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Die Zukunft, 22. Juli, Bd. 28.

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Berlin, den 22. Juli 1899.

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Drei Gesprächeüber Religion.

I.

Philalethes:Siehe,wer wandelt dagedankenvollunter blühenden äumen?

Paulus: Guten Tag,alter Freund; ichkomme vom Festmahlzu EhrendesGeburtstagesdesFürstenundmußteDichleiderdabeivermissen.

Philalethes:Du weißt, daß ich seit lange FestmahlealsTeufelswerk betrackitenmuß. Dich freilich nöthigtDeineStellungzurTheilnahme;aber auchanDirvermisse ichdieerheiterndeWirkungdesFestes.

Paulus: Gedanken,dieschonindenletztenTagen mich bewegten, kamen mir heute aufsNeueundzeigtenmir Dunkles hinterdemHellen.

YaheinnimAmte, nimmt michdesTagesSorgeinAnspruch, hieraber, mdiesem stillenBadeorte, woeinfreundlichesSchicksal michmit Dir,dem

GanossenmeinerJugend, zusammengeführthat,öffnet sichderSinn für weiteransgreifende Betrachtungen

Philalethes:Laß hören,wasDein Herz bedrängt.Wirwollenuns aufdieseBanksetzenund, die BlickeaufdaslieblicheThal richtend,mit ein- anderphilosophiren,wie wiresfrüher thaten.

Paulus: Eswaren heuteMittag»die Vertreter vonBildungund Besitz«vereinigt,sovieleesDerenhierzugebenscheint Anwesendenatürlich ausgenommen—, eswurdenvieleRedengehaltenundauch nachTischwurden lebhafteGesprächegeführt.Man konntedabeisehen,was denLeutenam

Herzenliegt.Da wurdebegeistertgeredetvom Reich,vom Volksthum, VOUKolonien,von· dengewaltigenFortschrittenunddemSegenderWissen- schaft,von derBedeutungderIndustrieunddesHandels,vonPolitikund Sozialismns,vondersogenannten FrauenfrageundderErziehung, kurz,von allemMöglichen.Der Präsident hattein seinem Trinkspruch aufden

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Fürstenunter dessenTugenden auch seinen kirchlichenSinngerühmt;»denn«, sagteer,»dieReligion mußdemVolkerhaltenwerden«. DiesenGedanken griffderSuperintendent aufundführteihn nach seiner Weiseaus. Während derRededesGeistlichenbemerkteichzwarnur beiEinigen Gähnenoder einspöttischesLächeln;aberunbehaglichwarsie offenbardenMeisten. Später klopfte ichdesVersuches halberbeiDem undJenemanundbegannvon derBedeutungderReligionzusprechen. Jnderhöflichen,aberkühlenZu- stimmungwar dieAblehnung nichtzuverkennen. Kurz, icherkanntebei dieserGelegenheitvonNeuem, wie trotz dergeistigenRegsamkeitderGesell- schaft ihrSinn denreligiösenFragen verschlossenist,wie in der modernen EinrichtungdieReligion sozusagenalseinrespektables,aberpraktischnicht verwendbares Ausstattungstückangesehenwird.

Philalethes:ZuDeiner Schilderungkann ichDir einGegenstück liefern.GesternAbend besuchteicheineVolksversammlung in«derbenach- barten Kreisstadt. EinWanderpredigerdonnerte gegendenWunderglanben undgegendiePfaffen. Trotzeinzelnen AeußerungendesBeifallswar die inderHauptsacheausArbeitern bestehendeZuhörerschaftoffenbar durchden Vortrag gelangweilt.AlszweiterRednertrat einArbeiter aufundDieser erklärte:ReligionseiPrivatsache, sie hätten sichmitwichtigeren Dingenzu beschäftigen.Dann berichteteerüber einenneuen Strike inderHauptstadt undnun folgtenAlleseinen AusführungenmitderlebhaftestenTheilnahme.

Paulus: SiehstDu aufderentfernten HöhedaskleineDörfchen, dessenKirchthurmebenvon derSonne beschienenwird?

Philalethes:Gewiß.

