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Die Zukunft, 29. Juli, Bd. 28.

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AsAsOsO- 0"Q’ v-EIN

L- kæk II-

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L.q—I U

I- s

Berlin, den 29.Juli xt899.

s J J- r-

BiSmarckS Todestag.

Mkerste WiederkehrdesMonatstages,mitdeffcnLichtdasgreifeLeben

,

Bismarcks erlosch,wirddenDeutschendasSonntagsvergnügen Nicht stören.Siewerden,wenn derWettergott günstiggestimmt ist,aus engenWohnungenin diegrüne Sommerflur ziehen,werdenamMeer, auf Bergenoder infreundlichenNiederungen frohdergewohntenFeiertagslust nachgehenund,wenn nach langerDürreRegen fälltunddenAufenthaltim Freien unbehaglichmacht,inSchänken,TanzfälenoderaufgefchütztenBals kommPlauderndundfcherzendzufammenfitzen.Da und dortwird einGrüpp- cheUGetreuer wohlderernsten BedeutungdesTagesgedenkenundstillden ManendesGroßeneinenguten Tropfen weihen. Auchin denZeitungen wirdes anein paarerinnernden,rühmendenZeilen nicht fehlen,diemeist freilichin den gernvernommenen Trostruf ausklingen werden, daßesauch jetzt,auch ohne Bismarck,überjedenBegrisf herrlichumdasDeutfcheReich bestelltist.Aber dasfröhlicheSonntagstreibenwirdnichtruhen,dasTanzen, Fiedeln,Kegelschiebennicht füreiner Minute Dauer unterbrochenwerden.

So warsauch,als imvorigenJahraneinemSonntagdieTodeskunde aus

Friedrichsruhkam;allerleiIndustrien eroberten sichdieStraße, schwarze Fähllchmfür Kinder,Bismarckbilder undBismarckkarten wurdenausge- brÜlltundeingehandelt,dochvoneinertiefer reichendenTrauer warnichtszu spüren.NurFaustens Famulus,deffen pergamentenem Empfindenalles

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Menschlichefremd ist,könntesichdaranärgern.WerdenMenschen, sein WünschenundStreben,unddasKollektivbedürfnißderMassebesserkennt,als mans ausBüchernundPapiererkennenlernt,Der wirdsichinsolchemAnblick nicht wundern, sondern gelassenundzornlos sprechen:DasLebengehtkrib- belnd und wibbelnd weiter,magauf hoherWarteaucheinerVolkheitdiehellste Leuchteverglimmtsein.LängstdahinistdieZeit,woGoethevonseinenDeutschen sagen durfte,esliegeinihrem Charakter, daßAlles überihnen schwerwird undsieüber Allemschwerwerden.DerDeutschevonheute istvonderSchalle gelöstundaufden kaumnochanderWurzelnational gefärbtenWesenston derHändlerweltgestimmtzeristgezwungen,emsigderProfitmöglichkeitnach- zujagen,feiertdieFeste,wiesie fallen,undfindet seltendieMussezubedäch- tiger Einkehr;schwernimmt erhöchstensdenGeschäftsverlust,nichtaber die MinderungdesMenschheitbesitzesGlaubtirgend Jemand,dieGoethefeiern, die in dendeutschenGauenfürdennahenden Frühherbstvorbereitet werden, könnten zumVerständnißdesmächtigstendeutschenGeistes,derhundert- undfünfzigJahre nach seinerGeburt demdeutschenBürgerthumnocheine fremdeRespektspersonist,ein Beträchtlichesbeitragen?Und würde Bismarcks Jngenium besserempfunden werden,wenn Behörden,Körperschaften,Ver- eineanjedemdreißigstenJulitage prunkvolleGedächtnißfeiernveranstalteten?

