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Bank-Archiv. Zeitschrift für Bank- und Börsenwesen, 1919.04.01 nr 13

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B A N K -A R C H IV

Zeitschrift fü r Bank- und Börsenwesen_______

X V III. Jahrgang. B erlin , 1. A p ril 1919. Nummer 13.

Inhalts-Verzeichnis.

Das Sozialisierungsgesetz; und das Gesetz über die Regelung der Kohlenwirtschaft.

Von Geh. Justizrat Prof. Dr. R i e s s e r.

Bewertung von Schulden und anderen Verbindlichkeiten.

Von Dr. R ic h a rd R o s e n d o r f f , Rechtsanwalt in Berlin.

Das Sozialisierungsgesetz und das Gesetz über die Regelung der Kohlenwirtschaft.

Von Geh. Justizrat Prof. Dr. Riesser.

I. D i e S o z i a l i s i e r u n g i m a l l g e m e i n e n . Am 15. Februar 1919 hatte ich in Weimar bei Be­

sprechung des Regierungsprogramms, welches den E n t­

schluß der neuen Regierung, der Sozialisierungsfrage ge­

setzgeberisch nahezutreten, grundsätzlich festlegte, in letzter Stunde alle wesentlichen Gründe zusammengefaßt, welche gegen die „Sozialisierung“ sprechen, die das eigent­

liche wirtschaftliche Ziel der Sozialdemokratie und dam it auch eines der wesentlichsten w irtschaftlichen und sozialen Ursachen und Ziele der Revolution darstellt. Hierbei er­

kannte ich an, daß die Sozialdemokratie ehrlich überzeugt sei, daß, „wenn die P r o d u k t i o n s m i t t e l . . . . also insbesondere die industriellen Betriebe, der Grund und Boden, die Verkehrsanstalten, die Maschinen, Rohstoffe usw. aus dem Privateigentum ausscheiden und in das Eigentum des Staates, der Gemeinde usw. übergehen, eine S t e i g e r u n g u n d V e r b i l l i g u n g d e r P r o - d u k t i o n , eine V e r m i n d e r u n g d e s P r e i s e s d e r R o h s t o f f e , W a r e n u n d L e b e n s m i t t e l , die fü r die Arbeiter notwendig sind, und eine V e r b e s s e - r u n g d e r B e z ü g e u n d d e r s o n s t i g e n L e b e n s - u n d A r b e i t s - B e d i n g u n g e n d e r A r b e i t e r eintreten werde.“ Jedenfalls handle es sich hier

„gerade um eines der höchsten Ideale der Sozialdemokratie, das, nach Widerlegung mancher anderer Theorien, wie z.B.

der Verelendungstheorie, auch heute noch festgehalten wird, heute sogar mehr denn je “ . Denn es drehe sich hierbei „u m den In b e g riff der Hoffnungen von Millionen, die bisher ehrlich überzeugt w a re n , a u f k e i n e m a n ­ d e r e n W e g e zu dem auch von m ir begrüßten Ziele angemessener und menschenwürdiger Existenzbedingungen fü r Arbeiter gelangen zu können, um die Ueberzeugung von Millionen, die fü r ihre sozialdemokratische Gesinnung unter der Herrschaft früherer, törichter Ausnahmegesetze o ft genug Hunger, Elend und Gefängnis durchgekostet haben“ .

Ich versuchte dann aber nachzuweisen, „daß die seitens der Sozialdemokratie von dieser Sozialisierung er­

warteten, oben erwähnten Vorteile, n i c h t eintreten werden, dagegen Nachteile eintreten müssen, die letzten Endes nicht nur fü r die Gesamtheit, sondern a u c h f ü r d i e A r b e i t e r s e l b s t vernichtend wirken werden“ , obwohl auch ich davon durchdrungen bin, daß „m an den Wirtschaftsfaden je tz t nicht etwa an demselben Ende auf­

nehmen kann, wo er bei Kriegsbeginn gerissen ist , und daß neue Zeiten neuo Gedanken, Einrichtungen und Ziele

Verbesserung des Rechtshilfeverkobrs m it dem Auslande im W eltfriedensvertrage.

Von Geheimrat Dr. D e 1 i u s , Kammergerichtsrat in Berlin.

Usancen fü r den Handel in amtlich nicht notierten Werten.

Gerichtliche Entscheidungen.

voraussetzen und verlangen. Aber ich wies darauf hin, daß die Sozialisierung, wie die Todesstrafe, ein i r r e ¿ p a r a b l e s M i t t e l ist, „L e iste t sie nicht, was von ih r erwartet ward, dann ist die P rivatw irtschaft, nachdem sie einmal völlig oder zum großen Teil in die Hände des Staates, der Gemeinden usw. überführt ist, nie wieder zu gesundem Leben zu erwecken. Es handelt sich also um ein u n s a g b a r g e f ä h r l i c h e s E x p e r i m e n t und fü r solche Experimente ist die W iderstandskraft des Patien­

ten, nämlich unseres heutigen W irtschaftskörpers, bei weitem zu schwach. Operationen auf Leben und Tod, verträgt unsere aus tausend Wunden blutende W irtschaft unter keinen Umständen mehr, ganz abgesehen davon, daß unsere Feinde, wie der frühere Staatssekretär des Reichswirtschaftsamts, Dr. A u g u s t M ü l l e r , m it Recht einmal hervorhob, verstaatlichte Betriebe ohne weiteres als Pfand fü r ihre maßlosen Forderungen be­

trachten, w om it diese Betriebe unserer freien Verfügung entzogen würden“ .

Ich setzte dann weiter auseinander, daß nach M a x W e b e r s zweifellos begründeten Darlegungen jeder staat­

liche und Kommunalbetrieb bureaukratisch verwaltet werden müsse, daß jeder K am pf und meist auch jede Beschwerde gegen die bureaukratische Macht nutzlos sei, daß die Lebensformen der Angestellten in den preußischen Eisenbahn- und Bergwerksbetrieben n ich t weiter und freier gewesen sind, als in den großen privatkapitalistischen Betrieben, und daß in den Staatsbetrieben die sozialen Einrichtungen lange nicht in dem Umfange geschaffen worden sind, wie sie die privaten großen Betriebe geschaffen haben.

Wie ich ferner darlegte, müssen die sozialisierten Mono­

polbetriebe stets schematisch von einer Zentralstelle ge­

fü h rt werden; ihre Leiter, die ganz allgemein (anders, wie bei den Privatbetrieben) sich nicht persönlich m it Namen und Ansehen einsetzen, da sie h inter dem Staat verschwinden, den sie vertreten, können sich lange nicht so frei bewegen, wie die Leiter von Privatbetrieben.

„S ie können n icht große Risiken übernehmen, wie sie stets in der Finanzierung von Erfindungen und E n t­

deckungen liegen, auf die w ir doch angewiesen sind. Sie können n ich t rasch und plötzlich die Unternehmungen oder die einzelnen Geschäfte umstellen, den wechselnden K onjunkturen nicht so rasch Rechnung tragen. Es fe h lt ihnen auch, in Ermangelung aller heimischen Konkurrenz, jeder Anreiz zu raschem Vorwärtsdrängen, zur Verbesse­

rung der Methoden, zur Erhöhung des E rtrags.“ Es werde vielmehr umgekehrt „e in Monopolleiter, wenn der E rtrag zurückgeht, viel eher geneigt sein, zu Lasten der Allge­

meinheit die Preise in die Höhe zu setzen, während in denselben Fällen der P rivatleiter zunächst die Produktions­

methoden verbessern w ird “ .

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Die Behauptung R a t h e n a u s , man werde in der Gemeinschaft d i e P r o d u k t i o n a u f d a s D o p ­ p e l t e v e r m e h r e n k ö n n e n , sei, wie R i c h a r d C a 1 w e r m it Recht ausgeführt hat, selbst dann unrichtig, wenn überall, was bekanntlich nicht der F a ll ist, die t e c h n i s c h e M öglichkeit einer solchen Steigerung vor­

liegen würde. "D enn „d ie Vermehrung der Produktion hängt in erster Linie von dem B e d ü r f n i s ab, das sich nicht kommandieren lä ß t“ .

„Entscheidend aber sollte auch die Tatsache ins Gewicht fallen, d a ß u n s e r e a u s l ä n d i s c h e n K o n k u r r e n t e n , s p e z i e l l u n s e r e h e u t i g e n F e i n d e , d i e f r e i e P r i v a t w i r t s c h a f t h a b e n u n d s i e n i c h t a u f g e b e n w e r d e n , daß w ir also unsererseits im Falle der Staatswirtschaft, m it gebundenen Händen und Füßen, gerade in der jetzigen schwierigen Zeit, nach Abschluß des Friedens, den feind­

lichen Konkurrenten gegenüber stehen, die sich ihrer­

seits hüten werden, den Ast abzusägen, auf dem sie sitzen“ , daß verstaatlichte deutsche Betriebe als solche nach den heutigen Verhältnissen auch den K r e d i t nicht erhalten werden, den die Privatbetriebe auf Grund ihrer alten Verbindungen tro tz allem, was geschehen, zu erhalten erwarten dürfen und den w ir namentlich im Interesse unseres Exports so dringend nötig haben. W ir müßten also umgekehrt, so r a s c h w i e i r g e n d m ö g l i c h , d i e Z w a n g s w i r t s c h a f t u n d d i e K r i e g s ­ g e s e l l s c h a f t e n a b b a u e n und es muß die P r i v a t w i r t s c h a f t d i e f e s t e u n d s i c h e r e G r u n d l a g e u n s e r e r G e s a m t w i r t s c h a f t , e s m u ß d e r f r e i e H a n d e l w i e d e r z u r f e s t e n G r u n d l a g e u n s e r e r W i r t s c h a f t e i n g e ­ f ü h r t w e r d e n .

