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Über die Ziele Russlands in Asien

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ZIELE RU SSLA N D S

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HAUPTMANN JO S E P H SCHÖN DES K. UND K. GEN ERA LSTA BS-CORPS.

MIT EINER KARTENSKIZZE.

SEPARAT-ABDRUCK AUS DEM „ORGAN DER MILITÄR-WISSENSCIIAFTLICIIEN V ER EISE“.

WIEN 1899.

IM S E L B S T V E R L Ä G E D ES V E R F A S S E R S .

IM COMMISSION BEI L . W . S E ID E L & S O H N , K. USD K. HOFBÜCHHÄNDLEK, WIEN, I., GRABEN 13.

DRUCK VON « . V w a l d h e:m.

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ZIELE RUSSLA NDS

I N

A S I E N .

V O N

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HAUPTMANN JO SE PH SCHÖN DES K. UND K. GENEKA LSTA BS-CORPS.

MIT EINER KARTENSKIZZE.

SEI’ARAT-ABDRÜGK ARS DEM „ÖRGAS DER MILITÄR-WISSENSCHAFTLICHEN VEREINE“.

WIEN 1899.

IM S E L B S T V E R L Ä G E D ES V E R F A S S E R S .

IN COMMISSION BEI L , W . S E ID E L & SOH N , K. UND K. HOFBUCHHÄHDLEH, WIEN, I., GRABEN 13.

ORUCK VON R V WALOHE'M.

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(5)

Einschlägige und benützte Literatur.

E u s s i s c h :

Geographie von Russland R j ä d n o w , Petersburg 1894.

Skizzen zur russischen Kulturgeschichte M i l j u k o w , P e te rs­

burg 1896.

Die Auswanderung und die russische Volkswirtschaft I s s a j e w , P etersburg 1891.

Gesammt - Russland. Statistische Übersicht über Gewerbe, Handel, Ackerbau und Verwaltung S u w o r i u , Petersburg, J a h r ­ gang 1895, 1896, 1897.

—Sibirien und die grosse sibirische Eisenbahn. Russisches Finanz­

ministerium, P etersburg 1896.

— Die Productivkräfte Russlands. Russisches Finanzministerium, Petersburg 1896.

Skizzen zur bäuerlichen Landwirtschaft in Sibirien K a u f ­ m a n n , 1894.

Sibirien als Colonie in geographischer, ethnographischer und historischer Beziehung J a d r i n z e w , 1892.

Fabriksmässige Production und Handel Russlands. Russisches Finanzministerium, Petersburg 1896.

Versuch einer hygienischen Geographie und Statistik von Turkestan J a r o w s k i j , 1889.

— Sibirischer Handels- und In d u strie-K alen d e r R o m a n o w . Tomsk 1897.

Beschreibung der Mandschurei. Russisches Finanzministerium, Petersburg 1897.

Ein zukünftiger Krieg in technischer, politischer und wirt­

schaftlicher Beziehung B l o c h . Petersburg 1898.

Kurzes Schema des Landheeres vom 1. Jänner 1899. Petersburg.

Ständebuch der Landtruppen, 1893, sammt den seither er­

schienenen, darauf bezüglichen Prikasen.

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Russische Tagespresse: Russkij Invalid, Russkija Wjedomosti, Nowoje Wremja, Sibirskaja Shisn.

D e u t s c h :

Die Heere und Flotten der Gegenwart. Russland. G. M. v.

Z e p p e l i n , Berlin 1898.

Russland in Mittel-Asien. K r a h m er, kön. preuss. Generalmajor, Leipzig 1898.

Ein Beitrag zur Landwirtschaft in Sibirien J a r i 1 o w, Leipzig 1896.

Asien. Eine allgemeine Landeskunde. Sievers 1893.

Deutsche Rundschau für Geographie und Statistik Wien 1898.

Internationale Revue über die gesammten Armeen und Flotten Dresden 1898.

. St. Petersburger Zeitung und die deutsche und österreichisch­

ungarische Tagespresse.

E n g l i s c h :

Handbook of the military forces of Russia London 1898.

The Times.

Einleitung.

Das Kulturleben eines Jahrtausends hat die Bevölkerung einiger europäischer Länder so anschwellen lassen, dass es unmöglich ist, alle Köpfe der zahlreichen Familie von den Erzeugnissen des eigenen Bodens zu ernähren. In dem Masse, als die Bewohner über diese Grenze sich vermehrten, mussten sie Wege finden, die materiellen Mittel für den Lebensunterhalt auf andere Weise zu beschaffen. Die Völker warfen sich hiezu auf die Industrie und den Handel, ver­

tauschten die Natural- mit der Geldwirtschaft und bringen durch einen complicirten Austausch von Geld, Arbeit und Waare das tä g ­ liche Brod auf.

Die hohe Entwickelung der Industrie und die maschinelle Massen- production haben m it der Zeit zur Sättigung, ja Überfiuthung aller bekannten und besuchten Märkte geführt, während die Bevölkerung und ihr Bedürfnis nach Arbeit und Erwerb noch täglich zunehmen.

W ir sehen aus diesem Grunde in der neuesten Zeit einen gewaltigen Concurrenzkampf der Industriestaaten um neue Märkte und Absatz­

gebiete entbrennen, der auf alle Erscheinungen im Leben dieser Staaten und seiner Individuen eine tiefe Wirkung ausübt. Die nationale Industrie führte nothwendigerweise zum nationalen Handel, dieser zur Anlage eines grossen Communicationsnetzes, Unterhaltung gewaltiger Flotten und Gründung überseeischer Colonien.

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In dieser Weise sehen wir heute eine Reihe europäischer und aussereuropäischer Staaten in Asien als Concurrenten auftreten.

Während aber auf Deutschland, England, Frankreich, Italien, Japan und selbst auf die nordamerikanischen Freistaaten das Vor­

stehende infolge ihrer dichten Bevölkerung und hochentwickelten Industrie anwendbar ist, treffen die obigen Voraussetzungen für Russ­

land nicht ganz zu. Denn Russland ist ein ackerbautreibender Staat mit relativ dünner Bevölkerung und wenig entwickelter Industrie.

Und doch hat es sich an der Concurrenz in Ost-Asien jüngst mit derselben Schärfe betheiligt wie die übrigen Staaten und rückt es in Central-Asien, immer neue Gebiete besetzend, seit einem halben Jahrhundert stets weiter gegen Süden vor.

Die kriegerischen und colonisatorischen Unternehmungen Russ­

lands in Asien halten ebenso lange seine ganze Bevölkerung in Be­

wegung. Alle Stände sind an dem Gange der dort sich vollziehenden Ereignisse directe und lebhaft interessirt; der Staatsmann, der die Politik machen hilft ebenso wie der Kaufmann, der mit jenen Gebieten Handels­

beziehungen anstrebt, der Techniker und Ingenieur, dem sich dort ein ungeheures Feld für seine Thätigkeit geöffnet bat, ebenso wie der Ackerbauer, der daran denkt, die heimische Scholle zu verlassen und den jungfräulichen Boden Nord-Asiens aufzusucheu. Nach Asien üiesst täglich die Arbeit von Millionen Händen ab, auf den Osten bezieht sich eine ungeheuere geistige Arbeit, von dorther kommen Russland schon jetzt grosse Reichthiimer zu, an Asien knüpfen sich

noch mehr grosse Hoffnungen für die Zukunft.

Die Ziele und Interessen, welche Russland dort verfolgt, an­

zudeuten, soll die Aufgabe der folgenden Zeilen sein.

Die hiebei angeführten statistischen und ziffermässigen Daten habe ich den vorgedachten Quellen entnommen.

In Bezug auf Orthographie folge ich sowohl im Texte, als in der beigegebenen Kartenskizze dem neuesten Atlas A n d r e e ’s.

Der gegenwärtige, russische Landbesitz in Asien umfasst ein ungeheueres Gebiet, das in seiner linearen Configuration nach zwei Richtungen hinzustreben scheint. Die eine derselben weist nach Osten, die andere nach Süden. Während das gesammte, hier in Betracht kommende Gebiet nach beiden Linien bin wenig besiedelt ist, liegen am Ursprung und an den Endpunkten derselben die v o l k r e i c h s t e n G e b i e t e d e r E r d e , E u r o p a m i t 380, I n d i e n m i t 300, C h i n a , K o r e a u n d J a p a n m i t z u s a m m e n 440 M i l l i o n e n E i n w o h n e r n . Schon dieser Umstand allein muss dem Territorial­

besitze Russlands in Asien besondere Wichtigkeit geben. Nur hatte bis vor kurzem der Landverkehr nach den beiden vorgedachten Rieh-

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tungen mit ungeheueren Schwierigkeiten und Hindernissen zu kämpfen, die durch die geringe Besiedlung, die 1.000 Meilen lange Entfernung, durch gewaltige Urwälder, Steppen und Sandwüsten gegeben waren. Aber in nun schon absehbarer Zeit werden alle diese Hindernisse durch die Schienenstränge besiegt sein, die wir in unseren Tagen nach beiden Rich­

tungen hin entstehen sahen. Erst dann werden jene drei Gebiete auch auf dem Landwege in unmittelbare Berührung treten und Russ­

land, ganz im Besitze dieser Wege, wird daraus unabsehbare Vor­

theile und ungeheueren Gewinn ziehen.

