• Nie Znaleziono Wyników

Oesterreichisch oder Kosakisch? Reden der Abgeordneten Hausner und Wolski in der Adressdebatte des österreichischen Abgeordnetenhauses

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Share "Oesterreichisch oder Kosakisch? Reden der Abgeordneten Hausner und Wolski in der Adressdebatte des österreichischen Abgeordnetenhauses"

Copied!
52
0
0

Pełen tekst

(1)

-x- -x- -X- -X- -X- -X- -X- -X- -X- -X- -X- -X- -X- -X - -X - -X - -X- -X- -X - 'X - -x-

iterrei

R E D E N

d e r

Abgeordneten

HaUSlier

und

Dr. Wolski

in der A d ressd eb atte

ö ste rre ic h isc h e n A b g e o rd n e te n h a u se s .

r

W I E N .

V E R L A G V O N L. R O S N E P v 1 8 7 8.

EE

*

$

*

*

*

*

*

*

*

$

*

*

$

*

%

*

* Oll $

-v . ,V . -x - * * * * -X- * * * * * * * * * * * * -X- *

(2)
(3)

Oesierreicliiscti oder Kosakiscli?

R E D E N

d e r

Abgeordneten

Hausner

und

Dr. Wolski

in der A d ressd eb atte

des

ö s te rre ic h is c h e n A b g e o rd n e te n h a u ses .

WIEN.

V E R L A G V O N L. R O S N E R . 1 8 7 8.

(4)

'b i

6 4 0 3 G /1 JL

b , r + b ' t f l

(5)

In der bedeutungsvollen, jüngst zum Abschlüsse gelangten A dressdebatte haben die für den Adress- entw urf eingetragenen Redner der Verfassungspartei, wiewohl nichts weniger als freundlich gegen Russland gesinnt, die auswärtige Politik der österreichisch­

ungarischen Regierung vornehmlich aus constitutio­

neilen Rücksichten so wie im I n t e r e s s e d e s F r i e d e n s u n d a u s g i e b i g e r E r s p a r u n g e n i m S t a a t s h a u s h a l t e bekämpft.

Zwei polnischen Abgeordneten w ar es Vorbehalten, die Sache vom s t r e n g p o l i t i s c h e n Standpunkte aus zu beleuchten und namentlich das Verhältniss Oesterreichs zu Russland und die Consequenzen der Occupationspolitik einer eingehenden Prüfung zu unter­

ziehen.

Abgeordneter Dr. W o l s k i h at als erster, für den Adressentwurf eingetragener R e d n e r. diese An­

schauungen systematisch entwickelt und die Aufmerk­

sam keit der Verfassungspartei auf den von ihm ver­

tretenen Standpunkt gelenkt. Tags darauf ergriff Ab­

geordneter Otto H a u s n e r das W ort, um den Nagel 1 *

(6)

erweitern und die polnische Anschauungsweise den deutschen V olksvertretern und überhaupt allen F reunden der F reiheit und A ufklärung mundgerecht zu machen.

Indem wir angesichts des ungewöhnlichen Erfolges, welchen die H a u s n e r ' s e h e Rede hatte, sowohl diese Rede als auch die mit ihr in engem Zusammenhänge stehende und gewissermassen ihre Ergänzung bildende Rede des Abgeordneten Dr. W o l s k i nach den steno­

graphischen Protokollen bringen, glauben wir nicht nur einem augenblicklichen Bedürfnisse zu entsprechen, sondern auch in dem geschichtlichen Processe, welcher sich vor unseren Augen entwickelt, ein bedeutungs­

volles Moment zu iixiren.

Schliesslich sei noch erwähnt, dass beide polni­

sche Redner erst seit einigen Monaten dem öster­

reichischen Abgeordnetenhause angehören und ihre Wahl einer neuen, frischen Strömung verdanken, welche sich seit einiger Zeit in Galizien geltend ge­

macht hat. Sie hatten den Math, mit einigen Gesin­

(7)

nungsgenossen die eiserne Disciplin des reichsräth- iichen Polenklubs zu brechen und im Gegensätze zu der M ajorität ihrer Collegen, welche ungeachtet ihres Hasses gegen Russland sich aus Opportunitätsgründen auf’s Diplomatisiren verlegen, mit offenem Visir für ihre nationale Idee und die Sache der europäischen F reiheit einzutreten und die besten E rinnerungen an die von den Polen im Jah re 1848 eingenommene Stellung wachzurufen, ohne hiebei den österreichischen Boden zu verlassen.

W i e n , den 8. November 1878.

(8)
(9)

R e d e

des

A b g e o r d n e te n 1 >v. W o l s k i .

H o h e s H a u s !

In der Sitzung vom 7. Juni haben meine politischen Ge­

sinnungsgenossen durch den Mund des A bgeordneten H ausner erklärt, dass sie für die B edeckung des 60-M illionencredites nur in der E rw artung stimmen, dass es sich um Inau- gurirung einer P olitik handelt, welche R usslands H eber­

m acht ein- für allemal H a lt gebieten und der Expansion dieser Macht einen dauernd bleibenden Damm entgegen­

werfen soll. Zugleich haben wir für den F all, als es anders kommen, als der beschaffte Credit zu Parallelactionen oder Besitzvergrösserungen, zumal in Connivenz m it Russland verw endet werden sollte, uns ausdrücklich und feierlich da­

gegen verw ahrt, und die V erantw ortlichkeit für die V er­

wendung einer so ungeheuren M ehrbelastung der V ölker gegen ihr wahres Interesse von uns abgelehnt.

W enn ich nun heute in einer so hochwichtigen D e­

batte, in einem so hochernsten Augenblicke, angesichts so

(10)

vieler M eister des W ortes und Zierden des P arlam entaris­

mus das W o rt zu ergreifen wage, so geschieht es, um — allerdings nur im Kam en eines kleinen Häufleins von A b­

geordneten — zu erklären, dass wir unsere Heberzeugungen seit Ju n i nicht geändert haben, vielm ehr das seither G e­

schehene, die Occupation Bosniens und der H erzegow ina und im Allgem einen die ganze P olitik der Leitung unserer ausw ärtigen A ngelegenheiten auf das entschiedenste ver­

dammen und uns dadurch im höchsten Grade beunruhigt fühlen. U nd glauben Sie mir, glauben Sie, meine H erren, dass die ungeheuere M ehrheit der B evölkerung unseres L an ­ des in dieser V erdam m ung und dieser Beunruhigung mit uns vollkommen einverstanden ist.

Man sage ja nicht, dass unsere E rw artungen blosse somnia vigilantium waren, dass wir uns dazumal selbst ge­

täuscht und unseren W ünschen objective G estalt verliehen hätten. Lagen nicht in dieser R ichtung gewichtige Enun- ciationen des Leiters unserer ausw ärtigen A ngelegenheiten vor? W a r m an nicht berechtigt, von österreichisch-ungari­

schen Staatsm ännern zu erw arten, dass sie für die vitalen, für die elem entaren Interessen der Monarchie Sinn und V erständniss haben w erden? Auch A ndere haben dies er­

w artet. Nicht dieser (rechtens) Seite des hohen Hauses gehörte einer der ausgezeichnetsten P arlam entarier *) an, w elcher in der Delegation als G eneralredner für die den 60-M illionencredit betreffenden A nträge den Schw erpunkt seiner trefflichen R ede in folgenden Satz legte (liest) :

„ I n d e r d a u e r n d e n u n d u n u n t e r b r o c h e n e n a g g r e s s i v e n P o l i t i k d e s r u s s i s c h e n R e i c h e s l i e g t

*) Dr. tiuess.

(11)

_ 9 -

d i e g r ö s s t e G e f ä h r d u n g d e s e u r o p ä i s c h e n F r i e ­ d e n s . D i e g r ö s s t e u n d s c h w i e r i g s t e A u f g a b e , w e l c h e e i n e m ö s t e r r e i c h i s c h e n S t a a t s m a n n e g e g e b e n ist ' , i s t d i e , d i e s e r B e w e g u n g e i n e d a u e r n d e G r e n z e z u s e t z e n “ .

W ir hatten also, meine H erren, allen Anlass, die V er­

w irklichung oder w enigstens die Anbahnung eines r e t t e n ­ d e n w e l t g e s c h i c h t l i c h e n G e d a n k e n s zu erw arten und haben dafür einen A ct e k l a t a n t e r G e d a n k e n ­ l o s i g k e i t e r le b t; wir h atten allen Anlass, eine Action im grossen Style zu gew ärtigen, und erlebten dafür . . . ein A b e n t e u e r , ein A benteuer ohne rechtlichen und sittlichen H alt, mit flammenden Ortschaften, Leichenhaufen und Gal­

gen im H intergründe, und m it w eiterer Perspective auf ein Schiff, das Staatsschiff Oesterreichs, welches, ohne M agnetnadel, mit einem, trotzdem zuversichtlichen und von unbegrenztem Selbstvertrauen erfüllten F ährm anne unbekannten Klippen und Sandbänken entgegentreibt.

