A C T A U N I V E R S I T A T I S L O D Z I E N S I S
FOLIA LITTER ARIA U , 1984
Karol Koczy
DIE WELT EINER FRAU
Über den einzigen vollendeten Roman Ingeborg Bachmanns Malina (1971) w urde schon 'ziemlich viel geschrieben, meistens (positiv, wobei mam sogar solche Formulierungen gebrauchte, wie „Ein rätselhafter, ein sehr schöner Liebesroman"1, oder: „Ein schönes, esotorisches, p o eti-sches Bucth über die unendlichen Möglichkeiten der Seele, ein Zeugnis für die O bdachlosigkeit des Gefühls, selbst in der Liebe"2. Nicht selten w urde er als „unzeitgemäß", „märchenhaft", „elitär" u.dgLm. bezeichnet, wovon nicht alles stimmt. Denn rätselhaft, unzeitgemäß oder märchen-haft scheint dieses Buch der Ö sterreicherin überhaupt nicht izu sein —• alles w urde ziemlich M ar von der Autorin angegeben: Datum, OTt, Personen, sogar Träume sind lesbar. Auch solche Epitheta, wie schön, esoterisch, poetisch bzw. elitär sind ohne entsprechende Belege ange-führt worden, was — meines Erachtens — besser zu Bachmann als der Lyrikerin und H örspielautorin passen w ürde, da sie in diesen G attun-gen ihr hohes künstlerisches Können bestätigte. Dageattun-gen ist es frag-lich, ob Malina eine der 'bleibenden und tragenden „Säulen im Gebäude" nicht nur der deutschsprachigen Literatur oder zumindest des Bach-mannschen Schaffens gehören wird.
In diesem Zweifel bestätigen mich die Meinungen anderer K ritiker und Germanisten. So schreibt Paul K runtorad: „In einem Roman wie »Malina « w ird eine M enge von Beobachtungen und Erlebnissen ange- boten. M angels einer festen Struktur verbleiben sie meistens, für den Leser, auf Stufe 'kaum nachvollziehbarer persönlicher Trivia. Die resu l-tierende Desorganisation des Lesers, weil sie direkt d er ästhetischen Desorganisation der angebotenen Struktur entspricht, erscheint aber
1 K. T a n k , N a ch w ort, [in:] I. B a c h m a n n , M alina, Fran k fu rt am M ain 1971. * „A b end zeitun g” (M ünchen) 1971. Es ist erstau n lich , w ie v iele R ezensionen d ieser Roman in v ersch ied en en Z eitu ng en hatte; in Polen z.B. in „N ow e K siążki” , „O d ra”, „K u ltura”, „Po glądy" u.a.
nicht als intendiert; sie ist daher eiin o bjektives ästhetisches M anko"3. Nach ein er aufschlußreichen D arstellung des W erkes und sein er Posi-tiva stellte dagegen M aria Krysztofiak fest: „Natom iast w dalszych, bardziej rozw ichrzonych partiach książki, a zwłaszcza w kw estiach
do-tyczących M aliny i n arratorki, dom inują retoryczne dialogi, senne kosz-mary, tu objaw ia się auŁorka-intelektualistka, zajmująca się w młodoś-ci H eideggerem i W ittgensteinem . [...] Powieść nie posiada jedn oro d-nej linii fabulard-nej, składa się z, rozdziałów, w których narrato rk a re-jestruje ulotne chwile z całego swego życia [...]
Zurückhaltend äuß ert sich auch N orbert Honsza, der folgender M ei-nung ist: „[...] ersch ien 1971 ihr ehrgeiziger und ziiemlich problem a-tischer Roman Malina, in dem w ir m erkw ürdige G eneralisierungen fin-den. Die A utorin erzählt eine K rankheitsgeschichte, doch dieses Psycho-gramm ist wenig interessant, w eil es in Literatur um stilisiert wird. Der Sinn des letzten Satzes: »Es w ar Mord« (bedeutet — so sieht es auch H eißenbüttel —, daß die soziale R ealität des 20. Jahrh u n derts als das Falsche ersch ein t”*.
