t
Iu
Ceotx MichelsHaben sich die Nationen zur GróB€ rrnd stżirke i}Ee ver8an8enheit gestiftets' so muB sich
auch das politische EuroPa eine eujoPaische VeIgan8enl'reit stifteĄ um seine Menschen zu verbinden.{ Vielteicht liegt hier eine kommende, sinnstiftende Aufgabe der Ceschichts-wissensdraft. Europa muc dabei offen bleiben fin Beitrittswillige. Doch rnuB das Bild von Europa scharfe Konturen bekommen und behaupten. Es
da
nicht beliebig sein.l' AndersoĄ Benedict Di€ Erfindung der Nation. zur Kar'iere eines fol8enrei€hen KonzePts (Reihe carnPus 1018), Frańłiuit/M 1998' Vg. auch: Mythen det Nationen: Ein euoPłs.hes Panorarna, hg' v.
Monika Flacke, Mnnchen 1998.
{ scheitet EuroPa an seinem Mytiendefizii?, hg' v' wolfsan8 Schmale ftlelausford€rungen:
Histo-ńs.h_Politis{he Analysen 3), Bochum 1997.
Die
Historischen quellen
der
Identitlit
Mitteleuropas
Krzysztof Brzechczyn
I.
In der Ceschichtssclreibung des europaischen Kontinents wird traditionell die
Eintei-lun8 in West- und osteuroPa vorgeńmden. Eine solche Einteilung basiert auJ dem
Kon-basĘrinziP
-
den Entwick'lungsweg westeuloPas sollten solche Merkmale und Eigen-schaften charakteńsieren, die osteuroPa fehlten. Und umgekefut-
osteuroPa sollte die Ei8enschaJten besitzen, welche WesteuroPa nicht besaB. sahauen wiI uns eńe solcheEin-teilung genauer an. Die Verschiedenheit zwischen dem Westen und dem Osten Europas beruhte nach E. G. Walte$ beisPielsweise auf den geognPhischen Unterschieden''
\Ą'est-europa sollte durch ein milderes Klima, ausgiebigere Niederschlege, eine langere Vegeta-tionszeit der PflaiveĄ durch den Zugang zu schiJfbaren Gewżissern und den Besitz von
na-tiirlichen, leicht zu verteidigenden Grenzen gekennzeichnet sein. Im Resultat war die
Er-tlagsfahigkeit deT westeuloPaischen Land\^,Ltschaft hÓher als die ErtragsfehiBkeit de! Landwirtschaft in Osteuropa. Die langere Kristenlinie Westeuropas und ein Flussnetz, das fast das ganze Jahr tber schiJfbar blieb, lieBen die Transportkosten sinken. Dies h'ug in rłesentlicher weise Żur wińschaftsentwicklung und Intensivierun8 des Handelsaustarrschs
bei. NatiiLrliche Wassergrenzen erleichterten den westeuropeischen Cesellschaften die Verteidigung vor Angriffen von auBen. Die Cesellschaften Osteuropas entbehrten solche Bedingungen. Strengere und langerc Winter und geringere Niederschlege schufen
schlech-tele Bedin8ungen fuI die Entwicklun8 von Landwińschaft. Ein schlechter entwickeltes Flusssystem erschwerte den Verkehr Żw'ischen den einzelnen Teilen osteuroPas. Daliiber hinaus erleichterte das lehlen von nahirlichen Grenzen die Angriffe durch die Nomaden-vólker- Di€se 8eo8TaPhischen und klimatischen Unterschiede wikten sich auf den Wbt-schafisstand beider Teile des Kontinents aus. In der Konsequenz beeinflussten die
geo-graPhischen und wińschaftlichen Faktoren die Politische Enhłicklun8 und waren ent-s€heidend fur die Entstehun8 und die Ausgestaltun8 deI unterschiedlichen Politischen
sys-teme in beiden Teilen des Kontinents. Beiden Teilen gemeinsam fur des Kontinents waren
die Kultur, das Bildungsmodell ur{d die Religion.
'E.
