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Präliminarien zum Problem der Heilsfunktion des Kirchenrechts

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Academic year: 2021

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Remigiusz Sobański

Präliminarien zum Problem der

Heilsfunktion des Kirchenrechts

Collectanea Theologica 47/Fasciculus specialis, 77-92

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C ollectanea T heologica 47 (1977) fase, specialis

REMIGIUSZ SOBAŃSKI, W A RSZAW A —KATOWICE

PRÄLIMINARIEN ZUM PROBLEM DER HEILSFUNKTION DES KIRCHENRECHTS

Der gegenw ärtige A ufschwung der Ekklesiologie, der auch einen Änstoss zur theologischen Reflexion über das K irchenrecht gąb, erlaubt uns nicht nur die W urzeln des K irchenrechts in der N atur der Kirche zu sehen1, sondern auch besser seine theologische Di­ m ension zu v ersteh en 2. Es w ird viel A ufm erksam keit der Rolle des K irchenrechts in der Realisation des Zieles der Kirche und des H eiles gew idm et3.

Die Betonung der theologischen Dimension des K irchenrechts und seiner Heilsfufiktion kann aber nicht die juridische Q ualität des K irchenrechts verw ischen. Die A kzentuation des Zusam men­ hanges zwischen K irchenrecht und Theologie darf nicht zur V er­ kennung des Spezifikums des K irchenrechts und seiner m ethodolo­ gischen Eigenart führen.

W ir kommen also zur Frage nach den W erten, die das K irchen­ rech t realisiert. Die A ntw ort auf diese Frage erh ellt uns die M e­ chanismen, durch w elche das K irchenrecht seine H eilsfunktion ausübt. Auf der Suche nach dieser A ntw ort m üssen w ir zuerst zu fundam entalen Feststellungen über das Recht und seine Sozial­ funktion greifen.

1. Recht als Struktur der Gemeinschaft

Das Recht hängt immer mit einer Person zusammen, w elche K ontakt mit anderen Personen und dam it eine Sozialbeziehung angeknüpft h at4. Diese Beziehung w urde gegründet, um einen ü b er­ geordneten W ert, das Gemeinwohl, zu realisieren. Die Realisation des Gemeinwohls ist unentbehrlich für die V erw irklichung des

1 Cfr. R. S o b a ń s k i , Z arys teologii prawa kościeln ego, W arszaw a 1973, 53—83.

2 R. S o b a ń s k i , Z bawcza funkcja p raw a kościeln ego, Śląskie Studia h i­ storyczn o-teologiczn e 6(1973) 157— 169.

3 R. S o b a ń s k i , „Salus animarum" ja k o cel prawa kanon icznego, in: W kie runku p r a w d y , W arszaw a 1976, 205— 217.

4 Im A ufsatz w urde von der U nterscheidung zw ischen Gem einschaft und G esellschaft A bstand genom m en und unter G em einschaft verstehen wir „jede dauernde, w irksam e V erbundenheit von M enschen in der V erw irklichung eines gem einsam en Z ieles oder W ertes” — O. N e l l - B r e u n i n g , in: Phliosophi- sches W ö rte rbuch, Freiburg9 1962, 116.

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Eigenwohls — deshalb sprechen w ir vom obligatorischen C harakter des Gemeinwohls und der ethischen Pflicht des M enschern die so­ zialen Beziehungen herzustellen. Der M ensch knüpft das soziale Leben an, um in der V erbindung mit der Gemeinschaft die W erte der eigenen Person zu verw irklichen. Er tritt in die Gemeinschaft mit den R echten der eigenen Person — und trifft dort andere P erso ­ nen, jede mit ihren Rechten. Die sozialen Beziehungen sind also gegenseitige R elationen und als solche sind sie gleichzeitig Rechts­ relationen: dem Rechte der einen Person entspricht die Pflicht der anderen. Die sozialen Bande um spannen M enschen, die Subjekte von der Person nicht zu tren nend er Rechte sind. D eswegen ist jede Sozialbeziehung immer eine Relation zwischen R echtssubjekten und ein solches V erhältnis hat von seiner N atur aus immer rechtlichen C harakter.

H ier finden w ir die ontologischen G rundlagen des Rechts. W enn diese R elation erfasst und beschrieben w ird — also w enn die P er­ sonenrechte in der G em einschaft erfasst w erden — dann haben w ir ein positiv aufgefasstes R echtsverhältnis. A utoren, die ausser dem positiven Recht keine andere R echtsw irklichkeit w ahrnehm en, b e ­ zeichnen erst eine solche, positiv erfasste Sozialrelation als Rechts­ relation. W ir m üssen aber feststellen, dass die ontologische Existenz des R echtsverhältnisses vor ihrer positiven Erfassung besteht, denn die Rechte der im Sozialverhältnis stehenden Personen existieren unabhängig von ihrer positiven Erfassung, w elche nur eine F est­ stellung des bestehenden Sachverhaltes und sein H ineinziehen in eine positive Rechtssordnung ist.

Die G egenseitigkeit der auf dem subjektiven Recht der Person basierenden Beziehungen bew irkt das Entstehen eines Systems der subjektiven Rechte. H ier stehen wir am U rsprung einer objektiven Ordnung, der rechtlichen S truktur der Gemeinschaft.

Jede G em einschaft hat also ihre rechtliche Struktur, w elche die faktisch existierenden und sie konstituierenden fundam entalen Sozial beziehungen ausdrückt. Das Spezifikum der Gemeinschaft hängt vom Gemeinwohl, w elches das form elle Prinzip jeder G em ein­ schaft ist, ab. Es entscheidet über die in der Gem einschaft realisier­ baren W erte und übt seinen Einfluss auf die G estalt der G emein­ schaft aus.