Um dieser Frage näher zu treten, ist es nöthig, sich mit den geographischen Verhältnissen der beiden Richtungen in übersicht­

licher Weise zu beschäftigen, umsomehr, als diese Länder, Sibirien und Turkestan, bei uns in grossen, selbst gebildeten Kreisen bisher nur wenig gekannt sind.

I. D i e o s t l i c h e R i c h t u n g — S i b i r i e n u n d d i e A m u r - L ä n d e r .

Das Klima und die natürlichen, kulturellen Bedingungen.

Sibirien und die Amurländer zerfallen in politischer Beziehung in Gouvernements und Gebiete.

Die zwei westlichsten Gouvernements — Tobolsk und Tomsk — werden als W e s t s i b i r i e n , die beiden anschliessenden Gouverne­

ments — JeDisseisk und Irkutsk — als O s t - S i b i r i e n bezeichnet.

Vom Baikal-See gegen Osten folgen dann die in ein General- Gouvernement zusammengefassten G e b i e t e T r a n s b a i k a l i e n , A m u r , und das K ü s t e n g e b i e t , gegen Nordosten das Gebiet J a k u t s k . Südlich von West-Sibirien liegen die Gebiete Akmolinsk und Semi- palatinsk, die wir als S t e p p e n g e b i e t bezeichnen wollen.

Es wird zweckmässig sein, sich bei der geographisch-kulturellen Charakteristik an die vorstehende Eintheilung zu halten.

Gegen Süden grenzen diese Gebiete nur an einen fremden Staat

— C h i n a — von dem sie meist durch natürliche Grenzlinien, Hoch- und Mittelgebirge und den mächtigen Flusslauf des Amur ge­

schieden sind.

Sibirien (einschliesslich der Steppengebiete Semipalatinsk und Akmolinsk) und die Amur-Länder haben einen F l ä c h e n r a u m von 1 3 4 Millionen /cm2, sind also etwa 20mal so gross als Österreich- Ungarn. Auf diesem ungeheueren Gebiete leben etwa 7-1 M i l l i o n e n E i n w o h n e r .

An unseren landläufigen Begriff von Sibirien knüpfen sich — wohl infolge mancher einseitigen oder tendenziösen Schilderung —

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nur Vorstellungen von einer W e lt in Eis und Schnee. Die mittleren Jahrestemperaturen und noch mehr die mittleren Wintertemperaturen sind auch thatsächlich excessiv niedrige '). F ür die Entwickelung der Pflanzenwelt und des Ackerbaues ist jedoch nicht die mittlere Jahres­

temperatur, sondern die m i t t l e r e T e m p e r a t u r d e r V e g e t a t i o n s - P e r i o d e , d. i. im allgemeinen die Zeit vom Mai bis September massgebend. Und da finden wir für Sibirien ziemlich gute Verhält­

nisse. So ist die mittlere Julitemperatur von Minussink (53 Grad nörd­

licher Breite) am Jenissei gleich jener von Wien und die mittlere Temperatur der Vegetations-Periode um Jakutsk, Olekminsk und Wiljuisk, Orte, die zwischen dem 60. und 63. Grad nördlicher Breite und nicht weit vom winterlichen Kältepole liegen, sogar noch um 5°C.

höher als im nördlichen Schottland, wo kein Getreide mehr gebaut werden kann. Dies ist nicht überraschend, wenn man daran denkt, dass unter so hohen Breiten die Sonne im Sommer um so länger am Himmel steht (Ende Juni 20 Stunden), je tiefer sie im Winter zum Horizont herabsinkt. Dieser Umstand befördert auch die S c h n e l l i g ­ k e i t d e s W a c h s t h u m s bedeutend. So beträgt die Zeit für das Keifen von Sommerweizen in Nordfrankreich 137, in Sibirien nur 107 Tage; Hafer braucht hier gar nur 96 Tage, kann also zu Ende Mai gesät und anfangs September geerntet werden. Wichtig in dieser Beziehung ist die D a u e r d e r f r o s t f r e i e n P e r i o d e . Sie beträgt im Gouvernement Irkutsk im Durchschnitte 97, im Gouvernement Jenisseisk 107 Tage. Selbst stärkere Nachtfröste, wie sie im Anfänge der Vegetations-Periode oft Vorkommen, schaden det jungen Saat nicht. Schädlich sind solche Fröste nur der reifenden Frucht, deren Qualität sie bedeutend verschlechtern. Unter diesen Verhältnissen ist der A c k e r b a u l ä n g s d e r g a n z e n S ü d g r e n z e S i b i r i e n s u n d d e r A m u r - L ä n d e r u n d s p o r a d i s c h s o g a r b i s z u m 64° n ö r d l i c h e r B r e i t e m ö g l i c h .

Nach diesen allgemeinen Bemerkungen über das Klima über­

gehen wir zur Schilderung der einzelnen Gebiete in geographischer und kultureller Beziehung.

a) W e s t - S i b i r i e n .

Nur ein kleiner Theil im Südosten dieses Gebietes ist Gebirgs- land, welches dem System des Altai angehört. Hier finden sich u n g e h e u e r e M i n e r a l s c h ä t z e , die aus diesem Lande einen

') So b e tr ä g t die m ittle re J a h r e s te m p e r a tu r von W erc h o jan sk , des K ä lte ­ p oles der E rd e — 17° C., die m ittle re W in te rte m p e ra tu r d a s e lb s t — 48° C. und die b e o b a c h te te n ie d rig s te T e m p e ra tu r — 67° C. D ie m ittle re J a h re s te m p e ra tu r von T om sk is t — 0-3° C., je n e von Ir k u ts k + 0 1 ° 0 .

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I n d u s t r i e b e z i r k schaffen werden, wie er im Ural um Nishne- Tagilsk entstanden ist.

Goldsand, Silber, Kupfer, Blei, Schwefel, reine Steinsalzlager.

Jaspis und Beryll, vor allem aber reiche Eisenerz- und Kohlenlager sind an 800 Fundorten aufgedeckt.

Zwischen Tomsk und Kusnezk liegt ein einziges 50.000 bis 60.0 0 0 /m 2 grosses Steinkohlenrevier (Böhmen hat 52.000km - Flächen­

inhalt), dessea Kohlen von vorzüglicher Qualität, aber noch völlig unberührt sind. Am Fusse des Altai liegen etwa 17.000/m 2 kultivir- baren, aber noch wenig besiedelten Landes.

F ünf Sechstel der Fläche West-Sibiriens gehören der Ebene an, die im Süden etwa 140m über dem Spiegel des Eismeeres liegt, zu dem sie sich nach und nach hinabsenkt. Wie ganz Nord-Asien kann man dieses Gebiet i n d r e i K l i m a z o n e n theilen. Die süd­

lichste dieser Zonen — die K u l t u r z o n e — hat eine mittlere Sommertemperatur von 15° C. und weist für den Ackerbau dieselben Bedingungen auf wie die centralen Theile von Eussland. Sie ist in der Bichtung von Nord nach Süd 900 bis 1.000/m breit und enthält etwa 335.000/cm2 ') kulturfähigen, aber noch wenig besiedelten Boden, der aus schwarzer Erde und fruchtbarem Löss besteht. Trotz der schwachen Besiedelung und noch wenig rationellen Bodenkultur wird schon ein bedeutender Ü b e r s c h u s s a n G e t r e i d e producirt, der zwischen 34

und 5 0 % des Gesammtertrages ausmacht. Man baut Sommer- und

Wintergetreide, Koggen, Weizen, Gerste, Hafer, Hirse, Erbsen, Buch­

weizen, Hanf, Flachs und Erdäpfel, dann verschiedene Gemüse. An Sommerweizen gelangten in den letzten Jahren je 3 3 bis 3 9 Millionen Metercentner zur Ausfuhr. An Mineralien findet sich vornehmlich Salz.

Die nördlich anschliessende Zone ist die W a l d z o n e ; sie enthält einen schier unermesslichen Vorrath an H ö l z e r n , h aupt­

sächlich Fichten, Kiefern, Cedern und Birken, dann einen seltenen Eeichthum an j a g d b a r e u T h i e r e n, wie Blaufuchs, Zobel, Hermelin, Biber u. a. m. Nur in letzterer Beziehung wurde die Waldzone bisher ausgebeutet, der W ald selbst liefert infolge der geringen Besiedlung und der weiten Transportsdistanzen fast keinen Ertrag.

