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Die Zukunft, 28. Juli, Bd. 32.

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Berlin, den 28. Juli I900.

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Der Burenkriegin Großbritannien.

. .erSchwerpunkteinesKrieges liegt nichtimmer an derStelle,wo seine Schlachten geschlagenwerden. So hatderBurenkriegneben denfüdafrikanischenWalstättennocheinenzweitenSchauplatz, aufdemes vielleichtnochmehrundnochLehrreichereszubeobachtenundzu lernengiebt- alsan denUferndesWaalflufses. MögendieKriegsberichterstatterüber dieTheile dieses seltsamen Feldzuges,diesichinGroßbritannienselbstab- spielen,drübenauch sehrvielwenigerfreundlichbehandeltwerdenalsdiean der Front,soliegt dochdarinfürdenFremden ganz und gar keinGrund, nicht offen auszusprechen,waserwährendderKriegszeit aufdenbritifchen Jnseln gesehenunderlebthat«Wennman zehn Jahreineinemfremden LandeöffentlicheBerufspflichtenzuerfüllen hatte,wenn Einen miteiner großenZahl diesemLandAngehörigernahe Freundschaftverbindet,wenn die finanzielleGrundlagedeseigenenDaseinsinihm ruhtundman dielebhafteste Theilnahmefürdiewirthfchaftlichenund geistigenInteressen diesesLandes empfindet,dann wirdman plötzlichenErscheinungengegenübernaturgemäß nicht leichtungerechtseinund eisnfreundlichesVorurtheillieberetwas länger hegenalseinerkritischenAnwandlungimeigenenJnnern zuleichteinwilliges Ohrgönnen.Jchbinzehn Jahre lang,wenn auch nicht britifcherUnter- than, so doch britischerUniversität-Dozentgewesenundhabeindieser Zeit fürdenAustausch wirthschaftlicherund geistiger Erkenntnißzwischenbeiden Ländernwohl mehr gethanalsirgendeinandererDeutscher.Drübenhabe ichinununterbrochenerLehrthätigkeitdasInteresse fürdeutscheWissenschaft, Literatur, PhilosophieunddeutscheswirthschaftlichesDenkenzuvertiefenver- sUchtzdurchmeine englischeNietzsche-Ausgabemitihren umfassendenEin- leitungen,durchmeineUebersetzungvonNietzschesZarathustrainsEnglische,

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durchdievon mirbewirktenVeröffentlichungenderglasgowerGoethe-Gesell- schaft, durchdieMitarbeit anmehreren großenenglischenZeitschriftenund Zeitungen habe ichdemenglischenPublikum Kenntnißvon deutschenDingen verschafft.Wiedievon mirherausgegebeneNietzsche-Ausgabe,sohat auch meine,,DeutscheLyrikvonHeuteundMorgen«(1895)einebesondereenglische undeinebesondere amerikanischeAusgabeerlebtundmirzahlreicheenglische Freundegewonnen. Muß ichesauch ablehnen,wenn micheinenglisches Blatt mitMaxMüller zusammenalsdiebeidenbekanntesteninEngland lebendendeutschenGelehrtennennt, so hat doch vielleichtkeinDeutscherin allenseinen Arbeitendrübenmehr Werth daraufgelegt, Verständnißfür«

deutscheArtunddeutschesDenkenzuwecken· JnDeutschland habe ich für englischeDinge Aehnlichesgethan. Ich habe hierüber dieHauptströmungen im modernen englischenGeisteslebenberichtet.DemAgnostizismusunddem englischenMonismus habe ich größereArbeiten gewidmet,dieenglischeEnt- wickelung-Ethikhabe ichin meinemBuche »VonDarwin bisNietzsche«(1895) zuerstzurKenntnißdesdeutschenPublikumsgebracht,Huxleys Gestalt habe ichdemdeutschen Leserkreisegezeichnetund seine»SozialenEssays«mit meinerinSchottland begrabenenFrauzusammeninsDeutsche übertragen.

UeberenglischesUniversität-undSchulwesen habe ich oft geschrieben,binich noch öfteralsSachverständigerangerufenworden. MeineArbeiten über englischesGewerkvereinsthumsinddieeinzigen deutschenArbeitenüber den Gegenstand,dienichtim BannedesdeutschenKathedersozialismusstehen, sondern aufErfahrungen beruhen,dieanOrtundStelle gesammelt sind.

