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Stahl und Eisen, Jg. 36, Nr. 40

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Leiter des wirtschaftlichen Teiles

Generalsekretär Dr. W. B e u t n e r , 6e sd iiftsfflhre r der Nordwestlichen Gruppe des Vereins deutscher Eisen- und Stahl­

industrieller.

STAHL Ulf

ZEITSCHRIFT

Ltite r des technischen Teiles

D r . - J t t g . 0. P e t e r s e n ,

stellvertr. 6eschäftslührer

des Vereins deutscher ElsenhCttenieute.

FÜR DAS DEUTSCHE EISENHÜTTENW ESEN.

Nr. 40. 5. O ktob er 1916. 36. Jahrgang.

Die Rechtsentwicklung auf dem Gebiete des Gewerbe-, Handels-, Nachbar-, Verkehrs- und Wasserrechts der Großindustrie

in den Jahren 1914 und 1915.

Von Justizrat Dr. S c h m id t-E r n s th a u s e n , Rechtsanwalt bei dem Oberlandesgericht in Düsseldorf.

(M itteilung aus der Reolitskom m ission des .Vereins d eutscher E isenhüttenleuto.)

Z

ufolge der Kriegsereignisse mußten wir den Jahresbericht für 1914, für den sich bereits vor Beginn des Feldzugs ein erheblicher Stoff ange­

sammelt hatte, zurückstellen. Denn über dem Da­

seinskampf unseres teuren Vaterlandes, der natürlich auch in den Mitgliederbestand der Rechtskommission erheblich eingriff, gerieten die Rechtsfragen in den Hintergrund, während die Umstellung der gesamten Erzeugung auf die Bedürfnisse des Krieges, der Ersatz der zu den Fahnen einberufenen Beamten und Ar­

beiter und die Anpassung an ungewohnte Rohstoffe den Erfindungsgeist, die Organisationsgabe und dem­

entsprechend auch das Interesse unserer Ingenieure ausseliließlich in Anspruch nahmen. Inzwischen waren die Träger des Gesetzgebungs- und Verord­

nungsrechts, wie auch die Militärverwaltung unab­

lässig bemüht, die Rechtsordnung auf die neuen Verhältnisse einzurichten, und da es mit verschwin­

denden Ausnahmen ebenfalls gelang, die Tätigkeit der Gerichte ununterbrochen fortzusetzen, so ent­

wickelte sich alsbald ein

Recht des Krieges,

das seine Neuart den kriegswirtschaftlichen Not­

wendigkeiten, seine Vielgestalt der Fülle der Rechts­

beziehungen verdankt, die in den langen Friedens­

jahren erwachsen waren.

Dieser lebendigen Rechtsentwicklung folgend, sehen wir nun den Zeitpunkt gekommen, um die Berichterstattung wieder aufzunehmen, der die Er­

gebnisse eines zweijährigen Zeitraums zugrunde liegen. Hierbei dürfen ■nur diesmal, den besonderen Aufgaben der Rcchtsberatung während des Krieges gemäß, d as Z iv ilr e c b t nicht ganz ausschalten.

Beschlagnahmen und Ausfuhrverbote erzeugten eine mannigfaltige Rechtsprechung, die sich mit den Einwirkungen der Verfügungen von hoher Hand auf die Erfüllung der Lieferungsverträgo industrieller Erzeugnisse und der Kaufverträge über Importwaren zu beschäftigen hatte, Zahlungsverbote und Morar torien ausländischer Staaten äußerten ihre Einwir-

X L .,C

kung auf unser Rechtsleben und riefen Gegenmaß­

nahmen hervor, und die K r ie g s k la u s e l, die zu­

nächst ihren verschiedenartigen Fassungen ent­

sprechend eine wechselnde Beurteilung erfuhr, er­

langte schließlich in der Rechtsprechung eine im all­

gemeinen dem Verkäufer günstige Beurteilung.

So wurde jüngst vom Reichsgericht die Kriegs­

klausel eines Zwischenhändlers, wonach

„K rieg, A rbeitorstreika, B etriebsstörungen, Mangel an R ohm aterial u n d andere Fälle höherer G ew alt bei V er­

käufer und V erkäufers L ieferanten, welche die E rfüllung gegenwärtigen V ertrages unm öglich m achen, die V er­

käufer von den eingegangonen V erpflichtungen be- freion“ ,

dahin ausgelegt, daß der Verkäufer durch den Kriegs­

ausbruch schlechthin von seiner Verpflichtung frei­

geworden ist, vorausgesetzt, daß der Krieg auf die Betriebe der Lieferanten des Verkäufers erheblich störend einwirkt, was für den gegenwärtigen Krieg unzweifelhaft sei. (RG., II. Zivilsenat, Urteil vom 26. November 1915; Juristische Wochenschrift 1916, S. 257.)

Ebenso hat das Reichsgericht in der Klausel

„Arbeiterausständc, ferner Mobilmachung, Krieg . . . gelten als höhere Gewalt“ eine unbedingte Frei­

zeichnung des Verkäufers für den Kriegsfall erblickt.

(RG., II. Zivilsenat, Urteil vom 5. Oktober 1915, Juristische Wochenschrift 1916, S. 118.)

In dieser Entscheidung findet sich auch der ver­

allgemeinernde Hinweis, daß mit einer derartigen Klausel der Verkäufer die Absicht verfolgt, sieh für den Fall des Eintritts der genannten Ereignisse von der Lieferungspflicht zu befreien, und man wird daher auch weiterhin mit einer Auslegung im Sinne des Verkäufers, sofern dieser Wille in der einzelnen Klausel einen dem Sprachgebrauch entsprechenden Ausdruck gefunden hat, zu rechnen haben. So würde das Reichsgericht folgerichtig dazu gelangen müssen, den Zwischenhändler auf Grund einer derartigen Kriegsklausel auch dann von der Erfüllung freizu­

stellen, wenn ihm sein Lieferant tatsächlich geliefert 122

(2)

958 S tahl und Eisen. D ie R e c h ts e n tw ic k lu n g a u f d em G eb ie te d e r G r o ß in d u s tr ie . 36. J a h rg . N r. 40.

hat. Das muß natürlich preisverteuernd wirken, und im Hinblick darauf, daß die Erfüllung der Verträge den Grundsätzen von Treu und Glauben untersteht, wird hinter dieso letzte Konsequenz doch noch ein Fragezeichen zu setzen sein.

Wer von der Kriegsklausel nicht r e c h t z e i t i g Gebrauch macht, bleibt zur Erfüllung verpflichtet, von der ihn nur die Unmöglichkeit befreit. Ein Landwirt hatte am 7. Februar 1914 Trockcnsclmitzcl zur sukzessiven Lieferung während des letzten Ka­

lendervierteljahrs 1914 gekauft. Als er Ende Oktober mahnte, berief sieh der Händler auf die im Schluß­

schein enthaltene Kriegsklausel. Der Händler wurde verurteilt, denn er hätte binnen angemessener kurzer Frist nach dom Kriegsausbruch e r k lä r e n m ü s s e n , daß er sich au f G run d der K r ie g s ­ k la u s e l a ls b e f r e it b e t r a c h t e . (RG., 29. Fe­

bruar 1916, II 417/15, Kölnische Zeitung vom 2. März 1916, Nr. 224.)

Bei Verträgen, die k e in e K r ie g s k la u s e l enthalten, besonders auch bei solchen, die erst während des Krieges geschlossen sind, wird es regel­

mäßig auf die U n m ö g lic h k e it der L e is t u n g ankommen, die dann wieder verschieden zu beur­

teilen ist, je nachdem das Erzeugnis einer bestimmten Fabrik oder allgemein eine Ware bestimmter Gattung verkauft ist, und ob die Erfüllung ganz unmöglich oder wenigstens eine ratierliche Verteilung der Pro­

duktion auf die einzelnen Abnehmer (s. RG. 84, S. 125) möglich ist. Wann Unmöglichkeit vorliegt, ist Tatfrage, besonders auch in dem Punkte, ob die Preise derart gestiegen sind, daß sieh eine der Un­

möglichkeit gleichstehende Erfüllungserschwcrung an­

nehmen läßt. Ebenso ist die Frage der Unmöglichkeit der Leistung bei A u s fu h r -, E in f u h r - u n d Z a h ­ lu n g s v e r b o t e n , B e s c h la g n a h m e n und Blockade­

maßregeln entscheidend, soweit nicht für das See­

frachtgeschäft die besonderen Vorschriften des see- rechtlichen Teils des Handelsgesetzbuches in Betracht kommen.

Verschiedentlich hatten wir uns auch m it der regelmäßig zu verneinenden Frage zu beschäftigen, ob eine Fabrik nach Beschlagnahme einer Fabrika­

tionsgattung sich der Erfüllung ihrer Lieferungs­

pflichten in freien Waren dadurch entziehen kann, daß sie nur die beschlagnahmte Warengattung her­

stellt1).

