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Ernst Jünger und Johann Georg Hamann

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Bernhard Gajek

Ernst Jünger und Johann Georg

Hamann

Acta Universitatis Lodziensis. Folia Germanica 3, 65-78

2002

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A C T A U N I V E R S I T A T I S L O D Z I E N S I S

F O L IA G E R M A N IC A 3, 2002

Bernhard Gajek

ERNST JÜNGER UND JOHANN GEORG HAMANN*

1

E in literarhistorisches T hem a, das zwei N am en durch die K o p u la „ u n d ” verbindet, ist nicht originell1. D er G ru n d , weshalb dies heute geschieht, ist persönlich. D ie beiden N am en und W erke begleiten m ich seit langem . M it fünfzehn Ja h ren - 1944 - bekam ich E rnst Jüngers E rzählung A u f den

M arm orklippen in die H ände, w ar gefesselt und erkannte, was in den

deutschen K onzentrationslagern vor sich ging. Später erfuhr ich, d aß dieses Buch im K reis der W eißen R ose verbreitet war.

V on Jo h a n n G eorg H am an n hörte ich zum ersten M al im D eu tsch u n ­ terricht des G ym nasium s in Offenburg. D er N am e des engagierten L eh­ rers sei d a n k b a r genannt; es w a r D r. O tto K äh n i. E r sp rach im m er wieder von H am an n und H erder - er sagte „H eerder” - , und d as berei­ tete den Boden für eine entsprechende L ektüre im D eutschen Sem inar in Freiburg. D o rt stieß ich a u f die H am an n -A u sg a b e Jo se f N adlers, las m ich fest und trug d an n H erm ann K unisch in M ünchen ein H am an n - T hem a für die D issertation vor. H am an n begründete auch die F ö rd e ru n g d u rc h A rth u r H enkel in H eidelberg, und dies leitete die akadem ische L au fb ah n ein.

* A bschiedsvorlesung vo r den Philosophischen F a k u ltä ten d e r U n iv ersität R egen sb u rg am 17. N ovem ber 1994.

1 Ü b er E rn st Jüngers V erhältnis zu Jo h a n n G eo rg H a m a n n h an d elte G e rh a rd Nebel, in: H am a n n , S tu ttg a rt 1973, S. 76-88. - K luge B em erkungen zum gleichen T h em a finden sich bei M a rlin M eyer, E rn st Jünger. M ünchen 1990, vgl. das R egister s.v. H am a n n . - Gleiches gilt fü r K . H . B o h rer, Die Ä sth etik des Schreckens. Die pessimistische R o m a n tik und Ernst

Jüngers Frühwerk, M ünchen 1978; hier, S. 402, d er H inw eis a u f F ried rich H ebbel, a u f den

Jünger sich gleichfalls zunehm end beruft.

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D as ist als D a n k gemeint, fü h rt aber auch in unser T h em a ein. E rnst Jü n g e r bezeichnete oft und eindringlich die D an k b ark eit als die eigentliche T u g en d 2. D och fragen w ir nun, w as ihn und H am an n verbindet.

2

Wie im m er in d er Philologie geht eine F rage d a ra u f zurück, daß einem etw as auffällt. So einfach h a t F riedrich M a u rer, bei dem ich in F re ib u rg M ediävistik lernte, den A nfang unserer T ätigkeit charakterisiert. Flier ist es dies: D as T itelblatt von Jüngers Buch D as abenteuerliche H erz - der ersten F assung von 1929 - träg t ein H am an n -M o tto - ro t gedruckt. Es lautet:

D en Sam en, von allem, w as ich im Sinne habe, finde ich allenthalben.

D a ru n te r steht: „H a m a n n ” .

D ieser Satz wird dreifach abgesetzt wie ein Prosagedicht, ja fast wie ein japanisches H aiku; doch sind es drei Silben zuviel. Jedenfalls k an n einem dieser aphorism usartige, a u f die V okale a und i abgestellte Satz im G edächtnis bleiben:

D en Sam en, von allem, was ich im Sinne habe, lin d e ich allenthalben.

D as ist eine B ehauptung, die den U nterschied zwischen Subjekt und Objekt oder von potentia und actus leichthändig aufzuheben und selbstherrlich über ihn zu verfügen scheint, wohl auch an die platonische A nam nesis gem ahnt, die R ückerinnerung an überpersönliche Ideen.

W ir stellen die Frage, was H am ann gemeint habe, zurück und gehen der A nn äh eru n g Jüngers an H am an n nach. H am an n gehört ab 1929 zu Jü n g ers eigentlichen G ew ährsleuten, und es scheint fü r ihn zu gelten, was G oethe von H am an n sagte: H a m a n n sei der A u to r, von dem er am m eisten gelernt h ate3.

2 Zu d a n k e n h a b e ich au ch R u d o lf Im m ig in K arlsru h e, d e r m ir bereitw illig Belegsteilen

m itteilte.

3 G o e th e 1774 zu L av alcr. Vgl. A. H enkel, Goethe und H am ann. Ergänzende Bemerkungen

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E rn st Jü n g er und Jo h a n n G eo rg H a m a n n 6 7

3

Im Ja h re 1967, im zweiundsiebzigsten L ebensjahr also, b rachte Jünger einen R ü ckblick a u f seine Lebensgeschichte heraus, sp rach aber nicht vom E rsten und Zweiten W eltkrieg, sondern von seiner Leidenschaft zur allgem einen E ntom ologie, zu r Beschreibung, O rd n u n g u n d V erb reitu n g von Insekten. Bekanntlich rekrutiert sich diese schöne W issenschaft bis heute nicht selten aus Liebhabern, aus D ilettanten in G oethes Sinn. E ini­ ge T iere h a t Jünger als erster beschrieben; andere w urden ihm zu E hren benannt. D as rechnet er dem väterlichen E rbe zu. D er V ater führte ihn in die N a tu rk u n d e, vo r allem die K enntnis der Pflanzen, ein. Als Assis­ ten t V icto r M eyers in H eidelberg h a tte E rn st G eo rg Jü n g e r aus dem W aldm eister das C um arin isoliert - einen Stoff, der inzwischen, syntheti­ siert, in der P arfüm erie für H eu- und Lavendeldüfte unentbehrlich gew or­ den sei4.