GoetheundBismarck: die beiden Namen sind oft schonneben ein- ander genanntworden. VonunkritischenBewunderern,die inhitzigver- flackernderLiebevergaßen,um wie vielreicherderWeltbilddichterwarals dernationale Staatsmann; undvon unklugen Tadlern,die dreimalWehe über dasdeutscheLandriefen,weil dergewaltsameWilledesPolitikersdie Saat desPoeten vernichtet habe.DemanderOberflächehaftendenBlick scheintderpommerscheJunkermitdemsüddeutschenPatriziersohn nichts gemeinzuhaben;undesist nichtzuleugnen, daßBismarck auf selbstge- gebahntemWege genöthigtwar,goethisch-kosmopolitischeBeschaulichkeitzu

bekämpfen, wieGoethedasWerkLuthers,desvorihm herrschenden LehrersderDeutschen,inmanchenPunkten bestritten hatteundwieimReich derGeister jederneueRegent sichgegen dasvondemVorgänger verkündete, mählicherstarrendeDogmawendenmuß.Unddochsehlenden ausverschiede- nemErdreichErwachsenenauchnichtdieähnlichenWesensziige.AnBeidener-

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Bismarcks Todestag. 179 fülltesichnichtnur dasWortSwists,daswahreGenieseistetsdaranzu erken- nen,daßalleDummköpfesichgegenseinWirkenverbändenzBeide wurden auch,lebend und tot, mit denselbenWaffenangefallen.EinTalknhdochkein Charakter: solauteteimLagerdertüchtigGesinntenüberBeide dasUrtheil- HatteGoethenicht denHofmann gespielt,Bonaparte verherrlichtundspäter desEpimenides Erwachen geschrieben,dasErdreistenderNeusten verhöhnt UnddiedemokratischenRegungen vornehmvonseiner sorglichvorPöbel- trittenbewahrtenHöhebelächelt?HatteerüberMenschenundDinge, überGottunddieWeltnicht oftdieMeinung geändertundfrüherBe- kannteskeckwiderrufen?Einordentlicher, zuverlässigerMensch hatvom TagederMündigkeitbis zurBahrenur eineMeinung;dervon wechseln- denLebenseindrückengewandelte isteinunsichererKantonist,demderruhige VükgerkeinensicherenMaßstab entlehnenkann.Manhat jetzt freilichver- sucht,GoethespolitischeAnschauunginknappe Sätzezufassenundihnals einen sanftenLiberalen vorzuführen.AberhatderAlterndedieJdeologie desLiberalismus nichtmitOlympierspott gegeißelt?UndwürdedasBe- mühen,dasphilosophischeoder dasIdealdesAllumfassersineinefesteFor- mel zUbannen, nicht aufdieselben Widersprüchestoßen?Ein anderes Er- gebnißist nicht möglich,wenn derGeniusdurchdieBrille derMittelmäßig- keitbetrachtetwird,dertemperamentlosen, kurzsichtigen,spekulativen.Das hat auchBismarck erfahren;dieZahl seinerBörneswar Legionundnoch heute siehtdieMengederrationalistischGebildeteninihmeinenungewöhn- lichbegabten,aberauch ungewöhnlichskrupellosenAbenteurer, obwohl sievondemihr heiligenMommsenlernenkönnte,daßdiesichereErkenntniß desErreichbarenund desUnerreichbarendenHeldenvomAbenteurerunter- scheidet.WiedurftederFreihändler sichzumSchutzzöllnerwandeln? Wie derMann,derRodbertus rühmteundLassalle sichzumGuts- nachbarn wünschte,mitsoveraltetenFeudalzeitwaffenden modernen Sozia- lismus bekämpfen?WermochteEinemtrauen, dernachLasker Und Bam- bergeralsreaktionärverschrieeneJunkerzuHelfernerkor undsichdesGe-

finnungwechselsdann nichteinmalschämte?DereigensinnigeBorussewar ausgezogen,desaltenPreußenstaatesArtgegenalldeutscheZuchtlosigkeit Und gegen dieWuthdesNationalitätenschwindelszuschützen,underfand aUfdemWegeineKaiserkroneundkonnterüstig nochdieZeit bereiten,da PreußeninDeutschland ausgehen muß.ErhaßtediebürgerlicheAnmaßung, spchtanStahls, GerlachsundKleist-RetzowsSeite für junkerlicheIdeale Undführte,alsExponentdergroßbourgeoisenEntwickelung,daseinstbe-

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.180 DieZukunft.

