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Stahl und Eisen, Jg. 28, No. 9

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Leiter des technischen Teiles Dr.-Ing. E .S c h r f id t e r ,

G eschäftsführer des Vereins deutscher E isen-

hüttenleute.

K om m issionsverlag Ton A. Bagel-D össeldorf.

S T A H L Ü 1 E I S E N

ZEITSCHRIFT

Leiter des w irtschaftlichen Teiles

Generalsekretär Dr. W. B e u t n e r , Geschäftsführer der N ordwestlichen Gruppe des Vereins deutscher

E isen- und Stahl­

industrieller.

FÜR DAS DEUTSCHE EISENHÜTTENWESEN.

Nr. 9. 26. Februar 1908. 28. Jahrgang.

K r a n k e n k a s s e n u n d K r a n k e n f ü r s o r g e . *

V on K om m erzienrat M o r i t z B ö k e r in Remscheid.

I

ja s furchtbare A tten tat auf den greisen K aiser W ilh elm I. am Nachmittage des 2. Juni 18 78 w irk te w ie ein gew altiger B litz in dunkler und schw üler A tm osphäre; in grellem Lichte wurde die V erw üstung beleuchtet, welche die wilde A g itation der Sozialdem okratie in den 70 er Jahren im Gemüte des Volkes an­

gerichtet hatte.

Ich w ar zu fä llig in Berlin anwesend an jenem Nachm ittage und habe die Empfindung der lahmenden T rau er, die sich au f die ganze Bevölkerung leg te, noch heute in lebhafter E r­

innerung; die Straßen wurden leer und die Theater waren am Abend nicht besucht. In der Stille, die an jenem Abend überall herrschte, bemäch­

tigte sich jederm anns die Ueberzeugung, daß es so nicht w eiter gehen könne in der Verhetzung der verschiedenen G esellschaftsschichten; es reifte der Entschluß im Einzelnen wie bei der A ll­

gemeinheit, zur Besserung der Verhältnisse bei­

tragen zu helfen.

Diese Empfindung in unserem V olke fand ihren klaren Ausdruck in der denkwürdigen B otschaft des alten K aisers W ilhelm vom 17. N o­

vember 18 81 , durch die die deutsche Sozialpolitik eingeleitet wurde. In schneller Aufeinander­

folge entstanden die großen Volksversicherungen, Kranken-, U n fall-, A lters- und In validen -V er­

sicherung; sie sind heute für das w erktätige Volk durchgeführt.

Mit diesen Einrichtungen sind indes die sozialen Pflichten den unbemittelten Ständen gegenüber noch nicht erfüllt, aber die Rücksicht auf die U ngleichm äßigkeit der Verhältnisse und

* Vorgctragen vor dev Hauptversammlung dor Eisenhütte Südwest, Zweigvereines des Vereins dentscher Eisenhüttenleute, in Saarbrücken am 9. Februar 1908.

Hierdurch wird eine Reihe von Vorträgen über alle Gebiete der Arbeiterwohlfahrt und -fürsorgo einge­

leitet, die der Vorstand der Eisenhütte Südwest in dankenswerter W eise beschlossen und deren ersten Hr. Kommerzienrat Böker in freundlichem Entgegen­

kommen übernommen hatte. Die Redaktion.

IX„<

die .Leistungsfähigkeit der Industrie gebietet, mit den gesetzlichen Maßnahmen nicht allzu rasch vorzugehen, und so bleibt der privaten Initiative noch ein weites Feld in der W e ite r­

entwicklung der A rbeiterfü rsorge über die g e ­ setzlich festgelegte Mindestleistung hinaus gemäß der von unserem je tzig en K aiser geschaffenen L osu n g: ¿ W ir k e im Andenken an K aiser W ilhelm den G roßen “ .

D iejenigen, die mit dem w erktätigen V olke am unmittelbarsten in Berührung kommen, sind natürlich in erster Linie berufen, in diesem Sinne zu wirken, es sind das die W erk sleiter mit ihrem Stabe von Ingenieuren, M eistern und W ohlfahrtsbeam ten. Ich befinde mich in v o ll­

kommener Uebereinstimmung mit dem Vorstande Ihres V ereins, wenn dieser es für angebracht hält, in einer Reihe von V orträgen über Form und Geist der staatlichen und der sich daran anschließenden privaten W ohlfahrtseinrichtungen das Verständnis und das Interesse v or allem der Herren Ingenieure hierfür zu erwecken.

H r. D irektor W e i n l i g hat mich aufgefordert, die Reihe dieser V o rträ g e mit einem solchen über die K rankenversicherung und die daraus zu ent­

w ickelnde w eitere W ohlfahrtspflege zu eröffnen;

indem ich diesem W unsche gerne nachkomme, möchte ich Ihnen nun keine A uslegung des Ge­

setzes und seiner Einzelbestimm ungen geben, sondern Ihnen lediglich einige Beobachtungen und Erfahrungen über die W irku ngen des G e­

setzes, namentlich in bezug auf die augenblicklich sehr im Vordergründe des Interesses stehende A r z t­

frag e, mitteilen, und die A rt, wie sich in meinem engeren Heirnats- und persönlichen W irk u n g s­

kreise die private W eiterbildu n g der Fürsorge für die erkrankten M itglieder der Krankenkasse und ihrer A ngehörigen g estaltet hat. Haupt­

sächlich kommen die Verhältnisse der K lein- industrie in F rage. Ich muß allerdings fürchten, daß vielen von Ihnen nichts Neues gebracht w ird, aber vielleicht gibt Ihnen die eine oder

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290 Stahl und E isen. Krankenkassen und Krankenfürsorge. 28. Jn hrg. N r. 9.

andere M itteilung doch eine willkommene A n ­ regung.

D ie K rankenversicherung w ar im W esten der M onarchie nichts Neues, in den alten Industrie­

zentren bestanden sow ohl für einzelne W erk e w ie auch für eine Gesamtheit von Erzeugungs- stätten Hilfskassen fiir den F all von Krankheit und T o d der M itglieder. Im B ergischen Lande g ib t es Hilfskassen, sogenannte „Sterbeladen“

(in Rem scheid allein 42 mit 40 0 0 0 M itgliedern und ‘ /j M illion M ark V erm ögen), die w eit über 100 Jahre alt sind und heute noch sehr stark von der B evölk erun g benutzt w erden.

Die bei E rlaß des G esetzes über die Kranken­

versicherung bestehenden Kassen mußten sich den Bestimmungen des G esetzes gem äß um­

gestalten, die bereits angesammelten Verm ögens­

bestände wurden entw eder der umgestalteten Kasse überwiesen oder als besondere private H ilfs­

fonds w eiter verw altet. Das letzte w ar wohl das K lü gere, da die A erztesch aft häufig auf die hohen Rücklagen mit dem Bemerken hingewiesen hat, daß dieselben zum T e il aus ihnen ent­

gangenem Lohne beständen. D ie aus privater In itiative hervorgegangenen Kassen waren in der R eg el von dem W erk sle iter selbst oder einem durch ihn ernannten Beamten in V e r­

trauensstellung und einer Anzahl ernannter oder gew ählter Versicherten v e r w a lt e t; ein M iß- klang in dieser V erw altun g war nie bekannt gew orden.

D er G esetzgeber hat darum seinerzeit auch nicht daran gedacht, daß die den Versicherten zu gebilligte M ajorität in der Selbstverw altung zu einer mißbräuchlichen Anw endung derselben, zu anderen als den beabsichtigten Zw ecken der E inrichtung führen könnte. In den B etriebs­

krankenkassen sind die Verhältnisse im allge­

meinen auch so geblieben, wie sie in den früheren Kassen der W e rk e bestanden; in den für eine Gesamtheit von A rbeitsstellen errichteten Orts­

krankenkassen oder den Kassen für bestimmte B erufsarbeiten haben die Verhältnisse aber eine vom G esetzgeber nicht vorhergesehene R ichtung angenommen. D ie politische O rganisation der Sozialdem okratie hat sich der W ahlen bemäch­

tigt und die K assenvorstände mit ihr ergebenen Personen besetzt, welche die den A rbeitgebern gegenüber eingeräumte M ajorität von 2/s gegen 1j»

dazu w eiter benutzen, alle bei der Kasse zu v e r ­ gebenden A em ter nur zuverlässigen P artei­

genossen zu übertragen. D er Umstand, daß kein Beamter der Krankenkasse, selbst der R en ­ dant nicht, einer Bestätigung durch die Behörde unterliegt, hat an manchen Stellen zu recht schlimmen Entgleisungen geführt. Zu einem Einschreiten gegen die Kassen fehlt der Behörde die gesetzlich e Handhabe zw ar nicht, aber in jedem Falle w ird ihr solches durch die sozial­

dem okratische M ajorität der Generalversammlung

äußerst sch w ierig und im höchsten Grade un­

dankbar gestaltet.

Die Verw altungskosten der Ortskrankenkassen wurden meist recht hoch, man suchte daher die Kassen durch Ersparnisse an den Ausgaben für A r z t und A potheke leistungsfähig zu erhalten.

