A C T A U N I V E R S I T A T I S L O D Z I E N S I S FOLIA LITTERARIA 5, 1982
Brygida Brandys
FRANZ THEODOR CSOKORS LYRISCHES WERK
Das Werk d es D ic h te r s Franz Theodor C sokor, d er zu den m arkantesten P e r s ö n lic h k e ite n und E rscheinungen d es ö s t e r r e i -c h is-c h e n K unst- und G e is te s le b e n s z a h l t , i s t b e i s p i e l h a f t in s e i -n er f o r ts c h r e it e -n d e -n A u fw ärtse-n tw icklu -ng u-nd Kompromißlosig- k e i t . Aus s e in e n G edichten t r i t t von Anfang an s e i n Bedürf-n is h ervo r, G e s ta lte n zu s c h a f f e n , M enschenbildern ein en g r e ifb a r e n Körper zu g eb en , s i e zu e in e r T iefenw irkung ab-zurunden und s i e in L ic h t und S ch a tten zu s t e l l e n . "Seine L yrik i s t - w ie Edwin R o lle t b eh au p tet - von M otiven d es
Kamp-f e s , d er V erstrick u n g , d es t ita n e n h a fte n Ringens und d er t r a g i -sch en K raftg ren zen . S ie kennt w enige Ruhepunkte s a n fte r e n Ge- n ie ß e n s , h in g egeb en er Beruhigung und Bewunderung. Sogar d ie L ieb esb e k e n n tn isse d ie s e s durch und durch m ännlichen D ic h te r s sin d n ic h t w eich und anschm iegend. Wo s i e am z a r t e s t e n s in d , d o rt werden s i e scham haft v e r s t e c k t . M eist aber sin d s i e sch m erzv o ll e r s c h ü t t e r t od er h e r r is c h fo rd ern d . Denn dem t r a -g is c h e n L eb en s-g efü h l, das s e i n S ch a ffen d u r c h z ie h t, g e s e l l t s i c h e in e s t o l z e K r a ftk e n n tn is, d ie auch in d er R e sig n a tio n ih r S elb stb e w u ß tse in behauptet" . Schon i n dem 1912 e r s c h ie
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nenen Balladenbuch "Die Gewalten" , dem e r s t e n Werk d es damals 27 jä h r ig e n K u n s th is to r ik e r s und D ic h te r s , war v ie ls tim m ig d ie Thematik M e n sc h lic h k e it, F r e i h e it , g e i s t i g e Auflehnung gegen Unterdrückung und das E in tr e te n fü r Wahrheit und G ere ch tig -k e i t unüberhörbar an g esch la g en . Der T i t e l d es B alladenbuches 1 E. R o l l e t , Der D ic h te r d es ew igen A ufbruchs, "Wiener Z eitung" U IX 1955.
2 F. T. С s о к о r , D ie G ewalten, B e r lin 1912.
"Die Gewalten" v e r r ä t u n s , m it w elchen Gewalten d er D ic h te r damals kämpfte: " . . . m it dem »Spuk« d er G esp en ster , m it den »Kämpfern« j e g l i c h e r r e v o lu tio n ä r e n H altung, m it den »Mächten« d es G e ld e s, d es E h r g e iz e s, m it den e r o tis c h e n »G ew alten« und je n e n , d ie den Menschen zum »G ezeich n eten « machten"3 . F. T. Cso- kors Generalthema h e iß t Humanität und Achtung v o r den Men-sch en re ch ten . D ie B a lla d e war d ie D ichtungsform , d ie Csok'” ' z u e r s t i n t e n s iv anzog und in d er e r s i c h g l e i c h m it bemerkens-w ert s ta r k e r K raft a u sd rü ck te. S ie war fü r ihn d ie r i c h t i g e Form, denn e r d u r f t e , um n ic h t s t i l w i d r i g zu e r s c h e in e n , s e in e Worte n ic h t in den Mund V e r lie b t e r und wehmütig und