fehdeteBürgerthumdann aufdenGipfel industriellerundhändlerischer Macht.DasGlückwarmitihm; undso ofteinZiel,dasergarnichtge- suchthatte,imSonnenglanzsichtbarwurde, sagteerlächelndundohnescham- haftes Erröthen,amWeitestenkomme Dereben,dernicht wisse, wohiner gehe.Sounbequeme,in keineSchuleundSchachtel passendeMänner sind nichts fürdenPhilister;erblinzelt scheuzuihnen hinaufundraisonnirt, währenderdenHut zieht,überihre Charakterlosigkeit;um sieliebenzu können,mußersie erstmit einemfälschendenStempel prägen.Bismarck wußtees,ersprachmitBedauern davon, daßeralsblutjungerBurschenicht nach Weimar,vorGoethes Auge, gekommensei,undwehrtejedenVergleich mit dem Wort ab:»Ja,Dennannten sie auch charakterlos

Ersteine neue,verfeinertePsychologiewirdsolcheThorheit ausjäten.

DiealtjüngferlichkühleVernunft formtedenMenschennach ihremEben- bild, forderte geradeLinienundwar nicht zufrieden,wenn eineanmuthige- RundungdasKnochengestellverbarg. LangsamvollziehtsichdieWandlung;

schondämmerteinAhnen, daßdieWurzeln menschlichenHandelns fastimmer unter dieBewußtseinsschwellehinabreichen,undderhelle Tag,den dies Dämmern verkündet,wird dieklareErkenntnißbringen, daßnur Fibel- gläubigeihre ZeitandasBemühenvergeuden können,imLeben undWirken hochgewachsenerMenschen nach JnkonsequenzenundWidersprüchenzu stochern.Dann wirdman Bismarcknicht mehr hadernd vorwerfen,erhabe kein immergiltiges Programm,keinjedepolitischeKrankheitschnellheilendes Rezept hinterlassen,sondern sichderreizvollen Persönlichkeitfreuenunddie Gesinnungrichtermit derFrage verscheuchen,obernichtwachsen,dieGrenzen desKörpersundGeistesweitenmußte,um so großzu werden. Undwenn derdreißigsteJulidannwieder einSonntag ist,wirdzumreisenden,aus derniederenSchulung entlassenenSohneinverständigerVatersprechen:

»Seimit derJugend fröhlich,meinJunge,undknauserenicht allzu ängstlichmitdemTaschengeld.Das thatdertolleJunkervom Kniephof auch nichtundwurdedocheinsehr sparsamer Haushalter. Heute ist sein Todestag.Deshalb brauchstDudenKopf nicht hängenzulassen;erwar garnicht sentimental,garnicht für feierlichsteises Geprängeundhatte,als ein,Abgefundener«,denTodlange ersehnt. AlsokeineLeichenbittermiene, aber einBischenvonderEhrfurcht, ohne derenBesitzdiesittlicheErziehung nichtvollendetist. Jhr habtvonBismarck gehörtundgesprochen.Unter DeinenFreunden habenStahlhelmundKüraßesManchem angethan;An- derehabendenKnabenzorngegen dengroßenTyrannen ausgetobt. Horche

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Bismarcks Todestag. 181 nieikttauf solcheReden. StahlhelmundKüraßwaren diesemManne nur KleidundZier füreinebestimmte Zeit;zuseinem wahren Wesen gehörten sie Nichtundheimischfühlteersich eigentlichnur imschwarzen, unmodisch AcschnittenenHausrockErwar auchkeinTyrann, sonderneinzartempfin- dender,vonHerzenhöflicher-Herr,dendiestärkereWillenskrastzumHerrscher über im Willenscentrum morscheGemütherbestimmte,deraberauchimmer bekeitwar,nebensichdemBedeutendenRaum zugewähren.Manwird Dir sagen,erhabehäufiggeirrt.Das ist richtig;erhat aufdenRufder All- wissenheitnieAnspruch gemachtundin dem Vorwort zurGesammtausgabe seinerReden bekannt, daßihm nichtsMenschlichesfremd gebliebensei.Ueber