Es soll nicht geleugnet w erden, daß seitens der A e r z te anfangs gar zu freigiebig in Verw endung von H eilm itteln verfahren wurde, und es g e ­ boten w ar, dagegen einzuschreiten. D as V o r ­ gehen mancher V orstände von Ortskrankenkassen gegen die A e rzte w ar indes nicht zu recht- fe rtig e n ; in ihrem M achtbewußtsein gestalteten sie Bezahlung und Behandlung der A e rzte zu einer tatsächlich unwürdigen, was im Jahre 1898 bei den Rem scheider A erzten den einmütigen Entschluß reifte, durch E instellung der D ienst­

leistungen das Joch abzuschütteln. D ie N ot der A e rzte den sozialdem okratischen Vorständen der Ortskrankenkassen gegenüber gebar den „L e ip ­ zig er Verband der A e r z te “ .

D ie Rem scheider Ortskrankenkasse konnte damals den Schlag der A e r z te abwehren durch Einstellung von beamteten Kassenärzten. D och w ar die Arbeiterschaft mit der E ntw icklung der D inge durchaus nicht allgem ein einverstanden, denn die V ersicherten w ollten sich nicht jeden ju n gen A r z t aufzw ingen lassen und lieber die alten A erzte ihres Vertrauens behalten. A u f A n regu ng des B ergischen F abrikan ten -V erein s machte eine g ro ß e Anzahl Unternehmer von ihrem gesetzlichen R ech te G ebrauch, eigene B e­

triebskassen zu gründen; sie machten sich stark für die an die Ortskrankenkasse zu überlassen­

den B eträge der R ü cklage und erklärten sich mit einer schrittw eisen A u fbesserun g des H on o­

rars für die A erzte einverstanden. Um den vielen kleineren W erk en , die mit einem ein­

fachen V erw altungsapparat arbeiten, die G rün­

dung und V erw altun g der eigenen Kasse zu er­

leichtern, bildete sich eine V erein igun g der V erw altungen der Betriebskassen unter Führung zw eier g röß erer W e r k e , die sämtliche erford er­

lichen Arbeiten gemeinsam und einheitlich für alle erledigten. Es wurden 29 neue B etriebs­

kassen gegründet, die der Ortskrankenkasse Tausende von M itgliedern entzogen.

Mit diesem Schritte hat das Unternehmertum den A erzten jedenfalls einen großen D ienst er­

wiesen, denn dieselben erlangten damit den V o r ­ teil, daß ihnen erstens das für jen e M itglieder zu zahlende H on orar erhalten b lie b , und daß zw eitens eine entsprechend geringere Anzahl A erzte nach Rem scheid g e zogen wurde, da diese über kurz oder lang alle in die freie P raxis übergegangen sind. Mit der gew altigen E rstar­

kung der Organisation der A erzte in den A erzte- kammern, O rtsvereinen und dem L eip z ig e r V e r ­ bände haben dieselben diese E ntw icklung der D inge v e rg e ss e n ; in der an sich durchaus be­

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26. F ebru ar 1908. Krankenkassen und Krankenfürsorge. Stahl und E isen. 291

rechtigten A bsicht, die Organisation nicht allein zur Besserung ih rer sozialen Stellung den Kassen gegenüber, sondern auch zur Besserung ihrer Lage in m aterieller Beziehung zu benutzen, hat die Aerzteschat't nach und nach eine sehr schroffe Stellung nicht allein den Ortskrankenkassen, sondern auch den Betriebskrankenkassen gegen ­ über eingenomm en; es sah eine Zeitlang so aus, als wenn der L eip zig er Verband, nachdem man die „F reie A rztw a h l“ allgemein durcligeführt hatte, zu dem Schlage ausholen w olle, nunmehr sogar die Bezahlung nach Einzelleistungen zu verlangen.

Gegenüber dem V orgehen der A erzteorgan i- sation, die auch in der G esetzgebung Einfluß zu gewinnen sucht, mußten die K assenverwaltungen auch einen g röß eren Zusammenschluß austreben;

die Verw altungen der Betriebskassen haben daher vor kurzem in B erlin den „V erband zur W a h ­ rung der Interessen der deutschen Betriebs­

krankenkassen“ gegründet und zur V ertretu ng und Förderung der Betriebskrankenkassen-Inter- essen sich ein eigenes Organ, die in Essen er­

scheinende H albm onatsschrift: „D ie B etriebs­

krankenkasse“ , zu gelegt.

Es gew innt den Anschein, als wenn diese Gegenorganisation bew irkt, daß man die be­

sonneneren Elemente in der A erztesch aft w ieder zu W o r t kommen la ß t; w ir konnten wenigstens die erfreuliche W ahrnehmung machen, daß cs von der F orderu n g der Bezahlung nach Einzel- leistungen plötzlich stille wurde.

Bei uns in Rem scheid sind die V ertrüge mit den A crzten unter Zugrundelegung des bisherigen Pauschalsatzes (von 4 J(> für das unverheiratete und 12 J(i für das verheiratete M itglied) v er­

längert w orden, allerdings mit der Bestimmung, daß Nachtleistungen nach den Mindestsätzen der Medizinaltaxe zu bezahlen sind. Ich möchte nun ausdrücklich bem erken, daß nach meinen Erfah­

rungen die Zahlung nach Einzelleistungen über­

haupt ausgeschlossen ist, jedenfalls würden alle Kassen sofo rt die Gewährung des freien A rztes an die A ngehörigen der M itglieder fallen lassen müssen.

Meine F irm a hatte lange v or Einführung der staatlichen K rankenversicherung eine K ranken­

kasse für ihre A ngestellten und A rbeiter einge­

richtet, der auch diejenigen A ngestellten ange­

hörten, die mehr als 2 0 0 0 J6 Jahreseinkommen hatten, da ja diese U nterscheidungsgrenze erst durch den staatlichen V ersicherungszw ang ent­

standen ist. D iese Beamten mit einem Einkom­

men von mehr als 2 0 0 0 JK> hatten das gesetz­

liche R ech t, in der staatlich eingerichteten Kasse als freiw illige M itglieder zu verbleiben , und machten davon auch Gebrauch. Nun führten später die A e rzte vielfach darüber Beschwerde, daß sie die besser gestellten Beamten zu den billigen Pauschalsätzen behandeln müßten, die

doch nur den Mindergelöhnten zugute kommen sollten. Um den A erzten entgegenzukom men, gründete meine Firma 1899 eine Beamten- Krankenkasse lediglich zur V ersicherung gegen die Ausgaben für A r z t und Apotheke und zur D eckung der Beerdigungskosten in Form eines Sterbegeldes.

Die A erzte verlangten die Zahlung nach E inzelleistung, wie üblich bei Leuten in einer Lebenslage gleich der unserer Angestellten. Im ersten Jahre betrug das A erzteh on orar bezw . die Ausgabe für die A erzte 19 JC für den V ersicherten, stieg dann rasch und hat heute den Satz von über 50 J(, für den Versicherten und das Jahr erreicht. Die E rklärung hierfür ist darin zu erblicken, daß das Maß ärztlicher H ilfeleistung an sich unbeschränkt ist, und wenn V ersicherte w ie A erzte kein Interesse daran haben, dieselbe in vernünftigen Grenzen zu halten, so wachsen die Ausgaben eben ins Unerschwingliche. Auch unter den A erzten mehren sich heute die Stim­

men, dio auf die AVirkungen der freien A r z t­

wahl in obigem Sinne hinweisen.

Es ist zu hoffen, daß die besonneneren E le­

mente unter den A erzten den L eipziger Verband veranlassen, in ein ruhigeres Fahrw asser einzu­

lenken, damit nicht allein die anfänglichen und späteren obligatorischen und fakultativen B e­

stimmungen des Gesetzes durchgeführt, sondern auch unter M itwirkung der A rbeitgeber eine w eitere Ausbildung der A rbeiterfü rsorge erm ög­

licht werden kann. In erster Linie gehört hierzu ein harmonisches Zusammenarbeiten von A erzten und Kassen Vorständen, dem hoffentlich sich nichts mehr in den W e g stellt, nachdem die A e rzte sich eine Position erkämpft haben, die in sozialer und materieller Beziehung gegen früher sehr bedeutend gebessert erscheint.

Ich wende mich je t z t derjenigen Fürsorge zu, die im Anschluß an die E rw eiterung der gesetzlichen Bestimmungen dringend wünschens­

w ert, aber vorläufig der privaten In itiative über­

lassen ist. Ich nehme hierbei an, daß die Aus­

dehnung der unentgeltlichen ärztlichen H ilfe auf die A ngehörigen ziem lich allgemein bereits in die Satzungen der Kassen aufgenommen ist.

Zahlreiche Kassen meines Bezirkes gewähren bei Erkrankung der Angehörigen die H älfte der Arzneikosten. Solche ganz frei zu geben, halte ich für verfeh lt, da die erforderliche AVert- schätzung der H eilm ittel nur durch die A nteil­

nahme an deren Bezahlung gesichert bleibt.