Noch neg ativer ist M arcel ReicłbRanioki g egenüber diesem Roman eingestellt, indem e r sich so äußert: „V erheim licht wurde, d aß die b ei-den Prosabücher, die Ingeborg Bachmann nach zehnjährigem Schweigen publiziert hatte — d e r dunkle und w irre Roman Malina (1971) und der mondäre und aparte Erzählungsband Sim ultan (1972) — Bücher des Zusammenbruchs und der K apitulation w aren. Sie zeugen vom A bstieg und Verfall einer großen Lyrikerin"®.
In diesem Zusammenhang scheinen d ie oben zitierten Komplimente fragw ürdig. Diese M einungs— und A uffassungsunterschiede d es Romans von Bachmann fallen, w as das A utobiographische betrifft, da sich hier die A utorin völlig enthü llt und mit der Ich-Erzählerin viel Gemeinsames aufweist. Eine Lebensstation der Schrifstellerin ist hier ganz deutlich zu erkennen: Die Heldin und d ie A utorin sind in K lagenfurt geboren, sie interessieren sich für Literatur und Philosophie, in der letzten Disziplin schreiben sie ihre D oktorarbeiten. Auch .Selbsttäuschung und Resignation — w ie e s scheint — sind autobiographische Motive, jeden-falls haben w ir mit einer starken Färbung der Selbstbekenntnis zu tun.
3 P. K r u n t o r a d , Ingeb org B achm ann. Sprache und E xisten z, [in:] K ind lers L itera tu rg esch ich te der G egen w art, M ü n ch en 1976, S. 222.
4 M. K r y s z t o f i a k , M alina, „N u rt" 1975, N r. 7.
5 N. H o n s z a , Zur litera risch en S itu atio n nach 1945 in der BRD, in Ö sterreich u n d in der S ch w eiz, W ro claw 1974, S. 221 f. Es ist jed o ch frag lich , ob die A u to rin h ier „ein e K ra n k h e itsg esch ic h te" erzäh lt, wie es d er K ritik er b eh au p tet.
6 M. R e i c h - R a n i c k i , Die V erk lä r u n g der Ingebo rg Bachmann, „F ran k -fu rter A b en d zeitu n g " vom 28.10.1974. Vgl. dazu: A. P r a e s e n t , M ed ita tio n en ü b er ein M en schen o p fer, „Der Spiegel" 1960, N r. 35, S. 154.
Das autobiographische Sprechen tritt stets in den Vordergrund. Sicher ist der Versuch einer Penetration des eigenen Ichs artistisch 'darzustel-len mißlungen, obwohl sich die A utorin nicht nur des inneren Monologs bedient, sondern eine Grenzverschiebung zwischen Erzählerin und erzählter Figur u d gl. vollzieht. In Form einer Autobiographie, obwohl stark verkleidet, ist dieser Roman hauptsächlich die Geschichte einer Frau, einer em anzipierten Frau in der heutigen W elt, eine Geschichte über ihre Lebensmißerfolge und Enttäuschungen (ungewöhnlich selten von Erfolgen und Errungenschaften!), die jedoch menschliche Tragik,
Erhabenheit und Sehnusucht mit sich verschmeltz. Zwar distanziert sich die Erzählerin oftmals vom A utobiographischen, zeigt ihr Einstehen für ein selbstbestimmtes Leben, ein Leben zwischen zwei Männern, das — letzten Endes — zum tragischen Finale führt. Ein dram atischer Lebens-lauf einer Künstlerin.
V ereinfacht könnte m an sagen, daß das W erk nichts N eues bringt, daß es eine typische Beschreibung eines typischen Dreiecks ist. Bach-mann geht nicht weit über die Darstellung einer einfachen G eschichte einer Frau (der Erzählerin) zwischen zwei M ännern (ihrem Lebensge-fährten Malina und dem Geliebten Ivan). Die Heldin befindet sich im existentiellen Sein und einer unw ahrscheinlichen Frustration, des g
ewöhnlichen Alltags (obwohl sie keine gewöhnliche Frau ist), einer to -talen Einsamkeit, wobei schon ein Telefonanruf Ivans sie ganz „aus dem Häuschen" bringt.