W eil die Realisation des Gemeinwohls Bedingung der R ealisa­ tion der W erte der Person ist, sind alle M itglieder der Gemeinschaft mit dem Gemeinwohl verbunden, sie stehen ihm gegenüber mit ihrem subjektiven Recht, d.h. in der Lage einer Gleichheit. Diese G leichheit v erbü rg t jedem die M öglichkeit der Realisation der Rechte der Person, denen die Pflichten eng entsprechen. W eil je ­ doch das G emeinwohl nicht nur eine Summe der individuellen Güter, sondern einen übergeordneten, gemeinsam erarbeiteten

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DIE HEILSFUNK TION DES KIRCHENRECHTS

W ert bildetr stellt es den M itgliedern der Gemeinschaft versch ie­ dene Forderungen. Die V erschiedenheit der Forderungen verletzt nicht die Rechte der Person und das Prinzip der G leichheit dem Gemeinwohl gegenüber. Im G egenteih sie ist Bedingung der V er­ w irklichung der Rechte der Person. Die D ifferenzierung der Pflich­ ten der M itglieder der G em einschaft bestim m t ihren Platz darin. Dieser Aufbau der G em einschaft in der Perspektive des Gemein­ w ohls bildet ihre rechtliche Gestalt.

Auf G rund dieser V oraussetzungen komm en w ir zum Schluss, dass jede G em einschaft ihre rechtliche G estalt hat. Diese G estalt existiert unabhängig davon, ob sie formell erfasst w urde. A uch die Gemeinschaften, deren K onstitution nicht kodifiziert ist, haben ihre m aterielle Konstitution, denn die die Gemeinschaft bildenden R echtsbeziehungen existieren nicht erst infolge ihrer Erfassung, sondern entstehen im M oment des A nknüpfens des sozialen Lebens.

Das bedeutet gar n ic h t,' dass die Kodifizierung der (faktisch schon existierenden) K onstitution nur ein steriler, technischer Ein­ griff sei. Die form elle Erfassung übt auch einen Einfluss auf die G estalt der R echtsbeziehungen aus — z.B. dadurch, dass sie damit erst ins soziale Bewusstsein gebracht oder auf legale W eise ge­ festigt werden.

Es ist der M ühe w ert hier in Erinnerung zu bringen, dass die form ellen K onstitutionen erst mit dem Ende des 18. Jahrh un d erts h e rv o rtra ten 5. Die G eschichte des K onstitutionalism us bew eist die M öglichkeit der Existenz einer m ateriellen K onstitution ohne dass sie kodifiziert wird. Die vorkonstitutionellen Staaten — z.B. der feudale Staat — bauten doch auch auf einem System der Sozialbe­ ziehungen, w elche die rechtliche G estalt des Staates bildeten, auf.

2. Das Recht als Norm des sozialen Lebens

Auf der konstitutiven O rdnung der G em einschaft ist das Recht, w elches das m enschliche V erhalten regelt, aufgebaut. Die Rechte und Pflichten der M enschen stehen im Bezug zum Gemeinwohl. Dieses wird aber nicht in einer abstrakten, sondern in einer kon­ kreten, historischen W irklichkeit realisiert, also u nter v erän d e r­ lichen Bedingungen. Deswegen ist es notwendig, die aktuellen For­ derungen des Gemeinwohls festzustellen6.

Theoretisch kann solche Feststellung durch jedes M itglied der G em einschaft getroffen w erden. Dann muss man aber mit der M öglichkeit ganz verschiedener Feststellungen rechnen. Die Di­ vergenz der Diagnosen führt zu abw eichendem V erfahren, w as sich

5 Cfr. A. H a u r i o u, Droit Constitu tio nnel et Institutions Politiques, Paris2 1967, 26 ss, 76 ss.

6 A usführlich darüber: A. F. U t z, Sozialethik, Bd. I: Die Prinzipien der G esell schalt slehre, H eidelberg 1958, 242 ss.

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doch gegen den G rund des Bestehens der G em einschaft richtet. Des­ w egen befindet sich in jed er G em einschaft ein zur F eststellung der Diagnosen und zur Bestimmung der F orderungen des Gemeinwohls berufener Faktor. Die durch ihn festgesetzten Forderungen haben obligatorischen C harakter und w erden m eistens als G esetze bezeich­ n et; Dieser die Erfordernisse des Gemeinwohls festsetzender Faktor existiert im Rahmen der Gemeinschaft. Seine Existenz ist durch Rücksicht auf das G emeinwohl bestimmt.

Es ist für unser Problem belanglos, wie dieser Faktor zustande gekom men ist. Es konnte durch Einverständnis der betreffenden Personen, w elche die gesetzgeberische Kompetenz an gew ählte und kollegial fungierende Personen ü b ertragen haben, oder auch durch A neignung solcher Kompetenz m it G ew alt geschehen. Er konnte aber auch durch eine vorgem einschaftliche Ursache, die das G e­ m einwohl der Gem einschaft bestim m t und sie gegründet hat, b eru ­ fen w orden sein.

Unabhängig davon w ie der gesetzgeberische Faktor diese seine Kompetenz erlang t hat, er übt sie dank seinem Platz in der Ge­ m einschaft aus. Auf G rund der zur Struktur der Gemeinschaft ge­ hörenden Beziehung zwischen dem G esetzgeber und den dem Ge­ setz unterg eo rd n eten P ersonen erlässt der G esetzgeber G esetze zur R ealisation des Gemeinwohls. Das Recht, mit dem wir im A lltag zu tun haben, übt seine K raft dank der Stellung des G esetzgebers in der G em einschaft aus. Deshalb m üssen w ir das Recht, das unser V erhalten regelt, immer im Lichte des im H intergrund stehenden V erfassungsrechts der G em einschaft sehen.

W enn w ir also vom Recht sprechen, so m einen w ir 1. Recht als Struktur (Verfassung) der Gemeinschaft, 2. Recht als Regelung un­ seres H andelns.

W ährend aber das Recht als V erfassung der Gemeinschaft un­ abhängig von seiner faktischen Kodifikation besteht, so ex istieren die N orm en unseres V erhaltens nicht, w enn sie nicht eingeführt w urden. Ein usu rp ato risch er G esetzgeber braucht nicht seine Rolle zu bestimmen, es genügt, dass er sie faktisch ausübt. Die durch ihn erlassenen G esetze verpflichten aufgrund der von ihm aufgezw un­ genen obwohl nicht kodifizierten V erfassung der Gemeinschaft. Die M öglichkeit der V ollstreckung seiner eigenen Gesetze erübrigt eine Erfassung der fundam entalen R echtsordnung und der Stellung des G esetzgebers in dieser, denn er kann seine Stellung und Rolle b e­ haupten ohne sich auf die V erfassung berufen zu müssen. Seine G ew alt ist praktisch unbegrenzt. Deshalb hat die Idee einer Kodi­ fikation der V erfassung festen Boden gew onnen in Gemeinschaften, in denen die G ew alt des H errschers durch G ew altentrennung b e­ schränkt w urde, und die G esetzgebung und ihre V ollstreckung von verschiedenen Subjekten vollzogen wird.