G. Walieis: The Other Europe. Eastem Europe ro 1945. Slracuse 1989, S. 111-113, vg. auch c. schóPflin: The Polihca] Tradition or central EuroPe- in: s' claubard (H!sg.), East€m EuroP€.'. centralKrzVsztol Brzechcz!l
Ein ah' iches zweiteili8es scheńa zeiclmet Petel Bujke.'Ż Nach ihm charakterisierte sich
WesteuroPa durch eine 8róBere Bevólkerungsdichte, auf seinem Gebiet herrschten die Iomanischen und 8ermanischen sPrachen so'\^/ie das kałholische und Prctestantische
Be-kemtnis vor. Daiiiber hinaus k:men hier schon im 16' Jafuhundeń die ersten Elemenie del
kaPitalistischen Wirtschaft vor. osteuJoPa chalakteńsieńe sich unter dieser Einteilun8 durch eine geringere Bevólkerungsdichte, auJ seinem Gebiet iiberwo8en slawische sPra_
chen und die dominielende Religion war die ońhodoxie. Ąuf seinem cebiet entwickelte
sich irn 16. ]afuhundeń auch sekundale LeibeiBenschaft und Guts- und FlonY/irtschaft. DeI Autor stellt jedoch das Un8eniigen der zweiteili8en EinteilunS fest. Daneben rnusse ein
Zwischerrraum gesondeń betrachtet werden, ein Raum, der zwischen dem osten und dem
Westen iiege, zwischen Russland und DeutscNand r In dieser Einteilung solle MitteleuroPa
dulch dieseiben Ei8enschaften charakteńsielt werden wie west- oder osteEoPa, aber diese Eigenschaften sollen in einem anderen IntensiHtsgrad ausgepragt sein, was iiber die Entwicklun8ssPezifik der Re8lon unseles Kontinents entsch€iden solle. Ein BeisPiel kann
der von P' Bulke angefuhrte Bevólkerun8sstand im Mitte]euloPa des ausgehenden Mittel-aitels sein _ obwohl die BevÓIkerun8szahl in MitteleuroPa deutlich hóher war als die Be_
vólkerungszahl Russlands odel Skandinaviens, la8 sie jedoch unter dem
Bevólkerungsni-veau der westlichen Lander. Dieses ,,Dazwischensein" MitteleuroPas unte$treichen auf un_
terschiedliche Weise velschiedene Historiker. .Jeno Szlics stellt fesi:
,'In allen Beleichen kónnen struktufen des \^7estIichen T}?s vor8efunden welden,
alleldin8s ein weń8
ve
olmt: manchmal5ńd sie unvollstandi8 (z' B' stadte),man-chmal unverhelkrismaBig entwickelt (2. B. Adel). (...)
Vom
GesichtsPunkt der Fundamente jener Struktuen her elscheint es Plausibel, den BegriJf ,,Miitelosteu_ropa"
-
auch im Mitielaller-
auI die Sanze Region zu beziehen. Die Bezeichnung ,,ost-" bedeutet hier, daB die Modińkationen der modellhaften und normativen wełtlichen stnrkfuren hier fast iiberall - selbstverstandlich in verschiedener Form-vor8efunden welden kÓnnen. Tschecluen war westlicher als Ungam, Kroatien eher
'i^/eniger westlich, und Polen ahne]te in wirtschaftlicher Hinsicht Ungam."ł
: P. Buke: lniroduction' A Not€ on the Histońo8TaPhy of East-central EuJoPe. ln: P. Burke, A. Mączak,
H' samsonowicz (tt!58'): East-cenbal EuroPe in Transition' From the Fouteendh to the sevenleeńth Century. Cambridge 1985, S. 1-2.
] Ein Pionier der Heraushebun8 MiiteleuoPas n€ben dem Westen und dem osten war oskar Haleckj. Dieser Historiker scNug eine Einteilung in West_, Mittelwesl, Ost_ und MittelosteuroPa vor' Diese Ein_
teilung hat sich jedoch in der Fors.hun8 nicnt eingebnrgert (O Halecki: Historia EuroPy - iej Sra njce i
Podźały (Geschichte EuroPas _ seine Grenzen und T€ilungen)' Lublin 1994). t
J' Szlics: Trzy EuroPy (Dr€i Eulopa'' Lublin 1995, s' 66 und 68'69' Ein anderes Probl€m ist die Fń8e
nach den GreM€n MitteleuroFas' ln der 8e8enwańigen Geschichtsschrejbung und Politischen Pubii' zistik werden zu dieser Re8ion EuroPas nblich€fweise die von den Wests]awen und Un8am
bewohn-Dił Hi9talis.heĄ quP1leĄ d?l ldenlttbt Mi!leIeulopos
tI.
