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Die Beziehungen der südfranzösischen Ritterorden zu Juristen. Aufbau,

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© Copyright by Wydawnictwo Naukowe Uniwersytetu Mikołaja Kopernika and Towarzystwo Naukowe w Toruniu, Toruń 2014 Thomas Krämer (KÖeln)

DIE BEZIEHUNGEN DER SÜDFRANZÖSISCHEN

RITTERORDEN ZU JURISTEN.

AUFBAU, PFLEGE UND NUTZEN VON

NETZWERKEN

keywords

Templars; Hospitallers; Networks; Conflict; Cooperation; Jurists; Provence; Languedoc

D

ie Kommende Manosque, eines der reichsten und mächtigsten Johanniter-häuser in ganz Südfrankreich, befand sich Mitte des 13. Jahrhunderts in einer äußerst diffizilen Situation. Zum einen war der Präzeptor exkommuniziert worden, nachdem er mehrere Geistliche misshandelt hatte, woraufhin er an den Papst appellierte.1 Zum anderen entwickelte sich zeitgleich eine erbitterte

Ausein-andersetzung mit dem renommierten Kanonisten Heinrich von Susa (de Segusio), der zu diesem Zeitpunkt als Bischof von Sisteron amtierte.2 Es entspann sich ein

langwieriger Konflikt, den der Hostiensis teilweise in seinen juristischen Werken verarbeitete. Im Verlauf der Streitigkeiten appellierte der Johanniterbruder, dem die Verteidigung des Ordenshauses übertragen worden war, zunächst an den Erzbischof von Embrun und anschließend an den Papst. Beide Male scheiterte er. Allerdings nicht – wie selbst der Hostiensis als Kontrahent eingestehen musste – weil die Ap-pellationen unbegründet waren. Sie wurden schlicht zu schlecht vorgetragen, so dass der Ritterorden nicht nur abgewiesen, sondern zusätzlich noch in die Kosten verurteilt wurde. Beides breitete der Kirchenrechtler in seiner Summa nicht ohne

ei-1 Archives Départementales des Bouches-du-Rhône (im Weiteren: AD BdR), 56 H 4652. Siehe

auch: F. Reynaud, La commanderie de l’hôpital de Saint-Jean de Jérusalem, de Rhodes et de Malte à Manosque (XIIe siècle – 1789), Gap 1981, S. 45 ff.

2 AD BdR, 56 H 4630. Dieser zählte bereits zu diesem Zeitpunkt zu den profiliertesten

Kano-nisten seiner Zeit und sollte später zum Kardinalbischof von Ostia aufsteigen, weshalb er als Hostiensis bekannt wurde. N. Didier, Henri de Suse, évêque de Sisteron (1244–1250), Revue

historique de droit français et étranger. 4. Serie., 31 (1953), S. 246 f.

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nen gewissen Spott aus.3 Erst ein Wechsel des Prokurators sowie ein neuer Präzeptor

vermochten es schließlich Jahre später, den Konflikt gütlich beizulegen, indem die Forderungen durch die Zahlung einer hohen Summe abgelöst wurden.

Das Beispiel der Johanniterkommende Manosque macht deutlich, dass es nicht notwendig ist, auf außergewöhnliche oder singuläre Ereignisse wie den Templerprozess zu rekurrieren, um den Bedarf der Ritterorden an Juristen zu illustrieren.4 Auch im alltäglichen Leben waren Kontakte zwischen

Ritterordens-brüdern und Rechtskundigen notwendig, wenn nicht sogar unvermeidbar, um die eigenen Rechte zu wahren oder Ansprüche durchzusetzen. Am Beispiel der Beziehungen der südfranzösischen Templer und Johanniter zu Juristen lässt sich beobachten, wie die Ritterorden Netzwerkstrukturen aufbauten und einsetzten. Ebenso ist es aufgrund der teilweise ausgesprochen günstigen Überlieferungs- und Forschungslage möglich, Vor- und Nachteile von Netzwerken zu untersuchen.5

3 Henricus de Segusio, cardinalis Hostiensis, Summa una cum summariis et adnotationibus, hrsg.

v. N. Superantii, Lyon 1537 (Neudr. Aalen 1962), fol. 51r.

4 James Brundage stellte die These auf, dass zumindest die Templer den Untergang ihres Ordens

durch die Geringschätzung rechtlicher Studien mit verursacht hätten. J. Brundage, The Lawy-ers of the Military OrdLawy-ers, in: The Military OrdLawy-ers. Fighting for the Faith and caring for the Sick,

hrsg. v. M. Barber, Aldershot 1994, S. 352: „In short, the Templars seem to have opted out of the legal culture that had begun to dominate Western Christendom by the beginning of the thirteenth century, and it may not be exaggeration to suggest that ultimately some of them paid for this with their lives“.

5 Es haben sich mehrere Chartulare und eine reiche urkundliche Überlieferung in den

Departe-mentsarchiven von Marseille und Toulouse erhalten. Zum anderen waren Juristen bereits verschiedentlich Gegenstand von Netzwerkforschungen. Siehe z. B.: R. Gramsch, Erfurter Juri-sten im Spätmittelalter. Die Karrieremuster und Tätigkeitsfelder einer gelehrten Elite des 14. und 15. Jahrhunderts, Leiden 2003, S. 135 ff., S. 360 ff., S. 380 ff. Aufgrund der Quellenlage ist es

zwar nicht möglich, eine historische Netzwerksanalye im engeren Wortsinn durchzuführen, da eine entsprechend dichte Überlieferung nur in Ausnahmefällen vorliegt. Dies ist z. B. zu eini-gen Städten an der unteren Rhône der Fall, wo sich auch die notarielle Überlieferung in großem Ausmaß erhalten hat. Deren Auswertung wäre allerdings nur mit sehr hohem Aufwand mög-lich gewesen. Es werden daher nur Ansätze der Netzwerkforschung verwendet. Siehe zu den methodischen Schwierigkeiten: M. Raitmayer, C. Marx, Netzwerkansätze in den Geschichts-wissenschaften, in: Handbuch Netzwerkforschung (Netzwerkforschung 4), hrsg. v. C. Stegbauer,

R. Häußling, Wiesbaden 2010, S. 869 ff.; C. Lemercier, Formale Methoden der Netzwerkanalyse in den Geschichtswissenschaften. Warum und Wie?, Österreichische Zeitschrift für

Geschichts-wissenschaften 23 (2012), 1, S. 16 ff. Zu den Schwierigkeiten, aber auch Möglichkeiten, denen sich die mediävistische Netzwerkforschung gegenübersieht: E. Jullien, Netzwerkanalyse in der Mediävistik. Probleme und Perspektiven im Umgang mit mittelalterlichen Quellen,

Viertel-jahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 100 (2013), 2, S. 138 ff. Dass solche Analysen gewinnbringend eingesetzt werden können, hat kürzlich Robert Gramsch bewiesen: R. Gramsch,

Das Reich als Netzwerk der Fürsten. Politische Strukturen unter dem Doppelkönigtum Friedrichs II. und Heinrichs (VII.) 1225–1235 (Mittelalter-Forschungen 40), Ostfildern 2013.

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Zu den Rechtskundigen, deren Dienste für die Ritterorden hilfreich waren, zählten nicht nur Juristen, die Kirchen- und/oder Zivilrecht studiert und eventuell sogar akademische Grade erworben hatten. Für die Ritterorden waren Personen, die Kenntnisse städtischer Statuten oder des lokalen Gewohnheitsrechts vorwei-sen konnten, von ebenso großer Bedeutung. Dies spiegelt sich in den Titulaturen der Rechtsberater wider, die in den Quellen fassbar sind. Neben den Prokuratoren, Advokaten und Syndices werden Personen als jurisperitus oder causidicus

bezeich-net, deren Kenntnisse und Ausbildung oft im Dunkeln bleiben. Dies gilt ebenso für Notare, die bisweilen den Titel eines magister trugen, deren Rechtskenntnisse

aber nicht zwangsläufig auf einem universitären Studium beruhten, sondern eher auf einer praktischen Ausbildung und jahrelanger Erfahrung.6

Kontakte und Berührungspunkte mit Juristen

Hinsichtlich des Einsatzes von ordensinternen oder -externen Rechtsbeiständen waren die jeweiligen Entscheidungsträger in den Ordensprovinzen weitgehend frei. Weder den Ordensregeln, noch den Statuten oder Gewohnheiten lassen sich diesbezügliche Vorschriften entnehmen. Regelungen gingen stattdessen von Konzilien und Provinzialsynoden aus, die sich mehrfach mit dem Einsatz von Rechtsbeiständen und Prozessvertretern befassten.7 Grundsätzlich konnte die

rechtliche Vertretung innerhalb des Ordenshauses oder des Ordens verbleiben. In solchen Fällen oblag sie häufig dem Provinzialmeister, dem Leiter des betroffenen

6 R. Aubenas, Étude sur le notariat provençal au Moyen Âge et sous l’Ancien Régime,

Aix-en-Pro-vence 1931; M. Lesnée-Ferret, The Notariate in the consular Towns of Septimanian Languedoc (late twelfth – thirteenth Century), in: Urban und rural Communities in medieval France. Pro-vence and Languedoc 1000–1500 (The medieval Mediterranean 62), hrsg. v. K. Reyerson,

J. Drendel, Leiden‒Boston‒Köln 1998, S. 7 ff.

7 Seit dem III. Lateranum war eine Vertretung durch einen geistlichen Prokurator nur vor einem

geistlichen Gericht möglich. Siehe: Dekrete der ökumenischen Konzilien, Bd. II: Konzilien des Mittelalters vom ersten Laterankonzil (1123) bis zum fünften Laterankonzil (1512–1517), hrsg.

v. G. Alberigo u. a., Paderborn‒München‒Wien‒Zürich 32000, S. 218, can. 12. Des Weiteren

benötigten Regulargeistliche, die als Prokuratoren oder Advokaten arbeiten wollten, die Ge-nehmigung ihrer Oberen. Vgl. den Kanon XIII der Synode von Avignon (1279): Sacrorum conciliorum nova et amplissima collectio, Bd. XXIV, hrsg. v. G. D. Mansi, Venedig 1780 (Neudr.

