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Theologisches Literaturblatt, 23. November 1900, Nr 47.

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Academic year: 2022

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Theologisches Literaturblatt.

Unter Mitwirkung

z a h l r e i c h e r V e r t r e t e r k i r c h l i c h e r W i s s e n s c h a f t u n d P r a x i s

herausgegeben yon

Prof. D. Chr. E. Luthardt.

Erscheint jeden F reitag. Expedition: Königsstrasse 13.

Abonnementspreis vierteljährlich 2 Ji. 5 0 |/^ . Insertionsgebühr pr. gesp. Petitzeile 30 /^.

Zur Beformationsgeschichte. I I .

Kennedy, James Houghton, T h e second and third

Epistles of St. Paul to the Corinthians; with some proofs of their independenee and mutual relation.

Hoensbroecli, G raf von, Das Papstthum in seiner

sozial-kult urellen W irksam kei t.

Ep pler, Paul, Geschichte der Basler Mission 1815

bis 1899.

W einei, Lic. Dr., Paulus als kirchlicher Organi­

sator.

Windelband, W ilhelm , Platon.

Neueste theologische Literatur.

Zeitschriften.

Verschiedenes.

Eingesandte Literatur.

Zur Reformationsgeschichte.

i i .

Unter den Gegnern L uther’s nimmt Herzog Georg von Sachsen unser Interesse in besonderem Masse in Anspruch, nicht nur deshalb,, weil er zu den eifrigsten Bekämpfern des Evangeliums g ehörte, sondern vor allem darum , weil er keineswegs ein blinder Anhänger des Papstthums w ar, viel­

mehr eine Reformation der Kirche auf das ernsteste forderte.

Man hat schon öfter die Ansicht ausgesprochen, dieser ehrliche Gegner würde noch für die evangelische Lehre zu gewinnen gewesen sein, wenn er nur nicht von Luther so rücksichtslos behandelt worden wäre. Ueber die Berechtigung dieser An­

sicht wird man nicht eher klar urtheilen können, als bis man noch mehr von Einzelheiten über den Charakter und die Religiosität Georg’s weiss. Eine Biographie von ihm fehlt noch.

Felician (nicht aber Felix, wie Dibelius in Herzog-Hauck VI, S. 529 schreibt) Gess h at eine solche versprochen, bisher aber nur einige Einzelatudien dazu veröffentlicht. Zunächst ist noch eine andere A rbeit über denselben Gegenstand erschienen:

G e o r g d e r B ä r t i g e , Herzog von Sachsen. Sein Leben und W irken. Ein B eitrag zur deutschen Reformationsgeschichte von H e in r ic h F r e i h e r r n v o n W e lc k . Mit dem P o rtrait des Herzogs (Braunschweig 1900, R. Sattler, 196 S. 8). Dieses Buch erhält besonderen W erth dadurch, dass das Dresdener Archiv fleissig benutzt worden ist. Dadurch wird auch manches schon Bekannte in neue Beleuchtung gerückt. Vollständigkeit ist freilich noch nicht erzielt. Auch solches, was schon durch andere bekannt gemacht ist, wird unerwähnt gelassen. So vermissen wir, was Cyr. Spangenberg (Adel’s Spiegel I, 8, 3) von dem Lobe erzählt, das Georg der Schrift L uther’s „Ob Kriegsleute auch in seligem Stande sein können“ zollte, als er nicht wusste, dass Luther der Verfasser sei: „Dies Buch ist ja so gut und besser, denn es der Luder nimmermehr machen könnte“. Ebenso ist das Verfahren des Herzogs gegen das Erscheinen von Luther’s Schrift „W ider den Rathschlag der Mainzischen Pfafferei“ nicht dargestellt, obwohl die einzig übrig gebliebenen Zeugen dieser Schrift gerade im Dresdener Archiv aufbew ahrt werden (vgl. W eimarer Lutherausgabe Bd. 19, S. 252 ff.). Auch finden sich manche ungenaue An­

gaben. So wird S. 62 f. gesagt: „Aus dem Jahre 1525 ver­

öffentlicht Seckendorff II. 39 hist. Luth. einen sehr wohlwollenden Brief des Herzogs an L uther“, und in einer Anmerkung wird aus dem Briefe ein Satz in lateinischer Sprache mitgetheilt.

Und freilich schrieb Seckendorff lateinisch, des Herzogs Brief w ar aber deutsch abgefasst. Und nicht Seckendorff hatte den B rief „veröffentlicht“, sondern er wurde schon 1526 in einer Reihe von Ausgaben (deutsch) gedruckt. Und der Brief ist so wenig „wohlwollend“, dass es z. B. darin heisst, Gott könne den Luther ebenso strafen, wie er den Münzer gestraft habe, und er, Georg, wolle das sehr gern ausführen (Enders L uther’s Briefwechsel 5, 291). Oder S. 150 wird Anm. 1 ein Z itat aus Luther so gegeben, dass nur sehr wenige Leser im Stande sind, zu errathen, was für eine Ausgabe seiner Werke gemeint ist, während doch bei Enders dieser ganze Brief­

wechsel vorliegt. S. 64 sind die Angaben über die epistolae obscurorum virorum unrichtig, S. 67 ist das über des Camerius’

Namen Gesagte ungenau, S. 66 dürfte Georg’s „Abneigung gegen das scholastische System“ nicht zutreffend erklärt sein, S. 68 ist 1467 als Geburtsjahr des Erasmus wohl sicher un- richtig, S. 164 Anm. 1 ist „siehe Seite 2 1 5 “ falsch, v e r m u t­

lich muss es „S. 1 6 8 “ heissen, etc. W ährend Ref. sich hin­

sichtlich der Gesammtauffassung, auch hinsichtlich der Einzel­

fragen, mit dem Verf. einig weiss, scheint ihm doch Herzog Georg hin und wieder zu günstig beurtheilt zu sein. So w ird wiederholt darauf hingewiesen, dass Luther sich „Schmähungen der gröbsten A rt“ gegen den Herzog erlaubt habe. Aber dann erforderte doch die Gerechtigkeit, auch mitzutheilen, was für eine Sprache der Herzog Luthern gegenüber nicht gescheut hat. W ir glauben, dass auch ein völlig unparteiischer Richter den höheren Preis für grobes Schimpfen nicht Luther, sondern dessen fürstlichem Gegner zuerkennen wird. Dass dieser aber gerade dann so masslos redete, wenn er unter falschem Namen schrieb, ist doch auch nicht ein edler Charakterzug.

Oder sollten dem Verf. solche Elaborate des Herzogs, wie sie in der 2. Aufl. der E rlanger Lutherausgabe Bd. 25, S. 88 ff.

u. 129 ff. wieder abgedruckt sind, unbekannt geblieben sein?

D ort heisst es u. a . : „Du unruhiger, treuloser und meineidiger Kuttenbube“ , „aus deiner mönchkuttischen Bosheit, auch apostatischen H offart“, „du Lasterm ann“, „verfluchter Apostat“,

„mit deinem wüthigen aufgespreizten W olfsrachen“ , „du deklarirter Mameluck und verdammter Zwiedarm, derer gelten neun einen Pikharden“, „du bist der allerunverständigste Bachant und zeheneckichte Cornut und Bestia, auch der grösste und gröbste Esel in der H aut drinnen, den der Erdboden bisher je getragen h a t“, „der geheinnige Erzesel“, „mein Doktor E rzesel“, „du Saubotze“, „du meineidiger, treuloser und ehrenloser Fleischbösewicht“, „Doktor Eselsohr“, „Doktor Schandluther“, „der ausgelaufenen Mönche und Nonnen Huren- w irth“ etc. W ichtig war dem Referenten, zu erfahren, dass der Herzog „seine Liebe zu Gottes W ort auch durch selbst­

verfasste Gebete und Predigten bewiesen h a t“ , und dass wenigstens eine solche P redigt noch in Dresden aufbewahrt wird. Leider wird über den Inhalt, über die „Theologie“

dieser asketischen L iteratur nichts gesagt. Und doch würde vielleicht gerade hieraus der Charakter der Frömmigkeit Georg’s näher zu bestimmen und so die F rag e, ob bei ihm unter anderen Umständen eine Gewinnung für das Evangelium von der Glaubensgerechtigkeit zu erwarten gewesen wäre, zu beantworten sein. So lange aber noch nicht eine absolut voll­

ständige Biographie vorliegt, wird man mit Freude und Ge­

winn die vorliegende Arbeit benutzen. Ihre Ausstattung ist eine hervorragend gute.