D ies schrieb der 1895 in H eidelberg geborene Sohn in d er erw ähnten Schilderung seiner Subtilen Jagden. H ier wie sonst ist die D istanzierung von d er positivistischen N aturw issenschaft des V aters, j a von dessen P er­ son u n d W esen nicht zu überhören: „O bw ohl m ich a u f unseren G ängen oft die Sicherheit erstaunte, m it d er er ein unscheinbares K ra u t ansprach, w ar er weniger m it den T ugenden der Pflanzen als m it ihrem Chem ism us v e rtra u t5.

D er nötige und sinnvolle U nterschied in den Leitbildern von E ltern und K indern gehört zu unserem Them a. Z w ar rief die rationale, a u f K au salität zielende Beobachtung des V aters die L ust des Sohnes am Sam m eln und genauen Beschreiben eines Befunds hervor; der Sohn dankte es dem V ater durchaus. A b er er suchte sich fü r dieses T u n andere V orbilder - in Büchern, die er nächtens verschlang und in die er sich so einlebte, d a ß er anderntags in d er Schule als M u ster von U naufm erksam keit galt: Tausend­

undeine N acht, A riost, C ooper, Defoe, Sealsfield, W örishöffer, D um as, Sue,

Byron o der N ietzsche w aren ihm lieber als M a th em atik , P h y sik oder Chem ie6. Jünger gehörte zu den m iserablen Schülern, deren überragende Begabung spät und n ur von einzelnen Pädagogen erk an n t und gefördert wird. In der Zwille, einem der tiefgründigsten deutschen Entw icklungsromane, stellte Jü n g er dies - 1973 - d a r1.

4 E. Jü n g er, Subtile Jagden. S tu ttg a rt 1967, S. 9f. - Im folgenden: SJ. 5 SJ 9.

ö D a s ab enteuerliche H erz. A ufzeichnungen bei T a g u n d N ach t. Berlin 1929, S. 43f. - Im folgenden: A H I. - A n n äh eru n g en . D ro g en und R ausch. S tu ttg a rt 1970, S. 11

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W as d o rt und anderswo zurücktritt, ist der Anschluß an den Wandervogel. „ D en Z upfgeigenhansel k a n n ten wir ausw endig” 8. A ber ein G esangsverein w ar die Jugendbew egung nicht. Sie w ar ein im pulsgebender Teil d er K u l­ tu rk ritik um die Jahrhundertw ende und glaubte an F riedrich N ietzsche und Julius L angbehn. D ie antibürgerliche H altu n g w urde vor allem von bürger­ licher Jugend gesucht, und m an entdeckte die A nfänge der Burschenschaften, den Sturm und D ran g und die F rü h ro m an tik für sich. D as führte zur W iederentdeckung von A utoren wie Jo h a n n G eorg H am an n oder Sören K ierkegaard.

D e r Vitalismus, d er seit dem ausgehenden 19. Ja h rh u n d e rt die E igen­ gesetzlichkeit und G anzheit der Lebenserscheinungen herausstellte, dazu der Expressionism us, jen er gegen die T rad itio n gerichtete A ufbruch zu neuem A usdruck u n d radikaler Individualität, das sind weitere Schlagw orte, unter die sich Jüngers A nfänge einordnen lassen. E rn st Jünger h a t auch m it expressionistischen Gedichten daran teilgenommen. In einem später bedauerten A u to d afé suchte er sich davon loszum achen9.

D och im Abenteuerlichen Herzen, von dem w ir ausgingen, beschw or er die Ideal d er Jugendbew egung: „...jene W ärm e des Bluts, die unm ittelbar Fü h lu n g nim m t,... G laube Fröm m igkeit, W agem ut, Begeisterungsfähigkeit, liebevolle B indung an irgend etw as” 10. U nd die „ U n v erfro ren h eit des Sechzehnjährigen” sei „ein früher, instinktiver P rotest gegen die M echanik d er Z eit” gewesen11.

D as ist, wie gesagt, 1929 veröffentlicht. D urch seine K riegsbücher war Jünger schon über D eutschland hinaus bekannt geworden. 1923 w ar er aus der Reichswehr ausgeschieden, h a tte G re ta von Jeinsen geheiratet, dazw ischen in Leipzig einige Semester Philosophie und Zoologie studiert und ein Vierteljahr an der Zoologischen Station A n to n D o h m s in Neapel gearbeitet. 1925 schloß er sich dem Stahlhelm an, dem stärksten V erband u n ter den Vereinigungen ehemaliger Frontsoldaten. A ber seine Vorstellung eines „heroischen Realismus” und eines „nationalen, sozialen, wehrhaften und autoritativ gegliederten S taa­ tes” stieß sich an d er a u f ein P arteiprogram m festgelegten Tendenz des

Stahlhelms. Jünger wechselte zwischen rechten und linken Z irkeln, die einen

von d er extrem en R echten unterschiedenen N ationalism us v ertra te n 12.

8 A n n äh eru n g en . A n g e fü h rt n ach: H eim o Schwilk, E rn st Jü n g e r. L eben und W e rk in B ildern und T ex ten . S tu ttg a rt 1988, S. 25. - Im folgenden: Schwilk.