Die sich auf die gesetzlichen Bestimmungen aufbauende w eitere private F ü rsorge ist nun zu unterscheiden in solche, w elche die einzelne Kasse zu leisten verm ag, und in solche, welche nur die Gemeinsamkeit eines größeren Bezirkes schaffen kann. Für A ufgaben in letzterem Sinne ist bei uns im Jahre 18 86 der „B erg isch e V e r ­ ein für G em einw ohl“ geschaffen w orden, dem

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292 Stahl und Eisen. Krankenkassen und Krankenfürsorge. 28. J a h rg . K r. 9.

einige Jahre später der „Linksrheinische V ere in “ g e fo lg t ist. In derselben Richtung ist der vor kurzem ins Leben gerufene „V erein fü r Säug­

lin gsfü rsorge im R egierungsbezirk D üsseldorf“

zu nennen.

W a s nun zunächst die dem einzelnen W erk e von beschränktem Umfange m öglichen Leistungen anbelangt, so kann die K rankenfürsorge außer­

ordentlich erw eitert werden dadurch, daß dem Vorstande Krankenschwestern unterstützend zur Seite treten. D ie K osten für eine Schwester dürften sich einschließlich W ohnung und V er­

pflegung auf etw a 12 00 jK> im Jahre belaufen, ein B etrag, der in A nbetracht der segensreichen W irku ngen gew iß nicht g ro ß in die W a g - schale fällt.

M it H ilfe der K rankenschw ester kann eine sehr w ertv o lle Einrichtung geschaffen werden, das ist die W öchnerinnen- und die Krankenpflege in den Fam ilien, Die W öchnerinnenpflege be­

zw eck t nicht nur die Pflege der W öchnerinnen, sondern auch deren vollständige Entlastung von der Pflege ihrer K inder und der V ersorgu n g ihres H aushaltes; die Dauer dieser Pflege ist in der R eg el au f 10 T a g e festgesetzt. Zu den größten Schäden der Volksgesundheit gehören unzw eifelhaft die mit dem mangelhaften W och en ­ bett zusammenhängenden Frauenkrankheiten; in der Verhütung derselben durch die W öchnerinnen- pflege lieg t nicht nur eine g roß e w irtschaftliche Ersparnis für den Fam ilienvater, sondern selbst eine solche für die Krankenkasse. Die Pflege w ird ausgeübt durch Frauen mit der nötigen E rfahrung und den erforderlichen Eigenschaften, ihre Ausw ahl und Beaufsichtigung erfolgt durch die K rankenschw ester. Verbandstoffe, Bade­

wannen, Desinfektionsm ittel liefert das D epot in der Unfallstation des W erk es. D ie Pflegerinnen werden in erster Linie aus A ngehörigen der A r ­ beiter (A rbeiterw itw en zumeist) entnommen, sie erhalten bei freier Beköstigung einen Tagelohn von 2 J(>. D er Fam ilienvater beteiligt sich an den K osten der Pflegerin mit 0 ,2 5 bis 1 M , täglich, je nach seinem Verdienst. D ie Pflege­

rinnen werden in gleich er W eise den A rbeiter­

familien zur V erfügu ng gestellt in Fällen, wo schwerkranke Frauen dem Haushalte nicht vor­

stehen können und eine andere Hilfe von dem Ehemann nicht beschafft werden kann.

Anschließend an die W öchnerinnenpflege ergibt sich eigentlich von seihst die F ü rsorge für die Säuglinge. D er in D üsseldorf gegründete Verein für Säuglingsfürsorge kann selbstredend nicht die eigentliche Pflege ins A uge fassen; er w ill und muß sich darauf beschränken, die Ursachen der großen Säuglingssterblichkeit festzustellcn, die Abw ehrm ittel au f wissenschaftlichem W e g e zu finden und fü r eine sachgemäße Anwendung derselben und Pflege im einzelnen zu agitieren.

D iese Pflege im einzelnen schließt sich an die

W öclinerinnenpflege an. W e r diese in Anspruch zu nehmen beabsichtigt, und das geschieht bei 25 °/o der Geburten in unseren Arbeiterfamilien, hat das zu erwartende E reignis eine Zeitlang vorh er bei der Schw ester oder au f dem W oh l­

fahrtsbureau anzuzeigen, damit eine Pflegerin vorgem erkt w ird. Es kann dabei der Familie schon ein kurz gehaltenes M erkblatt für ihr Verhalten eingehändigt w erd en ; während der W och en zeit gibt die Pflegerin ihren Rat, und später kann dann die M utterberatungssteil in Anspruch genommen w erden, die am besten bei der Krankenschwester eingerichtet w ird, w o ein dazu bestimmter A r z t seine regelm äßigen Sprech­

stunden abhält. In erster L in ie w ird darauf zu sehen sein, daß natüx-liche Ernährung des Kindes durchgeführt und eventuell durch Ge­

währung von Stärkungsmitteln an die Mutter als Stillprämie erm öglicht w ird ; in zw eiter Linie muß, wenn das ausgeschlossen ist, die zw eck ­ m äßige Ernährung des Kindes vorgeschrieben werden und das dazu E rforderlich e nötigen­

falls unter V erzich t au f ganze oder teilw eise Bezahlung abgegeben w erden. In der Haupt­

sache wird es sich hierbei um einwandfreie, m öglichst tuberkelfreie M ilch handeln. Meine Firm a hat dieselbe in folgender W e ise besch afft:

V o r mehreren Jahren machte sich, namentlich bei unseren Feuerarbeitern, das Bestreben geltend, die alkoholischen G etränke durch M ilch zu er­

setzen. W ir sind diesem W unsche nachgekom ­ men, haben eine vollkomm en ein gerichtete M ilch­

küche geschaffen und die Abgabe von Milch in drei Ausschankstellen mit Frauenbedienung auf dem W erk e organisiert. D er E r fo lg ist ein außerordentlicher gewesen, es w ird je t z t schon sehr viel M ilch anstatt B ier getrunken. W ir haben nun diese M ilchanstalt in der F orm er­

w eitert, daß w ir nicht nur Milch zum direkten Genuß im W erk , sondern auch in Flaschen für die A ngehörigen abgeben, desgleichen für Säug­

linge keim freie Säuglingsm ilch.

Ich habe bereits angedeutet, daß in unserem B ezirke der „ B e r g i s c h e V e r e i n f ü r G e ­ m e i n w o h l “ bestrebt is t, durch gemeinsame Besprechungen anregend für seine sozialp oliti­

schen Bestrebungen in den Kreisen der Freunde und Gönner der unbemittelten w erktätigen Klassen zu wirken, sow ohl in sittlicher w ie w irtsch aft­

licher Beziehung. Um von dem heutigen Thema nicht zu w eit abzuschweifen, will ich mich auch hier beschränken au f eine ku rze D arstellung dessen, was zur Sicherung und Pflege der Gesundheit der A rbeiter und ihrer Familien bisher geschehen ist. In dieser Beziehung ist der Verein v o r ­ bildlich gew orden. So sind seiner A nregung zu folge und unter seiner Führung bei gleich ­ zeitiger finanzieller M itw irkung der Lan desver­

sicherungsanstalt der Rheinprovinz und einer großen Anzahl von Stiftern aus begüterten F a ­

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26. F ebru ar 1908. Krankenkassen und Krankenfürsorge. Stahl und E isen. 293

milien und A rbeitgebern des Bergischen Landes die Lungenheilstätte für Männer in H onsdorf (14 0 Betten) und die F rau en -N erven h eilstätte in R oderbirken (ebenfalls über 140 Betten) mit einem K ostenaufwande von etw a l 3/* Millionen Mark entstanden. G eplant ist eine Mitnner- Nervenheilstätte in D abringhausen mit etwa 1 Million Mark Baukosten und beschlossen der Bau einer Lungenheilstätte für K inder mit 100 Betten, die rund 3 0 0 0 0 0 J b erfordern wird.

In diese Anstalten werden die bei den Orts­

gruppen des B ergischen Y ereins fü r Gemeinwohl sich meldenden K ranken- und Invalidenversiche- rungspflichtigeu und deren A n gehörige gelegt.

Aber nicht allein in diese H eilstätten, sondern auch in eine g ro ß e Anzahl anderer L uftkurorte.

Thermal-, See- usw. Bilder werden Pfleglinge verschickt.

Iu R e m s c h e i d hat sich zuerst d i e F a ­ h r i k k r a n k e n k a s s e m e i n e r F i r m a in V er- bindung mit der Landesversicherungsanstalt der eben besprochenen Sache angenommen, ihr folgte kurz darauf der „ V e r e i n z u r F ü r s o r g e f ü r k r a n k e A r b e i t e r “ , der im Jahre 1 8 9 8 g e ­ gründet w urde und der heute au f eine e rfo lg ­ reiche zehnjährige T ä tig k eit zurückblickt.