Das Leben eines anderen Gegners L uther’s ist von katho­

lischer Seite bearbeitet worden: P a t e r A u g u s tin von

A lf e ld (f um 1532). Ein Franziskaner aus den ersten Jahren

der Glaubensspaltung in Deutschland. Von P, L e o n h a r d

L e m m e n s, P riester des Franziskanerordens. [Erläuterungen

und Ergänzungen zu Janssen’s Geschichte des deutschen Volkes.

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Herausgegeben von Ludwig Pastor, I. Bd., 4. Heft,] (Frei- bnrg i. B. 1899, H erder; 108 S. 8. 1,60 Mk.) Diese Biographie ist m it jenem erfreulichen Fleisse ausgearbeitet, welcher auch dem mit demselben Gegenstände vertrauten Forscher unmöglich m acht, hinsichtlich des Stoffes wichtige Ergänzungen zu liefern. Bei dem „Verzeichniss der Schriften Alfelds“ würde eine W iedergabe der Abbreviaturen und durch­

gehende Angabe der Zeilenschlüsse erwünscht gewesen sein, um die Anzahl der verschiedenen Ausgaben ganz sicher fest­

stellen zu können. Bei der sechsten Schrift (T ractatus de communione) verstehe ich manche grossen Anfangsbuchstaben nicht, die mir bekannte Ausgabe (in Wolfenbüttel auf bewahrt) weicht davon ab. Verf. h at auch die einschlägigen Schriften Luther’s, einzelne sogar im Originaldrucke, studirt, auch schon die W eimarer Ausgabe benutzt, um die darin über Luther und über Alveld gefällten Urtheile zu widerlegen. Und wer wollte ihm, dem Ordensbruder des von Luther so respektlos behandelten Streiters für die apostolica sedes, es übelnehmen, dass er stets nachzuweisen sucht, wie das Gute bei Alveld, das Schlechte bei Luther zu finden sei! Nach diesem Kanon w ählt er aus, was er aus ihren Schriften mittheilen will, und danach urtheilt er über daB Einzelne. Als Referent diese unermüdlichen Rechtfertigungen und Lobeserhebungen des von L uther „der Papierschänder zu Leipzig“ genannten Polemikers las, suchte er mit Spannung danach, ob Verf. auch die Thesen mittheilen werde, welche Alveld im Januar 1522 in Weimar vertheidigt h a t, deren zweite lautet: Vitam in Fratrum Minorum communitate agere est apostolicum et iure prorsus divino, afferre contrarium est acta negare apostolica et in evangelium spuere et in Spiritum Sanctum blasphemare. Und in der T hat druckt Lemmens sie in einer Anmerkung ab.

Aber er fügt ganz einfach hinzu: „Der W ortlaut ist verdächtig und vielleicht geändert“, ohne natürlich für diese Behauptung auch nur den leisesten Beweis zu kennen. Andere allzu starken Aeusserungen Alveld’s weiss Verf. so zu wenden oder zurechtzustellen, dass sie recht unschuldig ausfallen. So soll Alveld an die Spitze seines T ractatus de communione den Satz gestellt haben: „Christus h at weder bestimmt, dass die Gläubigen unter b e id e n Gestalten, noch dass sie unter e in e r Gestalt das heilige Sakrament der Eucharistie empfangen sollen, er h at über die Weise des Empfanges nichts verordnet, sondern diese der vom Heiligen Geiste geleiteten Kirche überlassen“ . In W irklichkeit aber stellt Alveld die ungeheuerliche Be­

hauptung auf, Christus habe g ar kein Abendmahl eingesetzt, sondern nur eine Messe. Denn g e b o te n habe er nur, die P riester sollten zu seinem Gedächtniss dasselbe thun, was er gethan habe: Wie er selbst das Brot in seinen Leib und den W ein in sein Blut k o n s e k r i r t habe, so sollten auch sie konsekriren. Oder es wird als Gedanke Alveld’s berichtet:

„Als Christus in der Synagoge zu Kapharnaum ausführlich über das heilige Sakrament redete, sprach er nur vom Genüsse des Brotes, den Wein nennt er mit keinem W orte“ . Wieviel mehr aber beweist Alveld in W irklichkeit! E r führt aus, wer zu Christo komme, „d. h. zu der Gestalt des Brotes, wo ich nach der Konsekration verborgen bin, der wird nicht d ü r s t e n in Ewigkeit. W as ist heller als diese W orte?

Du hörst von dem Genuss unter der Gestalt des B r o te s und von dem T r a n k unter derselben Gestalt. Was streitest du noch?“ E r legt weiter dar: „Die Juden hielten es für un­

möglich, dass der ganze und vollständige Christus unter der G estalt des Brotes sowohl Speise als T rank wäre, dass unter dem B rot auch sein Fleisch gegessen und sein Blut getrunken würde und doch Christus ganz bliebe. Um d e s w ille n er­

schien ihnen Christi Rede h a r t“. Nicht vertheidigt wird Alveld von seinem Biographen nur dann, wenn er etwa von Bellarmin direkt abweicht, z. B. S. 43 u. 51. Denn Bellarmin ist hinsichtlich der Dogmatik, Janssen-Pastor hinsichtlich der Geschichte A utorität. Der Ton dieser Schrift aber ist ein sehr ruhiger, auch die gegen L uther erhobenen Vorwürfe sind in durchaus anständiger Form gegeben, sodass schon eine so nnschuldige W endung auflfällt wie: „Luther gibt auch hier seiner manichäistischen Auffassung unverblümten Ausdruck“.

Vor kurzem starb C. A. Cornelius in München. Von einem Schlaganfall getroffen hatte er schon einige Zeit vorher seine

Forscherarbeit einstellen müssen. Als er erkannte, dass „das Ziel seiner W ünsche“ , die Vollendung seiner langjährigen Studien über Calvin, unerreichbar geworden sei, stellte er eine Auswahl seiner früheren Arbeiten zusammen, „um sie als Abschiedsgruss an seine Freunde hinauszusenden“ , „die Trümmer, die den W eg zu dem unerreichten Ziel seiner Wünsche bezeichnen“, wie er schrieb. Diese Sammlung trä g t den T itel: H i s t o r i s c h e A r b e i t e n vornehmlich zur Refor­

mationszeit. Von C. A. C o r n e liu s (Leipzig 1899, Duncker &

Humblot; X , 628 S. gr. 8. 13 Mk.). Sie enthält zuerst Beiträge zur Reformation von Münster und zw ar „Die Münsterischen Humanisten und ihr Verhältniss zur Reformation“ , sodann „Die Niederländischen W iedertäufer während der Be­

lagerung Münsters 1534— 1535“, endlich unter der Bezeichnung

„zur Geschichte der Münsterischen W iedertäufer“ vier Auf­

sätze, die Cornelius für die Allg. Deutsche Biographie ge­

arbeitet hat. Den wichtigsten Theil dieses Buches bilden die dann folgenden Artikel zur Geschichte Calvin’s , über 450 Seiten einnehmend. Hiervon waren schon früher gedruckt:

„D er Besuch Calvin’s bei der Herzogin Renata von F e rrara im Jahre 1536“ , „Die Verbannung Calvin’s aus Genf im Jahre 1538“ , „Die Rückkehr Calvin’s aus Genf“ , „Die Gründung der Calvinischen Kirchenverfassung in Genf 1541“,

„Die ersten Jahre der Kirche Calvin’s 1541— 1546“. Der letzte dieser Aufsätze dagegen, „Calvin und Perrin 1546— 1 548“, liegt hier zum ersten Male gedruckt vor. Es folgen die Festrede der Münchener Akademie vom Jahre 1862: „Ueber die deutschen Einheitsbestrebungen im 16. Jah rh u n d ert“, einige „kirchenpolitische“ d. h. zum Kampf gegen die Dog- matisirung der päpstlichen Unfehlbarkeit gehörende Aufsätze, die Gedächtnissrede auf Döllinger und fünf biographische A rtikel resp. Nekrologe. Ueber das Verhältniss von Cornelius zu der grossen Calvinbiographie von Kampschulte erfahren w ir aus dem Vorwort dieser Sammlung, dass, als Kampschulte nach Herausgabe seines ersten Bandes (erschienen 1869) starb, die handschriftliche Fortsetzung seines W erkes dem Freunde Cornelius zu unbedingter Verfügung überwiesen wurde. Dieser setzte zunächst seine Quellenforschungen fo rt, auch regele massig die Archive zu Bern und zu Genf besuchend. Als ihm aber klar wurde, dass er diese Arbeit nicht zu Ende führen könne, übergab er seines und seines Freundes Papiere an W alter Goetz, damit dieser das W erk über Calvin heraus­

gebe. So konnte 1899 der II. Band von Kampschulte’s „Johann Calvin, seine Kirche und sein S taat in G enf“ erscheinen.

Aber dadurch werden die Arbeiten von Cornelius über Calvin mit ihrer reichen Mittheilung aus den Akten und in ihrer edlen Darstellungsweise nicht ihre Bedeutung verlieren.

Nicht sowohl neue Forschungen bieten, als vielmehr zwei berühmte Burgen, in denen Luther längere Zeit geweilt hat, in ihrer Bedeutung für ihn schildern will die Schrift: D ie B e z ie h u n g e n D r. M a r t i n L u t h e r ’s z u r W a r t b u r g u n d K o b u r g . V ortrag, gehalten in der Vereinigung zur Erhaltung deutscher Burgen von D r. J o h a n n e s L u t h e r . Mit zwei Bildnissen in Kupferätzung und acht Abbildungen im Text (Berlin 1900, Wilh. E rn st Sohn; 14 S. hoch 4. 3 Mk.).

Die Bildnisse sind das ausgezeichnet reproduzirte P o rtrait Luther’s, das Cranach 1529 anfertigte, und das seiner Käthe.

Drei Abbildungen beziehen sich auf die W artburg, die übrigen auf die Feste Koburg. Liebhaber derartiger W erke werden nicht nur an diesen Illustrationen, sondern auch an dem sach­

kundigen und in angenehmer Form gegebenen Vor trage Freude haben.

Auf das Gebiet der Dogmen geschieh te führt uns die Schrift:

J ä g e r , K arl, L u t h e r ’s r e l i g i ö s e s I n t e r e s s e a n s e i n e r L e h r e von d e r R e a lp r ä s e n z . Eine historisch-dogmatische Studie (Giessen 1900, Ricker; 92 S. 8. 2 Mk.). Verf. müht sich wieder mit der F rag e, die schon so viele, welche «ich nicht in L uther’s Abendmahlslehre finden konnten, beschäftigt h a t: W ie konnte ein sonst recht kluger und vernünftiger Mensch wie L uther „mit einer fast an Fanatismus streifenden Zähigkeit“ für die wirkliche Gegenwart des Leibes und Blutes Christi im Abendmahl kämpfen, wenn doch uns, die wir eben­

falls recht klug sind, an dieser Realpräsenz durchaus nichts

gelegen is t, ja diese Lehre einfach ungeheuerlich erscheint?

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Die Einen haben geantwortet, im Grunde sei es sein grösser Eigensinn gewesen, der ihn den klaren Gegengründen seiner Gegner nicht weichen liess. Andere haben gemeint, er habe als katholischer Priester zu oft „mit Schaudern der E hrfurcht“

die Messe zelebrirt, als dass er im Stande gewesen wäre, seiner späteren Erkenntniss konsequent Kaum zu geben und in dem Abendmahl nichts als ein Erinnerungsmahl zu feiern.

Heute dagegen preist man in gewissen Kreisen Luther zu sehr als den „religiösen Heros“ oder als den „Virtuosen der R eligiosität“ , um diese Erklärungsversuche als genügend gelten lassen zu können. So nimmt der Verf. an, L uther werde auch zu jener unglücklichen Lehre durch ein „religiöses Interesse“

getrieben worden sein. E r sucht zu eruiren, welches dieses ist, und zu bestimmen, wie weit dasselbe berechtigt ist, um endlich zu zeigen, dass auch bei Preisgabe der Eealpräsenz und bei einer ganz anderen Abendmahlslehre dem religiösen Interesse sein volles Eecht werde. E r folgt also Ad. Harnack, K aftan, H. Schultz (Zur Lehre vom Abendmahl). Ganz zweck­

mässig zerlegt Verf. seine Untersuchungen in drei Theile. In dem ersten behandelt er Luther’s Lehre vom Abendmahl, wie er sie in den ersten Jahren des Kampfes gegen Rom vor­

getragen h a t; in dem zweiten den gegen „die Schwärmer“

geführten Abendmahlsstreit; in dem dritten hebt er Luther’s christologisches Interesse hervor. Das Gesammtresultat ist, dass wir mit dem offenen Verzicht auf die Lehre von der Realpräsenz die wahrhaft evangelischen Interessen des Refor­

mators nicht verkümmern oder g ar vergewaltigen, sondern durch eine andere Deutung der Elemente den Gedanken L uther’s einen richtigeren theologischen Ausdruck verleihen können, als dies ihm selbst unter den geschichtlichen Be­

dingungen, unter denen er stand, möglich war. F ra g t man aber, was denn aus dem Abendmahl gemacht werden soll, so wird die von H. Schultz vorgetragene Auffassung als „Korrektur der Lehre L uther’s “ empfohlen. Verf. ist so kühn, anzu­

nehmen, dass wenn „diese Auffassung“ überhaupt in den Ge­

sichtskreis der streitenden Parteien [Luther’s und derReformirten]

getreten wäre, sich vielleicht eine beide Theile befriedigende Verständigung hätte erzielen lassen. Nach dem, was Referent von L uther kennt, muss er annehmen, dass L uther diese Konstruktion der Bedeutung des Abendmahls „bis in Abgrund der Hölle verdammt“ hätte. Ob er sie ganz hätte verstehen können, wissen wir nicht, da wir nicht von unserem Vermögen auf das seine zurückschliessen dürfen. Denn uns bleibt es ein wenig dunkel, wenn es heisst: „Nicht als Substanzen sind Leib und Blut zu fassen, sondern als g e i s t i g - g e s c h i c h t ­ lic h e R e a l i t ä t e n , die in der Feier und für die Feiernden unter Brot und Wein vorhanden sind, die geistig fortwirken und geistig mitgetheilt werden. In der sakramentalen H a n d ­ lu n g , die durch die Einsetzungsworte die nothwendige E r­

läuterung erh ält, wird uns in zw ar symbolischer, aber doch realer Weise der am Kreuz gebrochene Leib und das ver­

gossene Blut dargestellt, und durch den G e n u s s der geweihten Elemente werden wir in besonders enge Beziehung zum Kreuzestod und seinen Früchten gesetzt“. Jedenfalls ist soviel klar, wie Verf. es auch ausdrückt: „Nicht was die Elemente s in d , sondern was mit ihnen v o rg e n o m m e n w ir d , ist die Hauptsache. Das Brot, das g e b r o c h e n wird, und der Wein, der in den Kelch g e s c h ü t t e t wird, stellen uns dar . . Und diese Deutung ist bekanntlich von Luther mit so bitterem Spott überströmt worden, dass man angesichts der Idee, sie würde ihn wohl „befriedigt“ haben, fragen möchte, ob denn seine Sprache noch nicht „masslos“ genug gewesen sei. Verf.