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DIE HEILSFUNK TION DES KIRCHENRECHTS 81 3, Das Recht als Erfassung

der übernatürlichen Strukturen der Kirche

Obige Feststellungen über das Recht als Phänom en der sozialen W irklichkeit erlauben uns, zur Reflexion über die H eilsm echanis­ m en des K irchenrechts überzugehen. V orher aber noch zwei Be­ m erkungen7,

Zuerst soll betont w erden, dass der K anonist keinen anderen Rechtsbegriff gebraucht als sein im profanen Recht spezialisierter Kollege, Es geht da um die juridische Q ualität des Kirchenrechts. Die dem profanen Recht eigenen M ethoden sind auch W erkzeug in den H änden des K irchenrechtlers.

Die zw eite Bem erkung soll uns daran erinnern, dass das Kir­ chenrecht keinen anderen K irchenbegriff hat als die Theologie. Die­ selbe Kirche, die den D ogm atiker interessiert, stellt auch das O bjekt der A ufm erksam keit des K irchenrechtlers dar.

Dieses Zusam m enstellen der Begriffe Kirche — Recht kann aber nicht zu einer undifferenzierten A nw endung zur Kirche d er in den R echtsw issenschaften ausgebildeten M ethode führen, denn die Eigenart der Kirche bedingt die Eigenart ihres Rechts. Eben diese Eigenart sollte in unseren Erw ägungen zum A usdrück kommen.

Entgegen der w eit v erb reiteten M einung ist der H orizont der K anonisten gar nicht auf die R echtsvorschriften der Kirche be­ schränkt. Zweifellos sind diese V orschriften G egenstand der durch den K irchenrechtler b etrieben en W issenschaft, aber sie w erden von ihm im engen Zusam m enhang mit der kirchlichen W irklichkeit b e­ griffen. W enn er mit den kirchlichen V orschriften zu tun hat, da sieht er sowohl die Gründe, denen sie ihr Dasein verdanken, wie auch die W erte, denen sie dienen. Es sind W erte der kirchlichen Gemeinschaft, ihr Gemeinwohl und, durch dieses, das W ohl der betreffenden Personen. Der K anonist b etrach tet also die kirchlichen V orschriften nicht als selbständige W erte, sondern findet sie tief v eran k e rt in den A ufgaben und dem Leben der Kirche. Sie sind erw achsen als Ergebnis der zur K irche applizierten rechtlichen M e­ thode und bilden einen Teil der lebendigen kirchlichen W irklich­ keit.

Der K anonist sieht die Kirche w ie jeder gläubige Christ: er glaubt an sie. Im V ordergrund stehen für ihn gar nicht die kirchli­ chen V orschriften, sondern die Glaubens Wirklichkeit, ein durch Christus gesam m eltes Volk. Der Stereotyp, nach dem die Sichtweite des K anonisten zu den R echtsvorschriften eingeengt ist, stellt ein schiefes und ungerechtes Bild des K irchenrechtlers dar.

N atürlich unterscheidet sich der K anonist vom Theologen. Die

7 Kl. M ö r s d o r f , Lehrbuch d e s K irchenrechts auf Grund des C o d e x Iuris Canonici, Bd. I, M ünchen— Paderborn9 1959, 48.

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Differenz liegt im Form alobjekt, das doch für die Eigenart jed er W issenschaft entscheidend ist. Der K anonist b etrach tet die Kirche im A spekt ihres sozialen C harakters. Die H eilsgnade nimmt ge­ m einschaftliche G estalt an. Diese soziale G estalt des Heils ist Q uelle und Fundam ent der Reflexion des K anonisten über die K ir­ che.

Die Kirche — übernatürliche W irklichkeit — erscheint dem K a­ nonisten als eine mit vielen Banden verein te G em einschaft w as ihn zu der Folgerung, dass sie eine Rechtsgem einschaft ist, führt. Diese Folgerung ist dadurch begründet, dass überall dort, wo M enschen nicht nur nebeneinander stehen, sondern soziale Beziehungen an ­ knüpfen, gleichzeitig R echtsverhältnisse entstehen. Der Kanonist sieht also die K irche als eine lebendige Gemeischaft, w as für ihn gleichbedeutend mit einer V ielfalt von Rechtsbeziehungen ist. W enn er den typischen und charakteristischen Lebensformen dieser G em einschaft nachspürt, findet er, dass sich ihre A k tiv ität auf die W ortverkündigung und Sakram entenspendung konzentriert. Die einen v erkünden das W ort, die anderen hören es an./G enauso ist es bei der sakram entalen A ktivität. W ort und Sakram ent stellen das Fundam ent der R echtsbeziehungen in der Kirche dar.

W eil doch aber der K anonist mit den A ugen des Glaubens auf die Kirche schaut, w eiss er, dass der H err sowohl im v erkündeten W o rtes wie auch in liturgischen H andlungen gegenw ärtig ist9. Das Leben der Kirche beschränkt sich nicht auf den zw ischenm enschli­ chen Bereich, sondern ,,in jenem Leibe ström t Christi Leben auf alle G läubigen ü b e rr,1°. Die sozialen Beziehungen in der Kirche, die in ihr realisierten sozialen Bande, sind deshalb nicht nur — w ie es einem ungläubigen Beobachter scheinen könnte — K ontakte zwi­ schen den M enschen, sondern sie drücken die Beziehung zu Gott aus11. Das ergibt sich aus der Tatsache, dass das Gem eingut der Kirche nicht in der zeitlichen Sphäre liegt. Es besteht im gem einsa­ men A nteil am Geheimnis der gekreuzigten und auf erstandenen M enschheit Christi. Der A nteil an der M enschheit Christi, w elche das O rgan unseres H eiles ist12, gibt uns die V ereinigung mit Gott und v eibind et uns M enschen m iteinander. Das ist der höchste in der Kirche und durch die Kirche realisierb are W ert, das ist ihr Gemeinwohl.