Paulus: Dort war icham vergangenen Sonntag. DieGemeinde kamfastvollzähligindieKircheundichkonntewährenddesGottesdienstes bemerken,daß sichdie Leute,von denenoffenbar»diegroße Mehrzahlarm

ist, wohl fühlten.Eslag aufdenGesichterneine ichmöchtesagen: ernste Heiterkeitunddiedurchaus nicht schönenStimmen fangendiealtenLieder so eifrig,daßmicheineArt von Rührung ergriff.Beim Verlassender KirchebetetenVieleandenGräbernihrer Angehörigen.DerGeistliche,ein einfacher,aberwohlwollenderMann, dermich durchdasDorf führte, rühmte mitwarmen WortendenfrommenSinn der Gemeinde, ihreNüchternheit,ihren Fleiß,dieEhrfurchtderJüngerenvor denEltern undden Alten, dieTapfer- keit der Leute inKrankheitundNothundihre fröhlicheZuversichtimSterben.

Philalethes:Esistgarnichtdaranzuzweifeln,daß dieReligionDem, derstehat, größereWohlthaten erweisenkann als irgendeineMachtderErde.

Das Schlimme istnur, daßman geradeDasnicht hat,wasman braucht.

Paulus: EbendieserGedanke bedrücktmich.DieStatistik lehrstuns, daß Trunksucht, Verbrechen, Jrrsinn vielrascher wachsenalsdieZahlder

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BevölkerungDienächsteUrsache dieserundandererUebelistzweifellosdie Nothdes Lebens. DaswichtigsteHeilmittelist daher Besserungder Lebens- Veehältnisse.DochNiemandkann erwarten, daßdieNoth gänzlichbeseitigt werdenkönne. Werweiß nicht, daßinderWelt,wiesteist,eherdasLeben erlischtals dieNoth? Alsoangenommen, wirfändendiebestenpolitischen undsozialen Einrichtungen,sowürdeimmernoch ein-bedenklicherRestder Nothbleiben-« Wirwürdendanach suchen müssen,was etwadieNothdes Lebens weniger fühlbar machteundwie dieshoheGutAllen zugänglichge- machtwerdenkönnte. Nun aberfindenwirschoneinsolchesGutund sorEtfältigentwickelteEinrichtungenzuseinerVerbreitungvor, nämlichdie ReligionundihreForm, dieKirche.Der BlickaufdasEwige giebtdem GläubigenimUnglückTrostundim Sturm desLebens Frieden. Die Hoffnungauf endliche Gerechtigkeitund zukünftigeVergeltung erleichtert Leben und Sterben. DieWelt desGlaubens wölbtsich sozusagenüber der WirklichkeitwieeinReichdes Friedens, indasderGläubigejederzeitflüchten kann undausdemerneugestärktzur Arbeitzurückkehrt.DiefaßlicheGestalt diesesJdealenaberistin derKirchegegeben,derenehrwürdigeLebensformendas Alltagslebenverschönenund derenHeilmittelauchdemAermstenzugänglichsind.

Philalethes:DashastDusehr schöngesagt. Gestattemirjedochdie Bemerkung,daßdervon DirerwähntePräsident ähnlichzudenkenscheint UnddaßJhr,erwie Du, Etwasverschenkenmöchtet,dasJhr selbstnicht besitzt.

Paulus: Du drückstDicheinWenig hartaus.

Philalethes:TäuscheDich nicht«DiesogenanntenGebildetenmachen derReligioneineVerbeugung, obwohl siekeineVerwendung für sie haben, Weilsieglauben, sie möchtegutseinzurZügelungdesVolkes. Dieses empfindet vielfach geradezuAbneigunggegendieReligion,weilesjenenGe- dankender Gebildeten kennt. DuundDeinesgleichen,Jhrsehttiefer und möchtetaus gutemHerzendemVolkReligion verschaffen,aberauch Jhr seidmoderneMenschen,auch durch Euch gehtderRiß,derGesternundHeute trennt,undwasJhr wünscht,Das könntJhr nicht erfassen.

Paulus: Jch mußfreilich gestehen, daß auch ichkeine dergeltenden Kirchenlehrenanzuerkennenvermag, aberich hege dochdieHoffnung,es möchtegelingen,denschönenundunvergänglichenKern derReligionaus derSchalederhistorischenGebildezulösenunduns zu.erhalten.

Philalethes:JmGrundehoffeichDasauch;aberwasist dieserKern?