Alljährlich v o r Beginn des Sommers beginnt die Hauptarbeit dieses Vereines. Den Kassen­

ärzten oder Krankenkassen, denen die A u s­

sendung eines L u ngenkrankverdächtigen, eines Rekonvaleszenten oder einer mit einer anderen Krankheit behafteten Person in einen zw eck ­ entsprechenden K ur- oder B adeort notw endig erscheint, lie g t es ob, solche Personen zur M el­

dung bei der G eschäftsstelle des Vereines zu veranlassen; es melden sich auch natürlich eine große A nzahl von selbst. V on allen w ird g e ­ fordert ein ärztliches A ttest, das sich der Verein vom behandelnden A r z t beschafft. Eine Ober­

begutachtung e rfo lg t dann noch durch den V er­

einsarzt. D ie zur Aussendung Erwählten werden, wenn sie die Bedingungen der Landesversiche­

rungsanstalt erfüllt haben, dieser zur Ueber- nahme der K urkosten für das durch den Verein einzuleitendc H eilverfahren durch Ausseudung empfohlen. F ü r diejenigen Pfleglinge, welche nur krankenversicherungspflichtig sind, steuert die Krankenkasse bei Ledigen das zuständige Krankengeld zu den K urkosten bei, während sie bei Verheirateten dasselbe den Familien als Unter­

stützung überläßt. W o aber geldliche Beihilfen der staatlichen A rb e ite r-V e rs ich e ru n g s-O rg a n e nicht zuständig sind, w ie z. B . bei den Familien­

angehörigen, oder wenn die Landesversicherungs­

anstalt die Uebernahme der Kosten ablelmen muß, dann tritt der V erein fü r die Kurkosten und für die Fam ilienunterstützung g a n z a l l e i n ein. D ie K urkosten werden heute durchweg auf etw a 2 4 0 Ji. für den Pfleglin g oder 5,7 5 J I für den T a g veranschlagt. Die Familienunter­

stützung beläuft sich auf täglich 1,2 0 JÙ für die Ehefrau und steigert sich je nach der Anzahl der zu unterstützenden K inder bis au f 3 ,6 0 J i . Daneben w ird unter Umständen die Miete gew ä h rt;

im N otfälle w ird der K urbedürftige auch mit K leidern und W äsche ausgestattot. Als K urorte kommen neben den genannten H eilstätten in Frage Lippspringe (W e s tf.), K önigsborn, Godesberg, H onnef und R h ön dorf a. R h ., Neuenahr, Nau­

heim, K reuznach, W ildungen, Aachen-Burtscheid, Oeynhausen, Insel Juist u. a.

Es kamen von Remscheid im Jahre 1906 zur Aussendung 97 Männer, 42 Frauen, zu­

sammen also 139 Personen von 2 2 9 , die sich gemeldet hatten. Sow eit eine Kur überhaupt nicht notw endig war, wurden die B ew erber ab- gewiesen, der R est der nicht ausgesandten P e r ­ sonen wurde, wenn es unheilbare Lungenschw ind­

süchtige w aren, der W oh lfah rtsstelle für chronisch Lungenkranke überwiesen — au f diese komme ich noch zurück — , ein anderer T eil erhielt au f vier bis acht W ochen sehr reichlich be­

messene warme M ittagskost. D ie Mittel dazu stiften Freunde und Gönner der Sache als V er­

einsm itglieder, sow ie Krankenkassen; ferner steuert die Stadt aus den städtischen Sparkassen- überschiissen zu.

Die den Vereinen erwachsenden K urkosten für Invalidenversicherungspflichtige ersetzt die Landesversicherungsanstalt. Sie werden fragen, was w ird damit erreich t? Zunächst hat. die Landes Versicherungsanstalt ein wirtschaftliches Interesse daran, die Zahl der Invalidenrentner m öglichst niedrig zu halten; sie erreicht es, indem sie versucht, die A rbeitsfähigkeit der er­

krankten und erwerbsunfähigen Versicherten durch vom F ü rsorgeverein durchgeführte H eil­

verfahren wiederherzustellen und die In validi­

sierung der Versicherten auf Jahre hinauszu­

schieben. D er Verein w ill dasselbe, läßt sich aber dabei mehr vom Humanitätsgefiihl leiten, er w ill der kinderreichen Familie den Familien­

v ater so lange wenigstens erhalten, bis die K inder selbst etwas verdienen können, bei Ehefrauen den kleinen, noch m ütterliche Pflege erheischen­

den Kindern die fürsorgende und unentbehrliche Mutter, bei ledigen jungen Leuten den alters­

schwachen Eltern oder kleinen Geschwistern den Ernährer oder die Stütze. D esw egen werden einzelne Leute v ier Jahre lang hindurch all­

jä h rlich au f vier bis sechs W och en ausgeschickt.

Solche Kuren tun W under.

In ähnlicher Richtung wie der Verein zur F ü rsorge für kranke A rbeiter arbeitet die „ W o h l ­ f a h r t s s t e l l e f ü r c h r o n i s c h L u n g e n k r a n k e “ in Remscheid in Verbindung mit dem städtischen T uberkulose-Fonds. D ie W oh lfah rtsstelle ist eine Nachahmung der in Frankreich und Belgien sich bestens bewährenden „dispensaires anti­

tuberculeux“ . D ie W oh lfah rtsstelle w ill in der

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2 9 4 Stahl und E isen. Krankenkassen und Krankenfürsorge. 28. J a h rg. X r. 9.

Tuberkulosebekäm pfung vorbeugend wirken, in­

dem sie die W eiterverb reitu n g der Lungen­

schwindsucht durch Ansteckung von unheilbaren Lungenkranken verhüten w ill. Eine K aisers- w erther Diakonissin besucht die Familien in den W ohnungen, belehrt den Kranken, w ie er seine A n gehörigen v or Ansteckung zu bewahren hat. bändigt Speifläschchen und Zahnbürste usw., sow ie das Tuberkulose-M erkblatt dem Kranken aus, erm ittelt die wirtschaftlichen Verhältnisse, die W olinungs- und Schlafgelegenheiten, prüft die U nterstützungsfrage und veranlaßt, daß sich der K ranke und die lungenkrank verdächtigen F a ­ milienmitglieder in der W oh lfah rtsstelle bei dem V ertrauensarzt zur Untersuchung vorstellen. B e­

dürftige werden mit Essen und mit M ilch unter­

stützt. Fehlen Betten, so werden sie beim Tuber­

kulose-Fonds verm ittelt, B ettzeug stellt die W oh lfah rtsstelle. Ist H eilung zu erwarten, so w ird die K ur beim V erein zur F ü rsorge für kranke A rbeiter oder beim Tuberkulose-Fonds eingeleitet. Ein Arbeitsausschuß der W oh lfah rts­

stelle, in welchem der Remscheider Verein für Gem einwohl als der finanzielle T rä g er der Stelle, sow ie die Frauen vereine, die Armen V e r w a l t u n g

und der W oh ltätigkeitsverein vertreten sind, leitet g röß e re H ilfsaktionen ein, wo unverschuldet Not in den tuberkulös verseuchten Familien vorliegt.

In der W ohlfahrtsstelle werden auch die von den Schulärzten als lungenkrankverdächtig be­

fundenen K inder und die von der M ilitär-Ersatz- kommission bei der M usterung als lungenkrank ausgemusterten M ilitärpflichtigen untersucht und für alle diese Personen eventuell ein H eilver­

fahren in einer Lungenheilstätte beim Tuber­

kulose-Fonds, bei den Vereinen für Ferienkolonien oder dem Verein zur Fürsorge fü r kranke A r ­ beiter eingeleitet. li)0 7 passierten die W o h l­

fahrtsstelle etw a 2 0 0 Familien. D ie Kosten für die W ohlfahrtsstelle werden aus den Zinsen eines Stiftungskapitals, den Beiträgen von Freunden und Gönnern der Saclte aus B ü rger- und A rbeit­

geberkreisen, von der Landesversicherungsanstalt und den Krankenkassen bestritten. D ie Stadt spendet einen Zuschuß und dotiert aus Sparkassen­

überschüssen den Tuberkulose-Fonds. Die Kosten zu r ersten Einrichtung der W oh lfah rtsstelle und der mit ihr verbundenen B akteriologischen Unter­

suchungsstation brachte die B ürgerschaft und das deutsche Zentralkom itee zur Bekämpfung der Lungentuberkulose auf.

A ls drittes Glied in der K ette der T u ber­

kulosebekämpfung steht der erwähnte T u ber­

kulose-Fonds. E r bringt lungenkranke Schul­

kinder und die jugendlichen Personen zur Aus­

sendung; er hilft mit B e tte n , W äsche und Kleidungsstücken aus und wendet dafür jährlich namhafte B eträ ge auf.

D ie Vereine für Ferienkolonien habe ich schon g estreift, sie senden skrofulöse Schul­

kinder in S olbä d er; sie w erden von der Bürger­

schaft und der Stadt unterstützt, jed es Kind erfordert etw a 60 J i K urkosten.