э Jahre der O kkupation. S tu ttg a rt 1958, S. 152. - Im folgenden: JO . - Z u den erhaltenen Stücken - z.B. in D as „W äld ch en 125” - vgl. Schwilk 65 und 90.

10 A H 1,20. 13 A H 1,25. 32 Schwilk 103f.

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E rn st Jün g er und Jo h a n n G eo rg H a m a n n 6 9

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D as w ar gleichsam die Tagseite seiner Existenz. N achts w aidete er aus, was er in den A n tiq u ariaten erbeutet hatte. Bei dem Berliner A n tiq u ar L eipert habe er

„d e n E rstd ru ck v o n wissenschaftlichen und belletristischen W erken” gefunden, „ d ie E rem iten o d er kleine Zirkel zu beschäftigen begannen und d ann en vogue kam en: etw a B ru n o Bauer, K a n n e , C reutzer, M o ser, Schuler, auch Bachofen u n d T ocqueville vo r ih rer R enaissance. Er h a tte also ein O h r fü r In itialzü n d u n g en. A uch H a m a n n w a r d am als n o ch n ic h t in M o d e g ekom m en; L eip erl besorgte m ir ein schönes Exem plar der R o th sch en A usgabe, freilich ohne den achten B and... Es sollte d a n n auch fast d reißig Ja h re d a u e rn , bis ich ih n m ir a n drei verschiedenen O rten beschafft h a tte - zu n ächst d a s wichtige R e g s te r, d an n den N a c h tra g und endlich sogar d a s T ite lp o rlrä t als Zufallsentdeckung in d er R ue de T o u m o n ”

in P aris13.

D ie besagte H am ann-A usgabe hatte Jünger offenbar gekannt und gesucht; sie stam m t von dem M ünchner O berkonsistorialrat Friedrich R o th . Die beiden so lange verm ißten E rgänzungsbände h a t der E rlanger Theologie- D ozent G ustav A d o lf W iener herausgebracht14·. W iener w ar ab 1860 P farrer an d er Regensburger N eupfarrkirche; sein H aus steht noch in d er Schot­ tenstraße. E r berief sich im V orw ort a u f den R egensburger Bischof Jo h a n n M ichael Sailer, d er - 1807 - H am an n einen „W urzelm ann” genannt und gesagt habe, H am an n s Sokratische Denkwürdigkeiten wögen den W ert von B ibliotheken a u f15. E ben dies ist Jüngers U rteil über H am an n , dessen Schriften er zu sam m eln begann.

Ü ber Jüngers H am ann-S am m iung wissen wir gut Bescheid. Sein S ekretär A rm in M ohler legte im O ktober 1951 ein Verzeichnis an: A usgaben der W erke und Briefe von R oth, W iener, G ildem eister und Petri. Bemerkensw ert sind die stattliche A nzahl von M onographien und eine wenig bekannte französische Ü bersetzung der Aesthetica in nuce, die 1939 in einer Pariser Zeitschrift erschienen sein soll16. Vielleicht stieß Jünger a u f sie, als er als Offizier in Paris lebte und die Bouquinisten und A ntiquare regelm äßig aufsuchte. - D a ß er bis heute gerne und d an k b ar seine Sam m lung vervoll­ ständigt, lehrt d er Briefwechsel m it dem am erikanischen H am an n -K en n er Jam es C. O ’F lah erty und a n d eren 17.

13 SJ 188Г.

14 H a m a n n ’s S chriften. Bd. I—V II. H rsg. von Fried rich R o th , Berlin 1821-1825. B d. V III, 1 u n d 2. H rsg. von G u sta v A d o lf W iener, Berlin 1842-1843. - Im folgenden: R oth.

11 R o th , V III,2,IV.

16 J. G . H a m a n n , Aesthetica in nuce. Prélude, T ra d , e t N otes p a r H enry C orbin. M esures, P aris 1939, N r. 1, S. 33-59.

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Jüngers Interesse an dem schwierigen K önigsberger D enker des 18. Jahrhunderts w ährt also schon fünfzig Jahre, und wir fassen diese A nteilnahm e ins A uge. Jenes H am an n -M o tto des Abenteuerlichen Herzens kehrt 1938 in dessen zw eiter F assu n g wieder, und in fast allen Schriften, vor allem den Essays, den A phorism en und T agebüchern ist H am an n m ittel- oder unm it­ telbar eine d e r wichtigsten Bezugsgrößen. D as 1929 ro t gedruckte M o tto bezeichnete also eine „Initialzündung” .

W ir wiederholen es daher:

D e n S am en v o n allem, w as ich im Sinne habe, finde ich allenthalben.

U n d wir fügen den vorhin vorgebrachten D eutungen hinzu: D em A u to r dieses M o tto s, Jo h a n n G eorg H a m a n n , ging es seit seiner L o n d o n er Erw eckung von 1758 ausschließlich um Christliches. Ihm w ar der Satz vom überall zu findenden G edankensam en eine A nw endung des G laubens wie d er E rfahrung: Zum einen schließe G o tt alles in sich ein, was dem M enschen getrennt erscheine. Z um ändern füllt G o tt den Christen so vollkom m en aus, d aß göttliches u n d m enschliches W esen eines w ürden, so wie es im 139. Psalm heißt:

D e n n siehe, es ist kein W o rt a u f m einer Z unge, d a s du, H err, n ic h t sch o n w üßtest... D eine A ugen sahen m ich, als ich noch n ich t bereitet war, und alle Tage w aren in dein B u ch geschrieben... D iese E rk en n tn is ist m ir zu w u n d erb ar und zu h o ch , ich k an n sie n ich t begreifen...