Paulus: Nun, ichdenke,zunächstderGlaubeanGott undaneinJenseits.

. Philalethes:Das dachteman vorhundert Jahren auch,aberman hat nichtviel damiterreicht.MirscheintderIrrthumderAufklärungdarinzuliegen, daßsiedenreligiösenGlaubenmiteinemphilosophischenGlaubenverwechselte.

Paulus: ErkläremirDasnäher- 10’e

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Philalethes:Duwirst DichdertheologischenErörterungenüber den BegriffdesGlaubens erinnern. Sie laufen daraufhinaus, daßda,wo fide-ssteht,nicht Mes, sondern Haucia gedachtwerde. Ehrlicheralsdiese KünsteistderEbräerbriis Ersagt: »Es istaberderGlaube einegewisse ZuversichtDessen,dasman hoffctundnichtzweifeltanDem, dasman nicht siehet-«Mit anderen Worten: Gewißheitüber Das,was man nicht weiß- Gewißheit,daraufkommtesan, nichtaufFürwahrhaltenüberhaupt; ohne Gewißheit giebteskein-InreligiösenGlauben. Siehtman Dasein,so erkennt man ohneWeiteres, daß derwissenschaftlicheSinn derToddes Glaubens ist. Es ist nichtrichtig, daßdieErgebnisseder Wissenschaft daseigentlich Gefährliche seien. Zwar hatdieLehredesKopernikusder christlichenWeltauffassungeineunheilbareWundebeigebracht,aberzurNoth ließesichmit diesenund anderen wissenschaftlichenLehrenauskommen.

Nein,derwissenschaftlicheGeististderFeind des Glaubens. Ermuß seiner Natur nachanAllemzweifeln,erwill,daßdiesubjektiveGewißheitmitocr objektivenGewißheitzusammenfalle,daßallesNichtgewissenur denihmzu- kommendenGradvonWahrscheinlichkeithabe.

Paulus: Wenn Das so ist,sohatfreilichdieKirchemitihrervon vorn herein vorhandenenAbneigunggegendieWissenschaftnur allzu sehr Recht. Michwundert dannnur, daß imLanderZeiten sich noch soviel vom religiösenGlauben erhalten hat.

Philalethes:Weil diewissenschaftlicheDenkweiseunnatürlichist.Das Glauben istdasNatürliche:esistvordemZweifelda undallemenschlichen Neigungensucheneszuerhalten.Das KindglaubtDem,wasihm gesagt wird,denneslernt dasWort nur durch AnknüpfunganThatsachenver- stehenundesknüpft umgekehrtandasWort dieThatsache.Ebensover- hält sichdernatürlicheMensch:er«hatkeineGründenöthig,zuglauben, wohlaberGründe,nichtzuglauben.Erstwenn langeErfahrung gelehrt hat, daßdieWahrnehmung trügt,das DenkenFehler macht,Andereuns wissentlichoderunwissentlichfalschberichten,können dieBegriffedesZweifels undderWahrscheinlichkeitsichbilden. Jn ebendemGrade, wieSchärfe undDeutlichkeitdesDenkens wachsen,nimmt dieSumme desGewissenab·

Während fürdenwissenschaftlichenMenschennur vernünftigeGründegelten, beruhtdasMeiste,wasdieMenschenwirklichglauben,auf Achtungund demBer- langen nach Lust,d.h.dasMeistewirdfür wahr gehalten,weilesalswahr überliefertwirdund weiles.angenehmist,daran zuglauben.DieGewißheit istansichlustvoll,dieUngewißheitunlustvoll.Kommt dazu, daßdasGe- glaubteschönodernützlichoderBeides ist, so erreichendiepraktischenGründe zumGlauben eineStärke, dieausreichtgegenVieles.

Paulus: Jn Dem,was Du dasagst, steckteingehörigesStück Kulturgeschichte.Indessen, Ueberlegungkanndoch auch Gewißheiterzeugen.

