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"Polnische Patrioten?" : einige Anmerkungen zum frühen Polenbild in Westpreußen um 1700

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Frank Steffen

"Polnische Patrioten?" : einige

Anmerkungen zum frühen Polenbild

in Westpreußen um 1700

Acta Universitatis Lodziensis. Folia Germanica 3, 79-97

2002

(2)

A C T A U N I V E R S I T A T I S L O D Z I E N S I S

F O L IA G E R M A N IC A 3, 2002

Frank Steffen

„POLNISCHE PATRIOTEN?”

EINIGE ANMERKUNGEN ZUM FRÜHEN POLENBILD IN

WESTPREUßEN UM 1700

I

D ie nachfolgenden A usführungen beziehen sich a u f die T hese H ubert O rlow skis, w onach „ d e r deutsche Polendiskurs fü r die E rfin d u n g der deutschen N atio n eine kaum wegzudenkende legitim ierende Rolle gehabt h a t“ J. Bedenkt m an allerdings die territoriale, konfessionelle und gesell­ schaftliche Z ersplitterung des D eutschen Reichs um 1700, dan n wird die N otw endigkeit einer regionalen Eingrenzung verständlich. D a rü b e r hinaus ist nach dem jeweiligen Schw erpunkt der D eb atte und nach den U rsachen für die Funktionalisierung des in ihr entwickelten Polenbildes zu fragen, denn zu R echt h a t T adeusz Cegielski 1990 d a ra u f hingewiesen, dass sich die „A nsichten eines Rheinländers, der Polen und die Polen n u r vom H örensagen kannte... von N a tu r aus von den M einungen eines Österreichers, Preußen oder Sachsen unterscheiden” 2.

U n ter A usschluß d er österreichischen Sicht findet sich an d er W ende vom 17. zum 18. Ja h rh u n d e rt ein ausgesprochener P olendiskurs jedenfalls

1 H . O rłow ski, Z u r ,,Erfindung der (deutschen) N ation". Von historischer S e m a n tik und

historischer Stereotypenforschung, [in:] Nationale Identität. A spekte, Problem e u n d Kontroversen in der deutschsprachigen Literatur, hrsg. von J. Jab łk o w sk a, u n d M . Pó łro la, W ydaw nictw o

U niw ersytetu Ł ódzkiego, Ł ó d ź 1998, S. 11.

2 T . Cegielski, Polen u n d die Polen aus der Sicht der D eutschen im 18. Jh.: f ü n f Stereotype, in: „ Z eitsch rift des G eo rg -E ckert-In stitu ts fü r in ternatio n ale Schulb u ch fo rsch u n g ” 1990, 12. Jg., N r . 1, B raunschw eig, S. 50.

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во

F ra n k Steffen

n u r in W est- und O stpreußen sowie in B randenburg u n d Sachsen. Die K o n z e n tra tio n au f W estpreußen ergibt sich hier aus dem M odellcharakter, den die polnische Frage jenseits feudaler K abinettspolitik als Projektionsfläche für A bgrenzungsprozesse gerade in einem G ebiet haben m usste, dessen staatlich zu Polen gehörender K u ltu rrau m von polnischen Ereignissen direkt betroffenen w ar. So ist es m öglich, „gleichsam im V orfeld der eigentlichen A u fk lä ru n g sfo rsc h u n g einige Z üge des k u ltu re lle n L ebens d er Region darzustellen” . (Ischreyt)3

In diesem Sinne wird zunächst d anach gefragt, ob das frühe Polenbild d er w estpreußischen S tädtebürger ü b erh au p t schon ein Frem dbild w ar und w enn ja , welchen A nteil die H erau sb ild u n g neuzeitlichen bürgerlichen Selbstbew usstseins an seiner F o rm ieru n g hatte. Gezeigt w erden soll u.a., dass dieses neue - im diskursiven R ahm en der europäischen F rü h a u fk lä ­ ru n g entstehende - Bewusstsein die schrittweise A bw endung von der zerfal­ lenden polnischen A delsrepublik und dam it notw endig die Suche nach einer n euen S chutzm acht m it sich b rach te. D a ra u s folgte zw angsläufig eine natio n ale O ption, die das Polenbild zunächst regional veränderte. So kann eine ins Z entrum deutsch-polnischer K ontroversen um die nationale Iden­ titä t der preußischen T errito rien im dam aligen N o rd - W est- Polen zielende B ehauptung M anfred K ossoks verifiziert w erden, der 1987 davon ausging, dass alle „A ufklärung des 18. Ja hrhunderts... letztendlich a u f A btrag u n g feudaler H ypotheken und Freilegung der bürgerlichen N atio n [zielte]” 4.

D ie von O rłowski zutreffend hervor gehobene K onzeptualisierung des Polenbildes diente dam it zunächst einer U m w andlung des ständisch geprägten borussischen R egionalbew usstseins in ein neuzeitliches, zunehm end (positiv o d er ablehnend) a u f Preußen fixiertes staatsbürgerliches Bewusstsein. Wie sich dieses - im R esultat preußische - Polenbild zum Feindbild w andelte und den deutschen P olendiskurs vor allem des 19. und 20. Jah rh u n d erts (z.B. bei E rn st M o ritz A rn d t und anderen) als „D enkm uster” (W ojtysiak)5 prägte, das ist hier schon nicht m ehr das Them a.

3 H . Ischreyt, Vorwort des Herausgebers, [in:] Königsberg u n d Riga ( W olfenbütteier Studien

zu r Aufklärung, Bd. 16), M ax Niem eyer Verl., T ü b ingen 1995, S. IX.

4 M . K o sso k , H istorische Bedingungen der europäischen A ufklä ru n g (e n ), [in:] Europäische

A u fklä ru n g (e n ). Einheit und V ielfalt, h rsg. v o n J ü ttn e r, Siegfried u. S cb lo b ach , Jochen

( = S tu dien zum A ch tzeh n ten JahrhunderL , h rsg . v o n d. D e u tsch en G esellsch aft fü r die E rfo rsch u n g des ach tzeh n ten Ja h rh u n d e rts, Bd. 14), Felix-M einer-Veri-, H a m b u rg 1992, 59.

s Vgl. M . W ojtysiak, D enkm uster im Polenbild von Ernst M o ritz A rndt und ihre Funktion, [in:] Stu d ia G erm an ica Posnaniensie X X IV , hrsg. von. Bzdęga, A ., K aszyńsky, St. und H. O rłow ski, U n iw ersytet A d a m a M ickiew icza w Pozn an iu , 1999, S. 45 1Г.

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„Polnische Patrio ten ?” Einige A n m erkungen zum frühen Polenbild 81

II

Z u den regionalen Besonderheiten W estpreußens gehörte sicherlich der relativ große Stellenwert, den die A useinandersetzung m it Polen schon sehr früh im Bewusstsein der Bevölkerung einnahm . So w urde bereits in der zweiten H älfte des 17. Jah rh u n d erts in D anzig d arü b er gestritten, ob die Staatsform der A delsrepublik n o ch den ökonom ischen und politischen A nsprüchen des seit dem 13- jährigen K rieg der K ro n e Polens verpflichteten Städtebürgertum s genügen konnte.

D en n äh er zu untersuchenden A nlass lieferte der dam als europaw eit bekannte H elm stedter G elehrte H erm ann C onring6, d er w ährend des P o l­ nisch-Schwedischen K rieges (wahrscheinlich in schwedischen D iensten) in D anzig weilte und d o rt privat Vorlesungen u.a. über Polen hielt. Seine A uffassungen provozierten den verbal energischen, in der Sache jedoch m erkw ürdig unentschiedenen P rotest des jüngeren, früh verstorbenen und unter Pseudonym (Franciscus M arini) veröffentlichenden F ra u stä d te r B ür­ gers Joh an n es Sachs7, der sich im T itelblatt seiner 1726 in D anzig als Ü bersetzung erschienenen Streitschrift als „Pohlnischer P a trio t” 8 zu er­ kennen gab. G egen C onring, der den Polen ein ausschweifendes Leben vorgeworfen und die politische Verfasstheit der A delsrepublik kritisiert hatte, wollte Sachs beweisen, dass „der Endzweck der Pohlnischen R epu­ blic in d er G leichheit und W o h lfah rt aller u n d je d e n G lieder in der R epublic besteh e” 9. In teressa n t ist n un, dass Sachs n ich t um h in kam C onring in allem R echt zu geben, was die m erk an tile (und also den Bürger vor allem interessierende) Seite der A useinandersetzung anlangte. Hier beklagte er u.a. den „schändlichen M üßiggang” der Edelleute, „der die schlim m ste K ran ck h eit einer R epublic ist” 10. Besonders verwerflich war seiner M einung nach das individuelle Streben nach R eichtum , d a

6 „C o n rin g , H erm an n , 09.11.1606 N o rd e n / O slfriesland - 12.12.1681 H elm siedl, Prof. f(ür)... Politik; A rzt, S ta atsra t un d Polyhistor. Zu Lebzeiten zählte C. zu den wenigen dl. G elehrten von eu ro p. R an g. A n E influß a u f d ie p ra k t. Politik ü b e rtra f er P u fendorf, Leibniz u. T h o m asiu s” , L iteratur-Lexikon, Bd. 2, hrsg, von K illy, W alther, M ü n ch en 1988, S. 445.