In diesem 139. Psalm wird die coincidentia oppositorum , der Zusammenfall d er Gegensätze, jene D enkfigur des N ikolaus von K ues, der H am ann lebenslang nachdachte und a u f die E rn st Jünger sich im m er wieder beruft, aus d er Sicht des gläubigen Juden und C hristen ausgesprochen18. Jünger, d e r seine m ehrfache, planvolle L ek tü re der Bibel stets ü b erd en k t und tagebuchartig festhält, versteht diesen Psalm in dem angedeuteten und einem übertragenen Sinne: D e r Psalm 139 drücke „eine A rt von höchster P hysik” aus.

D iese k a n n m an m onistisch nennen, in sofern e i n S tam m d a s Zw eigwerk d er G egensätze trä g t. G o tt ist gegenw ärtig bis in die Tiefe d e r HöUe hinein, u n d d ie F in stern is leu ch tet ihm wie d a s Licht. Er d u rch d rin g t die M aterie, sieht d a s G ebein des M enschen, d er im M u tterleib e gebildet w ird, u n d dessen Z u k u n ft er k e n n t... Sehr schön... ist Vers 14, in dem d er M ensch

38 N ik o laus von K ues, D e docta ignorantia. Entstanden 1440. E rstd ru c k in: O puscula varia, S tra ß b u rg 1488.

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E m s t Jü n g er und Jo h a n n G eo rg H a m a n n 7 1

G o tt d a fü r, d a ß er ihn w u n d erb ar gem acht h a l, d a n k t. Es leu chtet ein, d a ß F rö m m ig k e it nu r als B eziehung zwischen w u n d erb aren W esen d e n k b a r ist.

So lesen wir im Pariser T agebuch unter dem 15. Septem ber 194215, also dreizehn Ja h re nach der E rstfassung des Abenteuerlichen Herzens.

D o rt finden sich solch explizit theologische Ü berlegungen nicht, und m an k ö n n te jenes H a m an n -M o tto als geschm äcklerische A neignung, ja P rofanierung abtun.

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Z unächst scheint einiges in diese R ichtung zu weisen. Z w ar k en n t Jünger aus d er R othschen A usgabe bedeutende Teile von H am anns L ondoner T agebuch zitiert d arau s und erö rtert - 1982 — H am anns „m oralischen Z usam m enbruch” in E ngland20. E r weiß, daß die „Biblischen B etrachtungen” von einem Bibelleser und pietistisch Erw eckten stam m en u n d daß H am an n s K ritik an der A ufklärung ausschließlich biblisch-christlich begründet ist. A ber auch w enn m an die Selbstreflexion zu Beginn des Abenteuerlichen

H erzens von 1929 oder das große autobiographische K apitel d arin 21 als eine

vergleichbar rücksichtslose M usterung seiner selbst gelten lassen m öchte, so m u ß m an doch fragen: Sind die E rschütterung darüber, d aß das Leben etwas W underbares ist, und das E rstaunen über das Seiende, welches „Liebe und G lau b en ” 22 hervorrufe, - ist dies m it H am anns unterw ürfiger A n tw o rt a u f die V ergebung seiner Sünden und den überfließenden D ankgebeten für die G nade gleichzusetzen? Liegt der U nterschied nu r in der G a ttu n g und der gründlich veränderten Zeit? W ohl kaum .

E her k ö n n te m an den rhetorischen Begriff d er M etabasis eis allo genos, die kunstvolle Ü bertragung aus dem einen in den anderen D enkbereich bem ühen - so w enn es im Abenteuerlichen H erzen heißt: „D as U naussprech­ liche entw ürdigt sich, indem es sich ausspricht und m itteilsam m acht; es gleicht dem G olde, das m an m it K upfer versetzen m uß, wenn m an es kursfähig m achen will” 23. D as läuft allerdings, dem gleich, was H am an n in L o ndon und lebenslang die K ondeszendenz, die kenoosis - ebenfalls ein Begriff d er klassischen R h e to rik - die H eru n terla ssu n g des Schöpfers nannte: G o tt entäußere sich, trete aus seiner U nendlichkeit und V ollkom ­

19 Strah lu n g en . T üb in g en 1949, S. 163. - Im folgenden: Str. 20 Siebzig verw eht III. S tu ttg a rt 1993, S. 175. - Im folgenden: SV III. 21 A H 1,20-63.

22 A H 1,21. 22 A H 1,16.

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7 2 B ern h ard G ajek

m enheit heraus, um die endliche und unvollkom m ene W elt zu schaffen. U n d Gleichnisse wie das vom reinen und kursfähigen G old finden sich bei H a m a n n genug. D azu gehören auch die Bilderreden, zu denen Jü n g er vor allem d an n greift, wenn es u m Sprache und D en k en geh24.

A nstelle einer raschen B eurteilung fragen wir, w as beider D enken zugrunde liege. H am an n wird so oft genannt, und die Z itate stam m en aus so gewichtigen Schriften, daß dies nu r billig ist. D ie frühe H am an n -L ek tü re w ar wirklich eine „In itialzü n d u n g ” , und das V erständnis richtet sich von A nfang an a u f die U nm ittelbarkeit zu G o tt u n d der W elt, die H a m a n n in L o n d o n - ebenfalls d urch ein Initialerlebnis- gew onnen hatte. D ah er geht es an, Jüngers H am an n -Z itate fast ohne R ücksicht a u f die C hronologie zu b etrachten; sie w urden auch bei den w iederholten Ü berarbeitungen der Texte nicht verändert.