Der Hinweis auf die A nw esenheit Christi in der Kirche und auf die Faktoren unseres A nteils an der M enschheit Christi h at hier fundam entale Bedeutung. Der Sinn näm lich u nserer Zugehörigkeit

8 Cfr. P a u l u s VI, Enz. M y s teriu m fidei, A A S 59(1969)488. 9 Const. Sacrosanctum Concilium n. 7, 1.

10 Const. Lumen gentium n. 7, 2.

11 1 Kor 10,17. Cfr. R. S o b a ń s k i . La parole et le sacrem ent facteurs de formation du droit ecclésia stique, N ouv. R evue Théol. 95(1973)518.

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DIE HEILSFUNK TION DES KIRCHENRECHTS 83

zur Kirche und u n serer A k tivität in ihr beru h t auf der in der Ge­ m einschaft zustandekom m enden Begegnung des M enschen m it sei­ nem Erlöser — eine A ntizipation und ein sakram entales Zeichen unseres Erscheinens mit Ihm in der ew igen Glorie.

Christus gibt sich uns im W ort und im Sakram ent. D aher die Rolle der G em einschaftsglieder, denen die Aufgabe der A usübung eines speziellen D ienstes auferlegt w urde. ,,Durch ihren erhabenen Dienst v erkü n d et er allen V ölkern G ottes W o rt und spendet den G laubenden im m erfort die Sakram ente des G laubens"13. Die A nteil­ nahm e am Leben der Kirche bed eu tet eben das Eingehen in eine lebendige Beziehung mit anderen G em einschaftsgliedern, darunter mit jenen, die zum speziellen Dienst eines in-persona-Christi-agere berufen sind. U nter den sozialen Beziehungen, w elche in der K irche angeknüpft w erden, sind auch jene zu den zum speziellen Dienst berufenen Personen.

Die Beziehungen, in denen die Begegnung des M enschen mit C hristus zustande kommt, sind für die Kirche^ w esentlich und stel­ len das Fundam ent dieser Gem einschaft dar. A nders gesagt: konsti­ tutiv für die Kirche sind die Beziehungen der G läubigen mit denen, die in persona Christi w irken. Sie bilden das grundsätzliche G erippe der K onstitution der Kirche. Kirche ist überall dort, wo sich zwei getroffen haben, von denen der eine im A ufträge Christi das W ort verk ü nd et und der andere es anhört. Die Kirche ist dort, wo in der M acht C hristi die sakram entalen Zeichen als A usdruck der A nnah­ me des W ortes gestellt w erden. O hne W ort und Sakram ent gibt es die Kirche nicht.

Das W ort, das angehört, im Glauben angenom m en und in sak ra­ m entalen Zeichen ausgedrückt wird, schafft nicht nur ein Band zwi­ schen dem A m tsträger und den Gläubigen, sondern festigt auch die Bande zwischen den G läubigen untereinander. Diese horizontalen Beziehungen gehören auch zum W esen der Kirche. Sie drücken die V erbreitung des H eiles aus, sind ein Zeichen der beabsichtigten Einheit der M enschheit, die eben durch die Einheit in Christus v e r­ w irklicht wird.

W ir komm en also zur A ntw ort auf die Frage nach den w esentli­ chen Elem enten der K onstitution der Kirche. Bei der Frage nach der K onstitution der Gemeinschaft geht es um die w esentlichen Sozial­ beziehungen, Beziehungen, die zu ihrer Struktur gehören, die also nicht v erän d ert w erden dürfen, soll die Gem einschaft nicht zerstört w erden.

Fundam ente der K onstitution der Kirche bilden Beziehungen zwischen M enschen, die „ein H err, ein Glaube, eine Taufe" (Eph 4, 5) vereinen. Es sind M enschen, die den Glauben angenom m en und die Taufe em pfangen haben. Sie sind zusammengekommen, w eil sie

13 Const. Lumen gentium n. 21,1.

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alle denselben W illen haben mit C hristus die V erbindung in der G em einschaft anzuknüpfen. Dieses Ziel könnten sie nicht erreichen, d.h. sie könnten sich nicht zu einer G em einschaft mit Christus und m iteinander vereinigen, w enn Christus nicht in der K irche w irkte. D eswegen gehören zur K onstitution der K irche auch Beziehungen zw ischen denjenigen, die den D ienst agere-in-persona-Christi v e r­ richten, und anderen Gläubigen. Diese Beziehungen differenzieren die K onstitution der Kirche, indem sie neben der fundam entalen G leichheit das Element der aus dem v errich teten D ienst fliessenden V erschiedenheit einführen. Die so differenzierte K onstitution der K irche stam mt von Christus, denn er hat diese A rt seiner G egenw art und seines H eilsw irkens in der W elt erw ählt. Er hat D ienste festge- legtr durch deren Erfüllung er seine G egenw art und W irkung v e r­ bürgt.

Zu solchen für die G egenw art Christi w esentlichen D iensten ge­ hört auch Petrusdienst der G laubenseinheit und der Gemein­ schaft14, aus dem die konstitutive Beziehung Petri und seiner N ach­ folger zu allen anderen G läubigen erw ächst.

Der Glaube an den in der K irche gegenw ärtigen Christus führt zum eigentlichen V erständnis der Ansicht, dass die fundam entale S truktur der K irche göttlichen U rsprungs ist und das u n v erän d erli­ che göttliche Recht in der Kirche darstellt. Die Institutionen, von denen w ir sagen, dass sie göttlichen Rechtes sind, w erden m anch­ mal so gedeutet, als ob Christus, als er die Kirche gegründet hatte, sich dann mit der Bildung ihrer S trukturen und der Festlegung ihrer V erfassung beschäftigt hätte. Christus w ird da nach dem M uster verschiedener K onstitutionsstifter gesehen. Da w äre nur zu suchen, w elche die S trukturen der K irche betreffenden Sätze von C hristus stammen.