Wieder andere Gesichtspunkte sind maßgebend für die A n s t e llu n g s v e r t r a g e , bei denen es auf das Vorliegen eines „wichtigen Grundes“ zur fristlosen Kündigung ankommt. Hier nimmt das Reichsgericht eine dem Dienstverpflichteten günstige Stellung ein und gestattet die Entlassung nicht schon deswegen, weil der Betrieb eines Verlagsunternehmens durch den Kriegsausbruch unlohnend geworden ist (RG.,

*) I s t die ganze E rzeugung beschlagnahm t, so ist der F a b rik a n t n ich t v erp flich tet, den d urch L ieferung an dio M ilitärverw altung erzielten M ehrerlös dem u r ­ sprünglichen K äu fer herauszugehen. (O LG . H am burg, U rte il vom 1. Dez. 1915, JW . 1916, S. 351.)

III. Zivilsenat, Urteil vom 30. Nov. 1915, Jur. Wochen- sclirift 1916, 261). Ob die völlige Einstellung eines

Werkbetriebes wegen der durch den Krieg hervor­

gerufenen Geschäftsstockung einen genügenden Ent­

lassungsgrund darstellt, ist bestritten (bejahend OLG. Stuttgart, Urteil vom 29. Okt. 1914, Recht 19, Nr. 3; verneinend OLG. Dresden, Urteil vom 23. März und 27. April 1915, Leipz. Zeitschr. 9, Sp. 856 u. 857;

Oertmann, Gew.-Kaufm.-G. 20, 6).

Ist die Erfüllung eines S u k z e s s iv lie f o r u n g s - v e r t r a g e s während der vereinbarten F r is t e n wegen des Krieges unmöglich, so ist der Vertrag als a u fg e h o b e n zu betrachten. Dies kann im Hinblick auf dio unvorhergesehene lange Dauer des Krieges sogar dann der Fall sein, wenn gegenteilig vereinbart ist, daß, wenn Krieg und andere bestimmt ange­

gebene Ereignisse die rechtzeitige Lieferung unmög­

lich machten, die Lieferzeit bis nach Aufhebung des Hindernisses prolongiert werde. (RG. II. Zivilsenat, Urteil vom 4. Jan. 1916, JW. 1916, S. 487l).) Jedenfalls aber wird derjenige Vertragsteil, der einen Vertrag wegen Unmöglichkeit als aufgehoben be­

trachtet, gut daran tun, dies der Gegenpartei a n ­ z u z e ig e n , weil er sich, falls sie Aufwendungen zur Erfüllung des Vertrages macht, nach mehrfach ver­

tretener Ansicht Schadenersatzansprüchen aussetzen könnte (Seuff., Arch. 56, S. 392, OLG. Hamburg, Urteil vom 13. Mai 1901).

Die Einwirkungen des K r ie g e s auf das ö f f e n t ­ lic h e R e c h t sind so mannigfaltig, daß wir hier nur die allgemeineren g e w e r b e r e c h t lic h e n Vorschrif­

ten berücksichtigen können.

Zunächst wurden durch einen Preußischen Mini- sterialerlaß vom 5. Aug. 1914 (HMB1. S. 442) die Ge­

werbeaufsichtsbeamten für die Dauer des Krieges angewiesen, alle Sonntagsarbeiten, ■ die für den Heeresbedarf und die Lebensmittelversorgung des Heeres und der Bevölkerung zu leisten sind, nicht zu beanstanden. Hierher gehören nicht nur die von der Heeresverwaltung vertragsmäßig oder freihändig auf­

gegebenen, sondern auch die von den Heereslieferan­

ten weiter vergebenen Arbeiten. Entsprechende Er­

lasse für den Bergbau ergingen am 25. Aug. 1914 (HMB1. S. 442) und am 11. März 1915 (HMB1. S. 89).

Ein Reichsgesetz vom 4. Aug. 1914 (RGBl.

S. 333) gewährte zugleich dem Reichskanzler das Recht, allgemeine A u sn a h m e n von den gesetzlichen B e s c h ä f tig u n g s b e s c h r ä n k u n g e n w e ib lic h e r u n d j u g e n d lic h e r A r b e ite r und von den A r­

b e it e r s c h u t z v e r o r d n u n g e n zu gewähren, wäh­

rend den höheren Verwaltungsbehörden eine ent­

sprechende Befugnis für einzelne Betriebe beigelegt wurde. In der Begründung und den Ausführungs-

x) Dio K lausel „F o rce m ajeu re b e fre it von d e r Ver­

b in dlichkeit rech tzeitig er L ieferung“ g ilt bei W aren (Blei­

weiß, A ntim on), die ein H än d ler vorzugsweise aus dem A usland zu beziehen pflegt, als F reizeichnung fü r die D auer der E infuhrbehinderung au ch d ann, wenn die Lieferung inländischer W are m öglich wäre. (R G . I I , U rte il vom 17. Dez. 1915, JW . 1916, S. 316 u n d vom 14. A pril 1916, I I 40/16.)

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.6. O ktober 1916. D i e R e c h ts e n tw ic k lu n g a u f dem G eb ie te d e r G r o ß in d u s tr ie . S ta h l und E isen. 969 Vorschriften wird darauf liingewiesen, daß der nicht

zum Kriegsdienst herangezogenen männlichen und weiblichen Bevölkerung in weitestem Maße Beschäfti­

gung gesichert werden muß.

Der im Anfang des Krieges ergangene preußische Ausfiilmmgserlaß vom 10. Aug. 1914 (IIMB1. S. 450) trug anderseits dem Umstande Rechnung, daß durch solche Bewilligung dio Arbeitsgelegenheit für dio durch den Krieg arbeitslos gewordenen Arbeiter ver­

mindert werde, jedoch dürfte diese Befürchtung in­

folge der weiteren Einberufungen erheblich an Be­

deutung verloren haben. Aus diesem Gesichtspunkte wurde damals angeordnet, daß Ausnahmen nur in besonderen Notfällen zugelassen werden sollten, z. B.

wenn eine Vermehrung der Arbeitskräfte aus Mangel an Baum oder an Maschinen nicht angängig oder un­

geschultes Personal nicht verwendbar sei. Aus dem­

selben Grunde lehnte auch der Herr Reichskanzler in mehreren Erlassen aus der damaligen Zeit die bean­

tragte Bewilligung einer allgemeinen grundsätzlichen Ausnahme für die Beschäftigung von jugendlichen und weiblichen Arbeitern im Braunkohlenbergbau, im oberschlesisclien Steinkohlenbergbau und in der Tabaldndüstrio ab (Erlasse vom 18. und 25. Aug.

und 9. Nov. 1914, HMB1. S. 457, 477, 531). Ander­

seits wurden von den Gewerbeaufsicbtsbehörden in zahlreichen Fällen die notwendigen Ausnahmen für einzelne Betriebe zugelassen. Eine weitgehende B e ­ sc h r ä n k u n g der A r b e it s z e it in Spinnereien, Webereien und Wirkereien brachte die Reichskanzler- Bekanntmachung vom 12. Aug. 1915 (RGBl. S. 495).

Zur Beschaffung von Arbeitsgelegenheit und zur B e s c h ä f t ig u n g v o n K r ie g s g e f a n g e n e n erging die Kgl. Verordnung vom 11. Sept. 1914 betreffend ein v e r e in f a c h t e s E n t e ig n u n g s v e r f a h r e n (Ge­

setzsamml. S. 159). Danach kann das Staatsministe­

rium für Arbeiten, die zu dem gedachten Zweck be­

stimmt sind, ein Euteignungsverfahren anordnen, das in der Verordnung und den Ausführungsvorschriften vom 11. Sept. 1914 (JMB1. S. 724, 725) näher aus­

gestaltet ist und den Gesichtspunkten der Verein­

fachung und Beschleunigung Rechnung trägt. Der Regierungspräsident, der an Stelle des sonst zustän­

digen Bezirksausschusses der Träger des Verfahrens ist, kann zugleich mit dem Plan auch die Entschädi­

gung feststellen und die Enteignung aussprechen.

Neben einer Anzahl bestimmter Wasser- und Melio­

rationsbauten ist dio Verordnung besonders für die Staatseisenbalmbautcn praktisch geworden (Preuß.

Ministerialerlaß vom 15. Sept. 1914, Gesctzsamml.

S. 161), auch wurde sie in einzelnen Bundesstaaten auf Privatoisenbahnbautcn angewondet. Es können daher auch Privatunternehmer, die Kriegsgefan­

gene in größerem Maßstabe zu derartigen Arbeiten zu verwenden und die Enteignung der hierfür nötigen Landflächen zu betreiben beabsichtigen, mit Vorteil von diesem Verfahren Gebrauch machen. Die Ver­

ordnung tritt sechs Monate nach dem Tage der Been­

digung des Kriegszustandes außer Kraft (Kgl. Erlaß vom 25. Sept. 1915, Gesetzsamml. S. 141). Ist in­

zwischen der Plan offengelegt oder der Unternehmer in den Besitz eingewiesen, so ist das Verfahren nach den Vorschriften der Verordnung zu Ende zu führen.