dasAlter,wo man aufErdenfleckenlose,unfehlbareGöttersucht, bistDuja aberhinaus.Man wird Dirvielleichtauchsagen,ersei inkonsequent gewesen, einMenschohne festeGesinnung,einschlauerTaktiker der Stunde. Dasist falsch-Erwarsich selbststets getreuundhandelteimmer,wie er,umsichselbst getreu zusein, handeln mußte.EinasiatischerWeiser,derinderGegenddes EuchJungentheurenKiautschoulebte, hat gelehrt, auf dreiWegenkönne der MenschKlugheit erwerben;amEdelsten seies,durch Nachdenken,amBe- qUeMstethdurchNachahmen sichzu bilden ; derbeschwerlichste,mit den bitter- stenKräuternbewachseneWegaberführe durchdieErfahrung.Daswar derLebenswcgBismarcks. DuselbsteinLernender, wirst wissen, daßesda OhneSelbstkorrekturenundWesenswandlungen nichtvorwärts geht.So VielhastDuvonderdeutschenGeschichtewohl schon gelernt, daßDuver- stehenkannst,wasesheißenwill,wenn ein1815 Geborener1895 nochder repräsentativeMann seinesVolkesist,wenner, dem esBasallenpflichtschien, diefchrankenloseKönigsmachtvor dreistemEinspruchzuschirmen, sich alsGreisgezwungen sieht,diedeutscheJugend auf offenem Marktplatz er derUnumschränktheitmonarchischerGewalt zuwarnen. Undso ganz amusischbistDuhoffentlichnicht, daßDunicht begriffen hättest,was dekHoraz,der Dir oftgenugKopfschmerzen machte,mitdemgenus irrjtabjlevatum meint,andasman nichtdiefürdenMenschheitdurch- schnitt passendenMaßftäbelegen darf. Zu ihm mußtDu denMannaus demSachsenwaldzählen:erhattedas heißeTemperament,dielyrische GrundstimmungdieempfindsamenNerven unddieleidenschaftlicheSub- jektivitätdesgenialgeborenen Künstlers, undermußteausdemMenschen- material,das dieZeitundderZufall ihm boten, seineEpenundDramen dichten.Daserwäge,währendDuDeinem Sonntagsvergniigen nachgehst, UndlaßDirdas BilddesEinzigen nicht durchblindeLober und Tadlerent-

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182 DieZukunft.

«

stellen.Wasihmin dieWiege gelegt ward, kannstDu Dirnicht geben;aber DukannstDirdieFreiheitderSehweiteunddaseigene,unbeirrte Urtheil wahren,wie er, deruns dasReichundsichselbstdashöchsteGlück der Erden- kinderschuf:diePersönlichkeitDenkeihm nachundvergiß,wennDuspäter denWerthseinesWirkens ermessenwillst, nicht,denBlick über dieGrenze zuschicken.Denn,Thukydides hatesDich gelehrt,dasLebenswerkgroßer Menschenist nichtvondenin derHeimathihnen errichtetenStandbildern ab- zulesen,sondernausderSpur,dieihr schreitenderFußin den Erdballgrub.«

M

Zum dreißigstenJuli.

WerAbendsonne stand ich zugewendet

. i Und sinken sah ich ihrenBall hinab, Eh’ siederStrahlen letzte Gluth versendet, DieWeiten noch beherrschend aufundab.

Da,wieich hielt,von ihrem Glanz geblendet, Dacht’ ichan eines Heldeneinsam Grab, Und seininThaten unerreichteSLeben Schienmir instillemBilde vorzuschweben.

Salzburg. Martin Greif.

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Das VolkvonRom. 183

Das Volk von Rom-k)

MllerthörichtenTäuschungengrößteistes, derMengezu vertrauen, deren NaturdieStetigkeit ausschließtunddiein dertollenFluthundRück- flUthihrer Sympathien heute vernichtet,was gestern ihrGottwar, und morgenfürdas gestürzteJdol neuerdings ihrLebendahinstreut. Sicher gehtnur, wer dertrübsäligenWahrheitnimmer vergißt,daßdasVolkgut Undböse ist, daßesTugendenundLaster hat,Lebensdrangundfelbstmör- derischeTriebe. Denn seineArt entspringtaus zahllos verschiedenen Quellen;und wenn darum nach SchicksalsschlußdieWogederEntartung gegenuns andonnert und,stärkeralsdie anderen,uns begräbt,dannmögen wirseufzendunsereLebensarbeit untergehen sehen, aberstaunenundüber

Unerhörtesklagen dürfenwirnicht.