FürdieSchriftendesVereinsfür Sozialpolitik habe ichdasbritischeHausw- gewerbein einerMonographiebearbeitet. DerEntwickelungdesdeutsch- englischenWettbewerbes habe ich schonvor einemhalben Jahrzehntmeine Aufmerksamkeitzugewandt,alsdieFrage nochkeinenSchimmer ihrerheutigen Popularität besaß.Als mir 1897für Helmolts »Weltgeschichte«,derenerste Bändesich seitdemeinenWeltruferworben haben,dieBearbeitungderGe- schichteGroßbritanniensungetragenwurde, habeichwohl einigeZeit geschwankt, obich dazu berufen sei,dann dieseanseltsamen VerwickelungenreicheGe- schichteaberdoch geschrieben,weilsiemirwillkommeneGelegenheitbot, die modernewirthschaftlicheundsozialeEntwickelungdesJnselreicheseinmalim geschichtlichenZusammenhangedarzustellen.Ich habevorachtJahren Rudyard Kipling zuerstinDeutschlandbekanntgemachtundseitdemdieAufmerksam- keit meiner Landsleuteauf manchesguteenglischeBuch gelenkt,dasinDeutsch- landnichtdieBeachtung gefunden hatte,dieesmirzu verdienenschien.

Auch heute,woich,vonbritischemStudentenpöbelthätlichbeleidigt, Groß- britannien denRückengekehrt habe, folge ichderEntwickelungenglischen Wirthfchaft-undGeisteslebensmitunverminderter Theilnahmeundhoffe,

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ihr auch nochmanche literarischeStudie zu widmen. Soistesganzgewiß nichtblindeVoreingenommenheitoderUnkenntniß,wenn ichinderEnt- wickelungphasedesheutigenEnglanddieQuelle schwerer künftigerinnerer undäußererVerwickelungensehe. Englands Stellungzusichselbstund zum Ausland istmirimmer dasamWenigsten Sympathische gewesen,wasich jenseitsdesKanals gefunden habe,unddieWeiterbildungdieserStimmungen undAuffassungen währenddesKrieges muß jedem Menschenzudenken geben,dersieausderNähekennengelernt hat.

Seit dennapoleonischenKriegen,an denen England freilichmit Menschenopfernauch nicht entfernt so starkbetheiligtwar wie dieeinzelnen FestlandsstaatenundanderenSchlußderHerzogvonWellingtonnur durch BlüchershilfreicheHandvon derVernichtung gerettetwurde,hat England keinengroßenKrieg mehr geführt. Aucham Krimkriegwar esnur Theil- haber.SchoneinniederländischerKritikerdesfünfzehntenJahrhunderts hat von demEngländergesagt, daßerganzgewißüber Jedenherfallenwerde, denerfür schwachhalte. DiesePolitik hatEnglandimneunzehntenJahr- hundertunerschüttertverfolgtundsoanallenStellen derErde diebilligsten Erfolgeeingeheimst Durchdenfortwährendenkolonialen Kleinkrieg,der Jndiens GrenzenweitnachNorden vorgeschoben,Egyptenundden Sudan unterworfenundim SüdenAfrikasunabsehbareLandstreckeneingetragenhat, istdasenglischePublikum verwöhntworden. SokonnteLordKitchener of Khartum,dermitMaximgewehreneinpaarTausendWildeniedergeschossen hat,alsgroßerNationalheld gefeiertwerden. NichtdieGrößederWaffen- that, sondernderWerthdesdurch siegemachtenGewinnes istderMaßstab geworden,nachdemman drüben denKriegsruhm bemißt.So hatman eine ganzeAnzahl ,,berühmter«Generalebekommen, diesämmtlichniemals einem civilisirtenFeindeinsGesichtgeschauthaben.Das hatdannimenglischen Volk einekriegerischePrahlerei großgezogen,diejedes Auftreteneinerfremden MachtgegenGroßbritannien,seiesauchnur miteinemWort,alshellen WahnsinnempfindetSo war esschonbei demTelegramm unseres Kaisers andenPräsidentenKrüger.Der griechisch-türkischeKrieg,indemzahl- reiche»Britenaus griechischerSeite fochten,undder spanisch:amerikanische KriegmitseinenbedeutendenLanderoberungenhabendiekriegerischePrahlerei erheblichverstärktund dasVolkindenWahn eingewiegt, daßAllesnoch»