Der Winter dauert über secbs Monate; die mittlere Sommer­

temperatur ist so niedrig, dass nur an wenigen Stellen s p ä r l i c h e r A c k e r b a u betrieben werden kann.

*) Die n ied e r-u n g arisc h e T iefebene h a t eine A u sd eh n u n g von 97.000fcm2.

D ie obigen D a ten ü b er die v o rh an d en e a n b au fä h ig e B odenfläche in den einzelnen T h e ilen N ord-A siens e n tsta m m e n dem officiellen W erke „ S ib irie n und die grosse s ib irisch e E is e n b a h n “ des ru ssisch en F in a n zm in is te riu m s vom J a h r e 1896 (2. A usgabe).

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Die nördlichste Zone ist die der T u n d r e n , deren Boden nur in drei Sommermonaten oberflächlich aufthaut und deshalb dem hochstämmigen Walde keine Nahrung mehr bieten kann. Eine Be­

siedlung dieser Zone ist vollkommen ausgeschlossen.

b) 0 s t - S i b i r i e n.

Die Kulturzone Ost-Sibiriens wird vom Sajan-Gebirge und dessen Ausläufern fast vollständig eingenommen. Da die mittlere Tempe­

ra tu r der Yegetations-Periode eben so rasch abnimmt als die absolute Höhenlage zunimmt, so beschränkt das Gebirgsland den F e l d b a u i n O s t - S i b i r i e n a u f d i e t i e f e r e n T h e i l e d e r K u l t u r z o n e . Ausserdem nehmen hier der sibirische Urwald — die Taiga —•

und das Weichland noch grosse Flächen ein. Immerhin sind an 280.OOO/m2 kultivirbaren Bodens vorhanden. Die mittlere Temperatur der Yegetations-Periode beträgt in Ost-Sibirien nur 14° C., was fin­

den Ackerbau noch gut hinreicht, aber ihn weniger ertragreich macht als in West-Sibirien.

Am Fusse des Sajan-Gebirges kommen, wie in West-Sibirien im Altai, r e i c h e E r z l a g e r vor. Ausser den dort aufgezählten Mineralien finden sich hier noch Graphit und Lapis lazuli. Die Eisen­

erze Ost-Sibiriens zeichnen sich durch einen besonders hohen Gehalt an reinem Eisen (bis 6 0 % ) aus. Die Stein- und Braunkohlenlager erstrecken sich bis in die Waldzone. Besonders reich ist O s t - S i b i r i e n a n G o l d , das hier im Jahre 1893 an 400 Stellen ge­

wonnen wurde nnd sich in der Gebirgszone wie in der Ebene bis zur unteren Tunguska findet.

Die W a l d - u n d T u n d r e n z o n e Ost-Sibiriens sind von der Beschaffenheit wie die W ald- und Tundrenzone West-Sibiriens.

c) T r a n s b a i k a l i e n .

Von Ost-Sibirien durch den Baikalsee getrennt, reicht dieses Gebiet von da bis zum Argun und liegt f a s t g a n z i n d e r K u l t u r z o n e . Es wird von den Ausläufern des Jablonowoj-Gebirges erfüllt, dessen Hauptrücken das Gebiet in zwei Hälften scheidet.

Das Land nordwestlich des Rückens trägt meist Waldbedeckung, jenes südwestlich desselben Steppencharakter. Nur die Flussthäler sind eben und durch ihr K l i m a f ü r d e n A c k e r b a u g e e i g n e t . Die Thäler und Seitenthäler der Selenga und Ingoda, des Onon, der Schilka und Nertscha, des Argun und Witim sollen an 225.000km'1 anbaufähigen Bodens enthalten. Die mittlere Temperatur der Vege­

tations-Periode beträgt nur mehr 13 5° C. Das Wachsthum wird

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jedoch günstig beeinflusst durch die fast immer heitere, die Wirkung des Sonnenlichtes nicht behindernde Atmosphäre.

Auch hier ist der M i n e r a l r e i c h t h u m s e h r g r o s s . Es finden sich Goldsand, Silber-, Zinn-, Blei-, Kupfer- und Eisenerze, Quecksilber, Steinkohlen, Salz, Graphit, Topas, Beryll und Aquamarin.

Da dieses Gebiet bisher am schwersten zugänglich war, wurden dessen natürliche Beichthümer am wenigsten ausgenützt.

d) D a s A m u r - G e b i e t .

Das Amur-Gebiet liegt, wie das vorige, in der K u l t u r z o n e und ist gleichfalls Mittelgebirgs- und Berglaud. Im Norden und Osten vom Stanowoj-, kleinen Chingan- und Burijskischen Gebirge begrenzt, verflacht sich das Land immer mehr gegen Süden zu den Thälern der Seja und Bureja und den weiten Prairien der Amur- Landschaft, welche von Heerden wilder Esel und Steppenpferde, Antilopen, Büffeln, wilden Schweinen und Ziegen, Hirschen u. dgl.

erfüllt sind. Auch das Moschusthier, der Tiger und der Panther kommen vor. Die starke Waldbedeckung, der feuchte, mit manns­

hohem Grase bedeckte Boden, zahlreiche Niederschläge und Sumpf­

bildungen, in der Plussebene des Amur überdies periodische Über­

schwemmungen sind d e m A c k e r b a u w e n i g g ü n s t i g . Das unmittelbare Anland des Amur ist daher auch zum Ackerbau nicht ge­

eignet. E rst die höhere Thalsohle und die weit in die Berge hinein­

reichenden Thäler der Seja und Bureja und deren Nebenflüsse bieten Baum für die Entwickelung der Bodenkultur. Das kulturfähige Land dürfte dermalen an 110.000A;ms betragen. Die mit der fortschreitenden Besiedelung verbundene Waldausrodung wird die jährlichen Nieder­

schläge und den Umfang des Weichlandes vermindern und damit die Fläche des anbaufähigen Bodens vermehren. Die mittlere Temperatur der Vegetations-Periode beträgt 16° C. Nach dem Werke „Sibirien“

des russischen Finanzministeriums hat eine 40jährige colonisatorische Thätigkeit bereits eine bedeutende B e s s e r u n g d e r k l i m a t i s c h e n V e r h ä l t n i s s e herbeigeführt und steht zu hoffen, dass etwa die Hälfte alles Bodens, das sind etwa 300.000&m*, für die Bodenkultur gewonnen werden können. In der That schildert uns T a c i t u s das Klima Germaniens nicht besser als jenes, wie wir es unter ähnlichen Boden-Bedeckungsverhältnissen heute im Amur-Lande constatiren.

Und doch wurde aus dem alten Deutschland im Laufe von fünf bis sechs Jahrhunderten ein ackerbautreibendes Land.

An M i n e r a l i e n kommen Goldsand und grosse Kohlen­

lager vor.

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e) D a s U s s u r i j - ( s ü d l i c h e K ü s t e n - ) G e b i e t .

Das Ussurij- oder Küstengebiet liegt zwischen den Flüssen Amur und Ussurij einerseits und der Küste andererseits. Es ist aus*- gefüllt von niederem Mittelgebirge und Bergland, enthält aber an den beiden genannten Flüssen auch weite Thalebenen. K l i m a t i s c h ist es die b e s t e P r o v i n z N o r d - A s i e n s . Die mittlere Tem peratur der Vegetationsperiode beträgt 16 bis 17° C., nur an der Küste ist sie etwas niedriger (15°). Das Land östlich des Mittelgebirgsrückens Sichota-alin ist meist in Nebel gehüllt und eignet sich für den A c k e r b a u deshalb nicht so vorzüglich wie die westlich dieses Rückens gelegenen Gebiete. Aber auch in diesen letzteren gibt es bei starkem Niederschlage noch sehr viel Wald und Weichland.

Immerhin beträgt die dermalen kulturfähige Fläche an 195.0007cm2.

Auch hier kann dieselbe durch Waldausrodung und Trockenlegung der Sümpfe bedeutend gewinnen.

An E r z e n finden sich Silber, Blei und Eisen, im Süden auch grosse Kohlenlager.

Die Insel Sachalin wie das weiter nördlich gelegene Küsten­

gebiet und die Halbinsel Kamtschatka eignen sich für den Ackerbau nicht. Ihre Küstengewässer sind dafür reich an Fischen, Robben u. dgl.

Auf Sachalin findet sich überdies Naphtha und Kohle.