E in Grund zum grundsätzlichen Verlassen der P riv a t­

w irtschaft, die ja doch glänzende Ergebnisse gezeitigt hat, wäre nur dann gegeben, wenn sie etwa unfähig wäre, selbst billigere, raschere, größere und rationellere Produkte einer­

seits und angemessenere Arbeits- und Lebensbedingungen andererseits fü r die Arbeiter und Angestellten zu schaffen.

Dies ist aber nicht der Fall.

Was zunächst die V e r b e s s e r u n g ( R a t i o n a l i ­ s i e r u n g ) d e r P r * o d u k t i o n b e trifft, so h a t Dr.

R a t h e n a u selbst zugegeben, daß unsere deutschen Fabrikeinrichtungen, wie sie die Friedenswirtschaft aus­

gebildet hat, „neuer, besser und durchdachter seien, als in England, Frankreich und Belgien“ , daß „d ie kalorische Krafterzeugung in zwei Jahrzehnten ihre W irkung ver­

doppelte“ , daß „d ie Kosten des elektrischen Stromes sich g e d ritte lt“ haben, daß „d ie Transporteinrichtungen zu einer Wissenschaft geworden sind“ und daß es heute „n u r wenig Vorrichtungen gibt, die sich dem G riff der Maschinen entziehen“ .

E r erwähnt aber nicht und noch weniger zieht er daraus die erforderlichen Konsequenzen, daß alle diese Verbesse­

rungen gerade in der freien W irtschaft erzielt worden sind, und daß das Lob, welches er Am erika und England deshalb spendet, weil sie Standardtypen bauten, die man natürlich billiger herstellen kann, wiederum Ländern der freien W irtschaft g ilt, denen gegenüber Deutschland b i s h e r aus wohlerwogenen Gründen, m it Rücksicht auf den aus­

ländischen Wettbewerb, m it besonderem E rfolg an dem Grundsatz festgehalten hat, daß es seiner Kundschaft n i c h t Standardtypen, sondern die ihrem Geschmack und ihren besonderen Bedürfnissen entsprechenden be­

sonderen Typen lieferte.

Auch in bezug auf bessere Lebens- und Arbeits­

bedingungen w ird die P r i v a t w i r t s c h a f t a u s s i c h h e r a u s d i e e r f o r d e r l i c h e n R e ­ f o r m e n d u r c h s e t z e n k ö n n e n und müssen, da hie rfü r die nach vorausgegangenen monatelangen

Besprechungen, am 15. November 1918 zustande gekommene

„ A r b e i t s g e m e i n s c h a f t d e r i n d u s t r i e l l e n u n d g e w e r b l i c h e n A r b e i t g e b e r u n d A r b e i t n e h m e r D e u t s c h l a n d s , welcher einer­

seits alle führenden industriellen Organisationen, anderer­

seits die Gewerkschaften, die Arbeitsgemeinschaften der kaufmännischen Verbände, der freien Angestelltenver­

bände und der technischen Verbände angehören. Alle sozialpolitischen und wirtschaftlichen Fragen, die sich aus dem Arbeits- und Angestelltenverhältnis ergeben, können in Zukunft in dieser großen Gemeinschaft, durch organisches Zusammenarbeiten von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gelöst werden, deren Zuständigkeit und Aufgabenkreis erweitert werden kann. Auch an die Bildung eines von S t r e s e m a n n in der Nationalversammlung erwähnten großen R e i c h s w i r t s c h a f t s a u s ­ s c h u s s e s oder R e i c h s w i r t s c h a f t s r a t s kann man denken, welcher Vertreter aller Berufe und Stände, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, zu dem Zwecke vereinigt, um dem Parlament durch eine vorgängige, sachverständige Begutachtung aller wirtschaftspolitischen und sozial­

politischen Vorlagen und Anregungen seine schwierige Aufgabe zu erleichtern, ohne seiner Entschließung anders, als durch das Gewicht seiner Gründe, vorzugreifen. H ier kann auch die Frage erwogen werden, ob und inwieweit es rich tig und dem allgemeinen Interesse, nicht nur dem der Arbeiter und Angestellten, angemessen ist, die letzteren, um ih r Interesse am Unternehmen und ih r Ver­

antwortungsgefühl zu stärken, nicht nur an der Kontrolle der richtigen Durchführung der vereinbarten Verwaltungs-, Lohn- und Arbeitstagsvereinbarungen, sondern vielleicht auch am Gewinn des Unternehmens über einen bestimmten Prozentsatz hinaus in irgendeiner sorgfältig.zu erörternden Weise (Schaffung von 20-Mark-Aktien bei Aktiengesell­

schaften fü r Arbeiter und Angestellte?) zu beteiligen.

Dazu ist freilich zu bemerken, daß diese Gewinnbeteiligung, weil sie angeblich das Klassenbewußtsein und Solidaritäts­

gefühl der Arbeiter untergrabe (d. h. wohl weil sie die Arbeiter in das bürgerliche Lager überführen könne), auch von sozialdemokratischer Seite bekämpft worden ist.

Andererseits ließe sich eine f i n a n z i e l l e B e t e i l i g g u n g d e s S t a a t e s am Ertrage dann denken, wenn dadurch n icht eine stets bedenkliche beständige E in ­ mischung des Staates auch in die eigentliche Leitung des Unternehmens hervorgerufen wird, eine Einmischung, die, ebenso wie die Einmischung von Betriebsräten in diese Leitung, überaus bedenklich ist und unter allen Umständen vermieden werden muß. D am it ist dargetan, daß auch bei grundsätzlicher E rhaltung der P rivatw irtschaft R e ­ f o r m e n nach allen erforderlichen Richtungen möglich und zum Teil auch schon begonnen sind, die, ohne die schweren Erschütterungen und Schäden der Sozialisierungs­

experimente hervorzurufen, S chritt fü r Schritt, unter steter Berücksichtigung der allgemeinen Lage und der­

jenigen des einzelnen Unternehmens, die Erfolge zeitigen kann, welche die Sozialdemokratie bisher allein von der Sozialisierung erwartete. Eine solche friedliche, durch1- dachte und organische E v o l u t i o n ist ohne jeden Zweifel im Interesse der Allgemeinheit und der Arbeiter einer wirtschaftlichen R e v o l u t i o n vorzuziehen, deren

„vernichtende W irkungen keine verspätete Reue mehr beseitigen kann und vor der man daher, solange es noch Zeit ist, im Interesse der Allgemeinheit eindringlichst und feierlichst warnen soll“ .

F ür die E rhaltung der P riva tw irtsch a ft spricht aber endlich nicht lediglich das glänzende Ergebnis, das sie in der Zeit von 1870 bis zum Ausbruch des Krieges tro tz vieler Mängel und mancher Krisen, die übrigens in keinem Wirtschaftssystem ausblciben, gezeitigt hat, spricht nicht nur die Möglichkeit, die Mängel, die in ih r vorgeherrscht

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haben, aus eigener K ra ft abzustellen, sondern auch die Tatsache, „daß w ir gerade in Deutschland in der P e r s ö n - l i e h k e i t d e s U n t e r n e h m e r s von jeher m it Recht die stärksten Wurzeln unserer wirtschaftlichen K räfte gesehen haben. Die In itia tiv e , die Energie, der Wagemut, die Entschlußfähigkeit, die Gestaltungskraft und Schaffens­

freude des einzelnen Unternehmers, der auch, innerlich m it seinem Unternehmen verbunden ist, der fü r seine A rbeit und seine Arbeiter verantwortlich ist, der entweder sein K apital, oder wenn er lediglich L e i t e r einer P riv a t­

unternehmung ist, seinen Namen und sein Ansehen zu Markte trä g t, und gerade deshalb erst w ä g e n und dann w a g e n muß, das ist eine K ra ft, die nach meiner Uebcr- zeugung nie durch die Leitung mechanisierter staatlicher Betriebe auch nur annähernd ersetzt werden kann“ .

Man muß sich aber auch auf diesem Gebiete vor Phrasen hüten.

„D ie Antithese: Hie P rivatw irtschaft, hie Gemein­

w irtschaft! ist lediglich ein Schlagwort. Nie ist der einzelne überhaupt völlig frei gewesen. Der einzelne Industrielle hängt ja, wie man m it Recht betont hat, vom Standort, den Produktionskosten, den Rohstoffen, der Konkurrenz und dem heimischen und W e ltm a rkt usw. ab. Nie ist der soviel geschmähte und doch unentbehrliche E r w e r b s ­ t r i e b , der zugleich der Vater des fü r die Gesamtheit gleich notwendigen Spartriebs ist, völlig frei gewesen.