Vielherrlichergegangen wäre,wenn Englands glorreichesHeerimFelde gestanden hätte.Man muß diesesHeerauseigenerAnschauungkennen,um die Komikdieser Auffassungganzzuempfinden.UnterGladstonewäreder

Transvaalkriegunmöglichgewesen. DieserStaatsmann wußte, daßdas britischeHeer nichtinderLagesei,irgend welche großeAktionzuunter- nehmen- wegenseinerZusammensetzungaus Taugenichtsen,dermangel-

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haftenAusbildung seinerOffiziere,dergänzlichunzureichendenAusrüstung derArsenaleunddertiefgewurzeltenAbneigungdesgebildetenBriten,seine Hautzu Markte zutragen. Soschweresihmwird:derBritegreift doch immernoch eherindieTasche,alsdaßermitLeib undLebenfürEtwas einstände.Erläßt bezahlteKräfte fürdasLandfechten,indessenGlanz

ersichmitVorliebe zusonnenpflegt.Ererhebt wohldenAnspruch, daß Britannien dieWeltbeherrschensolle, ja, dieser Anspruch erscheintihmso selbstverständlich,daßer ihnbei allseinemDenkenvoraussetzt Aberbis jetzt ist dieseBeherrschungeinesFünftelsderErdoberflächeseinemVolkso spielend leichtgemachtworden, daßes keineAhnungdavon hat,welche PflichtendieZugehörigkeitzu einemsolchenWeltteichdemEinzelnenauferlegt.

EingroßesVolk, dasdiesePflichten fühlteundwillig auf sichnähme,würde geradewegen dessüdafrikanischenKrieges sichdernothleidendenInderdoppelt eifrigangenommen haben,um zuzeigen, daß Großbritannien auch zwei solchenAufgabenzugleicherZeit gewachsensei.Das englischeVolkaber läßtsiebenMillionenbritischerUnterthaneninIndien ruhig hungern. Während des ganzen Winters istvonGroßbritannienaus keine-Hilfegeleistetworden, diedemUmfangderindischenHungersnoth entsprach. Einzelne mildthätige Privatleuteundeinzelne Männer,diesichdurcheinbescheidenesGeldopser ganzgernPopularität erkaufen,wirdman injedemgrößerenVolkefinden.

Aberdaran, daß dasVolkfürdiebritischen ,,Mitbürger«inIndien ein- gestandenhättejkonntekeineRedesein. Dagegen nahmJeder einewichtige Mienean, obwohl ihnwederKrieg noch Hungersnoth betraf,undbegann, nach Möglichkeitzuknausern. Der WegfalldergewöhnlichstenKonzerte, BälleundDiners bewirkteindenbritifchen Großstädteneineganzeigen- artige Geschäftsstockung.BrotloseMusikanten undSchneider,leidendeStoff- geschäfteundMöbelhandlungenzKochfrauenund Aufwärterinnen ließenin denBlättern ihreBitte umHilfeertönen und schließlichwurde von der Presse unaufhörlichdaraufhingewiesen,daßeinesolche plötzlicheEinstellung aller größerenVergnügungennaturgemäßschweraufDenen lasten müsse, dieausdiesenVergnügungenihren Unterhalt zögen.Ebenso begannenalle Wohlthätigkeitanstalten,Hospitale, Unterstützungvereinesplötzlichstarkzu leiden, weilderGabenftrom,dersie sonst flott erhielt, jetztversandete. Dabeistiegen dieKohlenpreifewährenddesaußergewöhnlichschneereichenWinters aufdas DoppelteunddieEifenpreise aufdas Anderthalbfacheihrer sonstigenHöhe.

AufdemausgedehntenKonservengebietgabeseineLebensmittelvertheuerung.