/ ) D a s G e b i e t v o n J a k u t s k

erstreckt sich nördlich der Amur-Länder bis zum Eismeer und enthält nur z w e i Z o n e n , die des Waldes und der Tundra. In einigen klimatisch begünstigten Theilen, wie in den Niederungen der Lena bei Olekminsk und Jakutsk, dann in jenen des Wiljui und Aldan, wo die mittlere Temperatur der Vegetationsperiode noch 12° C. beträgt, wird allerdings Sommergetreide gesäet und Gemüsebau betrieben. Nach S i e r o s z e w s k i j hätte der bis zum 64° reichende Theil des Lena- bassins in einer Ausdehnung von 500.000fcm2 sogar eine Zukunft als ackerbautreibendes Land. Die nächste Zeit dürfte aber in dieser Beziehung keine Erfolge bringen. Reiche Heuernten gestatten die Entwicklung der V i e h z u c h t .

Die Flussthäler enthalten Goldsand, das Stanowoj-Gebirge reiche Lager an Kohle, Silber-, Blei- und Eisenerzen, ln dem tiefgefrorenen Boden, der auch im Sommer nur auf 2 bis 3m oberflächlich aufthaut, finden sich Mammuthknochen, in den Wäldern zahlreiche Pelzthiere.

g) D a s S t e p p e n g e b i e t

scbliesst südlich an West-Sibirien an und reicht bis zum Balchasch-See und dem Flusse Tschu. Die Steppe charakterisirt sich durch excessiv

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kontinentales Klima, geringe Niederschläge, den Mangel an W asser- läufen, das häutige Vorkommen von Salzseen und höchst spärlichen Wald wuchs.

Im Frühling bedeckt sie sich mit üppigem Grase. Mit Aus­

nahme einiger kleiner Oasen ist sie nur für Nomaden nutzbar, welche hauptsächlich Schafe, Kameele und Pferde züchten. In dieser Be­

schaffenheit übergreift die Steppe auch auf die benachbarten Gebiete von Turkestan, West-Sibirien und gegen den Ural-Fluss.

Im Südosten des Steppengebietes erhebt sich das Tarbagatai- Gebirge. Da, wo dasselbe die Schneegrenze erreicht, entströmen ihm auch während des Sommers Wasserläufe, welche für die Bewässerung der fruchtbaren Hänge ausgenützt werden. Dieselben sind denn auch von 600m an bis in eine Höhe von 1.600m kultivirbar. Die anbau­

fähige Fläche mag an 20.000 bis 30.000£m2 betragen. Alle tieferen Gebirgsfüsse und die Steppe selbst sind für den Ackerbau un­

geeignet.

In den niedrigen Hügelzügen finden sich Graphit, Kupfer, Silber und Bleierze, im Gebiete von Semipalatinsk auch Goldsand. Der Mangel an Kohle hindert noch die Ausnützung dieser Mineral­

reich thüm er.

Die Bevölkerung und ihre Erwerbszweige.

Die nachfolgende Tabelle gibt einige Daten über die Vertheilnng der Bevölkerung auf die vorstehend gedachten Gebiete. Hiebei wurden jene kleinen Bruchtheile an Eingeborenen, welche den griechisch- orthodoxen Glauben angenommen haben, daher russificirt sind, als Bussen gerechnet.

Aus der nebenstehenden Tabelle ist vorerst zu ersehen, dass d i e e i n g e w a n d e r t e n B u s s e n d i e e i n h e i m i s c h e B e ­ v ö l k e r u n g a u s j e n e n T h e i l e n N o r d - A s i e n s , w e l c h e f ü r d e n A c k e r b a u g e e i g n e t s i n d , m e h r o d e r w e n i g e r v e r ­ d r ä n g t haben.

Während sie im Gebiete von Jakutsk und Ochotsk, dann in der Steppe nur 9 bis 1 0 % der Gesammtbevölkerung betragen, nehmen sie in der Kulturzone 78 bis 9 7 % ein. Und auch jene 9 bis 1 0 % sind nicht gleichmässig über das Land verbreitet, sondern bilden die Bevölkerung einiger Verkehrscentren, in welchen die um ­ wohnenden Naturvölker ihre Producte (Pelze, Vieh, Producte der Viehzucht) an die russischen Kaufleute absetzen, die sie in den Handel bringen. Die E i n h e i m i s c h e n b i l d e n d i e H a u p t b e v ö l k e r u n g d e r W a l d - u n d T u n d r e n z o n e , wo sie als Nomaden Benn- thierzucht, dann der Steppe, wo sie Viehzucht betreiben.

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Anmerkung:DieInsel Sachalinmit etwa 26.000Bewohnernerscheint obennicht mitgerechuet.

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Ferner zeigt die Tabelle bei einem Vergleich m it der Karte, dass die r u s s i s c h e B e v ö l k e r u n g e i n e 300 bis l.OOO&ni b r e i t e , z u s a m m e n h ä n g e n d e Z o n e b e s e t z t h ä l t , welche in west­

östlicher Richtung durch ganz Nord-Asien zieht. Auch innerhalb dieser Zone ergeben sich Abstufungen der Bevölkerungsdichte je nach den vorhandenen Lebensbedingungen und je nach den Schwierig­

keiten, die der Erreichung neuer Wohnsitze und der Ansiedlung der Einwanderer entgegenstehen. Am dichtesten ist die Bevölkerung längs des sibirischen Tractes (siehe Seite 16, die Verkehrswege und der Handel), der grossen Handelsstrasse zwischen Kjachta und Tjumen, an den Nebenlinien des Tractes und an den Ufern der schiffbaren Flüsse. Der Strom der Einwanderer hielt sich eben an jene Linien, auf denen er am leichtesten und schnellsten fortkommt, und an jene Gegenden, wo der Ansiedler mit der übrigen W elt möglichst in Ver­

bindung bleibt, eine Unterstützung im Kampfe um die neue Existenz, Verdienst und ein Absatzgebiet für seine Arbeit findet und seine Be­

dürfnisse relativ leicht deckt. In den dem europäischen Kussland näher liegenden Gebieten ist die Bevölkerung aus demselben Grunde dichter als in den weiter abgelegenen Provinzen, welche schwerer zu erreichen waren. West-Sibirien, das schon lange vor dem Erscheinen von Dampf­

schiffen auf dem Ob das Ziel russischer Auswanderer war, hat weitaus die dichteste Bevölkerung. Erst, seit der Verkehr durch eine rege Dampfschifffahrt auf den sibirischen Flüssen erleichtert wurde, d. i.

seit dem Ende der Sechziger- und Anfang der Siebzigerjahre, waren auch Ost-Sibirien und die Gegenden östlich des Baikalsees für den Auswandererstrom zugänglich. Früher erfolgte der Verkehr zu Fuss und zu Wagen längs des grossen Tractes. Wie schwer die centralen Tbeile Sibiriens zu erreichen waren, zeigen die folgenden Distanzen.

Vom Ural bis Tomsk sind etwa \A 0 0 k m , bis Irkutsk über 3.000&?n, bis Nertschinsk 4.200&m, bis Blagowjeschtschensk 5.400/m.

Trotzdem die Verhältnisse für den Ackerbau in der Kulturzone Ost-Sibiriens und in den Amur-Ländern sich nicht viel ungünstiger stellen als in West-Sibirien, ist der anbaufähige Boden aus dem obigen Grunde je weiter gegen Osten desto weniger besiedelt. Das hier folgende Diagramm versinnlicht die Masse der Bevölkerung und die Abnahme der Besiedelung des anbaufähigen Bodens in jeder der be­

schriebenen Provinzen von Westen gegen Osten.

Die Grundlinie der Rechtecke stellt die kulturfähige Fläche, die Höhe die dermalige Zahl der Bewohner für je 100/cm2 dieser Fläche, das ganze Rechteck demnach die Dichte der Bevölkerung der Kultur­

zone in den einzelnen Gebieten dar. Die die Rechtecke von Ost- Sibirien, Transbaikalien, des Amur- und Ussurij-Gebietes auf die Höhe der Bevölkerungsdichte West-Sibiriens ergänzenden Rechtecke, welche-

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F ig u r 1.

Die H a u p t b e s c h ä f t i g u n g d e r B e v ö l k e r u n g d e r K u l t u r - z o n e i s t d e r A c k e r b a u , der im allgemeinen bis zum 60. Grad nördlicher Breite möglich ist. Die Intensität der K ultur und die bebaute, auf den Kopf der Bevölkerung entfallende Fläche zeigen von Westen gegen Osten eine stetige Abnahme, ebenso wie die Bevölkerung.

Doch sind die diesbezüglichen Verhältnisse noch etwas bessere als im

■centralen Theile des europäischen Busslands, weil in Sibirien bei den Kleinbauern weniger Mangel an Arbeitspferden herrscht.