tadelt natürlich nach Harnack an Luther vor allem, dass er

„die Schrift zum Gesetz des Buchstabens“ gemacht, „die be­

dingungslose A utorität der Schrift“ gelehrt und damit „die freie Ueberzeugung des Menschen vergew altigt“ habe. W ir aber sind der Meinung, dass auch der Verf. von diesem Fehler sich noch nicht ganz emanzipirt hat. Denn wenn er wirklich den Muth besässe, „die einzelnen Aussagen der Schrift n i c h t ohne weiteres als Offenbarungsinhalt und deshalb als mass­

gebend für den Theologen anzusehen“, so würde er die Abend­

mahlsfeier einfach ganz verwerfen müssen. Denn wenn nicht die biblischen Aussagen über das Abendmahl vorlägen, so würde weder er noch jemand anders jemals auf eine solche

Feier verfallen sein. Diese W eise, die Aussagen der Bibel als massgebend anzusehen und sie dann nach dem subjektiven Geschmack zu ändern (von „Schütten“ des Weines sagt z. B.

die Schrift nichts), ist eine unhaltbare Halbheit. Uns hat das Studium dieser Untersuchungen in der Ueberzeugung be­

stärkt, dass es kein Drittes geben kann, dass man entweder wie Luther über das Abendmahl denken oder aber es abthun muss. Auf die mancherlei schiefen Auffassungen der Aussagen L uther’s gehen wir nicht näher ein, da sie aus der dogmatischen Stellung und aus der Tendenz des Verf.s wie von selbst sich ergeben. Auf solchem Standpunkte k a n n man Luther nicht mehr verstehen. ________________ Wilh. Walther.

K e n n e d y , James Houghton, D. D., Assistant Lecturer in Divinity in the University of Dublin etc. etc., T h e se c o n d a n d th ir d E p is tle s o f St. P a u l to th e C o rin th ia n s ; w ith so m e p ro o fs o f th e ir in d e p e n d e n e e a n d m u tu a l re la tio n . London 1900, Methuen & Co. (XXVIII, 202 pp. 8).

Die Theilungshypothese in Bezug auf 2 Kor., welche der Verf. hier vorlegt und durch Beigabe des griechischen und des englischen W ortlautes der beiden von ihm angenommenen Episteln (nämlich eines vorne unvollständig erhaltenen zweiten Korintherbriefes, bestehend aus 2 Kor. 10— 13, und eines dritten Korintherbriefes, bestehend aus den neun ersten Kapiteln unseres kanonischen zweiten Briefes, und seines ursprünglichen Schlusses ermangelnd) anschaulich und plausibel zu machen sucht (s. p. 163— 202), berührt sich theilweise mit dem, was deutsche Vorgänger während der letzten drei Jahrzehnte an ähnlichen Hypothesen aufgestellt haben. Sie zeigt aber gegen­

über denselben auch manches Eigenthümliche. Ih r Unterschied von H a u s r a t h ’s Annahme eines „Vierkapitelbriefes Pauli an die K orinther“ (1870) besteht darin, dass sie den Gedanken des Heidelberger Gelehrten: die Kapitel 2 Kor. 10— 13 seien ein weder vorn noch hinten defektes Schreiben des Apostels, das einen Anhang zu einem Sendschreiben der ephesischen Gemeinde nach Korinth gebildet habe, als unannehmbar zurück­

weist. Auch mit den Argumenten, womit S c h m ie d e l (im Handkomm. z. N. T., II, 1893), D r e s c h e r (Th. Stud. u. K rit.

1897, I) und K. K ö n ig (Zeitschr. f. wissensch. Theol. 1897, III), die Lostrennung der Kap. 10— 13 vom vorderen Theil des Briefes als nöthig zu erweisen suchten, deckt sich das Raisonnemeht Kennedy’s nur theilweise; und der Versuch L is c o ’s (1896), die Theilungshypothese mittels eines künst­

lichen Zerstückelungsverfahrens (betreffs sowohl der vorderen wie der Schlusspartie des Briefes) annehmbarer zu gestalten, scheint ihm — wie andererseits auch T h . Z a h n ’s gewicht­

volles Plaidoyer für die Einheit und Integ rität des Schreibens (Einl. ins N. T., I, § 19 u. 20) — ganz unbekannt geblieben zu sein. Der Grundgedanke seiner Ausführungen: jene beiden Brieffragmente 10— 13 und 1— 8 (wovon jenem der ursprüng­

liche Anfang, letzterem der ursprüngliche Schluss abhanden gekommen sei) seien wohl in nachpaulinischer Zeit — etwa damals, als zu Clemens Romanus’ Zeit Abgesandte der Römer­

gemeinde in Korinth verweilten (s. Clem. 1 Kor. 65) — von einem Glied der korinthischen Gemeinde aus der Vergessenheit hervorgeholt und auf ungeschickte Weise zu einem scheinbaren Ganzen zusammengesetzt worden (s. p. 157 ff ), hat wenig Ge­

winnendes. F ü r eine derartige Zusammenschweissung dispavater Urkundenbruchstücke zu einem Scheinganzen mögen sich P aralle­

len aus anderen L iteraturen vielleicht beibringen lassen (s. die von Kennedy am Schlüsse seiner Vorrede p. XXVI f. angeführten Beispiele); aber mehr als eine entfernte Möglichkeit, dass zweien einst nach Korinth gerichtet gewesenen Schreiben Pauli ein solches Missgeschick zugestossen sein könne, würde damit nicht dargethan werden. Die Hauptschwierigkeit für eine derartige Hypothese bleibt immer das Fehlen jeder Spur von alten Nachrichten über das einstige getrennte Existiren der betreffenden Schriftstücke! Und mittels der an sich höchst un­

wahrscheinlichen Annahme, dass beide Urkunden längere Zeit in verstümmeltem Zustand — die eine kopflos, die andere ohne Schluss — , existirt haben sollten, wird diese Schwierig­

keit nicht verringert, sondern nur noch gesteigert.

Zö ekler.

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H o e n sb ro e c h , G raf von, D as P a p s tth u m in s e in e r s o z ia l­

k u ltu r e lle n W irk s a m k e it. E rster Band: Inquisition, Aberglaube, Teufelsspuk und Hexenwahn. Leipzig 1900, Breitkopf & H ärtel (L, 683 S. gr. 8). 12 Mk.

Seinem Angriffe auf den Ultramontanismus als ein „un­

christliches politisches Machtsystem“ (s. d. Anzeige im Jahrg.