Neben den seltenen Fällen, in -denen die Ent­

eignung den Zweck der Beschäftigung von Kriegs­

gefangenen oder Arbeitslosen verfolgt, bedarf die Großindustrie gerade während des Krieges ganz be­

sonders der

Enteignung

zu m Z w e ck e Von B e tr ie b s e r w e ite r u n g e n und A n s c h lu ß b a h n a n la g e n . Während in Friedens­

zeiten das Enteignungsrecht zu diesem Bohufe nicht leicht verliehen wird, da der Nachweis eines öffent­

lichen Interesses an der Herstellung derartiger An­

lagen naturgemäß auf Schwierigkeiten stößt, lassen die Heeresinteressen in der Kriegszeit derartige Ent­

eignungsanträge häufig als selir gerechtfertigt er­

scheinen.

So gelang es uns, hinsichtlich einer fr e m d e n E n k la v e innerhalb eines großen H ü tt e n g r u n d - s t ü c k s das E n t e ig n u n g s r e c h t zur Errichtung einer G e s e h o ß fa b r ik zu erwirken, und in einem anderen Falle die Enteignung von Nachbargrund­

stücken zur Erweiterung von P r iv a t a n s c h lu ß ­ b a h n a n la g e n iirf ein Werk, in dem Kriegs­

bedarf hergestellt wird, herbeizuführen. Ein weiterer Fall, der ein mit der Herstellung von Kriegs­

und Eisenbahnbedarf beschäftigtes Werk betrifft und die Enteignung und Straßenverlegung zur Errichtung eines Werksbalmhofs zum Gegenstand hat, befindet sich in Bearbeitung. Es sei darauf liingewiesen, daß die Militärverwaltung in der Lage ist, derartige Grundstücke zugunsten der Kriegs­

bedarfsfabrik von den Eigentümern auf Grund des K r ie g s lo is t u n g s g c s e t z e s vom 13. Juni 1873 zu requirieren, was sich in allen derartigen Fällen zunächst empfiehlt. Da aber die Kriegsleistungspflicht mit dem Wiedereintritt des Friedenszustandes endigt, so genügt eine bloße Requisition nicht, um dem Unternehmer die notwendige gesicherte Rechts­

stellung, dio nur der Eigentumserwerb gewähren kann, zu verleihen. Es ist daher in allen diesen Fällen nötig, zugleich die Enteignung auf Grund des E n t ­ e ig n u n g s g e s e t z e s vom 11. Juni 1874 herbeizu- fiihren, die während des Krieges auf Grund Allerh.

Ermächtigung vom 16. Aug. 1914 (Gesetzsamml.

S. 153) durch das Staatsministerium erfolgt, und für die eine Reihe von formellen Voraussetzungen bestehen, deren Erörterung hier zu weit führen würde.

Das oben erwähnte Gesetz, betreffend das verein­

fachte Euteignungsverfahren vom 11. Sept. 1914, kam in den behandelten Fällen nicht in Betracht.

Gleichwohl hat das Verfahren zur Erwirkung des Staatsministerialbeschlusscs nach erfolgter Requisition nur etwa zwei Monate in Anspruch genommen. Das weitere Verfahren ist dann nicht besonders dringlieh, da auf Grund der Requisition gebaut werden darf und die Enteignung gesichert ist.

Eine Erweiterung des öffentlichen Rechts auf Ge­

biete der Privatwirtschaft zeigt die Bekanntmachung

(4)

960 S ta h l und Eisen. D i e R e c h ts e n tw ic k lu n g a u f d e m G eb ie te d e r G r o ß in d u s tr ie . 36. Ja h rg . N r. 40.

über die Errichtung von V e r t r ie b s g e s e ll s c h a f t e n fü r den S t e in k o h le n - u n d B r a u n k o h le n b e r g ­ b au vom 12. Juli (1915 ((RGBl. S. 427), die dio Errichtung von Zwangsgesellsehaften zur Regelung der Förderung und des Absatzes von Zechenerzeug­

nissen zuläßt. Sie fußt auf § 3 des Gesetzes über die Er­

mächtigung des Bundcsrats zu wirtschaftlichen Maß­

nahmen usw. vom 4.A ug.l914 (RGBl. S .327), wonach der Bundesrat während der Zeit des Krieges diejenigen gesetzlichen Maßnahmen treffen kann, die sich zur Abhilfe wirtschaftlicher Schädigungen als notwendig erweisen. Diese Maßnahmen sind dem Reichstag bei seinem nächsten Zusammentritt zur Kenntnis zu bringen und auf sein Verlangen aufzuheben. >

Wenden wir uns nun dem Gebiet unserer r e g e l­

m ä ß ig e n B e r i c h t e r s t a t t u n g zu, so ist im Be­

reich der

Gewerbeordnung

zunächst auf die neuere Friedensgcsotzgebung hin­

sichtlich der A u slä n d e r hinzuweisen.

Der Betrieb eines Gewerbes ist in Deutschland nach dem heule geltenden Recht jedermann, also auch den Ausländern, gestattet (§ 1 GO., Ausnahmen für Wandergewerbe u. dgl.), nur bezüglich der j u r is t is c h e n Personen des Auslandes können dio Landesgesetze Abweichendes vorschrciben. Für die alten Provinzen Preußens bestimmte nun der noch in Kraft befindliche § 18 der preußischen Allgemeinen Gewerbeordnung vom 17. Jan. 1845/22. Juni 1861, daß juristische Personen des Auslandes, sofern nicht die Staatsverträge Ausnahmen enthalten, nur mit Erlaubnis der zuständigen Ministerien in Preußen ein stehendes Gewerbe betreiben dürfen. Diese Vor­

schrift ist neuerdings durch das preuß. Gesetz vom 29. Juni 1914 (Gesetzsamml. S. 137) auf den ganzen Umfang der Preußischen Monarclde ausgedehnt wor­

den. Für den Betrieb von Bergwerken und den Er­

werb von Borgwerkseigentum trifft das preuß. Gesetz vom 23. Juni 1909 dieselbe Bestimmung. Diese richtet sich auch gegen Gewerkschaften, die in einem anderen Bundesstaate ihren Sitz haben, während das Gesetz vom 29. Juni 1914 nicht alle außcrprcußischen, sondern nur dio rcichsausländischen juristischen Per­

sonen berührt (vgl. § 12 GO.). Eine dankenswerte Zusammenstellung sonstiger für Ausländer geltender Bestimmungen gibt Popitz im Preuß. Verwaltungs­

blatt 35, S. 750.

Dio Rechtsprechung hat sich auch im Berichts­

abschnitt eingehend mit dem R e c h t der g e ­ w e r b lic h e n K o n z e s s io n e n beschäftigt, während die Rechtslehre und das Schrifttum sich seit dem Kriegsausbruch vorwiegend den Fragen des Kriegs­

rechts zuwendeten. Unter den Neuerscheinungen des gewerberechtlichen Gebiets lenkt eine von Dr. L a g e n s te in verfaßte Schrift1) über die Ge- werbcpolizeierlaubnis (Tübingen bei J. C. B. Mohr), die in den von Zorn und Stier-Somlo herausgegebenen

0 W ir haben dieselbe bereits in St. u. E. 1914, S. 1109, erw ähnt.

Abhandlungen aus dem Staats-, Verwaltungs- und Völkerrecht Aufnahme gefunden hat, die Aufmerksam­

keit auf sich. Der Verfasser betrachtet die in § 16 geregelten Gewerbeausübungen als verboten, solange dio Polizei sie nicht erlaubt, diese sieht er als ermäch­

tigt zur Erlaubniserteilung an und hält ein polizei­

liches Einschreiten gegen genehmigte Anlagen für un­

beschränkt zulässig. Er übersieht hierbei, daß die Behörde in allen Fällen, in denen die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, zur Erteilung der Ge­

nehmigung nicht bloß ermächtigt, sondern verpflich­

tet ist, und daß der Schutz der genehmigten Anlage gegen nachträgliche Auflagen, der auch in § 25 zum gesetzlichen Ausdruck gekommen ist, das notwendige Gegengewicht gegenüber dem Konzessionserfordernis bildet. Daß dies der gewerbepolitische Grundgedanke der §§ 16 ff. ist, wurde bereits in dem diesseitigen Bericht vom Jahre 1909 nachgewiesen1). Mit Grund hat man daher auch allerseits gegen die Lagensteinsche Auffassung Widerspruch erhoben2), die dem geltenden Recht zuwiderläuft und die Prinzipien einer bewähr­

ten und gefestigten Gesetzgebung zugunsten einer polizeistaatlichen Reglementierung aufgeben will.