Jü n g er zitiert H am an n in G edankengängen, die er als K ern ansieht - nicht n u r im Abenteuerlichen Herzen, sondern auch sonst und in uner­ w artetem Z usam m enhang, so in der viel berufenen A bhan d lu n g D ie Totale

M obilmachung aus dem Jahre 1930. D as Bemühen, die „geheimere Bewegung”

h inter den Erscheinungen und dam it die W ahrheit zu erkennen, werde durch „eine Fülle aufschlußreicher Stellen” bei Pascal und H am ann gefördert25. D er N ennung des N am ens folgt ein Z itat aus einem Brief H am an n s an H erder: „U nterdessen stehen auch um ere Phantasien, Illusionen, fallaciae opticae und Trugschlüsse unter G ottes G ebiet” 26. Jü n g er m eint hier den F ortschrittsglauben d er väterlichen G eneration:

Soviel is t jed o c h sicher, d a ß n u r eine K ra ft von k u ltisch er A rt, n u r ein Glaube a u f die K ü h n h e it verfallen k o n n te, die Perspektive d e r Zw eckm äßigkeit ins U nendliche auszuziehen. U n d w er m öchte d en n auch bezweifeln, d a ß d er F o rtsc h ritt die g roße V olkskirche des 19. J a h rh u n d e rts ist - die einzige, d ie sich w irklicher A u to ritä t und k ritiklosen G lau b en s zu erfreuen h a t? 21

D as ist in H am an n s Sinne gefragt - als E ntlarvung einer epochalen Selbsttäuschung, die der sich selbstherrlich gebärdenden R a tio zugeschrieben wird. D azu gehört die Ü berzeugung, daß über das G anze des Seienden die R a tio nicht urteilen könne; denn sie stehe nicht über ihrem G egenstand, sondern sei dessen Teil. N u r Bilderrede vermöge anzudeuten, was menschliches

“ A H 1,79.

25 J. G . H am a n n , Säm tliche W erke. H istorisch-kritische Ausgehe von J o s e f Nadler, Bd. I-V I, W ien 1949-1957. H ie r Bd. V,127. - Im folgenden: N.

26 Jün g er zitiert d en B rief vom 1./3. Ja n u a r 1780 n a c h d er A usgabe von R o th : VI, 114. - Vgl. die h eute m aßgebliche Briefausgabe: Jo h a n n G eo rg H a m a n n , Briefwechsel. Bd. 1-3. h rsg . von W alth er Ziesem er u n d A rth u r Henkel, W iesbaden 1955-1957; Bd. 4 -7 , hrsg. von A r th u r Henkel, W iesbaden 1959, F ra n k fu rt a.M . 1965-1979; d o rt Bd. 4, S. 149,7f.

21 D ie to ta le M o b ilm ach u n g . W V, 127; d er W o rtlau t en tsp rich t dem E rstd ru ck von 1930.

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E rn st Jü n g er und Jo h a n n G eorg H a m a n n 7 3

Begreifen übersteige. P athetisch erregte M e tap h ern und leidenschaftlich belebte Bilder m achten das G anze von W elt und Geschichte vorstellbar. So w undert es nicht, daß Jünger im m er wieder H am anns Program m schrift, die

Aesthetica in nuce von 1762, zitiert: Poesie - als Bilderrede - sei die

M uttersprache des M enschen28. U nd was sich rätselhaft und unsystem atisch anhöre, sei dem G egenstand angemessen: W eh und Geschichte seien aus sich selbst unverständlich und reichten über menschliches V erstehen h in au s25. D en V orrang von Bild und A nschauung sieht Jünger auch bei dem vorhin schon erw ähnten Leser und Liebhaber H am anns, bei G oethe, ln dem bekannten G espräch ü ber die U rpflanze habe G oethe E rfah ru n g und A nschauung geltend gem acht, Schiller das D enken.

W enn G o e th e sich d a ra u f b eruft, d a ß er die U rpflanze n ich t d u rch d a s D en k en , sondern d u rch ‘Sehen’ e rfa ß t h a b e , so k a n n das n u r heißen: d u rc h I n tu itio n od er au c h d u rch O ffe n b a ru n g ’, wie H a m a n n gesagt h ätte. G o e th e sieht die gestaltende M a ch t im U n gesonderten und seiner Fülle oder, wie es bei ihm heißt, in d er ‘N a tu r’. Schiller dagegen sieht sie im G eist30.

M it dieser U nterscheidung wird G oethe nicht n u r H am an n , sondern auch dem neapolitanischen Philosophen G iam b attista Vico und Jo h a n n G ottfried H erder beigesellt. „Die K raft dieser Geister beruht a u f O ffenbarung, nicht a u f E rk en n tn is, und a u f d er Sprache, n ich t a u f d er Logik; ihr Stam m vater ist H erak lit” . D em anderen, rationalistischen Typ rechnet er N ew ton und D escartes zu31.

10

W enn die E rkenntnis a u f Sprache beruht, so rückt diese in den Blick des Erkennenden. Im Abenteuerlichen Herzen wie in der Totalen Mobilmachung orientiert Jünger sich an H am an n , wenn es um das V erhältnis von W ort und Aussage geht. Ein „m agischer Schlüssel” lasse „u n ter dem, was einer sagt” , erkennen, „was seine W orte bewegt” , so wie der K ö rp e r die Seele sichtbar m ache. Diese Einsicht h ab e H am ann veranlaßt, „das D enken ein Kleid d er Seele zu nennen, und R im baud, den V okalen ein verborgenes Leben zuzuschreiben, das den W orten eine unergründliche Bedeutung verleiht” 32.

21 1985. SV I II, 551.

29 W eitere E rw äh n u n g en d er Aesthetica: Str 164,15. Septem ber 1942. - A n d er Zeitm auer.

S tu ttg a rt 1959, S.140f. - SV 111,511,22. A pril 1985.