Es wäre schwer zu sagen, daß diese Prosa eine A rt V irtuoserie im stilistischen bzw. komposiitionellen Sinne sei, w enn auch nur aus folgen-den Grünfolgen-den: ausschließlich persönliche Kontastationen bei völliger Beschränkung der Handlung, das Fehlen an intellektuellem Enthusias-mus (obwohl hier hervorragende Namen von Philosophen und Schrift-stellern erscheinen), Anwendung m oderner Prosa te chmiken (Kuraprosa, Fragmente von Gedichten, musikalische Terminologie, Traum— und Handlungsort, —zeit und —personen w erden nach den Prinzipien eines Dramas angebracht), w as nichts besonderes wäre, w enn wir gegen die Beherrschung dieser Techniken in der D arstellungsw eise nichts einzu-wenden hätten.
Der Roman bringt Stereotypen von M ann und Frau. Die psychosexuel- le Anlage dieser Frau wird zwar von den beiden M ännern anerkannt, dennoch nicht befriedigt. Ihre volle Entfaltung als Individuum w eckt bei ihnen eher Zurückhaltung hervor, als Verständnis. Es bedeutet nicht, daß die M änner unmenschlich sind, und die Frau uneigennützig und edel. Es scheint eher, daß die Ich-Erzählerin in ihrer Liebe sehr
erobe-rungssüchtig ist, die M änner dagegen an erster Stelle ihre A rbeit p lacie-ren, an w eiterer erst die Frau, — die Liebe. So hat es das Weibliche
ganz schwer: die G renzsituation, in die diese Prau gerät, bildet eine A rt U nterdrückung der w eiblichen Sexualität durch die M ännerw elt. Zwar beklagt Bachmann hier nicht das Elend der Frau im Patriarchat — wie d as z.B. Gerd Brantenberg in Die Töchter Egalias tu t — und auch nicht das m ännerrechtliche Sozialsystem7, doch ist Lage d i e s e r Frau nicht 7u beneiden: der Überfluß an Liebe g ew innt bei d e n M ännern nicht zu viel Aufmerksamkeit. Und das ist ihre Tragik.
Eindrucksvoll ist dagegen die Enthüllung der Frauenseele und -kampfes um ihr Glück. Und hier kommen w ir zu den w ertvollsten Seiten des Buches, in denen ganz deutlich zum V orschein kommt, daß trotz der Emanzipation, des hohen gesellschaftlichen Status u nd guten Existenzbedingungen weder der Beiruf noch der persönliche Erfolg die w ichtigsten Faktoren in ihrem Leiben sind, sondern d as Glück in der Liebe als Frau. Diese G eschichte können w ir als Beitrag zur Emanzipa- lionsdaskussiion ansehen, als ein leidenschaftliches Bekenntnis zur Suche nach der Identität ein er Frau. Und menschlich ist e s zu verstehen, daß sich die H eldin ifund Autorin) selbst v erw irklichen will, daß sie uns eine G eschichte e in er Frau erzählt, die die Selbstverw irklichung n ich t erreicht.
W enn w ir diesen Roman m it anderen d ieser A rt „Frauenrom anen" aus dem deutschsprachigen Gebiet vergleichen, z.B. mit Gestern war Heute von Ingeborg Drewitz8, so schein t — nach sportlichen Maß — Bachmann „nach Punkten" geschlagen zu sein: V ieles Ähnliche, w ie Techniken, erzählte W irklichkeit, Frauengeschichten, künstlerische Tä-tigkeit sind von höherer k ünstlerisch er Q ualität bei D rewitz. Obwohl I. Bachmaon diese G eschichte an rüh ren d erzählt, dst sie dabei sentim en -tal. Es fehlt außerdem an dichterischer Ü berzeugungskraft in Malina. Aus zwei Gründen ist d ieser Roman doch interessant: Erstens d er Namen, und zw eitens d er „A ntw ort" M ax Frischs mit seinem M ontauk wegen. Eine sehr aufschlußreiche Auffassung d es Titels des W erk es von Ingeborg Bachmann brachte Rainer N ägele, indem e r festste Ute: „Der tödlich-ernste Scherz von Namen— und Buchstabenspiel hat nirgends einen überzeugenderen A usdruck gefunden als in jenem Roman Inge-borg Bachmanns, w o buchstäblich alles auf dem Spiel steht: Malina (1971). Unauffällig fast spielt experim entelle Literatur hier ihre Regis-ter und w ird dam it ab er auch izum Experiment mit »Todesarten«: Die Sarabande ireiner Buchstabenverschlingung w ird zum Totentanz. Eine
7 G. B ran tenb e rg s p rich t au ch vo n ein er n eu en G esellsch aftso rd n u n g (einer F rau en b ew eg un g usw .), w as eig en tlich n ichts n eues ist, w enn w ir z.B. an G. H a u p t-m an ns Die In sel der großen M u tter od er an die fet-m inistisch e L iteratu r den k en (rg l. G. v o n W y so ck i, Die F röste der Freiheit).