W a r es denn unbedingt nöthig — frage ich — uns ein europäisches M andat zur Occupation Bosniens und der H erzegow ina ertheilen zu lassen? W a r es denn in der T hat richtig, dass die P forte nicht im Stande war, die Ruhe und mit ihr ihre A utorität in diesen L ändern aufrecht zu erhalten ?

Ich glaube kaum . Im Gegentheile scheint mir der ottomanische Congressbevollmächtigte eben ins Schwarze getroffen zu haben, als er in der Sitzung des Congresses vom 28. Juni ausführte, dass die thatsächlichen Vorkom m ­ nisse, anstatt einen Schluss auf die Ohnmacht der Pforte in jenen Ländern zu berechtigen, vielm ehr beweisen, dass

(12)

die H errschaft der P forte in diesen Provinzen au f festen F üssen ruhte, indem sie intact geblieben ist, trotz der er­

klärten Feindschaft zweier benachbarter Fürstenthüm er, welche den Elem enten des Aufstandes fortw ährend neue N ahrung zuführten, trotz eines grossen und unglücklichen, in Europa und A sien geführten Krieges, welcher die K räfte und die A ufm erksam keit des türkischen Reiches absor- birte, trotz der auf allen P unkten erlittenen Niederlagen, trotz der N othw endigkeit, einen grossen Theil der in Bos­

nien und der H erzegow ina stationirten türkischen Arm ee an die Donau zu rufen.

Alles, was seither geschehen ist, erscheint m ir in hohem Grade geeignet, die R ichtigkeit dieser Anschauungs­

weise und die E ntbehrlichkeit des von Oesterreich ver­

langten europäischen M andates zu beweisen, und weise ich wirklich nicht, was ich an dem österreichischen Congręss- bevollm ächtigten m ehr bew undern soll, ob Unkenntniss der Thatsachen oder Selbstüberhebung. H a t j e , f r a g e i c h , d i e t ü r k i s c h e R e g i e r u n g z u r N i e d e r w e r f u n g e i n e s b o s n i s c h e n A u f s t a n d e s s o u n g e h e u r e m i l i ­ t ä r i s c h e u n d f i n a n z i e l l e A n s t r e n g u n g e n m a c h e n m ü s s e n , w i e w i r s i e z u m a c h e n g e z w u n g e n w a r e n ? Sahen wir nicht fast die halbe B evölkerung bis zu W eibern und Kindern gegen uns die W affen ergreifen?

W as aber die ü b r i g e B evölkerung anbelangt, so frage ich : H a t sich mit A usnahm e einer einzigen R äuberbande, deren Cooperation nachträglich als schimpflich für O ester­

reich zurückgewiesen w erden musste, e i n A r m für uns erhoben?

(13)

1 1

Nein, meine H e rre n ! S o f e s t e u n d t i e f e W u r ­ z e l n , w i e d i e o t t o m a n i s c h e H e r r s c h a f t i n d i e s e n P r o v i n z e n g e t r i e b e n h a t , w i r d O e s t e r r e i c h n i e u n d n i m m e r m e h r d o r t t r e i b e n und kann sie auch nicht treiben, aus Gründen, die ich im w eiteren Verlaufe m einer R ede zu besprechen G elegenheit haben werde.

Oder w ar vielleicht die Occupation aus dem Grunde nöthig, weil die türkische H errschaft m it der Sicherheit der Christen unvereinbar wa r ? E itle W o rte dies! R u s ­ s i s c h e G räuelthaten stehen heute an der Tagesordnung und die m it ihnen in Bezug auf G rausam keit und Scheuss- iichkeit nicht im entferntesten zu vergleichenden türkischen Gräuel gehören heutzutage schon der Geschichte an. Der im Laufe des officieilen Krieges zwischen Russland und der T ürkei ü ber „freundschaftliche“ Einw irkung der euro­

päischen M ächte niedergehaltene Volksgeist der m usel­

männischen B evölkerung schlug nach dem K riege angesichts der Schmach und Erniedrigung des Osmanenreiches an m ehreren P u n k te n in hellen Flam m en auf, ja, er verstieg sich hie und da zu so wahnwitzigen V erbrechen, wie die Erm ordung M ehemed A li’s — aber selbst aus jen en P ro ­ vinzen, wo die A utorität des Sultans factisch aufgehört hatte, wo nach dem officiellen Sprachgebrauche nur Anarchie und Fanatism us herrschte, selbst von dort h ö r t e n w i r v o n k e i n e r s y s t e m a t i s c h e n V e r f o l g u n g d e r C h r i ­ s t e n , v o n k e i n e n a n i h n e n v e r ü b t e n G r a u s a m ­ k e i t e n u n d G r ä u e l n . W ed er aus Albanien erhielten wir solche B erichte, noch aus dem von dem R hodope­

aufstande eingenomm enen Landstriche, noch aus Bosnien

(14)

und der H erzegow ina vor dem Einm ärsche der Oester - - reicher und w ährend des m it ihnen geführten Kampfes!

F o rt also m it gleissnerischen P h ra se n ! X icht um H um anität handelt es sich hier. (H u fe: Sehr w ahr!) H ä t t e n w i r w i r k l i c h H u m a n i t ä t s - R ü c k s i c h t e n v o r A u g e n , s o w ü r d e n w i r d e m O b e r s t e n R a a b es n i c h t v e r w e h r t h a b e n , d e n B e r i c h t d e r i n t e r ­ n a t i o n a l e n R h o d o p e - C o m m i s s i o n z u u n t e r f e r ­ t i g e n . (Iiufe: Sehr w a h r! Bravo!) Um H um anität, um

Schutz von Glaubensgenossen handelt es sich h ier? Als ob der H um anität gedient worden w äre durch die H e k a ­ tom ben von Opfern, die e b e n i n F o l g e d e s E i n ­ m a r s c h e s der O esterreicher hingeschlachtet worden sind.

Um H u m a n itä t! Als ob zur Zeit des B erliner Friedens und unm ittelbar vor dem selben in Bosnien und der H e r­

zegowina nicht wenigstens relative R uhe geherrscht hätte, als ob nicht eben die vorgebliche Pacification in jen e B erge und T häler T o d , Flam m en und V erderben ge­

bracht h ä t te !

Ich gehe w eiter. H a t man aus was im m er für G rün­

den die Occupation Bosniens und der H erzegow ina für nöthig erachtet und ein europäisches M andat hiezu einmal erw irkt, so frage ich: W arum hat m an denn m it der P forte ü ber die Bedingungen und näheren M odalitäten dieser Occupation keine vorläufige Convention abgeschlossen?

Ja , sagt man, im B erliner F ried en geschieht einer solchen Convention keine ausdrückliche Erw ähnung. In der T hat lautet der diesfällige Absatz des X X V . A rtikels des B erliner F riedens kurz und bündig (liest): „Les pro- vinces de Bosnie et d’Herzegovine seront occupees et

(15)

13

adm inistrees par l’A utriche - H ongrie“, „Bosnien und die H erzegow ina wird von O esterreich-U ngarn besetzt und ver­

waltet w erd en .“ A ber abgesehen davon, dass jedenfalls R ücksichten des Anstandes und der Courtoisie gegenüber einem befreundeten N achbarstaate eine Convention ange­

zeigt und nöthig erscheinen Messen, abgesehen davon ist eben aus der von mir verlesenen Vertragsbestim m ung zu erseh en , dass es lediglich A bsicht der vertrag- schliessenden Mächte war, Bosnien und die H erzegow ina durch uns v e r w a l t e n und zu diesem Behufe besetzen zu lassen, k e i n e s w e g s a b e r u n s d a s E i g e n t h u m d i e s e r P r o v i n z e n , d i e S o u v e r ä n e t ä t ü b e r d i e ­ s e l b e n z u zu w e n d e n . W ie anders lauten doch die V er­

tragsbestim m ungen, welche definitive B esitzabtretungen an R ussland, R um änien, S e rb ie n , Montenegro und Persien betreffen!

Aus dem w eiteren Contexte des A rtikels X X V . des B erliner F riedens, nam entlich aus den W o rte n : „L ’A utriche- Hongrie ne desirant pas se c h a r g e r de l ’adm inistration du sandjak de Novi-Bazar . . .“ ist zu entnehm en, dass O esterreich sich die Occupation dieser Provinzen nicht als ein Lucrativum bedungen, sondern sich ihr eher als einem Onerosum unterzogen hat. U nd wenn es schon nach all­

gemeinen Rechtsgrundsätzen richtig ist, dass der V erw ahrer, der V erw alter einer Sache, oder, wie sich mein geehrter H e rr V orredner ganz zutreffend ausgedrückt hat, der S e q u e ­ s t e r der Sache, das Eigenthum srecht daran nie erw erben kann, so war es schon aus diesem Grunde seitens O ester­

reichs gewiss ein U nrecht, der P forte die loyalerweise gebotene A nerkennung ihrer trotz der Occupution fortdau­

(16)

ernden Souveränetätsrechte und eine Convention über die M odalitäten, sowie die voraussichtliche D auer dieser Occu- pation zu verw eigern. Es w ar dies um so gewisser ein U nrecht, als sogar in dem X IV . A rtikel des Friedens v o n S a n S t e f a n o , welcher entschieden für die Türkei ungün­

stiger war, eine Convention zwischen R ussland und O ester-’’

reich in Bezug auf Bosnien und die H erzegow ina ausdrück­

lich in Aussicht gestellt worden war. . . .