Der Erwerbstrieb liegt und muß in stetem K am pf liegen m it dem Erwerbstrieb der anderen auf dem heimischen und dem W eltm arkt. Nie ist auch der einzelne U nter­

nehmer völlig frei gewesen und nie darf er es sein. Denn er muß sich bändigen und beschränken lassen durch das Gemeinwohl. Wer das nicht tu t, w ird wohl einmal vorüber­

gehend vorwärts kommen können, aber nie dauernd, er w ird unerbittlich herabgedrückt oder ausgemerzt. Jeden­

falls ist die P r i v a t w i r t s c h a f t k e i n G e g e n ­ s a t z z u m G e m e i n w o h l , sie muß es beachten und hat es auch immer in steigendem Umfang beachtet, und umgekehrt ist die G e m e i n w i r t s c h a f t n i c h t e t w a i d e n t i s c h m i t d e m G e m e i n w o h l , wie schmerzliche Erfahrungen aus der Kriegswirtschaft _ er­

wiesen haben. Man erwäge endlich, daß im allgemeinen Staatsbetriebe nicht billiger, sondern teurer verwaltet werden wie entsprechende Privatbetriebe, und daß ih r Ergebnis im allgemeinen nicht höher, sondern niedriger ist wie das der entsprechenden Privatbetriebe. Bei_ den preußischen staatlichen Bergwerks-, H ütten-, Salinen- usw. Betrieben betrugen im D urchschnitt der Jahre 1910 bis 1914 die Betriebskosten nicht weniger als 91,5 pCt.

der Roheinnahmen, die Reineinnahmen also nur 8,5 pCt.

Und es ist kein Trost — am wenigsten im Vergleich zu den entsprechenden Privatbetrieben — , daß die Staats­

betriebe in ihrer Verwaltung in der Regel und im allge­

meinen nach dem Prinzip d e r A n e i e n n i t ä t aufgebaut sind, daß ihre Leitung in ihrer Tätigkeit durch die höheren Instanzen, die Revisionen und die Einw irkung der Parla­

mente o ft auf S ch ritt und T r it t gelähmt ist, und daß endlich ein maßvolles Vorgehen auf dem Gebiet der Soziali­

sierung unter den heutigen Verhältnissen stets von der radikalen Seite der Sozialdemokratie durchkreuzt und unmöglich gemacht werden w ird. So kann man nur zu dem Schluß kommen, daß alles das, was das Regierungsflugblatt vom 2. Januar 1919, welches die lebhaft an den aufgeklärten Despotismus früherer Zeiten erinnernde Wendung enthält:

» U n s e r e R e g i e r u n g w e i ß , w a s u n s n o t ­ t u t “ , behauptet:

„daß die Sozialisierung ein A n s p o r n f ü r u n s e r W i r t s c h a f t s l e b e n i s t , daß sie di e W i e d e r b e l e b u n g d e r A r b c i t s - f r c u d e v und dam it d i o] ’ E r h ö h u n g d e r

P r o d u k t i o n und unseres ganzen Volkslebens zur Folge haben werde“ ,

S a tz f ü r S a tz u n r ic h t ig is t. Es b le ib t also nach meiner Ueberzeugung bei dem Schluß: „N ic h t die öde Mechani­

sierung, Bureaukratisierung und Formalisierung unseres ganzen Wirtschaftslebens kann das Ideal sein, fü r das w ir kämpfen. Diese unausbleiblichen Eigenschaften mono­

polisierter Unternehmungen werden sich auch dann nicht w e s e n t l i c h ändern, wenn man nach den Andeutungen des Regierungsprogramms etwa gemischt- w i r t s c h a f t ­ l i c h e U n t e r n e h m u n g e n bildet oder wenn man an die Spitze sozialisierter Unternehmungen Kaufleute stellt. Der Kaufmann, der sich, wie der köstliche Ausdruck lautet, „ v e r b e a m t e t “ , ist nach kurzer F ris t kein Kaufmann mehr“ .

Es b leibt vielmehr fü r die Herbeiführung einer neuen Zeit, fü r die Wiedergesundung unserer W irtsch a ft n e b e n d e n o b e n a n g e d e u t e t e n M i t t e l n , dem Ausbau der Arbeitsgemeinschaft oder der Schaffung «eines großen Reichswirtschaftsrats, d a s R e z e p t ü b r i g , welches einst der Freiherr v o n S t e i n dem nieder­

getretenen Preußen m it so wunderbarem Erfolge ver­

schrieben h a t: „ D i e E n t f e s s e l u n g a l l e r K r ä f t e d e r N a t i o n.“

Das schließt natürlich n icht aus, was ja auch früher nicht ausgeschlossen gewesen ist, daß in einzelnen, bestim m t begrenzten A u s n a h n i e f ä l l e n , nachdem erst eine Erholung der Industrie eingetreten is t — die L a n d w irt­

schaft muß überhaupt aus dem Spiel bleiben — in be­

stim m ten Fällen auch eine Sozialisierung in weiterem oder engerem Sinne dieses vieldeutigen Ausdrucks möglich und angemessen sein kann. Da nämlich, wo „infolge von Privatmonopolen oder aus natürlichen Gründen eine d a u e r n d e u n g e h ö r i g e V e r t e u e r u n g d e s V e r b r a u c h s vorliegt, und wo z u g l e i c h durch die Sozialisierung eine erhebliche Besserung dieses Uebel- standes sowie ein höherer E rtra g des Unternehmens und bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen fü r Arbeiter und Angestellte erwartet werden kann“ .

Zum Schluß dieser einleitenden W orte eine Frage: Is t der ungemein billige V orhalt richtig, daß w ir, die grundsätz­

lichen Gegner der Sozialisierung, die „neue Zeit“ n ich t ver­

ständen oder ihre Zeichen zu lesen nicht lernen wollen oder können ? Keineswegs. W ir sind der Meinung, daß von den vielen Wegen, die nach Rom, hier zurWiedergesundung unserer W irtschaft führen, der eine, die Sozialisierung, in der weitaus überwiegenden Mehrzahl der Fälle direkt zum Tarpejischen Felsen fü h rt, von dem aus die W irtschaft in den Abgrund gestürzt w ird, der andere, der Ausbau der „Arbeitsgemein­

schaft“ oder weitergehend die gemeinsame A rbeit aller Stände und Berufe in einem großen W irtschaftsrat von Arbeitgebern, Arbeitnehmern, Verbrauchern usw., und die Entfesselung aller produktiven K rä fte der N ation auf der Grundlage der P riva tw irtsch a ft und des freien Handels, die, wenn auch nur schrittweise, also langsame, aber sichere Wiedergesundung unserer W irtschaft herbei­

führen wird.

Die Z u ku n ft erst kann zeigen, wer Recht gehabt hat.

I I . D e r S o z i a l i s i e r u n g s e n t w u r f . Das in meiner Rede vom 15. Februar 1919 in bezug genommene Regierungsprogramm, welches am 13. Februar 1919 in der Verfassunggebenden deutschen N ational­

versammlung durch den Präsidenten des Reichsministeriums, S c h e i d e m a n n , vorgetragen worden ist, enthält in bezug auf die Sozialisierung unter I I (Innenpo litik) Ziffer 7 folgende Erklärung:

„W irtschaftszweige, die nach ihrer A rt und ihrem Entwicklungsstand einen privatmonopolistischen Charakter

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angenommen haben, s i n d d e r ö f f e n t l i c h e n K o n t r o l l e z u u n t e r s t e l l e n . Soweit s ie s i c h z u r e i n h e i t l i c h e n R e g e l u n g d u r c h d i e G e s a m t h e i t e i g n e n , insbesondere Bergwerke und Erzeugung von Energie, und dadurch zur einheitlichen Regelung durch die Gesamtheit (Sozialisierung) reif ge­

worden sind, sind sie in öffentliche oder gemeinwirtschaft­

liehe Bewirtschaftung oder auf Reich, Staat, Gemeinde­

verbände oder Gemeinden zu übernehmen.“

Der erste Satz bezieht sich also lediglich auf die Beauf­

sichtigung von Syndikaten, Kartellen usw. wie sie schon, im Frieden vielfach gefordert wurde, ohne daß je die Tatsache widerlegt worden ist, daß so gut wie nie und nirgends die Staatsaufsicht schwerwiegende Mängel des Unternehmens oder der Leitung rechtzeitig hat aufdecken können. Der zweite Satz bezeichnet als Voraussetzung fü r die „einheitliche Regelung durch die Gesamtheit“ (Soziali­

sierung), ohne die näheren Formen dieser einheitlichen Regelung zu bezeichnen, lediglich, daß „Wirtschaftszweige sich fü r diese einheitliche Regelung durch die Gesamtheit e i g n e n und d a d u r c h zu dieser einheitlichen Rege­

lung re if geworden sind“ . Das letztere ist offensichtlich nicht logisch; es kann sehr wohl Wirtschaftszweige geben, die sich zur Sozialisierung e i g n e n , ohne fü r diese r e i f zu sein. Die Regierung selbst hatte bis dahin auf dem Standpunkt gestanden, dem der frühere Staatssekretär des Reichswirtschaftsamtes, Dr. A u g u s t M ü l l e r , und andere Regierungsvertreter wiederholt Ausdruck ge­

geben hatten, daß, solange die Industrie noch so, wie jetzt, darniederliege, man eine Sozialisierung dieser (somit noch nicht hierzu reifen) Betriebe keinenfalls vornehmen könne, Dabei hatte Dr. A u g u s t M ü l l e r noch m it Bedauern die gar nicht zu leugnende Tatsache festgestellt, daß die Einsetzung der Sozialisierungskommission (in welche prin­

zipielle G e g n e r der Sozialisierung, soweit ich sehen kann, überhaupt nicht berufen worden sind) „wesentlich dazu beigetragen habe, die S o z i a l i s i e r u n g s w u t a n z u f a c h e n u n d d i e B e g e h r l i c h k e i t a n -

z u s p o r n e n.“

Im m erhin schien auch das Regierungsprogramm den ge­

sunden Gedanken, daß man erst bessere Zeiten abwarten müsse, da man einen kranken W irtschaftskörper nicht

