äuflein der Evangelischen in steter Ungewissheit, was der nächste Augenblick über sie verhängen werde. F ür sie gab es kein Recht, keine Duldung. Einige wenige Thatsachen werden genügen, ein B ild ihrer Lage zu geben. Einer der gröss­

ten Grundbesitzer, Unruh, Starost von Gnesen, wurde zum Tode m it Zungenausreissen verurteilt, weil er aus deutschen Büchern beissende Bemerkungen über die Jesuiten in sein Notizbuch ge­

schrieben hatte. Das Bethaus der evangelischen Gemeinde zu Krakau wurde am io . Oktober 1574 von den m it dem gleich- gesinnten Pöbel verbündeten fanatisierten Studenten zerstört, ohne dass die Behörden dagegen eine H and zu rühren wagten. Ä hn­

liche Exzesse folgten, evangelische Begräbnisplätze wurden aufge­

rissen, Unfug m it den Leichen getrieben und viele andere Ge- waltthätigkeiten ungehindert verübt. Zwar bestätigte König Stephan das von Sigmund August erteilte Privilegium freier Religionsübung, aber nach seinem Tode begannen die Angriffe von Neuem. Häuser der Evangelischen wurden geplündert, der Pastor der Krakauer Gemeinde Jakob W o lf unbarmherzig zerschlagen, Begräbniszüge überfallen, ein Krakauer Zuckerbäcker Isaak Mayerhöfer erlitt ent­

setzliche Misshandlungen und wurde nach der Peterskirche zu den Jesuiten geschleppt, dam it sie ihn bekehren sollten; diese nahmen ihn nicht in ihren Schutz und tadelten auch durchaus nicht das kannibalische Verfahren, sondern machten sich darüber lustig.

Ähnliche Ausschreitungen kamen in allen Städten vor, in welchen die Jesuiten den Geist der Jugend beherrschten. Allgemeiner be­

kannt geworden ist die „T h o rn e r Tragödie“ .

Als I r a n z L i s m a n i n (siehe Seite 79), Kommissarius über alle Franziskanerklöster und über die Nonnen des St. Klara-Ordens, von der Königin nach Rom gesandt war, um den neuen Papst Julius I I I . zu beglückwünschen, schrieb der Bischof von Krakau d ort­

hin und riet, Lismanin als einen verkappten Ketzer ins Gefängnis zu werfen. Der B rief kam aber zu spät in Rom an.

Doch genug von diesen Beispielen des Fanatismus, deren wir nur einen geringen Bruchteil angeführt haben. Das polnische Volk, stets tolerant und edelmütig, so lange nicht religiöse oder politische Agitationen es aufreizen, ist für solche Thaten nicht verantwortlich zu

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machen, — sie fallen den intellektuellen Urhebern zur Last, jener fremdländischen Ordensgesellschaft, welche überall Zwietracht säete, blühende Länder in Dunkelheit hüllte und niemals verlegen war, so­

gar Verbrechen zu rechtfertigen, wenn sie ihre M a c h t s t e l l u n g be­

festigen konnten. Es bleibt nur noch hinzuzufügen, dass für die an den Evangelischen verübten U nbilden nicht ihre Feinde, sondern sie selbst hart büssen mussten, indem ihnen — „zu r Vermeidung des Aufruhrs“ — verboten wurde, sowohl neue Kirchen zu bauen, als auch die alten auszubessern.

D e r V e r f a l l .

Die Jesuiten waren in kurzer Frist die Leiter der Schulen geworden. M it unglaublicher Schnelligkeit hatte sich die Zahl ihrer Kollegien und Unterrichtsanstalten vermehrt. Durch herzlose Strenge wurde die Jugend zu mönchischem Gehorsam angehalten und jedes schöne Gefühl, ja jede Moral gewaltsam erstickt. Täg­

lich hörte man das Jammern und Flehen der Schüler. Sigmund I I I . unterlag ganz demEinflusse dieses Ordens und verlieh ihm umfangreiche Privilegien. Die Krakauer Akademie, welche auch in andern Städten ihre „Colonien“ hatte, sah sich dadurch in ihren Rechten ver­

letzt und leistete, wohl wissend, dass die Gesellschaft Jesu bereits den Ruhm der bedeutendsten Universitäten des Auslandes unter­

graben hatte, entschiedenen Widerstand. Es begann eine heftige Polemik. Vergebens schrieb u. A. J o h a n n B r z o s k i (1581 — 1652), ein o-elehrter A rzt und Mathematiker, als Verteidiger der Krakauer Akademie gegen den schädlichen Einfluss der Jesuiten. Anfangs schienen diese zwar den Kürzeren zu ziehen, bald aber triumphierte ih r Orden von Neuem. Zuletzt nahm auch K rakau’s Hochschule die Lehrmethode der Jesuiten an, die selbst in der Philosophie das Falsche für Wahrheit ausgab und, das eigentliche Wesen der christlichen Religion, die Grundsätze der Tugend und der Nächsten­

liebe in T h a t und Lehre vollständig ignorierend, nur auf die blmc e Unterwerfung der Geister unter die kirchliche Herrschaft