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DreiGefprächeüberReligion. 141

Philalethes:JmstrengenSinn desWortes nicht.Wirsindgewiß, daßWir Das undJenes wahrnehmen,wirsinddesWissensaprjori gewiß UndDessen,was richtigdaraus erschlossenist.AberalleErfahrungund Alles,wasaus derErfahrung je erschlossenwird,hatnurWahrscheinlichkeit·

erilichgiebteseineWahrscheinlichkeit,diepraktischvonderGewißheitnicht verschiedenist. Jchkannz. B.mitRecht sagen: Jchbingewiß, daß ich sterbenwerde, obwohldieSachenur sehrwahrscheinlichist. Jedoch darf mannicht vergessen,daßessichbei denGegenständendesreligiösenGlaubens Immer umDinge handelt,bei denennur eineverhältnißmäßiggeringeWahr;

scheinlichkeiterreichtwerden kann.

Paulus: DiePhile ophenabersindderzuletztvonDirausgesprochenen Meinungnicht gewesen; sie habenimmer ihre Lehrenfürgewißgehalten.

Philalethes: Allerdings haben sieDas meistensgethan,aberineben dem GradeentbehrtensiedeswissenschaftlichenSinnes. DiemeistenPhilosophen Wareneine ArtvonDichternund Jedervon ihnen gründetesozusageneine Privatreligion.Wissenschaftkannman ihr Verfahren nicht heißen.

Paulus:Mirscheint,DuwillstdieMöglichkeiteinerMetaphysikbestreiten.

Philalethes: Durchaus nicht.Jn dem Sinne freilich,daßMetaphysik eineWissenschaftausallgemeinenBegriffenwäre, derenSätzen Nothwendigkeit zukäme,leugnenalleverständigenLeute dasVorhandenseineinerMetaphysik, undDumitihnen.Wenn man aberunter MetaphysikdieVermuthungen versteht,dieaufGrund einermöglichstumfassendenErfahrungmitHilfe rechter Schlllßweisenüber dasJenseitsderErfahrung aufgestelltwerden,so fällt lederberechtigteEinwand weg.

Paulus:SchreibstDu alleninDeinemSinne metaphysischenSätzen UUkgeringe Wahrscheinlichkeitzu?

Philalethes:Nein,dennderSatz, daßDu eineSeele,d.h.ein Jllnenleben,habestwieich,odergarder, daß meinPudel eine Seelehabe, gehörenim GrundezurMetaphysik.Je weiter aber dieSchlüssegreifen,um

so geringerwird dieWahrscheinlichkeitund alle diemetaphystschenAnschauungen über dieGegenständedesreligiösenGlaubens könnenihrerNatur nach nicht mitgroßer Sicherheit austreten.

Paulus:NachAlledemwürdenicht sowohlderInhaltalsdie Form derSätzedenUnterschiedzwischenReligionundMetaphysik ausmachen.

Philalethes: Gewiß,man könntesichsogardenken,daßeinMeta- Physiketaufdieselben Sätzekäme, die denInhalteinergeoffenbartenReligion bilden,undtrotzdemwürdederGraben unausgefülltbleiben. Nicht Wenige z- B.haltenesfür wahrscheinlich,daßdieIndividualitäteinesMenschen mit dem Todenichtganzerlösche;eswerdendagewisseErfahrungen,Ana- logien- Zweckmäßigkeitgründeu.s.w.angezogen. Man nennt Das wohl

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einenUnsterblichkeitglauben;aberwasistdieses künstliche,schattenhafteGebilde nebendemlebendigenGlaubendesChristenansein Jenseits,dasihm gewisser istalsderSonne Licht?

Paulus:Jch mußgestehen,daßichnichtrechtweiß,wieichDirwidersprechen könnte.JedochbliebenochdieMöglichkeit,daßderanfangs schwankendeGlaube des Denkenden allmählichfestund danndemreligiösenGlaubenähnlichwürde.

Philalethes:Vonvorn herein isteinwesentlicherUnterschiedzwischen demreligiösGläubigenunddemwissenschaftlichDenkenden der,daßJener sagt: »Ichglaube, Herr, hilfmeinemUnglauben«,d.h. daßerglaubenwill, währendDieser jede Beeinflussung seinesDenkensdurch sein Wünschenfür etwas Ungehöriges,Tadelnswerthes hältundgenau weiß,daßergarnicht glaubenkann, wieerwill. DerGläubigehältdie»gewisseZuversicht«nicht

nur füretwas Angenehmes,sondern füretwas ansichGutes,derDenkende dagegen scheut sichvorihr geradeausmoralischenGründen; sein Gewissen treibtihn dazu, sovielundsolangewiemöglichzuzweifeln.Nunkommt dasvonDirerwähnteFestwerdenderUeberzeugungenfreilichalleTagevor,aber eshandelt sichdabeiumeinemenschlicheSchwäche,umeinNachlassenderKraft und derBesonnenheit.VielWerth ist daher aufeinensolchensteif gewordenen Glaubennichtzulegenundeslohntsichnicht,vieleWortedarumzumachen.