1897, S. 6 2 5 f. d. Bl.) lässt der in Steglitz bei Berlin lebende Verf. hier einen noch schärfer polemisirenden Angriff auf das Oberhaupt dieses Machtsystems folgen. E r kleidet diesen neuen Angriff in das Gewand einer historischen Darstellung, ohne die Kampfessteliung, die er auch als H istoriker einhält, abzuleugnen. „Gerade der Geschichtschreiber“ , erklärt er (Vorw. S. VIII), „ist ein Diener der W ahrheit, ein S t r e i t e r für die W ahrheit“. Demgemäss verschmäht er es denn, bei seinen Mittheilungen aus der Geschichte des Papstthums nach einer „über allen W elten thronenden olympischen Ruhe“ zu trachten, begegnet vielmehr den vielerlei Geschichtsentstellungen der päpstlichen Tradition mit der Schärfe einer „wahrhaft schneidenden Polemik“ und macht da, wo er die Verderbnisse des päpstlichen Systems darzulegen hat, aus seiner E ntrüstung kein Hehl. Das polemische Moment w altet überall vor, dem historischen Interesse will er nur nebenbei dienen. Schon der Gesammtplan seiner Arbeit gibt dies zu erkennen. Nicht mit den vom Papstthum in älterer Zeit ausgegangenen vergleichs­

weise oder wenigstens theilweise wohlthätigen W irkungen auf allgemeinsittlichem Gebiete hebt er seine Darstellung an, sondern mit den dunkelsten Partien seiner Geschichte. Da­

rüber, dass das Papstthum früherhin, solange sein Selbstver­

götterungsstreben noch weniger stark h e rv o rtra t, auch als kulturfördernde Macht sich bethätigt hat, sollen die Leser wohl erst durch Bd. II des Werkes („Einfluss des Papstthums auf die Sittlichkeit, Familie, Ehe, Sklaverei etc.“) Belehrung em­

pfangen. Im vorliegenden Bande sind es gerade die finstersten und abstossendsten Partien der päpstlichen Gesammtentwickelung, womit der Verf. sich beschäftigt. E r verlässt dabei im All­

gemeinen nicht den Boden des geschichtlich Thatsächlichen.

Aber die A rt, wie er seine Mittheilungen über die behandelten drei Gebiete (Papstthum und Inquisition S. 14— 201; P apst­

thum und Aberglaube S. 202— 373; Papstthum und Hexen- Unwesen S. 374— 587) aneinanderreiht, ist eine schonungslose.

Sie ist schonungslos für den bekämpften Gegner, dem kaum irgend etwas von entschuldigenden Momenten zugebilligt wird, aber auch schonungslos .für den Leser, dem während des Durchwatens dieser dunklen F lu t von Schmutz und Greueln kein Moment der Ruhe verbleibt. Der Verf. w i l l mit seiner D arstellung eher abstossend als anziehend wirken. E r ver­

schmäht es, derselben irgendwelchen Schmuck zu verleihen.

Aus der enorm stoffreichen „Materialsammlung“ , die er vor den Augen seiner Leser ausbreitet, glatte und künstlerisch vollendete Geschichtsbilder zu formen, überlässt er anderen (S. X).

Auch um die Darbietung neuer, aus bisher ungedruckten Quellen geschöpfter Materialien ist es ihm nicht zu thun.

Vielmehr will er die schon von anderen vor ihm aus Urkunden des M ittelalters wie der neueren Zeit erhobenen Belege für des Papstthum s schützende und fördernde Einwirkung auf Inquisition, Hexenwahn und damit zusammenhängenden Aber­

glauben in möglichster Vollständigkeit vorführen und — dies gehört zu den hauptsächlich von ihm festgehaltenen Gesichts­

punkten — als dem P a p s t t h u m w i r k l i c h z u r L a s t f a l l e n d gegenüber ultramontan-schönfärberischer Darstellung erweisen. Demgemäss richten sich seine Ausführungen vor allem gegen die moderne, päpstlich approbirte Geschichtsdar­

stellung des H ergenröther, Janssen, Pastor etc. An ihnen w ird namentlich die bekannte Praxis des Verschweigens gra- virender Thatsachen und des einseitigen Hervorkehrens nur der Glanzseiten der Papstkirche gerügt. Die üblen Nach­

wirkungen, welche die auf solche Weise verursachten tenden­

ziösen Fälschungen der Geschichte im Kreise der dii minorum gentium, d. h. der Scribenten vom Schlage der Majunke, Diefenbach, Sauter, Hammerstein etc. zu Tage fördern, werden mit treffend gewählten Beispielen belegt (s. bes. S. 160 f. und 611 ff.). Besonders auch gegen solche Geschichtslügen des Ultramontanismus, wie: die spanische Inquisition sei „ein rein

staatliches, obendrein von der katholischen Kirche missbilligtes In stitu t“ gewesen (so ungefähr der preussische Zentrumsredner F reiherr v. Loe in seiner Rede vom 2. März 1896; vgl. S. 77), oder: die Schuld an den grausamen Ketzerverfolgungen in Oberitalien und Deutschland seit ca. 1230 trage allein Kaiser Friedrich II. und nicht auch Papst Gregor IX. und dessen Nachfolger (s. S. 166 f.); oder: mit der bei Auslieferung der Ketzer ans brachium saeculare ausgesprochenen „B itte um Schonung von deren Leben“ hätten die Päpste ernstlich die Tödtung derselben verhindern gewollt (S. 176 ff.), oder: in Rom selbst hätten niemals Ketzer- oder Hexen Verbrennungen s ta tt­

gefunden (s. dagegen S. 493— 495) u. dgl. m. richtet sich des Verf.s Darstellung. W as von ihm gegenüber diesen und ähn­

lichen Geschichtsentstellungen jeweilig ausgefiihrt w ird, ist jedenfalls für weitere Kreise von wohlthätig belehrender W ir­

kung und w ird, wegen der Reichhaltigkeit des zusammen­

gestellten M aterials, auch dem Kundigen willkommen sein.

Man vergleiche besonders noch die gelegentliche (vielleicht nicht immer ganz ausreichend begründete) Inschutznahme der Llorente- schen Inquisitionsgeschichte gegenüber Hefele, besonders S. 131 f., 140, 14 7 f.; die interessante Mittheilung über des päpstlichen H ausprälaten Felix Cadene Lobpreisung ketzer­

verbrennender Aebte der spanischen Inquisition im Jahrgang 1895 der römischen Analecta ecclesiastica (S. 150f.); die ge­

schickte A rt, wie gegenüber der Schweigekunst und Schön­

färberei der Hergenröther, Pastor etc. widerlegende Zeugnisse aus der Feder anderer ultramontaner Schriftsteller beigebracht werden (z. B. S. 74 das des Jesuiten Blötzer gegenüber jener Leugnung des zugleich kirchlichen Charakters von Spaniens Staatsinqnisition; S. 168 und 174 die Zeugnisse des französi­

schen Juristen Tanon, des Bonner Theologen Felten und des österreichischen Historikers Ficker gegen gewisse beschönigende Hinwegdeutungen der Thatsache, dass das kirchliche Inqui­

sitionsverfahren wirklich Tödtung der Ketzer bezweckte;

S. 194 das Zugeständniss des Jesuiten G risar: jene kirchliche Bitte um Schonung der Häretiker sei nur eine „Form alität“

gewesen; S. 198 das Znge8tändniBS des britischen Oratorianers Th. F . Knox (1882) betreffend die wahrscheinliche Mitschuld des Papstes Pius V. an den gegen das Leben Elisabeth’s von England gerichteten Mordanschlägen. — Auch manche der am wenigsten angenehm lesbaren P artien des W erkes mögen immer­

hin insofern willkommen zu heissen sein, als sie im Gegensatz zu ultramontaner Ableugnung die geschichtliche W ahrheit nachdrücklich hervorzukehren dienen. Es gehört dahin die auf S 384 — 421 gegebene Inhaltsangabe vom Sprenger- Kräm er’schen Hexenhammer sammt den begleitenden Zugaben (Kölner Universitäts-Approbation und Nider’s Form icarius ); sie ist der in Roskoff’s „Geschichte des Teufels“ (II, 227— 292) enthaltenen wenn nicht an Ausführlichkeit, doch an Genauig­

keit in Hervorhebung einzelner Punkte noch überlegen. Auch die am Schlüsse (S. 632— 651) in Regestenform gebotene „Zu­

sammenstellung päpstlicher Kundgebungen für Inquisition und Hexenwahn“ gew ährt manchen Nutzen. W as ihr als sonstiger Inhalt des IV. Buches (überschrieben: „Die Verantwortlichkeit des Papstthum s“, S. 5 8 8 ff.) vorhergeht, leidet z. Th, an über­

mässiger Breite und h ätte, soweit es sich um reproduzirende Zusammenfassung von früher Dargelegtem handelte, viel knapper gefasst werden können. Eine Neigung zu wörtlichem W ieder­

holen von bereits Dagewesenem lässt des Verf.s Darstellung auch in den drei ersten Büchern verschiedentlich zu Tage treten; vergleiche z. B. S. 71 und 149 (Sixtus’ V. Bulle Immensa D ei), S. 121 und 212 (Gregor’s IX. Bulle Vox in Rama ); S. 162 und 492 (Jos. Görres über die Inquisition als von den Päpsten angestiftet). Von allerlei Versehen betreffs historischer Details ist das überaus stoffreiche W erk selbstver­

ständlich nicht frei geblieben. Die Angabe auf S. 262, wo­

nach Gregor VII. in Canossa zwischen sich und Heinrich IV.