„sozialisieren“ kann, nicht etwa verlassen zu haben und eia auf H errn S c h e i d e m a n n fast unm ittelbar fol­

gender Redner ( N a u m a n n ) hatte bei der Besprechung des Regierungsprogramms ausgeführt:

„ W ir brauchen je tz t organisatorische Rechtsverhält­

nisse fü r gemeinsame Arbeit, Arbeiterrecht, Angestcllten- reeht, aber w ir brauchen ebenso, u m n i c h t a l l e m i t ­ e i n a n d e r n o c h t i e f e r z u s i n k e n , a l s w i r g e s u n k e n s i n d , daß man k e i n e E x p e r i m e n t e m a c h t , um der Theorie willen, d a s k ö n n e n w i r j e t z t , w o w i r k r a n k s i n d u n d g e b r o c h e n e K n o c h e n h a b e n , a l l e m i t e i n a n d e r n i c h t a u s h a 11 e n.“ Das sind Ausführungen, die, im Zu­

sammenhang m it der Erörterung der Sozialisierung ge­

macht, im Einklänge stehen m it dem Standpunkte des früheren Staatssekretärs Dr. A u g. M ü l l e r und m it der E rklärung eines Redners der Sozialdemokratischen M ehrheit ( K e i l ) in der Nationalversammlung vom 14. Fe­

bruar 1919:

„E s w ird . . acht zu geben sein, daß das kaum wieder in Gang gesetzte Wirtschaftsleben nicht aufs neue jäh gestört w ird ; denn auch die Sozialisierung soll nicht um ihrer selbst willen geschehen, sondern zu dem Zweck, den Wohlstand unseres Volkes, vor allem der Arbeiterschaft, zu heben . . . W ir haben . . . keinerlei Interesse daran, große Wirtschaftszweige je tz t im Uebereifer so zu or­

ganisieren, daß die Feinde Deutschlands es recht bequem haben, ihre Hände darauf zu legen. Schließlich, vergessen

w ir nicht, daß w ir nicht dauernd von der W elt abgeschlossen sein werden und sein wollen. W ir wünschen, so rasch wie möglich, wieder m it der ganzen W elt in wirtschaftlichen Verkehr zu treten. E i n e v o l l k o m m e n s o - z i a l i s t i s c h e E i n ö d e (der Redner wollte von seinem Standpunkte aus wohl sagen: Oase) i n m i t t e n e i n e r g r o ß e n k a p i t a l i s t i s c h e n W i l d n i s i s t a b e r n i c h t l e b e n s f ä h i g . . . . W i r k ö n n e n u n s e r W i r t s c h a f t s l e b e n n i c h t n e u g e s t a l t e n o h n e j e g l i c h e R ü c k s i c h t a u f d i e M i t - u n d U m w e 11.“

A uf diesem Boden hatte auch die frühere rein so­

zialistische Regierung, hatte auch die neue sozialistisch­

bürgerliche Regierung (also einschließlich der Deutsch- Demokratischen Partei und des Zentrums) gestanden.

Man war daher m it Recht erstaunt, als diese neue Regierung bereits anfangs März den „ E n t w u r f e i n e s S o z i a l i s i e r u n g s g e s e t z e s “ und den „ E n t ­ w u r f e i n e s G e s e t z e s ü b e r d i e R e g e l u n g d e r K o h l e n w i r t s c h a f t “ der verfassunggebenden Nationalversammlung zur Beschlußfassung vorlegte. Die Beratung dieser so rasch vorgclegten Entw ürfe aber wurde, da der Wunsch, sie in drei Lesungen gleich im Plenum zu verabschieden, doch nicht wohl erfüllbar war, in der Kommission derart beschleunigt, daß eine Sonntagssitzung und eine Abendsitzung, zur H ilfe genommen wurde, so daß wenige Tage nach der ersten Beratung bereits die zweite und d ritte Beratung des Gesetzes im Plenum s ta tt­

fand. Es ist kein Zweifel, daß sowohl die plötzliche E in ­ bringung der Gesetzentwürfe, wie ih r Durchpeitschen in der Kommission in erster Linie auf politischen Gründen beruhte, so scharf sich auch der Präsident des Reichs­

ministeriums gegen diese Auslegung verwahrte. Denn darüber läßt sowohl die E rklärung eines Vertreters der Preußischen Regierung in der Preußischen Landesver­

sammlung wie die Aeußerungen eines Redners der D eut­

schen Demokratischen Partei (P a c h n i c k e) im Plenum der Nationalversammlung keinen Zweifel, welcher letztere direkt erklärte, daß man m it diesen Entw ürfen nicht nur w irtschaftliche Gesetze verabschiede, sondern P o l i t i k t r e i b e . Es war eben, wie schon so oft und fast stets m it Erfolg, seitens der radikalen Gruppen der Sozial­

demokratie durch die Drohung m it dem Generalstreik und durch andere M itte l ein starker D ruck auf die Re­

gierung ausgeübt worden, sie müsse E rn s t m it der So­

zialisierung machen, und diesem D ruck ist durch eine entsprechende Zusage der alsbaldigen Vorlegung der E n t­

würfe, die bereits vor der Vorlegung durch Plakate öffent­

lich angekündigt wurden, nachgegeben worden.

1. D a s S o z i a l i s i o r u n g s g e s e t z .

Der § 1 Abs. 2 stellt den Grundsatz auf, daß jedem Deutschen die M öglichkeit gegeben werden soll, durch wirtschaftliche A rbeit seinen U nterhalt zu verdienen, m it dem Zusatz:

„ S o w e i t i h m A r b e i t s g e l e g e n h e i t n i c h t n a c h g e w i e s e n w e r d e n k a n n , w i r d f ü r s e i n e n n o t w e n d i g e n U n t e r h a l t g e s o r g t . Das Nähere wird durch besondere Reichsgesetze bestimmt.“

H ier ist vor allem die Tatsache bedenklich, daß das Reich in einem Augenblick, wo ihm die E rfüllung der bereits bestehenden Verpflichtungen, schwer, wenn nicht unmöglich ist, neue Verpflichtungen übernimmt, deren Umfang kaum übersehen werden kann.

Der Schwerpunkt des Gesetzes liegt aber im § 2, wo es heißt:

„Das Reich ist befugt, i m W e g e d e r G e s e t z ­ g e b u n g g o g e n a n g e m e s s e n e E n t s c h ä d i ­ g u n g

(5)

1. fü r eine Vergesellschaftung geeignete w i r t ­ s c h a f t l i c h e U n t e r n e h m u n g e n , ins­

besondere solche zur Gewinnung von Bodenschätzen und zur Ausnützung von N aturkräften, i n G e ­ m e i n w i r t s c h a f t z u ü b e r f ü h r e n ;

2. Im Falle dringenden Bedürfnisses d i e H e r - s t e l l u n g u n d V e r t e i l u n g w i r t s c h a f t ­ l i c h e r G ü t e r g e m e i n w i r t s c h a f t l i c h

z u r e g e l n .

Die näheren Vorschriften über die Entschädi­

gung bleiben den zu erlassenden besonderen Reichs- gesetzen Vorbehalten.“

Hiernach kann das Reich a l l e hierfür geeigneten wirtschaftlichen Unternehmungen sozialisieren (in die Ge­

meinwirtschaft überführen). W e l c h e Unternehmungen dafür geeignet sind, bestim m t der Gesetzgeber, also die jeweilige M ehrheit des Parlaments, wobei unklar ist, ob die W orte: „ fü r eine Vergesellschaftung geeignet“ m it dem früher meist gebrauchten Ausdruck: „Sozialisierungsreif“ , gleichbedeutend sind oder ob sie weitergehen; dieser Zweifel kann aber auf sich beruhen, da der eine wie der andere Ausdruck völlig elastisch ist und die Frage offen läßt, unter welchen Voraussetzungen ein Betrieb „ fü r eine Vergesellschaftung geeignet“ oder unter welchen Voraus­

setzungen er „Sozialisierungsreif“ ist, wobei man sich an die Erläuterung des früheren Unabhängigen Preußischen Finanzministers S i m o n erinnern mag, daß a 11 e Be­

triebe sozialisierungsreif seien, in denen große Gewinne erzielt werden.