7 „Francisci M arinii, sonst Joannis Sachsii, Fraustadiensis Poloni... M assen er begierig war, eine Reise nach d er Insel Ceilon zu th u n , allwo er aber n o c h a u f d er See anno 1671. im 30. Jah r seines A lters den P o rt der ewigen Seligkeit erreichet” , S. F . L au terb ach , Pohlnische

Chronicke, Oder. Historische Nachricht von dem Leben und Thaten aller H ertzoge und Könige in Pohlen..., Zusam m en getragen von Sam uel Friedrich Lauterbach, P.& S.F., F ra n ck fu rlh und

Leipzig, Z ufinden bey G eorg M a rc u s K no ch en . A n n o 1727, o. S. (§ 10).

8 J. Sachs, Francisci M arinii, eines Pohlnischen Patrioten S ta a t des Königreichs Pohlen.

Worinnen sowohl Die wahre Form und Gestalt der Pohlnischen Republic..., Seiner Curiosität und Parität halben aus dem Lateinischen Original ins Teutsche übersetzet, D an zig 1726.

9 E b en d a, o. S. (V orrede a n den Leser).

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h ierd u rch „dem pu b liq u en W esen das p riv ate In teresse vorgezogen” 11 w ürde. G enau dieses private Interesse führe d an n auch zur V erausgabung d er R eichtüm er lediglich für L uxusgüter, die zudem nicht einm al m it besonders hohen Zöllen belegt wären:

Po h len k ö n n e aller solcher D inge en trath en , welche zu n ichts an ders nu tzen , als n u r das G eld unweislich d u rch zu b rin g en , die E in w o h n er zu ru in ieren, die Ü p p ig k eit zu befö rd ern , u n d zu m achen, d a ß alle u n d jed e m ehr a u f die V erschw endung u n d Ü b erfluß in Essen und T rinck en , als a u f die W o h lfa h rt d er R epublic und den K rieg den c k en 12.

T ro tz d er B erufung a u f späthum anistische G ew ährsleute (C am panella)13 u n d deutliche A nklänge an den auch von Conring vertretenen, das A u to ­ ritätsprinzip noch nicht in F rage stellenden evangelischen A ristotelism us14, sind doch die Elemente eines neuen, bürgerliches Bewusstsein repräsentierenden D enkens unübersehbar. Indem Sachs versuchte, an den in W esteuropa (und hier besonders in F rankreich) sich entfaltenden M erkantilism us anzuknüpfen, diskutierte er a u f dem dam als höchsten N iveau darüber, dass „der publique u n d d er privatorum Reichthum im H andel u n d W andel (bestehet)” 15.

D er Streit m it C o nring, d er im G anzen w o h l schon u m 1650 die ab so lu te M o n a rch ie für die zeitgem äße Regierungsform h ielt16, kreiste d em nach „ n u r” um die politischen V oraussetzungen für eine erfolgreiche, d en lokalen R ahm en bornierter städtebürgerlicher Interessen übersteigende G eschäftstätigkeit. Sachs hielt der a u f „knechtische Erniedrigung” 17 zielenden absoluten H errschaft sein M odell eines - bei allem R ealism us d er L ageein­ schätzung - in seiner Perspektive doch idealisierten dem okratischen R e p u b ­ likanism us entgegen:

W enn d em n ach die A risto k ratie oder die R egierung d er V ornehm sten die A rm en n ich t allein m it S teuern sehr drücket, so n d ern au ch m it Schm ach, und G ew alt p laget; u n d w enn sie die G leichheit u n ter dem Adel aufhebet, so fehlet es so weit, d a ß sie ihren E ndzw eck, so

11 E b en d a. 12 E b end a, S. 215.

13 „ E r [C am panella - F . S.] ra th e t dem n ach d er W o h lfa h rt einer R ep u b lic besser; indem e r d e n R a th giebt, d as das G eld m it g u ter O rd n u n g gesam m let, u n d , w an n kein K rieg , m äß ig ausgeschrieben, und, in d er Schatz-C am m er verw ahret werden solle” , eb en d a, S. 205.

14 „A ristoteles h a t von dem K öniglichen R egim ent sehr sp arsam gehan d elt..., es wäre d e n n , d a ß er m it d en G riechen d a fü r gehalten, d a ß keine K ö nigliche V erw altu n g gerechter A r t sey, d ie V ölcker zu regieren” , eben d a, S. 7.

15 E b en d a, S. 234.

16 „ L u d w ig X IV . zah lte ihm 1663-1673 jä h rlic h eine G ra tifik a tio n , u m sich seines W o h lw o llen s zu versichern. C. setzte sich so gar fü r L udw igs P rä te n tio n e n a u f d ie d t. K a iserk ro n e ein, w ährend andererseits seine Einstellung dem Reich gegenüber d u rch a u s n ich t ab lehn en d w ar. Im ganzen h ielt er w ohl die ab so lu te M o n arch ie fü r die zeitgem äße R egierungs- form , ohne A nsprüche d er S tände oder der Städte prinzipiell auszuschließen”, Literatur-Lexikon..., S. 446.

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„Polnische Patrio ten ?” Einige A nm erk u n g en zum frü hen Polenbild 8 3

zu so n d erst d ie W o h lfa h rt d er R eichen ist, erreichen solle, d a ß sie vielm ehr die R e p u b lic grosser G e fa h r unterw erffe. G leichergestalt irre t d ie D ém o cratie od er R eg ierung des gem einen Volcks, w enn sie einem ein O brigkeitlich A m t öfflers au flräg t, w enn sie es ihm a u f eine lange Zeit läßet, u n d w enn sie v e rsta u et, d a ß einer v o n gar zu großem A nsehen u n d R eich th u m u n ter ih n en sey18.

U nschw er sind Bezüge zu r M agnatenherrschaft in P olen zu erkennen, die ja die G leichheit des Adels u n d dam it die „güldene F rey h eit” 18 bedrohte. D o ch nicht d aru m ging es Sachs. Seine Ü berlegungen zu r D em o k ratie als Regierung des gemeinen Volkes verweisen vielmehr au f einen städtebürgerlichen E rfahrungshorizont, dessen Reflex auch in der ausführlichen Besprechung V enedigs20 und H ollands aufscheint. T ro tz deutlicher Sym pathie fü r d em o ­ kratisch-republikanische Staatsform en scheute er jedoch letztlich die M ach t des einfachen V olks, von dem er zustim m end m einte, „d aß es von der R egierung des gemeinen W esens klüglich entfernt ist” 21. D a m it n u n erwies sich die Regierungsform der Polnischen A delsrepublik in ihrer idealen P rojektion als die Beste aller m öglichen, denn sie sei „verm ischet” 22 und die M a ch t d er „S enatores” werde von einem K ö n ig dom iniert, der „o h n e deren Einw illigung dennoch... dasjenige th u n kann, was in d er T h a t K ö ­ niglichen Rechtens ist” 23.

In diesem Zusam m enhang führte der A u to r nun seinen eigenen A usgangs­ p u n k t ad ab surdum , d en n gerade der V ersuch, die V orteile des freiheitlichen gegen das absolutistische System zu beweisen, scheiterte an den realen Z u ständen u n d dam it an den V oraussetzungen der idealen Projektion. Resigniert m usste er näm lich gerade m it Blick a u f H andel u n d W andel C orning Recht geben u n d feststellen:

Dieses sind allerdings gute W o rte u n d ein g u ter R a th , w elcher a b e r heutiges T ages keine S ta tt findet... D ergleichen is t in Pohlen m eh r zu hoffen, als zu W ercke zu ric h ten 24.

D ie beschriebenen inhaltlichen E rw ägungen weisen dam it sow ohl aus der F rem d- wie auch aus d er Eigenperspektive bereits für die zweite H älfte des 17. Ja h rh u n d erts ein aus bürgerlicher Sicht wenig attraktives Polenbild aus. D as Problem ist m ith in kein politisch-geographisches u n d sowieso noch kein nationales, sondern es besteht in der T a t in der spezifischen Betrachtungsweise bürgerlicher D iskutanten. (Dem gegenüber weist das Selbstbild eines polonisier- ten, kulturell und sprachlich jed o ch d er deutschen u n d insonderheit wohl

18 E b en d a, S. 5. IS E b en d a, S. 85. 20 E b en d a, S. 15f. 21 E b en d a, S. 12. 22 E b en d a, S. 13. 23 E b en d a, S. 14. 24 E b en d a, S. 238.