Graz 1961), Sp. 241, can XIII. Die Verfügung ist ebenfalls in den Synodalstatuten von Sisteron enthalten: Les statuts synodaux français du XIIIe siècle. Précédés de l’histoire du synode

diocé-sain depuis ses origines, Bd. 2: Les statuts de 1230 à 1260 (Collection de documents inédits sur

l’histoire de la France in-8° 2), hrsg. v. O. Pontal, Paris 1983, S. 219, § 72. Vgl. Auch: P. Fournier,

Les officialités au Moyen Âge. Étude sur l’organisation, la compétence et la procédure des tribunaux ecclésiastiques ordinaires en France, de 1180 à 1328, Paris 1880, S. 32.

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Ordenshauses oder einem beauftragten Ordensbruder.8 Die Priesterbrüder der

Ritterorden spielten in diesem Zusammenhang von einzelnen Ausnahmen abge-sehen keine herausgehobene Rolle, obwohl sie zu den litterati zählten.9 Es kam nur

vereinzelt vor, dass Ordensbrüder mehrfach eingesetzt wurden oder sich ihre Zu-ständigkeit über ein größeres Gebiet erstreckte. Eine der wenigen Ausnahmen war der Templerkaplan Guillaume de Saint-Jean, der in den 1270er Jahren mehrfach als Prokurator des Provinzialmeisters Roncelin de Fos eingesetzt wurde.10 Dank

seiner offenbar besonderen Fähigkeiten gelang ihm ein bemerkenswerter Auf-stieg bis zum Erzbischof von Nazareth.11 In ähnlicher Weise wurde der Johanniter

Guillaume Scribe im Languedoc über Jahrzehnte wiederholt mit der Vertretung des Johanniterpriorats Saint-Gilles oder von Kommenden betraut.12 Bis in das

8 Zum Beispiel handelte 1217 der Meister der Templerprovinz Provence, Guillaume d’Alliac,

ein Abkommen mit dem Arleser Domdekan aus. Vgl.: D. Carraz, Ordres militaires, croisades et sociétés méridionales. L’ordre du Temple dans la basse vallée du Rhône (1124–1312), Thèse de

doctorat nouveau régime, Lyon 2003, Bd. III, Chartrier du Temple d’Arles, Nr. 066. 1229 vertrat

der Johanniter Bermond de Luzenson die von ihm geleitete Johanniterkommende Trinquetaille in einer Auseinandersetzung mit dem Erzbischof von Arles. Vgl.: AD BdR, 56 H 5021. Als Beispiel für einen Prozessvertreter aus den Reihen der Ordensbrüder sei auf den Johanniter Bernard Rotbau-di hingewiesen, der 1320 als Generalprokurator des Johanniterpriors von Saint-Gilles agierte. Vgl.: Cartulaire et documents de l’abbaye de Nonenque avec carte, plans et vue (Archives historiques du

Rouergue XVIII ), hrsg. v. C. Couderq, J.-L. Rigal, Rodez 1950, Nr. 124.

9 Bereits Anthony Luttrell äußerte die Vermutung, dass den Priesterbrüdern der Johanniter in

Konflikten eine besondere Bedeutung zugekommen sei. Siehe: A. Luttrell, Fourteenth-Century Hospitaller Lawyers, Traditio 31 (1965), S. 450. Ähnlich argumentierten jüngst Jürgen

Sar-nowsky und Rombert Stapel: J. Sarnoswky, The Priests in the Military Orders. A comparative Approach on their Standing and Role, in: On the Military Orders in medieval Europe. Struc-tures and Perceptions (Variorum Collected Studies Series 992), Farnham‒Burlington 2011,

Nr. XVIII, S. 10 ff.; R. Stapel, Power to the Educated? Priest-Brethren and their Education, using Data from the Utrecht Bailiwick of the Teutonic Order (1350–1600), in: The Military Orders,

Bd. V: Politics and Power. The fifth international Conference to be held by the Cardiff Centre for the Crusades, hrsg. v. P. Edbury, Aldershot 2012, S. 343 ff.

10 1260 legte er als Prokurator des Provinzialmeisters zusammen mit dem Toulousaner

Dom-propst die Zusammensetzung eines Schiedsgremiums fest. Vgl.: Archives Départementales de la Haute-Garonne (im Weiteren: AD HG), H 318 (1260). 1272 verhandelte er mit Bischof Robert von Avignon über den Bau eines Oratoriums in der Bischofsstadt. Vgl.: Carraz (wie Anm. 8), Bd. III, Chartrier du Temple d’Avignon, Nr. 63 (1273, September 13).

11 J. Prawer, A Crusader Tomb of 1290 from Acre and the last Archbishop of Nazareth, Israel

Explo-ration Journal 24 (1924), S. 247 ff.; R. Hiestand, Templer- und Johanniterbistümer und -bischöfe im Heiligen Land, in: Ritterorden und Kirche, hrsg. v. Z. H. Nowak (Ordines Militares.

Collo-quia Torunensia Historica IX), Toruń 1997, S. 154; D. Carraz, L’ordre du Temple dans la basse vallée du Rhône (1124–1312). Ordres militaires, croisades et sociétés méridionales (Collection

d’histoire et d’archéologie médiévales 17), Lyon 2005, S. 321, Fn. 189.

12 AD BdR, 56 H 5021 (1218); AD HG, 108 H, Nr. 9 (1252); AD HG, H Malte Renneville,

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14. Jahrhundert ließen sich jedoch keine südfranzösischen Ritterordensbrüder nachweisen, die akademische Grade trugen und an der Beilegung von Streitig-keiten beteiligt gewesen wären.13 Für die Bestellung von Ordensbrüdern spielten

andere Qualifikationen wie die Kenntnis der lokalen Gegebenheiten und ein ge-wisses Vertrauensverhältnis eine mitentscheidende Rolle.14

Sollten Johanniter oder Templer die Ausbildung von Ordensbrüdern zu Juristen in Betracht gezogen haben, fehlten hierzu im Midi bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts weitgehend die notwendigen Einrichtungen. Zwar gab es bereits im 12. Jahrhundert z. B. in Montpellier vereinzelte studia, an denen das

Studi-um der Rechte möglich war. Jedoch blieben diese Einrichtungen vorübergehende Erscheinungen.15 Bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts war ein juristisches Studium

nur außerhalb Südfrankreichs in Paris oder Oberitalien möglich.16 Dies wurde

anscheinend als Missstand empfunden, da die Johanniterkommende Manosque 1246/47 einen Versuch unternahm, in der Stadt eine Universität zu etablieren.17

Die Bedingungen waren günstig, da die Kommende Herr über eine der größeren Städte der Provence mit immerhin ungefähr 6000 Einwohnern war und somit über eine entsprechende Infrastruktur und die notwenigen Einnahmen verfügte.18

13 Eine der Ausnahmen scheint der Johanniter Guglielmo di San Stefano oder Guillaume de

St. Etienne zu sein, der allerdings keine Berührungspunkte zu Südfrankreich aufweist. Siehe: J. Burgtorf, Die Pariser Sammlung des Johanniters Wilhelm von St. Stefan, Bibliothèque Nationa-le, fonds français 6049 (ms. s. XIV), in: Die Rolle der Schriftlichkeit in den geistlichen Ritterorden des Mittelalters, hrsg. v. R. Czaja, J. Sarnowsky (Ordines Militares. Colloquia Torunensia

Histo-rica XV), Toruń 2009, S. 266 ff.

14 So scheint 1289 der Prokurator der Kommende Poucharramet, Pierre Giefredi, in einem nicht

näher zu bestimmenden Verwandtschaftsverhältnis zum Vorsteher Guillaume Giefredi

gestan-den zu haben. AD HG, H Malte Toulouse 408 (1).

15 M. Bories, Les origines de l’université de Montpellier, in: Les universités du Languedoc au XIIIe

siècle (Cahiers de Fanjeaux 5), Toulouse 1970, S. 96 f.; A. Gouron, The Training of Southern French Lawyers during the thirteenth and fourteenth Centuries, in: La science du droit dans le Midi de la France au Moyen Âge (Variorum Collected Studies Series 196), London 1984, S. 221.

16 J. Verger, L’enseignement du droit canon dans les universités méridionales (XIIIe–XIVe siècles), in:

L’Église et le droit dans le Midi (XIIe–XIVe siècles) (Cahiers de Fanjeaux 29), Toulouse 1994,

S. 250 f.

17 J. Shatzmiller, Une expérience universitaire méconnue. Le studium de Manosque, 1247–1249,

Provence Historique 24 (1974), S. 470 ff.

18 Zur Stadt und zur Kommende siehe: Reynaud (wie Anm. 1), S. 20 ff.; D. Carraz, Aux origines

de la commanderie de Manosque. Le dossier des comtes de Forcalquier dans les archives de l’hôpital (début XIIe – milieu XIIIe siècle), in: La mémoire des origines dans les ordres religieux-militaires

au Moyen Âge (Actes des journées d’études de Göttingen, 25–26 juin 2009) / Die Erinnerung an die eigenen Ursprünge in den geistlichen Ritterorden im Mittelalter. Beiträge der Göttinger Ta-gung (25.–26. Juni 2009), hrsg. v. M. Olivier, Ph. Josserand (Vita regularis, Abhandlungen 51),

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Die finanziellen Bürgschaften, die zur Gründung notwendig waren und die die Kommende selbst übernahm, belegen das große Interesse des Ordens an diesem Projekt. Im Erfolgsfall hätte die Universität dem Ritterorden einen leichten Zu-gang zu angehenden wie praktizierenden Rechtsgelehrten verschafft, die frühzeitig für die Interessen des Ordens sensibilisiert werden konnten. Die Rekrutierung von Juristen wäre damit wesentlich erleichtert worden. Allerdings war dieser Initia-tive kein langfristiger Erfolg vergönnt, da die Überlieferung schon im Jahr 1249 abbricht. Sicher nachweisbar sind lediglich 15 Studenten, die von immerhin fünf Dozenten unterrichtet wurden. Die hohe Bedeutung, die man Juristen beimaß, lässt sich daran ablesen, dass zwei dieser Dozenten Kirchen- bzw. Zivilrecht lehrten.19