Es steht jedenfalls fest, daß die W orte „ fü r eine Ver­

gesellschaftung geeignet“ in Ziffer 1 der Sozialisierung irgendwelche ernstliche Schranken nicht entgegenstellen.

Der § 2 g ib t somit in Z iffer 1 der W irkung nach dem Reiche eine Blankovollmacht, gegen angemessene E n t­

schädigung a l l e w irtschaftlichen Unternehmungen zu sozialisieren ( „ in Gemeinwirtschaft zu überiühren“ ), m it der Maßgabe, daß dies im Wege der Gesetzgebung und

„gegen angemessene Entschädigung“ zu erfolgen hat.

Wenn die bürgerlichen Mehrheitsparteien gegenübei dieser Tatsache, welche m it früheren programmatischen und sonstigen Erklärungen g e g e n eine so weitgehende Sozialisierungsmöglichkeit nicht übereinstimmt, beruhigend darauf hinwiesen, daß es ja zur endgültigen Vornahme der Sozialisierung eines Unternehmens, insbesondere zur Entscheidung über A rt und Umfang dieser Sozialisierung, eines Gesetzes bedürfe, so kann ein solcher Hinweis über die Tatsache n icht hinweg helfen, daß hier der erste grund­

sätzliche S chritt auf einer schiefen Ebene gemacht ist, auf der ein beständiges weiteres Hinabgleiten mindestens erfolgen k a n n . Niemand kann wissen, ob die heutigen Mehrheitsparteien oder an ihre Stelle tretende, vielleich weit radikalere Elemente die K lin ke der künftigen Gesetz gebung in der Hand halten werden. Das gleiche g ilt von der Z iffer 2, wo die W orte „im Falle dringenden Bedürfnisses genau so wertlos sind, wie die W orte der Ziffer 1 „ fü r eine Vergesellschaftung geeignete“ (wirtschaftliche Unterneh­

mungen), also ebensowenig wie diese irgend eine teste Grenze darstellen können. Somit hat das Reich nach Z iffer 2 der W irkung nach die Befugnis, im Wege der Ge­

setzgebung und gegen angemessene Entschädigung a u c h b e i ni c h t s o z i a l i s i e r t e n U n t e r n e h m u n g e n di e H e r s t e l l u n g und d i e V e r t e i l u n g a l l e r wirtschaftlichen Güter gemeinwirtschaftlich zu regeln. - Danach kann auch zweifellos, ungeachtet der Versiche­

rung von Vertretern der jetzigen Regierung, daß man damit nicht etwa den Gemeinden das Recht geben wolle, den kleinen Kohlenhandel, der allein die enge persönliche Fühlung m it den Verbraucherkreisen haben und dauernd erhalten kann, auszuschließen, eine solche Ausschließung

seitens der Gemeinden erfolgen. Und auch hier kann der Einwand nicht beruhigen, daß hierzu ja ein Gesetz not­

wendig sei. Denn nur d e r Gesetzgeber ist heute bekannt, der die jetzige Blankovollmacht ausgestellt hat, aber nicht der, welcher etwa in Zukunft hieraus die ihm erforderlich scheinenden Konsequenzen ziehen wird.

Auch der Hinweis kann nicht beruhigen, daß der Gesetzgeber ja a l l e Sozialisierungsmaßregeln nur „gegen angemessene Entschädigung“ beschließen dürfe, wobei noch dazu die völlige Unbestim m theit des Begriffes „a n ­ gemessene Entschädigung“ beunruhigend wirken muß.

E in spartakistischer Gesetzgeber w ird in sehr vielen Fällen zu dem Schlüsse kommen, daß eine Entschädigung über­

haupt nicht gewährt werden könne, weil sie in diesen Fällen nicht angemessen sei.

Im § 4 des Gesetzes werden besondere Reichsgesetze angekündigt, welche die „ A u s n ü t z u n g v o n S t e i n ­ k o h l e , B r a u n k o h l e , P r e ß k o h l e u n d K o k s “ von W a s s e r k r ä f t e n und sonstigen natürlichen Energie und der aus jenen stammenden Energien ( E n e r g i e w i r t s c h a f t ) nach gemeinwirtschaftlichen

Gesichtspunkten regeln sollen.

Gleichzeitig m it dem Sozialisierungsgesetz, dessen In ­ k ra fttre te n m it dem Tage der Verkündigung erfolgt, t r i t t auch bereits

2. D a s G e s e t z ü b e r d i e R e g e l u n g d e r J K o h l e n W i r t s c h a f t in K ra ft, dessen Beratung ebenso, wie die des Sozialisierungsgesetzes, durchgepeitscht wurde. Die Einwendungen sachverständiger Abgeordneter, die gegenüber wichtigen Bestimmungen dieses Gesetzes sowohl bei den Plenarberatungen wie in der Kommission gemacht wurden, fanden so gut wie keine Beachtung. Es ist zwar von der Opposition durchgesetzt worden, daß vor der Kommission (in nicht offizieller Weise) eine größere Reihe von Sachverständigen auf dem Gebiete der Kohlen­

förderung und des Kohlenhandels gehört wurde, welche im wesentlichen die Einwendungen der Opposition be­

stätigten, aber irgend eine Einw irkung auf den Gang der Verhandlungen und auf die Entschließung der Kommission haben ihre Bekundungen nicht gehabt. Vielmehr glaubte ein sozialdemokratischer Abgeordneter, der nicht gerade zu den Sachverständigen der Kohlenwirtschaft gehörte, im Plenum ausführen zu können, die vernommenen Sach­

verständigen hätten nach seinem und seiner Freunde U rte il so „a lte Ladenhüter“ vorgebraeht, daß man darüber nur habe lachen müssen.

Das Gesetz regelt nach dem § 2 „ D i c w i r t s c h ä l t ­ l i c h e O r g a n i s a t i o n d e r K o h l e n w i r t - s c h a f t “ , wobei der § 1 als Kohle „im Sinne dieses Ge­

setzes“ Steinkohle, Braunkohle, Preßkohle und Koks“

bezeichnet. Das Gesetz bestimmt, daß die Leitung der Kohlenw irtschaft einem zu bildenden R e i c h s k o h l e n ­ r a t übertragen werde, dessen Zusammensetzung der­

jenigen des vorläufig zusammen zu berufenden S a c h ­ v e r s t ä n d i g e n r a t s (§ 3) entsprechen soll. Die Kohlenerzeuger werden fü r bestimmte Bezirke zu V e r ­ b ä n d e n und diese wieder zu einem G e s a m t v e r ­ b a n d m it der Maßgabe zusammengeschlossen, daß an der Verwaltung dieser Verbände, die Arbeitnehmer zu beteiligen sind.

Es w ird ausdrücklich gesagt (§ 2 Abs. 2 Satz 3 u. 4), daß den Verbänden die Regelung von F ö r d e r u n g , S e l b s t v e r b r a u c h und A b s a t z unter A ufsicht des R e i c h s k o h l e n r a t s obliege, daß die Reiohsregie- rung die 0 b e r a u f s i c h t führe und die P r e i s e regele.

Der Reichskohlenrat und die Verbände sind nach

§ 2 Abs. 3 bis zum 30. Juni 1919 zu errichten.

Das Nähere über die Zusammensetzung des Sach­

verständigenrats (also auch des späteren Kohlenrats) be-

(6)

stim m t der § 3; es mag genügen, hier zu sagen, daß er aus 50 M i t g l i e d e r n zu bestehen hat, die aus Ver­

tretern der Arbeitgeber und Arbeitnehmer (das Gesetz R at bezeichnenderweise die Reihenfolge: A r b e i t ­

n e h m e r n und A r b e i t g e b e r n ) , aus Vertretern des Kohlenhandels, der technischen und kaufmännischen An­

gestellten der kohlenverbrauch enden Industrie, der Ge­

nossenschaften, der städtischen und ländlichen Kohlen­

verbraucher, der Sachverständigen fü r Kohlenbergbau, Kohlenforschung, Verkehrswesen und Technik zu ent­

nehmen sind. Die von der Regierung zur Durchführung dieses Gesetzes zu erlassenden Ausführungsvorschriften bedürfen der vorherigen Zustimmung des Staatenaus­

schusses und eines von der Nationalversammlung einzu­

setzenden Ausschusses von 28 Mitgliedern. Die erlassenen Vorschriften sind der Nationalversammlung, wenn sie versammelt ist, sofort, andernfalls unm ittelbar nach ihrem Zusam m entritt vorzulegen und sind außer K ra ft zu setzen, wenn die Nationalversammlung es innerhalb eines Monats nach der Vorlegung verlangt.

Es ist kein Zweifel, daß gegen dieses Gesetz eine ganze Reihe der Bedenken n i c h t erhoben werden kann, welche gegen weitergehende Sozialisierungen zu erheben sind, zumal hier von einer Entziehung des bisherigen Eigen­

tums an den Zechen n icht die Rede ist und man einer stärkeren „Dem okratisierung der Betriebe“ heute kaiim noch sich entgegenstellen kann und soll.

Trotzdem glaube ich, daß die Bedenken g e g e n d i e v o r l i e g e n d e F a s s u n g d e s G e s e t z e s über­

wiegen.