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beitete. ^ So erlangten die Jesuiten allmählig durch L ist und Beharrlichkeit eine ungeheure M acht nicht nur über alle anderen Orden und über die Weltgeistlichen, ja über die Bischöfe, sondern auch über T hron und Regierung. Den Grossen wussten sie u. A.

dadurch zu schmeicheln, dass sie m it vielem Aufwand heraldischer Gelehrsamkeit ihre Stammbäume bis auf die biblischen Zeiten zurückführten und dadurch ihren Unterschied vom Plebs konsta­

tierten. Ih r Hauptaugenmerk war aber auf die Verdrängung der polnischen Sprache gerichtet, die sie, die verjährte T a k tik der mittelalterlichen Seelenhirten wieder aufnehmend, für eine heidnische und deshalb dem katholischen Geiste feindliche erklärten. Deshalb verbrannten sie in ganzen Stössen auf den Marktplätzen Lieder, Erzählungen, Fabeln und ausgezeichnete Denkmäler altpolnischer Sprache und Litteratur. H atten die ersten religiösen Reforma­

toren sich m it Liebe der Sprache des Landes angenommen, so war nunmehr die kirchliche Zensur eifrigst bestrebt, alle K u n d ­ gebungen in polnischer Sprache zu unterdrücken, so dass endlich auch die Dissidenten zum Lateinischen zurückkehren mussten.

Die polnische Litteratur war den Jesuiten vollständig fremd. In ihren Lehranstalten wurde nur lateinisch unterrichtet, den Zög­

lingen war es sogar verboten, ausser der Schule ihre Muttersprache zu gebrauchen, und jeder Zuwiderhandelnde erhielt sofort ein

„Signum“ , welches dem Inhaber dann eine körperliche Strafe ein­

trug. So sollte schon der Jugend das unschätzbare Kleinod der Muttersprache geraubt werden! Darunter litten beide Sprachen;

aber mehr noch, das selbständige Denken ging verloren, dieser unermesshche Schatz, den der mechanische Mensch, der sich nur an der Gedankenkrücke des Lehrers fortziehen lässt, nie zu er­

werben im Stande ist. Die Wiedereinführung der bereits glück­

lich überwundenen Scholastik und des leeren Pedantismus dämmte völlig alle gesunde Geistesthätigkeit, alle Aufklärung ab. Die ganze Wissenschaft war eine Magd der Theologie geworden.

Zwar studierte man emsiger als ehedem die A lten, aber ihr innerstes Wesen blieb unerschlossen. Aus dem öffentlichen Leben wurde eine grosse lateinische Schule, in welcher Schulkünste, mechanisches Auswendiglernen und vor Allem lateinisch Reden

und Schreiben als allein zu Ehren und Ansehen bringend galt.

Deshalb sagte Stephan B atory, als er einst eine höhere Schule besichtigte, zu einem armen aber fleissigen Studenten: „Disce puer latin e, faciam te Mości Panie (Lerne lateinisch, mein Sohn, und ich mache dich zum Edelmann)“ .

Die kritische Wissenschaft musste jetzt einer leeren Rhetorik und astrologischem Geschwätz weichen, die Dichtkunst beschränkte sich fast nur auf platte, m it Mythologie versetzte Lobhudeleien, in denen das Polnische, wo es noch angewandt wurde, m it dem Lateinischen vermischt war. W er sich auf solch barbarisches Com­

positum nicht verstand, galt durchaus für roh und unwissend. Über die Herleitung des Namens „Makkaronismus“ für diese auch in andern Ländern zu Tage getretene Verirrung herrschen verschie­

dene Ansichten. W ährend Einige den Benediktiner M erlino Coc- cajo für den Urheber der makkaronischen Poesie halten, weil er in seinem Hauptgedicht dieser Gattung Lateinisch und Italienisch so gemischt habe, wie man Maccaroniteig aus verschiedenen Teilen zusammensetzt, wird in Polen ein italienischer Jesuit Makaro als derjenige bezeichnet, welcher daselbst diese Ausdrucksweise eingeführt habe. Schon K o c h a n o w s k i verspottet solche Ge­