8 Vgl. au ch die A nsch au u n g en K. B a 11 s zu diesem T h em a u n d v o r allem zu G. W o hm ans E rnste A b sich t, in R ev o lte Intern . B etrachtu n gen zur Literatur In der BRD, Leipzig 1974, S. 194 f.
Autorin, die den genera sahen Namen des M annes im Nachnam en ein-geschrieben trägt, erfindet eine männliche G egenidentität — einen Mann mit dem w eiblich ausklingenden N am en M alin-a. Gleichzeitig finden d ie beiden »a« von Bachmann danin ihr Echo, verbunden und g etrennt durch ein -in-, das den Nam en »Ingeborg« anklingt und verbirgt. N eu gem ischt ergeben die Buchstaben des N amens ein ANI-MAL, das, w enn man ihm den Schwanz abschneidet, zur ANIMA sich vergeistigt. Ihre irdische Form dagegen und gleichzeitig der w eibliche Name, der Zugang zu M alina und zum V ater hat, heißt MELANIE. Es ist die utopische Form der nam enlosen Erzählerin, aber so wie die Utopie ihre Negation eingeschrieben hat als Nicht-Ort, heißt MELANIE eben MELA-NIE. W enn es erscheinen mag, d aß ich mich allzusehr vor den Buchstaben — oder von w as immer — habe hinieiß en lassen, lese man mit jener schwebenden Aufmerksamkeit, die Freud dem Sprechen-den gegenüber fordert, Seite um Seite des Romans, wie Buchstafeen- spiele aus dem »Facile« ein »Facit« m achen (S. 203), wie Todesarten zu »Todesraten« wenden und diese in einen »Rat« sich, verw andeln (S. 304)"».
Obwohl Nägele hier eine ausgezeichnete, wie es scheint, A nalyse des Titels vorlegt, muß es dennoch unterstrichen werden, daß „M alina" ein slaw ischer Name i'st und (wörtlich „H im beere", „H im beerstrauch" bedeutet, w as vielleicht mit der Beziehung .Bachmanns zum Slawentum eng zusam m enstehen könnte10; außerdem ist es sehr charakteristisch, daß die A utorin den slawischen V ornam en Ivan für ihren H elden wählte, statt d es ungarischen Istvan (I-st-van), da ider H eld ja Ungare ist. Auch bin ich nicht sicher, ob es der Dichterin nicht um eine Gegen-überstellung IVAN — MALINA ging. Auch, ob Bachmann sich nicht von Günter Grass, oder: in wie weit, beeinflußt fühlte, da w ir in d er
Danziger-Trilogie schon „auf den ersten Blick" bei d en H elden m it N
a-men zu tun haiben, die mit „M" anfangen: M ath erath — M ahlke — M atern.
A ußerdem m uß es hier auch 'darauf hingewiesen werden, daß das Namen— und Buchs tabenspiel in der Bachmannschen Trilogie w eiter-geführt w erden sollte, da w ir in der nachgelassenen Prosa d en Namen MALETA (MALINA-MALETA) begegnen. Auch darauf, daß Peter Hamm
• R . N ä g e l e , Die A rb e it des T e xtes: N o tizen zur ex p erim en telle n Literatur, [in:] D eutsche Literatur in der B undesrepublik 1965. U ntersuchungen und B erichte, K önigstein 1980, S. 38.