Nun móchte ich auf der Grundlage der histońographischen Literatur Ar8umente
an-fiihren, die den stnrkfurellen Sonde$tatus der mittelewopAischen Cesellschaften
begriin-den, welche sich sowohl von den Gesellschaften West- als auch denen Osteuropas untet-scheiden. Man kann mindestens drei Perioden ausmachen, in denen sich die europaischen
Gesellschaften nach unterschiedlichen Mechanismen entwickelt haben. Dies war€n die Friifueudalzeit im 10'-12. Jahhundeń, das system der Guts_ und FIonwirtschaft im 16'_18' tahrhundert und die Zwischenkriegszeit 1918-1939.
Der Feudalismus entwickelte sich in der euiopiiischen Zivilisation in dtei unterschiedli-chen kultujell-territońalen Zonen.5 In der ersten zone, die Italien, slidfranłreich und sPanien umfasste und wo das antike 8esellsÓaftliche System einen dominanten Einłluss
beibehalten hatte, entstand der Feudalismus auJ dem Wege der inłernen Evolution der un-{aeien Produłtionsvelhalhisse' In del zweiten Żone, die solche cebiete r^r'ie Mittel_ und
Nordfranłreich umfasste, heffschte ein cleichgewicht zwischen den rómisĆhen und den
barba]rischen EinJllissen' Dort war das feudate system das Elgebńs einer s},nthese der so-ziaien Einrichtun8en der rómischen zivilisation und denen der germanischen Eroberer. In
solchen Landem hingegen wie Polen, Tschechien, Ungam, die nie in Beriituung mit der ńmischen welt gekommen walen, entstand del Feudalismus in ei8enstandi8el Weise auf dem Weg des Zerfalls der Vorklassen-, Sippen- und Stammesgemeinschaften. In den
slawi-schen Gesellschafien formte sich der Feudalismus eigenstandig durch die Desintegration
der a8Tańschen siPPen- und stammes8emeinschaften und daher wich eI stark vom
klassischen westeuropaischen Feudalismus ab.
Im ce8ensatz zu westeulopa setzte sich
ń
MitteleuroPa nie das Lehnssysiem durch. InMitteleuropa war der Crundbesitz formell das Eigentum des Henschenden. Die heffschen-de Klasse waren in der Gesellschaft des herzoglichen Rechts die GroBadli8en, die
ń
den historischen Queilen unter der Bezeichnung nobiles auftreten. Die Macht diesergesetl-schaftlichen Klasse beruhte auf dem Verfugen riber Zwangsmittel und Produltionsmittel.
De aus dieser gesellschaftlichen Klasse Stammenden bekleideten Amter in der staatlichen
Velwaltung. Im verwaltun8ssystem des Piastenstaates kónnen z.B' dlei Ebenen delstaatli_
ten Gebiete gerechnet, unterAusscNuss von Russland und den Balkanstaaten, z.B.: S. Antohi: Habits of
the Mind: Euiope's Post-1989 Symbolic GeoBraphies. IInl: S. Antohi, V. Tisrnaneanu (Hrsg.): Beiween
Past and Future. The Revolution of 1989 and Their Afiermath' BudaP€st 2000, s' 4ć6, P. Wandycz: The Price of Freedom' A Historv of East central EuroPe. New York 1991' AusfuhJlicher dańber| K' B.zechcz}łl| The Notion of cenlrat EuroPe in Histońo8laPhy' P€ńPhery. ]ouma] of Potish Affairs,
nco/Ol,VoL6n,S.4-10.