ein Gottesurtbeil, bestehend im Iudicium offae, hätte ent­

scheiden lassen, ist veraltet und k a n n , nach der von der go~

sammten neueren Gregorforschung (Mirbt, Martens, Hauck etc.) an dem betreffenden Berichte Lambert’s geübten K ritik, nicht mehr gehalten werden. Dass Bartholomäus Spina seine Quaestio de strigibus schon als Inhaber der W ürde eines Magister

b . palatii geschrieben habe (S. 4 2 2 f.), ist irrig ; er hat diese

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W ürde erst volle 20 Jahre später (1542) erlangt. Die an die Inquisitoren von Cremona gerichtete päpstliche Bulle wurde nicht von Julius III., sondern von Julius II. erlassen (S. 448).

Auf S. 253 ist das ligatus in aquilone in dem Geständniss des Priesters Pepin nicht mit „gefesselt im N o rd w in d “ zu über­

setzen, sondern: „gefesselt im Norden“, u. dgl. mehr. Ver­

gleiche noch die öfteren Verschreibungen von Namen und Jahreszahlen, z. B. auf S. 259, 295, 325, 472 etc.

Von Interesse sind die gelegentlich vom Verf. beigebrachten Angaben über das früher von ihm als Zögling und Mitglied der Gesellschaft Jesu Erlebte. Man erfährt dadurch einer­

seits Personalien, wie die Mittheilungen über Brischar als zu seinen Lehrern in Wynandsrade (während er dort als „Scho- lastikus“ studirte, 1881) gehörig, siehe S. 189; die über seinen einjährigen Aufenthalt im Bollandistenhause zu Brüssel, wo er

„mit P ater de Smedt, einem liebenswürdigen Skeptiker, manche interessante Unterhaltung h a tte “ (Vorw. S. VII); über das Jesuitenkolleg zu Exaeten, wo Hermann Gruber sein Zimmer­

nachbar w ar, den er damals — freilich umsonst — vor den Taxil’schen „Drei-Punkt-Brüdern“ als einer unsinnigen Fiktion gew arnt habe (S. 340). Andererseits lassen sich sonstige interessante Einzelbeiträge zur inneren Geschichte, zur lite­

rarischen T hätigkeit und zur Erziehungspraxis des Ordens aus diesen gelegentlichen Notizen gewinnen. Siehe namentlich S. 216 (Urheber vom W ortlaut der berühmten Thomas-Encyklika Aeterni Patris vom 4. August 1879 ist nicht Leo X III. selbst, sondern, laut Versicherung des jetzigen Generalassistenten des Ordens Mauritius Meschler, der deutsche Jesuit Joseph Kleutgen gewesen); auch S. 325 (zu der von den Zöglingen des auch vom Verf. seinerzeit besuchten Jesuiteninstituts Feld­

kirch [Tirol] eifrigst verschlungenen Unterhaltungslektüre ge­

hörten auch die anti-freimaurerischen Romane des italienischen Jesuiten Antonio Bresciani, deren Inhalt sich theils mit Eugen Sue, theils „mit dem französischen Pornographen Huysmans“

berührt); S. 308 (als Erbauungslektüre für Jesuitennovizen dient vornehmlich des Alfons Rodriguez „Uebung der christ­

lichen Vollkommenheit“ ; während zweier Jahre muss darin täglich eine halbe Stunde lang von ihnen gelesen werden, und

„jährlich zweimal w ird es 14 Tage lang in fast allen Jesuiten­

häusern bei den Mahlzeiten vorgelesen“); S. 4 3 5 ff. (des Jesuiten Delrio Disquisitiones magicae, wovon hier auf ca. 24 Seiten ein genauer Auszug m itgetheilt wird, erfreuen sich, trotz des in ihnen enthaltenen „ungeheuren W usts pornographischer Thorheiten und unchristlichen Aberglaubens“, immer noch eines bedeutenden Ansehens — wofür nicht nur die Historia Soc.

Jesu, sondern noch Perrone, B. Duhr, H. H urt er als Zeugen aufgerufen werden).

Welchen Eindruck wird die wuchtige Anklageschrift im ultramontanen Lager überhaupt und bei des Verf.s einstigen Ordensbrüdern insbesondere hervorbringen? Sie nach Kräften zu ignoriren und todtzuschweigen wird selbstverständlich ver­

sucht werden. Mit wegwerfenden Bezeichnungen, wie: „ein neues Produkt der A postatenliteratur“, oder „rabiate Schmäh­

schrift eines Exjesuiten“ u. dgl. wird man das Buch abzuthun suchen. Der Verf. selbst ist sich dessen bewusst, dass er in diesen Kreisen m it seiner Arbeit kaum irgend welchen Eingang finden wird. Ein Buch, das (laut Vorw. S. V llf.) das P apst­

thum als „die grösste, die verhängnissvollste, die erfolgreichste L ü g e der W eltgeschichte“ zu erweisen unternimmt, gilt diesen Kreisen von vornherein als ungeheuerlicher Unsinn, als Er- zeugniss einer tollhäuslerischen Phantasie. W ir unsererseits urtheilen über seinen Inhalt und Zweck keineswegs so weg­

werfend. Aber wenn wir dem Verf. in der Sache Recht geben und seine Nachweise über die von den römischen „Statthaltern Christi“ ausgegangenen verhängnissvollen W irkungen als im W esentlichen wohlgegründet anerkennen, so billigen wir doch nicht in jedem Betracht den von ihm angeschlagenen Ton.

Seine Darlegungen erinnern zu sehr an die Manier der Corvin, Grassmann etc.; sie bieten der ruhigen historischen Bericht­

erstattung zu wenig, dagegen der ärgernissgebenden und er­

bitternden Polemik zu viel. Dass er im Aufdecken der schmutzigen Untiefen des ultramontanen Systems vielfach weiter gegangen ist als unbedingt nöthig war, lässt sich schwerlich in Abrede stellen. Angesichts der schlimmsten Greuel des

Folterungsverfahrens und der widerwärtigsten Unflätereien der Hexen- und Teufelsmythologie wäre doch wohl einige Diskretion anzuwenden gewesen, gemäss dem apostolischen alo^pov äaxiv xal X^eiv (Eph. 5, 12). Jedenfalls durfte nur das unumgänglich Nöthige über diese Dinge mitgetheilt w erden;

unbedingt zu vermeiden w ar hier das Hereinziehen von Ueber- flüssigem und Nebensächlichem, wie z. B. auf S. 4 9 3 f. die Erwähnung des Convivium 50 meretricum des Papstes Alexander VI. nach B urchard, welcher Schandfleck jedenfalls einem anderen Zusammenhange zuzuweisen, also etwa für die Behandlung des Themas „Papstthum und Sittlichkeit“ in Band II aufzusparen gewesen wäre. — Eigenschaften wie die hier angedeuteten können dazu beitragen, auch protestantischen Lesern das Studium des Buches, wenn nicht zu verleiden, doch zu erschweren. Mehr freilich noch wird seinem Einfluss auf diesen Theil der Zeitgenossenschaft ein anderer Umstand Ein­

tra g thun. Schon bei Besprechung eines vor drei Jahren erschienenen Vorgängers des vorliegenden Werkes sahen wir uns veranlasst, gewissen ungerechten Angriffen des Verf.s auf die evangelisch-konservative Presse, der er Lauheit in Be­

kämpfung des ultramontanen Systems und thörichtes Lieb­

äugeln mit den Erbfeinden der Reformation schuld gab, ent­

gegenzutreten (s. die Anzeige seiner Schrift „Der U ltra­

montanismus“ etc. im Jahrg. 1897, S. 6 2 5 f. d. Ztschr.). Die Rüge, der wir damals seine Vorurtheile auf diesem Gebiete zu unterziehen genöthigt waren, ist leider fruchtlos geblieben.