EineweitereStockungkam indasGewerbeleben durchdieEinberufungder Heeresreserven.Ansichscheintesunglaublich,wiedieEntnahmeeinerso winzigenAnzahl Arbeitkräftevom Markt einesVierzigmillionenvolkeseine solcheWirkung habenkonnte. Das kannnur derKenner der britischen

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DerBurenkrieginGroßbritannien. 141 Zuständeverstehen.Seit demEndeder siebenzigerJahre istesdiethat- kräftigbetriebenePolitikderbritischenGewerkvereine,ihre Löhnedadurch hin- aufzutreiben, daßsie dasAngebotvonArbeitkräftenindeneinzelnenIndu- strienmöglichstniedrig erhielten.DasgeschahdurchplanmäßigeBekämpfung dernichtorganisirtengelerntenArbeiterschaft,vorAllem aberdurchBeschränkung derLehrlingzahl. Jn einzelnenGewerkvereinen gingDassoweit, daßnur

nochdieSöhnevonMitgliedernzurLehrlingschaftzugelassenwurden·Dadurch wurde daserstrebteZiel thatsächlicherreicht.DieZahldergelerntenArbeiter hob sichnur unwesentlich,aberdafür entstandeinUeberangebotvonArbeit- kräftenaufdemMarkt für ungelernteArbeit. Zehntausende,Hunderttausende von tüchtigenJungenwurden durch diese Politik verhindert,indieReihen gelernterArbeiter aufzusteigen,unddrücktennun-auf denArbeitmarkt der ungelernten Arbeit,derohnehininden modernenKulturländerneineTendenz zurUebersüllungzeigt.Weit mehr,als dieLöhneder gelerntenArbeit stiegen,sielendie derungelernten.Nun rekrutiren sichdiebritischenReserven Undzum kleinenTheildieMiliz fast ausschließlichausdenunterstenSchichten dergelerntenArbeiterschaft.Da auf diesemFeldeschon vorherdrückender Arbeitermangelbestand, mußtedieEntnahme weniger Zehntausende störend UUfFabrikbetriebundHandwerkeinwirken. Jn Glasgow erhieltimFebruar derTischlereinenStundenlohnvon einerMark beineunstündigerArbeitzeit.

AlsichimOktober1899aus denSommerferien nachGlasgow zurück-—

kam,um meinWintersemesterzubeginnen, hallteganzGroßbritannienwider vondem-Gelächterüber diewahnwitzigenRebellen, dieeswagten, sichgegen dieOberherrschaftJhrer Britischen Majestät aufzulehnen. TrotzdemGut- ochtendesersten britischenVölkerrechtslehrershieltdasVolkdaran fest, daß GroßbritannienderSuzerainTransvaals sei.DerSpazirrittnachPretoria wardeinLieblingsgegenstandderUnterhaltung. Chamberlainwar esgewesen, derdiesenSuzerainetätanspruchverkündet und an ihminallenDepeschen tmch Pretoriavor AusbruchdesKriegesfestgehaltenhatte.Jetztgaltes, dieFolgerungendaraus zuziehen. BestanddiesVerhältnißzuRecht,dann warendie Buren auchkeinekriegführendeMacht, sondernnurRebelleninner- l)albdesbritischenReiches.Dann konnteman aberauchdasinternationale Kriegsrechtnichtaufsieanwenden. Dann gabeskeineKriegscontrebande, keineNeutralen,keinrechtmäßigesAnhaltenfremderSchiffevor Lourenam MarquezdurchdiebritifcheKriegsmarine,dannkonnteGroßbritannienseine UeberlegenheitzurSeenichtgegen Transvaal inAnwendung bringen. Jn

FolgedieserErwägungenwurde dievorhermitJubelbegrüßteSuzerainetät

MeinemMinisterratheinfachunter denTischgeworfen.Solange siedem eigenenInteresseentsprach,hieltman sie hochundpochte darauf;dasie ihm UUUzuwiderlief,war sie nicht mehr vorhanden.DieenglischePresseaber brauchtenocheinenMonat, bevorsie dieseneue Sachlage begriffenhatte.