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sächsischen K u ltu r nahe stehenden Adligen noch um 1756, also rund 100 Ja h re später, ganz andere, deutlich die eigene K lasse überschätzende und m it Blick a u f das Frem dbild geradezu illusorische Züge auf: „So lange auch m eine B rüder bey dieser edlen D enckungs- A rt bleiben w erden, so lange wird sich auch die D urchl. Republic, aller jederm ann bekannter B randenburg. Spötterey o h n g each tet, bey ihrem hohen A nsehen, R u h e und Freyheit erhalten...” )25 Frem d erscheint also sowohl dem reichsdeutschen Bürger C onring wie dem indigenen Sachs weniger etwas spezifisch „P olnisches” , so n d e rn frem d ist ihnen die kaum patriotisch zu nennende und ökonom isch unvernünftige Verhaltensw eise des polnischen Adels. In diesem Sinne gibt die hier rekonstruierte D eb atte A uskunft über das frühe bürgerliche (noch kaum national gefärbte) Polenbild und zeigt gleichzeitig, in welch hohem M a ß e bereits dam als in den kulturell deutsch geprägten S tädten Polens das Selbstbild nach M aßgabe eines protestantischen E th o s im K o n tra st zum k atholischen polnischen Adel k o nstruiert wurde:

Sie [die R eichtüm er - F . S.] sind aber nicht an ders heilsam , w ann sie n ich t zur Sublevierung des gem einen M angels d e r R ep u b lic hergegeben w erden... H ingegen a b e r sind sie wenig z u träglich, w ann sie n u r zur P ra ch t aufgehoben und u n ter festen Schlössern g eh alten w erden, od er n u r zu d er M ön ch e Schwelgerey dienen, u nter welchen die m eiste n u r d a ru m gebohren sind, d a ß sie d ie F rü c h te helffen verzehren und sonst der E rben eine u n n ü tze L a st sin d 26.

Insofern diese „B ilder” aufeinander bezogen sind und die Polem ik m it der „Schwelgerey” bei Sachs a u f ein „ M a ß ” (also a u f die Begrenzung des Luxus) und nicht a u f die Festschreibung von Standesprivilegien hinausläuft27, w ird die A rt d er A useinandersetzung als gedankliches, d en dam aligen Regeln der T extproduktion folgendes K o n stru k t erkennbar. D ie von C onring als F rem dbild form ulierte K ritik am polnischen Adel wirkte kontrastbildend a u f das von Sachs akzentuierte Selbstbild m eh r oder weniger polonisierter Bürger zurück (ohne jedoch zunächst den polnischen P atriotism us dieser V olksgruppe absolut in F rage zu stellen). D eutlich wird die „alte rhetorische M ethode, einen T atbestand durch die K o n stru k tio n eines m öglichst extrem en K o n trastes zu k lären und hervorzuheben” . (Blaicher)28 D er Hinweis a u f die „R h e to rik ” als Disziplin m ittelalterlicher Scholastik h a t in diesem Z u sam ­

25 A nonym , Eines Polacken Beleuchtung D er Betrachtungen über das von der Republic

Pohlen bey gegenwärtigen Z eit-L ä u fften zuhallende Betragen, o.O . 1756, S. 10.

26 J. Sachs, a.a.O ., S. 222f.

27 D a s ersieh t m an aus d er F o rd eru n g , dass neben dem A del au ch die h ö ch ste M a je stä t sich solch m aßvollem V erhalten unterw erfen soll: L ä ß t näm lich „ D e ro M a je stä t ein g u t G esetz ausgehen..., So sey sie die zuerst, die u n ter dem zu stehen sich g ar n ich t weigern will” , ebenda, S. 131.

28 G- Blaicher, Einleitung des Herausgebers, [in:] Erstarrtes Denken. Studien zu Klischee,

S tereotyp und Vorurteil in englischsprachiger Literatur, hrsg. von G . B laicher, N arr-V erl.,

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„Polnische P atrio ten ?” Einige A n m erk u n g en zum frü hen Polenbild 8 5

m en h an g insofern seine besondere Berechtigung, als in Polen die ideelle E ntw icklung bis zu r F rü h a u fk läru n g - anders als in F ra n k reich , England oder D eutschland - von der ungebrochenen „D o m in an z der S cholastik" (Bai)29 geprägt war.

M it Blick a u f die gewählte Them enstellung ist nun allerdings dem Einw and zu begegnen, dass weder Sachs noch C onring w estpreußische Bürger gewesen sind. Ü berdies sollte m an vielleicht eine einzelne Rede, die zw ar in D anzig, d o rt aber vor ausschließlich privatem Publikum 30 gehalten w urde, nicht überbew erten. Beide Einw ände e n tk räftet der Verfasser selbst, indem er die Stim m ung der geladenen G äste beschreibt, die als U n tertan en der polnischen K ro n e offiziell nicht gegen diese auftreten k o n n ten und pro-schw edische P ro p a g an d a schwerlich in ihren M a u ern h ätten dulden dürfen. Sie duldeten es aber nicht nur, sondern Sachs weist entrüstet d a ra u f hin, dass dieses „oraculum von allen mit einem heimlichen Beyfall angenommen wurde” 31 und auch später noch weiter wirkte. D ie Tendenz dieser Spätw irkung h a t d er F ra u stä d te r P atrio t von ihrer strukturellen Beschaffenheit her schon dam als scharfsichtig analysiert, indem er dem angesehenen „Politico-Profes- sore” 32 vor allem eine leichtfertige und nun allerdings zur Bildung von Stereotypen geeignete A rt der U rteilsbildung vorwarf:

W er seine B eschreibung von Pohlen zur H and h at, d er w ird aus derselben n ich ts nehm en k ö n n e n ; es sey d a n n , d a ß er n u r von besonderem zum allgem einen m it einer schändlichen F olg e schlicssen will: Einige Pohlen fü h ren ein wohllüsliges Leben: ergo alle: ergo ist d er E ndzw eck d er Pohlnischen R epublic ein w ohllüsliges Leben! E ben er m assen die T eutschen trin ck en gerne: ergo ist d er Endzw eck der T eutschen R epublic ein wohllüstiges Leben?33

D ie aus heutiger Sicht eher befrem dliche E rw äh n u n g überm äßigen A lkoholgenusses als einem L aster beider „ n atio n es” zeigt, wie sehr a u f dem Feld nationaler V orurteile noch nicht K o n trastieru n g , sondern Vergleich die A bw ehrstrategie von Sachs bestim m te. D a er, wie bereits ausgeführt, die H au p targ u m en te Conrings nicht entkräften konnte, nahm er seine Zuflucht zum E ingeständnis des berühm ten „K örnchens W ah rh eit” , d as in jedem Stereotyp verborgen ist, und versuchte es gegen den „A ngreifer” zu wenden. A u f dieser E bene m usste er also zw angsläufig das die V ölker V erbindende heraus stellen und betonen, „ d aß also viele D inge, welche T acitus vorm ahls

29 K . Bai, Christian W o lffs Erbe in Polen, [in:] A k tu a litä t der Vergangenheit, W ydaw nictw o

U niw ersytetu W rocław skiego, W rocław 1997, 37.

30 „ E s h a t a b er derselbe vo r einigen Ja h re n , als er eine R ede v o n d er R ep u b lic Pohlen in einem Privat-C ollegio hielte, seinen Z u h ö re rn beyzubringen kein Bedencken getragen, als werm d er E ndzw eck d er Pohlnischen R epu b lic h e u t zu T ag e ein w ohllüstiges L eben sey” , J. Sachs, a.a.O ., o. S. (V orrede an den Leser).

31 E benda. 32 E benda. 33 E benda.

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86 F ra n k Steffen

von den T eutschen beobachtet, h eu t zu T age von den P ohlen gar füglich gesagt w erden k ö n n e” 34.

W ie wenig Sachs dabei - in auffallendem G egensatz zu seiner kritischen H a ltu n g in sozialer, ökonom ischer und politischer H insicht - eine eigene M einung v ertritt, m ach t der Verweis a u f T acitus deutlich. O hnehin folgte d er A u to r (der es h ä tte besser wissen können, d a er zum indest H olland aus eigener A nschauung35 kannte) hier ganz den V orgaben der 1617 von J o h n Barclay in Paris veröffentlichten und dam als oft zitierten Schrift „Icon anim orum ” , einem W erk, das noch ganz dem frühneuzeitlichen „N atio n alitä­ ten sch em a” (Stanzel)36 entsprach. D a ra n ist zu sehen, wie w enig die F rem d b ild p ro b lem atik in der zweiten H älfte des 17. Ja h rh u n d erts ein au f N atio n ales (im m odernen Sinne) zielendes Polenbild intendierte.

D o c h weist sich der besprochene Text hier schon als ein P ro d u k t des Ü bergangs aus. W ährend Sachs näm lich einerseits die ü berkom m ene V ölker­ charakteristik ungeprüft übernim m t, zeigt andererseits seine Polem ik m it Conrings A rt der Verallgemeinerung, wie sehr er den M echanism us, d er d an n zur Bildung von „m odernen” Stereotypen führte, bereits durchschaut hatte. So ignorierte er die T heorie, nach welcher die „M ißhelligkeiten d er G em üther d urch eine verborgene K rafft denen B enachbarten angebohren w erde” 37, und w andte sich statt dessen den „bösen Neigungen gegen die P ohlen”38 zu, die der H elm stedter Professor in seiner Rede geäußert hatte. Ein solch „feindseelige(s) G em üth” 39 war allerdings etwas Neues und entsprang offensichtlich politischen M otiven, w eshalb nachzufragen ist, w arum es von den D anzigern auch d a n n nicht energisch zurück gewiesen wurde, als „die U rsache zu lästern weggefal­ len” 40 war. D a ra u f gibt die zitierte Schrift allerdings keine A n tw o rt m ehr, vor allem wohl deshalb, weil die G rü n d e dafü r (dam als) sta d tb e k an n t w aren.