Solche Sicht der göttlichen Strukturen der Kirche stellt eine V er­ einfachung dar, die eine Konsequenz der Betrachtung der Kirche mit den zu profanen G em einschaften anw endbaren K ategorien ist. Sie b ereitet auch grosse Schw ierigkeiten, w enn es um die Frage geht, ob eine bestim m te Institution göttlicher oder m enschlicher H erkunft sei. M an versuchte die A ntw ort auf solche Frage, insofern sie eine ko nkrete Institution betraf, in den O ffenbarungsquellen zu finden. Es ist jedoch bekannt, dass jede solche Institution in einer entw ickelten G estalt existiert, die notw endig ist, dam it sie in kon­ k rete n geschichtlichen V erhältnissen ihre Aufgabe erfüllen kann" D aher stam m en die V orwürfe, w elche die K ontinuität dieser Insti­ tutionen in Frage stellen, w as w iederum die N otw endigkeit ihrer apologetischen Behandlung hervorruft.,

Diese V ereinfachung kam besonders zum A usdruck, als m an sich der theologischen Präm issen — Zitate aus dem N euen

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DIE HEILSFUNK TION DES KIRCHENRECHTS 85

m ent — bedienter um den göttlichen U rsprung rechtlicher Institu­ tionen, die sich in der Kirche mit dem F o rtschritt des sozialen Le­ bens und parallel zur profanen G esellschaft entw ickelt hatten, zu beweisen. Als Beispiel kann uns hier die in den H andbüchern des kirchlichen öffentlichen Rechts angew andte M ethode der Begrün­ dung der Existenz der gesetzgeberischen, adm inistrativen und ge­ richtlichen G ew alt in der Kirche dienen. Da w urde eine rechtsphi­ losophische Theorie, w elche im Kampf mit dem A bsolutism us en t­ standen ist und in der Kirche zur Erläuterung des Inhalts der kirch­ lichen G ew alt dienen kann, direkt mit dem W illen Christi verb u n ­ den1^.

Den W illen Christi, auf den w ir uns berufen w enn von den un ­ w andelbaren kirchlichen Institutionen die Rede ist, können w ir.doch nicht isoliert von seinem W illen, in der Kirche dauernd zu bleiben, und von der durch ihn erw ählten W eise der H eiligung der M en­ schen, betrachten. Das göttliche Recht als Fundam ent und w esent­ liches G erippe der K irchenverfassung hängt eng zusammen mit der Tatsache, dass der das Heil anstrebende M ensch seinem Erlöser, der sich ihm in der K irche m itteilt, begegnet. Die M öglichkeit sol­ cher Begegnung w urde uns durch C hristus gesichert. Diese T atsa­ che übt entscheidenden Einfluss auf die S trukturen der Kirche aus und legt u n antastbare G renzen des göttlichen Rechts fest.

Ein so v erstandenes göttliches Recht kann nur durch die O ffen­ barung, die uns den göttlichen H eilsw illen kundgibt, erk an n t w er­ den. Seine Erkenntnis erfolgt nach denselben G rundsätzen w ie die der geoffenbarten W ahrheiten. Vor allem aber geht die Erkenntnis des göttlichen Rechts parallel zum W achstum des Bew usstseins der Kirche. Es kann nicht anders sein, w eil doch das göttliche Recht das fundam entale G erippe der K irchenverfassung bildet. All die Proben, die das positive Recht nicht im Zusam m enhang mit der ekklesialen Basis behandeln, m üssen als am W esen der Kirche vorbeigehende b etrach tet w erden. Der W ille Christi ist, die M enschen nicht einzeln zu erlösen, ,,sondern sie zu einem V olke zu m achen"16 und desw e­ gen sind seine positiven, das Heil betreffenden A ufforderungen an die in der Kirche, in der er das Heil darbietet, versam m elten M en­ schen gerichtet. Ein besseres Erkennen der Kirche und der G rund­ sätze des christlichen Lebens ist gleichbedeutend mit dem F ort­ schritt der Erkenntnis des göttlichen Rechts. Als Beispiele der Ab­ hängigkeit der Erkenntnis des göttlichen Rechts von der Entwick­ lung der Ekklesiologie können die Lehre des I. V atikanischen Kon­ zils über den päpstlichen Prim at oder die des II. V aticanum über den Episkopat angeführt w erden. Jede dieser Lehren bed eutet einen

35 R. S o b a ń s k i , La „Loi fondam entale" de l'Eglise. Q uelq ues réflexions, N ouv. R evue Théol. 94(1972)265.

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Fortschritt in der K enntnis der Kirche, des W irkens Christi in ihr, w ie auch des göttlichen Rechts und der kirchlichen Verfassung.

Diese soziale W irklichkeit, deren fundam entale G estalt durch den in ihr gegenw ärtigen H errn festgelegt w urde, w ird vom Kano- nisten erfasst. W ir bringen nochm als in Erinnerung, dass die funda­ m entale rechtliche S truktur schon vor ihrer '’positiven Erfassung existierte. W enn diese fundam entale rechtliche O rdnung der K ir­ che, d.h. die fundam entalen sozialen Beziehungen, positiv erfasst wird, w erden w ir sagen, dass die K onstitution der Kirche kodifiziert w urde. N atürlich ist die m aterielle Existenz der kirchlichen K onsti­ tution unabhängig von ih rer form ellen Erfassung. Obwohl die Kir­ che schon lange Jah rh u n d erte existiert, w urde ihre K onstitution noch nicht kodifiziert, die Kirche hat bisher kein formelles V erfas­ sungsgesetz. Sowohl aber im Codex Iuris Canonici w ie im früheren Recht finden w ir V orschriften, deren Inhalt konstitutive Elemente der K irche bilden, die m ateriell zum V erfassungsrecht gehö­ re n 17.

U nabhängig davon, ob die Idee der Kodifikation der K onstitu­ tion der Kirche verw irklicht wird, sehen w ir das K irchenrecht in erster Linie als eine G estalt der die Kirche konstituierenden zwi­ schenm enschlichen Beziehungen. Diese Schicht des K irchenrechts ist unabhängig von der T ätigkeit irgendeines kirchlichen G esetzge­ bers, Sie ist mit der G em einschaft gegeben und bildet ihr Gerippe.. M an kann sie erkennen, beschreiben und — w enn es für zw eckm ä­ ssig erach tet w ird — beschreiben mit A nw endung der juristischen M ethode d.h. kodifizieren. Solche K odifikation schafft nicht erst die K onstitution, sie erfasst sie nur.