10 V gl. dazu das In tervie w K. S a u e r l a n d s m it Inge borg Bachmann in „Lite-ra tu „Lite-ra na św iecie" 1974, N r. 8. A uch: H. H ö l l e r , Die P o len-Inte rview s Ingeborg B achm anns und ihre S tellun g im G esam tw erk, [in:] öste rreic h -p o ln isc he literarische N achbarschalt, Poznań 1979, S. 127— 135.
bestimmt recht hat, w enn e r von ein er „A rt G eneralabrechnung mit der W elt 'der M änner, die hier mit dem N amen H a n s ipersofimziert wind"11 spricht, denn diesen treffen w ir auch in den Erzählungen Undine geht, Drei W ege zum See u.a. — in d en Kleidungen von Jean-Pierre und Johannes; dagegen in ihrem H örspiel Der gute Gott von Manhattan tritt ein „junger M ann aus d er alten W elt" JA N auf!
Es bleibt die Frage offen, ob die D ichterin im Malina den V ornamen Ivan sta tt Iistvan w ählte aus d e n oben erw ähnten G ründen od er ist es die Sache ein er schw achen K orrektur des Textes, da ja die H elden nicht in ein er fiktiven W elt u ntergeb racht w urden, sondern in W ien der 60. Jah re und Ivan (vgl. auch d'ie Vornamen seiner Kinder) ein authentischer U ngare ist. Deswegen ikann es nicht w urdern, d aß N. H on-sza von einem „ehrgeiziigen und ziemlich problem atischen Roman Malina, in dem merkw ürdige G eneralisierungen fin den"12 spricht. W ie ab er w ich-tig für Bachmann persönlich d as Problem d e r „N amensverw eigerung, Namensironisderung, N am ensspiel m it und ohne Bedeutung, d ie Erschüt-terung des N am en s"13 war, zeugt eiben ihre A useinandersetzung damit. Es ist noch ein w eiterer Beweis der Enttäuschung d e r liebenden Frau, daß sie alle M änner gleichschaltet, was den A usdruck in d e r N am en-gebung findet — w eil siie alle: H ans, Ivan, Jan usw. in der iSprache d er-selbe Name sind.
Einer selbständigen Behandlung bedürfte der V ergleich der Romane Malina und M ontauk von M ax Frisch. H ier soll n u r darauf aufmerksam gem acht w erden, daß sich beide durch ihre unw ahrscheinliche O ffen-heit, D irektheit und A utobiographisches auszeichnen. O bw ohl der Schw eizer in v ielen Sachen, wie gegenseitige Beziehungen der Helden, Namen und O rte, gesellschaftliche Probleme un serer Zeit udg. ein deu-tiger un d genauer darstellt, gewinnt e r sicher m it d er Ö sterreicherin, da sie zum extrem en Existentialism us tendiert, er dagegen auch die gesellschaftlichen N ormen und b rennenden Probleme (z.B. soziale W id esprüche) >des 20. Jarh u n d erts im A uge hat. Und noch eins: Frisch v e r-schönert w eder etw as noch verschw eigt W ichtiges. Und eben w egen der Zeitkritik, die bei Bachmann eine k le in ere Rolle spielt, scheint M ontauk ein w ichtigeres Zeugnis un serer Zeit zu sein als Malina. Es w äre auch interessan t d ie A ntw ort auf d ie Frage zu kennen, ob der Rom,an von M. Frisch „nur" erne Disk uss ionsa ufna hm ne mit I. Bachmann ist, oder vielleicht sollen w ir es als eine Replik bzw. K o rrektur ansehen? Diese
11 P. H a m m , Der K ü n stler als M ä rtyrer, ,,Der Sp iegel" 1978, N r. 23, S. 198. 11 H o n s z a , a.a.O ., S. 222.
13 I. B a c h m a n n , G edichte. E rzä hlungen. H örspiel. E ssays, M ü n ch en 1964, S. 326. D ieses N am en sp iel k ö nn te w eiter g efü h rt w erden, v o r allem w en n w ir an AN1MAL-MANN-MÖRDER d en ken .
und andere Fragen w ären aber — w ie schon erw ähnt — eine selbstän-dige Studie erfordern und auis diesem G rund ersch eint Malina als ein w ichtiges Dokument für die Forschung.