Steifen w ir uns also nicht, meine H erren, au f R echt und G e se tz; w eder das E ine noch das A ndere spricht lei­

der für uns. H ur Ein Gesetz kenne ich in der W elt, ein einziges, welches im gegebenen F alle für uns sprechen könnte, aber we i t , s e h r w e i t muss ich es suchen:

A uf den Inseln Heu-Seelands wohnt das V olk der Maoris, welches ungeachtet seiner B ekehrung zum Christen- thum e eine R eihe wunderlicher Sitten und Gebräuche b e­

wahrt. H eben dem bekannten „T abu“ besteht dort eine Sitte, ein G esetzeskraft habender Brauch, „M uru“ ' genannt, demzufolge in F ällen, wo Jem anden, sei es aus eigenem V erschulden oder durch Schicksalsfügung, ein Unglücksfall trifft, seine H achbarn und F reu n d e berechtigt sind, sich über ihn zu stürzen, ihn zu misshandeln, sein Eigenthunr wegzuschleppen und ihn dafür zu „strafen,“ dass ihm ein Unfall widerfuhr.,, Europäische Reisende und E thnographen zucken m itleidig die Achsel ü ber diesen so unnatürlichen, so unmenschlichen B rau c h ; aber wa s , f r a g e i c h , w i r d d e n n i n E u r o p a g e ü b t , w a s A n d e r e s h a b e n w i r s e l b s t a n d e r T ü r k e i i n V o l l z u g g e s e t z t a l s e b e n d a s G e s e t z „ M u r u “ ?

(17)

15

A ber so strenge man auch in rechtlicher und m orali­

scher Beziehung unsere P olitik verdam m en mag, so tritt doch dies Alles in den H intergrund gegenüber der politi­

schen Seite der F rage, I n der P olitik bleibt ein U nrecht, ja ein V erbrechen zuweilen ungestraft, ein F e h l e r bleibt es n i e ! Nun haben w ir in der Occupationsfrage einen Fehler, einen unverzeihlichen Cardinalfebler begangen und unermesslich sind die Gonsequenzen dieses F ehlers!

W enn es wahr ist, was der ungarische M inisterprä­

sident behauptet, d a s s n ä m l i c h d i e O c c u p a t i o n v o r ­ g e n o m m e n w u r d e , d a m i t d i e s l a v i s c h e K e t t e , di e s i c h u m d i e F ü s s e O e s t e r r e i c h - U n g a r n s zu s c h l i n g e n d r o h t e , d u r c h b r o c h e n w e r d e , w e n n d i e s e s e t w a s m e h r i st , a l s e i n e j e n e r b i l l i g e n P h r a s e n , m i t d e n e n d e r m a g y a r i s c h e S t a a t s m a n n d i e ö f f e n t l i c h e M e i n u n g s e i n e s , w i e m a n s a g t , p o l i t i s c h r e i f e n L a n d e s z u k ö d e r n , i r r e z u l e i t e n u n d s e l b s t f ü r d a s d e m V o l k s i n s t i n c t e A n t i p a - t h i s c h e s t e z u g e w i n n e n v e r s t e h t , dann frage i c h : W aren denn die Interessen Oesterreichs und jene der Türkei n i c h t i d e n t i s c h ? W a r es eben aus diesem Grunde nicht eine N o t h w e n d i g k e i t , e i n e u n a b w e i s l i c h e N o t h - w e n d i g k e i t , die Occupation im freundschaftlichsten E inver­

nehmen mit der P forte und auf Grund einer Convention mit ihr in Vollzug zu setzen?

B etrachten wir jezt die Folgen dieser politischen U nterlassungssünde. W ir haben die gesammte m uselm a­

nische B evölkerung uns entfrem det, wir haben sie m it tödt- lichem Hasse gegen uns erfüllt. A u f w e n , f r a g e i c h, w e r d e n w i r u n s d o r t s t ü t z e n ? Offenbar nur auf das

«

(18)

christliche Elem ent. A b e r i s t d i e s n i c h t d a s n ä m ­ l i c h e E l e m e n t , w e l c h e m w i r d i e V e l l e i t ä t z u ­ m u t li e t e n , m i t S e r b i e n u n d M o n t e n e g r o z u e i n e m sl a w is c h e n S t a a t e v e r s c h m o l z e n z u w e r d e n ?

Oder glauben Sie vielleicht, meine H erren, dass wir durch Reformen, durch civilisatorische T hätigkeit die bos­

nischen Slaven für uns werden gew innen können ? D a machen Sie die R echnung ohne den W ir th ! I m O r i e n t e g i l t a l s U n t e r d r ü c k e r , w e r g r u n d s ä t z l i c h m i t o r i e n t a l i s c h e n T r a d i t i o n e n b r i c h t . W ollten wir es im E rnste versuchen, dort zu reform iren und. zu culti- viren, und dieser bosnischen Bevölkerung, welche unter türkischer H errschaft, sobald sie einmal ihren Zehent an die R egierung berichtigt hatte, sonst in ungebundener F re i­

heit und Zügellosigkeit leben konnte, j e n e R e g e l n , j e n e B e s c h r ä n k u n g e n , j e n e L a s t e n a u f z u e r l e g e n , d i e v o n e i n e m g e o r d n e t e n S t a a t s w e s e n u n z e r ­ t r e n n b a r s i n d , wollten wir dort einmal unser Justiz­

system, unser W ehrgesetz, unsere Concurrenzgesetze, unsere Steuern und Steuerzuschläge, unser Salz- und Tabakm ono­

pol einführen, so werden Sie sehen, m eine H erren, dass a l l e s D i e s z u e i n e r f u r c h t b a r w u c h e r n d e n S a a t d e s H a s s e s g e g e n u n s w e r d e n w i r d .

Ja , meine H erren, wollen wir Bosnien und die H e r­

zegowina dauernd behalten, wollen wir uns in jenen L and­

strichen w eiter ausbreiten, so stehen wir vor folgendem D ilem m a: E n t w e d e r stützen w ir dort unsere H errschaft nur auf die Macht der B ajonnete und lassen bis in unab­

sehbare Zukunft in Bosnien und der H erzegow ina eine

(19)

17 :

respectable Armee G ew ehr bei Fuss stehen, um jeden Auf­

stand, er möge im Innern angezettelt oder von aussen im portirt w erden, sogleich niederzuw erfen; o d e r a b e r wir vernichten das m uselmanische Elem ent, m ehr als ein Drittel der Bevölkerung, und r e g i e r e n d i e ü b r i g g e ­ b l i e b e n e B e v ö l k e r u n g s o, w i e i h r e H e i s s s p o r n e u n d A g i t a t o r e n e s v e r l a n g e n , d a s h e i s s t : w i r e n t w i c k e l n i n i h r di e g r o s s e n t h e i l s n o c h s c h l u m ­ m e r n d e n K e i m e p o l i t i s c h e r A s p i r a t i o n e n u n d o r g a n i s i r e n a u s B o s n i e n u n d d e r H e r z e g o w i n a i m e n g e n A n s c h l ü s s e an d a s d r e i e i n i g e K ö n i g ­ r e i c h d a s P i v o t d e s z u k ü n f t i g e n g r o s s e n s ü d - s l a v i s c h e n S t a a t e s . . . . W ä h le n Sie, meine H erren, e i n D r i t t e s g i b t ’s n i c h t !

Und nun schauen Sie, meine H erren, wie weit wir bereits auf dieser B ahn gelangt sind, sehen Sie, in was für W idersprüche m an sich verwickelt, wie weit man sich von seinen eigenen Intentionen verirrt, wenn der erste falsche Schritt einmal gesetzt ist. W ir sollen jen e P r o ­ vinzen occupirt haben, d a m i t S e r b i e n u n d M o n t e n e ­ g r o s i c h n i c h t ü b e r B o s n i e n d i e H a n d r e i c h e n ; als jedoch vor einiger Zeit die Stellung der österreichischen Arm ee in Bosnien einen Moment lang erschüttert schien, haben sich offieiöse F edern nicht entblödet, eine C o o p e ­ r a t i o n Serbiens und M ontenegro’® zu unseren Gunsten in Aussicht zu stellen, d e s s e l b e n Serbien und d e s s e l b e n Montenegro, dessen Absichten wir dort parafysiren sollten.

. . . Bis auf die jüngste Zeit haben immer österreichische Staatsm änner die A ufrechterhaltung der U eberreste der türkischen H errschaft als durch die vitalen Interessen

2

(20)

Oesterreichs geboten an g eseh en ; als jedoch die P forte nicht allen Zum uthungen des G rafen A n d r a s s y unbedingt und willig Gehör schenken wollte, sahen wir da nicht, sehen wir nicht bis heute, wie officiöse B lätter gegen die Türkei hetzten und hetzen, wie sie verlangen, d a s s m a n n u r z u g r e i f e , d a s s m a n s i c h n u r w e i t e r a u s d e h n e , d a s s m a n b i s S a l o n i e hi , b i s a n d a s ä g ä i s c h e M e e r g e h e ?