Eben die Tatsache, dass die Erfassung der K irchenkonstitution keine neuen Elem ente in ihre S truktur bringt und im G runde ge­ nomm en nur eine Erkenntnis der vom m enschlichen G esetzgeber unabhängigen R echtsstrukturen ist, erklärt uns, w arum sich m it der G rundverfassung der Kirche die Theologen und nicht die Kanoni- sten beschäftigt hatten.

Es lässt sich nicht leugnen, dass das oben gezeichnete Bild eine Simplifikation erfah ren hat. Es w urde bew usst so getan um die The­ se hervorzuheben, dass das Recht in erster Linie die S truktur der G em einschaft d arstellt und dass es zusamm en mit der Gemeinschaft gegeben ist. Aus dem oben G esagten könnte leicht die Folgerung gezogen w erden, dass die K onstitution der Kirche ausschliesslich aus G rundsätzen göttlichen Rechts gebildet ist, und das V erfassungs­ recht der K irche sich auf die Erfassung dieser G rundsätze b e­ schränken könnte. So ist es aber nicht.

Die G rundsätze göttlicher H erkunft fordern ein Einfuhren in die

17 M. K a i s e r , G ru n d g esetz der Kirche? Zum Problem der Lex Ecclesiae Fundamentalis, Stimmen der Zeit 189(1972)106.

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Geschichte. Sie existieren in konkreter, historischer Gestalt. Die fundam entalen S trukturen der K irche unterliegen den Regeln der Sozialentwicklung. Das beste Beispiel dafür stellt der A ufschwung d e r : ursprünglichen Kirche dar. Deshalb können w ir vom dynam i­ schen C harakter des göttlichen Rechts sprechen, w elches einer A ktualisierung und K onkretisierung in bestim m ten historischen V erhältnissen bedarf18. Der geschichtliche Entwicklungsprozess der S trukturen der K irche w ird für uns verständlicher, w enn wir die Tatsache in Betracht ziehen, dass die K irche eine übernatürliche und doch w irkliche G em einschaft ist19 und als solche den Regeln der Entwicklung unterliegt. Die Tatsache, dass die K onstitution der Kirche immer in ih rer historischen G estalt, die sich nicht nur aus den fundam entalen, sondern auch aus den zeitbedingten Rechtsbe­ ziehungen zusamm ensetzt, in Erscheinung tritt, steht nicht im W i­ derspruch zu der Feststellung, dass das K irchenrecht in erster Linie eine Erfassung der G estalt der K irche ist, so wie diese aus dem H eilsw illen Christi erw achsen ist. Diese Erfassung hängt sowohl von u n serer Erkenntnis des göttlichen Rechts wie auch von den dm ch .die Sozialw issenschaften erarbeiteten K ategorien ab.

Die Sicht der Kirche im A spekte der sie bildenden zw ischen­ m enschlichen R elationen führt uns auch zur Folgerung über das innere Spezifikum des K irchenrechts. Der M ensch befindet sich in der Kirche dank der Taufe. D ank der H eilsw irklichkeit, die zu ihm in der Taufe gekommen ist, w urde er w iedergeboren und erlangte eine neue Existenz, das Person-Sein in der Kirche. Also haben wir in der Kirche mit R elationen nicht zwischen M enschen schlechthin, sondern zw ischen M enschen mit einer neuen P ersonalität zu tun, zwischen M enschen, die eine Existenz in Christo haben. Daraus folgt die Eigenart der G erechtigkeit in der kirchlichen Gemeinschaft. Das ,,jedem das Seine" hat hier einen neuen Inhalt eben w egen der neuen, auf ü bernatürlicher A usrüstung bauenden Personalität. Da gibt es z.B. kein N ebeneinander stellen der Liebe und der G erech­ tigkeit, denn die Liebe als Gabe und — konsequenterw eise — p e r­ sönliche A usstattung gehört eben zum Inhalt der G erechtigkeit.

Das gibt auch dem K irchenrecht ein Prägemal. Es ist doch ein Recht der übernatürlichen O rdnung, in der die V erpflichtung in der übernatürlichen A usstattung v eran k e rt ist und in der es um die A usübung der aus dieser A usstattung fliessenden Aufgaben und A nrechte geht.

18 Cfr. K. R a h n e r , ü b e r den Begriff des „fus divinum" im katholisch en Verständnis, in: Schriften zur Theologie, Bd. V, Einsiedeln 1962, 249—277.

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4. Die Heilsrolle des Gesetzgebers

Erst auf der Basis der rechtlichen K onstitution der Kirche er­ streckt sich die Tätigkeit des kirchlichen Gesetzgebers. Mit dem durch ihn herausgegebenen Recht haben w ir alltäglichen Kontakt. W ir stehen in einer rechtlichen Beziehung zum G esetzgeber. Ge­ hört diese Beziehung zu den w esentlichen S trukturen der KircheV Oben w urde schon g e s a g t dass das Funktionieren der Gemeinschaft einer obligatorischen Festlegung der aktuellen Forderungen des Gemeinwohls bedarf. Die geschichtliche Existenz der K irche bedingt die N otw endigkeit der Festlegung der aktuellen Aufgaben der G läu­ bigen mit Rücksicht auf das Gemeinwohl. Die Existenz der gesetz­ geberischen G ew alt ist also eine Konsequenz des W irkens der K ir­ che in tei tempora.

M an kann fragen, ob die gesetzgeberische G ew alt w esenhaft mit dem W irken in-persona-Chrisii zusamm enhängt. Es ist doch w ahr, dass C hristus nicht durch das Gesetz gegenw ärtig w ird und das Gesetz nicht die U rsache unserer Teilnahm e an seiner M enschheit ist. D eswegen gehört die gesetzgeberische G ew alt nicht zum W e­ sen des W irkens — in S tellvertretung Christi — der Kirche.