Zunächst kann man das Gesetz nicht fü r sich allein betrachten, sondern nur in Verbindung m it dem Soziali­

sierungsgesetz, dessen § 2 es der Reichsregierung jederzeit ermöglicht, auf dem einmal betretenen Wege, dem Gesetz­

gebungswege, weiterzugehen, also in einem späteren Stadium auch die völlige Entziehung des Eigentums zu betreiben.

Aber auch das Kohlenwirtschaftsgesetz selbst läßt derartigen Weiterbildungen durch den ersten Satz des

§ 2 freien Lauf, welcher la u te t: „Das Reich regelt die gemeinwirtschaftliche Organisation der Kohlcnw irtschaft.“

Das vorliegende Gesetz bedeutet also nur einen e r s t e n S c h r i t t , dem andere nachfolgen können und, je nach dem D ruck der radikaleren sozialdemokratischen Elemente, auch nachfolgen werden. Irgendwelche heutigen Absichten oder auch Erklärungen der Reichsleitung können daran nichts ändern.

Unter Ablehnung der sachverständigen Darlegungen der Abgeordneten H u g e n b e r g und V o g l e r ist nicht nur der Absatz, sondern auch die Förderung und der S e l b s t v e r b r a u c h der Regelung der Verbände unter Aufsicht des Reichskohlenrats, übertragen, so daß den sachverständigen Leitern des Unternehmens auf s ä m t ­ l i c h e n Gebieten der Kohlenwirtschaft, die Leitung zwar nicht v ö l l i g aus der Hand genommen, aber doch aus­

gehöhlt und überaus erschwert wird. Die Aufsicht des Reichskohlenrats w ird überdies eine unerträgliche H e m ­ m u n g des Betriebes darstellen, da die Entscheidungen dieses großen Gremiums auch beim besten W illen aller Beteiligten Zeit und möglicherweise Erhebungen in Anspruch nehmen. Aus diesen Gründen kann und w ird nach meiner Ueberzeugung das Gesetz k e i n „Ansporn fü r unser Wirtschaftsleben“ sein, sondern eher das Gegenteil. Es w ird keine '„Belebung der Arbeitsfreude“ , sondern das Gegenteil herbeiführen. Ohne jeden Zweifel kann die Anwesenheit auch von Arbeitern im Reichskohlenrat häufig dann von Nutzen sein, wenn es gelingt, w irklich sachverständige Arbeiter hineinzusenden, die allerdings in den meisten Fällen eine Sachkunde hinsichtlich a l l e r Betriebszweige des Einzelunternehmers nicht haben können und noch weniger eine Sachkunde in bezug auf-die beson­

deren Verhältnisse anderer dem Reichskohlenrat unter­

stellter Betriebe, in denen sie nicht gearbeitet haben.

Es haben aber leider die praktischen Revolutions­

erfahrungen, insbesondere die m it den Wahlen in die Arbeiterräte gemachten, darüber keinen Zweifel gelassen, daß in sehr vielen Fällen, vielleicht in der Mehrzahl aller Fälle, nicht etwa der verständigste Arbeiter in den Reichs­

kohlenrat gewählt wird, sondern der, welcher am lautesten und radikalsten die P o litik der jeweiligen Arbeiterwähler- m ehrheit zu vertreten weiß. M it anderen W orten: die Wahlen werden bei Arbeitern und Angestellten in der Mehr­

zahl der Fälle n i c h t nach sachlichen, sondern n a c h p o l i t i s c h e n G e s i c h t s p u n k t e n vorgenommen werden.

Daß auch noch die Reichsregierung die O b e r a u f ­ s i c h t fü h rt, also auch im Beschwerdeweg von den Beteilig­

ten angegangen werden kann und auch selbst in die Förde­

rung, den Selbstverbrauch und den Absatz eingreifen kann, , vermehrt die Bedenken und erhöht die Gefahr bureau- kratischen Geschäftsbetriebs, in dem das G e s c h ä f t als solches, um das es sich doch schließlich handelt, nicht ge­

deihen kann. Die Reichsregierung soll aber nicht nur die Oberaufsicht führen, sondern auch die F e s t s t e 11 u r i g d e r P r e i s e r e g e l n . Sie soll also nicht lediglich, wie bisher in Preußen, einen W i d e r s p r u c h g e g e n P r e i s e r h ö h u n g e n erheben können, sondern auch P r e i s h e r a b s e t z u n g e n verlangen können, oder gegen verschiedenartige Preisbedingungen in den ver­

schiedenen Bezirken oder im In - und Ausland Widerspruch erheben dürfen.

Und doch ist gerade die Preisregelung eine der technisch schwierigsten Fragen, die nur m it größter Umsicht und aul Grund jahrelanger Erfahrung von Sachverständigen gelöst werden kann. Das sind Fragen, die nicht nach Befragung mehrerer Instanzen, nicht nach zeitraubender Erwägung unsachverständiger oder nicht völlig sachverständiger Instanzen gelöst werden können. Es sind auch Fragen, die oft m it raschestem Entschluß und nur unter Berück­

sichtigung der Lage des Weltmarktes, der vorhandenen und der besonders schwierig zu schätzenden zukünftigen Entw icklung des W eltm arkts, der allgemeinen w irtschaft­

lichen Lage und der besonderen Lage des Unternehmens, der Voraussetzungen und Erfordernisse des Exports, der in der Heim at und im Ausland vorhandenen Vorräte, der Stärke und voraussichtlichen Dauer des Bedarfs und der Aufnahmefähigkeit usw. entschieden werden können, und vielleicht fü r einen Bezirk anders zu entscheiden sind wie fü r einen anderen. Nach dem System des Entwurfs ist es mindestens nicht ausgeschlossen, daß alle diese schwie­

rigen und komplizierten Preisregelungsfragen von einer nicht vo ll sachverständigen Mehrheit entschieden werden, daß eine notwendige Preiserhöhung aus politischen Gründen abgelehnt, oder daß eine zwecks Erzielung höheren Absatzes erforderliche Preisherabsetzung erst zu spät bewilligt wird.

* Wie steht es auf dem Gebiete des Kohlenwirtschafts­

gesetzes m it der E n t s c h ä d i g u n g s f r a g e ? Auf der einen Seite könnte man fragen, ob hier, wo lediglich eine Demokratisierung der Verwaltung, der Förderung und des Absatzes erfolgt, noch ein Raum fü r eine „angemessene Entschädigung“ gemäß § 2 Ziffer 2 des Sozialisierungs- gesetzes sei, und ob nicht hier vielleicht ein geschickter Umweg und Ausweg gowählt sei, der gestatte, jede Entschädigung auszuschließen. A uf der anderen Seite ist jedoch im § 4 des Sozialisierungsgesetzes ausdrücklich gesagt, daß „ in Ausübung der in § 2 vorgesehenen Befugnis“

durch besondere Reichsgesetze und zwar zunächst fü r das Teilgebiet der Kohlenwirtschaft durch ein Gesetz über die Regelung der Kohlenwirtschaft, die Ausnutzung von Kohle, Braunkohle, Preßkohle und Koks nach gemein- wirtschaftlichen Gesichtspunkten geregelt wird, womit

(7)

zugleich im Prinzip die in eben jenem § 2 verordnete E n t­

schädigungspflicht anerkannt wird. Es ist kein Zweifel, daß sowohl der durch die Gemeinden etwa vom Kohlen- Kleinhandel ausgeschlossene Kohlenhändler, wie derjenige A ktionär oder Kuxbesitzer, der nachweisen kann, daß durch dieses Gesetz eine Entw ertung seines Besitzes erfolgt ist, sich auf diesen § 2 berufen wird. Das Rcichsgesetz, welches nach § 2 die näheren Vorschriften über die E n t­

schädigung zu enthalten hat, w ird zu diesen Fragen Stellung nehmen müssen.

Weitere Gesetze auf dem Gebiete der Sozialisierung sind bereits angekündigt, und von einzelnen Bundesstaaten hört man, daß dort ein selbständiges und weit radikaleres Vorgehen auf diesem Gebiete geplant wird, ganz abgesehen von den sogenannten „w ilden Sozialisierungen“ , welche die Arbeiter selbst vielfach durch Drohungen und Gewalt durch geführt haben.

Der Reichswirtschaftsminister hat auf eine Anfrage erwidert, daß jedes Vorgehen der Gliedstaaten in Sachen der Sozialisierung solange berechtigt sei, als nicht die Reichsgesetzgebung selbst ihrerseits gesetzlich auf dem betreffenden Gebiete vorgegangen sei.

W ir stehen also leider vor einer Periode beständiger und vielfach uferloser Experimente zu Lasten unseres er­

schöpften Wirtschaftskörpers. Ich habe den aufrichtigen AVunsch, daß sich die Befürchtungen, denen ich in diesen Zeilen Ausdruck gab, als unbegründet erweisen möchten.

Bewertung von Schulden und anderen Verbindlichkeiten.

Von Dr. Richard Rosendorff, Rechtsanwalt in Berlin.