Dies also, meine H erren , ist der Fluch der bösen Tliat, dass sie fortzeugend Böses muss gebären. W as das T raurigste ist, ist, dass solche Sirenen-Rufe m itunter von W irkung sind, dass es L eute gibt, die auf den Leim gehen, dass u nter A nderen (wie dies jüngst ein offieiöses B latt trium phirend registrirte) sich ein kaufm ännischer Verein gefunden hat, welcher einen Beschluss in diesem Sinne gefasst oder doch wenigstens der B erathung unterzogen haben soll. Das industrielle und commercielle Interesse Oesterreichs soll durch Annexionen, durch recht ausgiebige Annexionen auf der Balkanhalbinsel ausnehmend gefördert werden. . . .

E rlauben Sie m ir hier, meine H erren, eine geschicht­

liche R em iniscenz:

Vor kurzer Zeit sind drei Jahrhunderte vorüber, als Sigismund A ugust von Polen das russische R eich siegreich bekriegte und den F ass auf den R acken Ivan des G rau­

samen setzte. D er bedrängte W üthericb suchte und fand auch Hilfe bei grossen englischer. Handelscom pagnien, welche ihn reichlich m it Waffen und Munition versahen.

Nichts ist lehrreicher als der kürzlich veröffentlichte B rief­

wechsel, welcher sich aus diesem Anlasse zwischen dem

(21)

19

Polenkönige und E lisabeth von England entspann. „ D i e U n t e r t h a n e n E u e r M a j e s t ä t , “ s c h r e i b t K ö n i g S i g i s m u n d A u g u s t , „ w i s s e n s e l b s t n i c h t , w a s s i e t h u n . E s i s t n i c h t u n s e r m o m e n t a n e r G e g ­ n e r , d e n w i r a n R u s s l a n d b e k r i e g e n , es i s t d e r g e m e i n s a m e E r b f e i n d a l l e r c i v i 1i s i r t e n K a t i o ­ n e n . “ N atürlich verhallte diese Mahnung, sowie überhaupt alle seitdem so oft gehörten polnischen W arnungsrufe, un- gehört und unbeachtet, wie denn überhaupt uns von der V orsehung das Los der K assandra E uropa’s beschieden zu sein scheint. A b e r f ü r d a s G e l d , w e l c h e s e n g ­ l i s c h e K a u f l e u t e d a m a l s e i n g e s t r i c h e n h a b e n , f ü r d i e s e i t d e m z u a l l e n Z e i t e n v o n E n g l a n d s o w o h l g e g e n ü b e r R u s s l a n d , a l s s e i n e m n a t ü r ­ l i c h e n W i d e r s a c h e r , P o l e n g e g e n ü b e r , b e t r i e ­ b e n e K r ä m e r p o l i t i k , f ü r A l l e s d i e s e s b ü s s t j e t z t E n g l a n d , indem es sich auf allen P un k ten bedroht sieht und mit R iesenschritten einem tödtlichen Zweikampfe ent­

gegengeht. . . . Glauben Sie denn, m eine H erren, wenn w ir in diesem Augenblicke vor dem, übrigens sehr beding­

ten und problem atischen c o m m e r c i e l l e n Interesse das p o l i t i s c h e Interesse der Monarchie in den H intergrund trete n Hessen, wenn wir, um unserer Production weitere A bsatzquellen zu eröffnen, die Interessen und Absichten Russlands fördern und R ussland in die H ände arbeiten würden, glauben Sie denn, dass in diesem F alle d i e w e l t ­ g e s c h i c h t l i c h e S ü h n e ausbleiben w ürde? oder glau­

ben Sie, dass sie vielleicht erst späte G enerationen träfe, dass sie, wo nicht ebenfalls Jahrhunderte, so doch J a h r­

zehnte auf sich w arten lassen w ird? . . . Nein, meine

2*

(22)

H erren, einen beschleunigteren Gang hat heute die W e lt­

geschichte. Ich weiss nicht, ob wir schon todt sind, aber w i r r e i t e n s c h n e l l , w i e d i e T o d t e n . C oncentrin nicht Europa, concentrirt nicht 'O esterreich all sein Sinnen und Trachten darauf, die russische Macht lahm zulegen und einzudämmen, richtet es nicht alle seine Thaten und U n ter­

nehm ungen darnach ein, so wird — ütinam falsus sim vates — wahrscheinlich n o c h d i e h e u t i g e G e n e r a t i o n d e n U n t e r g a n g d e r e u r o p ä i s c h e n F r e i h e i t e r ­ l e b e n !

Es könnte aber vielleicht Jem and behaupten, dass noch der Beweis erbracht werden muss, dass unser V e r­

bleiben auf der Balkanhalbinsel die Absichten und In teres­

sen Russlands fördert. Ja , meine H erren, es fördert sie, weil es uns in eine schiefe Lage, in eine falsche Stellung b rin g t; ja, es fördert sie, weil wir in unm ittelbarer Conse- quenz unseres V orgehens zu einer unabsehbaren R eihe von Inconsequenzen förmlich gedrängt werden. Ja , es fördert sie, weil wir uns dadurch unsere natürlichen B undes­

genossen entfrem d en ; es fördert sie, weil wir dadurch gezwungen sind, uns auf unsere gebornen W idersacher zu stützen. Das V orgehen Oesterreichs droht die P forte zur Verzweiflung und d a d u r c h i n d i e A r m e R u s s l a n d s z u t r e i b e n , u n d h ä t t e o h n e d i e E n e r g i e u n d W a c h s a m k e i t E n g l a n d s s i e l ä n g s t i n d i e s e t ödt - l i e h e U m a r m u n g g e t r i e b e n . W as endlich Niem and abläugnen wird, ist dies, dass unsere Politik d i e R ä u ­ m u n g d e r B a l k a n h a l b i n s e l d u r c h d i e R u s s e n , w o n i c h t v e r e i t e l t , so d o c h i n F r a g e s t e l l t , e r ­ s c h w e r t u n d v e r z ö g e r t .

(23)

— 21 i

D iese R äum ung ist bekannterm assen die einzige werth- volle Errungenschaft des B erliner Friedens, sie ist die V or­

bedingung der r e l a t i v e n S i c h e r h e i t für unsere Monarchie, die V o r b e d i n g u n g d e s s e n , d a s s d i e v o n d e r t ü r ­ k i s c h e n H e r r s c h a f t b e f r e i t e n V ö l k e r s c h a f t e n a u c h w i r k l i c h f r e i w e r d e n u n d n i c h t i n R u s s l a n d a u f g e h e n . L au t hochwichtiger Enunciationen, die wir noch in den letzten Tagen zu lesen G elegenheit gehabt haben, behalten auch die leitenden englischen Staatsm änner diesen Gesichtspunkt fortw ährend im Auge und betrachten den Abzug der Russen als die wichtigste Aufgabe der nächsten Zukunft. W as thut aber u n s e r S taatsm ann? Vor lauter Bäum en sieht er den W ald n ic h t; er gestattet, dass die l e i t e n d e n G e s i c h t s p u n k t e v e r r ü c k t u n d v e r ­ s c h o b e n w e r d e n , d a s s e i n Z w i s c h e n f a l l , d a s s e i n e p i s o d i s c h e s M o m e n t , die Besetzung einer miserablen Provinz von, ich glaube, nicht einmal l 1/2 Millionen E in ­ wohnern z u m A n g e l p u n k t e d e r g a n z e n S a c h e w e r d e u n d d i e H a u p t f r a g e , e i n e F r a g e v o n w e l t h i s t o - , r i s c h e r B e d e u t u n g i n d e n H i n t e r g r u n d d r ä n g e .

Ich glaube es der E hre und dem C harakter Seiner Excellenz des H errn Ministers für die ausw ärtigen A nge­

legenheiten schuldig zu sein, anzunehmen, dass er Alles dies n i c h t v o r s ä t z l i c h u n d n i c h t a u s B e r e c h n u n g thut. (Heiterkeit.) Ich will glauben, ich möchte glauben, dass alle die ausw ärtigen Staatsm änner, welche öffentlich von R eichstädter Abm achungen sprachen, einfach P h a n ­ tasten und G eisterseher s in d ; ich will glauben, dass das D r e i - K a i s e r - B ü n d n i s s e b e n so e i n M y t h u s ist, wie die grosso Seeschlange, dass keine V ereinbarung über

(24)

die Theilung der Türkei und für Oesterreich keine V e r­

bindlichkeit besteht, die russischen Expansionsgelüste, w»

nicht zu unterstützen, so doch wenigstens zu dulden.