Paulus;DuGrausamer, ichkann Dirnichtentrinnen. Laßunsmorgen weiter reden, dennheute istdie Sonne untergegangenundeswirdmirkalt.

Il.

Philalethes:Ei, dasitzestDu ja schon auf unsererBankvon gestern.

Paulus: Ja,mich verlangt, unser Gesprächfortzusetzen. Zunächst möchteich Dich fragen: Jst esbesser,zuschweigen,d.h.diezersetzende Kritik, mitderdemreligiösenGlauben dieAxtandieWurzel gelegtwird, denWenigen,diefür sie reif sind, vorzubehalten,odersollman dieVer- neinungverkünden?Thatsächlichgewährtdoch nochVielenderGlaubeTrost undHoffnungundvielleichtistderSchadenderKritikgrößeralsihr Nutzen.

Philalethes: MageinJederesmitsichselbst ausmachen,wieweit er»denschwachenBruder«schonenwill. Jch fürmeinePersonbinnicht für dasVerschweigen,denndasUnvermeidlichemöchteichlieberbefördern.

DerUebergangvonder naivenAuffassungzumwissenschaftlichenDenkenist nothwendig.Esist wahr,ervollziehtsich langsamundunterSchwankungen;

aberesist besser,ein Freund desZukünftigenzufeinalseinHemmschuh.

UeberdiesistdergegenwärtigeZustand doch auch nicht schön. UnserLeben ist durchwachfenvon derLüge,derZwiespalt zerreißtdasVolkundfast durch jedeFamiliegehteinRiß.Wären Staat undKirche getrennt, so ließesich dieSache eherertragen. Jetzt aberzwingtderStaat feineBürgerzur

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DreiGesprächeüberReligion. 143 schändlichstenHeuchelei. Jeder nachdenkendeMenschmuß anerkennen,daß Niemandglaubenkann,waserwill; daßDer,dessenUrtheildenkirchlichen Glauben verneint, alsanständigerMenschihn nicht bejahenkann. Trotzdem zwingtder Staat seineBeamten,nicht durchdasGesetz,aberthatsächlich,sich zustellen,alsobsiedemKirchenglaubenanhingen.EinOffizieroderein Regirungrath,dersich nichttrauen lassen,seineKinder nicht taufen lassen wollte,könntesichohneWeiteresVisitenkartenmit»a.D.«bestellen.WirAlle müssenunsereKinder indieSchulen schickenundzusehen, daß ihnendadie altenJudengeschichtennichtalsPoesie,wogegennichtvielzusagenwäre, sondern alsbareWahrheit beigebrachtwerden· Grausamgenug wirder- zogen,meineeigeneJugend beweistesmir. WiejedesKind,nahm ichver- trauensvoll Dasaus,was man mich lehrte·DenKonfirmation-Unterricht erhielt ichbei einem geistvollenund beredtenGeistlichen. Jhm gelanges, MichfürdiechristlicheLehrezubegeistern.VondabegannderZwiespalt.

Jch wuchsinfreisinnigenBürgetkreisenauf;wasmirheiligwar, erregteoft bei denvonmirHochgeschätzteneinmildes Lächeln,dessen Bedeutungmir Nichtentging. Peinlichwarmir dieGymnasialzeit,dennsoscharfsichtigwar ich doch, daß ichdenwiderchristlichenGeistderklassischenErziehung verstand;

mein religiösesebenso wiemein nationales Empfindenlittdauernd im Gymnasium.Daß auchdie modernen Klassiker,Shakespeare, Lessing, Goethe, SchillervonHerzen ungläubigwaren, diese EinsichtvermehrtemeineNoth- TrotzAlledementschloßich mich, »Theologie«zustudiren,hoffend,eswerde mirdochgelingen. Auch jetzt sah ichbei denAngehörigenderanderenFakul- tätenjeneseigenthümlicheLächeln. ZiemlichdreiJahre kämpfteich,dann wurde ichklarundnahmdenStandpunktein,aus demichalsalternder Mann heute noch stehe·Mein liebevollerVater gewährtemirdie Mittel, michanderenStudien zuzuwenden,aber meinLebenhatteeinenBruch erhalten und derFrohsinnderJugendwarvorüber. WarichschuldanmeinemUnglück?