Die V erkündigung des Evangelium s und die gesetzgeberische Tätigkeit sind also streng genom men zwei verschiedene Sachen. N ach dieser Feststellung soll aber darauf aufm erksam gem acht w er­ den, dass die Gesetze des Gemeinwohls w egen herausgegeben w er­ den, das Gemeinwohl der K irche aber nicht in der nur sozialen Sphäre liegt, sondern auf der Teilnahm e an der M enschheit Christi beruht. Die W irkursachen dieser Teilnahm e sind W ort und S akra­ ment. Das in der Kirche v erkündete W ort ist ein bindendes W ort des Lebens, ähnlich wie die Sakram ente Zeichen des Lebens im G lauben in der G em einschaft sind. Die Grenze zwischen dem v e r­ kündeten W ort und dem Gesetz kann recht undeutlich sein. Dazu muss noch gesagt w erden, dass das in ko n k reten V erhältnissen k o n ­ kreten M enschen verkündete W ort sie zur bestim m ten H andlungs­ w eise aufruft — es schliesst also U rteil und W eisungen über die Erfordernisse der Teilnahm e an der M enschheit Christi ein.

D araus w ird ersichtlich, dass die Rolle des G esetzgebers in der Kirche nicht auf einer nur rech tstheo retisch er Basis erlä u tert w er­ den kann. Als A usgangspunkt muss man die Sendung der Kirche nehmen.

Die zur G laubensüberw eisung gesandte K irche sucht Form en der Überm ittlung, die den M enschen zugänglich wären, um den Glauben m itten im Leben aufzurichten. Zur G laubensüberlieferung gehören auch Prinzipien, die das W irken der Kirche als Gemeinschaft b etref­ fen. Die durch das Evangelium erkannte Berufung des Volkes Got­ tes und aller seiner G läubigen sowie auch aller m it dieser Berufung

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zusam m enhängenden A ufgaben w ird in der Form bindender Sälze erfasst, die gar nichts anderes darstellen als eine A uffassung von Rechten und Pflichten, also — anders gesagt — das Recht.

Die Ü berweisung des christlichen G laubens oder der M oral be­ schränkt sich aber nicht zur Ü berm ittlung der Texte des Evange­ liums und auch nicht zur V erlautbarung von Dogmen, denn die geoffenbarten W ahrheiten w erden zusam m en mit den ihre Realisa­ tion betreffenden Folgerungen angeboten. Auf diese W eise en tste­ hen Systeme christlicher Dogmatik oder Moral. Ähnlich geschieht es mit den fundam entalen, durch das Evangelium erkannten sozia­ len S trukturen u nserer H eilsordnung: sie w erden in einem dem hi­ storischen K ulturkontext angepassten Rahmen — also im Rahmen eines organischen Rechtssystem s — dargestellt.

Das ist eine Folge des W irkens der Kirche in der Geschichte. Durch Jah rh u n d erte als Zeichen des Heils w irkend partizipiert sie an den Form en des sozialen Lebens. Eben durch diese w ird sie in der Geschichte gegenw ärtig und leserlich. W eil durch das soziale Leben der Kirche die H eilsgnade in der W elt p räsen t ist, w ird die Rolle des sozialen Gefüges der K irche durch das A nknüpfen an die Idee des H eilsorgans erläutert und diese zentrale Idee der C hristo­ logie wTird zur Kirche angew endet. W eil die Kirche nicht anders als ein H eilsorgan existiert, ist diese Rolle für die K irche die w esentli­ che und w ichtigste. In ih rer A usübung k o nzentrieren sich alle A nstrengungen der Kirche, hier engagiert sie sich total.

D aher gibt es nur ein Kriterium, nach dem die aufgrund des Evangeliums erkannten fundam entalen S trukturen ausgebaut und die aus der christlichen Berufung sich ergebenden Rechte und Pflich­ ten im K ontexte des sozialen Lebens der K irche erfasst werden, näm lich das K riterium des Dienstes. Die fundam entalen Strukturen der Kirche, die doch S trukturen des Lebens in der G nade sind, w er­ den in die leserlichsten und ausdruckvollsten, den V erhältnissen am m eisten angepassten W irkungsform en gekleidet.

H ier findet ihre Begründung die gesetzgeberische T ätigkeit der Kirche. Parallel zur Entwicklung der Formen des sozialen Lebens und diese Entwicklung ausnutzend, w erden die fundam entalen Strukturen der K irche ausgebaut. Es ist deshalb von grösser Bedeu­ tung, dass das K irchenrecht, die eigenen, charakteristischen Insti­ tutionen entwickelnd, doch die Flöhe der. in gegebenen V erhältnis­ sen herrschenden R echtskultur erreicht. Eine Illustration dieses Strebens bietet das Ersetzen der D ekretalensam m lungen durch den nach dem M uster der europäischen G esetzbücher b earb eiteten Ko­ dex des K irchenrechts.

Ähnlich wie eine möglichst beste W eise der Ü berm ittlung des Evangelium s gesucht w ird und — obwohl der Inhalt des verkündeten W ortes und seine W irksam keit endgültig nicht von der Q ualität der

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benutzten K om m unikationsm ittel abhängt — alles getan w ird um die durch die K om m unikationsm ittel gebotenen M öglichkeiten auszunützen, so ist es auch selbstverständlich, dass die im Recht steckenden M öglichkeiten ausgebeutet w erden sollen. Das A usw er­ ten :auf kirchlichem Gebiete der zeitgem ässen E rrungenschaften der R echtsw issenschaften ist ganz einfach eine pastorale A ufgabe — genauso wie es A ufgabe der Kirche ist, die m öglichst besten F o r­ men der W ortüberlieferung oder der Liturgiegestaltung zu suchen. : Das A nw enden der m ethodologischen E rrungenschaften der R echtsw issenschaften darf auf dem kirchlichen T errain die w eitg e­ henden U nterschiede nicht verhüllen, die aus den verschiedenen Sozialitätsfaktoren fliessen und die in der Kirche nicht einen n atu ­ rellen sondern einen ü bernatürlichen C harakter haben, also Liebe, die uns offenbar w urde und im Glauben angenom m en w orden ist.

W eil also die fundam entalen S trukturen der Kirche — wie ja auch die K irche selbst — ein Zeichen und A usdruck der im W ort offenbarten und durch den Geist ergossenen Liebe sind, stellt auch der A usbau dieser S trukturen in ih rer W irkungsdynam ik nichts anderes dar als einen A usbau der O rdnung der Liebe, ein Bemühen d ie'L iebe in die A k tiv ität der G em einschaft zu inkarnieren, damit sie durch diese A k tivität für die W elt sichtbar wird.