30 T yp u s, N am e, G estalt. S tu ttg a rt 1963, S. 78f. - Im folgenden: T N G . 31 T N G 78f.

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7 4 B ern h ard G ajek

U nter Berufung a u f H am an n , E .Th.A . H offm ann, Ja co b Grim m und A rth u r R im baud form ulierte Jünger 1934 eine B etrachtung über Sprache, Leben und Welt, die er „L ob der V okale” nannte. D eren „symbolische Bedeutung” offenbare sich „in W idersprüchen” u n d m ache so die M e h r­ schichtigkeit, ja W idersprüchlichkeit von Sprache und Leben hö rb ar. An die fü n f Vokale „in ihrer R einheit und in ihren T rü bungen, V erm ischun­ gen und D urchdringungen tragen die M itlaute die M annigfaltigkeit des Stoffes und d er Bewegung heran. D u rch wenige Schlüssel erschließt sich so die Fülle d er W elt, soweit sie sich dem O hre durch die Sprache offen­ b a rt” 33.

A uch das ist in H am anns Sinn gesprochen, und dessen den Unterschied von Vokalen und K onsonanten behandelnde Neue Apologie des BuchslabenhM ist - neben den „B rocken” und der Aeslhetica in nuce - ein Lieblingstcxt Jü n g e r35. D ie Neue Apologie, m eint Jünger im „L o b d er V okale” , sei ein „w underbares Schriftchen” , worin H am an n , „der sich a u f Buchstaben v erstan d ” , das H „als das Symbol und den fla u c h des G eistes” anspreche36. H am ann m eint den Geist Gottes. Jüngers Form ulierung schließt das nicht aus.

Geschichtlich gesehen, gehörten die N eue Apologie von 1773 und die

Z w ey Scherflein zur neuesten deutschen Literatur von 1780 zu einem „ o rt­

hographischen Z w e y k a m p f’3’, einer D iskussion über O rthographie und Phonologie. H am an n s G egner waren d er rationalistische Theologe Christian T o b ia s D am m und Friedrich G ottlieb K lopstock. D er Regensburger Sprach­ w issenschaftler H elm ut W eiß h a t soeben die Neue Apologie kundig erläutert: H am an n w andte sich gegen K lopstock, weil dieser - so W eiß — „eine au f der Phonologie basierende O rthographie” forderte, durch die das E tym on, die W ortw urzel, um d er verm eintlichen Eindeutigkeit und Zweckm äßigkeit willen häufig unkenntlich w ürde38.

D as H h atte C hristian T obias D am m als stum m en und daher unnötigen L au t bekäm pft, w as W eiß ais T opos der O rthographiereform en belegt30. D ie A ussprache allein, betonte schon H am an n , w ürde die Einheit einer Sprache aufheben und zu einer „orthographischen Sündflut” fü h ren 40. Als Beispiel fü h rt er zwei Zeilen eines K irchenliedes an:

33 L o b d er Vokale. In: Geheimnisse der Sprache. H am b u rg 1934, S. 46. - Im folgenden: LdV. 34 1773. N 111,89-108.

35 SV 111,422,28. A u gu st 1984; d o r t ausführlich über die „ N e u e A p o logie” . 36 LdV 8.

31 N 111,93.

3B H. W eiß, Von der H arthörigkeit der Buchstaben. J. G. Ham ann orthographische Prä-

dilectionen. ln : Außctärung als Problem und Aufgabe. Festschrift Ju r Sven-Aage Jörgensen. Hrsg.

v on K la u s B ohnen und Per Ö h rg aard . M ü n ch en /K o p en h ag en 1994, S. 77-88, hier S. 82 - Im folgenden: W eiß.

35 W eiß, S. 79. 40 N 111,94,35.

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E rn st Jün g er und Jo h a n n G eorg H am an n 7 5

D er d u Γύτ m ich gestorben Führ au ch m ein H erz und Sinn41.

D as H sei „Zeichen und Zeuge des schöpferischen A tem s, des göttlichen H auches, von dem das Leben der W elt ausgeht” 42.

W ie H am an n h ält Jünger die überlieferten L aute für unersetzlich, d a sinnstiftend. Es sei auch kein Zufall, m eint er, daß d er Philosoph, d er sich so für das flüchtige, körperlose, doch G eist m itteilende H ereifere, H a-m ann heiße. Jünger folgt hier dem Spieltrieb H am anns, der sich - in den Zweifeln

und Einfällen über eine vermischte Nachricht, der allgemeinen deutschen Bibliothek von 1776 - m it dem N am en H arsdörffer einen derben Scherz

erlaubte43.

11

D erartige Scherze entspringen der Neigung, vielschichtige V erhältnisse in eine F orm el zu fassen und den K ern zu benennen. So sind j a auch Titel wie Aesthetica in nuce bei H am ann oder H istoria in nuce bei Jünger zu verstehen44. W er den K ern hat, k an n die G attung, den Typus oder die G estalt sich entfalten lassen. D as G esetz wird zum Spiel in G eist und Sinn dessen, d er den Samen allenthalben findet.

D er alte G oethe sprach bei solchen Gelegenheiten von „sehr ernsten Scherzen” . Vielleicht d a rf m an diesen Satz auch a u f eine Form el anw en­ den, die sich in Jü n g e rs P a rise r T ag eb u ch u n ter dem 23. M ai 1942 findet:

„A lo m e + H am annsches H — A th o m e = A t ho m e” 45.

Einige K ritik e r stießen sich an dem scheinbaren U nsinn; derartiges solle m an nicht drucken lassen. Jünger m eint: Die kleinste Einheit d er Elemente solle erneut m it dem Geist des Schöpfers verbunden werden; d an n würde sie zum Baustein von H eim at. D a ß es Jü n g er m it diesem Scherz ernst war, geht aus dessen w iederholter E rö rteru n g und Verteidigung hervor; er war wohl auch Aesthetica oder Historia in nuce.