In der Folgezeit unterblieben vergleichbare Versuche, eigene Ausbildungs-einrichtungen zu schaffen.20 Stattdessen erwirkten Templer wie Johanniter

wenige Jahre später von Innozenz IV. die Erlaubnis, Räume der jeweiligen Pariser Ordenshäuser an Rechtsstudenten vermieten zu dürfen.21 Die Johanniter

intensi-vierten diese Kooperation im Verlauf des 14. Jahrhunderts, wie Anthony Luttrell nachweisen konnte.22 Jedoch erhielt der Orden die päpstliche Erlaubnis, eigene

Ordensbrüder die Rechte studieren zu lassen, erst im Jahr 1356 und somit mehr als 100 Jahre nach den ersten Initiativen. Die Johanniter führten als Begründung für ihre Bitte an, dass es Vollbrüder gäbe, die ein solches Studium wünschten und es dem Orden an Juristen mangele.23 Im gleichen Zeitraum förderte der umfassend

gebildete Johannitermeister Juan de Hérédia Rechtsstudenten des Ordens, indem er ein Stipendium auslobte und mehrere Bücher zu Studenten nach Montpellier und Lérida senden ließ.24

Bis zu diesem Zeitpunkt waren sowohl die Johanniter als auch bis zu ihrer Auf-hebung die Templer weitgehend auf externe Rechtskundige angewiesen. Doch auch der Rückgriff auf ordensfremde Personen war Einschränkungen unterworfen, die

19 Shatzmiller (wie Anm. 17), S. 476.

20 So beteiligte sich die Johanniterkommende Manosque an dem Versuch, die Universität in den

Jahren 1299/1300 wiederzubeleben, nicht mehr. Die Initiative wurde allein von kommunalen Gruppen getragen und scheiterte erneut. Vgl.: J Shatzmiller, Une expérience universitaire re-nouvelée. Le studium de Manosque (1299–1300), Provence Historique 34 (1985), S. 196.

21 Chartularium Universitatis Parisiensis, hrsg. v. H. Denifle, E. Chatelain, Bd. I, Paris 1889

(Neudr. Brüssel 1964), Nr. 203. James Brundage behauptete, dass die Johanniter dies im Gegen-satz zur Templerkommende getan hätten. Vgl.: Brundage (wie Anm. 4), S. 353. Leider führt der Autor keine nähere Begründung an. Dass bisher kein Templer mit einem Studium an der Pariser Universität gefunden wurde, mag diese These stützen.

22 Luttrell (wie Anm. 9), S. 452 ff.

23 Chartularium Universitatis Parisiensis (wie Anm. 21), Bd. III, Nr. 1230. Vgl. auch: Luttrell (wie

Anm. 9), S. 452.

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durch die Kanones des III. Laterankonzils (1179) oder südfranzösischer Synoden formuliert wurden. Diese engten den Kreis potentieller geistlicher Juristen, die auf der Seite eines Ritterordens agieren konnten, stark ein. Daher kam weltlichen Juri-sten in den südfranzösischen Städten eine herausgehobene Bedeutung zu.25

Berührungspunkte mit lokalen Rechtskundigen, die als erster Schritt zum Aufbau von Beziehungsgeflechten unverzichtbar waren, ergaben sich auf vielfäl-tige Weise. Oft entstanden Kontakte qua Amt, indem Rechtskundige in Diensten lokaler oder regionaler Eliten im Zuge der Beurkundung von Rechtsgeschäften herangezogen wurden. Auf diese Weise agierten beispielsweise Beamte der Gra-fen von Toulouse. In den 40 Jahren zwischen 1164 und 1204 werden drei Richter und Kanzler dieser einflussreichsten der südfranzösischen Dynastien in 46 Urkun-den des Chartulars der Johanniterkommende Saint-Gilles erwähnt.26 Besondere

Schwerpunkte ihrer Tätigkeit lassen sich nicht ausmachen. Sie agierten teils als Zeugen von Kaufgeschäften27, teils wurden sie zu Streitigkeiten hinzugezogen,

die in ihrer Anwesenheit oder mit ihrer Hilfe beigelegt wurden.28 Dabei ist nicht

immer zweifelsfrei zu klären, welche Aufgabe den Rechtskundigen zukam und wer sie zu dieser Angelegenheit hinzugezogen hatte. Bei wichtigen Anlässen war ihre Präsenz offenbar besonders gewünscht. Dies war z. B. 1179 der Fall, als der

causidicus und cancellarius Raoul beim Erwerb eines ganzen Stadtteils durch die

Johanniterkommende Saint-Gilles für 43 000 Sous zugegen war.29 Der Rückgriff

auf gräfliche Beamte war kein lokal begrenztes Phänomen. 1206 ließ der Templer-präzeptor von Roaix Zeugenaussagen schriftlich niederlegen, um Ansprüchen der

25 A. Gouron, Le rôle sociale des juristes dans les villes méridionales au Moyen Âge, in: La science du

droit (wie Anm. 15), Nr. III, S. 56.

26 Es handelt sich um einen nicht näher zu identifizierenden Raoul, der zwischen 1164 und

1179 insgesamt 13 Mal genannt wird. Siehe: Cartulaire du prieuré de Saint-Gilles de l’hôpital de Saint-Jean de Jérusalem (1129–1210) (Documents, études et répertoires publiés par l’Institut de recherche et d’histoire des textes 66), hrsg. v. D. Le Blévec, A. Venturini, Paris 1997, Nr. 39,

Nr. 40, Nr. 193, Nr. 245, Nr. 254, Nr. 270, Nr. 289, Nr. 299, Nr. 305, Nr. 309, Nr. 323, Nr. 330, Nr. 370. Pierre Fulcodii wird 16 Mal in den Jahren 1183 bis 1198 genannt: ebd., Nr. 1, Nr. 6,

Nr. 82, Nr. 108, Nr. 109, Nr. 142, Nr. 263, Nr. 271, Nr. 276, Nr. 279, Nr. 280, Nr. 296, Nr. 317, Nr. 318, Nr. 367, Nr. 369. Der Kanzler, der am häufigsten auftaucht, ist Bertrand Raoul, dessen Name sich im Zeitraum von 1190 bis 1204 in 17 Urkunden findet: ebd., Nr. 1, Nr. 2, Nr. 4, Nr. 82, Nr. 88, Nr. 89, Nr. 109, Nr. 121, Nr. 132, Nr. 136, Nr. 137, Nr. 138, Nr. 139, Nr. 140, Nr. 154, Nr. 160, Nr. 280.

27 Als die Johanniter 1191 zwei Lehen bei Arles für 3000 Sous kauften, war u. a. der causidicus

Alexander anwesend. Die Urkunde wurde ausgefertigt und gesiegelt durch Bertrandus Radulfus judex domini R(aimundi) comitis cancellarius. Siehe: ebd., Nr. 88.

28 Ebd., Nr. 109 (1203, März 21): Sub examine Bertrandi Radulfi judicis et domini Raimundi

comiti cancellarii, in quem partes compromiserant et ejus judicio stare firmaverant […].

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Kanoniker von Vaison entgegenzutreten. Die Aussagen wurden vor zwei weiteren Vertretern der Toulousaner Grafen im Venaissin abgelegt.30 Derartige Tätigkeiten

entsprachen jedoch ganz der Aufgabe der gräflichen Beamten, im Auftrag ihres Herrn Urkunden zu beglaubigen und Recht zu sprechen, weshalb sie kein Spezifi-kum des Verhältnisses zu den beiden Ritterorden darstellen.31

Eine ganz ähnliche Verwendung fanden städtische Amtsträger, wie syndici,

Richter und Konsuln. Die Johanniterkommende Trinquetaille bei Arles wandte sich alleine in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts nachweislich ihres Char-tulars an mindestens 14 Juristen.32 In Avignon war Rostang de Morier einer der

häufig eingesetzten Rechtskundigen und wurde von den Johannitern über den be-merkenswert langen Zeitraum von 1188 bis 1236 konsultiert.33 Zu ihm scheinen

die Johanniter ein besonderes Vertrauensverhältnis entwickelt zu haben, da man ihn 1213 auch zur Beilegung eines Konflikts um ein Haus in der Stadt hinzuzog. Ursprünglich vertrat er die Ordensniederlassung zusammen mit dem Präzeptor, jedoch wurde er statt des Ordensbruders in das Gremium entsandt, das eine Ent-scheidung herbeiführen sollte.34

30 Cartulaires des Hospitaliers et des Templiers en Dauphiné, hrsg. v. U. J. Chevalier, Vienne 1875,

Cartulaire Roaix, Nr. 162 (1206).

31 Zu den Aufgaben der Beamten der Toulousaner Grafen in den Besitzungen an der unteren

Rhône siehe: L. Macé, Les comtes de Toulouse et leur entourage, XIIe–XIIIe siècle. Rivalités,

alli-ances et jeux de pouvoir, Toulouse 2000, S. 134 f.

32 Cartulaire de Trinquetaille, hrsg. v. P. Amargier, Aix-en-Provence 1972, Nr. 35 (1182, Mai:

Iacobus legista), Nr. 57 (1185, August 1: Alexander causidicus), Nr. 62 (1176: magister Bonal-dus, iudex Arelatis), Nr. 83 (1151, Februar: Guillelmus Centol, iudex), Nr. 91 (1184: magister Nicholaus), Nr. 93 (1200, September: magister Berengarius), Nr. 114 (1195, Juni: causidi-cus Autardus), Nr. 119 (1190, Oktober: Petrus de Gavernis causidicus), Nr. 158 (1192, Mai:

Vivianus, causidicus), Nr. 172 (1198, Januar: Guillelmus de Rabastencs und Berengarius, causi-dici), Nr. 173 (1199, Mäerz: Petrus de Rabastencs und Berengarius, causicausi-dici), Nr. 195 (1191, August: magister Guillelmus), Nr. 244 (1194, Mai: Petrus de Leone iurisperitus) (Alle Namen und Titulaturen wurden normalisiert). Zur Verwendung von Juristen siehe auch: G. Veyssière,

Le règlement des conflits d’après le cartulaire de Trinquetaille, in: Le règlement des conflits au Moy-en Âge, hrsg. v. der Société des historiMoy-ens médiévistes de l’Moy-enseignemMoy-ent supérieur (Publications

de la Sorbonne: Série Histoire ancienne et médiévale 62), Paris 2001, S. 208.