Ш

D as Problem liegt so gesehen darin, dass es in d er T a t „nicht den einen deutschen Polendiskurs, sondern viele einzelne in unterschiedlichen Ö ffent­

34 E b en d a, S. 200.

35 Im Z u sam m en h an g m it H ollan d fü h rte Sachs an, dass sein „Z euge... die E rfa h ru n g [ist]” , e b en d a, S. 9.

36 Vgl. F . K . Stanzel, D as Nctionalilätenschetr.a in der L iteratur u n d seine E ntsteh u n g zu

Beginn der N euzeit, [in:] E rstarrtes D enken..., S. 84 ff.

37 J. Sachs, a.a .O ., o. S. (V orrede a n d e n Leser). 38 E benda.

39 E benda. 40 E benda.

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„Polnische P atrioten?” Einige A nm erk u n g en zum frühen Polenbild 87 lichkeitsräum en” (Orłow ski)41 gab. U m die gewählte F ragestellung also w eiter verfolgen zu können, muss wenigstens partiell tiefer in das K o m ­ m unikationssystem der ihrer N a tio n a litä t n ach überw iegend deutschen B evölkerungsgruppe N ord-W est-Polens eingedrungen werden. Im Folgenden sollen d ah er ausgewählte, a u f eine bürgerliche Ö ffentlichkeit zielende Stel­ lungnahm en zum polnischen S taat und zu den Polen als Zeugnisse früher politischer K o m m u n ik atio n 42 analysiert und in Beziehung zur H erausbildung eines m odernen bürgerlichen Selbstbewusstseins gesetzt w erden. D am it wird zunächst eine fragm entarische R e k onstruktion des D iskurszusam m enhangs angestrebt, in dem die H erausbildung von Polenbild und Bürgerlichkeit als M om ente eines Prozesses zu fassen sind, in dessen V erlauf sich die städtische O berschicht zum indest innerlich aus ihren B indungen an die feudalen In stitu tio n en , Denkweisen und M achtinteressen d er zerfallenden polnischen A delsrepublik löst. Insofern auch für W estpreußen zutreffen sollte, dass sich „die gesellschaftskritische F u n k tio n d er deutschen A ufklärung in P hilosophie u n d L iteratu r eindeutig gegen das Bestehende profiliert” (K ossok)43, geht es m ith in um das A ufspüren von M om enten des W iderstandes bzw. einer m eh r o der weniger bew ussten Entgegensetzung, d a hier die realgeschichtlich m otivierten In ten tio n en der sozialen A k teu re in ihrer ideologischen W ider­ spiegelung erk en n b ar werden.

D ie frühesten Versuche der evangelischen (auch polonisierten) Städtebürger, sich gegen Ü bergriffe des katholischen (auch des polonisierten preußischen) Adels zu w ehren, haben m it Bestrebungen des polnischen K lerus zu tun, seinen Einfluss bei den Bürgern „beyder Städte und Z ungen” (Zernecke)44, also denen der m eist deutsch geprägten A ltstädte und denen der stä rk er polonisierten N eu- oder V orstädte, m it H ilfe des Jesuiten-O rdens zu erhöhen. F ü r T h o rn w erden die entsprechenden V orgänge sehr anschaulich in der

Thorner Chronicke des 1727 schon gewesenen V ice-Bürgerm eisters Zernecke

wie folgt beschrieben:

A m F ro n leich n am s = Tage [des Ja h re s 1606 - F . S.l h a b e n die R ö m isch = C alholi- schen die erste Proceßion a u ff dem K irch h o fle zu St. Jo han n is gehalten, welches bey der B ü rg e rs c h a ft ein g ro ß N achdencken erw ecket... bis m an endlich die Jesuiter den 13. O ctob. d a h in verm o ch t, d a ß sie die K irch e, d en Pfarr = H o f, und Schule zu St. Jo h a n n w ürklich verliessen...45

41 H . O rłow ski, a.a .O ., S. 23.

43 Vgl. d azu : E.-B . K o rb e r, Ö ffentlichkeiten in der Frühen N euzeit. Teilnehmer, Formen,

In stitu tio n en u n d Entscheidungen öffentlicher K om m u nika tio n im H e rzo g tu m Preußen von 1525-1618, Berlin, N ew Y o rk 1998.

43 M . K o sso k , H istorische Bedingungen der europäischen A ufklä ru n g (en} ..., S. 51. 44 J. H. Zernecke, Thornische Chronica in welcher die Geschichte dieser S ta d l von M C C X X I

his M D C C X X V I aus bewehrten Scribenten und glaubwuerdigen D ocum entis zusam m en getragen werden von Jacob H einrich Z ernecke, Zw eyte v erm ehrte A uflage, Berlin 1727, S. 132.

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88

T ro tz A ppellation a n die K ro n e unterlag die S tad t jedoch und m usste schon E nde 1611 die von Sigismund III. privilegierte E rrich tu n g einer Jesuiten-Schule hinnehm en, w oraus „insonderheit wegen Beherbergung der A delichen Jugend, viele H ändel in der Stadt en tsta n d en ” 46. Dieses sp a n ­ nungsreiche V erhältnis, in dem sich von A nfang an ständische und religiöse, kulturelle, sprachliche und soziale Gegensätze überlagerten, entfaltete seine endlich a u f Brechung d er Städtischen M ach t und dam it des preußischen S onderstatus im K önigreich Polen gerichtete T endenz erst allm ählich. Um die W ende des 17. zum 18. Ja h rh u n d ert w aren die Eingriffe in die ü b e r­ kom m enen Privilegia d an n jedoch schon so m erklich, dass allenthalben begonnen w urde, sie zu sam m eln u n d zum Zw ecke d er V erteidigung aufzubereiten. So h atte A braham H artw ich, der aus K önigsberg als P asto r ins M arienburger W erder41 gekom m en w ar, schon vor 1700 beschlossen,

Privilegia u n d Decreta, die dem bedruckten W erder ehem als von den

G lorw ürdigsten K önigen in Pohlen, und E rlauchten Culm ischen Bischöffen, in Puncto der freien Exercitii Religionis w aren gegeben w orden, besterm assen zu colligiren, um m einer anvertrauten G em eine dadurch zu rath en , wenn Sie etw a, wider den In h alt und Intention derer Privilegien und Decreten, m öchte angefochten w erden” 48.

Solche „A nfechtungen” h atte es bis d ato schon m ehrere gegeben, vor allem d an n , wenn in einem Interregno die K önigsw ürde erloschen u n d die K öniglichen G ebiete herrenlos geworden w aren und im m er w ieder „einige R epublicanten [gedachten] aberm ahl die W erderer zu beunruhigen” 49. D a in diesen Zeiten „die Pohlen in den D örfern grosse Insolentien verü b ten ” 50 u n d gegen E nde des 17. Jah rh u n d erts auch eine „A ustreibung der E v an ­ gelischen Priester in beyden W erdern vorgieng” , verließ den P asto r schon m al seine sonst betonte T reue zum Polnischen K önig und er lobte G o tt dafür, dass er „den Glorwürdigsten Schwedischen Helden, Gustavum Adolphum, nach Pohlen, m it einem m ächtigen Krieges H eer [schickte]” 51. W enn also die u.a. von T adeusz Cegielski vertretene T hese zutrifft, dass in „A ltpolen - wo die nach Sprache, K onfession und Sitte andersartigen D eutschen vor allem als ,obcy‘ (Frem dlinge) angesehen w urden - die F re m d h eit des deutschen M itbürgers eine besondere Rolle bei der Bildung des n ationalen

« E benda, S. 249.

41 Vgl. A . H artw ich , l.N .J . V o rbericht des A utoris. A n den geneigten L eser, in: H rn. A b ra h a m H arlw ich s/ W eyland Pastoris zu B äh re n h o f/ im M arien b u rg isch en W e rd e r/ G e o g ra p ­ hisch-H istorische Landes-Beschreibung d erer dreyen im Pohlnischen Preußen liegenden W erdern... N a c h dem T od e des A u to ris a b er aus dessen eigenhändigem M anuscripto herausg eg eb en / und m it einer n euen und accu ralen L a n d -C a rte versehen, K ö n ig sb erg/ Anno 1722, o. S.

48 ' E benda. 49 E ben d a, S. 434. 50 E b en d a, S. 463. 51 E b en d a, S. 81.