W ie S t r u t z , der frühere Vorsitzende des siebenten, fü r die Besteuerung der Gesellschaften zuständigen Senats des OVG. und jetzige Senatspräsident des Reichsfinanz­

hofs, in seinem der Besprechung meines Buches: „D as Steuerrecht der stillen Reserven der Aktiengesellschaften”

gewidmeten Aufsatz in den „M itteilungen der Steueraus­

kunftsstelle des Deutschen Industrierats (Nr. 3) hervor­

hebt, geben die Kriegsbilanzen Probleme auf, „a n die die Gesetzgeber weder des H G B. noch der Einkommensteuer­

gesetze gedacht haben und nach den Erfahrungen früherer Kriege auch n icht denken konnten.” U nter diesen ist das Problem der B e w e r t u n g d e r V e r m ö g e n s ­ b e s t a n d t e i l e in A nbetracht der gegenwärtigen wie der zukünftigen Steuerlasten von um so größerer Bedeu­

tung, da eine Ueberbewertung später steuerlich nicht mehr ausgeglichen werden kann.

Die L ite ra tu r h a t daher auch den „ S t e u e r P r o ­ b l e m e n d e r K r i e g s b i l a n z e n ” ihre besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Sie behandelt aber vorzugs­

weise die A k t i v a des Vermögens, während man sich m it der B e w e r t u n g d e r P a s s i v a kaum befaßt hat. Man ging hierbei wohl von der Voraussetzung aus, claß die B e w e r t u n g d e r P a s s i v a , insbesondere d e r S c h u l d e n u n d s o n s t i g e n V e r b i n d ­ l i c h k e i t e n im allgemeinen m it keinen großen Schwierig­

keiten ve rkn ü p ft sei. A lle in die Praxis lehrt, daß die durch den Krieg hervorgerufene Umwertung aller W erte auch auf diesem Gebiet Zweifelsfragen geschaffen hat, die be­

sonders zur Vermeidung steuerlicher Nachteile eine Lösung erheischen. Es sollen daher nachstehend einige der auf­

getauchten Fragen einer kurzen Betrachtung unterzogen werden.

I. S c h u 1 d e n. In den Kommentaren w ird die Frage der Bewertung der Schulden meist m it dem kurzen Satz abgetan, es gelte dasselbe, wie bei Forderungen. Das ist aber keineswegs immer der Fall. So hebt S t r u t z 1) hervor, daß die Unsicherheit einer Forderung wohl zu ihrer Bewertung m it einem geringeren als ihrem Nennwerte,

l ) S t r u t z , Kom m entar zum Kstg. S. 241,

aber nicht zu dem Ansatz der gegenüberstehenden Schuld beim Schuldner m it einem solchen geringeren Werte führe.

Und während kein Zweifel darüber besteht, daß die Ver­

mögenslosigkeit eines Schuldners die völlige Abschreibung der Forderung beim Gläubiger rechtfertigt, kom m t bei der Bewertung von Schulden die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners überhaupt nicht in B etracht.2)

Weitere Unterschiede kommen besonders bei der Be­

wertung a u s l ä n d i s c h e r S c h u l d e n in Frage.

Bekanntlich h a t der Krieg eine außerordentlich hohe E n t­

wertung der Reichsmark im Auslande herbeigeführt.

Die Folge hiervon ist, daß jeder Deutsche, der eine in ausländischer Währung zu erfüllende Forderung gegen einen Auslandsschuldner besitzt, durch die Valutasteigerung einen entsprechenden, zurzeit allerdings nur buchmäßigen Gewinn zu verzeichnen hat, während umgekehrt auf seinen Auslandsverbindlichkeiten ein Verlust ruht. An­

gesichts der Unsicherheit hinsichtlich der zukünftigen Ge­

staltung der Devisenkurse ist es duichaus gerechtfertigt, daß der deutsche Kaufm ann seine Auslandsforderungen tro tz ihres derzeit höheren Wertes m it einem geringeren Betrage in die Bilanz aufnim m t, als die Umrechnung zum Devisenkurse am Bilanzstichtage ergeben würde. Dabei kom m t auch die Gefahr einer die deutschen Interessen schädigenden Behandlung der Auslandsguthaben durch das feindliche Ausland in Betracht. Die Veiwaltungs- gerichtshöfe haben daher auch die Veranschlagung der­

artiger Forderungen zu einem geringeren als dem Nenn­

werte durchweg fü r begründet e rklä rt.3)

Eine andere Behandlung müssen jedoch die aus­

ländischen Valutaschulden erfahren. Diese sind zu dem Kurse in Ansatz zu bringen, der sich nach dem a u g e n b l i c k l i c h e n Stande der Valuta ergibt.

Würde der Steuerpflichtige anders verfahren und etwa den alten Umrechnungskurs zugrundelegen, so würde er bei der steuerlichen Feststellung seines Vermögens bezw. seines Reingewinns einen irreparablen Schaden er­

leiden. Die rechtliche Grundlage h ie rfü r bieten die gesetz­

lichen Bestimmungen sowohl des H G B. wie des Besitz­

steuergesetzes. Denn § 40 des HG B. bestim m t ausdrück­

lich, daß bei der Aufstellung der Bilanz die Schulden nach dem W erte anzusetzen sind, der ihnen in dem Zeitpunkte beizulegen ist, fü r welchen die Aufstellung stattfindet.

Schon hieraus folgt, daß die von einigen Steuerbehörden vertretene Ansicht, es sei der W ert der Schulden bei Eingehung derselben maßgebend, unzutreffend ist.

Nach § 36 des Besitzsteuergesetzes sind Schulden nur dann m it dem Nennwerte anzusetzen, „sofern nicht besondere Umstände die Veranschlagung nach einem höheren oder geringeren W erte begründen.” In den veränderten Devisenkursen sind aber zweifellos derartige „besondere Umstände” im Sinne des Gesetzes zu erblicken.4)

Die angezogenen gesetzlichen Bestimmungen recht- fertigen die Einsetzung der Valuta-Verbindlichkeiten zum höheren Kurse auch dann, wenn die Unternehmungen sich gegen die ihnen aus der V aluta Verschlechterung drohen­

den Gefahren durch K a u f neutraler W ertpapiere eine Rückendeckung geschaffen haben, zum al da ja durch die Beschlagnahme der im deutschen Privatbesitz befindlichen ausländischen Wertpapiere die Gefahr besteht, daß diese Deckung wieder verloren geht, und die F innen bei einem

2) Entscheidungen des Reichsoberhandelsgericlits B d . 12 S. 18 und OVG. V I I 285, S i m o n , Bilanzen, 427.

8) Prß. OVG. vom 12. Pebr. 1916. Entsch. d. T hür.

OVG. 1915, 32. Bad Vgh. v . 9. Okt. 1918 (J. W . 1919, 205).

4) Manchen Gesellschaften ist in anbetracht der Schwierig­

k e it, ihre ausländischen Forderungen und Schulden ric h tig zu bewerten, auf ihren A ntrag Bilanzaufschub bew illigt w or­

den. So sagt die K a m m g a r n s p i n n e r e i S t ö h r & C o.

iin Geschäftsbericht fü r 1918: „D ie H erbeiführung dieser Maßnahme is t veranlaßt durch die Unsicherheit der Bewertung der Beteiligung der Gesellschaft bei den B o t a n y W o r - s t e d M i l l s zu Passale N. J. Es is t auch bisher nicht festzustellen gewesen, ob der Treuhänder fü r das feindliche Vermögen in Am erika den von ihm bereits wiederholt ange­

setzten Term in zum Verkauf des deutschen Effektenbesitzes an Shares der Botany Worsted M ills tatsächlich abgehalten hat, so daß ein zuverlässiger Maß st ab fü r die Bewertung des

(8)

weiteren Rückgang der deutschen Valuta Verluste erleiden, fü r die sie keine Deckung mehr finden.5 6)

Buchmäßig kann der Verlust auf die ausländischen Verbindlichkeiten derart zum Ausdruck gebracht werden, daß man entweder die ausländischen Kreditoren in der Bilanz entsprechend erhöht oder m it dem ursprünglichen Ansatz stehen läß t und einen besonderen „V aluta-A us­

gleichsfonds” einsetzt. Ersteren Weg h a t z. B. die G e ­ b r ü d e r S t o l l w e r k A. G. eingeschlagen. In ihrem Geschäftsbericht fü r 1916 heißt es: „D ie Beträge die w ir fü r Warenbeträge an ausländischen Banken schulden, sind zu den höheren Tageskursen eingesetzt.” Letzteres Verfahren w ählte die Lederwerke W i e m a n n A. G. in dem Geschäftsjahr 1918. Sie sagt: „Leider brachten uns diese (nämlich die seit November eingetretenen, weiter verschärften Verhältnisse) auch eine außerordentliche Ver­

schlechterung der Valuta. W ir waren deshalb gezwungen, fü r unsere Verpflichtungen ganz bedeutende Rückstellungen zu machen.” Diese Ausdrucksweise g ib t zu Mißdeutungen Anlaß, weil bei derselben nicht k la r erkennbar ist, ob die Rückstellungen nur dazu dienen sollten, der bereits ein- getretenen Entwertung der Valuta oder auch einei eist in Z ukunft befürchteten, weiteren Verschlechterung der­

selben Rechnung zu tragen. Soweit letzteres der Fall sein sollte, würde das K onto nicht steuerfrei sein.5)

in Am erika investierten Vermögens der Gesellschaft gegen­

w ärtig fe hlt F ü r den Bilanzaufschub konnte auch weiter der Umstand nicht außer acht gelassen werden, daß die Gesellschaft aus der Geschäftsverbindung der Friedenszeit V e r b i n d l i c h k e i t e n i n F r a n k w ä h r u n g gegenüber Gläubigern im feindlichen Ausland hat. Sah man sich auf der einen Seite behindert, die vorerwähnten A k tiv e n ameri­

kanischer Valuta zutreffend zu bewerten, so schloß auf der anderen Seite eine Berücksichtigung des derzeitigen T ie f­

standes der M arkvaluta, deren endgültige Festlegung im be­

vorstehenden Friedensvertrag voraussichtlich erfolgen dürfte, die Gefahr in sich, den Aktionären ein unzutreffendes B ild der Verhältnisse der Gesellschaft zu geben, wenn man im gegenwärtigen Z eitpunkt zu einer Bilanzaufstellung schreiten w ollte.“