33 Cartulaire et chartes de la commanderie de l’hôpital de Saint-Jean de Jérusalem d’Avignon au

temps de la commune (1170–1250), hrsg. v. C.-F. Hollard (Documents, études et répertoires

publiés par l’Institut de recherches et d’histoire des Textes 63), Paris 2001, Nr. 10 (1229), Nr. 24 (1220), Nr. 28 (1220), Nr. 29 (1223), Nr. 50 (1200), Nr. 75 (1213), Nr. 82 (1213), Nr. 89 (1223), Nr. 92 (1236), charte Nr. 6 (1188), charte Nr. 11 (1199), charte Nr. 12 (1199), charte Nr. 18 (1207), charte Nr. 26 (1216).

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Möglichkeiten und Grenzen von Netzwerken

Die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Juristen zu wählen, Günstlinge und Stra-tegien zu entwickeln, standen den Ritterorden überhaupt nur dort zur Verfügung, wo ausreichend Juristen vorhanden waren. Im Midi galt dies insbesondere für die stärker urbanisierten Regionen an der unteren Rhône und mit Abstrichen auch für die Gegend um Toulouse. In diesen Regionen ergaben sich auch nachbarschaftliche oder geschäftliche Kontakte, wie im Fall des Richters Raoul, dessen Güter an diejeni-gen des Johanniterhauses St-Gilles grenzten und der Häuser des Ordens in Beaucaire kaufte.35 Das Vorgehen der Kommenden in den eher ländlich geprägten Teilen des

Languedoc und der Provence weist im Vergleich deutliche Unterschiede auf. In Chartularen von Ritterordenskommenden wie La Selve, Montsaunès, Roaix oder Vaour werden Rechtskundige meist deutlich später und auch wesentlich seltener ge-nannt. Dieser Befund ist unabhängig von der Größe des jeweiligen Ordenshauses, da er ebenso für wichtige Templerkommenden wie Douzens im Languedoc oder Richerenches in der Provence gilt. Vielmehr spiegelt sich in der Art, wie die Ritter-orden auf Juristen zurückgriffen, die Ausbreitung des römisch-kanonischen Rechts in Südfrankreich wider.36 Für die Bedürfnisse der Häuser in ländlichen Regionen

reichten die Kenntnisse der lokalen Notare und Geistlichen offenbar vorerst aus, so dass Netzwerke zwischen Ritterorden und Juristen in erster Linie ein Phänomen urbaner Kommenden blieben.37 Dort stieg die Notwendigkeit, sich durch

Rechts-kundige beraten oder Urkunden formulieren zu lassen, aufgrund der früheren und stärkeren Verbreitung des römisch-kanonischen Rechts schnell an.38

Doch auch ländliche Ritterordenskommenden waren dort, wo sie Herr-schafts- oder Jurisdiktionsrechte innehatten, unter Umständen auf die Dienste von Rechtskundigen angewiesen, die in ihrem Auftrag Recht sprachen, wie Dam- ien Carraz für die Templerkommenden Lansac und Montfrin nachgewiesen hat.39

35 Cartulaire du prieuré de Saint-Gilles (wie Anm. 26), Nr. 39 (1179, Oktober).

36 Zur Ausbreitung siehe: A. Gouron, Les etapes de la pénétration du droit romain au XIIe siècle

dans l’ancienne Septimanie, Annales du Midi 69 (1957), S. 108 ff.; M.-L. Carlin, La pénétration du droit romain dans les actes de la pratique provençale (XIe–XIIIe siècle), Paris 1967, S. 44 ff.

37 Die ländlichen Ritterordenskommenden folgten dem allgemeinen Trend, Urkunden von

ört-lichen Geistört-lichen schreiben zu lassen. So wurde selbst das Chartular der Templerkommende Vaour von einem Mönch des benachbarten Klosters St-Antonin verfasst, der ein Neffe des damaligen Präzeptors war. Vgl.: Cartulaire des Templiers de Vaour (Tarn), hrsg. v. C. Portal,

E. Cabié, Albi 1894, S. I.

38 Carlin (wie Anm. 36), S. 297 ff.

39 Beispielsweise setzte die Kommende Lansac den juris civilis professor und legum doctor Bertrand

de Luperiis Ende des 13. Jahrhunderts als Richter ein. Siehe: D. Carraz, La justice du comman-deur (Bas-Rhône, XIIIe siècle), in: Les justices d’Église dans le Midi (XIe–XVe siècle) (Cahiers

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Die Johanniter richteten in Manosque, das der Orden als reichsunmittelbares Lehen einschließlich der niederen und hohen Gerichtsbarkeit innehatte, mehrere Gerichtsinstanzen ein. Im Jahr 1338 existierte ein erstinstanzliches Gericht, dem ein Appellationshof übergeordnet war, so dass ausreichend juristisch ausgebildetes Per-sonal zur Verfügung stand, das in sonstigen Bedarfsfällen eingesetzt werden konnte.40

Es bedarf keiner weiteren Erläuterung, dass die Ritterorden nicht zu allen Rechtskundigen, die sie kontaktierten, enge und langfristige Beziehungen unter-hielten. In vielen Fällen sind heute nur noch vereinzelte Interaktionen nachweisbar. Jedoch war nicht immer eine wiederholte, oder sogar dauerhafte Kommunikation erforderlich, um ein Netzwerk auszubilden. Auch ein lockerer, sogar isolierter Kontakt zwischen zwei Akteuren kann Bestandteil eines Netzwerks und für min-destens eine Seite von Nutzen sein. Die historische Netzwerkforschung hat auf verschiedene Vorteile aufmerksam gemacht, die mit unterschiedlich intensiv bzw. dauerhaft ausgebauten Beziehungen einhergingen.41 So konnte gerade für sog.

schwache Beziehungen oder „weak ties“ nachgewiesen werden, dass sich über sie leichter und schneller neue Kontakte herstellen ließen.42 Neben der

Rechtsbera-tung war der Auf- und Ausbau von Beziehungen für die Ritterorden ein weiterer Vorteil dieser weniger häufigen, weniger engen Kontakte. Rechtskundige erleich-terten es den Kommenden vor allem, mit bestimmten, wichtigen Bereichen ihrer sozialen Umwelt zu interagieren. Denn Juristen waren in den Städten des Midi durch ihren sozialen Rang und ihre quasi-Monopolstellung selbst bestens vernetzt und hatten entsprechenden Zugang zu weltlichen wie geistlichen Entscheidungs-trägern und Führungsschichten.43

de Fanjeaux 42), Toulouse 2007, S. 246 f. Teilweise wurden diese Juristen von nahegelege-nen Gerichtshöfen rekrutiert: ders., L’Ordre du Temple (wie Anm. 11), S. 388 ff. Siehe auch:

D. Selwood, Knigths of the Cloister. Templars and Hospitallers in Central-southern Occitania c. 1100 – c. 1300, Woodbridge 1999, S. 161 ff.

40 Visites générales des commanderies de l’ordre des Hospitaliers dépendantes du grand-prieuré de

Saint-Gilles (1338) (Archives Départementales des Bouches-du-Rhône 56 H 123), hrsg. v. B.

Beaucage, Aix-en-Provence–Marseille 1982, S. 358 f. Zur Gerichtsorganisation in Manosque siehe: P. MacCaughan, La justice à Manosque au XIIIe siècle. Évolution et représentation

(Hi-stoire et archives: Hors-série 5), Paris 2005, S. 28 ff., S. 47 ff.

41 Zusammenfassend: C. Avenarius, Starke und schwache Beziehungen, in: Handbuch

Netzwerk-forschung (wie Anm. 5), S. 99.

42 Mark Granovetter wies nach, dass Arbeitsuchende wesentlich erfolgreicher waren, wenn sie lose

Kontakte nutzten oder reaktivierten. Vgl.: M. S. Granovetter, The Strength of weak Ties, The

American Journal of Sociology 78 (1973), 6, S. 1371 ff.

43 Gouron, Rôle sociale (wie Anm. 25), S. 56 ff. Für das Ansehen von Juristen spricht, dass sie

in einigen Städten wie z. B. Manosque die Privilegien der städtischen Oberschicht genossen. Vgl.: Livre des privilèges de Manosque. Cartulaire municipal latin-provencal (1169–1315),

(11)

Gleichzeitig versuchten die Ritterorden, langfristige Beziehungen zu Rechts-kundigen aufzubauen, die durchaus über Jahrzehnte Bestand hatten. So lässt sich Pierre Fulcodii, Richter und Kanzler – judex et cancellarius – der Toulousaner

Gra-fen in Saint-Gilles, im Zeitraum von 1182 bis 1202 nicht weniger als 36 Mal in Urkunden des Templerhauses Saint-Gilles nachweisen.44 Kein anderer Jurist wird

derart häufig in der Überlieferung dieser Kommende erwähnt. Dieses enge Ver-hältnis ist nicht allein auf sein Wirken und Rang als einer der höchsten Beamten des mächtigsten Adelshauses in der Region zurückzuführen. Denn schon vor sei-nem Aufstieg und auch nach seiner Tätigkeit wandten sich die Templer bevorzugt, wenn auch nicht ausschließlich an ihn. Auch die Johanniter zogen den Juristen in den letzten Dekaden des 12. Jahrhunderts vergleichsweise häufig zu ihren Rechts-geschäften hinzu.45 Allerdings ist eine derart eindeutige Bevorzugung wie im Fall

der Templer nicht auszumachen. Die guten Beziehungen scheinen sich in der folgenden Generation fortgesetzt zu haben. Ein Guido Fulcodii, der mit hoher

Wahrscheinlichkeit als Pierre’s Sohn anzusehen ist und ebenfalls eine juristische Laufbahn einschlug, war bei mehreren Kaufgeschäften der Templer zugegen und bezeugte 1230 einen Schiedsspruch zwischen der Templerkommende Saint-Gilles und der Benediktinerabtei Saint-Pierre de Psalmodi.46 Auch die Johanniter an der

unteren Rhône unterhielten enge Kontakte zu Guido Fulcodii, der in den 1230er

Jahren als Zeuge bei mehreren Grundstückstransaktionen fungierte.47 Die

Jo-milites. Wie wichtig der Zugang zu gesellschaftlichen Führungsgruppen für die Templer war,

hat Jochen Schenk anhand von Familienverbindungen nachgewiesen: J. Schenk, Templar Fa-milies. Landowning Families and the Order of the Temple in France, c. 1120–1307 (Cambridge

Studies in Medieval Life and Thought, Fourth Series), Cambridge 2012, S. 174 ff.