Sollte es in der T hat einen so kurzsichtigen, einen so naiven oder pflichtvergessenen, einen von Gott so v er­

lassenen Staatsm ann geben (Heiterkeit), der auf den A b­

schluss eines solchen Bündnisses einzurathen, es zu patro- nisiren den Muth gehabt h ätte? W eiss denn nicht jedes Kind, was für eine Bewandtniss es m it einem österreichischen A ntheile an der türkischen B eute haben m üsste? W ü r ­ d e n wi r u n s l a n g e d i e s e r B e u t e e r f r e u e n ? H i n g e es n i c h t v o n R u s s l a n d ab, i n j e d e m i h m g e l e g e n e n A u g e n b l i c k e a l l e s e i n e V a s a l l e n s t a a t e n u n d d i e n e u e n ö s t e r r e i c h i s c h e n U n t e r t h a n e n g e g e n O e s t e r r e i c h a u f z u w i e g e l n u n d d a d u r c h d e n F o r t ­ b e s t a n d d e r ö s t e r r e i c h i s c h e n H e r r s c h a f t a u f d e r B a l k a n h a l b i n s e l i n F r a g e z u s t e l l e n , j a s i e z u v e r n i c h t e n ?

Meine H erren! Dass die geschichtliche Hothwendig- keit das russische R eich an O esterreich als B eute anweist, dass Russland, sobald es einm al m it der T ürkei fertig ist, s i c h a n O e s t e r r e i c h m a c h e n w i r d , und dass der E ntscheidungskam pf zwischen beiden Staaten u n a b w e i s ­ l i c h w i e d e r T o d u n d n u r e i n e F r a g e d e r Z e i t i s t , dies ist eine Sache, welche weit über die M arken O esterreichs hinaus der D enker weiss, der gemeine Mann fühlt und das in solchen Dingen untrügliche Volksbewusst­

sein sicher und bestim m t voraussieht. Sollte man uns daher einfach belügen, sollte wirklich, sei es in R eichstadt oder irgendwo anders unter Intervention eines Maklers, mag er

(25)

23

nun ehrlich oder unehrlich sein (Heiterkeit), Oesterreich mit seinem Todfeinde ein Bündniss geschlossen haben und sollte dieses Bündniss noch für die Zukunft massgebend sein, so h ätte O esterreich — ich schwöre es! — s e i n T o d e s u r t h e i l u n t e r s c h r i e b e n !

Hoffen, wir, meine H erren, dass dem nicht so ist, und in dieser Hoffnung bringen wir die Sache vor den Thron, der da steht und bleibt, w ährend M inister kommen und gehen. Es ist nicht unsere Aufgabe, die M ittel zu detailliren, m it welchen die begangenen F e h le r gut gemacht und Bürgschaften für die Zukunft geschaffen w erden sollen.

Der günstige Moment dazu scheint heute noch vorhanden zu se in ; denn unrettbar hat sich O esterreich im Orient noch nicht com prom ittirt, u n d w e n n n i c h t a l l e A n ­ z e i c h e n t r ü g e n , s o s c h e i n t d e r I v r y s t a l l i s a t i o n s -

p u n k t z u e i n e m e u r o p ä i s c h e n B ü n d n i s s e m i t g e g e n R u s s l a n d g e k e h r t e r S p i t z e b e r e i t s v o r ­ h a n d e n z u s e i n . Es hängt vielleicht nur von O ester­

reich ab, dieses Bündniss zu einer weltgeschichtlichen That- sache werden zu lassen, daran für sich selbst au f alle F älle einen A nhalts- und Stützpunkt zu gewinnen und dem traurigen, dem verzweiflungsvollen Spruche, dass es k e i n E u r o p a m ehr gibt, seine A ctualität zu benehmen. W enn je, so steht h e u t e Oesterreich auf dem Scheidew ege; von seinen Entschliessungen hängt sein W ohl und W ehe, seine

Zukunft, ja seine Existenz ab ! . . .

Angesichts dessen, meine H erren, werde ich m it dem Adressausschusse nicht um W orte, um Ausdrücke oder ein­

zelne P hrasen im Adressentwurfe rechten, muss vielmehr den Adressausschuss beglückwünschen, dass er durch Modi-

(26)

fieirung des ursprünglichen Entw urfes manchem Mitgliede dieses hohen H auses den Anlass benommen hat, gegen die Adresse zu stimmen.

A llerdings ist auch noch im vorliegenden Adressent- wurfe Manches enthalten, was dieser oder jen er Fraction des hohen H auses missfallen d ü rfte ; ich selbst würde m an­

chen A bänderungen, wenn sie in F orm von Amendements beantragt w erden sollten, meine Zustim m ung geben. Da jedoch eine Adresse im mer eine A rt von Kompromiss zwischen P arteie n ist, da keine P artei verlangen kann, dass m an unbedingt nur ihren S tandpunkt gelten lasse, da sich gegen die H auptsache, nämlich gegen die C o n c l u s i o n e n der Adresse nichts einwenden lässt und es eben unsere Pflicht ist, die darin ausgedrückte t i e f e B e u n r u h i g u n g d e r V ö l k e r a u s A n l a s s d e s E i n l e n k e n s u n s e r e r P o l i t i k i n g e f a h r v o l l e B a h n e n zur Kenntniss der K rone zu bringen, da m an endlich durch Mäkeln an W o r­

ten, durch K ritisirung der B egründung und Einleitung der Adresse höchstens als platonischer W idersacher der P olitik unseres ausw ärtigen Amtes erscheinen, factisch jedoch dessen Absichten thätig fördern würde, so erachte ich selbst für den F all, wenn der A dressentw urf ungeändert zur Abstim mung gelangen sollte, es für meine Pflicht, für meine heilige Pflicht gegenüber dem Staate, dem ich angehöre, gegenüber dem Lande,, das mich hieher entsandt, gegen­

über der vielgeprüften N ation, deren Sohn ich bin und deren Geschicke an jene Oesterreichs g ekettet sind, einzig und allein m einer H eberzeugung zu folgen und entschieden f ü r die Adresse zu stimmen. [B ravo! Bravo!)

(27)

R e d e

des

A b g e o r d n e te n O tto H a u s n e r .

II o l i e s H a u s ! Die gestrige Adressdebatte hat m ir einen e ig e n tü m lic h e n , und ich muss offen geste­

hen, einen wenig erfreulichen E indruck gemacht. Im schroffen W iderspruche m it der ernsten Lage der Monar­

chie, im unversöhnten Gegensätze mit der düsteren Stim ­ m ung der Bevölkerung, deren treues Abbild sich in der Adresse abspiegelte, w urde von m ehreren R ednern der Opposition gegen die Adresse ein H um or und eine H e i­

terk eit entwickelt, um die ich sie, aufrichtig gesagt, nicht beneide. (H ufe linlcs: Sehr gilt!) Ich glaube, dass, wenn ein mit der Lage und m it den V erhältnissen der Monarchie vertrauter F rem der von der Galerie dieser D ebatte zuge­

hört hätte, er es eher begriffen hätte, dass ein so entmu- tliigter, obwohl so hart getadelter, so bitter verspotteter Ton in der Adresse nachldang, dass er es aber nicht b e­

griffen hätte, wie m an m it so viel satirisch e r Verve über Deficit und M enschenverluste, über unumgänglich nothwen- dig gew ordenen L änderraub und vor der T hüre stehender Allianz m it Russland, also über lauter heitere Dinge leicht­

lebig witzeln kann. (B ra v o ! B ra vo ! links.)

(28)

Ich für meine Person ziehe es vor, zu den von der Occupation acut Verblüfften, als zu den von der Occupa- tion chronisch A ngeheiterten gezählt zu werden. ( R ufe lin ks: Sehr g u t! Bravo!) L achen und scherzen können, wenn m an selbst in G efahr ist, ist gewiss ein schätzbares Zeichen von C harakter- und N ervenstarke, aber lachen und scher­

zen, wenn das V aterland in Gefahr ist, oder wenn es sich wenigstens auf abschüssigen B ahnen befindet, gegenüber unbekannten, düster verhüllten Ereignissen, ist ein Zeichen von Theilnahm slosigkeit, die ich wenigstens bei einem V olksvertreter gerne missen würde. (Lebhafter B eifall links.)

U nd da ich gerade von H um or spreche, so will ich mich vor A llem den B em erkungen des H errn A bgeordneten F ü rsten L i e c h t e n s t e i n zuwenden. Derselbe hat am B e­

ginne seiner B ede angekündigt, dass er seine conservativen, politischen und religiösen Ansichten zurückhalten wolle, um seine R ede uns m undgerecht zu machen.

Nun ist ihm das nicht vollständig gelungen, denn im Verlaufe seiner R ede h a t er m it B efriedigung von der Züchtigung des Islam s gesprochen, ohne uns zu sagen, zu w elcher G attung staatsrechtlicher Action die Züchtigung eines G laubensbekenntnisses gehört, in einem Lande, das man occupirt hat, um es zu verwalten, zu pacificiren und zu civilisiren (R u fe links: Sehr gut!), und verm uthlich ge­

hört das in dieselbe K ategorie, wie die von dem R edner beneidete schöne B efreierrolle Russlands, welche im R ho­

dopegebirge bis zur B efreiung fast säm m tlicher Einw ohner von allen irdischen Sorgen und Leiden geführt hat. (H ufe links: Sehr g u t! Lebhafte Heiterkeit.)