6) Deckungs-Operationen waren bisher nur bei solchen Unternehmungen erforderlich, die, wie die deutschen Auslands­

banken, ih r K a p ita l überwiegend in Ländern m it schwankender Valuta angelegt haben. (Vergl. hierüber im einzelnen B o s e n ­

d o r f f : „D ie deutschen Ueberseebanken und ihre Geschäfte Bl. f. vergl. Bechtswiss. u. Volksw irt sohl. 3. Jahrg. H e ft 7/8, sowie: D e rs e lb e „L e développement des Banques Allemandes à l'E tra n g e r“ , Bevue Economique Internationale. Sept. u.

Okt. 1906.) . , , , , ,

Der Verband des Hamburger Einfuhrhandels hat gegen die ausnahmslose Beschlagnahme der Auslandswerte Einspruch erhoben und die Forderung aufgestellt, daß diese Papiere den Firm en zu belassen seien, die derselben zur Abdeckung ihrer ausländischen Schulden benötigen. Diese Forderung ist in der Bekanntm. betr. d. Ueberlassung ausl. W ertp. an d.

Beich v. 26. März (§ 10) berücksichtigt worden. Von anderer Seite ist der Vorschlag gemacht worden, die Schulden deutscher Firmen an feindliche Länder gegen die Guthaben deutscher Gläu­

biger im feindlichen Auslände zu kompensieren, oder der Staat solle eineValutagarantieübernehmen, d.h. den Firm en den ihnen bei einer späteren E rfüllung ihrer Verbindlichkeiten aus einem weiteren Rückgang der deutschen Valuta etwa entstehenden Verlust ersetzen. Die Frage, ob der Staat dafür haftbar sei, daß er Zahlungen an das Ausland während des Krieges verboten und damit den Verlust verschuldet hat, w ird von Oberlandes­

gerichtsrat H o f f m a n n nach dein geltenden Beeilt zu­

treffend verneint. (Vergl. Frankf. Zeitg. v . 2. Febr. 1919, I I. Morgbl.)

6) D erartige Fonds finden sich vielfach in den Bilanzen der deutschen überseeischen Banken. So wurde bei Gründung der deutsch-asiatischen Bank ein „Valuta-Ausgleichfonds , und als die Bank später ihre Geschäfte auch nach Indien aus­

dehnte, ein „indisches Valuta-Ausgleichskonto“ gebildet, welches später nach Stabilisierung der indischen Valuta wieder wegfiel. Bei der Gründung der Banca Commerciale Italiana im Jahre 1894 wurde ein „Kursausgleichungsfonds“ gebildet, der zum Ausgleich des Minderwerts des eingezahlten Grundkapitals gegen den jeweiligen Goldwert des gleichen Nominalbetrages dienen sollte. Vergl. hierüber B o s e n d o r f f : „D ie deut­

schen Banken im überseeischen Verkehr“ , in S c h m o l l e r s Jahrb. X X V I I I , 4.

I I . Die auch früher schon wiederholt erörterte7) Frage, ob s c h w e b e n d e V e r b i n d l i c h k e i t e n in der Bilanz zum Ausdruck kommen können, ist durch die Kriegsverhältnisse in eine neue Beleuchtung gerückt worden und h a t m it R ücksicht auf die Steuerfrage er­

heblich an Bedeutung gewonnen. Es handelt sich hierbei

um folgendes: , , , ,

Bekanntlich ist es in der Praxis nicht üblich, eine von einer Gegenleistung noch abhängige Forderung in die Bilanz aufzunehmen. Dies geschieht vielmehr erst dann, wenn der eine Teil seine ihm dem andern Teil gegenüber obliegende Verpflichtung e rfü llt hat. Der G iund h ie rfü r liegt keineswegs, wie S i m o n8) meint, m der U nfähigkeit der doppelten Buchführung hierzu, sondern b e iu h t auf praktischen Erwägungen. Denn da Gewinne m der Bilanz erst dann ausgewiesen werden, wenn sie realisiert sind, so würden bei Aufnahme von schwebenden Verbindlich­

keiten auf der A k tiv - und Passivseite der Bilanz immei die gleichen Beträge erscheinen. Die Aufnahme dieser Posten würde also fü r die Feststellung des Vermögens einerseits ohne Einfluß sein, anderseits aber der Bilanz die erforderliche Uebersicht nehmen und die Buchführung erschweren. Rechtlich ist jedoch die Aufnahme derartiger Engagements keineswegs ausgeschlossen, ja es g ib t sogar Fälle, in denen die Aufnahme derselben in die Bilanz un­

bedingt geboten ist, wenn anders dieselbe ihre Aufgabe, das Vermögen des Kaufmanns klarzustellen, erfüllen soll.

Das Reichsoberhandelsgericht9) sagt daher: „N u n be­

rü h rt unzweifelhaft ein abgeschlossener, noch nicht aus­

geführter Lieferungsvertrag auf Zeit sowohl als A k tiv u m wie als Passivum das Vermögen des Kontiahenten, und rechtlich ist durch A rt. 31 cit. die Berücksichtigung diesei durch Lieferungsverträge entstandenen, Vermögensrecht- lichen Verhältnisse bei Aufstellung der Bilanz n icht aus- geschlossen. O b u n d n a c h w e l c h e m w e i t e , s e i e s a l s A k t i v u m , s e i es a l s P a s s i v u m , d i e A u f n a h m e d e r R e c h t e u n d P f l i c h t e n a u s s o l c h e m V e r t r a g e b e i A u f s t e l l u n g d e r B i l a n z n a c h d e n p r a k t i s c h e n V e r ­ h ä l t n i s s e n d e s F a l l e s f ü r a n g e m e s s e n u n d e r f o r d e r l i c h z u e r a c h t e n i s t , i s t e i n e r e i n e T a t f r a g e . ” , , . , , . ,

Die Voraussetzungen fü r eine solche Aufnahme sind nun dann immer gegeben, wenn es bei der Aufstellung der Bilanz bereits feststeht, daß die E rfüllung eines noch nicht erfüllten Lieferungsvertrages Verluste m it sich bringen wird.

Dann pflegen die Gesellschaften hiergegen Vorsorge durch Einsetzung eines Reservefonds zu treffen. So fü h rte eine Gesellschaft m. b. H. in ihrer Beschwerde gegen die Ent- Scheidung der Berufungskommission aus, sie habe in nne Bilanz einen „Reservefonds fü r K o n ju n ktu rve ilu ste an Friedensaufträgen" unter Beobachtung dei Vorsicht eines ordentlichen Kaufmannes eingesetzt. Dieser Fonds solle zur Ergänzung der Metallbestände dienen, um daraus den voraussichtlichen Ausfall zu decken, welcher entstehen werde, wenn sie sich fü r die aus der Zeit vo r dem Kriege stammenden Lieferungsverbindlichkeiten m it dem erforderlichen, zurzeit nicht als Bestand vorhandenen K upfer nach dem Kriege zu einem voraussichtlich hohen Preise eindecken müsse.

Dieses Verfahren w ar aber unzweckmäßig, und das Verlangen der Gesellschaft auf Steuerfreiheit des fraglichen Postens mußte daher nach der ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts zurückgewiesen weiden. Denn hiernach ist ein Reservefonds, der z u r künftigen Verwendung fü r zwar mögliche, aber noch nicht eingetretene V erluste dient immer steuerpflichtig. (OVG. X I I I , 305.)

Die Gesellschaft wäre aber durchaus dazu berechtigt gewesen, Steuerfreiheit dieses Postens zu beanspruchen, da es sich garnicht um einen voraussichtlich erst in der 7) B e i l a r d i , B.-A. v. 1. A p ril 1913, 8. 205;P a s s o w, Bilanzen (2. Auf!.) Bd. 1 8. 277; S t a u b , Anm. 8 zu § 40;

R e h m , Bilanzen (2. A u ll.) 49, 408; F i sc li e r , B ilanz­

w erte I I . 188, 193, 299. L e tz te r h alt die Berücksichtigung schwebender Geschäfte in der Bilanz im Gegensatz zu den erst angeführten Autoren fü r unzulässig.

“) Bilanzen 8. 174.

") Bd. 24 8. 73.

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