5 S. Russockj: Monarchje stanowe ślodkowowschodnjej Eulopy XV x\'I w' (standesmonalchien
Mitte'
Ktz!sztol B/zechcz!n
chen Gev''alt {estgestellt werden: die zentral_, Provinz- und Kastellanebene. Die z€n-kalebene umfasste den herŻoglichen Hof und sPezialisierte Agenten der staatlichen Gewalt wie den schatzrneGtef, den Heeńihrer, etc. Der staat wurde in acht Provinzen ufld ca. 90 Stadtbezirke eingeteitt. Der untersten Verwalhmgseinheit stand der Kastellan vor' Er hatte
weit reichende KomPetenzen. I}tm wurde die Órtliche Ritte$chaft untel8eordnet, er besac die ńchterliche und Polżeiliche Gewalt und bescheftigte sich mit der Erhebung von Ab8aben und Steuem von den Untergebenen. Der Kastellan hatte auch einen eiSenen
VeYwaltun8saPParat zur VeIfu8ung' Der verwaltungsaPParat bestand 8ewóhnlich aus
einern Tribun (Wojsk'), dem das
M
itańsche unterstand und der auch Zustandi8keiteneines r{rchters hatte, und einem Kamńeler. DeI Letztele trieb Steueln und Leistungen ein' Nicht zuletzt bestand der APParat auch aus einem Vo8t, del die pńvaten Landereien des
Henschenden verwaltete.6
Die Ioasse
del
GloBadli8en besaB auch ei8ene kleine Land8iiter. Die Gntei dj€ser gesellschaftlichen GruPPe gin8en in Polen oder Ungarn meistens ńcht iibe! einige Dórferhinaus, in seltenen FeIIen iibe$tie8 die zahl de! Dórfel ein Dutzend.7In diesel zeit aber eI_
streckte sich die Herrschaft eines Kastellans eines durchschnittlichen Stadtbezirkes auf iiber
100 Dórfer. Die amt]iche Velgiih]ng eines Kasteilans war um ein vielfaches hóhei als die Einkiinfte aus seiner eigenen Wirtschaft. In den Senainten Landem wurde ca. 1/3 des
Ce-samtwertes der Leistungen fiir die Beziige der Bearnten dei untersten Verwaltungsebene
aufgewendet.3
Das Bauemvolk war dem herzo8lichen Recht und nicht dem Pńvaten Recht unterstel]t.
Untel den Bauem lassen sich zvr'ei weitele zusótziiche soziale schichten feststellen, die sog'
Erbbauem und die DienstbevóIkerung' Die Ersteren machten den wesentlichen Kern der Bauembevólkelun8 aus. sie waren verPflichtet zu8unsten des staates velschiedene Dienste
und Abgaben zu leisten.
Die zweite Kategońe Untel del Bauemklasse maÓte die Denstbevólkerun8 aus. Ifue
soziale Lage war ein wenig anders. Gegen die Befreiun8 von Crundleistungen und _diens-ten waren sie verpflichtet spezialisierte Leistungen dem Staat ge8eniiber zu erbringen.
Auf-8rund der iibćrlieferten ortsnamen gelang e5 veńchiedene sPezialfacher zu identifżieleĄ
darunter machten ca. 18 die handwerklichen Berufe aus. Mit den Dienstsiedlungen waren die zentralen Gebiete des Piastenstaates bele8t. Die DienstbevóIkerung war zwar 8e8en-iibel deI sonsti8en Landbevólkerung wirtschaftlich begiinstigt, abef i}Ee Fleńeit wal
ein-" K. Modzelewski: Chlopi w mona..hii wczesnoPiastowskiei (Bauem in der kiihen Piastenmonarchie).
w.ocław 1987. s. 129-132'
'M'
Barański: Majątki możnowladcze na węgrzech w x[ w' (Glo8adli8el Gnrndbesitz in Un8am im12. Jh.)' Pżegląd Historyczny , 1979, Y o|. 70, s' Ą2B'
3 K Modzelewski: chłoPi'.', s. 143'
8eschrankt.
weil
die Denstbevólkerun8 den Pfuchten 8e8eniiber dern F'iirsten elblichnachzugehen hatte, durfte sie weder den Wohnort noch den BeruI wechseln.e
CroBes Eigentum konnte nur auf einem Weg entstehen: Der Herzog konnte auf die Voffechte der óffentlichen Gewalt
-
auf die ńchterliche und wirtschaftliche Hoheit-
vel-zichten, indem er sie dern EiBenhimer riberlie8. Die Kjiche war die etste Institution, der ein Durchbruch aus dem Systern des herzoglichen Rechts Selang. Auf dem WeB des
Immuni-tżitsvefleihs eihielt diese Institution śchon am Ende des 11. )ahrhunderts Landbesitz
zu-sammen mit der doTt an8esiedelten Bevólkerung, die volher dem herzo8lichen Recht un_
terstand. Der Herzog verzichtete bei der Ver8abe der Besitzhimer auJ die sich aus dem
her-zogtichen Recht ergebenden AnsPńche ge8eniiber der dort ansassi8en Bevólkerun8'