D ie K rankenfürsorge ergänzen die Frauen­

vereine, der Verein vom Koten K reuz und der Vaterländische Frauenverein und zw ar durch H ergabe von M ittagessen und anderen Nahrungs­

mitteln, W äsch e, Bekleidungsstücken, Brenn­

materialien, G estellung von Krankenpflegen (Nachtwachen) durch Kaiserswert.lier Gemeinde­

schwestern usw. W o es not tut, springt auch der W oh ltätigkeitsverein und der Unterstützungs­

fonds des Presbyterium s ein.

Hiermit glaube ich das mir gestellte Them a:

„D ie A rbeiter-K rankenversicherung und die sich daran anschließende private F ü rs o rg e “ sow eit be­

handelt zu haben, als es die mir zugewiesene Zeit gestattet.

A u f die anderen G ebiete der W oh lfah rts­

pflege näher eiiizugehen, lieg t nicht im Rahmen meines heutigen V o rtra g e s, sie sollen, wie ge­

sagt, späteren Gelegenheiten V o r b e h a l t e n bleiben;

ich glaube indes meinen Ausführungen einige allge­

meine auf das G esam tgebiet der W ohlfahrtspflege bezügliche Bemerkungen anschließeu zu dürfen.

Ich empfehle, die A rbeiter zu den vom A r ­ beitgeber freiw illig übernommenen, d. h. über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgehenden W ohlfahrtseinrichtungen mit B eiträgen n i c h t heranzuziehen. Dadurch werden A n w a rtsch a ften , nicht aber R echte geschaffen ; bei L ösu n g des A rbeitsverhältnisses können von den A rbeitern keine Ansprüche an die bestehenden Kassen g el­

tend gemacht werden, es können also auch keine Streitigkeiten entstehen. Ich habe gefunden, daß die M öglichkeit des V erlustes der A n w art­

schaft an w ohlgefüllte Hilfskassen, w ie er durch das Eingreifen der A rbeiterorganisation in das A rbeitsverhältnis und durch eine aufgedrungene Unterbrechung desselben entstehen kann, die A r ­ beiter den Nutzen der O rganisation und ihre Zu­

gehörigkeit zu derselben kritischer betrachten läßt, als es sonst der F all ist. Es können ja V e r ­ hältnisse eintreten. w o der K am pf mit der Or­

ganisation so h eftig w ird, daß die G ewährung von W ohlfahrtseinrichtungen als Kam pfm ittel benutzt w ird ; so habe ich an einigen Stellen in Am erika gefunden, daß man sich dem T e r ro r is­

mus der Arbeiter V e r e i n i g u n g e n durch solche be­

dingte W ohlfahrtspflege zu entziehen sucht,. So schlimm ist es in Deutschland wohl noch nicht, w ir haben im allgemeinen einen viel g leich ­ artiger zusammengesetzten und seßhafteren A r ­ beiterstamm, mit dem der A rbeitgeber sich au f den Standpunkt stellen darf, daß er seinen A n ­ gestellten in allen N otlagen sich hilfsbereit zeigt.

und dafür ein treues Aushalten bei ihm und mit ihm erwarten kann.

Ich glaube im übrigen bestimmt, daß unsere g roßen Volksversicherungen und die daran an­

(7)

20. F ebruar 1908. Ueber die Phosphorbestimmung im Stahl. Stahl und Eisen. 295

geschlossenen, au f die W oh lfa h rt der A rbeiter,

„d. h. auf die Sicherstellung der A rbeiter in den Notlagen des L eben s“ gerichteten B estre­

bungen die A rbeitsfreudigkeit und A rbeits­

leistung erhöhen und daß sie nicht nur g e ­ eignet sind, die sozialen G egensätze zu mildern, sondern auch die Leistungsfähigkeit der deutschen Industrie zu steigern.

Die politische O rganisation der A rbeiter, d. h. die Sozialdem okratie, hat sich durch ihre Forderung von Unmöglichem von je h e r außerhalb jeder M itwirkung an der positiven A rbeit gestellt.

Auch die gew erkschaftlichen Organisationen haben sich meines Erachtens bis heute noch keine Verdienste um die Förderung der A rbeiter­

wohlfahrt erw orben. W ie w enig diese g eförd ert wird durch die einseitige und ausschließliche Agitation für höhere Löhne und kürzere A r ­ beitszeit, bew eist ein B lick auf die Verhältnisse in Nordamerika. Zuin Schutze von Leben und Gesundheit, zu r H ilfe im F alle von K rankheit, Unfall, In validität und A lter ist dort zum T eil noch nichts, zum T eil sehr w enig geschehen;

die mächtigen und stellenweise allm ächtigen A r ­ beiterorganisationen haben dazu keinerlei A n ­ regung g e g e b e n ; selbst in dem industriell hoch- entwickelten Staate Pennsylvanien existieren fast keine gesetzlichen Bestimmungen für den Schutz von Leben und Gesundheit der A rbeiter.

Präsident R oosevelt, der seinen Landsleuten in der letzten Zeit manche W ahrheit g esag t hat, k la gt in einer seiner letzten Botschaften sein V olk an: „D ie Praxis, die ganze Bürde für den V erlust an Leib und Leben auf das Opfer zu legen, ist eine Form sozialer U ngerechtigkeit, in der die Vereinigten Staaten in nicht be­

neidensw erter W eise h ervorragen . D ie G esetz­

gebung der übrigen industriellen W elt steht in schlagendem G egensatz zu unserer R ückständig­

keit in dieser B eziehu n g.“

W elch e Anerkennung lieg t in diesem A u s­

spruch für unsere soziale G esetzgebung. B e­

sonders stolz darauf dürfen Sie meine Herren von der Saar sein, da einer der ersten und eifrigsten Vorkäm pfer au f dem beregten Gebiete, Frlir. v. Stumm, einer der Ihrigen war.

U e b e r d i e P h o s p h o r b e s t i m m u n g i m S t a h l .

V on D r. M. F r a n k und Dr . F. W i l l y H i n r i c h s e n in Berlin.

(M itteilung aus dem K ünigl. M aterialprüfungsam t G roß -L ich terfe ld e.)

I

|ie F rag e der Phosphorbestimm ung im Stahl ist in neuerer Z eit vielfach bearbeitet worden. Eine allgem eine E inigung über die an­

zuwendenden Verfahren ist jed och noch nicht er­

zielt. V or kurzem hat J ö r g e n s e n * eine sehr ausführliche, w ertvolle Abhandlung über den V er­

gleich der Bestimmungen von Phosphorsäure als M agnesiumpvrophosphat und als Ammoniumphos- phorm olybdat veröffentlicht, in w elcher der B e ­ weis geführt w ird, daß die unmittelbare W ä gu n g des M olvbdatniederschlages an G enauigkeit der Ergebnisse dem M agnesiaverfahren nachstellt.

Immerhin Beträgt die Feh lergrenze bei der Mo- lybdatfällung der Phosphorsäure in der Kälte und unter Verm eidung eines zu großen Ueber- schusses des Fällungsm ittels nur etw a 1 °/o des W ertes. Die Form el der Phosphorm olybdänsäure ist hierbei als P 2Oä ■ 24 MO,, aufzufassen.

W enn som it auch auf Grund dieser Versuche die Bestimmung der Phosphorsäure als Magnesium- pyrophosphat in allen den Fällen vorzuziehen ist, bei denen es sich, w ie z. B. in Düngemitteln, um die E rm ittlung g rö ß ere r Phosphorsäuremengen handelt, ist doch das M olybdatverfahren allein anwendbar, sobald nur sehr gerin ge Mengen Phosphor zu bestimmen sind. Dies gilt z. B.

* „Zeitschr. für analyt. Chemie“ 1906, 45, 273;

1907, 40, 370.

für die a n a ly se von Stählen, in welchen der P hosphorgehalt nur einige hundertstel P rozente beträgt. Eine G enauigkeit von 1 °/o des W ertes, ist hierbei naturgemäß bei weitem ausreichend.

D er g roß e V orteil des Verfahrens lieg t darin, daß ein Niederschlag zur W ä g u n g gelangt, dessen G ew icht etw a 00 mal so g roß ist wie der Phosphorgehalt. Dementsprechend brauchen die Einw agen bei unmittelbar gew ichtsanalytischer Bestimmung des phosphormolybdänsauren A m ­ moniums erheblich kleiner zu sein als bei nach- folgenderUeberfiihrunginM agnesium pyrophosphat.