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Der konservativenJingomasse,diedenBurenkrieg heraufbeschworen hatte,standnun aber inGroßbritanniennochbeimAusbruchdesKrieges einefehr starkeliberaleMinderheit gegenüber,dieihnverurtheilteundals eineSchande fürdenbritischenNamenbrandmarkte. Jnderletzten Kon- ventionmitTransvaal war feierlichdieNichteinmifchungGroßbritanniens indie innerenAngelegenheitendesLandesverbürgt. JetztwarddieSchwierig- keit derVerleihungderStaatsbürgerfchaftdesFreistaatesanbritischeUnter- thanenderVorwand zumKriege.Daswar denndochdemRechtsbewußtsein weiterKreise zuwider;der,,unselige Krieg«wurdevon vielenLeutenhart verurtheilt.DieVerstimmungdarüberwar um sogrößer,alsman nicht vergessenhatte,wievielanTransvaal wiedergut zumachen sei. Erst hatte dasbritischeKolonialamt mittenim Frieden denRaubzugJamesons geduldet, undalsdann Transvaal diebritifchen Räuber, statt sie einfachzuhängen, großmüthigausgeliefert hatte,war aufeinverlogenes Scheinverhöreine Scheinverurtheilunggefolgt,die mitdembegangenenFrevel inlächerlichem Widerspruch stand.Jn jedemPferdebahnwagenkonnteman damals laute Unterhaltungendarüberhören, die in demRufe gipfelten: »Es isteine Schande, daß Solches geschehenkann.« Jetztwar noch nichteinmal der SchadenersatzandenFreistaat bezahltundeskam zu einemEroberungskriege gegenihn.Kein Wunder,daß sichunter denDemokraten derUnwilleregte.

DastocktendiebritischenOperationeninSüdafrika. Nach kurzerZeit waren Ladysmith.,Kimberley, Mafekingeingeschlossen.Der »Krieg«,der aus der»Rebellion«gewordenwar, spielte ausschließlichaufbritischemBoden.

Nun begannen zweiDrittel dergesammten britischen Presse,auchgut kon- servativeBlätter,andemMinisterium,demKriegsamt,derArmeeverwaltung bittereKritikzu üben. GegendieurältestenEinrichtungen erhob sichein Getobe, wieesmindestensdasletzteJahrzehnt noch nichterlebthatte.Un- fähigkeit,Unwissenheit,strafbare Nachlässigkeit,Veruntreuungvon Summen, diefürdieMilitärmagazinebestimmtwaren, Landesverrath:Alleswurde derHeerführungvorgeworfen.DiedaheimgebliebenenOfsizierewaren klein- lautzvielevonihnen sprachensichaberinganzähnlichemSinn aus. Die MehrheitdesLandesschiendavon überzeugt,daßdasganzebritische Heer- wesen keinenPfifferlingtauge. Offenbekannteman, daßman für ewigvor demAuslande blamirt sei.Jn LondonstiegdieseStimmungbiszur Leiden- schaft.DerunvorsichtigeBeobachterhätteaus diesen Ausbrüchenaufeine VaterlandlosigkeitohneBeispiel schließenkönnen.Das wäreeinverhängniß- vollerJrrthumgewesen.Betrachteteman dochinEnglanddenBurenkrieg alseinSpiel,dasinjedemFall zuWeihnachtenbeendetseinwerde. Von denErfordernissendermodernenKriegführunghatteman keineAhnung.

DenSieg,denunmittelbaren Sieg, hieltman füreineausgemachteSache, dienurdurchdieUnfähigkeitderHeeresleitungeinWenig aufgehaltenwordensei.