Peter Beicken w irft Bachmann den „Tod d es Erzählens" vor, in dem „die mit der G esellschaft zerfallende S chriftstellerindividualität [nur noch] ihr V erhältnis zu sich selber [darstelle, w obei das] Du n u r noch als d as Spaltprodukt der eigenen Innerlichkeit auf trete, sich die Be-ziehung zur W elt aber versage. Die »W eltlosigkeit« als U rsache und Ergebnis der Erzählkrise ist für Batt auch M erkmal d e r übrigen Litera-tur von Bernhard bis W ohmann, von H andke bis Zw erenz"14. A nderer M einung ist zwar W olfgang Bender, w enn er meint: „Aber Ingeborg Bachmann gehört zu denen, die die Problematik jeglicher Aussage, den unheilbaren Bruch zwischen Individuum, Sprache und W elt klar erkennt und dichterisch konsequent gestaltet haben "15, doch betrifft dies vor allem die Lyrik und im Falle ihres einzigen Romans w äre dieses Urteil schw er zu begründen. Denn in ih rer Poesie schätzte die D ichterin die gegenw ärtige Situation, in der sich die heutige W elt befindet, richtig ein, fand interessante Stil- und A usdrucksm ittel, und — last not least
— rechnete mit der V ergangenheit Deutschlands ab. W enig davon in Malina. Die erzählerische Potenz ist gering.
Es ist ein Roman einer Frau und nur dieser Frau, die ein selbst-bestimmtes Leben führen iwilil und auch führt. In ihrer eigenen W elt, in deren M ittelpunkt ihr eigenes Ich steht. Die A utorin macht ihre Ideale und Hoffnungen, lihre Träume und Ä ngste zum H
auptgegen-stand des Monologs. Die Ich-Enzählerin führt ihr vegetatives Dasein auf einem sehr beschränkten Raum (Ungargasse 6—9), träum t w achend, steht in keinem K ontakt mit der A ußenw elt. Das M otiv des W artens und der Langeweile ist grundlegend für 'dieses Buch. Ein Frauenalltag einer em anzipierten Frau aus W ien w ird geschildert, eine ausführliche D arstellung des Ich-Hiex-Jetzt: einfach ein Lebensausschnitt.
Die Ich-Erzählerin verrät sich als eine Frau mit Herz, V erstand und Zartgefühl (ganz im G egenteil als gros der H eldinnen der beiden Erzähl-bände). Sie ist auch keine A vantgardistin, die w eder Stärke noch A us-dauer besilzt, auch keine engagierte Schriftstellerin. Sie ist voll innerer Unruhe, innerer W idersprüche. Zwischen K leinigkeit und A lltag, grauer
14 P. B e d с к e n , „ N eue S u b je k tiv itä t" : Z ur Prosa der sie bzig er Jahre, [in:] D eutsche L iteratur in der B u nde sre pu blik seit 1965, S. 167.
15 W . B e n d e r , Ingeborg Bachm ann, [in:] D eutsche L iteratur seit 1945 in E inzeldarstellun gen , S tu ttg a rt 1968, S. 50 f. Es sc h e in t m ir, daß d ieser Satz viel b esser fü r den oben ve rglic h e n en R om an von M. F risc h p aß t. V gl. auch R. G r i m m , C. W e 11 a u e r, M ax Frisch. M osaik e ines Sta tik e rs, [in:] Z e itk ritisc h e R om ane des 20. Jahrh underts, S tu ttg a rt 1975.
Realität und erw artender Liebe, (zwischen dem Haus, Café und Park spielt sieh das Drama des Unvollendeten ab. Die Ich- und A ußenw elt harm onisieren nicht. N ur Enttäuschung des Ichs, dessen G enauigkeit in der Zeichnung und Enthüllung (dennoch bem erkenswert ist. Auch kritische Betrachtungen seitens ider Ich-Erzählerin gibt es nicht. Es muß doch zugegeben werden, d aß die Geisteszustände diieser Frau, ihre V er-zweiflungen und Krisen, ihre Einsamkeit psychologisch verständlich ist.