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„Polnische P atrio te n ? ” Einige A nm erk u n g en zum frühen P olenbild 8 9

Selbstbew usstseins der Polen spielte” 52, d an n k an n nicht verw undern, dass dies um gekehrt nicht ohne F olgen für das Selbstverständnis der sow ohl altdeutsch- hanseatischen wie republikanischen T rad itio n en verpflichteten S tädtebürger blieb. M it Blick a u f die F rage nach dem bürgerlichen M om ent dieses Selbstverständnisses kom m t hinzu, dass - wie Cegielski weiter ausführt - die N achkom m en deutscher K olonisten „fast niem als” adelig w aren (im G egensatz zu d er oft vollständig polonisierten ländlichen O berschicht) und „also nicht d er polnischen politischen N atio n an(gehörten)” 53.

D iese G egensätze m ussten sich entladen, nachdem auch die W ahl des zw ar konvertierten, aber doch reichsdeutschen und das evangelische Sachsen b eherrschenden K u rfü rste n A u g u st II. keine E n tsp a n n u n g b rach te. Im Gegenteil: V orhandene Polonisierungstendenzen w urden gestoppt, indem n u n sogar E hen zwangsgeschieden w erden m ussten und m it „m it allem F leiß ” d a ra u f gesehen w urde, dass „nicht R öm isch-C atholische m it den L utherischen ehelich verm ischet w erden” (H artw ich)54. So kam es in T h o rn am 18.09.1724 zu handgreiflichen Ü bergriffen a u f das Jesuiten-Colleg, die in einem bis dahin u n erh ö rten V erfahren d er polnischen K ro n e gegen den M a g istrat gipfelten55.

Im U m feld dieses, schon E nde 1724 „w eltbekannten” G laubenstum ults lassen sich nun Strategien analysieren, die öffentliche M einung für den W iderstand gegen den polnischen S taat zu instrum entalisieren. D ie sofort m assiv einsetzende publizistische A ufarbeitung steckte dabei im W esentlichen drei Felder der künftigen Auseinandersetzung ab: W ieder aufgenom m en wurde 1.) d ie v o n C onring u n d Sachs begonnene (und d a n n d u rch die K riege unterbrochene) staatstheoretische D e b a tte 56, in die m ehr und m eh r rechtliche A spekte einer zunehm end stärker behaupteten A utonom ie Preußens einflossen. Einen neuen Stellenwert erhielt 2.) die gegen G laubensfanatism us und Intole­ ranz gerichtete A useinandersetzung m it dem K atholizism us, die - insofern sie öffentlich n u r als A ppell an die sprichw örtliche polnische „T oleranz” geführt w erden konnte - auch innere Auseinandersetzungen um die lutherische O rth o ­ doxie nach sich zog. U nd 3.) setzten die nun v erstärkt auftretenden A u to n o ­ miebestrebungen ein Identität stiftendes, sich gleichermaßen vom Reich wie von Polen abw endendes Geschichtsbild voraus, was sich in einem A ufschw ung der Beschäftigung m it borussischer Geschichte äußerte.

52 Vgl. T . Cegielski, Polen und die Polen aus der S ich t der D eutschen im 18. Jahrhundert, a.a .O ., S. 49.

53 E b en d a.

54 A . H artw ich, Hrn. Abraham Hartwichs... , .Geographisch-Historische" Landesbeschreibung..., S. 116.

s$ H ier m u ß te m it A ug u st II. ein reichsdeutscher F ü rs t als in Polen reg ierender K ö n ig

d ie p ro te s ta n tis c h e n „ T h o rn e r R a ts h e rre n im N a m e n d e r V e rsö h n u n g m it d e r adeligen O pp o sitio n o p fern ” , T . Cegielski, a.a.O ., S. 53.

56 D ie o ben m eh rfach zitierte Schrift von Jo h an n es Sachs w u rd e in u n m ittelb arer zeitlicher N ä h e zu den T h o rn e r Ereignissen (1726) erstm als ins D eu tsch e übersetzt.

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9 0

IV

A bschließend sollen nun diese drei Them enkreise fragm entarisch (d.h. so weit das in dem hier vorgegebenen R ahm en m öglich ist)57 n ä h e r be­ le u c h te t w erden. Z u n ä c h st gilt es h erv o r zu heben, in w elch hohem M a ß e die von Orłowski behauptete K onzeptualisierung des Polenbildes zunächst im D iskurs der w estpreußischen politischen bzw. Bildungseliten sta ttfa n d 58. Die entsprechenden R esultate w urden in F o rm des gedruckten W ortes verbreitet und gingen so in die frühaufklärerischen D eb atten in ganz D eutschland u n d d arü b er hinaus in E u ro p a ein (und w irkten von d a h er w ieder zurück), wie das V o rw o rt des an onym en H erausgebers d e r jesuitischen A nklageschrift gegen die T h o rn e r B ürger anschaulich zeigt:

D a s ungem ein strenge V erfahren in d e r w eltbekannten T ho rn isch en Sache, h a t ein solch A u fsehen n ic h t n u r bey den P ro te s ta n te n , so n d e rn au c h bey b escheidenen C alh o lisch en gem acht, d a ß alle u n d jed e U m stän d e derselben, so wie sie n a c h ein a n d e r b ek a n n t werden, fleißig gesam m elt und zusam m en getragen w erden, bis m an zu einer v ollständigen E rzäh lu n g dieses denckw ürdigen H andels gelangen k ö n n e 59.

A us dieser Sicht erübrigt sich der Streit darum , ob die in diesem R aum in deutscher Sprache (auch zu anderen Them en) erschienenen P ublikationen der deutschen oder d er polnischen K u ltu r angehören. So kam en die - einge­ standenerm aßen - H auptfeinde der polnischen katholischen O rthodoxie, die „allergifftigsten L ehrer und Schüler [des T h o rn er G ym nasium s - F . S.] aus Berlin, H am b u rg , Leipzig, und aus anderen bösartigen L ä n d e rn ” 60. Eine V erbindung zur deutschen K u ltu r liegt dam it ebenso a u f d er H a n d wie die

57 Verf. a rb e ite t an einer entsprechenden D issertatio n und k a n n hier n u r erste Ergebnisse seiner Studien vorsleilen.

58 U n te r den m ehr als 20 Publikationen, die 1726 in den „T h o rn isch en D e n k w ü rd ig k e ite n ” genannt werden, befinden sich Erlebnisberichte, Prozessmaterialien, K abinettsschriften verschiedener euro p äisch er H öfe, literarische V ersuche (Totengespräche), aber au ch tiefer lo ten d e historische A b han d lu n g en , die versuchen, sowohl die V orgeschichte als au ch die Z ielstellungen und Folgen dieses bis d a to beispiellosen V organgs zu erfassen. Vgl. dazu: D . E . Jab ło ń sk i, Thornische

D e n k w ü rd ig k eiten , W orinnen D ie im Jahr Christi M D C C X X IV . Und vorhergehenden Z eiten verunglückte S T A D T T H O R N Im K önigl. P ohlnischen H e rtzo g th u m Preußen, Von einer unpartheyischen Feder gründlich vorgestellet wird. Und als ein Z u s a tz und m ehrere Ausführung des betrübten Thorns dienen kan. W elchem noch der gantze Olivische Frieden beygefüget, Berlin,

bey A m brosius H a u d e, 1726.

59 A no n ym , Vorwort, [in:] Endlicher Vortrag/W om it der Vorsprecher der Jesuiten von

Thoren Vor dem Königlichen Hohen Assesorial-Gericht zu W arschau Im N am en seiner M it- B rüder D ie erhobene Peinliche A n klage W ider sie Thorner beschlossen, A u s dem Polnischen

ged ru ck ten O riginal treulich übersetzt, W arsch au 1724, o. S.

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„P olnische P atrio ten ?” Einige A n m erkungen zum frü h en Polenbild 91

schon am Beispiel der D eb atte von Joh an n es Sachs m it H erm an n C on- ring aufgezeigte E inbeziehung reichspublizistischen61 deutschen bzw. euro­ päischen G edankengutes62 in die A useinandersetzung m it dem polnischen S taat und seinen V ertretern. D ie Zw änge, unter denen dabei bestim m te Ä uß eru n g en als interessengeleitet und m it Blick a u f die biografischen Zusam m enhänge in gewisser W eise als „ k o n ju n k tu rab h än g ig ” verstanden w erden m üssen, h at W łodzim ierz Z ientara am Beispiel des bedeutenden frü h au fk lärerisch en D an zig er H isto rik ers G o ttfried L engnich 1995 wie folgt beschrieben:

D iese F ra g e ist viel ko m p lizierter und eine A n tw o rt d a ra u f w ird wohl letzten Endes n ich t als selbstverständlich erscheinen. Lengnich m u ß im m er im g rößeren Z u sam m en h an g gesehen werden: zu n äch st als ein ju n g er A bsolvent d er H allischen U n iv ersität, d a n n Lengnich in D anzig, d e r einen M äzen sucht und fin d et (A. R osenberg), d a n n als P rofessor a m D anziger G y m nasium u n d sp ä te r als S ladtsyndikus, d er im m er m ehr vo m S ta d tra t ab h än g ig ist, und schließlich als U n te rta n der K ö nige von Polen, und zw ar als loyaler U n te rta n , d er fü r gute (auch persönliche) Beziehungen zu den H errsch ern sorgt, n ich t n u r im eigenen Interesse, sondern au ch im Interesse der Stadt, d enn d arin sah er das G edeihen u n d die Z u k u n ft D an zig s63.