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Dafolgte aufdemsüdafrikanischenKriegsschauplatzeinSchlagdem anderen. JnfesterReihenfolgeheimstendieeinzelnenGeneräle,zumTheil unter ganzunglaublichenUmständen,ihreNiederlagenein. Buller war als OberstkommandirenderdurchLord Roberts ersetzt worden und Robertsforderte Truppen, Truppenundimmernoch mehr Truppen.Alseinhalbes Hundert- tausend nachdemandereneingeschifftwurde,beschlichdieSorgedasbritische Publikum. Zunächstwurde freilich geprahlt,nochniemals inderWelt- geschichtehabeeineMachteinsolches Heer6000 Seemeilen weit zuSchiff gesandt.JnWirklichkeitmachtedieVerschisfung selbst nicht die mindeste Schwierigkeitund würdesieauchinDeutschlandnicht gemachthaben. Gegen entsprechendeBezahlung stehenebenineinemsolchenFalle Handelsschiffezur Verfügung.Man vergaßbeiderPrahlereinur dieKleinigkeit, daß auch nochkeinerMachtinderWeltgeschichtesohochentwickelteVerkehrsverhält- nissemitExpansionmaschinenzurVerfügunggestandenhaben.DieSchwierig- keitenbestandenthatsächlichinderBeschaffungderAusrüstung,derWaffen, Kleidung, Pferde,desLazarethparkes,desTrains undderMenschen. Im Anfanghattediebritische RegirungdasAnerbietenvon Kolonialtruppen hochmüthigabgelehnt;zurUnterdrückungeinerkleinenRebellionwaren sieja überflüssig.Jetztbatman ganzergebenstdarum. Mehrmalswurde offiziell erklärt,daßweitereTruppen nicht nöthigseien,aberjedesmal folgteinkurzer FristdieEinberufungweitererzehntausendMann. Jetztwardinallen Ar- senalenmitHochdruckgearbeitet,aberes dauerte trotzdemfünfvolleMonate, bisauchnur eingegen40000 Buren kampffähigesHeer aufgestelltwar.

WährenddiesesHeerebenvollzähligwurde,erfuhrBuller bei demVersuch, Ladysmithzuentsetzen,eineschwereNiederlagenachderanderen. Erstda- mals,imFebruar, lerntedas britische Publikum einsehen, daßessichin Südafrika nichtum eineKleinigkeit,sondernum dieFrage der. Behauptung zweierbritischenKolonienhandelte.Jetztflammte endlichderbritischeNational- zornaufundeinigte schnelldiestreitenden Parteien. AufeinesolcheBlas- stellungvor derWeltwar Albion nichtvorbereitet gewesen.Einanderes Volkwäre unter solchenUmständeninsichgegangen. Nicht soderBrite.

Erverlangtevor AllemBefriedigungseinerRachsucht;unddafie ihmdie Generäle aufdenSchlachtfeldern nichtzuschaffen vermochten, holteersie sichaufanderenGebieten. BritischeKriegsschiffehielten deutsche Postdampfer an. Jn LourencmMarquezwurden dieportugiesischenZollbehördenbrutalisirt.

AllesUnheilsolltevondenFremden, namentlichvon»deutschenOffizieren«her- stamtnen,die mit den Burenfochten.DeröffentlicheUnwilleentludsichinLondon wie im Norden inausgedehntenTumulten, namentlichgegenDeutsche.So entstand erstan derUniversitätEdinburgheineHetzegegeneinendeutschen Professor,bei der aberThätlichkeitennochverhindert wurden;dannfolgteder

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AngriffvonglasgowerStudenten auf mich,dermich veranlaßte,meinLehramt niederzulegen.Daran schloßsichdieDemolirungdesdeutschenAuditoriums derUniversitätAberdeen, wobei derdeutscheDozentHeinmißhandelt wurde- JnLondonkameszuheftigenAusschreitungengegendeutscheLäden und deutscheMusikanten. DieErregung ließ auchkaumnach,alsdie dreivon denBuren belagertenStädteentsetztwurden-

Hatteman erstdenganzenKriegalsKleinigkeit aufgefaßtunddie kleinenMißerfolgedesAnfangszueinemregelrechtenFeldzugegegendie Regirungbenutzt,sowar dieAngelegenheitunter denSchlägendesJanuar undFebruarzurnationalen Sache geworden.DieOpposition verstummte.

EinimmergrößererTheilderPressetrat fürneueMilitärsorderungenein.