E r ergeht sich (Vorw. S. X llf.) sogar in noch heftigeren Aus­

fällen auf die Organe, welche er als „konservativ-orthodoxe B lä tte r“ bezeichnet und ungesund reaktionärer Bestrebungen u. dgl. anklagt. „Sie stehen“ , sagt er von denselben, „über­

haupt auf einem so tiefen geistigen Niveau, ihre Unbildung ist so gross, dass, wo von Aufklärung die Rede ist, sie aus­

zuscheiden sind (!). Ih r anti-ultramontaner Kampf ruht auf den denkbar schlechtesten Grundlagen, auf stupender Unwissenheit und auf verbohrtem konfessionellem H ass“ etc. Den Vorwurf einer stupenden Unwissenheit müssen wir dem H errn Grafen, falls er bei den „konservativ-orthodoxen B lättern “ an die wohlbekannten H auptvertreter dieser Richtung, welche wir in jener früheren Anzeige ihm entgegenhielten, denken sollte, entschieden zurückgeben. E r hat diese Organe offenbar a u c h b i s h e r n i c h t g e le s e n ; seine Unkenntniss der evangelisch­

konservativen Presse ist, wie die ungeheuerlichen Beschuldi­

gungen, die er auf sie häuft, zeigen, in der T hat eine stupende.

Freilich w i l l er offenbar seine Kenntniss nach dieser Seite hin nicht erweitern; er eifert blindlings gegen eine kirchlich­

konservative Richtung, die ihm, wir wissen nicht auf Grund welcher persönlichen Vorkommnisse, zum Gegenstand seiner Vorurtheile geworden ist. Zur Beseitigung dieser seiner Vor­

urtheile wird daher wahrscheinlich auch unser gegenwärtiger P rotest nichts beitragen. Ohnehin gibt die A rt. wie er im Anschluss an obige Auslassung über die Zeitungsorgane des Liberalismus („in deren Redaktionsräume das Licht der Bildung und der Wissenschaft d rin g t“ etc.), über die Lex-Heinze- Bewegung, über Virchow als Vorkämpfer des Kulturkampfes u. dgl. mehr sich äussert, zur Genüge zu erkennen, dass er auf der abschüssigen Bahn einer nur negativ-protestantischen Denk- und Lehrweise, die schon so manche Konvertiten vor ihm beschritten, bereits ziemlich weit hinabgeglitten ist. W ir können das alles nur sehr bedauern und wagen ebendeshalb auch betreffs des noch ausstehenden zweiten Theils der Hoff­

nung, dass darin ein minder einseitiger und schroff-anti­

orthodoxer Standpunkt sich bethätigen werde, kaum Ausdruck

zu geben. Zöckler.

E p p le r , P au l, P farrer, G e sc h ic h te d e r B a s le r M issio n 1 8 1 5 —1899. Mit vier Kartenskizzen. Basel 1900, Missionsbuchhandlung (XVI, 381 S. 8). 3 Mk.

Der V erf., seit kurzem zweiter Sekretär der Basler Missionsgesellschaft, bietet in diesem Buch eine fesselnde D ar­

stellung der Entstehung des Wachsthums und der Arbeit der Basler Mission. Den Stoff lieferten ihm ausser einzelnen biographischen und monographischen Arbeiten namentlich die Jahresberichte und Missionszeitschriften, theilweise auch un­

gedrucktes Material, wie Visitationsberichte und andere Mit-

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theilungen der Missionsleitung. Der Fleiss, mit dem er dieses weitschichtige M aterial zusammengetragen, das Geschick, mit dem er es zu einem lesbaren und farbenreichen Ganzen ver­

arbeitet h a t, und nicht zum wenigsten die ungeschminkte Offenheit, mit welcher er über Personen und Vorgänge be­

rich tet, verdient volle Anerkennung. Die Gliederung des Buches schliesst Bich an die Einschnitte an, welche durch den Wechsel im Inspektorat bezeichnet sind, und man gewinnt nicht den Eindruck, dass damit der Stoff in ein zufälliges, ihm fremdes Schema gezwängt würde. Denn, wenn auch die leitenden Grundsätze der Gesellschaft im Wesentlichen dieselben geblieben sind, so hat doch die individuelle A rt und Gabe der Männer, denen die Hauptarbeit zufiel, auch jederzeit dem W erk ihren Stempel aufgeprägt. Der erste Abschnitt: Die Basler Mission unter G. Blumhardt, 1815— 1838, zeigt uns die stillen, vielfach noch tastenden Anfänge; unter W . Hoffmann 1839 bis 1850 tr itt die Basler Mission in den weiteren Kreis des all­

gemeinen kirchlichen Lebens heraus und gewinnt ihr festes Arbeitsgebiet; die Leitung durch J. Josenhans 1850— 1879 gibt ihr eine sichere, für die Folgezeit grundlegende Organi­

sation; der vierte Abschnitt umfasst die Basler Mission der letzten zwanzig Jahre, 1879— 1899. In diesem Zeitraum be­

kleidet erst 0. Schott, seit 1881 in Gemeinschaft mit dem früh in Afrika verstorbenen H. Prätorius, nachher Th. Oehler das Inspektorat. Nach einer kurzen Krisis wird unter viel­

fach neuen, durch die politischen Ereignisse wie durch innere Bedürfnisse geschaffenen Verhältnissen auf den altbewährten Grundlagen weiter gebaut. In jedem dieser Abschnitte werden neben der Arbeit auf den Missionsgebieten in Heidenpredigt, Gemeinde und Schule, welcher naturgemäss der grösste Raum zufällt, auch die Zustände in der Heimat: Zusammensetzung und Grundsätze der Missionsleitung, Unterricht und Leben im Missionshaus, die Pflege des Missionssinns durch Versammlungen und literarische A rbeit, die finanziellen Verhältnisse etc. be­

sprochen. Der Missionsfreund wird hier reiche Belehrung finden. E r wird sich durch die zusammenhängende Geschichts­

erzählung erst das rechte Verständniss des gegenwärtigen Standes der Mission erschlossen sehen. E r wird auch mit Theilnahme von Missionsversuchen vernehmen, die vor sechzig und mehr Jahren in Südrussland, Armenien und Persien be­

gonnen worden sind und später aufgegeben werden mussten.