Z u zeigen ist daher m it Blick a u f den ersten der oben erw ähnten Them enkreise, wie sich im Zuge des zunächst n u r als G laubensdifferenz begriffenen und form ulierten W iderstands protestantischer Bürger gegen Ü bergriffe eines katholischen A dels (im Z usam m enhang m it dem V erlust alter Privilegien und Freiheiten) das überkom m ene, regional und lokal bornierte städtebürgerliche Standesbewusstsein allm ählich in ein neuzeitliches, Tendenzen des N ationalen aufnehmendes bürgerliches Bewusstsein verwandelte. E ntsprechende Indizien finden sich vor allem in d er D eb atte ü ber die V or- und N achteile verschiedener Staatsform en. Die beiden Pole, um die dieser nun nachholende M odernisierungsdiskurs kreiste, charakterisierte ein anonym bzw. unter dem Pseudonym (?) Friedlieb W arm u n d 64 an die Ö ffentlichkeit getretener A u to r 1735 folgenderm aßen:

61 Vgl. d a z u u.a.: H . O rłowski, Pufendorfs Polenbild und die reichspublizistische Option, „ S tu d ia G e rm an ica P o sn an ien sia” X X IV , a.a.O ., S. 13 ff.

62 N eben Sam uel P u fe n d o rf werden vo r allem H u g o G ro tiu s, J o h n L ocke u n d B aruch S pinoza des ö fte re n ziüert.

63 W . Z ie n ta ra, G o ttfried Lengnich. Ein Danziger H istoriker in der Z e it der A ufklärung, Teil 1, W ydaw nictw o U niw ersytetu M ik o ła ja K o p e rn ik a , T o ru ń 1995, S. 10.

64 Stilistische Ü bereinstim m ungen sowie die G leichheit ganzer Textpassagen weisen W arm und, der als V erfasser d er Schrift „D a s vollständige J O U R N A L , was von, IN und n a c h der Belagerung d er S ta d t D A N T Z IG , W ie au ch in d e n Rußischen T R A N C H É E N m erckw ürdiges vorgegangen ist. E n lw orffen von Friedlieb W arm u n d . A n n o 1735” a u ftra t, au ch als Verfasser des D ru ckes „ D a s im N o rd e n aufs neue angegangene K riegs-Feuer, W elches bey d er F reien S tad t D a n tz ig in volle Flam m e gerath en ist, Als solches bey dem g u t angefangenen I N T E R ­ R E G N O sich a n d e r G ren ze gezeiget, N a c h vo llb rach ter erster W ahl a b er um sich gegriffen hat, W arsch au 1735 aus.

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I s l n u n d ieser S atz w ah r, d a ß die Frey h eit dasselbe sey, so die Seele glücklich m achet, so ist es a u c h w ahrlich das freye Leben, so allhie den M enschen irdischer W eise erfreuen kan, u n d h alte ich d a v o r, d a ß ich nich t unrech t thue, w enn ich fo rtfa h re u n d sage, d a ß ein M ensch hie a u f d er W ell d er Glückseligste sey, welcher in d er Frey h eit oder in einem freyen S ta at lebet. Bey diesem Thesi aber weiß ich gewiß, d a ß es viele geben w ird, so h ierin n en m ir

contradicieren, und rationes politicas anfü h ren w erden, nehm lich, d a ß eine M onarchie weit p rofitabler u n d besser vor ein L and sey, als eine Aristocratie oder freye Republique; zum ahlen

d a v o n vielen Ja h re n h er schon pro und contra d a v o n ist geschrieben w o rd e n 65.

N eben der T atsache, dass diese Fragestellung also bereits vor 1735 „viele" A u to ren interessierte, die W arm und offensichtlich rezipiert h at, zeigt die Betonung der P rofitorientierung wie sehr die D iskussion seit Johannes Sachs fortgeschritten ist. D arüber hinaus wird deutlich, dass die pro-polnische, m it dem Freiheitsbegriff argum entierende fla ltu n g W arm unds je tz t offen­ sichtlich schon von einer Reihe von A utoren aus m erkantilistischen E rw ä­ gungen heraus in F rage gestellt wurde. D ie unübersehbaren, eine neue staatsrech tlich e O rientierung im plizierenden Interessen d er bürgerlichen K lasse folgten d araus, dass der staatszentrierte A bsolutism us in einem viel höheren M aße als die politisch, juristisch und w irtschaftlich kaum d u rch ­ stru k tu rie rte A delsrepublik im bürgerlichen Sinne zu funktionalisieren war. D er in stitutionelle Z u sam m enhang m erkantilistischer Ü berlegungen m it einer Fixierung a u f zentrale Staatsw irtschaft liegt dabei - wie Iris K ünzel 1991 m it Blick a u f die T heorien des schlesischen Philosophen Ehrenfried von T schirnhaus ausführte - a u f der H and: „D ie in ihm , dem A bsolutism us, verkörperte N a tio n alsta atsd ik tatu r brach die lokalen, ständisch-feudalen W irtschaftsordnungen” 66. V on dah er wird die Tendenz eines U m denkungs- prozesses verständlich, d er auch die w estpreußische B ürgerschaft (nach M a ß g ab e ihrer verm utlichen T eilhabe an den V orteilen einer politisch­ ökonom ischen N euorientierung) im m er m ehr vom polnischen S taat und seiner ökonom ischen Im potenz entfernte.

A us der spezifischen Situation lang anhaltender G laubensstreitigkeiten ergaben sich nun auch im Z usam m enhang m it dem zweiten der oben erw ähnten Them enkreise neue innere D ifferenzierungen d er religiösen D is­ kussion: Z u n äch st dom inierte die (m it Blick a u f das hier zu behandelnde T hem a ergiebigere) A useinandersetzung m it dem K atholizism us, die sich angesichts der Schlagworte „T oleranz” und „V ern u n ft” jed o ch schon bald zu einem Streit um orthodoxe Lehrinhalte d er L u th e ran er w andelte. So klagte Jo h a n n D aniel Rickebusch 1737 darü b er, dass ihn d er polnische D iak o n an d er St. Johannis-K irche in D anzig (Paul Swietlicki) öffentlich

65 E b en d a, o. S.

66 I. K ünzel, Ehrenfried von Tschirnhaus‘ philosophische Theorie, [in:] Frühaufklärung in

Deutschland un d Polen, hrsg. von K . Bal, S. W ollgasl, und P. Schellenberger, A kadem ie-V erl.,

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„P olnische P atrio te n ? ” Einige A n m erk u n g en zum frü h e n Polenbild 9 3

einen „O rth o d o x en ” und dam it „eben so viel als ein rasender M en sch ” 67 n ennen d u rfte. S ta tt diesen, sich a u f Spinoza und Locke berufenden „A theisten” 68 aus der S tad t zu entfernen, habe der D anziger R a t jedoch ihn, Rickebusch, der „weltlichen Inqvisition preiß(ge)geben” 65. A u ch die um 1737 herum schon sprichw örtliche Gleichsetzung von polnisch m it katholisch h atte, allerdings in einem etw as anderen Sinne, etwas m it „In q u isitio n ” zu tun. D ie seit 1724 im m er häufiger auftauchenden W ertungen wie „ b o sh a ft” 70, „scheinheilig” bzw. „bestechlich” 71, „schm eichlerisch” 72, „ tre u lo s” und „feige” 73 etc. zielten näm lich anfangs m eh r a u f das Jesuitisch-K atholische als a u f das schlechterdings Polnische. D ennoch führte dies in sum m a zu einem K a ta lo g abw ertender E pitheta, die zwischen 1724 und 1737 (und später) in d er T a t wie Stilfiguren eine zunehm end negative C harakteristik des Polen ergaben. Inwieweit hier allerdings auch der adlige Pole gem eint w ar, das zeigen Bew ertungen wie „unhöflich” bzw. „ u n d a n k b a r” 74, sowie „stolz” 75, „eigennützig” , „insolent” und „u n g ezäh m t” 76. So k o m m t im

67 J. D . R ickebusch, Der heiligen Sch rift Baccalaurei und zu S t. Jacob in D anzig gewesenen

Predigers, H istorische und Apologetische Anm erkungen... nebst einigen zu r Erläuterung der Swietlickischen Streitigkeiten gehörigen Beylagen, S tockholm 1737, S. 10.

68 E b end a, S. 41. » E b end a, S. 29.

70 Z u m Beispiel b eschuldigte d er an onym e H erau sg eber der bereits zilierlen A n k lag esch rift gegen d ie, T h o rn e r B ürger die Jesuiten, den N am en Jesu n u r zum „D eckel ih rer B osheit” (.Endlicher Vortrag..., a.a.O ., o. S. /V o rb erich t) zu führen.

71 „Schw eret d o ch wohl ein Pohle vor 1 T y m f f Gratial, w aru m b sollen die N o n n en nicht vor 1000. Fl. schw eren” , D . E. Jab ło ń sk i, Thornische D en k w ü rd ig k eiten ..., S. 8.