Anfangs lóste die Immunitatsaktion den Widerstand del staatlichen Beamten aus, denn da-durch wurde die wińschaftliche Basis dieser sozialen GrrrPPe 8eschmalelt' Abe! infol8e der fortschreitenden Landaufteilung (die Zeit der Teilfiirstentiimer) und der Erweiterung des
die hóchsten Amter bek'leidenden Personenkreises von weni8el ais zwanzi8 Personen im
11. Jahrhundert zu zweihundeń Pe$onen im 12..Jahrhundert lieB der Widelstand dieser sozialen Gruppe nach. Die Beztge der Beamten spieiten allmahlich eine geringere Rolle als
der ei8ene Landbesitz. Im 12'-13. Jafuhundeń erweitelte sich die Immunitatsaktion auf
weitere 8esellschafiliche Kreise
-vol
allem auf die CroBadligen und die Riłte$chaft' Karol Modzelewski, der die sich aus dem herzoglichen Recht ergebenden sach)ichenLeistungen analysierte, stellt fest, dass beim System des herzo8iichen Rechts von zwei Be-zu8sgTóBen ausge8an8en werden soII| vom westeuloPaischen Feudalismus und von del
asiatischen Produktionsweise' was die mitteleuroPżiische Cesellschaft vom Modell des westlichen Feudalismus unterccheidet, sind die,,Identitat der herrschenden Klasse und der
staatlichen Hielalchie", ',mitielbare Ausbeufun8 der gesamten Bevólkerung zu8unsten der Monarchie auf8rund der all8emeinen Lasten",,,das FeNen von Me'kmalen der Persónli-chen Unfreiheit oder der Crundbesitzabhangigkeit", ,,de. Aulbau des Klassensystems auf dem Fundament del folmal unan8etasteten Rechte der normalen Bevólkerun8 auf den Crundbesitz ode! andere Stammesinstitutionen".ro
De
obigen Merkmale unterccheiden die herzogliche Rechtsordnung vom klassischen feudalen System und drangen eine Analogle zu der sog. asiatischen Prcduktionsweise auf.Nach
K
Modzelewski soil man diese zwei Systeme nicht miteinander identifizieren. Im asiatischen Prcdułtionssystem eńillte der Staat die Rolle eines Kooldinato$ und orgań_ sators der Produktion und das Land wał Eigentum der einzelnen A8rar8emeinschafien, die noch aus der vorstaatlichen Zeit stammten. Diese Gemeinschaften fr.ihrten Abgaben an den Staat ab und erbrachien Leistungen.'
K. Modzelewski: organizacja 8osPodalcza Pańshła Piastowskie8o Organisation des Piastenstaates, 10.-11. Jh.). Wroclaw 1975,5.12. 'o lbidem, S. 266.Die Historischer quellen der Identitii! Mittelc ropas
KrŻysŻtol Brzechcż!n
In den Monarchien MitteleuJoPas beschrenkten sich die Staatsfunktionen auf d€n Be_
reich des militańschen schutzes, der Gerichtsbarkeit und der Polżei- und
ordnungs-aufgaben und beinhalteten nicht die oT8aJdsation der AgrarPloduktion, die eine Domźne
de! Bauemfamilien war. Das individuelle System der Landinbesitznahme verulsachte, wie K. Modzelewski unterskeicht, dass die herzogliche Rechtsordnung und der klassische
westeuroPźiische Feudalisrnu5 auf alm'licheń Fundament bezii8lich der Zvilisation auf8e-baut waren. ,,staat]iche Untertżini8keit'' wurde auch zum Aus8an8spunkt fiir Prczesse der Feudalisierung, die im Endeffekt die ursPriingliche Ve$chiedenheit der beiden Systeme
verwischt hat.ri
Die zweite Epoche,
in
der der historische Sondelstatus von lvlitteleuroPa sichtbarwurde, ist die Zeit, die um die Jahrhundertwende vom 15. auf das 16. Jh. beginnt- Da
setz-ten alknehtch Tendenzen der westeuropaischen Plozesse in der iniiteleuroPaischen Ent-łvickluńgslinie ein. ZuI clenze zwischen den beiden zonen wulde die Elbe. westlich der
Elbe entwickelten sich die Stadte, die HandwerksProduktion und die Produktion in Manu-fałturen weitelhin dynamisch und die Bauern wurden von der Leibei8enschaft befTeit' Das
soziale Gleich8ewicht zwischen dem Biilge'tum und dem Adel ermóglichte das Anwach-sen der Staatsmacht. Der Staat verwandelte sich in der Neuzeit von einer Standesmon_ archie zu einer absolutistischen Monarchie. Óstlich der Elbe hin8e8en setzte in den stadten in allen Landefn der Region eine deutliche Krise ein - die Bevólkenrn8sŻaN und die hand-werk'liche Produktion 8ń8en
zurii&.