Wenn ferner Lagenstein die fraglichen Bestimmungen als Gewerbepolizeiverbote m it Erlaubnisvorbehalt kennzeichnet, so wäre es richtiger, nach der negativen Seite hin von einer gewerbepolizeilichen Beschränkung zu reden, denn die Erlaubnis ist nicht Vorbehalten, sondern bedingt geboten, und dieses bedingte Erlaub nisgebot steht der Annahme eines unbedingten Ver­

bots durchaus entgegen. Ueber dieser negativen Seite darf ferner nicht die positive Bedeutung der Genehmi­

gung als eines konstitutiven Staatsakts übersehen werden (Kormann, System der rechtsgeschäftlichcn Staatsakte, S. 84). Nur die Behörde, die zum Erlaß dieses Staatsakts auf Grund des § 21 GO. nach näherer Maßgabe der Landesgesetze berufen ist, kann in den gesetzlich bestimmten Fällen eine Aende- rung treffen, während den Ortspolizei- und Gewerbc- aufsiehtsbehörden nicht die öffentliche Gewalt bei­

wohnt, in ein Recht, das sic nicht verleihen können, beschränkend einzugreifen. Deshalb sind auch nach feststehender Praxis alle Vorbehalte zugunsten der Ortspolizeibehörden in den auf Grund der §§ 16 ff.

erteilten Genehmigungen nichtig, deren rechts- erzougende Kraft auch in der Rechtsprechung außer Zweifel gestellt ist (Jur. Wochcnschr. 1912, S. 652;

1916, S. 38).

|y Die Frage, welche Voraussetzungen vorliegen müssen, damit überhaupt eine A n la g e im S in n e d es § 16 gegeben ist, hat die Gerichte neuerdings wiederholt beschäftigt. In einer Strafentscheidung vom 17. Jan. 1914 (Gewerbearchiv 14, S. 203) hat sich das Kammergericht dem Urteil des Oberverwal­

tungsgerichts vom 12. Dez. 1912 (das. 12, S. 574) angeschlossen, wonach der Begriff einer gewerb-

St. u . E., 1909, 12. Mai, S. 696 ff.

2) N eukam p, V erw altungsarcliiv, Bd. 22, S. 166;

V ossen in der Zeitschrift „D ie chemische In d u strie “ 1914, N r. 15/16.

(5)

5. O ktober 1916. D i e R e c h ts e n tw ic k lu n g a u f dem G ebiete d e r G r o ß in d u s tr ie . S ta h l und Eisen. 961 liehen Anlage das Bestehen besonderer, zum Be­

triebe des Gewerbes dienender Vorrichtungen nicht immer voraussetzt, anderseits aber wenigstens eine dauernde Benutzung des beticffenden Raumes in Aussicht genommen sein muß. Da cs sich in diesen Fällen um solche Arten von Anlagen handelte, die auch bei bloß handwerksmäßigem Umfange der Ge­

nehmigung bedürfen, so kam hierbei ein weiteres Er­

fordernis nicht zur Sprache, das für die uns interessie­

renden Anlagen gilt. Bei diesen ist die Genehmigungs- pflicht auch an das Vorhandensein eines fabrikmäßigen Betriebes geknüpft, und zwar entweder ausdrücklich, wie z. B. bei den chemischen Fabriken, oder still­

schweigend, wie bei den Anlagen zur Gewinnung roher Metalle. Das ist unter Umständen für V e r ­ s u c h s b e tr ie b e wichtig, bei denen es entweder an der Absicht einer dauernden Benutzung der Anlage oder doch an dem fabrikmäßigen Betriebe fehlen kann. Nichtgcnchmigungspflichtig ist daher auch ein bloßer L a b o r a t o r iu m s b e t r ie b , in dem Ab­

gänge der Edeimetallindustrie und Legierungen im Probicrofen auf ihren Gehalt untersucht und dabei Edelmetalle durch Reduktion in kleinerem Umfango gewonnen werden. Eine solche Scheideanstalt ist mangels fabrikmäßigen Betriebes weder zu den che­

mischen Fabriken, noch zu den hüttenmäßigen An­

lagen zu rechnen. (Badischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 1. Dez. 1914, Badische Verwaltungszeit­

schrift 47, S. 77.)

Was die K o n z c s s io n s p f li c h t ig k e i t e in z e ln e r A rten v o n A n la g e n anlangt, so sind die aus dem Vorjahr übernommenen anhängigen Sachen in unse­

rem Sinne entschieden worden.

Unserer auf S. 2 des vorjährigen Berichts1) vor­

getragenen Ansicht, daß W a lz w e r k e nichtgenehmi­

gungspflichtig sind, ist die Ortspolizeibehördc bei­

getreten und hat den widerrufenen Bauschein zur Errichtung des Gebäudes für die Blockstraße erteilt, womit sich die Gewerbcaufsichtsbehörde einverstan­

den gezeigt hat. Den gleichen Erfolg hatten wir hin­

sichtlich der Bauerlaubnis für bauliche Erweiterungen eines T h o m a s s ta h lw e r k s zur Aufnahme eines Elektroschmelzofens für Ferromangan und zur Ver­

größerung des Gebläsehauses und einer Kokillen- kühlanlage. Ebenso schloß sich die Baupolizcibchördc unserem Standpunkt an, wonach die Bauerlaubnis für derartige Anlagen nicht widerruflich ist.

Die Konzessionspflicht der Z e m e n tö fe n , an der man in der Praxis wohl kaum gezweifelt hat, wird vom Reichsgericht bejaht (Urteil vom 26. Juni 1914, HMB1. S. 481). Wenn auch der Entscheidung im Er­

gebnis beizutreten sein wird, so hätte man doch eine Stellungnahme zu den Bedenken erwarten dürfen, die sich daraus ergeben, daß die Zementöfen eine Zeitlang in dem Verzeichnis des § 16 ausdrücklich aufgeführt waren, dann aber gestrichen wurden (s. die Bundes­

ratsbeschlüsse vom 29. Nov. 1900 und 15. Juli 1901).

Was die D o lo m it ö f e n anlangt, so könnte man versucht sein, sie zu den Röstöfen zu rechnen, die in

1) R cchtskom m ission, B e ric h t N r. V.

§ 16 GO. als genehmigungspflichtig aufgeführt sind.

Dann würden aber auch die Kalköfen als Röstöfen anzusehen sein. Daß dies jedoch nicht der Stand­

punkt des Gesetzes ist, geht daraus hervor, daß die Kalköfen neben den Röstöfen besonders aufgeführt sind. Röstöfen im Sinne des § 16 sind daher nur dio Erzröstöfen. Da nun die Dolomitöfen sich unter keine sonstige Art der in § 16 aufgezählten Anlagen unterbringen lassen, so spitzt sich die Frage dahin zu, ob die Dolomitöfen zu den Kalköfen im Sinne dieser Gesetzesbestimmung gehören. Demgegenüber habe ich schon früher darauf hingewiesen, daß die den Dolomitöfen nicht fernstehenden S t r o n t ia n it - b r e n n ö f en der Zuckerfabriken nicht als konzessions­

pflichtig gelten, und es wurde daher beschlossen, ein Gutachten der C h e m ik e r k o m m issio n über die in Betracht kommenden chemisch-technischen Fragen einzuholen. Dieselbe hat sich unter dem 30. Juni 1914 wie folgt geäußert:

„D ie chem isch-technischen Vorgänge in den Oefen zum B rennen von K alkstein, D olom it u n d S trontia- n it sind hei allen drei Ofonarten dio gleichen: Das Brennen bezw eckt das A ustreiben der K ohlensäure.

E in U nterschied b esteh t n u r in der A rt des Betriebes insofern, als bei den K alköfon die B ren n tem p eratu r v e r­

hältnism äßig niedrig ist, d a der K alk stein seine K ohlen­

säure ziemlich leicht ab g ib t u n d eino zu hohe T em ­ p e ratu r sogar verm ieden werden m uß, weil der gebrannte K alk sonst seine erforderliche chemische A k tiv itä t v e r­

lieren würde. Bei den großen K alköfen (Hoffm annschen Ringöfen) dien t dah er K ohle als B rennstoff, d a dio dadurcli gelieferte T em peratur zum B rennen des K a lk ­ steins vollständig ausreicht. Die Dolom itöfen werden dagegen m it höherer T em p eratu r betrieben, weil der Dolom it n ich t n u r seine K ohlensäure verlieren, sondern auch to tg o b ran n t (sintergebrannt) w erden soll, d am it der g eb ran n te D olom it für seine sp ätere V erwendung chemisch möglichst in ak tiv wird. D as B rennen geschieht d aher in einem m it W ind betriebenen Schachtofen m it K oks als Brennstoff. E benfalls bei sehr hoher T em peratur m uß das B rennen des S tro n tia n its erfolgen, d a dieser seine K ohlensäure e rst in sehr hohen H itze ­ graden abgibt ; das B rennen erfolgt d ah er in G askam m er­

öfen bei hoher W eißglut. Aus obigem ergibt sich, daß dio D olom itöfen in der A rt ihres B etriebes m it den Strontianitöfen weit m ehr A ehnlichkcit auf weisen als m it den Kalköfon. D a dio K alköfen konzessions- pflichtig sind, die Strontianitöfen nach einer M inisterial- cntschcidung dagegen der K onzessionspflieht nich t u n ter­

liegen, so w ürde es folgerichtig sein, d aß dio D olom it­

öfen ebenfalls nich t konzessionspflichtig sind. Diese Behandlung w ürde auch dadurch ihre Berechtigung finden, d aß die Abgase der Dolom it- u n d S tro n tia n it­

öfen durch die V erw endung von K oks bzw. Gas als B rennstoff frei von R u ß und noch brennbaren B estan d ­ teilen sind, w ährend dies bei den K nlköfen bei V er­

wendung von langflam m iger Kohlo n ich t zuzutreffen b ra u c h t.“

Nach der triftigen Begründung dieses Gutachtens werden wir die Dolomitöfen als nichtgenelunignngs- pflichtig betrachten dürfen.