WaswirbeimAufgehendesVorhangesinShakespeares »Caesar«

Vor Unssehen,ist solcheinerafchaufsteigendeEntartung. DieStimmungund VerfassungderaufderBühne sich drängendenMenge bezeugtdenTodder Republik.AlseinstJunius Brutus dasKönigthumzustürzenunternahm, da wußteerein Volkhinter sich,dasnicht jubelte, sondernseufzte, nichtvon Triumphensprach, sondern keuchte,unddas beimNahendesKönigsmit haßetfülltenBlicken undMienen zudenGötternnachRettung rief. Wo istnun dieserGeist, derGeist,derdenManlius indenAbgrund warf, den Koriolan ächteteund um desScheineseinerFreiheitsthatwillenden MördernderGracchen verzieh?DerstarkenndeifersüchtigeGeist,dersich einemFabius nicht beugte,einemKamillus nichtnachgabunddeneisernen ScipionenzumTrotzaufseinerUnbeugsamkeitbestand»?Dasist vorbei,—- undRombebt;esbebt undliebtden Mann, deresanfeinen Königstraum gewöhnenwill,undschaartsichentzücktaufdemMarkte, um Caesar auf demWegezurKrone zuumjubeln.

Dageschiehtes,daßmittenindieMenge zwei Pompejaner sich hin- einwagenundihrem HasseineinerArtAusdruckgeben,zu derfelbstunter derHerrschaftmilderer Sitten Tollkühnheitgehörenwürde. Pflegtman dochheute nochpolitischeGegnervon der Tribünezureißenundzulynchenz undwie wirdesgarin demvon derWölfin gesäugtenRomfein,woschon sp mancher jähe Ausbruchdie«Erde mit Bürgerblut röthete!Darum, währenddieBühnevon demdröhnendenHohngelächterdesVolkes wider- hallt, befchleichtuns mählichdieAngstvoreinemschlimmenAusgangdes

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slc)EinAbschnittaus eineminderHerstellungbefindlichenneuen Bande der»Shakespeare-Probleme«desVerfassers.

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184 DieZukunft.

Zusammenstoßes;aberfreilichnur, wenn wir dasüblicheBühnenarrangement verabschieden,das aus derSzene mehreineEinladungineinLachkabinet alsdenAuftaktzurmännlichstenallerTragoedien macht.Dennwenn man uns hiermitHeiterkeitstattmitSorge erfüllt:wasWunder dann,daßuns dieSzene außer Zusammenhangmitdengewaltigen Dingen erscheint,von denendas Stückhandelt?Undso geschiehtesja auch, daß,wenn man von denVolksszenenim»Caesar« spricht, GelehrteundUngelehrteimmer nur derbekannten AustrittedesdrittenAktesgedenkenund derEröffnungszene vergessen,diedochdie ältereSchwester istundmitdergleichenMilchge- nährt.Und dieweitere Folge ist, daßman dasVolkim,,Caesar«nur als eine imdritten AktebeschäftigteEpisodenfigurkennt,währendesvon allemAnbeginnalsdastausendköpsigeUngeheuerdasteht,dasAllesbedingt, dieriesengroßeKraftundPerson,aus derenLendenCharakter, Lebensprinzip undSchicksalalleranderen tragirendenGestalten geborenwerden. Bedenken wirDasundferner,daß dieshakespearischeKunst unzerreißbareOrganismen herzustellenpflegtundjede Szene dieses Dichtersdie SeeledesganzenWerkes athmet, sowerdenwirunschwerzufindenvermögen,was dieEröffnung- szenewillundsoll. Welcher Jrrthum, sichanihrem »prächtigenHumor«,

anihrem ,,köstlichhumoristischen Wurf«,und wiedieBezeichnungensonst lauten, zuergötzen und beim verdächtigenBlasenwerfeneinerkochendum-

gerührtenMassezulachen,alswärenwirnichtMännerundBürger,sondern unerfahreneKinder! ZornundVerwünschungenderTribunen, dieCaesars Feindesind HohngelächterderMenge freche Jronieihrer Wortführer