(29)

27

Seine D urchlaucht F ü rst L i e c h t e n s t e i n hat uns bezüglich der neuerw orbenen Provinzen Bosnien und Herzegowina m ehrere F ragen vorgelegt; er h at uns ge­

fragt, ob uns die geographische Lage, ob uns die Sitten, ob uns der K ostenpunkt an dieser E rw erbung nicht ge­

falle; nur vom R echtspunkte h a t er nicht gesprochen. (R u fe links: Sehr gut!) W en n er vom R echtspunkte gesprochen hätte, hätte ich ihm darauf geantw ortet, dass mir dieser R echtspunkt nicht gefallen hat , d a s s e i n e E r w e r b u n g o h n e R e c h t s t i t e l , o h n e K r i e g s f a l l u n d o h n e P r o v o c a t i o n d u r c h g e f ü h r t e i n s c h w e r e s U n r e c h t , d a s s es e i n L ä n d e r r a u b s e i (lebhafter Beifall links), d e n i c h s c h o n a l s M e n s c h , d e n i c h a l s ö s t e r r e i ­ c h i s c h e r S t a a t s b ü r g e r m i s s b i l l i g e n m ü s s t e , d e n i c h a b e r a l s P o l e v e r a b s c h e u e (lebhafter B eifall), denn auf dieselbe Art, ohne R echtstitel, ohne Kriegsfall und ohne Provocation wurde mein V aterland getheilt und vernichtet. (R u fe : So ist es!)

M e i n e r A n s i c h t n a c h d a r f e i n P o l e n i c h t d i e H a n d zu e i n e m ä h n l i c h e n V e r f a h r e n b i e t e n , u n d b e t r ä f e d i e s a u c h e i n V o l k , d a s d e m a s i a t i s c h e n S t a m m e , d e r m o h a m e d a n i s c h e n R e l i g i o n u n d e i n e r n i e d r i g e n C u l t u r s t u f e a n g e h ö r t . (Brano!)

Man wird m ir wahrscheinlich Idealism us und G-efühls- politik vorwerfen, und man w ird das mitleidig belächeln;

aber ehe einige Ja h re vergehen, w erden Ereignisse ein- treten, w elche darlegen werden, ob der Idealist oder die sogenannten R ealpolitiker m ehr politische Voraussicht g e­

zeigt haben, wenn sich die unseligen Folgen dieser R eal­

politik, wie sie leider bereits zweimal für Oesterreich in

(30)

F olge solcher R ealpolitik eingetreten sind, w ieder einstellen sollten. — Seine D urchlaucht F ü rst L i e c h t e n s t e i n hat uns scherzend angezeigt, dass die neuerw orbenen Provinzen Bosnien und die H erzegow ina und selbst Spizza uns den V ortheil einer V erm ehrung der A bgeordneten bringen würden. Ich fürchte sehr — möchte ich doch ein Schwarz­

seher, möchte ich ein sc h le c h te r, P rophet sein — dass drei Ja h re nach der Annexion Bosniens in ganz O ester­

reich kein A bgeordneter m ehr sein w ird (Beifall und W iderspruch), denn es gibt eine Folgerichtigkeit in der Geschichte, und es kann wohl eintreten, dass, nach dem mit R ussland zusammen begangenen U nrechte nach Aussen, fatalistisch das R ussland zu Liebe begangene U nrecht nach Innen vollzogen w erden wird (B u fe : G anz richtig /), und w er da glaubt, dass ich zu w eit gehe, dem rufe ich die allbekannten D aten 1849 „V ilagos“ und 1852 „A ufhebung der V erfassung“ zu. (Bravo!)

Ich wende mich nun zu der bedeutendsten R ede wider die Adresse, zur R ede Sr. Excellenz des H errn Grafen H o h e n w a r t .

W enn in m einer U eberzeugung der leiseste Zweifel an der V erw erflichkeit der Occupation bestanden hätte, so w äre dieser Zweifel nach Anhörung dieser übrigens ganz vortrefflichen R ede gänzlich geschwunden. Mit der gespann­

testen A ufm erksam keit lauschte ich jedem W orte des ge­

feierten R edners, und indem ich der Form vollendung, der trefflichen D ialektik, der hohen M eisterschaft in Benützung der Schwächen der Gegner, im E rregen der B egeisterung der A nhänger den verdienten, den gewohnten Zoll der H uldigung darbrachte, musste ich mir dennoch am Ende

(31)

- 29

dieses Kunstw erkes der Geschicklichkeit sagen, dass es doch eine sehr schlechte, eine verzweifelte, eine gerichtete Sache sei, zu deren V ertheidigung der erste R edner des Parlam ents schliesslich nicht Ein völlig überzeugendes A r­

gum ent, nicht Einen unanfechtbaren V ernunftgründ vorzu­

bringen im Stande war, dass er dieselbe nicht in E inklang mit irgend welchen Rechtsbegriffen zu bringen vermochte, und dass er zum Sophisma, zum Schlagworte und sogar zum D ichtercitate greifen musste, wie ein gew öhnlicher Sterblicher. (H eiterkeit.)

D er Schw erpunkt des Raisonnem ents Sr. Excellenz des H errn G rafen H o h e n w a r t besteht in Folgendem , was ich in drei Gruppen eingetheilt h a b e : E rsten s: „Die einmal begonnene Action muss vollendet werden, ob mit R echt oder nicht, sie ist ein geleitet, sie muss fortgeführt werden. W as glorreich begonnen wurde, muss glorreich vollendet werden, unsere Aufgabe ist es, die verpfändete E hre Oesterreichs einzulösen“. Diese Sätze scheinen mir Ein A rgum ent zu bilden. Zw eitens: „Die A ufrechterhaltung der Türkei w ar für die österreichische O rientpolitik nur Mittel, nicht Zweck, nicht Selbstziel. D a die T ürkei durch den B erliner Congress aus der R eihe der M ächte ge­

strichen und ihr nur durch völkerrechtliche Sitte noch eine Scheinexistenz gew ährt wurde, müssen w ir blos an die Sicherung unserer südöstlichen Grenze Dalm atiens und der Adria denken.“ Das ist die zweite Gruppe. D ritten s: „Die Einverleibung Bosniens ist den österreichischen Traditionen entsprechend“, und schliesslich die K ritik der Adresse selbst.

In der ersten Gruppe von B ehauptungen vermisse ich jeglichen Beweis, ja jeglichen Versuch des Nachweises, ob

(32)

denn diese Occupation wirklich recht und gut, ob sie nöthig und nützlich, ob sie in der Zukunft gesichert und haltbar sei. W ir vernehm en blos, dass sie einmal bereits einge­

leitet sei, dass sie deshalb fortgesetzt werden müsse.

D ieser absolute Grundsatz, dass eine politische Action blos deshalb, weil sie einm al begonnen wurde, und weil sie bereits Opfer, nam entlich an Blut, gekostet, auch im W iderspruche mit der besseren Einsicht fortgesetzt werden müsste, das ist ja Eines der landläufigsten Sophism en un ­ serer entarteten S taatskunst {Hufe: G anz richtig!), welche dam it am m eisten ihre völlige Loslösung von allen ein­

fachen Gesetzen des R echtes, der Moral und der gewöhn­

lichen K lugheit docum entirt (Lebhafter Beifall links), von jen en Gesetzen der M oral, des Rechtes und der gewöhn­

lichen K lugheit, welche den Einzelnen, die Fam ilie, die Association, aus denen schliesslich der S taat hervorgegan­

gen ist, regieren oder regieren sollen.

D er Einzelne, die Fam ilie und die Association w er­

den, was im m er für eine U nternehm ung, die sie nicht m ehr für nützlich halten, die sie nicht m ehr für erspriess- lich und zw eckentsprechend ansehen, abbrechen, zurück­

nehm en und nach Thunlichkeit gut zu m achen suchen.

(R ufe: So ist es!) In der hohen S taatskunst geht das nicht an. D a ist die Sühne verboten und verw ehrt, und zwar wird dieser G rundsatz deshalb aufgestellt, um denjenigen F actoren, nam entlich den V olksvertretungen, welche an dem Entw ürfe, an der U rheberschaft und an der V orbe­

reitung der Action gar keinen Theil hatten, wenn die That- sache da ist, sie als vollzogene Thatsache hinzustellen und dieselben zur M itverantw ortung und zum M ittragen der

(33)

31 :

Lasten und Opfer heranzuziehen. (Lebhafter B eifa ll und Händeldatschen links.)

Dieser so nackt hingestellte, absolute Grundsatz ist also durchaus unhaltbar, aber noch viel unhaltbarer ist der H inw eis auf die verpfändete E hre Oesterreichs. Also wenn ein S taat siegreich ist, wenn er im Yollgenusse seiner freien Disposition sich befindet, und wenn er aus freien Stücken, unge­

zwungen, aus K lugheit oder aus edleren Motiven einen Besitz, eine Stellung, einen verm eintlichen Gewinn aufgeben will, so lässt es seine E hre nicht zu. W enn er aber durch N iederlagen vom F einde dazu gezwungen wird, dann leidet die E hre w eder durch F lucht noch durch Aufgeben der Yortheile, noch durch die allerw eitestgehenden Concessionen, noch durch K riegscontributionen, noch durch A btretung eigenen Gebietes. (Iiu fe lin k s : Sehr richtig!)