44 Carraz, Ordres militaires (wie Anm. 8), Bd. III, Chartrier du Temple de Saint-Gilles, Nr. 117

(1182/83, Januar), Nr. 124 (1183, August), Nr. 138 (1185, April), Nr. 141 (1185, Mai), Nr. 146 (1185, Oktober), Nr. 156 (1187, Juni), Nr. 160 (1187, August), Nr. 161 (1187, August), Nr. 168 (1187/88, Februar), Nr. 173 (1188, April), Nr. 176 (1188, Juli), Nr. 185 (1188/89, Fe-bruar), Nr. 187 (1189, November), Nr. 188 (1189, November), Nr. 201 (1190, April), Nr. 202 (1190, April), Nr. 203 (1190, April), Nr. 207 (1190, Juli), Nr. 208 (1190, September), Nr. 243 (1192, Dezember), Nr. 244 (1192/93, Februar), Nr. 259 (1194, April), Nr. 264 (1194, August), Nr. 280 (1195, April 22), Nr. 293 (1195, Oktober), Nr. 298 (1195, Oktober), Nr. 299 (1195, Dezember), Nr. 308 (1196, November), Nr. 309 (1196, Dezember 7), Nr. 313 (1197, April 7), Nr. 318 (1197/98, März 9), Nr. 321 (1198, September), Nr. 322 (1198, September), Nr. 323 (1198, November), Nr. 339 (1201/02, Januar 13), Nr. 344 (1202, Juni 13). Siehe auch: Carraz,

L’ordre du Temple (wie Anm. 11), S. 373.

45 Siehe Fußnote 26.

46 AD BdR, 56 H 5300 (1230 April 4). Des Weiteren war er bei Käufen im Jahr 1220 und

1229/30 als Zeuge zugegen. Vgl.: Carraz, Ordres militaires (wie Anm. 8), Bd. III, Chartrier du Temple de Saint-Gilles, Nr. 388, Nr. 407.

47 Layettes du trésor des chartes, hrsg. v. A. Teulet, Bd. II, Paris 1866 (Neudr. Nendeln 1977),

(12)

hanniter setzten ihn auch außerhalb von Saint-Gilles ein: 1237 testierte er einen wichtigen Schiedsspruch zwischen den Johannitern von Trinquetaille und dem Arleser Erzbischof.48 Für beide Ritterorden war der Jurist auch deshalb interessant,

weil er gute Beziehungen zu den lokalen Eliten unterhielt. So ist er mehrfach als Ratgeber der Äbte von Saint-Gilles belegt.49 Die engen Verbindungen zu Guido

Fulcodii sollten sich noch Jahrzehnte später auszahlen. In der Zwischenzeit

ge-lang ihm zuerst im Dienst der kapetingischen Könige, später in der kirchlichen Hierarchie ein ausgesprochen steiler Aufstieg, der ihn als Clemens IV. bis auf die cathedra Petri führte. Als Papst ging er zwei Mal gegen Anordnungen des Kardi-nallegaten Simon de Brion vor, der die Befreiung der Johanniter, der Templer und des Deutschen Ordens von den Kreuzzugszehnten aufgehoben hatte. Als sich der Legat von einer ersten Mahnung nicht beeindrucken ließ, forderte ihn der Papst in deutlichen Worten zum Einlenken auf. Um seiner Aufforderung Nachdruck zu verleihen, betonte er die enge Freundschaft, die ihn seit seiner Tätigkeit (noch in einem geringerem Amt) in Saint-Gilles mit dem Johanniterbruder Ferraud de Barras verband.50 In diesem Fall nutzte der Johanniterprior von Saint-Gilles seine

eigenen langjährigen Kontakte, die Beziehungen zwischen der Familie Fulcodii

und der Ordensprovinz sowie nicht zuletzt die Heimatverbundenheit des Papstes sehr erfolgreich, um gegen einen Kardinallegaten vorzugehen.

Die Art und Weise, wie die südfranzösischen Johanniter und Templer Rechts-kundige einsetzten, unterschied sich zunächst kaum. Beide Ritterorden bedienten sich der Fertigkeiten von Juristen ab demselben Zeitraum in vergleichbaren Angele-genheiten. Eine Vorreiterrolle eines Ordens lässt sich somit nicht feststellen. Mit der Zeit entwickelten beide jedoch besonders enge Beziehungen zu einzelnen Rechts-kundigen sowie ordensspezifische Gebräuche. Wie bereits erwähnt, wurde der

jurisperitus Pierre Fulcodii zum Favoriten der Templer von Saint-Gilles, die ihn

we-sentlich häufiger in Anspruch nahmen, als dies die Johanniter taten.51 Diese zogen

48 AD BdR, 56 H 5021 (1237, November 14).

49 Les coutumes de Saint-Gilles, 12e–14e siècles, hrsg. v. E. Bligny-Bondurand, Paris 1915, S. 113,

118, 137.

50 Documents concernant les Templiers extraits des archives de Malte, hrsg. v. J. Delaville Le Roulx,

Paris 1882, Nr. XXV (1265, März 19). Zur zweiten Aufforderung siehe: Thesaurus novus anec-dotorum, complectens regum ac principum aliorumque virorum illustrium epistolas et diplomata,

hrsg. v. E. Martène, U. Durand, Bd. II, Paris 1717, Nr. 252: […] Frater F. de Baratio prior do-morum Hospitalis Jerosolymitani in Provincia, ex devotione sincera quam ad nos & Romanam gerit ecclesiam, & amicitia speciali quam olim ad personam nostram habuit, etiam dum eramus in minori constituti officio […].

51 Zu den 36 Erwähnungen in Urkunden der Templerkommende Saint-Gilles siehe Anmerkung

44. Im Chartular des Johanniterhauses Saint-Gilles taucht sein Name 16 Mal auf. Siehe Anmer-kung 26.

(13)

den causidicus Pierre de Gavernis wesentlich öfter zu ihren Rechtsgeschäften hinzu.52

Die Fäehigkeiten der Rechtskundigen kann nicht das alleinige Auswahlkriterium gewesen sein. Der von den Zeitgenossen gerühmte und ebenfalls in Saint-Gilles ansässige Jurist Guido Cap-de-Porc wurde bestenfalls sporadisch kontaktiert.53

Au-ßerdem erreichte Pierre de Gavernis weder in Saint-Gilles noch in einer der anderen

Städte an der unteren Rhône ein höheres Amt, so dass ein über die Jahre gewachse-nes Vertrauensverhältnis den Ausschlag für seine Verwendung gegeben haben wird. Dass die beiden Ritterorden selbst in einer vergleichsweise kleinen Stadt wie Saint-Gilles dazu übergingen, eigene Favoriten zu entwickeln, zeigt die Tendenz beider Orden, sich Netzwerke zu schaffen und diese auch zu nutzen. Allerdings bedienten sich die Ritterorden dieser besonders engen Verbindungen zu einzelnen Personen in unterschiedlicher Weise. Die Templer setzten ihre bevorzugten Juristen fast ausschließlich vor Ort ein, so dass beispielsweise Pierre Fulcodii nur in

Saint-Gilles und nicht für die übrigen Kommenden an der unteren Rhône aktiv wurde. Dagegen griffen mehrere Johanniterhäuser bei wichtigen Anlässen auf Pierre de Gavernis zurück. Die Kommende Trinquetaille zog ihn beispielsweise zu zwei

Aus-einandersetzungen und zur Anfertigung einer Abgabenliste hinzu.54 Umgekehrt

fanden auch Arleser Juristen in Saint-Gilles Verwendung.55 Die Johanniter maßen

der Beratung durch auswärtige Juristen, mit denen der Orden bereits anderen Orts gut zusammengearbeitet hatte, eine ausgesprochen hohe Bedeutung zu. 1194 er-baten sie von Graf Raymond VI. von Toulouse die Vergünstigung, im Bedarfsfall

52 Insgesamt lässt sich Pierre de Gavernis in 24 Urkunden des Chartulars nachweisen:

Cartula-re du prieuré de Saint-Gilles (wie Anm. 26), Nr. 39 (1179, Oktober), Nr. 40 (1180, Juni 5),

Nr. 55 (1194, Juni), Nr. 57 (1198, Oktober), Nr. 61 (1196, September 20), Nr. 82 (1197, Juni), Nr. 103 (1179, August), Nr. 108 (1197, März 13), Nr. 126 (1199, Oktober), Nr. 138 (1204, Mai), Nr. 139 (1204, Mai), Nr. 142 (1197, Februar 6 oder 27), Nr. 183 (1173/74, März 19), Nr. 243 (1189, April), Nr. 277 (1187, November), Nr. 282 (1195, Januar), Nr. 289 (1179, Mai), Nr. 306 (1187, November), Nr. 314 (1186, August), Nr. 344 (1190, August), Nr. 348 (1191, April), Nr. 358 (1209, Juli 26), Nr. 359 (1209, August 1), Nr. 360 (1209, Juli 26).

53 Die Johanniter von Saint-Gilles wandten sich nur ein einziges Mal an ihn: Ebd., Nr. 349

(1209, Januar). Zu seiner Stellung und seinem Ansehen bei den Zeitgenossen siehe: Macé (wie Anm. 31), S. 136.

54 Cartulaire de Trinquetaille (wie Anm. 32), Nr. 119 (1190, Oktober), Nr. 171 (1199, Juli),

Nr. 174 (1201, April), Nr. 202 (1208, Oktober). Er wurde auch bei fünf weiteren Gelegenhei-ten zu RechtsgeschäfGelegenhei-ten hinzugezogen: ebd., Nr. 65 (1199, März), Nr. 66 (1199, März), Nr. 75 (1200, Oktober), Nr. 240 (1200, Oktober), Nr. 302 (1208, Oktober).