72 „D ie H erren Jesuiten..., glaubten d u rch ihre Schm eichelnde A rt und polnische E rgebenheit sich in R u ß la n d Silz und K lo ste r zu erw erben... D e r C atholische G lau b e m u ß viel scheinbares in sich h a b e n ” , ano n y m [J. D . Seyler?], K urzer Auszug A lle r und N euer Pohlnisch-Preußischer

Kriegs-Geschichte A ls ein Anderer Theil D er Accuraten N achricht von der Russisch Sächsischen Belagerung der S ta d t D A N T Z IG ; V on unparth ey isch er F ed er entw orffen, C oin, bey H a n s Paul

M erian, 1738, S. 404f.

73 Sogar bei d er V erteidigung ihres K ö n ig s h ätten „20 F a h n e n treu lo ser Polen sogleich bey dem ersten AngrifT d a s G ew ehr g estreck t” , J. D . Seyler, Leben Stanislai I. Königs von

Pohlen m it N öthigen Anm erckungen, Urkunden und M ü nzen erläutert von S.*** Welchem das Leben des Cardinals M ichael Radziejow ski beygefüget worden, Sto ck h o lm 1737, S. 90.

74 „ E s gieng etw as langsam m it zu, deswegen w aren sie die u n h ö flichsten M enschen von der W elt... Sie ü b ergaben... zugleich 7 m etallene Stücke, [die] er a b er n och als ein u n d a n c k b are r Pohle schuldig ist” , an o n y m (J. P. Schultz?), Thornische Begebenheiten, W elche Z u gleicher

Z e it D er D A N T Z I G E R Belagerung 1733. und 1734. Sich merk-würdigst zugetragen. Von unpartheyischer fe d e r entw orffen, C oin bey H ans Paul M erian , 1737, S. 746.

75 Vgl. u .a. fü r wie u n b erechtig t Seyler die im m er wieder „stolze A n tw o rt” (G. D . Seyler,

Leben und Thaten Friedrich W ilhelm s des Grossen..., F ra n ck fu rt und Leipzig, Zu finden bey

G eo rg M arcu s K nochen , B uchhändl. In D an lzig , o .J., S. 43) d er unterlegenen Polen in K riegs-Zeiten hielt.

76 Polen h a b e d em nach eine „auflf obige M a xim e [Confusio est anim a libertatis - F. S.] gegründete, und den eigennützigen und insolenten Adel zu A u sü b u n g seiner u n g ezähm ten

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Ja h re 1737 ein anonym er A u to r (Jerzy D aniel Seyler?)77 zu dem Schluss, Polen seien „U n-C hristen” :

So gering ein D eu tsch er sonst die Pohlen a ch tet, so g ro ß w erde doch a u f einm ahl die F u rc h t, indem diesen Bew ohnern sch o n b ek a n n t w ar, w as eine M en g e solcher U n -C h risten th u n k a n n ... D a s G eschrey von d enen T yran n isch en Pohlen setzte au ch die R ussen in dieser S ta d t [T h o rn - F . S.] in Bew egung78.

D ie Bezeichnung „tyrannische P olen” deutet darü b er hinaus den schon m ehrfach angedeuteten W andel in der Bewertung der ehem als geschätzten „ F reih eit” an. Z w ar h atte schon Johannes Sachs um die gelegentliche Z errü ttu n g des polnischen Staatsw esens gewusst, seit 1724 m ussten die „polnischen P atrio ten ” allerdings eine „M u ta tio n in P olen” feststellen und - wie Samuel F riedrich L auterbach - die prophetischen Besorgnisse auch polnischer A ufklärer über die staatliche U n o rd n u n g 75 und zunehm ende U nregierbarkeit des Landes E rn st nehmen:

Respublica Polona in disordine vivit, in disordine etiam peribit. D ie P o lnische R espublic

lebet in U n o rd n u n g , in U n o rd n u n g w ird sie untergehen. D em fürtrefilich en Bischoffe Z ałuski schw anete au ch w ohl zuweilen von einer besorglichen M u ta tio n in Polen, ob n ic h t einmahJ n o ch das alte W eissagungs-W ort m öchte erfüllet w erden:... U n d setzet n o c h diese W o rte dazu: Vidisti, H u n g ariam , n osti B ohem iam , cave tibi Polonia. D u h a st gesehen, wie es U ngern ergangen, d u kennest B öhm en, n u n so hüte dich P o len 80.

So wenig anfangs die sich langsam verfestigenden stereotypen Vorstellungen vom H erre n bzw. vom N a c h b a rn bei d er v o n O rłow ski ak zen tu ierten „ ‘E rfindung’ der deutschen N atio n ” 81 eine Rolle spielten, so unabw eisbar führte die dann im Zusam m enhang mit A utonom iebestrebungen von Hartwich, Zernecke, Lengnich u.a. vorgenom m ene Sichtung von Quellen zu r S tadt- und R egionalgeschichte zum D eutschen O rden und verwies das N achdenken dam it im m er m eh r a u f Preußen (Borussia). D ie regionale G eschichte w urde zum glaubhaften Zeugen, „weil sie fast ganz aus dem D anziger A rchiv, und aus solchen U rk u n d en genom m en ist, die m an sonsten nicht besitzet” .

N eigung leitende R egim ents-V erfassung” , an o n y m , Das sich schliessende Polnische Kriegs-

T H E A T R U M vorstellend D ie den so sehnlich gewünschten Frieden publicierende Königl. Residenz- S ta d t nebst ändern dazu dienlichen Kupffern, F ra n ck fü rt und Leipzig, A n n o 1718, S. 1.

77 Vgl. K a ta lo g d er Zielinski-B ibliothek in d er Tow arzystw o N au k o w e Płockie. 78 A n o n y m , [J. P. Schultz?] Thornische Begebenheiten, W elche Z u gleicher Z e it D er D A N T Z IG E R B elagerung..., a.a.O ., S. 752.

70 Zu d em en tsp rechenden W o rtfeld „Polnische U n o rd n u n g ” vgl. H . O rłow ski, Polnische

W irtschaft. Z u m deutschen Polendiskurs der Neuzeit, W iesbaden 1996, S. 6ff.

80 S. F . L au terb ach , Polhnische Chronicke..., S. 794.

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„P olnische P atrio ten ?” Einige A nm erk u n g en zum frühen P olenbild 9 5

(L engnich)82 D ie im plizite A bw endung von der polnischen H ofgeschichts­ schreibung rückte zwangsläufig die traditionellen wirtschaftlichen, kulturellen, religiösen und nicht zuletzt sprachlichen G em einsam keiten W estpreußens m it dem benachbarten O stpreußen ins Blickfeld, w om it das d o rt regierende H errscherhaus bald zu einem K ristallisationspunkt des N achdenkens w urde, an dem sich die G eister schieden. G anz m oderne bürgerlich- aufklärerische F o rd eru n g en z.B. nach „R echtssicherheit” 83 und T ugenden wie „T reu e” 84 galten plötzlich als „g u t alt D eutsch” 85 und w urden - m it den O rdens­ trad itio n en verbunden - den polnischen V erhältnissen gegenübergestellt. A us dieser k o n trastierenden Perspektive kam es ü ber den selbstverständlich auch angestellten Vergleich m eh r und m eh r zu pro-preußischen H altungen, wie sie u.a. der englische Reisende Joseph M arshall um 1770 im H au se des w o h lh ab en d en D an zig er K au fm an n s P ra tsk y b eo b ach tete, dessen F ra u „o h n e A u fh ö ren ” von Staatsdingen sprach und eine „strenge V erfechterin des K önigs von P reußen [war]” 86.

D as schloss, wie die bald sprichw örtliche Redew endung von d er „p o l­ nischen W irtschaft” beweist, eine besonders nach der Ja h rh u n d ertm itte sich verstärkt vollziehende V orurteilsbildung ein. D a diese sich ganz offensichtlich (und das gilt nun zunehm end auch für breitere Kreise aus ganz D eutschland)87 a u f autoptische E rfahrungen gründete, folgt d araus, dass es k ünftig kaum m eh r weiter fü h rt, bei einer bloß negativen C harakterisierung zum indest des frühen deutschen Polenbildes stehen zu bleiben. E her w äre m it H ans-G eorg G ad am er nachzufragen, ob vergangene Zeiten wirklich verstanden w erden

82 G . L engnich, Polnische Geschichte. Von Den Z eiten L E C H I B is A u f das Ahsterben

Königs A U G U S T I IL , Glorwürdigsten Andenckens, Leipzig bey J a co b Schuster, A n n o 1741,

o. S. (Vorrede).

83 „ Z u d em E n d e fü h ren w ir erstlich m it R u h m an, den h o c h = löblichen H o h e-M eisler, H e rrn H einrich von K n ip ro d e, der A n n o 1352 gelebel, u n d zu M arie n b u rg vo r d a s L a n d -u n d Sladt-V olck ein Consistorium gestiftet, d a rin n e r er w o l-erfahm e und in den R ech ten , als auch an d eren W issenschaften gelehrte Leute gesetzel, welche die L aster- und T u g e n d -H ä n d e l h aben un terscheiden und rich ten m üssen, u n d d a m it niem an d en U n re c h t w iederfahren m ö ch te, h a t er geo rd n et, d a ß K läg er u n d B eklagte ihr R echt grü n d en sollen, entw eder in n a tü rlic h e r Billigkeit, oder in A n fü h ru n g g uter Gesetze, oder in gewissen G esch ich ten ” , A. H artw ig , Hrn.