immeraufreizendereStachelungderGemüther: istDasheiter?Undwenn dann hundert Augen gefährlichleuchten, viele LeibersichzumStoß zusammen- drängenunddieVordersten höhnisch,trotzig, unverschämtmit eingestemmten Armen in denHüften sichwiegen, währendman hinter ihnendenoppo- sitionellenTribunen bereitsGrimassen schneidet, Nasen dreht,mit denZähnen knirschtund auchschon Fäuste geballtundhoch erhobenwerden: istdies Alleswirklichnur einAnlaßzumAknusement?Aberfreilich:dieSache geht gut aus,dennderDichterbeeiltsichja,dieSorge,dieerinuns angefacht hat, blitzschnellwiederzutäuschen;denneinHuii unddieGefahr fürdie beidenPompejaner istvorbei undwirsehendiePlebs sich ihnen sogarde- müthig unterwerfen;undso stehtuns ja,die wirkeineenragirten Caesari-

aner sind,nichtsimWege, erleichtert aufzuathmen.Und wassindenwir statt DesseninunserenHerzen,wenn wirnicht gedankenlos sind? Daist kein Tonder Freude,derErleichterung nachüberwundenenAengsten,unddas SchicksalderTribunen interessirtuns überhauptnur wenig mehr.Ja,sie selbstwaren es,diemitihrenReden unsere Aufmerksamkeitvon sich fort jener Person zugewendet haben,die alsDritteaufderBühne steht: nämlich

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DasVolkvonRom. 185

dem Volk. Denn sie erzählenuns inheftigenWorten vonderTreulosigkeit RomsgegenPompejus;und nun sehenwir,inunsererbesten politischen Sittlichkeitverwundet undbewegt, daßdasVolk, daswirinderKindheit TagenalsVerkörperungentschlossenerMännlichkeitzuträumen gewohnt waren,jetzt schonwieder, undzwar vorunserenAugen,einSchauspielvon FeigheitundWankelmüthigkeitaufführt,denerstenAbfallundVerrathin dieser Tragoedie;unddieseVeränderlichkeitderVolksgunstistes, die dasGewissendes denkendenBürgersamMeisten beschäftigtundbeleidigt.Wasliegtuns un- parteiischenZuschauerndaran, daßdas frisch erwachteAndenken dasdes Pompejusunddiefrische TreulosigkeitTreulosigkeitgegenEaefar ist?Aber daß solcheWetterstürzeüberhauptmöglichgeworden sindunddasVolkvon Romhin-undherschwankt,unfähig,einengebietendenMann zuhassen,un-

fähig,ihn männlichzulieben: Das istes, wasdie veränderteVerfassung des.öffentlichenGeistessofurchtbar illustrirtzdennindemRom desge- waltigenKoriolan wärensolche-Wandlungen nicht möglichgewesen.

DazukommtnochdasschreiendeMißverhältnißzsvischenUrsacheund Wirkung.AlsEaesar einstdasVolkvonPompejus losrißundfürsichge- wann,geschahesdurchunerhörteSiegeunddanndurcheineFriedensthätig:

keit,die dasWohlbefindendesEinzelnen hobunddieKräftederkrankhaft aufgelöstenGesammtheiterneute;wodurchtreibtdenn aber Marullus dieGe- mütherzumGotte vongestern zurück?Marullus undsein Kollegeverüben wirklichein Wunder,dennihre Waffe istnur dasWort, undihremWorte sowieihrem Wesen überhaupt fehltesanderKraftderUeberredungund Verführung,dieeinen solchenUmschwungderStimmungerklären könnte- Wassinddie Beiden,verglichenmitdengroßenAgitatoren,dieRomeinst gesehenhat? Statt biegsamundgeschmeidigzusein, sindsiehochmüthig undplump, sie sind mehralsnervös,stattkalt zu sein, undscheuchendurch ihre schwarzeGalligkeitallebösen Geisterauf, diedenEingangzuden Herzenverwehren.Menenius Agrippawürde lachen,wenn ersähe,wie UngeschicktsiedasVolkinWuthbringen,von Wort zuWort mehrvon ihrerAutoritätverspielenundschließlichjenenbrennenden Spott provoziren, demsie hilflosundlächerlichgegenüberstehen.Freilich undwirhabenes ja Auchausdrücklichgesagt—: amEndegelingtesihnen doch,denzweiten Bürger,denWortführerderMenge, einzuschüchtern,daßerRedesteht,wie essichgegenüberdenTribunen gebührt, undmit ihmgiebtdasganze Volk seinenTrotz auf;aberderSchauspielerwirduns sagen undthat