ImmerhinistDasnurein kleinesBeispiel.DieGeistlichenwerdenaufBekennt- nisseverpflichtet,andiesie oderwenigstensvielevonihnen—- nicht glauben.

Dasöffentlichewie dasprivate LebenistvonkirchlichenFeierlichkeitenund Formenumschlossen,diefüreinengroßenTheilDerer, diesichihnen unterziehen, nichtsalsZwang sind.DieKinderheuchelnaus Liebe zu den Elternoder dieMüttervergießenThränenüber denUnglaubenderSöhne.DieFrau gehtindieKirche,derMann zucktdieAchselndazuu.s.w.u.s.w.

Paulus: Ja,lieber Freund,vonderZerrissenheitunserer Verhältnisse undvon derGleichgiltigkeitdersogenanntenGebildeten hier,derArbeiter dortsindwirjaausgegangen. Niemand magdiePeinlichkeitdesjetzigen Zustandes mehralsich empfinden.Wenn ichnur einenAusgang sähe.

Philalethes:DeineFragewar: Kann man demVolkdieReligioner-

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halten,mitanderen Worten: Jstesmöglich,rückwärts zugehen?Darauf suchte ichDir darzulegen,daßesunmöglichist,denGlauben zuerhalten, daßdieEntwickelungdesmenschlichenDenkensmitNothwendigkeitzurZer- störungdergewissenZuversichtführt,von derderEbräerbrief spricht. Jst meineAuffassungrichtig,dannkannfreilichdieReligion so,wie sieist, nichter- haltenwerden, denn diegegebeneReligion istzumgroßenTheileinFürwahrhalten.

Paulus: Jch sehe, woraufDu hinauswillst.Du hoffstaufeine neue Religion.

Philalethes: Nicht eigentlich. Jchmeine,daßwirdasRechteschon haben,wenn auchverhülltundmitFremdartigemverbunden. Umeskurz zusagen: Jchdenke,daß,wenn man vondervorhandenen ReligionDasab- zieht,was Metaphysik ist,daseigentlichWerthvolle doch zurückbleibe-

Paulus: DaswärealsodieMoral

Philalethes:O,welcheswiderwärtigeWort!WelchesBündelvonMiß verständnissen,SchulmeistereiundProfessorendünkellDiewirklichenmores, dieSitte unddasihnenentsprechendeVerhalten,dieMoralität oderSitt- lichkeit aufeinenSeite,dieausgeklügeltenLehrenderPhilosophcnüber ein phantastischesGesetz, über Das,was,,schlechthin«gethanwerdensoll, aufder anderenSeite: Dasfaßtman inEins zusammenundhält sichnochfür weise.

Paulus: Dawäreich also schlechtangekommen. Sagemir,Theuerster, wasistdenndieReligion,wenn sie nicht Volksmetaphysikist?

Philalethes:Sie ist Heilslehre, AnweisungzurGlücksäligkeit.Wenn man vomBegriffderReligion spricht, so pflegtman andie altenUr-Religionen zudenken,geht aufderenEntstehungeinundleitetsie theilsausderFurcht

vorGewittern undanderenErscheinungen,theilsaus demGlauben anGe- spensterab.AllesDasgehtuns garnichtsan, denn wirhabenesmitReli- gionenzuthun,die inhistorischerZeitvoneinzelnenDenkernbegründetworden sind, insbesonderemitdemBuddhismusunddemEhristenthum.

Paulus:VomBuddhismus weiß ich sehr wenig.