schmacklosigkeit in seinem Carmen maccaronicum. Einem Felde, auf dem solches U nkraut wuchert, entspriesst nur spärlich der grüne Halm der Poesie. Wertloses wurde nun populär, Ge­

diegenes, wie W a c ł a w P o t o c k i ’s Dichtung „D e r Chocimer K rieg “ und P a s e k ’ s „M em oiren“ (wovon später), wurde m it vollständiger Gleichgiltigkeit aufgenommen, um erst von der Nachwelt anerkannt zu werden. Die Astrologie stand in Blüte. Louise M aria von Gonzaga, Gemahlin Władysławs I V , gab 2000 Thlr. zum Abdruck der Astrologia gallica des Pariser Arztes und Mathematikers M orin, weil dieser ih r den Königsthron prophezeit hatte. Der Luxus des übermütigen Adels überstieg Alles, was in dieser Beziehung von den alten Persern berichtet wird. A n der Tafel der Gros­

sen servierte man nach dem Dessert Pyramiden von Dukaten und verteilte sie unter die Gäste. Geld unter das V o lk zu w erfe n , war bei den polnischen Magnaten etwas Gewöhnliches.

Die Oberkleidung der Edelleute bestand grösstentheils aus persischem

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Goldstoff oder verschiedenfabigerm Sammet m it Pelzwerk von un­

schätzbarem Wert. U nter diesem Dolman trug man eine reiche T u n ik a , Zupan genannt, von G oldbrokat, Silberstoff oder Seide, deren Stickerei von den Damen des Landes gefertigt war. An dem pelzverbrämten Barett prangte — zur Befestigung einer einfachen Reiherfeder — eine Diamant-Agraffe von zehn, zwan­

zig bis dreissig Tausend Thalern an Wert. Auch die Pferde waren, nach orientalischer Weise, höchst kostbar geschirrt, die Köpfe m it teuern Ketten behängen, die Zügel m it Gold und Steinen besetzt. Die polnischen Grossen hielten Truppen in ihrem Solde, ein Einzelner oft mehrere tausend Mann. M it diesen unternahmen sie des persönlichen Ruhmes wegen krie­

gerische Expeditionen auf eigene H an d, die nicht immer nutz­

bringend für das Vaterland ausfielen, ja oft, wie die eines Rad­

ziejowski, Lubom irski, Chmielnicki, gegen den König gerichtet waren. Die Unzahl „kleiner Könige“ war Polens Verderben. D er Staat war nie politisch kräftig organisiert, sondern lebte und bestand aus Individuen, deren jedes seine eigene Barke zu steuern suchte.

Daher die wechselvolle Vergangenheit, das mehrmalige Erblühen und Verfallen.

t> ie p a n e g y r i s c h e B e r e d s a m k e i t .

Das höfische Schmeichelgedicht und der panegyrische Sermon waren jetzt an die Stelle der echten schöpferischen Poesie und der begeisterten Rede getreten.

Während die eigentliche Lobrede, wie die eines Isokrates, sich m it der Darstellung der wahren Eigenschaften, nämlich glän­

zender Tugenden und schöner Thaten oder auch eines für die Menschheit überhaupt preiswürdigen Gegenstandes befasst und auch

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Cicero nur Tugenden in ihrem edleren Gebrauch gerühmt wissen w ill und enthält der spätere, m it dem Begriff „lobrednerisch“

verbundene Panegyricus, gleich dem in der Zeit der letzten Cäsaren üblichen, Huldigungen und beglückwünschende Schmeicheleien der niedrigsten Art. Als in Polen der Obskurantismus und die V er­

derbtheit um sich griff, und leere, alles Geistes und Gefühls ent­

behrende D oktrinen wieder einem Mehltau gleich das frische grüne Leben erstickten, offenbarte sich dieser allgemeine Rück­

schritt ganz besonders in der oratorischen Kunst.

Man trat zwar eben so oft wie früher, vielleicht noch häu­

figer, und zwar bei jeder erdenklichen Gelegenheit, bei jedem, auch dem geringsten häuslichen oder öffentlichen Ereignis m it Reden auf, aber diese wurden immer gezwungener und geblähter, man übertrieb auf das Geschmackloseste, erging sich in gehäuften Makkaronismen, hochfliegenden Allegorien und Vergleichen. Je weniger gesunde Einsicht der Redner an den Tag legte, je mehr seine Phraseologie ins Bodenlose ausschweifte, desto grösser war in diesem Zeitalter sein Erfolg. Die leere Lobhudelei, das Preisen des Wertlosen g riff mehr und mehr um sich und artete in w idri­

ges Kriechen aus. D er Panegyrismus, die K rankheit der Zeit, umkrallte wie ein Polyp den Geist des Volkes und lähmte seine Lebenskraft. Alles verwandelte sich in Lob. Man lobte bei Taufen und Begräbnissen, man lobte sich gegenseitig bei jeder Veranlassung; vornehme Gönner wurden wie Halbgötter gefeiert, und die lächerlichsten Übertreibungen waren an der Tagesordnung.