Y erstehe wer da will eine solche A rt von Ehre ; ich vermag es nicht. D er G eschichtschreiber Italiens und des M ittelalters, H einrich Leo aus H alle, hatte für diese A rt von E hre einen K raftausdruck, den ich hier leider nicht w iederholen kann, da er gar zu unparlam entarisch klingt.

(Heiterkeit.)

A ber ich will Ihnen E tw a s V o rh a lte n , was gewich­

tiger und nam entlich trauriger ist, als der Ausspruch eines grossen H istorikers. W ir haben in unseren Tagen ein dra­

stisches Beispiel erlebt, wie diese Ehre verpfändet und wie sie ausgelöst wird in der unseligen Unternehm ung gegen Mexico, welche m it einer so schauerlichen K atastrophe ab ­ schloss. Als im J a h r e 1861 die französischen, spanischen und englischen Truppen vor Yera-Cruz standen, erklärte sich Mexico einverstanden, Satisfaction zu leisten und eine

(34)

Geldentschädigung an den beschädigten B ankier Jeck er zu zahlen. Die Spanier und E ngländer erklärten sich mit dieser Concession einverstanden und zogen ihre Truppen zurück. F rankreich hingegen erklärte, dass es seine Ehre nicht zulasse (Heiterkeit), da einm al die A rm ee über den Ocean gezogen sei, da sie einmal im Marsche gegen die H a u p tstad t begriffen sei, um zukehren und das U nternehm en aufzugeben; das schreckliche A benteuer wurde w eitergeführt, ein unglücklicher hochherziger P rinz w urde hineingezogen, es brach ein fünfjähriger V ertilgungskrieg aus, und als die Misserfolge kamen, als die M enschenverluste und Millionen­

verluste zu stark wurden, da plötzlich kam F rankreich zur Einsicht, dass seine E hre es jetzt gestatte (Heiterkeit) sich zurückzuziehen und den unglücklichen K aiser seinem Schick­

sale zu überlassen. (R ufe lin ks: Sehr gut!)

W a s aber m ehr ist, nachdem der K aiser ein E rzher­

zog von O esterreich vom K riegsgerichte verurtheilt unter den Kugeln des Executionspeletons gefallen war, wurde keinerlei R epressalie gegen Mexico geübt. Damals schien dies die E h re keines Staates in Europa zu verlangen, und wenn ich nicht sehr irre, ist Mexiko gegenw ärtig diplo­

m atisch in Oesterreich vertreten, das Alles weil der weite Ocean zwischen Mexico und Oesterreich, zwischen Mexico und F rankreich liegt. Befände sich aber Mexico in der bequem en topographischen Lage Bosniens ( Heiterkeit) und der Herzegow ina, da w ürde die Ehre nicht nur wegen jen er blutigen K atastrophe, sondern auch aus hundert an­

deren Gründen seine Annexion fordern. (Bravo! B ravo!

links.')

(35)

F e rn e r sagte Seine Excellenz G raf H o h e n w a r t : Wa s glorreich begonnen wurde, muss glorreich zu Ende geführt werden. W ie schön, wie euphonisch klingt das, wie das den Beifall von selbst herausfordert, wie das die m om entane Begeisterung hervorruft. (Heiterkeit.) A ber wie unw ahr, wie unbillig das ist. „G lorreich“ nennt Seine Excellenz G raf H o h e n w a r t die U nternehm ung gegen Bosnien, wie sie bisher vorliegt. Ich denke doch, dass ein solcher H eister des W ortes wissen sollte, welche N u­

ancen des Lobes, welche Steigerungen der A djective er gebrauchen soll, wenn er Grosses oder K leineres, wenn er Entscheidendes und Nebensächliches, w enn er W ichtiges und U nbeutenderes dam it kennzeichnen will. W enn die Occupation Bosniens glorreich war, welches ist dann das Epitheton, das Seine Excellenz G raf H o h e n w a r t der siegreichen V ertheidigung des V aterlandes gegen eine aggressiv vorgehende erobernde Grossm acht geben kann ? (B ravo! links.) Was ist dann das E pitheton für eine Schlacht von Aspern ? Gewiss, w er wird es nicht freudig anerkennen, dass unsere T ruppen sich w acker und brav gehalten haben (B ravo! Bravo!), dass sie ihre gewiss schwere und Manchem b ittere Pflicht so erfüllt haben, wie kaum Jem and von jungen Truppen es erw artet h a t (B ravo!j, dass, sie M ühseligkeiten, Strapazen und E ntbehrungen er­

tragen haben, die eine schöne V oraussetzung von den künf­

tigen Leistungen des V olksheeres gestatten. Also die ein­

zelnen Leistungen der Truppen waren glorreich, die U nter­

nehm ung w ar es nicht (B eifa ll links), denn diese U nter­

nehm ung hat erstens alle V oraussetzungen ihres U rhebers

z u Schanden gemacht. (R u fe links: Sehr richtig!) Nicht- mit

(36)

zwei Bataillonen, wie die Rodom ontade lautete (Heiterkeit), nicht mit drei Divisionen, mit denen der Anfang gemacht ward, sondern mit fünf Armeecorps ist sie durch ge führt worden.

N un frage ich einmal, oh man die E roberung einer Provinz von einer Million Einwohnern mit einem Aufgebote von 150.000 M ann binnen 2 Monaten, m it einem Verluste von 7000 Mann auf dem Schlachtfelde, ohne die zu zählen, welche in den L azarethen verkam en und noch verkommen, und nach A usgabe von 100 Millionen, ob m an eine Occu- pation, die das erworbene L and verwüstet und entvölkert h at, welche die übriggebliebene B evölkerung erbittert und entfrem det hat, ob m an eine solche Occupation eine glor­

reiche nennen kann? (R u fe links: Sehr richtig! B ravo!) E s w ar eine traurige, enttäuschende Occupation (H ufe links: Sehr richtig!), die wir hinnehmen können oder viel­

leicht auch nicht hinnehm en w e rd e n ; glorreich w ar sie aber nicht, dies Adjectiv müssen wir auf andere grössere Dinge aufsparen.

Auch m it der A nw endung des G rillparzer’schen W ortes kann ich mich nicht einverstanden erklären. D er grosso D ichter sagte im Ja h re 1848, indem er von R adetzky’S A rm ee s a n g : „In deinem L ager ist Oesterreich“, eine W a h rh eit. Dam als w ar die Monarchie in ihren Tiefen zer­

rü ttet, der B ürgerkrieg w üthete an allen Ecken und Enden und allein diese Arm ee, welche am Ende das Reich gegen den äusseren F eind schützte, konnte als Symbol der E inig­

k eit und Einigung gelten und konnte das W o rt des Dich­

ters hervorrufen. W as aber sehen wir je tz t? Die M onar­

chie ist in tiefem Frieden, sie ist geeinigt, kein Mensch

(37)

35

lehnt sich gegen das Gesetz und gegen die Verfassung auf, und im L ager einer Truppe, welche ein fremdes L and erobert hat und daselbst zu dessen Sicherung befindlich ist, in diesem L ager soll Oesterreich sein? (Heiterkeit. — Bravo!)

Ich glaube, das heisst denn doch etwas die Dinge auf den K opf stellen , um einen m om entanen Beifalls­

sturm hervorzurufen. {Hufe: Sehr g u t! Bravo!)

Ich gehe nun zur zweiten Gruppe der B ehauptungen des H errn Grafen H o h e n w a r t über, worin er sagt, dass die A ufrechthaltung der T ürkei nicht ein Ziel, sondern ein Mittel der österreichischen Orientpolitik war. Das ist w ahr, das ist aber nur eine ganz allgemeine P hrase (Bravo!), denn was für eine A ufrechterhaltung welches ausw ärtigen Staates ist denn für die österreichische P olitik Selbstzweck und -Z iel? (R u fe: Sehr g u t!) Selbstzweck und -Ziel ist blos die E rhaltung der eigenen Monarchie, der Schutz, die K räftigung des eigenen S ta a te s; alles andere ist Mittel, damit ist uns also gar nichts gesagt. (R ufe: Sehr richtig! — B ra v o !) A ber ein mächtiges Mittel war diese A ufrechter­

haltung, und um uns im Orient zu behaupten, um ü ber­

haupt nicht allen Einfluss im O rient zu verlieren, musste dieses M ittel fortw ährend sorgsam angew endet werden.

Nun belehrt uns H e rr G raf H o h e n w a r t in etwas unsicherer A rt — denn er musste wohl selbst heraus­

fühlen, wie in diesen Ausführungen eine Lücke sei — , dass diese Stützung der T ürkei nur durch diplomatische Mittel zu erlangen war, und dass man diese A ufrechterhaltung durch diplomatische Mittel auch so lange versucht und an­

gestrebt hat, bis es eben nicht m ehr ging.