Für dieKonzcssionierung von N e b e n a n la g e n ist die im letzten Bericht erwähnte, inzwischen in Bd. 19, S. 227 der Jahrbücher des Sachs. OVG. veröffentlichte Entscheidung von Interesse, wonach die Genelunigung einer G ie ß e r e i auch s t ills c h w e ig e n d einen be­

triebsnotwendigen F a ll harnmer umfassen kann.

(6)

902 S tah l u n d E isen. D i e R e c h ts e n tw ic k lu n g a u f d e m G e b ie te d e r G r o ß in d u s tr ie . 36. J a h rg . N r. 40.

Etwas vorsichtiger drückt das Reichsgericht (V. Senat, Urteil vom 10. Febr. 1915, Jur. Woclien- : ein-. S. 457, Nr. 13) denselben Gedanken aus, indem es erwägt, daß eine in dem der Behörde eingereichten P lan mit vorgesehene Abwässeranlage zugleich mit der Hauptanlage als genehmigt gelte, denn dio Ge­

nehmigung aus § 16 umfasse die gewerbliche Anlage

„mit allem, was dazu gehört“ . Es erstreckt aber diesen Schutz nicht ohne weiteres auf die nur tat­

sächlich v o r h a n d e n e Anlage.

Für das V e r fa h r e n b e i d ei K o n z e s s io n s ­ e r t e ilu n g sind besonders die neuen Vorschriften von Bedeutung, welche die gleichzeitige Behandlung der Anträge auf Erteilung einer gewerblichen Ge­

nehmigung und Verleihung von Rechten zur Be­

nutzung von Wasserläufen zum Gegenstände haben und demgemäß ein einheitliches Verfahren für die G e w e rb e- u n d W a s s e r k o n z e s s io n einführen.

Gemäß Nr. 29 ff. der Ausführungsanweisung III zum Wassergesetz kann der Unternehmer, der zu­

gleich eine Genehmigung nach § 16 GO. und eine Verleihung nach § 46 WG. nachsuchen will, in allen Fällen den Antrag in einem und demselben Schrift­

satz beim Bezirksausschuß, der ja für die wasser- rechtliche Verleihung stets zuständig ist, anbringen.

Das Vorverfahren ist dann gemeinsam, und es wird zunächst über den Verleihungsantrag und, wenn der Bezirksausschuß ebenfalls für die Gcnelunigung zu­

ständig ist, nach etwaiger mündlicher Verhandlung auch über diese entschieden, während andernfalls die Akten nach Erledigung des Verleihungsverfah­

rens an den Kreisausschuß zum Befinden über die Genehmigung abzugeben sind.

Im Sinne dieser zweckmäßigen Neuerung sind auch die Zustündigkeitsvorscliriften dahin geändert worden, daß die Befugnis zur gewerbepolizeilichen Ge­

nehmigung für gewisse Arten von Anlagen, die bisher dem Kreis-oder Stadtausschuß, Magistrat oder kollegia- lischen Gemcindevorstaud beiwohnte, dem Bezirks­

ausschuß bcigclegt worden ist. Zunächst ist dies durch

§ 386 des Wassergesetzes hinsichtlich der Stauanlagen für Wassertriebwerke (s. §§ 91 ff. das.) geschehen.

Sodann ist ncucstcns durch Gesetz vom 14. Juni 1914 (Gesetzsamml. S. 149) in Abänderung des Zuständig­

keitsgesetzes vom 1. Aug. 1883 dem Bezirksausschuß die Genehmigung von Kohlenteerfabriken, Kokereien, Schnellbleichen, Stärkefabriken, Gerbereien, Stroli- papierstoffabriken u. a. m. überwiesen worden. Hier­

bei bandelt es sich um Anlagen, deren A b w ä sse r wegen ihrer chemischen Zusammensetzung oder ihres Gehalts an organischen Schwebestoffen nur auf Grund wasserrechtlicher Verleihung gemäß §§ 40, 46 des Wassergesetzes in Wasserläufe eingeleitet werden dürfen (HM.-Erlaß vom 22. Aug. 1914, HMB1. S. 474).

Die sonstige Tätigkeit im Genehmigungsverfahren betraf sowohl die Abwehr unberechtigter Einsprüche von Naehbaren, die sich gegen die Konzessionsertei­

lung richteten, als auch die Streichung bedenklicher und teilweise recht gefährlicher Bedingungen. Wir erreichten die Verwerfung der fünf Einsprüche, die

auf befürchtete Gas- und Rauchentwicklung, Staub­

zuführung und Erschütterungen gestützt waren.

Ein Teil der Einsprechenden gab sich hiermit nicht zufrieden, wurde aber auch in der Rekursinstanz ab­

gewiesen. Die übrigen Fälle hatten sämtlich die Konzessionsbedingungen zum Gegenstände.

In unserem letzten Bericht erwähnten wir eine Reihe von unzulässigen Bedingungen, mit denen die Gcnelunigung einer Tr o c k e n g as r ei ni g u u gs a nl age belastet war. Das betreffende Werk berichtet, daß die mündliche Verhandlung vor dem Bezirksausschuß, die wir empfohlen hatten, im Sinne des hier entworfe­

nen Schriftsatzes geführt und von Erfolg gewesen sei; die Abänderung der Bedingungen sei erreicht worden.

Wir drangen auch durch mit unserer Ansicht, daß die in einer E i s e n g ie ß e r e ik o n z e s s io n enthaltene Bedingung, der Belegschaft Seife und Handtuch zu gcstellen, eine in diesem Gewerbezweigo ungebräuch­

liche Neuerung darstcllt und zu streichen sei, da sic das Maß des zum Schutz gegen Lebens- und Gesund­

heitsgefahr Notwendigen überschreitet und dio An­

sicht der Gewerbeinspektion, es handele sich um Nachteile für das Publikum, nicht zutreffend er­

scheint. Auch darin gab uns der Kreisaussclmß in seinem rechtskräftig gewordenen Bescheide recht, daß bei Erweiterung einer K u p o lo fe n a n la g e der Einbau von Funkenfängern an den bereits vorhande­

nen Kupolöfen nicht vorzuschreiben ist.)

Ob Kupolöfen überhaupt gcnelunigungspflichtig sind, richtet sich nach der Anlage, zu der sie gehören (s. Jaliresbericht *) für 1913, S. 3).

In den Genehmigungsbedingungen der V e r ­ z in k e r e ie n spielen die Dunstfänge über den Säute- belniltern und Metallbädern eine erhebliche Rolle. Es hat sich herausgestellt, daß dieselben eher schädlich als nützlich sind, da die Arbeiter, dio sich über die Behälter beugen müssen, gerade durch die nach oben gesogenen Dünste belästigt werden. Vielfach lassen sich auch solche Dunstfänge wegen der über den Kesseln und Becken liegenden Krane nicht anbringen.

Demgegenüber wird neuerdings sogar verlangt, daß die Dunstfänge beweglich aufzuhängen sind, so daß sie auf die Bäder herabgezogen werden können. In Fällen, in denen hierdurch der Betrieb erheblich er­

schwert wird, dürfte die Herbeiführung einer Rekurs­

entscheidung angezeigt sein.

Auch mit den Bedingungen für H a m m erw erk s­

k o n z e s s io n e n hatten wir uns im Berichtsabschnitt mehrfach zu beschäftigen.

Für die V e r le g u n g von drei genehmigten F a ll­

h ä m m ern innerhalb desselben Raumes war eine Vcr- änderungsgenchmigung nachgesucht worden. Der kollegialische Gemeindevorstand gab dem Antrag unter der Bedingung statt, daß ein anderer in einem Nebenraum befindlicher, im Jahre 1910 genelunigtcr D a m p fh a m m e r von 8 Uhr abends bis 6 Uhr morgens

') R echtskom m ission, B e ric h t N r. V.

(7)

5. O ktober 1916. D ie lie c h ts e n tw ic k lu n g a u f dem G eb iete d e r G r o ß in d u s t r ie . S ta h l u n d E isen. 963 nicht mehr betrieben werden dürfe. Dem hiergegen

erhobenen R e k u r se stattgebend, ordnete der Herr Minister für Handel und Gewerbe durch Rekurs­

bescheid vom 27. Okt. 1914, III, 8676, an, daß die B e d in g u n g zu s t r e ic h e n sei. Dieselbe sei unnötig, denn die Verlegung der drei Fallhämmer und die bei der Gelegenheit beabsichtigte Verbesserung der Fundamentierung gebe keinen Anlaß, die für das Hammerwerk in Kraft befindlichen Genelnnigungs- bedingungen zu ändern.