Im Altai-Land kommen auf den Hof im Durchschnitte 5 Pferde und 6 Kühe und auf den Kopf der männlichen erwachsenen Be­

völkerung 8ha Ackerland, was ungefähr fünfmal besser ist als in den

A n m e rk u n g : D ie re la tiv e B e v ö lk e ru n g a u f je 100/cm2 d e r c e n tra le n P r o ­ vinzen des e u ro p äisc h en R u ssla n d s (3.730), w elche b eilä u fig gleich e B ed in g u n g en fü r den A c k erb a u aufw eisen w ie die in R ed e ste h e n d e n a sia tisc h e n P ro v in zen , m ü sste d urch ein e v e rtic a le L in ie von etw a 34cm H öhe d a r g e s te llt werden.

durch gestrichelte Linien angedeutet sind, lassen erkennen, welcher Vermehrung die dermalige Bevölkerung der einzelnen Gebiete fähig ist, um dieselbe relative Dichte zu erreichen, wie in West-Sibirien.

Die Figur lässt ferner entnehmen, dass d i e h e u t i g e B e v ö l k e r u n g d e r K u l t u r z o n e S i b i r i e n s u n d d e r A m u r - L ä n d e r a u f b e i ­ l ä u f i g d a s D o p p e l t e s t e i g e n k a n n , u m n u r d i e r e l a t i v e B e v ö l k e r u n g s d i c h t e W e s t - S i b i r i e n s z u e r r e i c h e n .

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ärmeren Theilen des europäischen Russlands. Dies gilt allerdings nur für deD schon seit längerer Zeit eingewanderten Theil der Bevöl­

kerung. Die neuen Ansiedler haben mit dem grössten Elende zu kämpfen. Sie leben zwei bis drei Jahre in Erdhütten, bevor sie es zu einem hölzernen Hause bringen, 20 bis 2 5 % bleiben überhaupt ohne Pferde, Kühe und Ackergeräthe und entgehen dem Schicksale des besitzlosen Feldarbeiters, welches für sie in der Heimat unerträg­

lich war, auch in Sibirien nicht.

Der E r t r a g d e s A c k e r b a u e s kommt jenem in den besten europäischen Gouvernements gleich. D u r o w gibt an, dass die Ernte in Sibirien das Fünf- bis Siebenfache der Aussaat betrage. (Im Gou­

vernement Kursk des europäischen Russlands erreicht sie im Durch­

schnitte das Siebenfache, im Gouvernement Tambow das Sechsfache, in den Gouvernements Orel und Rjäsan das Fünffache, in anderen Gouvernements, die mit zu den fruchtbarsten des Reiches zählen, das Vierfache der Aussaat.)

Das statistische Material zeigt e i n e j ä h r l i c h e Z u ­ n a h m e d e r G e t r e i d e - P r o d u c t i o n . Nicht in letzter Linie ist dies hervorgerufen durch den Bau der grossen sibirischen Eisenbahn.

Die Bevölkerung längs des sibirischen Tractes fand in früheren Jahren eine leichtere und lohnendere Beschäftigung in der Ver­

mittlung des Verkehres auf dieser Handels- und Poststrasse. Zehn­

tausende von Fuhrleuten und Pferden waren damit beschäftigt, Waaren zu verfrachten, Reisende und Beamte zu befördern. Sommer und W inter war der Tract von langen Wagen-, beziehungsweise Schlitten-Colonnen bedeckt und nur während des etwa 14 tägigen Thauwetters im Frühjahre kam der Verkehr in’s Stocken. In dem Verhältnisse, als sich die Dampfschifffahrt erweiterte, überging der Verkehr zur Sommerszeit auf die Flüsse und in den jüngsten Jahren mit Inbetriebsetzung der Bahn auch im Winter vom Tracte auf den Schienenstrang. Infolgedessen wurden jene Elemente, die sich bisher nur nebenbei mit dem Ackerbau, hauptsächlich aber mit dem F u h r ­ werk befasst hatten, ganz auf die Bodenkultur gewiesen.

Mit der Abnahme der ackerbautreibenden, russischen Bevölkerung gegen Osten steht die relative Zunahme der Städtebevölkerung im Zusammenhänge. Die letztere macht in West-Sibirien 8 % der Ge- sammtbewohnerschaft aus und steigt stetig gegen Osten, bis sie im Ussurij-Gebiete 1 5 % erreicht. Zu dieser Höhe der städtischen Be­

völkerung wird hauptsächlichst von den handeltreibenden Bewohnern der Verkehrscentren beigetragen, welche die in denselben zusammen­

strömenden einheimischen Waaren gegen aus- und inländische Industrie- producte eintauschen.

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Ein zweiter, aber untergeordneter Erwerbszweig der Bevölkerung der Kulturzone ist die V i e h z u c h t . Sie wird nur für den eigenen JBedarf, also in geringem Umfange betrieben. Zu höherer Entwickelung ist sie in der Umgebung der Städte gediehen, die ein Absatzgebiet für ihre Producte abgeben.

Im Steppengebiete lebt dagegen die Masse der Bevölkerung von der Viehzucht. Die Nomaden verdanken die Nahrung, die Klei­

dung und die aus Filz bestehenden Zelte ihren Herden, unter welchen das Schaf weitaus am zahlreichsten vertreten ist.

Die I n d u s t r i e ist wenig entwickelt. Die Bewohner decken ihre einfachen Bedürfnisse im Wege der Hausindustrie. Von fabriks- mässigen Betrieben kommen Leder-, Metall-, Talg-, Kerzen-, Woll- und Tuchfabriken, Branntweinbrennereien und Bierbrauereien, Glas-, Tabak- und Zündhölzchenfabriken vor. Chem ische, Papier- und Zuckerfabriken sind im Entstehen. Am bedeutendsten sind die Mühlen-, die Leder- und die Metall-Industrie. Mit Ausnahme von Leder und Talg kann die Industrie die Bedürfnisse des Landes noch nicht decken, so dass Sibirien und die Amur-Länder auf die Einfuhr an­

gewiesen sind. Wie der Ackerbau, so nimmt auch der fabriksmässige Industriebetrieb gegen Osten stetig ab.

Die Erzeugnisse der Fabriks - Industrie wurden 1896 m it 20 Millionen Bubel (etwa 25 Millionen Gulden) bewertet. Die Zahl der beschäftigten Arbeiter betrug 35.000.

D e r B e r g b a u u n d d a s H ü t t e n w e s e n , für welche in Sibirien so ausserordentliche, natürliche Bedingungen vorhanden sind, haben nur im A l t a i - G e b i e t e grössere Entwickelung erreicht. Sonst kommen Bergwerksbetriebe nur einzeln vor. Relativ gross ist die Ausbeute an Edelmetallen. Drei Viertheile alles auf russischem Territorium ge­

wonnenen Silbers kommen aus dem Altai, zwei Drittheile allen Goldes von hier und aus ganz Sibirien. Man zählt ohne den Ural gegenwärtig 851 Goldfundstellen. Trotz der z a h l l o s e n E i s e n e r z l a g e r be­

stehen aber dermalen nur 4 Eisenhütten. Die Erze halten 38 bis 6 0 % Roheisen. Auch die r i e s i g e n K o h l e n l a g e r blieben bisher un- beniitzt. Die Ursache hievon bestand bisher in der geringen Nach­

frage und der theuren Verfrachtung und in dem Umstande, dass capitalkräftige Unternehmer nicht vorhanden sind. Der grosse Bahn­

bau wird hierin Wandel schallen. Denn Eisen und Kohle sind die wichtigsten Materialien für die Erhaltung und den Betrieb der Bahn.

Relativ gross ist die Ausbeute an S a l z . Aus den Salzseen und den Salzlagern ehemaligen Seebodens wurden im Jahre 1893 in W est- Sibirien allein etwa 47.000 Tonnen, in ganz Sibirien an 57.000 Tonnen Salz gewonnen. Die grossen Steinsalzlager blieben bisher fast un­

berührt.

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D e r F i s c h f a n g bestreitet in der Kulturzone nicht viel mehr als locale Bedürfnisse, weil die Conservirung für den Versandt noch geringe Fortschritte gemacht hat.

Die s i b i r i s c h e W a l d - u n d T u n d r e n z o n e haben eine eben­

so geringe Bevölkerungsdichte wie das Jakutsk-Ochotskische Gebiet.

Die Bussen sind je weiter nach Norden in umso geringerem Verhältnisse in der Gesammtbevölkerung vertreten. Sie leben als Händler in den .Ansiedlungen und kleinen Städten längs der natürlichen Verkehrswege, der Flüsse. Das Gros der Bevölkerung besteht aus Eingeborenen ver­

schiedener Stämme, die sich von den Ergebnissen der Rennthier-

■zucht, der Jag d und der Fischerei nähren.

Die Bevölkerung der kirgisischen S t e p p e besteht aus nomadi- sirenden eingeborenen Völkerschaften mongolischer Abstammung. Die Russen erreichen auch hier nur 1 0 % der Gesammtbevölkerung;

sie leben im fruchtbaren östlichen Theile des Gebietes Semipalatinsk und in zerstreuten kleinen Oasen als Ackerbauer, dann an den grossen . Verkehrslinien als Handelstreibende.