Trotz derunglücklichenVertheidigungderministeriellenSacheimParlament kameszu keinemMißtrauensvotum. Freilich mußtedieRegirungeinegroße Anzahl allzu verfänglicherFragenunbeantwortet lassen.Das daheim sicht- bareMilitär boteinen erheiternden Anblick; steifbeinigeKahlköpfe,halbe KinderundverdächtigausschauendeStrolchgestaltenversahendenGarnison- wachdienst.AllebrauchbarenLeutewaren nach Südafrikageschicktworden, ummitzehnfacherUeberzahldenkleinenBurenstammzuerdrückenHatte

man inEngland erstAlles verkleinert,so begannnun diePeriodedesUeber- treibens undderPrahlerei.Nochniewar einFeldzug glorreichergewesen alsderTransvaalkrieg.Roberts’NordmarschwardzumTriumphzuge.Als hättedasbritische Heer irgendeinenebenbürtigenGegnerimKampfe für denheimischenHerd aufs Haupt geschlagen, sotobtePresseundVolkbei jedem EinzugineinenkleinenOrt,von demman früher nichteinmalden Namengekannt hatte. Inzwischen hattendieKriegskostendiezweiteMilliarde MarküberschrittenunddieZahlderTotenund dauerndInvaliden betrug schon Zwölftausend. JetztwardesMode,vondenunendlichenOpfernzu reden, die derKrieg gekostethabe.Daneben beklagteman sichüber denMangelan Theilnahme,denman-außer bei derKölnischenZeitung imgesammten Auslande fand.AuchdasmächtigsteVolkkannesaufdieDauer nichtver- tragen,daßdie ganzeübrigeWelt esvonsich stößt.DerenglischeWelt- handel hatimletztenVierteljahrmitseinerempfindlichenMagnetnadelbereits deutlichandreiStellen Schwankungen gezeigt,diesichnur durcheinplötz- lichesAbwenden kaufkrästigerKunden von englischenProduzentenerklären lassen. Heute isteskeinGeheimnißmehr, daßbei einerUnterjochungTrans- vaalsdortkeine Mittel vorhanden seinwerden,um dieKriegskostenzu be- zahlen,unddaßGroßbritanniendie dritteMilliarde Markebensowiedie ersten beidenausseiner Taschezudeckenhabenwird. Schon sind-dieVer- brauchssteuernerheblicherhöht,istderNationalschuldein weiteresStückauf- gebürdetworden. EnglandkanndieseLasten tragen,aberesfehltanOpfer-

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muthundOpferfreudigkeit·Jeder sucht sich nach englischerArtvon der Stelle zudrücken,woesOpferzubringengilt.Ausdiesem Nationalzuge sindall dieHauptschwierigkeitendesKrieges entstanden.UnddieseSchwierig- keiten sind beimSchlußdesKrieges nichtaus derWeltgeräumt. Ohne Garnisonenvon 50000Mann wird Transvaal füreinJahrzehnt nichtbritisch zuerhalten seinund die Buren werden lieberihrLandverlassen,alsdie Kosten dafür aufbringen.EinzweitesJrland, aber einentferntesund darum zehnfachgefährlicheres:Das istAlles, was derSiegüber die Buren den Britenbringenwird. BeijederauswärtigenVerwickelungGroßbritanniens wirdes dortUnruhen geben.Ein arisches Kulturvolk istebennichtmit wilden Stämmen aufeineStufezustellen.SeitdentrübenErfahrungen, diees imamerikanischenUnabhängigkeitkriegegemacht hatte, hatEngland allerWelt verkündet, daßesseineKriegenur imDienstderCivilisation unddeshöherenRechtes führe.Dashatman sooft wiederholt, daßman esschließlichselbstgeglaubt hat. Diese demokratisch-liberalePhrase hat gerade in den Kolonien vollenGlauben gefunden.DerUnterdrückungskampfgegen Jrland lagdenKolonien fernundging sie wenigan. Deshalb haterihnen dieVerlogenheit dieses Programmesnichtgezeigt.Das Aufflammendes britischenJmperialismusaberhat schoninmanchen KolonienBedenkener- weckte, sozumBeispielunter der australischenGeistlichkeit.»HeuteDir, morgen mir,«sagtman sichundschütteltbedenklichdenKopf.Wirddas Weltteich,dasaufdasliberal-demokratische Bekenntnißgebaut ist, sichvon feinemMutterlande unddessen vierzigMillionen Menschen auch durcheine imperialistischePhase schleppenlassen?DieJdee desbritischen Zollbundes darfdrüben alsendgiltig aufgegebenbetrachtetwerden;dennnureinknappes DrittelderenglischenAusfuhr geht heutein dieenglischenKolonien.Niemand wirddulden, daßman zweiDrittel dieserAusfuhr gefährdet,um einDrittel zUschützen,dasohnehinsicherist. JndemsozialistischangehauchtenAustralien beginnenschondieAbsperrungmaßregelngegenbritischeJnduftrieprodulteund britischeEinwanderer. Bisher istesinEnglandnichtgelungen,einegroße InteressengemeinschaftmitseinenKolonien zuschaffen,undohne sie fehlt demJmperialismus,dempolitischenwie demwirthschastlichen,diegesunde Grundlage.Man brauchtdieTüchtigkeitdesenglischenStammes nichtzu Unterschätzemumzuerkennen,daßeraneinemWendepunktinseinerGe- schichteangelangt ist:er hateinaltes undveraltetesPrinzip aufgegeben, Ohneeinneues,gleich weltumfassendesinBereitschaftzuhaben.