Der kollegialische Gcmcindevorstand, der sich einen Eingriff auch in die übrigen bereits erteilten Konzessionen des Hammerwerks Vorbehalten wollte, hatte ferner seinem Genehmigungsbescheide den Satz vorangestellt, daß er sich für berechtigt halte, nicht nur bezüglich der Verlegung dreier Fallhämmer be­

sondere Bedingungen zu stellen, sondern auch die Bedingungen in den Konzessionsurkunden der sämt­

lichen schon bestehenden gowerblichen Anlagen ab- zuändern oder zu ergänzen. Wir erreichten in der Rekursinstanz, daß auch diese a llg e m e in e V o r­

b e h a lt s k la u s e l g e s t r ic h e n wurde.

Weiterhin handelte es sich um die N e u g e n e h m i­

gu n g eines großen D o p p e lfa llh a m m e r s . Hier wurden sogar zwei Vorbehaltsklauseln in die Genehmi­

gung eingesetzt, einmal die schon erwähnte und so­

dann die besondere Klausel, daß mangels ausreichen­

der Erfahrungen die nachträgliche Abänderung auch dieser neuen Konzession Vorbehalten bleibe. Der Rekurs fiilirte zu dem Ergebnis, daß auch diese b eid en K la u s e ln g e s tr ic h e n wurden. Sie waren besonders deshalb gefährlich, weil andernfalls die Behörde den N a c h t b e t r ie b des neuen Doppelfall­

hammers n a c h t r ä g lic h h ä t t e v e r b ie t e n k ö n n en . Dagegen wurde in Verbindung mit dieser Neu­

konzession der Nachtbetrieb des älteren Dampf­

hammers untersagt. Die Regelung, die den Bedürf­

nissen des Unternehmens entsprach, ging nunmehr dahin, daß das Werk die vorbehaltlose Erlaubnis er­

hielt, an Stelle dieses Hammers einen neuen Doppel­

fallhammer auch nachts zu betreiben.

Von a llg e m e in e m I n te r e s s e ist, was der Re­

kursbescheid III 8675 über die V o r b e h a lt s k la u s e l bei H a m m e r w e r k s k o n z e s s io n e n sagt:

„D agegen w ar die B edingung 7 zu streichen, d a dio von B etrieben der vorliegenden A rt ausgehenden Ge­

räuschbelästigungen u n d dio M ittel zu ihrer E in sch rän ­ kung ausreichend b e k an n t sind, ein A nlaß zur Auflage der allgemeinen Vorbehaltsklausol som it n ic h t vorliegt.“

Ein anderer Fall, ln dem eine Konzession für einen L u ftd r u c k lia m m e r davon abhängig ge­

macht worden ist, daß der Aufstellungsraum mit Doppelfenstern und Doppeltüren auszustatten sei, die während des Betriebes geschlossen gehalten wer­

den müssen, und daß der Betrieb in Friedenszeiten von abends 9 bis morgens 7 Uhr und von mittags 1 bis 2)4 Uhr einzustellen sei, befindet sich noch in der Rekursinstanz. Ueber das Ergebnis werden vir berichten1).

: ) D ie E ntsch eid u n g ist inzw ischen organgen u n d be­

sonders d e r N ach tb e trie b g e s ta tte t worden.

In Fällen wie dem vorliegenden, in dem der Kreisausschuß übersehen bat, daß die ortsübliche Mittagspause zwischen 12 und 1 Uhr liegt, kann es sich empfehlen, bei der Konzessionsbehörde die Ab­

änderung des Beschlusses vor der amtlichen Zu­

stellung in Anregung zu bringen. Auf diese Weise können Versehen der Genehmigungsbehörde ohne Rekurs wieder gutgemacht werden.

Die Frage der w e se n tlic h e n V e r ä n d e r u n g hatten wir ebenfalls wiederholt zu behandeln und haben eine Veränderungskonzession z. B. für not­

wendig erklärt bei der Anlage einer Elektrohängebahn für einen H o c h o fe n und bei der Einrichtung der Kohlenstaubfeuerung als Aushilfsanlage für eine vorhandene Hochofengasfeuerung, die zur Beheizung eines Drehofens in einem Z e m e n tw e r k dient.

Bei Prüfung dieser Frage bedarf es einer Ver­

gleichung der beabsichtigten Veränderung mit der Genehmigungsurkunde und den gehörigen Plänen, denn der tatsächlich vorhandene Zustand ist, wie die oben S. 6 angeführte Reichsgerichtsentscheidung besagt, nicht ohne weiteres entscheidend. Wenn aber die Anlage bereits vor Erlaß der Gewerbeordnung bestanden hat, dann kommt es allerdings, soweit nicht eine entsprechende landesrechtliche Genehmi­

gungsurkunde vorliegt, zum Vergleiche auf den tat­

sächlichen Zustand an. (Kammerg., I. Strafsenat, Urteil vom 9. Nov. 1914, HMB1. S. 542).

Mit der Frage, inwieweit ein Antrag auf Genehmi­

gung einer wesentlichen Veränderung1) dazu benutzt werden kann, um die ganze Anlage einer neuen Prü­

fung und Genehmigung zu unterziehen, beschäftigt sich das Oldenburgische Oberverwaltungsgericht in einem Urteil vom 19. Sept. 1912 (Ztschr. f. Rechts­

pflege im Gr. Oldenburg, Bd. 40, S. 73). Es handelte sich um eine Ziegelei, die gleichzeitig eine erhebliehe Erweiterung ihrer Produktionsanlagen unter Errich­

tung neuer und Vergrößerung vorhandener Gebäu­

lichkeiten sowie die Einführung der maschinellen Formerei an Stelle des bisherigen Handbetriebes vornahm.

Man wird in diesem Falle unseres Erachtens hin­

sichtlich der Formerei überhaupt keinen Eingriff in die vorhandene Konzession als vorliegend annehmen dürfen, da diese den Maschinenbetrieb nicht deckt.

Die durch die neue Betriebsweise erforderlich ge­

wordenen Bedingungen stellen sich daher unserer Auffassung nach als zulässige Bedingungen einer Ver­

änderungskonzession dar, aber eben auch nur inso­

weit, als sie um der Veränderung willen nötig sind.

Die ungenehmigte Errichtung oder wesentliche Veränderung einer genehmigungspflichtigen Anlage wird nach § 147 GO. bestraft, jedoch tritt gemäß

§ 145 das. nach drei Monaten die Verjährung ein.

Diese Frist beginnt mit der vollendeten Errichtung H a t die V eränderung eine A bw ässerverm chrung zur Folge, und lä ß t sieh die hierdurch bedingte V er­

unreinigung d e r V orflut nich t d u rch geeignete V or­

kehrungen verm eiden, so ist eine w asserrechtliche V er­

leihung d csE inleitungsrechts erforderlich. (R ckursbescheid vom 30. Nov. 1915, HMB1. S. 390.)

(8)

964 S tahl und Eisen. D ie R e c h ts e n tw ic k lu n g a u f d em G eb ie te d e r G r o ß in d u s tr ie . 36. Ja h rg . N r. 40.

bzw. Vornahme der wesentlichen Veränderung. Sind seitdem drei Monate verstrichen, so tritt Straflosig­

keit ein. Das Bestehenlasscn und Weiterbotreibon der Anlage ist nicht strafbar, jedoch bleiben polizei­

liche Zwangsmaßregeln nach § 147 Abs. 3 statthaft.

(OLG. Hamburg, Strafsenat, Urteil vom 26. Aug.

1914, Leipz. Ztschr.VIII, 1932 und Kammergericht, I. Strafsenat, Urteil vom 4. Dez. 1913, Gew.-Archiv Bd. 13, S. 506.)

Mit

E in w ir k u n g e n a u f N a c h b a rg ru n d s tü c k c (Im m is s io n e n )

waren wir auch im Berichtsabschnitt vielfach befaßt.

Bei den einschlägigen Klagen, die bei nicht genelimig- ten Gewerbebetrieben auf Unterlassung der Zuführun­

gen, bei den nach §§ 16 ff. genehmigten Anlagen auf Herstellung abhelfender Einrichtungen oder Schaden­

ersatz gerichtet sind, ist es besonders die Einrede der O r tsü b lic h k e it aus § 906BGB., die den Gerichten Schwierigkeiten bietet. Hierbei handelt es sich darum, in welcher Weise das e in w ir k e n d e G r u n d ­ s t ü c k benutzt wird, ohne Rücksicht auf die im Nach­

bargrunds tück eintretenden Folgen1), und es kommt demgemäß n ic h t darauf an, ob die Einwirkung auf das Grundstück des k la g e n d e n N a c h b a r n der Ortsgewolmheit entspricht, sondern ob die Benutzung des Grundstücks des beklagten Gewerbetreibenden, des F a b r ik g r u n d s tü c k s , ortsüblich ist. Der Grad der Einwirkung ist nur maßgebend für die Fest­

stellung, ob nicht bloß eine u n w e s e n t lic h e Beein­

trächtigung vorliegt, die ohne weiteres geduldet wer­

den muß.