Im hndlichen Erzeu8ungsbereich verdrangte die Entwicklung der Cuts- und Fronwirtschaft die friihere Zinswttschaft. Dies wurde von eńem Anstie8 del Fronbelastun8en und von der Einfiihrung der so8. sekundżren Leib_ eigenschaft begleitet. Die wirtschaftliche Vormachtstellung des Adels lestiSie sich auch im politischen Leben - in allen Lindem MittelewoPas nahm das Biirgertum im vergleich zum westeulopaischen Biirgeńum einen 8erin8en Einfluss auf das 8esellschaftliche Leben undder Staat wurde den lnteressen des Adels untergeordnet. Die Entstehung und Entwicklung der cuts- und Fronwirtschaft, die eine wachs€nde Ausbeutun8 der Bauem ermóglichte,
waren der unterscheidende Faktor, der die zwei wirtschaftlichen Grundbereiche im
neu-zeitlichen Europa differenzierte.
Der Initialfaktol hil den ProŻess der verstźrkten sonderentwicklun8 MitteleuoPas wal
der ArbeitskraftemanSel, der irn 12.-14. Jh. nicht nur eine Verbesserung der Lage der Bau-ern herbeifiiłrrte. sondBau-ern auch volaussetzungen fiiI eine stedtische wińschaftliche zone in Mitteieuropa schulr' Die verbesserung de! finanziellen Lage der Bauem beschrankte das
AusmaB der Migration dieser gesellschaftlichen Cruppe in die Stadte. Und dies bewirkte
Ir ]bidem, S.267.
'] Ich 8Teife hi€r auf Ar8Eente und den Analyseverlaul zunick, die in: K. Brzechcz}'n: odrębność his_
toryczna EEopy Srodkowej. Siudium ..,etodoloSiczne (Historis.he Besonderheit MitteleuroPas
lvle-thodologisches siudium) . Poz^ań 1998, s' 2I2-z47 da!8estel]t sind'
Die Historischen quellen del ldenlitAt Mittelet!topas '!ł'iederum eine schwachere Entwicklun8 des stadtischen Beleichs und brachte das soziale
cleich8ewicht zwischen deń BiirBeńlm rrnd dem AdeI ins schwanken. E5 ermó8lichte den Adligen. die Herrschenden ifuen Interessen untelzuordnen. Die pottische Vorherrschaft des Adels ermó8lichte es, die EntwiĆlJun8 von stadten weitelhin zu besch'ańken, die Leib-eigenschaft zu verscharfen und den Fronhof einzufufuen. Eine weitere Verstarkung der wińschaftlichen Ausbeutun8 erfol8te im instifutionellen Rahmen der Fronwirtschaft.
Nach-dem aber der Adel den ausschlieBlichen Einfluss auf die Staatsgewalt Sewonnen hatte und
es fertig brachte, die Pńvilegien des Biil8ertums zu bescfuanken, v'aren die
zu8estand-nisse an die Bauem zu Ende. z€itgleich 8ab es in WesteuoPa eine hóhe Nachfrage nach
Geheide.
Eine Konsequenz des guts- und honwirtschafilichen Systems war die spatere
Eniste-hun8 der kapitalistischen Wirtschaft. Als das kapitalistische System endlich in unserer
Regi-on Europas in der zweiten Hafte des 19. Jahihunderts Gestalt annahm, wies es gewisse strukturelle Differenzen im Vergleich zum westeuropaischen Kapitalismus auf. Im 19.
Jahr-hundert und in der ersten Harte des 20. Jahrhunderis war der 8iÓBte Teil der A.rbeitskaft auf dem Lande beschaftigt. Die verspatete Industrialisierung Mitteleuropas erfasste also
viel k]einere Bereiche des wttschaftlichen Lebens. Die technische Rii&stóndigkeit
vel-ursachte, dass mitteleuropaische Cesellschaften den durch den technischen Fortschritt be-wirkten Wohlstand nicht genieBen konnten. Das fiifute zu starkeren sozialen Spannungen und Konliikten zvlischen der Bourgeoisie und der entstehenden A.rbeiterklasse als in West-euJoPa. In den mitteleuloPaischen Gesellschaften hat sich auch keń Einfluss8leichgewicht
von Macht und Eigentum eingestellt. Die Etatisierung des Staates umfasste umfangreichere Bereiche des gesellschaftlichen Lebens als die Machtregulierung in einem tlpischen Staat WesteuJoPas' Die Ein8riffsrnóglichkeiten der staatsgewalt waren 50 ausgebaut, dass man
von einel fteien MaJkt'lvirtschaft in der zweiten Halfte des 19' ]ahjhundeń 8Tundsetzlich gar nicht sprechen kann.