G elegentlich der Untersuchung des Phosphor­

gehaltes in einer größeren Anzahl gew isser Stahlproben stellte es sich nun heraus, daß die von verschiedenen Analytikern nach dem M o­

lybdatverfahren erhaltenen Ergebnisse von ein­

ander abwichen. Dadurch w ar die A ufgabe g e ­ stellt, die Gründe für diese Unsicherheiten auf­

zufinden. A u f A n regu ng von P rofessor H e y n wurde nun die Verm utung geprü ft, daß ein etw aiger Arsengehalt der Stahlproben das E r­

gebnis der Phosphorsäurebestimmung beeinflußt haben könnte. Zu diesem Z w ecke wurden die in F rage stehenden M aterialien zunächst auf Arsen untersucht. H ierzu diente das folgende Verfahren :

5 g Stahlspäne w erden in einem A rsen- destillationskolben mit 65 g einer schwach­

(8)

296 Stahl und Eiaen. üeber die Phosphor best immunrj im Stahl. 28. J a h rg . N r. 9.

sauren m öglichst konzentrierten wässerigen Eisen- cliloridlösung behandelt. Nach e rfolgter Ein­

w irkung im Sinne der G leichu n g: F e -f- 2 F e C l3

= 3 F e CI*, w obei das Eisen in Lösung geht, ohne daß V erlust an A rsenw asserstoff zu be­

fürchten ist, fü gt man 150 ccm rauchender Salzsäure vom spezifischen G ew icht 1, 19 hinzu.

Es w ird nun zunächst mit kleiner Flamme bei angeschlossenem K ühler so lange erwärm t, bis die Spane vollständig gelöst siud. Sodann werden 100 ccm der so erhaltenen Lösung schnell in eine V o rla g e überdestilliert, die v e r ­ dünnte Salzsäure enthält, und das D estillat mit S chw efelw asserstoff gefüllt. Vorsichtshalber kann man die D estillation au f Zusatz w eiterer 50 ccm

D ie untersuchten Proben wiesen demnach sämtlich A rsen auf. D er Gehalt an dieser V e r ­ unreinigung schw ankte zw ischen 0,01 und 0 ,0 3 °/o und betru g im M ittel 0 ,0 2 o/o.

Um festzustellen, ob die Ergebnisse der P h os­

phorbestimm ung mittels Ammoniummolybdats in diesen Stühlen durch etw aige M itfällung von Arsen beeinflußt werden könnten, wurde in den Proben 9 bis 13 der Phosphorgehalt einmal in dem ursprünglichen M aterial, anderseits nach v orh eriger Entfernung des Arsens nach dem nachstehend angegebenen V erfahren ermittelt, 5 g Stahl werden in Salpetersäure oxydierend g elöst, die L ösu n g zur T rockn e eingedampft und die N itrate durch Glühen zerstört. D a das Eisen für die Arsenbestim mung als Oxydul v or­

handen sein muß, w ird der mit Salzsäure auf­

genommene Rückstand, der das Eisen als Chlorid enthält, zunächst reduziert. Zu diesem Z w eck erwärm t man die L ösu n g auf etw a 4 0 °, trägt ungefähr 0,1 g Jodkalium ein und entfernt das ausgeschiedene Jod mittels schw efliger Säure.

In die so erhaltene Eisenchlorürlösung wird Schw efelw asserstoff zur Abscheidung des Arsens eingeleitet. Die gefällten Sulfide w erden abfil­

triert, das F iltra t zur T rock n e verdampft, auf­

genommen und von neuem oxydiert. In dieser L ösu n g w ird die F ällu ng der Phosphorsäure in folgend er W eise du rch gefü hrt: man versetzt zu­

nächst mit der M olybdatlösung, fü gt nach etwa einer halben Stunde die entsprechende Menge festes Ammoniumnitrat hinzu und läßt nach gutem Umrühren 24 Stunden lang stehen. Nach dieser Zeit w ird abfiltriert, die Hauptmenge des N iederschlages in einen größeren gew ogenen P orzellantiegel abgespritzt und der R est mittels

kon zentrierter Salzsäure w iederholen. Jedoch ließ sich bei den hier untersuchten P roben aus 50 ccm des so erhaltenen zw eiten D estillats keine N achfällung mehr erhalten.

Nach Verdrängung des überschüssigen Schwefel­

wasserstoffes durch Kohlensäure w ird das Schwefel­

arsen über A sbest filtriert, mit Salzsäure ausge­

waschen und mit zw eiprozentigem Am moniak in eine Schale gelöst. D ie L ösu n g wird vorsichtig mit konzentrierter Salpetersäure (spezifisches G ew icht 1,4) oxydiert, die gebildete Arsensäure in der üblichen W eise mit Magnesium-Ammoniuiu- chlorid gefällt und als M agnesium pyroarseniat bestimmt.

Folgende Zahlen wurden e rh a lten :

Ammoniaks vom F ilte r in einen kleinen nicht gew ogenen T ie g e l gelöst. Sodann w ird die Hauptmenge des Ammoniaks durch Verdam pfen entfernt, bis die Flüssigkeit nicht mehr danach riecht. H ierbei ist darauf zu achten, daß noch nicht Abscheidung von Ainmoniummolybdat ein- Critt, welches sich nachher nur schw er w ieder löst. Man säuert sodann mit einigen T ropfen Salpetersäure an und v erein igt das ausgeschie­

dene phosphormolybdänsaure Am m on mit der in­

zwischen eingedampften Hauptmenge des N ieder­

schlages in dem gew ogenen T ie g e l. Nach dem V ertreiben der Am monsalze au f dem F i n k e n e r - T u nn e wird das E rhitzen des N iederschlages bis zur eben beginnenden Blaufärbung fortg esetzt.

W e g e n d e r stark wasseranziehenden Eigenschaften der Verbindung muß die W ä gu n g im bedeckten T ie g e l erfolgen . D ie unm ittelbare A u flö su n g des gesamten N iederschlages vom F ilter mittels Am ­ moniaks würde unter Umständen kleine Fehler bedingen, da die durch Salpetersäure aus der Am moniaklösung w ieder ausgeschiedene Fällung in ihrer Zusammensetzung von der ursprünglichen Verbindung etwas abweichen kann.

Nach diesem Verfahren wurden in den Stahl­

proben 9 bis 13 die Phosphorbestim m ungen ein­

mal im ursprünglichen M aterial, anderseits nach v orh eriger Abscheidung des Arsens durchgeführt.

D ie erhaltenen Zahlen sind in der folgenden T abelle 2 zusammengestellt. D ie in der letzten Reihe mitgeteilten Zahlen für den in Prozenten des vorhandenen Gesamtarsens ausgedrückten g e ­ fällten Anteil des Arsens sind unter der sehr wahrscheinlichen Annahme berechnet, daß das A rsen als arsenmolybdänsaures Ammonium in dem N iederschlage enthalten ist.

Tabelle 1. A r s e n g e h a l t i n S t a h l p r o b o n .

Bezeichnung

der Probe 1 2 3 4 5 6 8 9 10 li 12 13 |

1

°/o Arsen 0,019 0,013 0,019 0,020 O © CO 0,013 0,013 0,011

'

0,03 0,02 0,02 0,02 0,02

(9)

26. F ebru ar 1908. Ueber die Phosphorbestimmung im Stahl. Stahl und Eisen. 297

Tabelle 2. P h o s p h o r b o s t i m m u n g o n i n a r s e n ­ h a l t i g e n S t a h l p r o b e n v o r u n d n a c h d e r

A u s f ä l l u n g d e s A r s e n s .

Be­

zeichnung der Probe

Arsen

%

Phosphor

Fehler

%

Mlt- gefälltcs

Arsen

% im

ursprüng­

lichen Material

%

Ausfüllungnach Arsen»des

%

9 0,03 0,065 0,058 0,007 23

10 0,02 0,063 0,051 0,012 60

u 0,02 0,063 0,055 0,008 40

12 0,02 0,064 0,057 0,007 35

13 0,02 0,062 0,050 0,012 60

Aus diesen Versuchen fo lg t, daß in der T at die G egenw art von A rsen die Phosphorbestim- mung im Stahl erheblich zu beeinflussen verm ag.

Der durch das M itfällen von Arsen bedingte Fehler betrügt hierbei bis zu 0 ,0 1 2 °/o. In diesem H öchstfälle sind demnach drei Fünftel des gesamten Arsens in den Niederschlag über­

gegangen.

Um g röß ere K larheit über die in Frage stellenden Erscheinungen zu gewinnen, wurde nunmehr, ausgehend von eingestellten Lösungen bekannten Gehaltes, eine planm äßige Untersuchung über das Verhalten der Phosphorsaure gegen Ammoniummolybdat bei Anwesenheit von Arsen­

saure begonnen. D ie zuerst angestellten V er­

suche über das Verhalten von reiner Arsensäure- lösung gegen M olybdat hatten das überraschende Ergebnis, daß bei Zimmerwärme überhaupt keine Fällung erhalten wurde. Es handelt sich daher bei den vorh er beschriebenen Erscheinungen nur um M i t r e i ß e n des Arsens bei der Phosphor­

fällung. Nunmehr wurden unter Innehaltung der im Stahl vorliegenden Verhältnisse Versuche mit abgemessenen Lösungen von Eisen, Phosphor­

saure und Arsensäure in wechselnden Mengen angestellt. Z ur V erw endung gelangte eine Eisen­

chloridlösung, von w elcher 50 ccm einem G e­

halte von 5 g Eisen entsprachen. D a sämtliche Versuche in g leich er W eis e angestellt wurden, konnte von der B erücksichtigung der in dieser Lösung vorhandenen kleinen Phosphorm enge (0 ,0 0 2 o/o P ), die ja bei allen Bestimmungen denselben Feh ler h ervorrief, abgesehen werden.