Abraham Hartwichs... Geographisch-Historische Landes-Beschreibung..., S. 520.

84 „D a b e y a b er dieses ihr zum ewigen R u h m verbleibet, d a ß sie [die S ta d t D an zig - F . S.] ih rem K ö nige allem ahl treu gewesen...” , an o n y m , Das im Norden aufs neue angegangene Kriegs = Feuer W elches bey der Freyen S ta d t D a ntzig in volle Flamm e gerathen ist..., W arsch au 1735, o . S.

85 E benda.

86 J. M a rs h a ll, Joseph M a rsh a ll's Esq. Reisen durch H olland, Flandern, D eutschland,

D änem ark, Schweden, Rußland, Pohlen u n d Preußen in den Jahren 1768, 1769 und 1770...,

D ritte r B and, D an zig bey D an iel Ludw ig W edel 1775, S. 275.

87 Vgl. dazu die große Z ahl von R eisebeschreibungen im 18. Ja h rh u n d e rt, nachzulesen u .a. bei: G . K ozielek, D eutsche Reiseberichte über das Polen Stanislaus August Poniatow skis, [in:] Europäische Reisen im Z eita lter der Aufklärung, W inter-V erl., H eidelberg 1992.

(19)

können, wenn m an „das G anze seiner eigenen G eschichtlichkeit a u f die Seite der V orurteile schiebt, von denen m an frei w erden m u ß ” 88. S tatt dessen sollte deutlicher unterschieden w erden zwischen dem am Berliner H o f und d an n im K önigreich Preußen aufgrund von M achtam bitionen kultivierten Feindbild, dem alle A ttribute eines andere V ölker diskrim inieren­ den und herabw ürdigenden Stereotyps zukom m en89, und dem wesentlich vom Zerfall der A delsrepublik als einer feudalen E inrichtung geprägten Frem dbild, das gerade in d er A bgrenzung zur m eh r oder weniger idealen Projektionsfläche fü r die K o n tu rieru n g eines bürgerlich-aufgeklärten Selb­ stbildes w ird. D as beschriebene frühe Polenbild in W estpreußen ist so gesehen weit entfernt von einer bloß „verbalen A ntithese” , die nicht m it den D ingen selbst um geht, sondern nur noch m it den „N am en d er D inge, d.h., m it Vorstellungen, In terpretationen, Projektionen von W irklichkeit, aus denen sie sich selbst längst verflüchtigt h a t” . (Blaicher)90 D as trifft d an n eher fü r eine spätere Zeit zu, in der sich die E m anzipation des Bürgertum s, begriffen als „L oslösung aus d er traditionellen W elt” (U lrich im H o f)91 längst vollzogen hatte.

Frank Steffen

„ P O L S C Y P A T R IO C I? ”

KILK A U W A G D O W C Z E S N E G O W IZ E R U N K U P O L S K I W P R U S A C H Z A C H O D N IC H O K O Ł O R O K U 1700

Poniższa p ra c a odnosi się głów nie d o tezy H u b e rta O rłow skiego, w edług k tó re j „n iem iecka dy sk u sja o Polsce m ia ła legitymujące, nie d o pom inięcia znaczenie d la wynalezienia niem ieckiego n a ro d u ” . W obec ro zm iarów i ro zd ro b n ien ia społeczno-w yznaniow ego R zeszy Niem ieckiej ok. 1700 r. tem at ten ograniczony je s t d o Pru s Z acho d n ich i głów nego p ro b le m u (teo ria państw ow ości, reJigia, h isto ria) deb a ty o przyczynach fu n k cjo n o w an ia pow stałeg o ob razu

88 H .-G . G ad am er, W ahrheit und M ethode: Grundzüge einer philosophischen H erm eneutik, 4. A ufl., T ü b ingen 1975, S. 266.

89 So schrieb u .a. L udw ig von B aczko 1793 ü b e r d a s V erhalten d er Polen im K rieg m it dem O rden: „R a u b g ier vereinigte sie. W ie je d e r W ilde n u r m it Sinn fü r die G eg en w art, v ergaßen sie d er R ache und des M u th s ih rer Feinde, zerstreueten sich ü berall, b ran n te n und p lü n d erten ; und w o sie d ie O b erh and auch n u r a u f wenige A ugenblicke erhielten, d a w ülhelen sie, wie jed er K nechtische u n d Feige, d e r, w enn er sich einm al in u n gew o h n ter Frey h eil b efin d et, seiner U n g ezäh m th eit u n d G ra u sa m k e it keine G rä n z e n zu setzen w eiß” , v. L. Baczko,

Geschichte Preußens. Z w eyter Band. K ö n igsberg 1793. bey G o ttlie b L eberecht H a rtu n g , S. 87.

90 G . Blaicher, Einleitung des Herausgebers, [in:] Erstarrtes D enken..., S. 21.

91 Im U. H of, D as Europa der Aufklärung, 2. durchges. A u fl., Beck-Verl., M ü n c h en 1995, 5. 205.

(20)

„P olnische P atrio te n ? ” Einige A nm erk u n g en zum frü h en Polenbild 9 7

Polski. K o n c e n tra c ja n a P ru sach Z ach o d n ich w y nika z m o d aln eg o ch a ra k teru , ja k i m usiał m ieć „ p ro b le m P o lsk i” ja k o odzw ierciedlenie p ro ce só w tw o rze n ia się g ran ic n a d a n y m obszarze, k tó re g o niem iecki rejon k u ltu ra ln y m iał p o lsk ą p rzynależność pań stw o w ą.

Przed staw ia się tu spo só b , w jak i no w a, w dyskusyjnych ram a c h eu ropejskiego wczesnego O św iecenia p o w stająca św iadom ość w nosiła sto p n io w y o d w ró t o d ro zp ad ającej się polskiej R ep u b lik i Szlacheckiej, a tym sam ym konieczność poszu k iw an ia nowej w ładzy ochronnej. W ynikała z tego p ew na o p cja n aro d o w a , k tó ra następ n ie zm ieniła regionalnie o b raz Polski. T a trafn ie p o d k reśla n a przez O rłow skiego k o n cep tu alizacja o b razu Polski służyła d o p rze ­ k ształcenia stan o w o uform ow anej boruskiej św iadom ości regionalnej w n o w o ży tn ą (pozytyw nie lub negatyw nie) sk u p io n ą n a P ru sach św iadom ość p aństw ow ą.

P u n k te m w yjścia pon iższy ch ro zw a ż ań je s t sp ó r o to , czy fo rm a p a ń s tw a po lsk iej R ep u b lik i Szlacheckiej w d ru g iej po ło w ie X V II w. m o g ła jeszcze by ć w y sta rc z a ją c ą d la ekonom icznych i p olitycznych p o trz e b m ieszczaństw a.

R o z w aż a n ia te w skazują z a ró w n o z obcej ja k też z własnej perspektyw y n a ten w tam tym okresie z m ieszczańskiego p u n k tu w idzenia m ało atrak cy jn y o b ra z Polski. O bcy znaczy tu je d n a k nie tyle trochę specyficzny „p o lsk i” , ile nie d o zaak cep to w an ia j a k o p atrio ty czn y i n iero z sąd n y ek on o m iczn ie d la m ieszczan in a sp o só b p o stę p o w an ia p o lsk ie g o szlachcica. W tym że sensie in fo rm u je zre k o n stru o w a n a tu d e b a ta o wczesnym m ieszczańskim (nie zabarw ionym jeszcze n a ro d o w o ) obrazie Polski.

P rzed staw ia o n a jednocześnie, w ja k wielkim sto p n iu k o n stru o w a n y był p o r tr e t własny m ieszczań stw a w k u ltu ra ln ie n iem iec k o u k sz ta łto w a n y c h m ia s ta c h P o lsk i, w e d łu g e to su pro testan ck ieg o w przeciw ieństw ie d o katolickiej szlachty polskiej.

R ozw ijający się z tego p ó źn y p ruski o b raz Polski jest następ n ie p o d ejm o w an y ja k o k om pleks dalej działających i um acniających się uprzedzeń, k tó re p o w sta ją n a p o c z ątk u X V III w. i o d dzielają się stopniow o od ich praw dziw ych kulis.

J a k o stereo ty p m a to więc swoje korzenie w przeciw ieństw ie m ieszczańsko-boruskich i polskich, skierow anych n a konstelacje w ładzy w R epublice Szlacheckiej in teresów i poczynań. T eza ta u w idacznia też, że nie chodziło tylko o opis stereotypow ej s tru k tu ry dziś ro zp rz e ­ strzenionych opinii o Polsce. D u ż o większe zainteresow anie skierow ane zo stało n a „ziarenk o praw d y ” , k tó re, z historycznego p u n k tu w idzenia, zaw arte je s t w k ażdym stereotypie.

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