Dem Erkennen dieses C harakters des K irchenrechts folgen w eit­ gehende m ethodologische K onsequenzen, vor allem angesichts der Konzeption des K irchenrechts und vielleicht auch des Rechts ü b er­ haupt. Die Erw ägungen über das Recht verbinden es m eistens mit der m enschlichen Schwäche, es ist da gem einhin die Rede von der N otw endigkeit einer O rganisation des sozialen Lebens und vom Schutz der Ordnung. Das findet seinen W iderhall in der Theorie des Rechts, die mit ihm das Element des Zwanges und die Sanktion verbindet. A uch in der Theorie (und — geben w ir zu — Praxis) des K irchenrechts klingt ein Echo des alttestam entlichen Rechtsbegriffs als eines w egen der m enschlichen Schw ächen nötigen Zerberus.

Im A usgangspunkt der kirchlichen R echtstheorie sollte aber nicht der schwache, in der N aturordnung existierende M ensch ste­ hen, sondern der mit der G nade ausgestattete, der sein neues Sein in Christo hat. Eben M enschen mit einer solchen Existenz m itsam t ihrer reichen und vielfältigen A usstattung bilden die fundam entale soziale O rdnung der Kirche, die durch die gesetzgeberische T ätig­ keit ausgebaut wird. Dies ist eine Entfaltung der jedem von uns g e­ gebenen Liebe. Die Aufgabe der gesetzgeberischen Tätigkeit der K irche liegt im Schaffen möglichst m annigfaltiger Formen, in de­ nen der mit Gaben beschenkte C hrist ein zum Gemeinwohl hinge­ ordnetes A ktivitätsfeld findet. Das Recht ist immer zu den sozia­ len (und durch diese zu den persönlichen) W erten zugew endet. In der Kirche geht es darum, dass alle dem Ganzen dam it dienen, w as

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sie selber erhalten haben. Es ist also ein Dienst für die Gemeinschaft. D a s, stets tiefere Eindringen ins Geheimnis und das Erkennen — anhand der sich immerfort entw ickelnden M ethoden — der W irk ­ lichkeit, in der die Kirche lebt und als Zeichen des Heils w irkt, führt zu der R ealisation der die Kirche betreffenden Folgerungen, denen eine m öglichst funktionelle G estalt gegeben w ird und die e r­ fasst w erden als Aufgaben, die in der G em einschaft zu erfüllen sind. Das kirchliche Gesetz ist also eine Erfassung der Sendung der K ir­ che, w elche mit juristischer M ethode durchgeführt w urde als Auf­ nahm e der M öglichkeiten (also A nrechte) und A ufgaben (also Pflich­ ten) der G läubigen20.

Das kirchliche Gesetz erfüllt seine Aufgabe, w enn es dem Be­ w usstsein der Kirche entspricht und den Z eitverhältnissen an g e­ passt ist. Die N otw endigkeit der Festsetzung des bezüglich der U m stände des W irkens der Kirche adäquatesten Inhaltes des Rechts und der A nw endung der den Em pfängern des G esetzes bestpassen­ den Form ist eine pastorale Aufgabe. N icht w egen der sozialen O rd­ nung w erden in der Kirche Gesetze erlassen, sondern zum Aufbau der Gemeinschaft, die ein Zeichen des in der G eschichte präsenten G ottes ist. Das bedeutet, dass die kirchliche gesetzgeberische A kti­ v ität viel näher der G laubensüberw eisung als der w eltlichen ge­ setzgeberischen Tätigkeit ist. Sie ist rundw eg eine Form der Einprä­ gung des Evangelium s ins soziale Leben. Das Evangelium w ird doch nicht auf eine etw a akadem ische W eise, isoliert von der W irklich­ keit verkündet, sondern in die konkrete Lage des M enschen und der Gemeinschaft. W enn w ir heute verstehen, dass das K irchenrecht eine der A rten der R ealisation der Kirche ist21, so bed eu tet das, dass es ein M ittel der Ü berw eisung des Evangelium s und seiner W erte ist22. So w ie für die Kirche die A nnahm e oder N ichtahnahm e des Evangeliums nicht gleichgültig sein kann, so darf auch die Annahm e oder N ichtannahm e des Rechts nicht gleichgültig bleiben. Darum besteh t in der K irche neben dem Problem der G laubensrezeption auch das Problem der Rezeption des Rechts23.

D araus folgt, dass die R echtssetzung und die Rechtsanw endung in der Kirche von denselben Ideen und denselben Besorgnissen b e­ gleitet w ird wie die gesam te Ü berlieferung des Glaubens.

20 ü b er die Bedeutung der th eologisch en und sozialen W issenschaften im G esetzgebungsprozess cfr. R. S o b a ń s k i , Recht und Seelsorge. Erwägungen über den rechtlichen und pastoralen Chara kte r der D iö zesansynoden, Coll. theol. 46(1976) fase, spec., 141— 152.

21 K. R a h n e r , Das W e s e n des Rechts als partikuläre Grundiunktion der Kirche, in: Handbuch der Pastoraltheologi e. Praktische Theolo gie der Kirche in ihrer G egenwart, Freiburg2 1970, Bd. I, 367— 370.

22 Cfr. R. S o b a ń s k i , Recht und Freiheit des in der Taufe w i e d e r g e b o r e ­ nen Menschen, in: III Congreso Internacional de D erecho Canonico.

28 Y. C o n g a r, La ré ceptio n comm e realité ecclesioîogiq ue, R evue des scien ces phil. et théol. 57(1973)369—403.

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Es ist deshalb wichtig, dass man an die Kirche nicht m it eiiier an anderen M odellen erarb eiteten Konzeption des Rechts heranrückt, sondern die Präm issen einer Theorie des K irchenrechts aus einem M odell des M ysterium s der Kirche entw ickelt24.

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24 R. S o b a ń s k i , M odell des K irche-M ysteriu m s als Grundlage der Théorie d es Kirchenrechts, A rchiv, f. kath. Kirchenrecht 145(1976)22— 44.

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