55 Cartulaire du prieuré de Saint-Gilles (wie Anm. 26), Nr. 71 (1200, Juni), Nr. 88 (1191, Mai),

Nr. 113 (1195, Dezember 20), Nr. 118 (1195, Oktober 25), Nr. 119 (1195, Oktober 25), Nr. 120 (1192, September), Nr. 123 (1198, Dezember 29), Nr. 128 (1192, September), Nr. 133 (1192, September 9), Nr. 154 (1190, November), Nr. 160 (1190, November), Nr. 275 (1188, Juni 25), Nr. 303 (1186, November), Nr. 313 (1186, Oktober), Nr. 314 (1186, August), Nr. 315 (1186, Oktober); Cartulaire de Trinquetaille (wie Anm. 32), Nr. 57 (1185, August 1).

(14)

oder um in Streitfällen zu verhandeln, Rechtsgelehrte aus gegnerischen Territorien durch das Herrschaftsgebiet der Grafen zu führen.56 Die Vorteile, die sich aus der

Kooperation mit bewährten Juristen ergaben, waren dem Johanniterorden bereits Ende des 12. Jahrhunderts bewusst. Die Vergünstigung des mächtigen Toulousaner Grafen sollte gewährleisten, dass der Ritterorden seine Netzwerke in der politisch unruhigen Situation im Midi weiterhin nutzen konnte.

Der Bildung von Netzwerken beider Ritterorden waren allerdings auch in den Städten Grenzen gesetzt. So gelang es nur sehr selten, einen Rechtsgelehrten zum Ordenseintritt als Confrater oder Donaten zu bewegen. Eines der weni-gen Beispiele ist der legisperitus Helisar, der 1188 seinen früheren Eintritt in das

Avignoneser Johanniterhaus bestätigte.57 Für die Ritterorden wirkte eine solche

Zugehörigkeit in mehrfacher Hinsicht vorteilhaft. Zum einen ging der Beitritt in die Bruderschaft normalerweise mit einer Schenkung einher, zum anderen ließen sich auf diese Weise Gehälter für externe Rechtsvertreter einsparen. Schon die in den Statuten enthaltene Verpflichtung, den Orden nach Kräften zu schützen, legt nahe, dass Rechtsgelehrte zur Interessenvertretung gehalten gewesen wären.58

Zu-dem bestimmten die Statuten des Generalkapitels der Johanniter von 1204 oder 1206, dass jeder Affiliierte im Orden die Tätigkeit weiter ausüben sollte, die er zuvor verrichtet habe.59

Dass die gezielte Verwendung einzelner Juristen kein Zufall, sondern strategisches, bewusstes Handeln war, geht aus den Visitationsberichten der süd-französischen Johanniterbesitzungen aus dem Jahr 1373 hervor. Der Avignoneser Präzeptor gab an, dass sich die Kommende bei Bedarf immer an denselben Advo-katen und denselben Prokurator wandte. Nur wenn beide nicht verfügbar waren, erging das Mandat an eine andere Person.60 Die beiden Juristen, der Prokurator

56 Cartulaire du prieuré de Saint-Gilles (wie Anm. 26), Nr. 325: […] fratres hospitales pro

neces-sitatibus domus sive pro causis agendis causidicos vel testes vel alias personas de terra inimicorum nostrorum per nostram terram duxerint persone illorum et res secure sint in eundo et redeundo sub munimine et ducatu nostro.

57 Ebd., Nr. 347 (1188, September).

58 Cartulaire général de l’ordre des Hospitaliers de Saint-Jean de Jérusalem, hrsg. v. J.-A. Delaville Le

Roulx, Paris 1897, Bd. II, Nr. 2213, § 122, S. 557 f.; E. J. King, The Rule, Statutes and Customs of the Hospitallers 1099–1310 with introductory Chapters and Notes, London 1934, Esgarts,

S. 194, § 122; C. Miramon, Les donnés au Moyen Âge. Une forme de vie religieuse laїque (vers 1180 – vers 1500), Paris 1995, S. 97.

59 Cartulaire général de l’ordre des Hospitaliers (wie Anm. 58), Bd. II, Nr. 1193, S. 38: Quilibet

fratrum, intrans religionem Hospitalis, servitio quod ipse in seculo exercebat in domo Hospitalis utatur, vel alio si extiterit ei comissum. Siehe auch: King (wie Anm. 58), S. 50, § 11.

60 Archivio Secreto Vaticano (im Weiteren : ASV), Camera Apostolica, Collectorie 51, fol. 321v°.

Aussage des Präzeptors Pierre de Hauterive: Interrogatus quales scilicet advocatos et procuratores habet et de nomibus ipsorum dixit quod habet dominum Egidium Sanxii, quando est in civitate

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Durand de Romanhaco und der Advokat Gilles Sanxii, haben sich zwar nicht

wei-ter hervorgetan. Angesichts des beinahe notorisch schlechten Rufs, den Juristen schon im Mittelalter genossen, stellte es aber einen nicht zu unterschätzenden Vorteil dar, wenn sich zwischen einem Ordenshaus und seinen Rechtsvertretern ein durch jahrelange Kooperation bewährtes Vertrauensverhältnis entwickelt hatte.61 Schließlich war es notwendig, dass die Rechtsbeistände in die Interna

einer Kommende oder eines Ordens eingeweiht wurden, wenn sie die Interessen ihres Mandanten effektiv vertreten sollten.

Vorteile von Netzwerken

Der Nutzen, den die Ritterorden aus solchen langfristigen Beziehungen zogen, konnte vielfältig sein. Der bisweilen informelle Charakter von Netzwerken bringt es jedoch mit sich, dass nicht immer eindeutig zu entscheiden ist, inwiefern eine Einflussnahme oder Vergünstigung auf den Beziehungen zwischen den Akteuren beruhte, oder ob sie unabhängig davon erfolgte. Die Beziehungen der Johanniter zu Guillaume Durand, einem der profiliertesten Kanonisten des 13. Jahrhunderts, begannen unspektakulär. Um 1230 in Puimoisson am Sitz einer Johanniterkom-mende geboren, sind die umstrittenen Anfänge seiner Karriere im Languedoc zu verorten, wo er als Kanoniker von Montpellier eine Übereinkunft der Johanniter-kommende Campagnolles mit dem Bischof von Béziers testierte.62 Nach einem

Studium der Rechte stieg er zum Generalauditor an der Kurie auf, hatte das Rek-torat der Toskana sowie anschließend das Generalvikariat der Romagna inne und wirkte als Generalthesaurar der römischen Kirche, bevor er schließlich das Bistum Mende übernahm. In seiner Funktion als Bischof gestattete er 1290 Gaucelin de Villaret den Bau einer Kapelle für die Bedürfnisse seiner Familie.63 Der Bruder des

Avinione in advocatum, et magistrum Durandus de Romanhaco in procuratorem. […], dicens eti-am quod quandoque habet aliud consilium quando idum dominus Egidius et magister Durandus non possunt vacare quibus etiam oportet satisfacere de eorum labore […].

61 Die Redewendung „bonus jurista, malus christa“ gibt das schlechte Ansehen von Juristen im

Mittelalter wieder. Vgl.: C. Kenny, Bonus jurista, malus christa, Law Quarterly Review 19

(1903), S. 327 ff.; J. A. Yunck, The venal Tongue. Lawyers and the medieval Satirists, The

Ame-rican Bar Association Journal 46 (1960), S. 267 ff.

62 Archives Départementales de l’Hérault, G 4445, fol. 11r–11v°. Zu dem Kanonisten, dessen

Hauptwerk Speculum Iudiciale große Wirkung entfaltete vgl.: Guillaume Durand, évêque de Mende (v. 1230–1296). Canoniste, liturgiste et homme politique. Actes de la table ronde du C.N.R.S., Mende, 24–27 mai 1990, hrsg. v. P.-M. Gy, Paris 1992.

63 Ph. Maurice, Diocèse de Mende (Fasti ecclesiae Gallicanae. Répertoire prosopographique des

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Petenten war der ranghöchste Johanniter in Südfrankreich, der Prior von Saint-Gilles Guillaume de Villaret, der sechs Jahre später zum Ordensmeister gewählt werden sollte. Dieser war ebenso wie sein Neffe Foulque de Villaret in Südfrank-reich besonders gut vernetzt, und wusste dies zu seinen Gunsten und/oder zum Vorteil des Johanniterordens zu nutzen.64

Der Hof der angiovinischen Grafen der Provence und die päpstliche curia

er-wiesen sich mit der Zeit als Orte, die sich hervorragend dazu eigneten, Netzwerke auszubilden.65 Auch in dieser Hinsicht taten sich insbesondere die

Johannitermei-ster Guillaume und Foulque de Villaret hervor. Beide weilten oft am Grafenhof und unterhielten enge Kontakte zu Karl I. von Anjou und seinen Nachfolgern.66 Dabei

wird Foulque de Villaret auch die Bekanntschaft von Barthélemy de Grossis gemacht

haben, der unter Karl II. von Anjou als Jurist und oberster Richter der Grafschaft Provence amtierte.67 In den folgenden Jahren muss er Geistlicher geworden sein,

denn wir treffen ihn später als Kaplan im Gefolge des Ordensmeisters Foulque de Villaret wieder. Beide traten gemeinsam in einer Auseinandersetzung des Ordens mit den Zisterzienserinnen von Nonenque auf. Der als jurisperitus titulierte Kaplan 64 Zu Guillaume de Villaret: J. Burgtorf, The Central Convent of Hospitallers and Templars.

Hi-story, Organization and Personnel (1099/1120–1310) (History of Warfare 50), Leiden 2008,

S. 689 ff. Zur Person des Foulque de Villaret siehe: A. Luttrell, Notes on Foulque de Villaret,

in: Guillaume de Villaret. 1er recteur du Comtat Venaissin 1274, grand maître de l’ordre des

Hos-pitaliers de Saint-Jean de Jérusalem, Chypre 1296. Des HosHos-pitaliers de Saint-Jean de Jérusalem, de Chypre et de Rhodes hier aux Chevaliers de Malte aujourd’hui. Actes du colloque, Le Barroux, 2–3–4 septembre 1983, hrsg. v. Centre d’études historiques et archéologiques du Château du

Barroux (Méditerranée: Documents et faits), Paris 1985, S. 73 ff.; Burgtorf, Central Convent

(wie oben), S. 512 ff.