Der Kirchenhistoriker wird für die umfassende und quellen- mässige Darstellung einer wichtigen Seite des kirchlichen Lebens im 19. Jahrhundert dankbar sein. Aber auch der Systematiker wird mit Interesse die zum Theil recht schwierigen Probleme verfolgen, welche sich aus dem Zusammentreffen christlichen Glaubens und Lebens mit heidnischer Anschauung und Sitte ergeben. W ir denken dabei namentlich an das Verhalten der christlichen Mission gegenüber der Sklaverei, der Polygamie, den heidnisch-christlichen Mischehen, der Kaste, den nationalen Vorurtheilen und Bildungsidealen. Es ist einigermassen beschämend zu sehen, wie wenig hier die heimische Theologie m itgearbeitet hat, und doch wird es auch wieder begreiflich, wenn man bedenkt, wie wenig in diesen Fragen mit allgemeinen .Grundsätzen ausgerichtet ist, wie es vielmehr g ilt, zwar mit K larheit und Festigkeit das Ziel im Auge zu behalten, aber zunächst mit T ak t und Geduld seine Verwirklichung anzubahnen.

Dem reichen Stoff gegenüber muss Bich der Ref. leider auf allgemeine Andeutungen beschränken, doch möchte er nicht versäumen, auf das interessante, von umfassendem kirchen­

historischen Blick zeugende Anfangskapitel über die Entstehung der Basler Missionsgesellschaft und die beiden Schlusskapitel über die Mission in Kamerun und die ärztliche Mission besonders hinzuweisen. Die Beigabe von vier brauchbaren K arten der heutigen Basler Missionsgebiete in Ostindien, China, der afrikanischen Goldküste und Kamerun ist dankenswerth. Möchten bald auch andere Missionsgesellschaften deutscher Zunge mit ähnlichen geschichtlichen Darstellungen an die Oeffentlichkeit treten! Der Pflege des Missionssinns wird damit in hervor­

ragender Weise gedient. Denn Liebe kann man nur da er­

warten, wo gründliche Kenntniss der Arbeit vorhanden ist.

Um der Bitte des Verf.s um etwaige Berichtigungen zu entsprechen, sei noch bemerkt, dass der S. 18 genannte

„Leipziger P rä la t Tittem ann“ in den Leipziger Professor und Domherrn Joh. Aug Tittm ann zu verwandeln ist und dass der Ort, wo W. Hoffmann ein V ikariat bekleidete (S. 63), Heumaden zu lesen ist.

L e i p z i g . __________ 0. Kirn.

Weinei, Lic. Dr. (Privatd ozen t der T h eo log ie in B e rlin ), PäUlUS als kirch­

licher Organisator. Antrittsvorlesung, gehalten am 4. August 1899.

(Sammlung gemeinverständlicher Vorträge und Schriften aus dem Gebiet der Theologie und Eeligionsgeschichte. 17.) Freiburg i. B.

1899, J. C. B. Mohr (P. Siebeck) (30 S. gr. 8 ). 75 Pf.

Neben der missionirenden und lehrenden Thätigkeit des Apostels Paulus verdient auch seine organisatorische unsere Aufmerksamkeit.

Der Verf. sucht ein anschauliches Bild von ihr zu geben, indem er zeigt, wie Paulus, ursprünglich selbst Enthusiast, die Gefahren dieser Richtung, nachdem er sie an sich selbst überwunden hat, in seinen Ge­

meinden bekämpft, ohne Machtmittel, durch den Einfluss seiner Person und die Geltendmachung christlicher Grundsätze. So fordert Paulus von den Römern Gehorsam gegenüber der Obrigkeit, von den Korinthern Beharren in den natürlichen Ordnungen des Lebens, Anerkennung des Unterschiedes von Mann und Frau, von reich und arm — gegenüber enthusiastischen Verirrungen. Er sorgt durch „liturgische“ Anordnungen für Ordnung in den Gottesdiensten, stellt dem übertriebenen Subjektivis­

mus kirchliche Autoritäten gegenüber, schafft eine patriarchalische Organisation durch Reisen seiner Schüler und durch die Forderung, die Thätigkeit der Lehrer und Beamten der Gemeinde durch Unterordnung anzuerkennen Sittenzucht soll die Gemeinde ausüben. Durch das gegen­

seitige Tragen der Eigeni hiimlichkeiten soll die Einheit der Gemeinde, durch Liebesgaben die Einheit der apostolischen Kirche gewahrt werden.

Seine Welt- und Menschenkenntniss, seine pädagogischen Talente, seine ganze Persönlichkeit helfen ihm, seine Grundsätze zur Anerkennung zu bringen.

So bietet der Verf. eine Reihe treffender Züge aus der organisato­

rischen Thätigkeit des Apostels. Ein vollständiges Bild konnte und wollte er wohl in seiner Skizze nicht geben. Es kam ihm besonders darauf an, hervorzuheben, was PauliiB gegen die der Kirchehbildung ge­

fährlichen Auswüchse des Enthusiasmus gethan hat. Dadurch wird nun freilich die Skizze etwas einseitig. Es galt doch nicht nur, jene Aus­

wüchse zu bekämpfen, es galt überhaupt, ein neues Gemeindewesen zu schaffen. Die Frage, was Paulus dafür gethan hat, wie weit die Aemter durch ihn eingeführt sind, welche Vorbilder er dabei benutzt hat, wird gar nicht gestreift. Die enthusiastische Seite des Urchristenthums wird entschieden zu stark betont. Ihre Gefahren werden zu sehr generali- sirt. Ja, es werden Konsequenzen gezogen, die garnicht in die Er­

scheinung getreten sind. Es dient freilich alles dazu, ein lebensvolles Bild von der Thätigkeit des Apostels zu geben, und da der Verf. nicht Pauli Einrichtungen, sondern seine organisatorische Persönlichkeit vor­

führen w ollte, schadet es seinem Zwecke nipht zu sehr. D ie lebendige frische Darstellung wird allen gefallen, aber nicht der manchmal recht

„moderne“ Ton, der in diesem Blatte auch sonst schon getadelt wurde.

Lic. Schultzen.

Windelband, Wilhelm, Platon. Mit Bildniss. (Frommanns Klassiker der Philosophie. Hrsg. v. Rieh. Falkenberg IX .) Stuttgart 1900, Fr. Frommann (E. Hauff) (190 S. gr. 8 ). 2 Mk.

In rascher Folge erscheinen diese Monographien und es ist inter­

essant zu beobachten, wie die Eigenart der verschiedenen Verfasser sich mit dem grossen, nur das Wichtigste hervorhebenden Stil abfindet, in welchem solche summarische Darstellungen gehalten sein müssen.

Zuerst fällt die Gruppirungdes Stoff 3 in die Augen. Windelband macht 7 Ab­

schnitte: der Mann, der Lehrer, der Schriftsteller, der Philosoph, der Theologe, der Sozialpolitiker, der Prophet. Dies hat den Vortheil, dass er nicht von Anfang an alle Fäden in der Hand zu halten braucht, aber auch den Nachtheil, dass der e in e durchgehende Hauptfaden fehlt.

Plato ist bei aller Vielseitigkeit ein so konzentrirter Denker, dass Mann und System von vornherein aus wenigen Grundgedanken heraus ent­

wickelt werden sollten. So dauern die Präliminarien etwas lange, bis das System, das den Mann am besten charakterisirt, an die Reihe kommt. Hierbei beweist aber der Verf. eine solche Umsicht und Gründlichkeit, dass man für das vorangegangene Warten entschädigt wird. Seine Arbeit wird deshalb gewiss das Verständniss des grössten griechischen Philosophen weiteren Kreisen erleichtern.

S t u t t g a r t . Dr. Pr. Walther.

Neueste theologische Literatur.

Biographien. Bauer, H., Zinzendorf u. die Brüdergemeine- Vor­

trag. Leipzig, F. Jansa (32 S. 8 ). 50/$. — Chadwick, ' y . ^ . e>

Theodore Parker, preaeher and reformer. Boston, Houghton, M ifflin

& Co. (20+422 p. por. D.). cl., $2. — F am ilie^ B ib lio tn ek , Calwer.

52. Bd. S c h n iz e r , Otto, Oliver CromwelJ. Ein Lebensbild. M it

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