Auch das, daß sie — wie w eit es für sie möglich ist — um das Gleich-gewicht im V erhältnis M alina-Ivan ringt, da sie in der Einheit die w ei-tere Existenz ihres „Ich" sieht.
Scharf tritt das Problem des W eiblichen-M ännlichen in Malina auf. Haram meint, und nicht ohne Recht, dazu: „Obwohl Ingeborg Bachmann alles andere als feministische Em anzipationsliteratur im Sinne hatte, spielen doch die M änner in (ihrem W erk eine zumeist monströse Rolle, sie sind unheilbar klinische Fälle, Schiläger oder M örder"1®. Sie sieht die Schwächen 'der beiden M änner mit ganzer Deutlichkeit. Dennoch kann sie ohne sie nicht leben. Alle drei H aupthelden sind Einzelgänger (wie es üblich (bei autobiographischen G estalten (der Fall ist) und leiben ihr eigenes Leben in ihrer eigenen W elt: M alina Am Museum, Ivan im Büro und die Ich-Erzählerin zu Hause. Stereotypische V erhaltensw eisen bei einem D reieckverhältnis w erden geschildert. Diese drei gebildeten, intelligenten M enschen leben in einer politfernen Welt, ohne zeitge-schichtliche Probleme, abgegrenzt von äußeren V orgängen und G ege-benheiten.
Eigentlich treten hier keine N ebenfiguren auf, au ßer der Sekretärin Jel'linek u nd den K indern Ivans Béla und A ndräs, und die erscheinen dazu sehr selten auf dem Plan. Typische oder repräsentative für die einzelnen Gesellschaftskreise V ertreter gibt es nicht. Solch ein Ver- w andschaftsmilieu gibt also kein W irklichkeitsbild.
W ürden w ir nach M arek Hlasko nach der A utorin fragen: „Sag mir, w er ich w ar", könnte die A ntw ort nach der МаЛла-Lektüre nicht eindeutig sein und schwerfallen. Es liegt sicher an dem chaotischen Monolog der Ich-Erzählerin, dem psychologischen Bild der realen und dargestellten Personen, an den vielen Differenzen17. V ielleicht kommt es aus ,peiner febischisiereinden V erabsolutierung des Individuums", die auch Jan Papiór bei Musil feststellte; über die A utorin von Malina könn-te man w eikönn-ter die Festskönn-tellung des polnischen G ermaniskönn-ten zitieren, daß sie „sieht den A nspruch einer Totalität im menschlichen
Inneren,-18 H a m m , a.a.O.
i
im M enschen, d er sich von der äusseren Umwelt distanziert [...] "18. Die-se „fetiischisierende V erabsolutierung" d er Ich-Erzählerin durchdringt den ganzen Monolog, das gan'ze Ich und führt, ohne V erständnis, ohne Befriedigung, zum Tod. Zwar ist dieser Tod, w ie e s schon erwähnt wurde, unbegründet und unmotiviert, zeugt jedoch — wie viele andere Stellen im W erke Bachmanins — von einer O bszenität dieses Phänomens. Auch von dem, d aß die Heldin in den Tod „geht", da sie sich von -der A ußenw elt distanzierend keinen anderen Ausweg sieht. W ilhelm Szew-czyk m eint dazu: „O t)ym lęku śmiertelnym pisyw ała potem stale [...] Pisywała o nim wierszem, ale 'także w jej powieści Malina nie brak go, cała powieść zda się na nim zbudow ana"19. W arten, Furcht, W ehrlosig-keit, V erständnislosigehrlosig-keit, A ngst, Kälte und keine Hoffnung auf Liebe — besser: geliebt zu sein — charakterisieren den A brechnungsrom an der Schriftstellerin Ingeborg Bachmann mit der M ännerw elt. Es scheint, als teile die Dichterin die Definition der Frauen von K ate M illett, die an der Anschauung festhält, d aß die Frauen „zu endloser W iederholung eines uralten, unbefriedbaren Schicksals verurteilte O pfer"20 seien.