Philalethes:Geradevon ihm sollteman ausgehen,dennerzählt nicht

nur mehr Anhänger,sondernist auchälterundeinfacheralsdasChristen- hum.Nichts ist überraschenderund lehrreicheralsdieVergleichungdieser beidenReligionen.DieJnderunddie JudenhattenDasgemein, daß sie vorwiegendreligiöseVölkerwaren, daßdieReligionineinerWeiseden Mittelpunkt ihresLebensbildetewienirgends sonst. Hierwiedorterschien

einReformator,dersozusagendieBlüthedesreligiösenVolksgeistesdar- stellte,denverborgenenKern aus derhartenSchale lösteund durchBe- seitigungderSchale auchanderen VölkerndasBestedesindischenunddes jüdischenGeistesgenießbarmachte.DerPrinz Gautama, erzählendieBuddhisten, wurdedurchdieErkenntnißdermenschlichenVergänglichkeitunddesmensch-

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DreiGesprächeüberReligion. 145 licheuElendesschwermüthig.ErverließVater, WeibundKind,Reichthum UndReich,um nach Erlösungzusuchen. Lange Jahre suchteer inden Lel)renundKasteiungenderPriesterundderBüßerdieWahrheitundfand sienicht. Endlichtrat dieErleuchtungeinundderHeiligeerkannte,daßdie selbstlüchtigeLustdieUrsachedes Leidesist,«daß,wer aufdemrechtenWege sein Selbst überwindet,dieErlösungerlangt. Diese Sätze enthalten eigentlich dieganzeReligion Buddhasundihre erhabeneEinfachheit istunvergleichlich.

JU ihnenist, wie mirscheint, füralleZeitendasWesenderReligionaus- gesprochenJederwahrhaft religiösenBewegung,die die Weltgesehenhat, liegen siezu Grunde und alleHeiligenwaren,mehroderweniger,ErscheinungenBuddhas.

Paulus: Wenn man abervondemBuddhismus spricht, so istimmer VOUPessimismus,Quietismus, AtheismusdieRede.

Philalethes:DieJsmusse behhen theils auf Mißverständnissen,theils aufUebertreibung.JngewissemSinne isteseineForderunga-priori, daß eineReligion pessimistischeVoraussetzungenhabe.Sie mußvon derNoth des Lebensausgehen,dennohneNothkeinVerlangen nach Seligkeit,keine ErlösungGlücksäligeMenschen brauchtenkeineReligion.Doch ist dieser religiösePesfimismuskeineLehrmeinung, nochgareineBerechnung,um wie vielmehr UnlustalsLustinderWeltsei, sonderneinfacheinHinweis aufdieErfahrung. Daßvon denbuddhistischenLehrerndie Welt etwas arg grau inGrau geschildertwird, Das ist ohneWeiteres zuzugeben,trifft aber dasWesenderSache nicht.DerVorwurfdesQuietismus istinunseren TageneinegefährlicheAnklage,dennDemwirdleichtverziehen,derseinLeben zUMGeldverdienen verwendet, Dem aber niemals, deretwas Höhereskennt als die ,,nationale Kulturarbeit«. Soweit einbuddhistischerQuietismus wirk- lich besteht,istereinMißbrauch.Jn denHeiligenSchriftenwirdvonDem, dersichzuBuddhabekennt,vielmehr unermüdlicheThatkraftgefordert.Der, derinnerlichlebendigist, weiß, daß aucheinbeschaulichesLeben ein Lebender Arbeit ist. Atheistischist Buddhas Lehre insofern,als»einGott,dernur VOuaußen stieße«,ausdrücklichabgelehntwirdundalsderGottesglaube nichtzumWesenderReligion gerechnetwird. Dochwürde die reineLehre BuddhasderGläubigeebensogutaufnehmenkönnen wie derUngläubige.

Paulus: Nunerst sehe ichklar:DubisteinBuddhist.

Philalethes: Durchaus nicht.Meine Meinung istnur die,daßdas wahre WesenderReligion nirgends soklarundsoeinfachzu erkennenist Wie inderLehre Buddhas. Es ist jedoch nichtzuverlangen, daßwir Buddhistenwerdensollten.DerBuddhismus wurzelt,ebensowiedas Christenthumim.Judenthum,imindischenGeisteundistmiteigenthümlich mdischeuBestandtheilendurchsetzt,dievergänglicherArtsind. Jst Buddhas Lehreauch freiervonmetaphysikalischenAuffassungenalsjedeandereReligion,

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