Diese Epidemie nahm so überhand, dass auch die Litteratur davon ergriffen wnrde. Es gab Schriftsteller, die sich ausschliesslich m it der Abfassung panegyrischer Machwerke beschäftigten und einer Unzahl derselben das Leben gaben. Jesuiten und Piaristen, Pro­

fessoren der Akademieen, Geistliche und Weltliche schrieben der­

gleichen, und kein Bibliograph wäre im Stande, die Menge grösserer oder kleiner panegyrischer Schriften zu zählen, welche damals im verschiedensten Format durch die Druckereien Polens in die W elt gesandt worden sind. Noch heute zeugen ganze Stösse in öffentlichen und Privatbibliotheken von jener traurigen Verdorben­

heit des Geschmacks und gesunden Sinnes. Eine neue überaus

N i t s c h m a n n , Gesch. d. poln. L i t t . 7

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blumenreiche A rt des Stils, Florida genannt, m it den übertriebensten biguren und Witzspielen nach der zeitgenössischen italienischen Schreibart herrschte in allen Zweigen der Litteratur.

Um von der Sonderart der damaligen Eloquenz eine V o r­

stellung zu geben, lassen w ir hier zunächst eine Stelle aus einer Anrede folgen, welche der Wojwode Zawisza zur Begrüssung August’s I I. hielt:

Unsere polnische Niobe, soeben noch effusa in lacrymas, hodie concrescit

¡n gemmas; nach düstern und traurigen Nächten candida mundi sidera cur- runt, denn du hast den polnischen Thron bestiegen vultu siderio discutiens nubila. Unsere schon verlorenen Hoffnungen kehren wieder cum foenore.

Das Vaterland cum suis ordinibus von jetzt ab in seinem Schosse primurn majestatis ordinem haltend, id est Euere Majestät in diademate suo, gleicht nicht mehr einer klagenden Turteltaube, sondern es hat sich m it den Federn des Adlers geschmückt.

Zu jeder, auch der alltäglichsten Begebenheit wurden über­

schwengliche Reden gehalten, und viele davon sind in den, Silva rerum genannten Hausbüchern bewahrt, in welche fast in jeder altpolnischen Familie eine Anzahl solcher Sermone hineingeschrieben wurde, um später für alle vorkommenden Fälle m it einer passenden Ansprache gerüstet zu sein. Das neue Jahr, Ostern, Weihnachten, die Namenstage des Schutzpatrons wurden m it Redeakten begangen Die hauptsächlichste Gelegenheit boten die Familienfeste, vor Allem der E in tritt eines neuen Nachkömmlings in die Welt, welcher überhaupt auf das Glänzendste gefeiert wurde. In einer auf uns gekommenen Silva rerum finden wir die Anrede eines Taufpaten, welche vom Ruhm des Pythagoras, der Heroen und den ähnlichen Eigenschaften der betreffenden Fam ilie han­

delt. A u f diesen Glückwunsch antwortete der Vater des neuge­

boren Sohnes:

Eine freudige Morgenröte ist in meinem Hause aufgegangen, nachdem ich durch Gottes Gnade einen Nachfolger, sanguinis et fortunae meae heredem, empfangen habe. A ber was für ein Tag auf eine so freudige Morgenröte folgen wird, fata in occulto habent, und ich vermag nicht unfehlbar ein Pro­

gnostiken zu stellen, denn spes mortalium erweist sich oft als nichtig, und wie non semper aurorae dies respondent, so treten nicht immer die Posteri in

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die vestigia der Väter. Was m ir indes zur hohen Freude gereicht, ist die Hoffnung, welche Sie, Hochverehrter H err, in m ir erregen, indem Sie ver­

sprechen, dass wie ich selbst majores gloriosos gehabt habe, ich auch einen filium haben werde, majoribus non degenerem. Den gehorsamsten Dank statte

sprechen, dass wie ich selbst majores gloriosos gehabt habe, ich auch einen filium haben werde, majoribus non degenerem. Den gehorsamsten Dank statte

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