W ichtig auch, obwohl marginal, sind die Beschreibungen der Ju gen d-erlebnisse: K onzentrationslager, der Tod eines Kindes während des Krieges, T ransporte von Jud en udg., desto mehr, da die Erzählerin das ganze Übel in ihrem V ater sieht, der verschiedene G estalten annimmt. Dieser leise Protest gegen Gewalt und Terror w äre besonders sta rk her- vorzruheben, da Hoffnungen auf eine ^bessere W elt hier n u r schwach erklingen, obwohl die K atastrophe in der U ngargasse unabw endbar sich nähert. Deswegen ist dieser Akzent als symbolischer G
enerationskon-flikt anzusehen und nicht zuletzt als Kritik des Faschismus. In diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle spielen in diesem Buch die Träume. K urt Batt äußert sich folgendermaßen dazu: „In ebenso m erkw ürdiger wie charakteristicher V erkehrung ergibt sich einzig dort ein
konsisten-ter, farbiger Text, wo die Ich-Erzählerin ihre Träume notiert, auch w enn diese immer vom gleichen, von der K asteiung und Tötung durch den sadistischen V ater handeln. Sie bilden — nicht nür im geom etrischen Sinn — den M ittelpunkt des Buches, weil Ingeborg Bachmann hier ihren
18 J. P a-p i ó r, V om Epos zum „totalen" Roman? B em erku n gen zu den gen e-tischen M ö g lich keiten eines ep isieren d en D ichterw erkes, „Z ag ad nien ia R odzajów L iterack ich ", Jg. XXII, N r. 1, S. 24 f.
18 W . S z e w c z y k , P o etka w ogniu, „Ż ycie L iterack ie" 1973, N r. 47. Es soli n ur h inzug efü gt w erden , daß die K afk asche Todeisangst in dem g an zen W erk vo n Bachm ann an w esen d ist.
!0 Es ist seh r ch arak teristis ch , daß C h rista W olf in ihrem in te res san ten E ssay ü b er das W erk Bachm anns zu d iesen Problem en keine Stellu ng genom m en h at; vgl. Ch. W o l f , F ortgesetzter V ersu ch , [in:] A u lsä tze, G espräche, E ssaysr Leipzig 1979, S. 245—255.
rudim entären Emanzipationstrieb zu ein er selbstgezimmerten M etaphy-sik hochzieht, derzufolge d as Leben w egen einer imdefmiblen »Krank-heit der M änner« ein im merwährendes »Gemetizel« ist"21.
Der noch vor Malina konzipierte Zyklus Todesarten und die n ach-gelassene Romanprosa Der Fall Franza und Requiem für Fanny Gold-mann zeugen, daß w ir ein interessantes W erk erh alten konnten. Auch dies, daß Ingeborg Bachmann mit dieseT Trilogie ein originelleres V or-haben im Auge hatte, als es ihr mit dem e rste n Teil d ieser Trilogie ge-glückt ist. Es m uß doch zugegeben w erden, d aß bei ern eu ter Lektüre des besprochenen Romans immer neue Erscheinungen ;zum Vorschein kommen und die Ich-Erzählerin immer m ehr Sympathie und Mitleid gew innt. Deshalb ist e s besonders bedau ernsw ert, 'daß es der Ö ster-reicherin nicht gelungen ist, dieses V orhaben vollständig zu 'beenden.
Karol K o czy ŚW IA T KOBIETY
W arty k u le staran o się u k azać n a rra to rk ę i jej św iat w je d y n e j u ko ń czo n ej pow ieści Ing eb o rg Bachm ann M alina (1971). P rzy taczając różne o cen y i stan o w isk a co do w arto ś ci tego u tw o ru — zaró w n o k ry ty k ó w p olsk ich , jak i o bcy ch — au to r w y sn u w a w n io sek, iż ta au to b io g raficzn a pow ieść, b ęd ąca p ierw szą częścią zam ie-rzo nej try lo g ii pt. R o dzaje śm ierci, zam yk a się na U n g arg ass e 6—9 w W iedn iu i je s t p rzed staw ien iem ty po w eg o tró jk ą ta m ałżeńskiego .
P on adto p o d d an y zo stał an alizie ty tu ł dzieła I. B achm ann, a ta k że d o k o nan e p o ró w n a n ia z po w ieścią M o n ta u k М ах а F risch a o raz W cz o ra j b y ło d zisia j Ing ebo rg D rew itz.