D i e Z u k u n f t S i b i r i e n s l i e g t , wie aus dem Vorstehenden schon hervorgeht, i n d e r K u l t u r z o n e . Geringere Bedeutung haben noch die Steppe und die Waldzone, erstere wegen ihres Viehreich­

thums und der daran zu knüpfenden Industrien, die letztere wegen ihrer ungeheueren Vorräthe an Hölzern, die in Zukunft, wenn die W älder der Kulturzone mehr und mehr schwinden werden, auf den hiefür günstig gerichteten Flussläufen herangezogen werden können.

Die Kulturzone wird ausser im Norden auch im Süden von einer fast ununterbrochenen Waldzone längs der Grenzgebirge begleitet.

Beide Waldgebiete werden dermalen nicht ausgenützt, da die K u ltur­

zone selbst noch zu reich an Holz ist. Der schonungslose Verbrauch seitens der Bevölkerung hat im Jahre 1884 zur Einführung einer F orst­

aufsicht in einigen Gebieten West-Sibiriens geführt. Dieser Mass- regel ist eine bisherige Jahreseinnahme von einer halben Million Rubel (630.000 fl.) zu danken.

Die Verkehrswege und der Handel.

So lange weder die Eisenbahn eröffnet war, noch Dampfschiffe auf den sibirischen Flüssen verkehrten, diente als einzige Communi-

■cation zwischen dem Westen und Osten d e r g r o s s e s i b i r i s c h e T r a c t . Er führt von Moskau über Nishnij - Nowgorod, Kasan, Jekaterinburg, Tjumen (die erste sibirische Station), Ischim, Omsk, Kainsk, Kolywan, Tomsk, Atschinsk, Krasnojarsk, Nishne-Udinsk, Irkutsk und den Baikal-See (im W inter über das Eis, im Sommer den See im Süden umgehend) nach Werchne-Udinsk, wo er sich

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theiit. Der eine Zweig geht über Kjachta, Urga in das Innere von China (Peking), der andere über Tschita, Nertsehinsk, Strjetensk an den Amur und längs desselben über Chabarowsk an die Küste. Die Bewegung auf dem Tracte war Sommer und W inter besonders nach China eine äusserst lebhafte. Da der W inter alle Verkehrshindernisse, wie Gewässer und Sümpfe, aufhebt, ja in der Eisdecke der Flüsse oft die beste, ebenste Fahrbahn abgibt, ruhte das Schwergewicht auch auf dem winterlichen Verkehr. Vom Tracte wickelte sich der Zu- und Abtransport nach Norden und Süden auf einigen Trans- versal-Tracten, hauptsächlich aber auf den Flüssen (im Sommer auf Schiffen oder Flössen, im Winter mittels Schlitten auf dem Eise) ab. W ir finden deshalb überall dort, wo der Tract Flüsse übersetzt, grosse Handelscentren (siehe die Karten-Skizze).1)

Längs des grossen Tractes und einiger Nebenlinien desselben

führt der T e l e g r a p h . EM-Jag.

In den Vierzigerjahren erschienen zuerst auf dem Ob, anfangs der Fünfzigerjahre auf dem Amur und im Jahre 18(13 auch auf dem Jenissei D a m p f s c h i f f e . Seither hat sich die D a m p f s c h i f f f a h r t mächtig entwickelt. Abträglich wirkt nur die lange Vereisung. In der K ultur­

zone beginnt die Schifffahrt gewöhnlich anfangs Mai und dauert sechs Monate bis anfangs November. Nur der Baikal-See wird erst Ende Mai eisfrei. In der Wald- und Tundrenzone sinkt die Dauer der Schifffahrtssaison auf ßVg, 4 % und auch auf 4 Monate herab.

Trotz dieser kurzen Betriebszeit hat der Wasserverkehr, wo er nur immer seiner Richtung nach den Tract ersetzen konnte, den Waaren- Transport an sich gezogen. Das Vorhandensein leistungsfähiger Ver­

kehrsmittel hob das Verkehrsbedürfnis, die Verkehrsintensität und das Zuströmen der Einwanderer, die nun billiger und in viel kürzerer Zeit als früher auch ferne Gebiete erreichen konnten.

Die R i c h t u n g d e r s i b i r i s c h e n F l u s s l ä u f e steht mit Ausnahme des Amur-Systems wohl senkrecht auf die Hauptverkehrs­

richtung W est-Ost und war daher von Haus aus wenig günstig für die Entwickelung der Flussschifffahrt. Die grosse Zahl wasserreicher und weit hinauf schiffbarer Nebenflüsse (der Irtysch z. B. hat allein ein grösseres Stromgebiet als die Wolga) verbesserte jedoch diesen Übelstand in bedeutendem Masse. Der Verkehr wird dadurch aller-

') D ie S tä d te S ib irie n s h aben ganz das Aussehen je n e r in R u sslan d , n u r trifft m an d o rt H o lz b au ten noch h äu fig er als h ier. D ie g rü ss te n S tä d te s i n d : T jum en m it 29.600, T obolsk m it 20.400, T om sk m it 52.400 (h ier U n iv e rsitä t), B a rn au l m it 29.400, B isk m it 17.200, K olyw an m it 11.700, O m sk m it 37.800, P etro p aw lo sk m it 20.000, I rk u ts k m it 51.400, K rasn o jarsk m it 27.000, B lago- w je sc h tsch e n sk m it 32.600, W ladiw ostok m it 29.000, C habarow sk m it 15.000 E in ­ w ohnern.

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dings oft zu grossen Umwegen gezwungen und muss Gegenden be­

rühren, die nur ein geringes oder gar kein Verkehrsbedürfnis haben.

Die hauptsächlichsten, von Flussdampfern befahrenen Wasser­

strassen sin d : von dem Bahnanschlusspunkte Tura (bei Tjumen) auf der Tura abwärts über Tjumen in den Tobol und über Tobolsk auf dem Irtysch abwärts und den Ob aufwärts bis Bisk. Der Tobol ist auf etwa 450hm aufwärts bis Kurgan, jedoch nur bis Ende Juli, später von der Tura-Mündung, von seinen Nebenflüssen ausser der Tura noch der Mijas und die Tawda schiffbar. Ausserordentlich günstige Schiff­

fahrtslinien sind der Iscliim und der Irtysch, welch’ letzterer Fluss auf 2.800/rwi stromaufwärts (Donau von Ingolstadt bis zur Mündung) bis Ust-Kamenogorsk mit Dampfern befahren wird und sehr frucht­

bare Gebiete durchströmt. Von den rechtsseitigen Nebenflüssen des Ob sind der Tom bis Kusnezk, der Tschulym bis Atschinsk schiffbar.

Durch den Ket, den erst vor kurzer Zeit fertig gestellten Ob-Jenissei- Canal und den Ivas gelangen die Schiffe in den Jenissei. Den ge­

nannten Canal können bei 7-5km Länge und 12m Breite vorläufig nur Schiffe mit kleinstem Tiefgang benützen. Der Jenissei ist bis Minussinsk hinauf schiffbar. Sein rechtsseitiger Nebenfluss, die Angara kann wegen Stromschnellen im Unterlaufe nicht befahren werden.

Die obwaltenden Hindernisse sollen jedoch in den nächsten Jahren beseitigt werden, worauf die Schiffe aus dem Jenissei directe bis in den Baikal-See gelangen könnten. Da in weiterer Fortsetzung auch die Selenga bis nach China hinein schiffbar ist, so wird dann eine fast 1.000 Meilen lange Schifffahrtslinie von Tjumen und den be­

nachbarten Umschlagplätzen der Ural-Bahn an der Tura und am Tobol allerdings mit grossen Umwegen nach Kjachta führen. Diese Linie führt nur am Irtysch-Ob Winkel durch weniger besiedelte, sonst überall durch dichter bewohnte Gegenden.

Auf dem Ob und seinen Nebenflüssen verkehren dermalen über 100, auf dem J e n i s s e i 10 Dampfer in meist regelmässigen Post­

fahrten.

Von der Schnelligkeit des Anwachsens der Flussflottille des Ob-Systems zeigen folgende Ziffern:

Im Jahre 1843 gab es auf dem Ob 1 Dampfer, im Jahve 1854 — 3, 1860 — 10, 1870 — 22, 1875 — 32, 1880 — 37, 1885 — 57, 1890 — 65, 1892 — 90, 1893 — 102 Dampfor und 200 Schleppschiffe.

Die Dampfschifffahrt auf der L e n a ist von geringerer Be­

deutung, da dieser Strom nicht in die dichter bewohnten Gebiete hineinreicht. Der Verkehr ist dementsprechend geringer.

Umso grössere Wichtigkeit als Schifffahrtslinie besitzt der A m u r , dessen Lauf mit der allgemeinen Verkehrsrichtung mehr über­

einstimmt als jener der anderen genannten Ströme. Die Dampfschifffahrt

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beginnt bei Strjetensk, die Flüsse Ingoda und Onon, sowie die Nertscha können aber auch weiter hinauf mit Barken befahren werden.