65 Nicht nur Angehörige des hohen Regular- und Säkularklerus betrieben diese Vernetzung. Den

Nutzen von Netzwerken an der Kurie für Kleriker aus Hannover, die zum Teil der niederen Geistlichkeit angehörten, hat Brigide Schwarz nachgezeichnet. Nachdem drei Geistliche an der Kurie Karriere gemacht hatten, waren sie ihrerseits in der Lage, Landsleute in hohe Positionen zu bringen. Vgl.: B. Schwarz, Eine Seilschaft aus Hannover im Spätmittelalter, Quellen und

For-schungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 81 (2001), S. 257 ff.

66 D. Carraz, Christi fideliter militantium in subsidio Terre Sancte. Les ordres militaires et la

pre-mière maison d’Anjou (1246–1342), in: As Ordens Militares e as Ordens de Cavalaria entre o Ocidente e o Oriente. Actas do V Encontro sobre Ordens Militares, hrsg. v. I. C. Fernandes,

Pal-mela 2009, S. 557; ders., Pro servitio maiestatis nostre. Templiers et hospitaliers au service de la diplomatie de Charles Ier et Charles II, in: La diplomatie dans les états angevins aux XIIIe et XIVe

siècles. Diplomacy in the Countries of the Angevin Dynasty in the thirteenth – fourteenth Centu-ries. Actes du colloque international de Szeged, Viségrad, Budapest, 13–16 septembre 2007, hrsg.

v. Z. Kordé, I. Petrovics, Rom‒Szeged 2010, S. 24 ff.

67 A. Kiesewetter, Die Anfänge der Regierung König Karls II. von Anjou (1278–1295). Das

König-reich Neapel, die Grafschaft Provence und der Mittelmeerraum zum Ausgang des 13. Jahrhunderts

(17)

genoss offensichtlich hohes Ansehen, denn er wird als erster Johanniterzeuge noch vor allen Präzeptoren genannt.68 Die Anwesenheit eines Ordensmeisters und des

Rechtsgelehrten war notwendig geworden, da die Beziehungen zur Abtei bereits durch verschiedene Streitigkeiten belastet waren und juristischer Sachverstand da-her dringend angeraten war. Daneben stand wohl die Vermeidung unnötiger Kosten durch die Streiterledigung im Vordergrund, da sich die Parteien auf ein Schiedsver-fahren einigten, um weitere Ausgaben zu minimieren. Barthélemy de Grossis blieb

dem Orden weiterhin verbunden, denn er ließ in der Johanniterkirche zu Aix-en-Provence eine Kapelle errichten, in der er auch bestattet wurde.69

Am Beispiel des Johannitermeisters Foulque de Villaret lässt sich zudem illu-strieren, dass es gerade an der avignonesischen Kurie unter Umständen von großer Bedeutung war, nicht nur gut vernetzt, sondern überhaupt über die zahlreichen Netzwerke zwischen Kurialen und Petenten informiert zu sein. Ausgangs- oder Anknüpfungspunkte für die Ausbildung interpersonaler Beziehungsgeflechte am Papsthof konnten beispielsweise die Generalprokuratoren der Ritterorden oder die Kardinalprotektoren sein. Allerdings sind solche Netze angesichts der Quel-lenlage besonders schwer nachweisbar.

Von größtem Interesse musste es dabei sein, Kontakte zum Zentrum, zum Papst selbst zu etablieren. Foulqe de Villaret scheint dies im Fall Papst Johannes’ XXII. bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt geglückt zu sein, als dieser noch Bischof des provenzalischen Fréjus bzw. später in Avignon war.70 Ab 1308

war der promovierte Jurist neben seinen Kirchenämtern als Kanzler Karls II. von Anjou und dessen Sohn Robert tätig.71 Es ist nicht sicher nachweisbar, jedoch sehr

wahrscheinlich, dass sich Foulque de Villaret, der sich in diesen Jahren wiederholt im Umfeld der Anjou aufhielt, und der spätere Papst in diesem Zeitraum kennen-lernten. Als der Johannitermeister 1317 durch den Zentralkonvent auf Rhodos abgesetzt wurde, griff Johannes XXII. schon vor dem offiziellen Verfahren zugun-sten des abgesetzten Ordensmeisters ein.72 Noch bevor die Ladung nach Avignon

erging, entsandte er einen gemeinsamen Vertrauten, den ebenfalls aus dem

Lan-68 Cartulaire et documents de l’abbaye de Nonenque (wie Anm. 8), Nr. 118. 69 Carraz, L’ordre du Temple (wie Anm. 11), S. 453.

70 Zur Person und Bildung des Papstes siehe: M. Brunner, Zwischen Kurie und Königshof. Jacques

Duèse, Bischof von Fréjus, sizilianischer Kanzler und künftiger Papst, in: 1308. Eine Topographie historischer Gleichzeitigkeit (Miscellanea Mediaevalia 35), hrsg. v. A. Speer, D. Wirmer, Köln

2010 S. 440 ff.

71 Ebd., S. 455 ff.

72 Zu den Hintergründen und zum Ablauf siehe: J.-A. Delaville Le Roulx, Les Hospitaliers à

Rho-des jusqu’à la mort de Philibert de Naillac (1310–1421), Paris 1913 (Neudr. London 1974),

S. 12 ff.; A. Luttrell, The Hospitallers at Rhodes, in: A History of the Crusades, Bd. III: The four-teenth and fiffour-teenth Centuries, hrsg. v. K. Setton, H. W. Hazard, Wisconsin 1975, S. 288 ff.

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guedoc stammenden Pierre de l’Ongle, nach Rhodos, um Foulque de Villaret über die anstehenden Schritte zu informieren.73

Erst danach lud Papst Johannes XXII. den abgelösten Ordensmeister sowie den Gegenkandidaten Maurice de Pagnac nach Avignon, wo der Fall entschie-den werentschie-den sollte. Im Konsistorium in Anwesenheit der Kardinäle sollten beide Prätendenten die Gelegenheit bekommen, die Legitimität ihres Anspruchs darzu-legen. Zu diesem Zweck ließen sich beide Ordensbrüder durch Juristen vertreten, wobei nur der Prokurator des Maurice de Pagnac namentlich bekannt ist. Er ent-schied sich für Oldrado de Ponte aus dem oberitalienischen Lodi, der als einer der besten Juristen an der Kurie gerühmt wurde.74 Letzterer hatte bereits im sog.

Bonifaz-Prozess wichtige Funktionen übernommen und war durch eine Reihe von Rechtsgutachten aufgefallen.75 Insofern schien er der richtige Mann zu sein, zumal

er seinen Mandanten vor Johannes XXII. mit großem Eifer und Sachkenntnis ver-trat.76 Dies erkannten auch Kommentatoren wie Joseph Delaville Le Roulx und

Anthony Luttrell an, die angesichts des Auftritts von Oldrado de Ponte schlussfol-gerten, dass Maurice de Pagnac und der Zentralkonvent auf Rhodos in der Frage der Absetzung das Ordensrecht auf ihrer Seite gehabt hätten.77

Obwohl Oldrado de Ponte in seiner strikt juristischen Argumentation klar herausarbeitete, dass der Zentralkonvent im Einklang mit den Ordensstatuten und somit rechtmäßig gehandelt hatte, entschied sich Johannes XXII., der selbst

doctor utriusque iuris war, gegen den gewählten Meister Maurice de Pagnac. Dazu

hat sicherlich beigetragen, dass Foulque de Villaret sowohl an der Kurie, als auch

73 Zum Verhältnis des Johanniterpriors von Saint-Gilles zu Papst Johannes XXII. und Foulque de

Villaret: Delaville Le Roulx (wie Anm. 72), S. 15.

74 Zur Person Oldrados de Ponte: K. Hitzbleck, Exekutoren. Die außerordentliche Kollatur von

Benefizien im Pontifikat Johannes’ XXII. (Spätmittelalter, Humanismus, Reformation 48),

Tü-bingen 2009, S. 112 ff.; A. Rehberg, Kirche und Macht im römischen Trecento. Die Colonna und ihre Klientel auf dem kurialen Pfründenmarkt (1278–1378) (Bibliothek des Deutschen

Historischen Instituts in Rom 88), Tübingen 1999, S. 471; B. Schwarz, Kurienuniversität und stadtrömische Universität von ca. 1300 bis 1471 (Education and Society in the Middle Ages and

Renaissance 46), Leiden 2012, S. 607.

75 T. Schmidt, Der Bonifaz-Prozess. Verfahren der Papstanklage in der Zeit Bonifaz’ VIII. und

Clemens’ V. (Forschungen zur kirchlichen Rechtsgeschichte und zum Kirchenrecht 19), Köln

1989, S. 39 f.; ders., Die Konsilien des Oldrado da Ponte als Geschichtsquelle, in: Consilia im späten Mittelalter: Zum historischen Aussagewert einer Quellengattung, hrsg. v. I. Baumgartner

(Studi/Schriften des Deutschen Studienzentrums in Venedig 13), Sigmaringen 1995, S. 54 ff.; B. McManus, The Consilia and Quaestiones of Oldradus de Ponte, Bulletin of Medieval Canon

Law 23 (1999), S. 85 ff.

76 Das Gutachten des Oldrado de Ponte hat sich erhalten: Oldradi de Ponte consilia seu responsa et

questiones aurea, hrsg. v. S. Feyerabend, Frankfurt am Main 1576, consilium CXXVIII.