41 N lll,9 5 ,1 8 f.

42 J. N ad ler, Johann Georg Ham ann. 1730-1788. D er Zeuge des Corpus m ysticum . Salzburg

1949, S. 214. 43 N 111,184,37.

44 W ied erh o lt in d e r zweiten F assu n g des Abenteuerlichen H erzens (1937; S. 103, 128 und 212) und auch so n st g eb rau ch t. Im folgenden: A H II.

(13)

7 6 B ern h ard G ajek

12

F assen w ir zusam m en.

Zunächst: W as w äre geschehen, wenn der dreißigjährige E rnst Jünger n ich t a u f H a m a n n gestoßen w äre? H ä tte das einen F eh ler o d er eine Leerstelle in seinem G edankengebäude bewirkt? D ie F rage ist m üßig. M an sollte sich eher an Jüngers F reude am 139. Psalm erinnern: G o tt sieht den M enschen im M utterleibe und kennt seine Z ukunft. A uch das, was einer im Sinne h at, ist in G ottes H and. U nübersehbar ist: D as abenteuerliche

H erz von 1929 ist eine Initialschrift, die die Elem ente und Sam en von

Jüngers G esam tw erk in sich träg t46. Sie belegt etwas Ähnliches wie H am anns „Biblische B etrachtungen” , nämlich die E rneuerung im G anzen. D ie Schriften der Ja h re 1929 und 1930 n an n te Jünger den Ü bergang von seinem A lten zu seinem N euen Testam ent.

A uch in d er L eidenschaft des Suchens u n d Lesens ist Jü n g e r m it H am an n verw andt, und m an k an n eine Reihe weiterer psychologischer Ä hnlichkeiten ins Feld führen. D ie F ähigkeit etwa, aus einer Lesefrucht, aus B eobachtungen im persönlichen, gesellschaftlichen oder geschichtlichen Bereich G esetze abzuleiten und einen Zusam m enhang m it G rundsätzlichem zu dem onstrieren. H am an n wie Jünger entwickelten hierzu eine zum Bild strebende Sprache. H am ann trieb dies weiter als jeder andere deutschsprachige A u to r. Jü n g er spricht eher in Begriffen. A ber seine wichtigsten A u sd ru ck s­ und Erkenntnism ittel sind Figuren und Bilder, die er sorgsam , ja sys­ tem atisierend und - in G oethes Sinn - a u f A nschauung hin erläu tert - z.B. der „W aldgang” , die „Z eitm auer” , die „L inie” , der „U rsp ra n g ” und der „ G ru n d ” 47.

Beiden A u to ren gemeinsam sind ferner die Offenheit für Einfälle, die Liebe zum A perçue und die Fähigkeit zur aphoristischen F orm ulierung. D aß zu Jüngers wie H am anns W erk nicht nu r die Bilderreden, sondern auch deren Steigerung, die T räum e, gehören, sei hinzugefügt. In H am anns Leben w urden sie schicksalhaft, und in den „Biblischen B etrachtungen” wie sonst öffnen sich die T räg er d er Heilsgeschichte dem Z uspruch G ottes im T raum . Bei Jünger sind es m eist profane T raum inhalte; es w irkt sich die Befreiung aus, die die R o m an tik und die Psychoanalyse der T raum w elt zukom m en ließen. D a h e r geht Jü n g er über H a m a n n hinaus, was die schonungslose, selbstironische E ntblößung durch m itgeteilte T räu m e angeht. Schließlich ist die A nerkennung der A ngst u n d des T odes als wesentlicher

44 D a ra u f h a t M ichael K le tt in seinem V orw ort zur ersten Einzelausgabe des Abenteuerlichen

H erzens n a c h 1929 aufm erk sam gem acht; sie erschien S tu ttg a rt 1987, vgl. S. 9.

47 Ü b e r die Linie. 1950. W V, 245-288. - D er W aldgang. S tu ttg a rt 1951. - A n der Z eilm au er. S tu ttg a rt 1959. - Z um ganzen Problem vgl. auch T N G .

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E m s t Jün g er u n d Jo h a n n G eo rg H a m a n n 77

Lebenserscheinungen beiden gemeinsam; sie tragen zu dem dichten Psycho­ gram m bei, das sich von den A utoren wie ihrem Zeitbezug erstellen läßt.

D er zeitbezogene A spekt, der dam it angesprochen ist, bildet bei H am an n wie Jünger die Brücke zum Leser — ü ber die jeweilige G egenw art hinaus. D och ist sie vor allem gemeint — wenn auch m it M itteilungen, die - wie ein T rau m - entschlüsselt und gedeutet w erden m üssen.

Gleichwie der T räum ende m it seinem U nter- und U nbew ußten verbunden ist, so reiche die E xistenz des M enschen in einen rational nicht m ehr faßbaren G rund. Jünger erweitert dam it das Bild, m it dem H a m a n n das D enken des Sokrates und H eraklit beschrieb, zu einem M odell: der Z u sam ­ m enhang ist subm arin, und die Einzelnen sind wie Inseln tief, aber unsichtbar verbunden. A u f der V erbindung m it einem gem einsam en G rund beru h t die A nalogie zwischen M enschen oder Erscheinungen und dam it deren G em ein­ schaft.