Die erhaltenen E rgebnisse sind in der folgenden T abelle 3 zusammengestellt. D ie Prozentzahlen für die Gehalte an Phosphor und Arsen sind auf 5 g E inw age berechnet.

Aus dieser Zusammenstellung geht zunächst h ervor, daß in der T a t unter den gegebenen Bedingungen die Anw esenheit von Arsen Fehler bei der Phosphorbestimm ung nach dem M olybdat- verfahren zu bew irken verm ag. Die in P r o ­ zenten des angewandten A rsens ausgedrückte .Menge des mitgerissenen Arsens ist verhältnis­

m äßig um so g röß er, j e kleiner die Menge des ursprünglich vorhandenen Arsens ist. D er

im Phosphorgehalte hierdurch bedingte Fehler ist um so g röß er, je mehr A rsen zugegen ist.

Die ausgefällte Menge des Arsens ist annähernd proportional dem ursprünglichen Arsengehalte.

Unter den innegehaltenen Versuchsbedingungcn macht der hierdurch hervorgerufene Feh ler bis zu einem B etrage von etw a 0 ,0 6 °/o Arsen im H öchstfälle 0 ,0 1 3 °/o im Phosphorw erte aus.

Da in den früher untersuchten Stählen (v erg l.

Tabelle 1) der Arsengehalt, nicht über 0 ,0 3 °/o betrug, dürfte im allgemeinen eine Fehlergrenze von 0,01 o/o für die Phosphorbestimm ung im Stahle ausreichend sein. Dementsprechend müßte z. B. in allen Lieferungsbedingungen für Stähle hinreichender Spielraum fü r den Phosphorgehalt gelassen werden, falls bei der Phosphorbestim ­ mung auf Arsen keine R ücksicht genommen werden soll. D agegen sollte man in fraglichen Fällen stets eine Prüfu ng auf Arsen ausführen, um Gewähr fü r die Z uverlässigkeit der Phosphor­

bestimmung im Stahl übernehmen zu können.

Von den w eiter ausgeführten Versuchen über den Einfluß verschiedener Umstande au f die M it- fällung des Arsens sei an dieser Stelle nur erwähnt, daß ein g röß e re r Ueberschuß der angewandten Fällungsm ittel den Fehler etwas verkleinert, während die G egenw art von Chlorammonium die M itfällung des Arsens begünstigt. Ueber diese Versuche w ird in der ausführlicheren Abhand­

lung über den Gegenstand demnächst in den

„M itteilungen des K gl. M aterialprüfungsamtes zu G roß -L ich terfeld e-W e st“ eingehender berichtet werden.

D a aus den bisher angeführten Versuchen folg t, daß die G egenw art von Arsen merkliche Fehler in der Phosphorbestimm ung hervorrufen kann, erschien es wünschenswert, ein Verfahren aufzufinden, das gestattete, die M itfällung des Arsens zu verm eiden, ohne erst der umständ­

lichen A rbeit der vorherigen vollständigen E nt­

fernung des Arsens zu bedürfen. Infolgedessen wurden V ersuche darüber angestellt, inw iew eit die G egenw art von freier Salzsäure die A u s­

fällung des Arsens bei der Phosphorbestimm ung mittels Ammoniummolybdates zu verhindern v er­

mag.

Zu diesem Z w ecke wurden j e 50 ccm der vorh er erwähnten Eisenchloridlösung entsprechend 5 g Eisen mit abgemessenen Mengen der Phos­

phor- und Arsensäurelösungen v e rsetzt und der nachstehend angeführten Behandlung unterw orfen.

B ei der Phosphorbestimm ung wurden sodann folgende W e rte gefunden (T abelle 3 und 4).

W ährend somit bei Anwendung gerin ger Salzsäuremengen kein w esentlicher Einfluß auf das Endergebnis festzustellen ist, scheint aus den beiden letzten Versuchen (7 und 8 ) her- vorzugelien, daß bei Ueberschuß von Salzsäure annähernd rich tige Ergebnisse erhalten werden.

Um zu ermitteln, ob tatsächlich die Salzsäure

(10)

298 Stahl and Eisen. Ueber die Phosphorbestimmung im Stahl. 28. J a h rg . N r. 9.

Tabelle 3. P h o s p h o r s ft u r e f ä l l u n g b e i G e g e n w a r t v o n A r s e n u n d E i s e n .

Nr. des Versuchs

Phosphor

%

Arsen

%

M olybdän­

losung

ccm A m ­ m onium ­

nitrat S

Phosphor- A rsen-M olybdän-

N iederschlag K

Hieraus anscheinender Phosphorgehalt

%

Hieraus Arsen Im Pliosphor- Arsen-Mol vbdUu-

Xlederschlag S

Mitgeftll- tes Arsen In % des Gesamt- Arsens

Feliler Im Phosjjhorgehalt

%

1

f a

1 \ b 0,065 0,011 100 30 0,2087

0,2082

0,0084 0,0683

0,00046 0,00044

86 83

0,0034 0,0033

7 1 a

\b 0,065 0,021 100 30 0,2152

0,2131

0,0706 0,0699

0,00071 0,00063

67 59

0,005j>

0,0049 3 i “

3 l b 0,065 0,043 100 30 0,2284

0,2302

0,0749 0,0755

0,00123 0,00130

58 61

0,0099 0,0105

4 0,055 0,053 100 30 0,2041 0,067 0,00146 55 0,012

5 \ b 0,065

0,055 0,064 100 30 0,2386

0,2376

0,0783 0,0779

0,00163 0,00159

51 50

0,0133 0,0129

6 0,065 0,213 100 30 0,3080 0,101 0,00434 41 0,036

7 0,065 0,532 100 30 0,3482 0,114 0,00591 22 0,049

Tabelle 4. E i n f l u ß v o n S a l z s ä u r e a u f d a s A u s f ä l l e n v o n A r s e n .

Nr. j Phos- des Ver-i phor

sucl.s | % Arsen

%

ßehandlungsweise

G ew icht des N ieder­

schlages

ff

A nscheinen­

d er Phos­

phorgehalt

%

Fehler im P hosphor- gehult

% 1 0,065 0,02 Lösung bis zur b e g i n n e n d en A bscheidung von basischem Eisen­ 0,2133 0,070 0,005 | 2 j 0,065 0,02 salz, eingedam pft, letzteres mit sehr w enig Salzuäure gelöst. 0,2141 0,071 0,006 | 3 I 0,065 0,02 L ösung eingedam pft bis zur s t ä r k e r e n Abscheidung von basi­ 0,2141 0,071 0,006 1 4 ! 0,065 0,02 schen F.isensalzcn, diese in w enig Salzsäure gelöst. 0,2159 0,071 0,006 | 5 j 0,065 0,02 L ösung zur T rockne eingedam pft, Rückstand mit 7 ccm kon­ 0,2179 0,072 0,007

C j 0,065 0,02 zentrierter Salzsäure aufgenom m en. 0,2174 0,072 0,007

7 1 0,065 0,02 Lösung zur T rock n e verdampft, Rück&tand in 25 ccm k on zen ­ 0,2027 0,067 0,002

8 j 0,005 0,02 trierter Salzsäure aufgenom m en. 0,1942 0,064 —

imstande ist, die M itfällung des Arsens zu ver­

hindern, wurden infolgedessen noch einige w eitere V ersuche angestellt. Zur Verw endung gelangte hierbei die gleiche Eisenlösung w ie vorh er. Die E rgebnisse sind in der folgenden T abelle 5 w ied ergeg eb en :

Tabelle 5. V e r h i n d e r u n g d e r A u s f ü l l u n g v o n A r s e n d u r c h S a l z s ä u r e .

Nr.

des Ver­

suchs P h os­

phor

%

i Zusatz Arsen 1

Salz- i säure

% i ctm Gewicht

des N ieder­

schlages e

An­

scheinen- der Phos- phorgehalt

%

Fehler im Phos­

phor- Gehalt

% 1

2 0,06:1 0,06a

0,027 j 20 0,027 20

0,2077 0,2076

0,068 0,068

0,005 0,005 3

4

0,06a 0,00s

0,027 j 25 0,027 25

0,2021!

0,2044 0,067 0,067

0,004 0,004 5

6

0,063 0,00.»

0,027 30 0,027 S 30

0,2024 0,2040

0,067 0,067

0,004 0,004

Eine v o l l s t ä n d i g e Verhinderung des Mit- fallens von A rsen lä ßt sich demnach auch durch Ueberschuß von Salzsäure nicht erreichen. Immer­

hin dürfte es im allgemeinen genügen, bei der I’hosphorbcstim mung im Stahl einen Spielraum von 0 ,0 1 5 °/o P im P hosphorgehalte zu lassen, falls au f Arsen keine Rücksicht genommen w er­

den soll.