Der zerfall der Monarchie und der lmPeńen der Heuser Hohenzollern, Romanow und Habsburg inJolBe des ersten Weltkrieges und der nationalen bilgerlichen Revolutionen in den ]ah.ren 1917'19 schuf
eń
Fundament fiiLr die Entwicklung der biir8erlichencesell-schaft' In allen nationalen cesellschaften wurden die Parlamentańsche Demokatie und die
Instifution del freien ]ryahlen eingefilhń. Das Schicksa] del Institution ,biir8erliche Gesell_
schaJt' hń8 vom sPannun8sverhóltnis zwischen den sozia]en HauPtkaften
-
demEigen-tum und der Macht
-
ab. Wo die Bourgeoisie am schwachsten war (Russland), kam esin-folge der Lrbemahme der Produktionsmitiel durch die aus der Revolution entstandene
Macht zur Bildung der sozialistischen Cesellschaft. Wo hingegen die Bourgeoisie stark war (Tschechien), hielt in der 8alrŻen zwairŻigjah-rigen zwischenłrie8szeit eine stabile
biir8erli-che Cesellschaft stand. ln den Landeń, die Lgendwo zwischen den beiden Extlemfallen
KtzysztoJ Brzechczyn
GulgarieĄ Estland, Jugoslawien, Litauen, Lettland, Polen, Rumańen, Ungam), kam es wiederurn frijłrel odeT sPater zu autolitalen staatsstreichen_'3 Die Etablierung diesel
PoIi-tischen systeme eńol8te auf dem Weg der autoriEiren staatssheiche, die untel Beteili8un8 oder bei wohlwollender Neutralitat des Militżirs duTch8efuhń
wuden.
De
Folge desMachtwechsels wat die Autokratisielun8 des PolitischeĘ systems, je
naÓ
Land folgtenBeschrŹinkung oder Aufhebung der pa-rlamenta-rischen Demokatie, verwischen der
Unter-schiede zlvischen der gesetz8eberjschen, ńchtellichen und ausfufuenden staatsgewalt und
eine deutliche StArkung der Letzten. In den autoriteren Systemen gab es im Cegensatz zu den totalitŻilen systemen unabhangi8e Institutionen de! biir8erlichen Ges€llschaft, die auf den sozialen und wirtschaftlichen Bereich besahrankt blieben.
De
autońtale Macht ver-suchte nicht, in die zustandigkeiten del reli8iÓsen Instifutionen einzu8Teifen oder volle Konkolle iiber die Produktionsmittel zu iibemehmen.'a Obwohl der Umfangdei
Wirt-schaftskonkolle durch die Macht irn autoritaren System nicht so ausBebaut war wie dieRe-gulierung des wbtschaltiichen Lebens
in
der iotalitaren Geseilschaft, so war dieWirt-schaftskontrolle doch deutlich umfangreicher als die Wirtschaftskontrolle in einer typischen
westeurcPaischen GesellsĆhaf t.
III.
Wir sehen also, dass die Cesellschaften Mitteleuropas sich von den Gesellschaften West-europas von der Evolution her unterschieden haben. Die Crundlage dieses Unte$chieds wal eine behachiliche Kumulation der 8esellschaftlichen Macht in den Hźnden einer so_
zialen Klasse: in den Handen der Beamten der Piastenmonarchie im 10.-13. Jh., des
Adels-standes im 16'-18- Jh. odel des auto tżren staaies in del zwischenkliegszeit. Diese
Kumu-lation lechtfertigł die verwendung des Terminus ,,MitteleuloPa", der ńcht so sehj auf die geographische La8e bezogen ist, sondem
als ein
s}'non}łnfur
sozial'8eschichtliche Entwicklun8smelkmale dieses Tei]es Europas 8ebraucht wird. Ein weni8 metaPhońsch kann 8esa8t werden, dass MitteleuroPa ein Gebiet ist, wo ósttiche Entwicklungsmerkmale 13 Zu den zusammenhón8en zwischen der wirts.haft und den autońtaren systemenvgl. ]. Tomasze'
wski, The E€onomy ofcentsaland south-Eastem European countries durin8 the Inter'WaI Yeals.In: ]' żamowski (!Lsg'): DictatolshiPs in cenbal and south-Eastem Euope i1918-1939). Anthologies
(Polish Histońcal Library, B. a)- lvloclaw 1983, s'
57'83-1'Ver8leiche die chankt€ństik delautońtaren systeme in: A' Ajnenli€t:The Evolution