Bonn. Dr.Alexander Tille.

IS

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Il Fuoco.

Mit

einerscheinbar sehr durchsichtigenSymbolik hatGabrieled’Annunzio

-».- dieneun Romane,dieervollendetoderversprochenhat,inGruppen vonjedreiengeordnet,dieerdie derRose,derLilieunddesGranatapfels genannt hat. Er selbst hat ihrenZusammenhang,undwäre esnur ein psychologischer,inderGeschichteseines eigenenSchaffensgelegener,betont.

Es ist oft gesagtworden, das alle Romaned’AnnunziosRomaneeines Lebens sind.Ihre Männergestaltenscheinen,wenn man daswiderspruchsvolleWort gebrauchen darf, psychischeVerkörperungeneinesWesens,Seelen,die der Dichtervon derseinen lösteodergelöstfühlteunddenenerimBilde seiner Dichtung verschiedenartigeMasken desLeibes, derAnlagen,derUmgebung verlieh.DieRomane dererstenReihe,diederRose, waren Tragoedien unbezähmbarer,vernichtenderLeidenschaft,dieTragoedienDerer,die dieRose desLebens vorwegpflückenund dieOpfer ihrer ästhetischenSinnlichkeit·

werden. DerLeser,dendergrausameundraffinirteDichterinihnenent- zückteundquälte,hat vielleichtvonDenen,dieerimZeichenderLilie auf- gefaßtwissenwollte,einesanftere Weiseerwartet; undin derThat: ein milderer Schimmer scheintüber-sieausgegossen,eineweltfremdere Luft weht inihnen, Das heißt:indemeinen,derbisjetzt erschienenist. Jnent- rücktereEinsamkeitenwerdenwirgeführt,verschlossenereSeeleninihm eröffnet;

aber wiedersindesOpferderselben unerbittlichensErotikundnur nochsubli- rnirter,noch entsetzlicheristdieSeelenqual,dieseinThema ist.Nachetwas Anderesfieldarin auf;einstolzererTon alsineinemderfrüherenwar indemBuch angeschlagen.JeneBegeisterung füreineneulateinischeKultur, jener hohe künstlerischePatriotismus d’Annunzios,denallseine neueren Werkezeigen,derihnzurPolitikgeführthat, äußertsichin den,,Jungfrauen vom Felsen«zumerstenMale. BreiteGedankenundhochgespannteJdeen werdenzu leitendenMotiven seinerWerke,sosehr, daßdiekünstlerischeEin- fachheitderErzählungmanchmaldarunter leidet. AberNiemand,derdiese Wunderdes Stils und derSpracheeinmalgenossenhat,wird diePhantasien Claudio Cantelmos auf seinen einsamenRitten durchdieödeCampagna wieder«vergessen,jeneErinnerungenuralterKulturherrlichkeitunddiedunkle Sehnsucht nachdergroßenrettenden That,dererlösendenPersönlichkeitEr wagteskaum,vonsichselbst soviel zu erwarten;ehervonseinemSohn,zu demerdieMutter erst sucht.Aber eindoppelterFluch vernichtetdieHoffnung:

einJrrweg führt ihnzudenwunderschönenTöchterndesschwerbelasteten Geschlechtesinjene seltsame vulkanischeSzenerievonVerfallundSchönheit

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