Allein: A uch ein solches M odel k an n verschieden konkretisiert werden. G eh t es H am an n im m er um ein zu den W urzeln dringendes C hristentum , so zielt Jüngers begriffliches wie bildliches D enken a u f eine Vergewisserung d er Existenz. Christliches scheint oft n u r als A nschauungsm ittel zitiert zu w erden, ohne daß die V erbindlichkeit kirchlichen G laubens d ahinterstünde oder angestrebt würde. W enn auch die A chtung vor C hristentum und K irchen groß ist - läuft dies nicht a u f einen philosophischen G lauben im Sinne von K arl Jaspers hinaus? D o rt sollen W issenschaft, Philosophie und Theologie den überholten G egensatz von G laubens- und V ernunftserkenntnis aufheben können, wenn sie sich nicht m ehr absolut setzen48. H am an n h ätte diese A lternative nicht gelten lassen. W issenschaft und Philosophie, aber auch K u n st und D ichtung w aren ihm nu r theologisch zu erfassende P h ä ­ nom ene. Sein scheinbar systemloses D enken d urchdrang die Problem e seiner Z eit und legte den K ern angemessenen F ragens frei.

E rn st Jünger geht es um Ähnliches - um ein F ragen und D enken, das m it dem W ahrnehm en und E rstaunen über das Seiende beginnt. V ernunft ist auch ihm das O rgan, das vernim m t, was M enschen nicht wissen können. D aß es hier nur um Ähnlichkeiten gehen kann, versteht sich. D er Unterschied der Zeit m uß als wesentlich m it veranschlagt w erden. „ In dieselben Flüsse steigen wir und steigen w ir nicht, w ir sind und wir sind n ich t” , sagte H erak lit49. W as Jaspers m it R echt voraussetzt, ist die V erselbständigung des Wissens; es ist in dem R aum gewachsen, d er dem O ffenbarungsglauben abgenötigt w orden ist. W ir nennen das Säkularisierung oder P rofanierung und wissen, d aß dies ein weltgeschichtlicher V organg ist.

48 K . Jasp ers, D er philosophische Glaube angesichts der Offenbarung, M ü n ch en 1962. 49 D ie V orsok ratik er. G riechisch / D eu tsch. Ausw ahl d er Frag m en te, Ü b ersetzu n g und E rläu teru n g v o n J a a p M ansfeld, S tu ttg a rt 1987, S. 273, N r. 95.

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78 B ernhard G ajek

Jo h a n n G eorg H am an n h atte ihn erk an n t und um schrieben; m an findet schwerlich einen A u to r, der in ihn so tief eingedrungen wäre. F ü r E rnst Jünger ist H am an n eine wesentliche Leitlinie geworden, eine Orientierungshilfe für die Beschreibung von Geschichte, M ensch, K u n st u n d Religion. Seine Versuche ähneln denen H am anns, obw ohl er - im A lter - die F rag e, ob er C hrist sei, verneint h at. D as entw ertet seine ernstzunehm ende, nicht kirchlich sich bindende R eligiosität gewiß nicht. E rinnern wir uns an sein schönes W o rt, d aß F röm m igkeit „eine Beziehung zwischen w underbaren W esen” sei. D ie im m er wieder vorgebrachte F o rd e ru n g nach „neuen T h e­ ologen” u n d „neuer Theologie” k a n n auch den F achleuten zu denken geben. E r h a t dies alles ständig im Sinne und findet allenthalben A nstöße. „D ie T rennung zwischen Heils- und Profangeschichte ist unscharf gew orden” , schrieb er am 18. Juli 1977 ins Tagebuch; „d as Wissen h a t den G lauben überm annt. D ie W issenschaft strebt an, was der T heologie zu k am ” 50.

D am it sind w ir wieder ins H au s d er W issenschaft, die U niversität, zurückgekehrt, ohne das Problem gelöst zu haben. Ihm nachzudenken und O rientierungen anzunehm en, wie sie H a m a n n und Jü n g e r bieten, d as ist ein U nternehm en, das einen über die Em eritierungsgrenze hinaus beschäftigen kann.

B e r n h a r d G a je k

E R N S T J Ü N G E R I JO H A N N G E O R G H A M A N N

Jo h a n n G eo rg H a m a n n , filo zo f z K rólew ca, filolog o raz teolog (1730-1788) był nazyw any p rzez G oeth eg o „naju czeń szą głow ą swojego czasu” . Tw ierdził, że właśnie od niego „najw ięcej się nauczył” . D lateg o też zbierał i czytał jego pism a.

T o sa m o m o żn a pow iedzieć o sto su n k u E rn sta J u n g e ra (1895-1998) d o „ m a g a P ó łnocy” . U słyszał o n im p rzy p ad k o w o w ro k u 1924 od lipskiego d o c e n ia filozofii H u g o F ischera i o d tą d był H am an n em zafascynow any. Często pow oływ ał się n a niego w węzłowych miejscach tw órczości, ja k n p . w postaci m o tta z H a m a n n a w obu w ersjach swojej pierwszej p rac y Dos

abenteuerliche H erz (1929, 1938). T a k ż e dzięki H am annow i pow ziął p rzeko n an ie, że „w yrazistość

je s t słusznym podziałem m iędzy światłem i cieniem ” , ja k i to, że najw ażniejsze fenom eny nie są zjaw iskam i przyczynow o uszeregow anym i, m ożliwymi do o p a n o w a n ia p rzez człow ieka, lecz zjaw iskam i p o d p o w ierzchniow o pow iązanym i ze sobą. M o ż n a je p o p rzez analogię opisać w zbliżony sposób. Jü n g e r sta n ą ł tu ta j w jed n y m szeregu z H a m a n n em i G o eth em . P o d koniec swoich opu b lik o w an y ch d zienników (14.12.1995) nazw ał sw oją zn ajom ość z m agiem Północy „ n ieu n ik n io n y m ” i zaliczył go d o „budzicieli” , k tó rz y uform ow ali jego ch arak ter.

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