etesbisher nicht,so wirderunsinZukunft zeigenundsagen—, daßDies weder einErfolgderagitatorischenKunstderTribunen war nochwiedurch einhimmlischesWunder plötzlichvon selbstgeschah;eskostetevielmehreinen Kampf,und zwareinensolchen,der dietribunizischeWürde der beiden

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186 DieZukunft.

Männertief beschämte.Denn,alsesgarkein Mittelmehr giebt,der eben so unerträglichwiegefährlichgewordenenSituation Herrzuwerden,dawagt Marullus dasAeußersteundfaßt BiegenoderBrechen! den Wort- führerdesHaufensanderKehle,er,derTribun, höchstpersönlich!Und jetzt,wodie nackteFaust mitthutundMarullus mitdemeigenenLeben die Autorität desAmtes aufs Spiel gesetzthat, jetzt erst bringteinunsichtbar indenHerzen wohnender Geist Stillstand indieMenge.Sie stocktund erinnert sich,woran sie durchdiePersonderbeidenMännerselbst wahrlich nichterinnert wordenist:an dieHeiligkeitdesobrigkeitlichenAmtes. Da- durch,undkeineswegsdurch eigene KlugheitoderKunst, gelangtMarullus dazu,seine Redefür PompejusundgegenCaesarzuhalten.

Esfragt sichnun, wodurch dieseRededengroßenZauberzuWege gebracht hat, daßdasVolkenteilt

»...zurTiberhin

UndweintinihremStrom derReueThränen.«

Undzwarsageman uns nicht, daßman denInhaltdesWortes in der Dichtungmitanderem Maße messen mußalsimwirklichenLeben. Was ist Dichtung,wenn sie nicht NachahmungdesLebensist? Jmmer istes unserRecht,dieMenschenredemit jenem heiligen sachlichenErnstzu be- trachten,vor demderhoch aufsteigendeRauchdesWortes vergeht;undsind wirdenkendeMenschen, so istesunserePflicht sogar, nach Wahrheit,Ver- standund guteroder schlechterBeschaffenheitvon ZweckundAbsichtdes Wortes zufragen. Wer, der einmalCaesarsNamenhörte, siehtnun nicht inderRededesMarullus, bisaufdieKnochen blosgelegt,denNörgler

um jeden Preisnörgeln,denVerkleinerer verkleinern? Oder istesnicht Ableugnungund VerdunkelungdertaghellenWahrheitund Beleidigung füruns selbst,-wenn inunserer GegenwartundinderAbsicht,damites aufuns wirke,von demSiegerüberachthundertStädte, überdreihundert Völkerfchaften,über drei Millionen Feinde gesprochenwird, alswäreerdem Pompejus gegenübereinNichts,einbloßerKorporal? Undauchdie Aus- malung,wiePompejus einst beklatschtundderGroßegenannt wurde, kann uns nicht beeinflussen,dennwir wissenes vonunzähligenEintagsgrößenher, daßdasJauchzenderMengeeinebilligeunddenMächtigenleichtzufliegende Waare ist,die denToten nichtzuerhebenunddenLebendennicht herabzu- setzenvermag. WennnichtdasUrtheil, sonderndierascherregteNeigung spricht,dannrechnet sie ihrem LieblingeinenZug,einenSonnenblick seines Lebensfürein ganzes Lebenan,geleitetihnmitRuhmunderrichtetDenkmäler auf seinemGrabe;undach,wieleicht vergißtman dannimunbesonnenen GeredevonGröße, daßdas goldeneGewebegarvielerFäden bedarf!Das politische Gewissenaber und dasGewissenüberhauptgehtmitderZu-

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