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innerhalb der südfranzösischen Ordensprovinzen über hervorragende Kontakte verfügte. Diese nutzte er sofort nach seiner Absetzung, um das weitere Verfahren von Anfang an in seinem Sinn zu beeinflussen. Nach seiner fluchtartigen Ab-reise von Rhodos hielt Foulque de Villaret unmittelbar nach seiner Ankunft in Südfrankreich am 21. Juni 1317 eine Versammlung mit den führenden Ordensmit-gliedern des Midi ab. Die Versammlung beschloss, alle ehemaligen Templergüter im Comtat Venaissin – der früheren Markgrafschaft Provence – an den Papst abzu-treten.78 Angesichts des immensen Umfangs war diese Schenkung außerordentlich

großzügig. Man wird diese Geste kaum als spontanen Akt der Großzügigkeit zu verstehen haben. Dass sie der besonderen Situation geschuldet war, zeigt schon die Anwesenheit dreier hochrangiger Kardinäle. Bérenger Frédol, doctor decretorum

und Kardinalbischof von Frascati, stammte wie Foulque de Villaret aus dem Midi und war ab 1298 Bischof von Béziers, bevor ihn Clemens V. 1305 zum Kardinal er-hob.79 Der Papst sandte durch diese Person eine weitere Botschaft, denn Bérenger

Frédol gehörte zu den kurialen Protagonisten im Templerprozess.80 Gleichzeitig

zählte er zu den Vertrauten sowohl Papst Johannes’ XXII., als auch des Königs von Frankreich. Dies galt ebenso für den Kardinaldiakon von S. Adriano, Napo-leone Orsini, der im Konklave von 1314 bis 1316 die Wahl Johannes’ XXII. aktiv betrieben hatte.81 Auch der dritte Kardinal, Guillaume de Peyre de Godin, gehörte

zum engeren Umfeld des Papstes, mit dem er die südwestfranzösische Herkunft teilte.82 Die Herkunft zweier päpstlicher Emissäre, die sie mit Foulque de Villaret

und dem Papst gemein hatten, die hohe Stellung der Kardinäle und ihre durchweg enge Verbindung zu Johannes’ XXII. spiegeln die Bedeutung wider, die Papst der

78 Lettres communes de Jean XXII (1316–1334), hrsg. v. G. Mollat, Bd. II, Paris 1905, Nr. 5508

(1317, Juni 21); J.-M. Roger, La réforme de l’Hôpital par Jean XXII. Le démembrement des pri-eurés de Saint-Gilles et de France (21 juillet 1317), in: On the Margins of Crusading. The Military Orders, the Papacy and the christian World (Crusades – Subsidia 4), hrsg. v. H. Nicholson,

Farn-ham–Burlington 2011, S. 106 f.

79 Zu Bérenger Frédol (d. Ä.), der als ausgewiesener Jurist auch an der Kompilation des Liber

Sex-tus beteiligt war, siehe: L. Viollet, Bérenger Frédol, canoniste, Histoire litteraire de la France 34

(1915), S. 62 ff.; B. Guillemain, La cour pontificale d’Avignon (1309–1376). Étude d’une société

(Bibliothèque des Écoles françaises d’Athènes et de Rome 201), Paris 1962, S. 236 ff.

80 Zusammen mit zwei weiteren Kardinälen führte er die Verhöre des Templermeisters Jacques

de Molay und der übrigen hohen Ordensbeamten durch: M. Barber, The Trial of the Templars,

Cambridge u. a. 22012, S. 34, 129; A. Demurger, Der letzte Templer. Leben und Sterben des

Großmeisters Jacques de Molay, München 22005, S. 249 ff.; M. Satora, The Role of Cardinals in

the Templars’ Affair (1307–1308), in: Die Ritterorden in Umbruchs- und Krisenzeiten hrsg. von

R. Czaja, J. Sarnowsky (Ordines Militares. Colloquia Torunensia Historica XVI), Toruń 2011, S. 96.

81 H. Finke, Papsttum und Untergang des Templerordens, Bd. I, Münster 1907, S. 88 f. 82 Schwarz (wie Anm. 74), S. 592.

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Angelegenheit beimaß und das Ausmaß der Parteinahme der Kurie zugunsten des abgesetzten Johannitermeisters.

Für Foulque de Villaret war die Einbindung der südfranzösischen Johanniter in seinen Kampf um das Meisteramt nicht minder wichtig. Unter ihnen befan-den sich Pierre de l’Ongle, Thesaurar des Orbefan-dens und Prior von Saint-Gilles, sowie Leonard de Tibertis, Prior von Venedig, Visitator in Frankreich und Ge-neralprokurator des Ordens an der Kurie. Da diese offenbar zur „Fraktion“ des alten Ordensmeisters gehörten, konnte sein Gegenkandidat, Maurice de Pagnac, nicht mit ihrer Unterstützung rechnen. Allerdings wäre die Kenntnis der lokalen Verhältnisse, des kurialen Geschäftsgangs und der Parteiungen am Papsthof von großem Vorteil in dem anstehenden Verfahren gewesen. Auf diese mangelnde Un-terstützung dürfte es zurückzuführen sein, dass Maurice de Pagnac zwar einen sehr guten Juristen konsultierte, der aber durch seine Person und seine Verbindungen dennoch einen Nachteil für die Sache seines Mandanten darstellte. Denn Oldrado de Ponte gehörte zu den Familiaren der Colonna-Kardinäle, in deren Dienst er seit Jahrzehnten stand.83 Diese stellten seit Anfang des 13. Jahrhunderts immer wieder

Kardinäle und gehörten zu den mächtigsten Familienverbänden im Latium. Seit den Tagen Bonifaz’ VIII. wuchs eine gewisse Distanz der Familie zu den amtieren-den Päpsten, die sich zeitweise bis zur offenen Feindschaft steigern konnte. Auch Johannes XXII. pflegte ein sehr reserviertes Verhältnis zu den Kardinälen Jacopo und Pietro Colonna, ohne jedoch offen Maßnahmen gegen sie zu ergreifen.84

Ob diese Hintergründe Maurice de Pagnac bewusst waren, wird ebenso im Dunkeln bleiben wie die Frage, ob und wie die Colonna-Kardinäle im Konsi-storium Einfluss ausübten. Der Johanniter Maurice de Pagnac assoziierte sich jedoch offensichtlich durch die Wahl seines Prokurators bewusst oder unbewusst mit einem Netzwerk, dem sicher nicht der Papst angehörte. Diesem päpstlichen Netzwerk gehörte vielmehr Foulque de Villaret an, der sich der Unterstützung des Juristen auf der cathedra Petri erfreute. Inwieweit die päpstliche Entscheidung allein auf die Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Netzwerken zurückzuführen ist, bleibt fraglich. Foulque de Villaret genoss im Westen als Eroberer von Rhodos nach wie vor eine enorme Popularität und hohes Prestige, was sicherlich zu sei-nen Gunsten gewirkt haben dürfte. Dass Maurice de Pagnac mit der Wahl seines Rechtsbeistandes seine Chancen nicht gesteigert hat, dürfte immerhin sicher sein. Dem „falschen“ Netzwerk anzugehören konnte also mindestens ebenso sehr scha-den, wie es nutzte, Teil des „richtigen“ zu sein.

83 Rehberg (wie Anm. 74), S. 471. 84 Ebd., S. 65 ff.

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Doch Foulque de Villaret konnte sich seines Sieges nicht lange erfreuen. Be-reits 1318 wurde er zum Rücktritt gezwungen und zog sich nach Südfrankreich zurück. Neuer Ordensmeister wurde Hélion de Villeneuve, der ebenso wie sein Vorgänger über gute Kontakte zur Kurie verfügte.85 Auch zu Papst Johannes XXII.,

der in Montpellier die Rechte studiert und in Toulouse gelehrt hatte, bestanden enge Verbindungen. Hélion de Villeneuve erreichte Rhodos nach seiner 1319 er-folgten Wahl zum neuen Ordensmeister erst im Jahr 1322, da er in Südfrankreich als Vertrauter Johannes’ XXII. in die päpstliche Politik eingespannt war.86 Um sich

die päpstliche Gunst zu erhalten, griff der Ordensmeister zum gleichen Mittel, das bereits sein Vorgänger eingesetzt hatte. 1320 verkaufte der Johanniter dem aus Cahors stammenden Papst für 2000 Goldgulden alle noch verbliebenen Templer-güter in und um dessen Heimatstadt.87

Die Hoffnung, dass sich seine Netzwerke letztendlich zugunsten des Ritter-ordens auszahlen würden, könnte in den 1320er Jahren die Johanniterkommende Avignon dazu bewogen haben, einen Rechtsstreit trotz mehrmaliger Beilegungs-versuche durch alle kurialen Instanzen durchzufechten. Um 1320 brach eine Auseinandersetzung zwischen der Johanniterkommende Avignon und dem städ-tischen Priorat Saint-Pierre wegen der jeweiligen Anteile an den Nachlässen und den Oblationen aus.88 Weder ein Schiedsspruch zweier Rechtsgelehrter, noch ein

Urteil des Offizials von Avignon konnten die Streitigkeiten beilegen.89 Selbst

nach-dem die Johanniter an die Kurie appelliert hatten und bis 1328 in zwei Instanzen gescheitert waren, gab der Ritterorden nicht auf. Dazu mag beigetragen haben, dass die Auseinandersetzung in der dritten Instanz vor Bosolo di Parma verhandelt wurde. Der Auditor dritten Grades war ein sehr erfahrener Jurist und päpstlicher Kaplan.90 Zudem war er bereits Jahre zuvor mehrfach mit den Johannitern in

Kontakt gekommen. Im Auftrag Papst Clemens V. verhandelte er 1311 über die

85 Maurice de Pagnac wurde schließlich mit der Leitung der Ordensgüter in Armenien und

der Hälfte des Priorats Zypern abgefunden. Vgl.: Delaville Le Roulx (wie Anm. 72), S. 17; M.-A. Chevalier, Le rôle de la papauté dans la politique arménienne des Hôpitaliers au XIVe siècle,

in: La papauté et les croisades / The Papacy and the Crusades. Actes du VIIe congrès de la Society

for the Study of the Crusades and the Latin East. Proceedings of the VIIth Conference of the Society

for the Study of the Crusades and the Latin East, hrsg. v. M. Balard (Crusades – Subsidia 3),

Farnham‒Burlington 2011, S. 236 f.

86 Nach Delaville Le Roulx (wie Anm. 72), S. 51 ff., 84 ff.; Luttrell (wie Anm. 72), S. 293. 87 Les lettres communes de Jean XXII (wie Anm. 78), Nr. 14347 (1320, November 20).

88 A.-M. Hayez, La paroisse Saint-Pierre au temps des papes d’Avignon, Annuaire de la Société des

amis du Palais des Papes et des monuments d’Avignon 76 (1999), S. 14.

89 Archives Départementales de Vaucluse (im weiteren AD Vaucluse), 9 G 8.

90 Vgl.: Guillemain (wie Anm. 79), S. 349. Nach Kerstin Hitzbleck war er der „Standardexekutor

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