Von den Nebenflüssen sind die Seja und Bureja, der Sungari bis Kirin und sein Nebenfluss Noni bis Tsitsikar hinauf für Dampfer schiffbar. Der Ussurij und sein Nebenfluss Sungatscha werden bis in den Chankasee mit Dampfern befahren.

Auf dem Amur und seinen Nebenflüssen verkehren dermalen an 110 Dampfer nebst 4 Dampfkuttern und 2 Dampfbarkassen, mit zusammen 29.300 indicirten Pferdekräften. An Schleppschiffen sind 60 hölzerne und an 100 eiserne Barken vorhanden, welche insgesammt SS.OOO^ verladen können. F ür die Regulirung des Fahrwassers sind 2 Bagger-Maschinen eingestellt.

Ausserdem unterhält die Regierung eine Flottille von 3 Dampfern mit militärischer Bemannung aus den anwohnenden Amur- und Ussurij-Kosaken.

Der Ob und Jenissei münden in das K a r i s c h e Me e r , welches während acht Monaten im Jahre vereist ist. In den letzten Sommern wurden jedoch die Mündungen beider Ströme von englischen und russischen Seeschiffen wiederholt angelaufen. Diese Versuche sollten darthun, ob es möglich sei, W est- und Ost-Sibirien auf dem Wasser­

wege von Europa her zu erreichen. Die im Jahre 1898 von einem russischen Schiffe im Aufträge der Regierung durchgeführte Expedition durch das Karische Meer an die Ob-Mündung ergab, dass ein und dasselbe Schiff zur See über die Waigatschstrasse während der vier­

monatlichen Schifffahrtsperiode (Juni bis September) von England nach den Mündungen des Ob und Jenissei zweimal verkehren könne, wenn die Umschlagplätze ein rasches Löschen der Ladung gestatten. Gegen­

wärtig erlauben die Uferverhältnisse das Anlegen von Seeschiffen nicht. Das Fahrwasser der Ob-Mündung soll daher stellenweise ver­

tieft und eine Landungsstelle angelegt werden. Selbst die Mündung der Lena ist auf diesem Wege erreichbar.

Der S e e s c h i f f f a h r t n a c h N o r d - S i b i r i e n kommen die russischen Häfen Archangelsk, Kern und der erst 1898 neu angelegte Jekaterinen-Hafen an der Nordküste Russlands, dann die dahin aus dem Innern angelegten, beziehungsweise noch anzulegenden Bahnen sehr zu statten. Jekaterinenhafen hat infolge des Golfstromes das ganze J ah r hindurch eisfreies Fahrwasser zu den westeuropäischen Küsten und soll durch eine Bahn mit Petersburg verbunden werden.

An der Küste des U s s u r i j - G e b i e t e s besteht eine regelmässige Post-Dampfschifffahrt zwischen Nikolajewsk, Wladiwostok und einigen Zwischenstationen, ferner eine regelmässige Verbindung von hier zu den j a p a n i s c h e n H ä f e n . Für Postfahrten von Wladiwostok nach

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den neuerworbenen Häfen P o rt Artbur und Talienwan sollen demnächst zwei Regierungsdampfer eingestellt werden.

Die Schifffahrt an der Ussurij-Küste erleidet durch das Eis jährlich eine Unterbrechung von 2 bis 3 Monaten. Es war daher seit langer Zeit das Streben Russlands, einen eisfreien Hafen in den Gewässern von Korea zu erwerben. Im Hafen von Wladiwostok hält ein Eisbrecher das Fahrwasser offen.

Die directe Verbindung zur See zwischen dem S c h w a r z e n M e e r e (Odessa) und der O s t s e e (Petersburg) einerseits und Ost- Asien andererseits wird durch die f r e i w i l l i g e F l o t t e besorgt.

Dieselbe wurde im Jahre 1878 errichtet und wuchs bisher auf 14 Dampfer mit zusammen '116.5001 Deplacement an. Die Dampfer sind theilweise so eingerichtet, dass sie im Kriege mit Geschützen bis zu 12cm Kaliber armirt und als Hilfskreuzer benützt werden können.

Im Frieden besorgen sie den Transport von Privat- und Militärgütern, von Reisenden1), russischen Auswanderern und Truppen. Die einmalige F ah rt dauert 6 Wochen.

F ür den im Jahre 1898 besonders forcirten Transport von Truppen und Eisenbahn-Material nach Ost-Asien genügte die frei­

willige Flotte nicht und es mussten wiederholt fremde Schiffe ge- m iethet werden. Es wurden deshalb abermals zwei neue grosse Dampfer bestellt und das immer wachsende Verkehrsbedürfnis wird auch weiterhin zur Vermehrung der freiwilligen Flotte führen. 1894 transportirte sie nach Ost-Asien 100.000 Personen (Truppen, Beamte, Reisende und Auswanderer) und 33.000t Güter. Die Rückfracht fällt dermalen noch geringer aus. 1894 betrug sie aber schon 25.000< Güter (davon die grössere Hälfte Thee).

Zu diesen Verkehrslinien und Transportsmitteln t ra t endlich in jüngster Zeit die g r o s s e s i b i r i s c h e E i s e n b a h n . Mit dem Bau derselben wurde im Jahre 1891 gleichzeitig an beiden Endpunkten (Tscheljabinsk und Wladiwostok) begonnen. Bis Ende 1896 war man im Westen bis Kansk, im Osten bis zum Sommer 1897 bis Chabarowsk vorgerückt. In der Folge wurde — entsprechend dem inzwischen abgeschlossenen, aber noch geheim gehaltenen Vertrage über die m a n d s c h u r i s c h e o d e r c h i n e s i s c h e O s t b a h n — nur die westliche Strecke fortgesetzt und im Herbste 1898 bis Irkutsk fertig­

gestellt. Gegenwärtig ist auch die Strecke von hier zum Baikal-See schon in provisorischem Betriebe und auf jener östlich des Sees bis Nertschinsk der Unterbau, zum grossen Theile fertiggestellt. Die Strecke Nertschiusk-Strjetensk (hier Anschlussstation an die Dampferlinie

1) D er F a h rp re is fü r einen K a jü te n p a s s a g ie r von O dessa n ach W lad iw o sto k b e tr ä g t 500, e rn iä ss ig t 400 E u b e l (625, b ezieh u n g sw eise 500 fl.), fü r einen Z w isc h en d e ck -P assa g ie r 120 und 100 ß u b e l (150, b ezieh u n g sw eise 125 fl.).

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des Amur) wurde bereits im Herbste 1898 eröffnet. Über Strjetensk hinaus wird die Bahn nicht verlängert werden. Längs des linken Ufers des Amur wird jedoch eine Strasse von Strjetensk nach Chabarowsk führen, mit deren Bau im Jahre 1898 begonnen wurde.

Der Bau der den Baikal-See im Süden umgehenden Strecke (173&wi) bietet sehr grosse Schwierigkeiten und wurde noch gar nicht begonnen. Die Baikal-Ringbahn soll jedoch im Jahre 1904 be­

endet sein. Den Verkehr über den Baikal-See wird bis dahin vom Jahre 1899 an eine Dampffähre besorgen, welche imstande sein wird, einen ganzen Eisenbahnzug aufzunehmen. Das Fahrwasser wird im Winter durch einen gewaltigen Eisbrecher freigehalten werden, der eine Im dicke Eisdecke spalten wird. Auf diese Weise soll der durch­

laufende Zugsverkehr bis auf zwei Wintermonate aufrecht erhalten w e rden1).