Dementgegen bewegen sich die Beweisbeschlüsse in Immissionsprozessen oft in der verkehrten Rich­

tung. Z. B. läßt das Gericht durch einen Landwirt oder Pflanzenchemiker feststollen, ob die Feld- und Gartenfrüchte auf dem Grundstück des K lä g e r s weniger gedeihen, als auf den entfernteren oder in günstigerer Windrichtung liegenden Nachbargrund­

stücken, anstatt durch einen Hütteningenieur oder -Chemiker untersuchen zu lassen, ob das Stahlwerk des B e k la g te n als ein ortsüblicher Betrieb anzuschen ist. Man begeht also auch hier den Fehler, den G rad der B e e in t r ä c h t ig u n g des landwirtschaftlichen Grundstücks zum Gegenstand der Vergleichung zu machen, während cs auf die O r t s ü b lic h k e it der B e n u t z u n g des Fabrikgrundstücks ankommt.

Anstatt nun diesen Rechtsstandpunkt zu be­

kämpfen, begnügt sich dann häufig der beklagte Unternehmer damit, den Nachweis zu führen, daß der Kläger nicht mehr beeinträchtigt ist als dio sonstige Nachbarschaft der industriellen Werke, und da dieser Beweis, mit dem er sich unnütz belastet, oft mißlingt, so fiilirt er den dann eintretenden Prozeßverlust auf das ungünstige Beweisergebnis zurück, auf das es in Wirklichkeit nicht ankam.

l ) Siehe das nicht veröffentlichte U rteil des OLG.

Ham m v. II. Nov. 1914, 6. ü . , 178/09, in Sachen K re- keier-Phönix.

Ganz naturgemäß wird ein Bäckermeister durch die Nachbarschaft eines Hochofens mehr beeinträch­

tigt als ein Schornsteinfeger, aber im Immissions­

prozeß macht es keinen Unterschied, ob der Kläger ein b e so n d e r s s c h o n u n g s b e d ü r f t ig e s Geworbo betreibt (Jur. Wochcnschr. 15, 602).

Deshalb können wir uns einem neuerdings be­

kannt gewordenen Urteil des OLG. Düsseldorf vom 21. Okt. 1912, 4. U. 101/11, Gew.-Archiv 13, S. 377, nicht ansehließen, in dem es heißt, daß dio von dem Hammerwerk der Beklagten ausgehenden Ge­

räusche und Erschütterungen zwar an und für sich keineswegs das ortsübliche Maß überschreiten, aber in dem Hause des Klägers derart in die Erscheinung treten, daß sie über das erträgliche Maß hinausgehen, und daß dadurch das Maß nachbarlicher Duldung überschritten sei. Damit wird neben der Ortsüblieh- keit auch eine durch die Benutzung des klägerischen Grundstücks bedingte E r t r ä g lic h k e i t gefordert, von der das Gesetz nichts weiß. Ln Gegenteil ist zu verlangen, daß, wenn die Benutzungsweise des Grundstücks des Beklagten ortsüblich ist, der Kläger sich in der Benutzung seines Grundstücks' so ein­

richtet, daß er die Benutzungsweise des Fabrik­

grundstücks, die eine ortsübliche, also nach dem zu vermutenden Willen der Mehrheit der Bewohner zu dulden ist, auch seinerseits ertragen kann.

Auch die Ausdrucksweise des höchsten Gerichts­

hofs ist nicht immer genau. So heißt cs in der Ent­

scheidung des RG., Bd. 57, S. 230, der Eigentümer des leidenden Grundstücks habo bei der Bebauung annchmen dürfen, daß der Gewerbetreibende Vor­

kehrungen treffen werde, die bis dahin unschädlichen E in w ir k u n g e n auf das Maß des G e m e in g e w ö lm - lic h e n zurüekzuführen, während er nach dem Gesetz lediglich erwarten kann, daß der Gewerbeunter­

nehmer sein Grundstück in einer nach den örtlichen Verhältnissen bei Grundstücken dieser Lage g e ­ w ö h n lic h e n W e ise b e n u tz t.

Vielfach wird auch die Frage auftreten, ob der Betrieb des Beklagten, wenn auch nicht seiner Art, so doch seinem U m fa n g nach ortsüblich sei. Hierbei darf nicht außer acht gelassen werden, daß dio Orts­

üblichkeit kein starrer und unveränderlicher Maßstab ist, und daß die Industrie, die sich aus kleinen An­

fängen zu ihrer heutigen Bedeutung entwickelt hat, sich naturgemäß vergrößert und ausbreitet. Die all­

gemeinen Entwicklungstendenzen des wirtschaft­

lichen Lebens zeigen hier den Gradmesser an, dem entsprechend sich auch das Volumen des Ortsüblichen im allgemeinen ausdehnt. Unter Umständen läßt sich auch nachweisen, daß dieselben Schäden ein­

getreten wären, wenn der Umfang des Betriebes sich nicht vergrößert hätte, so z. B. bei der Vergrößerung einer Koksofenanlage von 120 Oefen um die Hälfte in der Prozeßsache Feldhage/Hibernia (OLG. Hamm, Urteil vom 27. März 1915,7. U. 331/09). Aber man wird auch ohne diesen Beweis aus allgemein wirtschaft­

lichen Gründen die Ortsüblichkeit für die Vergröße­

rungen vindizieren können, die der natürlichen Ent-

(9)

5 . O ktober 1916. D i e lle c h ts c n tw ic k lu n g a u f dem G eb ie te d e r G r o ß in d u s tr ie . S tah l und E isen. 965 -wicklung des betreffenden Gewerbezweigs entsprechen.

Wie wollte man sich vom gegenteiligen Standpunkt aus z. B. m it der Tatsache auseinandersetzen, daß während des Krieges allenthalben GesehoQfabriken entstanden sind, die als Vergrößerung bestehender Werke der Großeisenindustrie naturgemäß auch eine stärkere Einwirkung auf die Nachbarschaft mit sich

bringen können?

Uebcr die Frage der Ortsüblichkeit bei v e r e in z e lt lie g e n d e n großindustriellen Anlagen, die dem ganzen Ort sein Gepräge geben, habe icli mich auf S. 11 des letzten Berichts geäußert und finde meine Ansicht in dem oben angeführten Urteil des OLG.

Hamm vom 11. Nov. 1914 bestätigt, in welchem es hinsichtlich der Erschütterungen im westlichen Teil

•der Stadt Hamm heißt:

„A ber schon das B estehen des beklagten W erkes a l l e i n w ürde wegen seiner A usdehnung dem S tad tte il das G epräge eines ausgesprochenen E ahrikortes geben, in dem Getöse u n d E rsch ü tteru n g des Bodens die Folge der gewöhnlichen B enutzung ist. E s w äre also nich t einm al nötig, d aß die anderen industriellen W erke vorhanden sind u n d in ähnlicher W eise ihre G rund­

stücke gebrauchen.“

Ein b e s o n d e r e r S c h u t z g e g e n I m m is s io n s - ik la g e n ist den nach §§ 16 ff. g e n e h m ig te n gewerb­

lichen Anlagen insofern gewährt, als die Klage n ie ­ m a ls a u f E i n s t e l lu n g des Betriebes, sondern nur auf Herstellung von E in r ic h t u n g e n , welche die benachteiligende Einwirkung ausschließen, oder wo solche untunlich oder mit einem gehörigen Betriebe des Gewerbes unvereinbar sind, auf S c h a d lo s h a l- tu n g gerichtet werden kann (§ 26 GO.). Es ist nun die Frage entstanden, wie es sich verhält, wenn sieh die Immissionen zwar v e r r in g e r n , aber nicht auf ein ortsübliches oder unwesentliches Maß zurück­

führen, geschweige denn ausschlicßen lassen. In diesem Falle kann der Schadenersatzanspruch nicht gänzlich abgewendet und daher der Gewerbetreibende zur Herstellung von Einrichtungen nur dann ver­

urteilt werden, wenn dies nicht zu einer unbilligen Belastung mit doppelten Ansprüchen führt, das heißt, wenn die Kosten der neuen Vorkehrungen nicht zu

■der Herabmindernng des Ersatzanspruchs außer Ver­

hältnis stehen (Jur. Wochensclir. 1915, 457, Ammo­

niakabwässer betreffend). Denn Einrichtungen, die vom Standpunkt des Gewerbetreibenden aus als un­

verhältnismäßig kostspielig erscheinen, gelten wenig­

stens im Sinne des § 26 GO. als mit einem gehörigen Betriebe des Gewerbes unvereinbar (Jur. Wochensclir.

1897, 610 und OLG. Düsseldorf a. a. 0 .). Nach der letzteren Entscheidung kann der Nachbar auch nicht verlangen, daß der Gewerbetreibende solche Einrich­

tungen trifft, die als w e s e n t lic h e V e r ä n d e r u n g erscheinen und deshalb einer besonderen Geneluni- gung nach § 25 bedürfen, sondern ist auch in diesem Falle auf den Schadenersatzanspruch beschränkt.