(38)

.Jetzt wollen w ir einmal nachsehen, wie denn diese A ufrechterhaltung der T ürkei von Seite Oesterreichs durch­

geführt wurde. G raf . H o h e n w a r t sagt, dass die Türkei seit dem A drianopler F rieden im V erfalle sei und ein k ü n st­

liches L eben führe. Das ist, glaube ich, ein wenig zu weit gegriffen, denn im grossen orientalischen K riege, in den Jah ren 1853 bis 1856, h at die Türkei, ehe die W estm ächte ein griffen, ein volles J a h r R ussland W iderstand geleistet, hat es wiederholt bei Cetate, bei Oltenizza und K alafat geschlagen und überhaupt eine ganz m erkw ürdige Lebens­

kraft gezeigt. Doch ich will gerne zugeben, dass der erste wuchtige Stoss gegen die Türkei durch den Adrianopler F ried en geführt wurde.

N un liegt über den K rieg Russlands gegen die Türkei in den Jah ren 1829 bis 1828 ein treffliches W e rk vor, aus der m eisterhaften F ed er des grössten lebenden Strategen Moltlce, welches m it ungewöhnlicher K larheit und A nschau­

lichkeit die Ereignisse darstellt. D araus erhellt, dass dieser zw eijährige Krieg von den erschütterndsten W echselfallen begleitet war. D ieser im G eneralstabe des deutschen Höchst- comm andirenden befindliche Officier, der also eher p a r­

teiisch. für, als gegen Russland war, erklärt, dass m ehrmals Momente gekomm en waren, die zu einer vollen V ernich­

tung der russischen Macht zu führen schienen, dass schliess­

lich der F riede von Adrianopel blos der unglaublichen Tollkühnheit D iebitsch’s zu verdanken war, welcher mit dem Schatten, m it einem G erippe einer Arm ee, die auf 30,000 Mann Kampffähige zusammengeschmolzen war, den für die Türkei so dem üthigenden F rieden erzwang, wo also blos die unglaubliche, ihnen eigenthüm liche A pathie

(39)

37

der Türken diese Schwäche des F eindes nicht zu erratlien vermochte. U nd w ährend solcher derart günstiger zwei Jah re hat Oesterreich gar nichts gethan, um diesen so nöthigen N achbarn su stützen und zu erhalten.

Dem ersten A nprall Russlands im Ja h re 1828 und 1829 setzte O esterreich nichts entgegen, dem zw eiten in den Jah ren 1853 bis 1856 blos verspätet und halb un ­ willig eine Truppendem onstration, dem dritten Angriffe Russlands 1877 tra t es nicht nur nicht entgegen, sondern es schloss vorher noch das D reikaiserbündniss ab und später isoliere es England, trieb R um änien in die Arme Russlands, kurz, that Alles, um diesen so unentbehrlichen Nachbarn, dieses Staatengebilde, welches es aufrechterhalten sollte, zum Verfall, zum U ntergang zu bringen, und als endlich dieser V erfall eintrat, da ging O esterreich auf den B erliner Congress, um von diesem im Länderschacher und im M itfüssentreten des Selbstbestim m ungsrechtes der N a­

tionen einzig in der W eltgeschichte dastehenden Congress sich ein M andat zu holen (B ra vo ! Bravo!), ein M andat in jenem berüchtigten B erliner V ertrage, in welchem je d e r P arag rap h eine P ulverm ine angebracht hatte, um den rasch zusammengeleimten F rieden in die L uft zu sprengen.

(Beifall.)

Alle wissen, wie hastig dieses M andat ausgeführt wurde. Die Sache liegt also einfach so, wir hatten einen Nachbar, wie er bequem er, wie er unschädlicher, wie er loyaler, wie er w ünschensw erther nicht gedacht werden konnte. (Hufe links: Sehr richtig!)

In den letzten 80 Jah ren ist nicht E in P u n k t der österreichischen Grenze beunruhigt worden, ist nicht die

(40)

geringste Unbill zugefügt w o rd e n ; das gestehen Alle zu, Se. Excellenz G raf H o h e n w a r t an der Spitze, dass erst vom Momente des Zusammenbruches der Türkenm acht die Grenzen Dalm atiens geschützt w erden m ussten.

E s w ar also der eigene Schutz, den treuen, etwas apathischen, etwas zurückgebliebenen, aber ausserordentlich wünschensw erthen H achbar zu schützen. Diesen haben wir in den A bgrund stossen lassen, und in diesem Momente haben wir uns erinnert, dass eben seine V ernichtung unsere Grenzen der B edrohung aussetzt, und dass also die S taats­

logik und zugleich die Staatsm oral es fo rd ern , dass man im M omente des Sturzes der T ürkei auch eine Provinz ihm entreisse.

Es bleibt m ir nur noch eine kleine B em erkung zu beleuchten, welche sich dieser zw eiten Gruppe von B e­

hauptungen anschliesst, die B em erkung, welche beweist, dass auch Seine Excellenz G raf H o h e n w a r t in der B e­

handlung dieser ernsten F rage sich eines gewissen hum o­

ristischen Tones nicht entschlagen konnte, als er vom Sultan als M assaverw alter gesprochen hat. (Heiterkeit.)

Ich bin kein Legitim ist, aber mich hat dieser A us­

druck doch etwas choqnirt, indem ich mir sagte, dass, wenn es erlaubt ist, auf einem Congresse von Gross­

m ächten einen Souverän, der seine Hechte noch ausübt, zum M assaverw alter herabzusetzen, dies ein Präcedens ist, das auch anderen Souveränen w iderfahren kann.

F e rn e r muss ich auch die B em erkung m achen , dass der E inw urf des H e rrn Grafen H o h e n w a r t , welcher von zwei anderen H erren R ednern w iederholt wurde, als ein H auptargum ent gegen D iejenigen zu gelten scheint,

(41)

welche die grosse B elastung für Zwecke, wie die A nne­

xion von Bosnien nicht wollen, das ist der fortw ährend geführte Nachweis, dass einmal 80 Millionen Gulden für sehr problematische Zwecke, für die E rhaltung von halb falliten Unternehm ungen, B ahnen und B anken ausgegeben wurden. Ich bin auch der Ansicht, dass diese 80 Millionen sehr am Unrechten Orte und in sehr unglücklicher W eise ausgegeben worden sind. Ich kann aber wahrlich nicht begreifen, w arum das ein A rgum ent sein soll gegen irgend eine F raction des H auses m ehr als gegen die andere.

Diese ganze unglückliche Epoche des angeblichen A uf­

schwunges und des wirklichen Schwindels ist ein grösser öconomischer F ehler, ist eine schwere Sünde, die als schwere Busse noch a u f allen Classen und auf allen P arteie n in Oesterreich lastet. ( W iderspruch rechts.) Ja , es ist so; ich bin Statistiker und habe die Manie, bei jed er G elegenheit statistische D aten zu sammeln und hervorzuholen (R u fe : Sehr igu t!), und da habe ich mir die U nternehm ungen h er­

vorgenommen und überzählt, welche in der ungesündesten Epoche des Schwindels im Ja h re 1872 gegründet w aren (H ufe: H ört!), und da habe ich gefunden, dass an der Spitze dieser U nternehm ungen 5 F ürsten, 17 Grafen stan­

den, ohne die F reih errn und gewöhnlichen Adeligen zu zählen. (Lebhafte Heiterkeit.) D a denke ich denn doch, dass dies jedenfalls ein V erschulden w ar, das uns Alle getroffen hat, und das w ir leider Alle abbüssen müssen.

Schliesslich, und dam it gehe ich zu dessen drittem A rgum ente über, h at H e rr G raf H o h e n w a r t gesagt, es wäre eine erfreuliche Thatsaclie, dass endlich wieder nach Jah ren die schwarzgelbe F ah n e entrollt sei und dass mit

Cytaty

Powiązane dokumenty

Denn es lässt sich kaum abstreiten, dass sich die Stärke der Sprache zum einen in ihrem kaum übersetzbaren Vokabular, zum anderen aber in ihrer phonetisch nicht ent- stellten und

Część trzecia, „W poszukiwaniu modeli lepszej edukacji”, zawiera teoretyczne i praktyczne problemy edukacji przed­ szkolnej i wczesnoszkołnej, szkolnictwa podstawowego

Stan wojenny jest zespołem przedsięwzięć regulowanych przez prawo, stanowiących formę wewnętrznej reakcji na zewnętrzne zagrożenie bezpie­ czeństwa państwa

Exegetische Aufsätze und Vorträge, F reib u rg im

arbeitet hat — in der aufgeklärten Würzburger Kanonistenschule. Für Riegger war hier vor allem Johann Caspar Barthel von Bedeutung, der den Toleranzgedanken unabhängig vom

Die Kurve hat in jedem neuen Punkte eine neue Richtung, und für die Gewinnung derselben können nicht mehr zwei beliebig von einander entfernte, sondern nur noch zwei

HE) Der König sagt, die Meiner beklagten siehüber die gro- ßen Beschwerden, die sie in negoliu religiunis propter- puriun Christi et Aposlolorum doch-innrer no sank-a- llmle qnibus

Bei der kritischen Wende handelt es sich allerdings nicht nur um eine neue Perspektive, welche Linguistik und Ökologie durch diese – wohl unter verschiedenen Gesichtspunkten,