Inzwischen ergaben sich für die Fortsetzung der Bahn gegen Osten neue Gesichtspunkte. Der Ausgang des c h i n e s i s c h - j a p a n i ­ s c h e n K r i e g e s 1894/95 und der Friede von Simonoseki hatte die Liau-tung-Halbinsel in den Besitz Japans gebracht. Russland, das schon Ende der Siebziger- und zu Anfang der Achtziger-Jahre an die Erwerbung eines eisfreien Hafens gedacht hatte, sah sich dadurch aus Nord-China und Korea ein- für allemal ausgesperrt. Denn eine auf die Liau-tung-Halbinsel basirte Flotte versperrt ebenso die Ge­

wässer des Gelben Meeres, wie ein dort stehendes Landheer feindliche Operationen von den Amur-Ländern her nach Peking und Korea ver­

wehrt. Russland vereinigte sich daher mit Deutschland und Frank­

') U b er die k o lossale A rb e its le is tu n g u n d die S c h w ie rig k e ite n beim B aue d e r sib irisch e n B ahn m ögen die fo lg en d en Z iffern o rie n tire n :

Die S treck en T s c h e lja b in s k -S trje te n s k m it der A bzw eigung nach T om sk und C habarow sk - W ladiw ostok h ab en zusam m en 5.2 8 4 km L än g e n en tw ic k lu n g . D ie G e sa m m tk o ste n d ie s e rS tre c k e n d er sib irisch e n B ah n (also ohne die m an d sch u risc h e B a h n ) b elau fen sich a u f 371 M illionen R ubel (d. i. etw a 4(15 b is 470 M illionen G ulden). D ie E rd a u s h e b u n g b e tr ä g t 9 3 5 M illionen K u b ik m e te r, das M auerw erk fü r D u rc h lässe 1 5 9 .000m " (ausserdem D u rc h lässe aus e isern en R o h ren m it 5icm G esa m m tlän g e), die G esam m tlän g e d e r H olzbrücken 3 6 '2 km , d er E is e n b rü c k en 1 2 3 k m , der S ch n eesch irm e 909/rm, d er P erro n s 11 '77cm. An S chw ellen sind 8-4 M illionen, an T eleg ra p h e n sä u le n 118.000 S tü c k n ü th ig . D ie von den G ebäuden d er B ah n eingenom m ene G esam m tfläche b e tr ä g t 2.200 A r. D as gesum m te, ro llen d e M a terial w ird einen Z ug von 84'5/cm L än g e d a rstellen . D ie L ow ries w erden 88.0007 aufnehm en können. D as G e w ich t der v e rle g te n S c h ien en w ird 311.0007 b e tra g e n .

N e b s t d er B aik a l-R in g b a h n b ie te t die S tre ck e von W erch n e-U d in sk bis T s c h ita die g rö ss te n S c h w ie rig k e ite n . D ie B ahn fü h rt h ie r in ein er a b so lu ten H öhe von 1.040m ü b e r das Jablon o w o j-G eb irg e. Im J u n i und J u li i s t h ie r ta g s ­ ü b e r eine T e m p e ra tu r von - f 28° C., in d e r N a c h t von — 5° C. D e r B oden is t bis a u f 7 ’4?« T iefe gefroren u n d th a u t im S om m er im h ö h e ren G eb irg e n u r b is O G 4*0m t ie f auf. D ie tiefen E in s c h n itte fü h ren also im m e r zu S p ren g u n g en .

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reich, die in China ähnliche Interessen hatten, zur Intervention und Japan musste auf die Liau-tung-Halbinsel Verzicht leisten. Enssland vermittelte überdies eine Anleihe Chinas in Frankreich zur Bezahlung der Kriegsentschädigung an Japan. Dadurch erwarb es sich einerseits den Anspruch auf die Dankbarkeit Chinas und sah sich andererseits vor einer Gelegenheit, den erwünschten eisfreien Hafen zu erwerben.

Es kam im December 1897 zur Besitznahme der Hafengewässer von P o r t A r t h u r u n d T a l i e n w a n und im März 1898 zu jenem für Enssland so ausserordentlich wichtigen Vertrage, nach welchem die Kwantung-Halbinsel mit den beiden genannten Häfen von China an Enssland auf 25 Jahre verpachtet und dem letzteren Staate gleichzeitig das Eecht zur Erbauung einer Bahn quer durch die Mandschurei von einer Station der Transbaikal-Bahn nach Wladiwostok und Port Arthur ertheilt wurde. Gleichzeitig sollten die Bussen das Eecht haben, die Mineralschätze der Mandschurei auszubeuten, Strassen auzulegen und kleine Garnisonen zu halten.

F ür den Bau der m a n d s c h u r i s c h e n B a h n , oder wie sie officiell heisst, d e r c h i n e s i s c h e n O s t b a h n bildete sich eine aus russischen und chinesischen Actionären gebildete Gesellschaft.

Die Bahn wird von der sibirischen Trace westlich Nertschinsk abzweigen und über die Grenzstation Zurachaituj, dann über Chailar, und von hier wahrscheinlich weiter über Tsitsikar, Hulan-tschen nach Wladiwostok führen 1). Diese durch die Mandschurei führende Trace ist um 550/rm kürzer als jene, welche durch das Amur-Thal und über Chabarowsk nach Wladiwostok geplant war. Zudem bietet sie weit weniger technische Schwierigkeiten, führt durch kultivirtere, besser be­

siedelte Gegenden und liegt nahe an der kürzesten grossen Verkehrslinie zwischen China und Enssland. Die Amurthal-Bahn, welche infolge Weich­

land und periodischer Überschwemmungen grossen Schwierigkeiten beim Bau und Betriebe begegnet wäre, wird nun überhaupt nicht ausgeführt werden. Die während 6 Monaten im Jahre offene Schifffahrtslinie Strjetensk-Cbabarowsk und die daran schliessende schon fertige Bahn Chabarowsk-Wladiwostok werden für das Verkehrsbedürfnis nach dieser Dichtung vorläufig vollkommen genügen.

Der Bau der mandschurischen Bahn wurde sofort in Angriff genommen. Die Vorarbeiten für die Traceermittelung wurden 1897 durchgeführt. 1898 wurden die Eventualtracen gesucht, Grundkäufe und Expropriationen durchgeführt und der Bau im Herbste desselben Jahres begonnen. Die Bahn soll im Jahre 1903 fertig und dem Ver­

kehre übergeben werden. Der Bau wurde im Sommer 1898 von bei- den Endpunkten aus gleichzeitig begonnen. Bisher wurde die Strecke

') D ie zw eite E v e n tu a ltra c e fü h rt b eiläufig p a ra lle l m it d e r obigen ü b e rB o d u n e.

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Von Nikolskoje (nördlich Wladiwostok) bis zur Landesgrenze fertig­

gestellt.

Ton Tsitsikar wird ein Zweig über Mergen nach Blagowjescht- schensk am Amur, über Kirin ein anderer nach Mukden, einerseits Dach Schan-hai-kwan zum Anschlüsse an die Bahn über Taku und Tsientsin nach Peking, andererseits nach Talienwau und P o rt Arthur ausgeführt werden. Auch für diese beiden letzteren Zweige wurden die Vorarbeiten bereits in Angriff genommen.

Endlich besteht ein Project zum Baue einer Bahn von Mukden durch Korea über Söul an die Südostküste nach Fusan.

Um den Überblick über die kulturellen Verhältnisse und Vor­

bedingungen Sibiriens abzuschliessen, erübrigt uns noch, den H a n d e l , der sich längs aller dieser Verkehrslinien ab wickelt, kurz zu charak- terisiren.

Gegenstand der s i b i r i s c h e n A u s f u h r sind die Erträgnisse des Ackerbaues, der Viehzucht, der Jagd, des Fischfanges und Berg­

baues, also Getreide, Mehl, Flachs, Hanf, Häute, Talg, “Wolle, Pelz- Waaren, conservirte Fische, Gold, Silber, Salz, Graphit u. dgl. m.

Gegenstand der E i n f u h r sind Metallwaaren, Gespinste, Glas, Maschinen, Ackerbaugeräthe, Thee, Zucker, Eeis, Wein, Tabak, Modewaaren, Möbel und andere Industrieproducte, Gegenstand der D u r c h f u h r ist Thee aus China. Über die Westgrenze kommen fast ausschliesslich russische Erzeugnisse, über die Südgrenze bei Kjachta nur chinesische, über die nördliche Küste (Ob- und Jenissei- Mündung) englische und russische, über die Ostküste (Nikolajewsk, Wladiwostok) Thee aus China, dann englische, deutsche, japanische, russische und amerikanische Waaren. Mit Ausnahme der Ostküste, wo auch fremde Firmen thätig sind, liegt der Handel fast aus­

schliesslich in russischen Händen.

Der H a n d e l z w i s c h e n S i b i r i e n u n d d e m e u r o p ä i s e h e n R u s s l a n d bewegte sich vor Eröffnung der Ural-Bahn über die Wasser­

linien des Ob-Systems nach Tjumen und Turinsk, von da mittels Wagen auf dem Landwege an die Kama und von hier wieder zu “Wasser in das Gebiet der Wolga. Mit Eröffnung der U r a l - B a h n nahm die Handelsbewegung einen plötzlichen Aufschwung. Hievon zeigt sowohl die an anderer Stelle gedachte bedeutende Vermehrung der Flussflottille des Ob-Systems wie das rasch wachsende Gewicht der nach beiden Kichtungen beförderten “Waaren. Auf der Tura und dem Tobol wurden vor dem Jahre 1886 jährlich au 40.000t, 1886 49.000t, 1888 115.000t, 1890 131.000t und 1896 262.000t Güter verschifft.

D e r W a a r e n t r a n s p o r t s t i e g i n - z e h n J a h r e n d e m n a c h u m 550% . Beiläufig zwei Drittheile der die Grenze passirenden Waaren gehören der Ausfuhr aus Sibirien, ein Drittheil der Einfuhr an, woraus

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