Die Schadenersatzklage aus § 26 GO. ist nur insoweit nicht an die Voraussetzung des Verschuldens gebunden, als sie die Klage auf Einstellung des Be-

’triebes vertritt. Deshalb muß dem Unternehmer ein

x l.38

V e r s c h u ld e n nachgewieseri werden, soweit Ersatz für Schäden verlangt wird, die schon in der V e r ­ g a n g e n h e it liegen, die also mit der Klage auf Ein­

stellung des Betriebes auch nicht verhindert worden wären. Ein Ersatz für solche Schäden kann ebenso, wie wenn er neben der Klage auf Betriebseinstellung bei nicht genehmigtem Fabrikbetriebe verlangt würde, nur unter den allgemeinen Voraussetzungen des Schadenersatzanspruchs nach § 823 BGB. und also nur beim Nachweis eines Verschuldens gefordert werden (RG., 13. Jan. 1915, Recht 19, Jahrg. Nr. 4, 6, ebenso Jur. Wochensclir. 1915, S. 601).

Die Frage der Verjährung dieses Anspruchs ist in der Jur. Wochensclir. 1914, S. 769 behandelt, Ein Verschulden wurde darin nicht gefunden, daß der Gewerbetreibende eine angebliche Gesundlieitsscliädi- gung des Klägers nicht zum Anlaß nahm, um ab- helfendo Einrichtungen hcrzustellen, denn da ihm von den anderen Nachbarn keine Klagen über Ge­

sundheitsschädigungen zügingen, so durfte er an- nchmen, daß sich Schädigungen nur bei besonderer körperlicher Veranlagung und Empfindlichkeit er­

gäben, auf die der normale Verkehr keine Rücksicht nehmen kann (Jur. Wochensclir. 1915, S. 1125).

Da der Schutz des § 26 darauf beruht, daß die Anlage zum Zwecke der gewerbepolizeilichen Geneh­

migung einer obrigkeitlichen Prüfung unterzogen wor­

den ist, so erstreckt sich dieser Schutz nicht auf die nicht geprüften und nicht geneiunigten Teile einer Anlage, auch wenn sie mit der geneiunigten Anlage zu einer Bctriebscinheit verbunden sind (RG., 6. März 1915, Recht, 19. Jahrg., Nr. 1396).

Anderseits genügt auch eine schon vor Inkraft­

treten der Gewerbeordnung auf Grund entsprechender laiidesrcchtlicher Vorseiiriftcn erteilte Genehmigung, wenn die Anlage auch nach der Gewerbeordnung ge­

nehmigungspflichtig ist (Jur. Wochensclir. 1914, S. 769). Mit Immissionen aus Zechenanlagen be­

schäftigen sich vorzugsweise die Entscheidungen in der Jur. Wochensclir. 1915, S. 600 und 1125.

Wird der Unternehmer zu Schadenersatz wegen dauernder Wertminderung des Nachbargrundstücks durch Immissionen verurteilt, so hat er Anspruch auf die Eintragung einer die schädigenden Einwirkungen deckenden G r u n d d ie n s tb a r k e it, um gegenüber Bcsitznaclifolgcrn des Nachbarn gesichert, zu sein (a. a, 0 ., S. 602). Es empfiehlt sich, unter Umständen schon in erster Instanz geeignete Anträge in dieser Richtung zu stellen, die in der Berufungsinstanz nicht erhoben werden können.

Vielfach wird bei der G e n e h m ig u n g von An­

lagen dem Unternehmer die B e d in g u n g auferlegt, daß er das Auftreten giftiger Gase aus den Schorn­

steinen verhindern müsse. Gegen solche Auflagen empfiehlt sich unter allen Umständen der Rekurs, da eine absolute Verhinderung in der Regel nicht ge­

währleistet werden kann. Wer sich bei einer der­

artigen Bedingung bescheidet, haftet auch für die nicht voraussehbaren Folgen der Immissionen (Jur.

Wochensclir. 1916, S. 38) und setzt sich ferner der 123

(10)

966 ■ S ta h l u n d E isen. N e u t r e B e iz m a s c h in e n . 36. Ja h rg . N r. 40.

Gefahr aus, daß die Polizei auf Grund des § 147 Abs. 1, Ziffer 2 und Abs. 3 GO. die nicht eingehaltene Be­

dingung zur Handhabe nünmt, um die Wegschaffung der Anlage anzuordnen. Da hierbei selbstverständlich eine Entschädigung nicht gewälirt wird, so befindet sich der Inhaber einer mit derart gefährlichen Be­

dingungen belasteten Konzession in ungünstigerer Lage, als jeder andere Gewerbetreibende. Denn im übrigen kann nach § 51 GO. die fernere Benutzung einer jeden gewerblichen Anlage wegen überwiegender Nachteile und Gefahren für das Gemeinwohl nur gegen Schadloshaltung untersagt werden1).

J ) Sioho hierzu R G . 80, S. 298; 82, S. 77 u n d B uoerius im P r. Verw.-Bl. 35, S. 698.

Mit wichtigen Fragen der Gesetzgebung auf dem Gebiete der industriellen Wasser- und Luftverunreini­

gung beschäftigt man sich zurzeit in Schweden. Der S v e r ig e s I n d u s t r if ö r b u n d hat sich im vorigen Herbst an den Verein wegen einer juristischen Prü­

fung des Gesetzentwurfs gewendet, zu der wir uns gern bereit erklärt haben, doch haben wir seitdem von der Angelegenheit, vermutlich infolge des Krieges, nichts mehr gehört. Hoffentlich wird man sich auch dort der Aufgabe nicht verschließen, die Notwendig­

keiten des modernen Wirtschaftslebens der strengen Konsequenz des Eigentumsbegriffs gegenüber zur Geltung kommen zu lassen.

(F o rtsetzu n g folgt.)

Neuere Beizmaschinen.

Von Ingenieur H e r m a n n K r e b s in Dahlbruch i. W .

E

ine Vervollständigung der früheren Angaben1) durch Bekanntgabe neuester Ausführungen mit beachtenswerten Verbesserungen, die bei erprobter Sicherheit sich zeitsparend erwiesen haben und große wirtschaftliche Vorteile bieten, dürfte einem größeren

Die Ueberlegenheit des e le k t r is c h e n A n t r i e ­ b e s auch bei dieser in ihrer Wirkungsweise wie ein schweres Hammerwerk arbeitenden Einrichtung ist so augenfällig, daß der Dampfantrieb nur noch dort in Frage kommen kann, wo eine elektrische Kraft­

quelle fehlt. Wie sehr die Bauart Klein die bei dem natürlichen Bewegungs­

prozeß auftretenden Stöße im Triebwerke der Beiz­

maschine vermeidet, dafür sei als Beispiel eine im Sommer 1909 in Betrieb gesetzte Beizmaschine an­

geführt, die seit ungefähr sieben Jaliren ununterbro­

chen m it etwa 2 x 1600 kg Bruttolast arbeitet, mit einem Schneckengetriebe von 12 • tc - Teilung. Dabei ist die Schnecke nur 125 mm lang, eingängig, und hat einen äußeren Durchmesser A bbildung 1 ,2 u. 3. E loktr.

an g etr. B lechbeizvorrichtung.

Interessenkreis willkommen sein. Die M a s c h in e n ­ b a u - A k t ie n g e s e lls c h a f t v orm . G e b r ü d er K le in in Dahlbruch hat in den letzten Jaliren eine Reihe Neuausfülirungen gebaut und in Betrieb gesetzt, die nachstehend erläutert werden sollen.

' ) St. u. E. 1908, 1. Ju li, S. 938/44; 1909, 13. J a n ., S. 73/6; 16. J u n i, S. 893/9; 23. J u n i, S. 946/50; 1910, 24. Aug., S. 1443/9.

von 126,4 mm. Als Antriebsmotor dient in diesem Falle ein 7-PS-Motor, Modell R 120/1000 der Siemens- Schuckertwerke, mit einer Drehzahl von 955 = n.

Dieser Motor hat noch nie versagt und, ohne je über­

lastet zu sein, bei ständig und gleichmäßig gefüllten Beizkörben, anstandslos und ununterbrochen die Arbeit verrichtet. Diese Anlage ersetzte eine ältere Beize mit Dampfantrieb und hat sich in kurzer Zeit bezahlt gemacht.

An anderer Stelle sind vor fünf Jahren gleich­

zeitig drei größere Beizmaschinen in Betrieb gesetzt worden, deren Instandhaltungsarbeiten seit Inbe­

triebnahme verschwindend klein gewesen sind trotz der seit Ausbruch des Krieges äußersten Ausnutzung in Tag- und Nachtbetrieb, wodurch wohl die Betriebs­

sicherheit erwiesen sein dürfte. Sie war ausschlag­

gebend bei der Nachbestellung für die erfolgte Ver­

größerung dieses Werkes.

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