of the Forms of
Govemeni in centralEuroPe, 19181939' in:J' żamowskj iHI!8.):5'o', s' 27_75; W' Kule9za: KonceP'
cje ideowo-polityczne obozu rządzące8o w Pols{e w latach 192&1935 (Ideel]'Poltische KonŻePte des
resielenden Lag€rs in Poten in den iahren 1918-1939)' wlo.ław 1985, s. :62'2a1, F' Ryszk : European
Fascism' Diversencies and sińilarities. Piospects of comParative Research. In: żmowski (Hrss.), s.o',
s' 223-217 ]. żaftowgk]., Authoritańan systems in central and south_East€m Euope (1918-1939)' Ana_ lo8ies and Differences. ln: żarnowski (red.):s.o., S.9_27'
Die Hi5tolischen queueń de/ 1denlitiit MiltelewaPas
mit den westlichen koexistieIen. zu den óstlichen Entwicklun8smelkmalen muss die
zivili
sationsdickstżindi8keit der wirtschaftlichen strukturen geIechnet welden, 2u den westli_ chen hingegen ein Kulturmodell, das die Lebensstile und gesellschaftliche AsPEationen
fo
nt. Bei der Aneignung des westlichen Kulturmodeus sPielte die Reli8ion eine SroceRollei der Katholizismus und deI Protestantismus, welcher in eini8en geschiahtlichen Peń_ oden seine Enklaven besaB. Die Folge der Auswirkung dieser Faktoren auf die historische
Entwicklung war die Gestalt der Politischen Strukturen, deren Form zwischen demokra-tischen (z'B.
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16. Jh.) und autoritaren (z.B. in del Zvrischenkiegszeit) oszillierte.F
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Europa-Un jver5itót Viadrina Frankfurl (oder)
l]niwer5ytet im' Adama |lickjeWicŻa w Poznaniu 5Łb..
lanu5z Wiśniewski' Cezary Kościelniak
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ldentitót
Europas
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lich?
Zu
philosophischen,
politischen
und historischen
Aspekten
einer europiiischen
ldentitiit
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H€..usteb.! d€r Reńe:
]anine Nuyken, ]anuŚŻ Wśniewsh, Xrzyszlof wojciechowskj
H.r'us8.bł die5e5 Band.Ś: JanusŹ wiśniewski, c€Ża.y Kościelniak
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Inhaltsverzeichnis
Georg Michels: Europa im Kopf- Von Biidem, Kliscilees und Kon-f1ikten...13
Krzyszto{
B
echczyn: Die histońschen Quellen der ldentitńt MitteletłoPas--...'....'.'''...'.25 Piotr Władyslaw luchacz: Die Idee der deliberativen Demokratie:EtljoPa an der schwelle des dńtten Jahrtausends'._...-.-.-.-.-.'-_'.'_.'...''..'.''...''..'....''.-'.35 Janus! wiśnie'!..,ski, Katalzyna Żodź; staatsbilr8erschaft r]]ld Unionsblilgerschaft
im Lichte der Erweitenmg der Europaischen Union ...47
Peter Zevakis: Der Wandel des europaischen Nationalstaats unter dem Druck von
Clob
isierung undEuropaisienmg...
...-..-63Jan Such: Aspekte der europaischen Integration
und das Identitótsgeftińl des
E1lroPecl5...'..'.'.''
...'...'..'...'.. ...'...97Oswald Schwemmer:
Miscikuiiu
und kulturelle Identitat.Etrige Thesen zur Dialektik des Fremden und Einigen in de! Einheit einer Kultur...103 cezary Kościelniak Verantworfun8 als Fundament der Identitet EuroPas.
A8niesŻka Bie1awska, Janusz
wiś
ewski: Die katholische und ProtestantischeReligion, die EuroPejsĆhe ceselisc}uJt und die EuloPóische Oswald Schwemmer: Emst Cassirer a1s Denker Europas
Ma8da Wiczńska: Die AnPassung des Polnjschen Audiońsions-Gesetzes an das Uoionslechi als MaBnałIme zum Erhalt der ku]turellen Id€ntit:it
Goran Gr€tić: EuroPaische Rationalitai in Husserls sicht''..'..'..'...'..' ..-'...'...''...''..'''.''...''....'''.''L47
Eine Theo'etisĆhe skizze .''..'''.' '''' '''