Im folgenden seien die H auptergebnisse der vorliegenden Untersuchung noch einmal kurz zusam m engefaßt:

1. D ie G egenw art von A rsen verm ag die Phosphorbestinmiung im Stahl mittels Ammonium- m olybdates zu beeinflussen. D ie E rgebnisse fallen zu hoch aus.

2 . Reine Arsensäurelösung w ird unter gleichen Bedingungen nicht g efällt, das A rsen w ird durch den Phosphor nur mitgerissen.

3. Die durch das M itfällen des Arsens be­

dingten Fehler übersteigen unter gewöhnlichen Umständen (A rsengehalte im Stahl bis zu etw a 0 ,0 5 °/o A rsen) nicht den B etrag von 0 , 0 1 5 % . Lieferungsbedingungen, die auf A rsen keine R ü cksicht nehmen, müßten deshalb einen ent­

sprechenden Spielraum für den Phosphorgehalt lassen.

4. Die M itfällung des Arsens w ird durch die G egenw art von Chlorammonium begünstigt, durch freie Salzsäure, in geringerem Maße auch durch einen Ueberschuß der Fällungsm ittel zu­

rückgedrängt, läßt sich jed och ohne vorh erige Entfernung des Arsens nicht vollstän dig ver­

meiden.

Bei der Ausführung 'd e r vorliegenden V e r ­ suche hat uns der A bteilungsvorsteher, Hr. P r o f.

J. R o t h e , in d a n k e n sw erterw eise unterstützt.

(11)

20. F ebru ar 1908. üeber einige neuere Hängebahnen. Stalil und E isen. 299

U e b e r einige neuere Hängebahnen.*

V on P rofessor M.

B

ekanntlich werden mit dem Namen H ä n g e ­ b a h n e n in der R eg e l schwebende ein- schienige Bahnen mit hangenden W a gen (Schw er­

punkt unterhalb der Laufschiene) bezeichnet, die meist im N a h t r a n s p o r t als Förderm ittel für w agerechte und geneigte R ichtung zur Be­

w egung von Einzellasten oder zu Finzelkörpern vereinigten Sammelgutes dienen. Die Hänge­

bahnen sind aus dem Bedürfnis zur Entlastung der W erk soh le entstanden: der Boden bleibt fiir den V erk ehr fr e i; das H angegeleise wird nicht durch irgendw elche

Körper oder durch das F ö r ­ dergut versperrt und bleibt stets sa u b er; es besteht die M öglichkeit w agerechter Verlegung unabhängig von unebnem B od en , woraus sich ein gerin ger A rbeits­

aufwand, d. li. ein leichtes Verschieben der W a g e n in­

folge ihrer pendelnden A u f ­ hängung ergib t (Gesam t­

reibungszahl für gut gebaute Bahnen und W a g en 0 ,0 1 , bei R ollenlagern 0 ,0 0 8 bis 0 ,0 0 0 ).

W ährend nun früher die Förderung a u f Hängebahnen vorw iegend v o n H a n d er­

fo lg te , w ird heute schon in zahlreichen Fällen bei g roßen Förderm engen ein A ntrieb durch Z u g s e i l oder E l e k t r o m o t o r dann

gew ählt, wenn dauernd oder während erheblicher Zeiträume der W e g sämtlicher einander folgen ­ der Fahrzeuge derselbe bleibt und einen in sich geschlossenen R in g darstellt. Es kehren dann die an einem beliebigen Punkt von Hand oder selbst­

tätig während der F ah rt entleerten W a gen nicht auf dem gleichen Schienenstrang zum Füllorte zurück, sondern laufen unter Einwirkung des mechanischen A ntriebes in gleichem Sinne auf dem G eleiseringe w eiter bis zur Erreichung des Ausgangspunktes. D er e l e k t r i s c h e Einzel- bezw. Gruppenantrieb der W a gen (E lektrohänge­

bahnen, Telpherbahnen) empfiehlt sich auf G e­

leiseringen u nregelm äßiger F orm , oder auf sol­

chen, die durch Einschaltung von W eich en g e ­ ändert werden können; für g röß ere Steigungen

* V ergl. auch des Verf. A ufsatz: »Zur Frage der Bewegung und Lagerung von Hüttenrohstolfen-; in

„Stahl und Eisen“ 1906 Nr. 11 S. 040 IT., sowie

„Zeitsehr. d. Ver. deutsch. Ing.“ 1907 S. 1812 if.

B u h l e in Dresden.

als 1 : 2 0 ist jedoch diese A ntriebsart nicht empfehlenswert. D er Betrieb unter Verwendung eines endlosen, dauernd umlaufenden Z u g s e i l e s , an welchem die W a gen m ittels Seilklemme an­

geschlossen werden, ist geboten, wenn starke Steigungen — über 1 : 20 bis 1 : 1 — v o r­

liegen , und wenn der G eleisering regelm äßige Form aufweist, etwa zw ei parallele geradlinige Stränge, die durch halbkreisförm ige Umkehr­

schleifen von entsprechendem Halbmesser v er­

bunden sind.

Ohne an dieser Stelle näher au f die mannig­

faltigen Bauarten der Hängebahn-Geleise, -W e i­

chen, -Drehscheiben, -D rehbrücken und -W a g e n (Muldenkipper, Trichterw agen mit Bodenklappen [Selbstentlader], Muldenkörbe für K oksförderuug, Gießpfannen - Hängebahnwagen, Etagenw agen usw .) einzugehen, seien in Folgendem einige in jü n gster Zeit von A r t h u r K o p p e l A .- G ., Berlin- Bochum ausgeführte, bem erkenswerte Anlagen beschrieben, die je ein Beispiel zu den H änge­

bahnen für Handbetrieb, Elektrohängebahnen mit E inzelantrieb und den neuerdings mehr und mehr in Aufnahme kommenden Elektrohängebahnen für Lok om otivbetrieb* geben.

Die für die Gasanstalt E rfu rt ausgeführte H ä n g e b a h n a n l a g e f ü r H a n d b e t r i e b dient dazu, die angelieferte K ohle aus den K ohlen­

w agen der Staatsbahn auf v ier R inggeleisen zu

* V ergl. „S ta b l und E isen “ 1907 N r. 41 S. 1463.

(12)

300 Stahl und Eisen. Ueber einige neuere Hängebahnen. 28. J a h rg . Nr. 9.

Welche

den Kohlenhaufen im V orratsm agazin und von diesem in den Kohlenschuppen zu bringen, w o die K ohle in entsprechender H öhe durch Kippen ausgestürzt wird. D ie vier G eleiseringe im Vorratsrauin sind durch Drehscheiben, die mittels K ettenzug betätigt w erden, mit den L än gs­

geleisen im Kohlenschuppen bezw . im R etorten- raum verbunden. H ängebahnwagen mit besonders tie f reichenden Mulden bringen die K ohlen von den Vorratshaufen je nach B eda rf in den K ohlen­

schuppen oder in das Retortenhaus. D ie K ohle w ird v o r dem E intritt in den letztgenannten Raum beim Uebcrschreiten einer selbsttätigen W a g e gew ogen. Aus den R etorten gelangen die Koksmassen auf gleichem W e g e in die Staats- balmwagen, die auf einem G eleise längs der Trennmauer zwischen Retortenraum und K ohlen­

schuppen beladen werden.

Eine andere umfangreiche H ängebahnanlage für M uldenwagen mit e l e k t r i s c h e m E i n z e l ­ a n t r i e b dient zur B eförderun g von Sammelgut

in einer chemischen Fabrik.

E lektrische B etriebskraft mußte au Stelle von H andbetrieb g e ­ wühlt w erden, w eil die H änge­

bahnwagen in erheblicher Höhe über dem Boden verkehren s o llte n , um ein Aufschütten hoher H aufenlager zu erm ög­

lichen.

D ie W a g e n mit Mulden von 40 0 1 Inhalt (Abbild. 1 und 2) besitzen ein elektrisches F ah r­

w erk, dessen ‘ /ap ferd ig er M otor mittels Z ah nradvorgelege auf die Laufrollen w irk t. An den S tellen , wo ein Verschieben von Hand sich erforderlich m acht, w ird eine Kupplung zwischen Z ah nradvorgelege und Laufrädern g e lö st, damit der durch M otor und V org eleg e be­

dingte W iderstand in W e g fa ll kommt. D ie Mulden kippen selbsttä tig , indem der Fest- stellriegel während der Fahrt auf einen verschiebbaren A n ­ sch lag trifft und ausgehoben w ird. D er vorgenannte A n ­ schlag kann au f einer beson­

deren, längs dem F ahrgeleise verlaufenden, leichten Schiene nach jedem beliebigen Punkte des von ihm zu bedienenden Feldes verschoben werden und zw ar mittels Seilzuges vom Fußboden aus.

Im E rdgeschoß fließt das zu fördernde M aterial aus Füll­

trichtern der Zerkleinerungs- sivc.m

Abbildung 3.

Elektrohängebahn für ein Ilochofenvrerk.

Weiche

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