träume-r is c h Gestimm teträume-r le g e n . Er b e d u r fte zum Ausdruck s e in e r Kunst den ungebärdigen R i t t e r , den t r o t z i g e n Bauer, den f a n a t i -schen G e iß le r , d ie z u c h t lo s e D im e und den str e n g e n Tod. Cso- kors G e s ta lte n sin d Menschen aus F le is c h und B lu t und ih r e I n s t in k t e führen s i e zu Tod und Verderben. D ie w ild e Lyrik d er B a llad en z e i g t den D ic h te r noch a l s den Werdenden und Suchen-den. "In den »G ew alten« p u l s t h e iß e s B lu t , das aus den Erinne-rungen an a l t e , la n g e , v e r g e s s e n e Tage Leben s c h a fft" ^ . Die G ewalten das sin d fü r Csokor ebenso d ie sp u k h aften S ch reck n
is-s e , d ie u n h e i l v o l l und u n h e ilig aus h eim lich en V ersteck en und Verhauen d er P h a n ta sie in g r o te sk e n Sprüngen
hervorbre-ch en , w ie d ie r e a le n M ächte, d ie Wunsch und W ille , Weg und Z ie l bedrohen. Gewalten sin d w e it e r d ie t r ie b h a f t e n Bedräng-n i s s e d es Eros und d ie h e ld e n h a fte n T u rn iere zw isch en Mensch und S c h ic k s a l. Die l e i t m o t i v is c h e V erarb eitu n g und
Durchfüh-rung d es Themas von den Gewalten g i b t dem Bande s e in e künst-l e r i s c h - p e r s ö n künst-lic h e Bedeutung. Das Buch i s t g e g l i e d e r t in d ie T e ile : Spuk, Kämpfe, M ächte, E ros. Manche B a lla d en sin d ganz l o s g e l ö s t aus dem Zwang ep isc h e n G eschehens; s i e geben Momen-t e , A u s s c h n itt e , h ö ch ste A u gen b lick e g e s t e i g e r t e r Empfindung - v e r d ic h t e t b is zum D ram atischen. Neben G ed ich ten , d ie noch R il-kes E in flu ß z e ig e n (" L ad islaus Posthum us"), haben w ir G ed ich te, d ie b ew e ise n , daß Csokor auch s e lb s t s t ä n d ig e in en S t o f f zu
3 V. S u c h y , E in A p o stel d er H um anität, "Wort in d er Z eit" 19 65 , 9 . J g . H. 9 , S. 484.
g e s t a l t e n v e r s t e h t ("David und A b isa g " ). Bemerkenswert sin d aus dem Gedichtband »Die Gewalten» s o lc h e B a llad en wies "Karl Stu-a r t s Todesgang", »K rieg», "Don Juans Jugend" und "Der Tyrann". Den Höhepunkt b i l d e t das w ie e in Epos w irkende g e w a lt ig e Ge-d ic h t "Die Männer von Sterzing""’ , " . . . ü ber deren h eld e n h a ften Kampf gegen d ie Franzosen in dem K rieg sja h r 1809. In diesem G edicht kommt auch e in e r d er Hauptvorzüge Csokor3,d e r Haupt-vorzug durch Knappheit zu w irken, zum b e s te n Ausdruck. Den w ild en B allad en »D ie G ew alten« f o l g t e n d ie G ed ich te ' von »Der Dolch und d ie Wunde«"^. D ie s e r Gedichtband stan d n ic h t nur u n te r B a u d e la ir e ’ s E in flu ß 7 , sondern nahm auch den T i t e l aus s e in e n V ersen. Die G ed ich te, d ie in diesem Band e n th a lte n s in d , tr a g en s ta r k e x p r e s s io n i s t i s c h e Züge. Es wird h ie r n ic h t nur S e l b s t g e r i c h t , sondern auch G erich t ü ber d ie Z e it g eh a l-t e n , G erich t über den K rieg, d er d er Anfang vom Ende d er Monar- c h ie wurde. Csokor h at d ie s e n K rieg vom Anfang b is Ende m itge— macht. Das G edicht "Der Rekrut"8 s p i e g e l t d ie e r s t e Begegnung des jungen Menschen m it dem Kampf w ied er , e in e n Kampf, den Cso-kor a l s a k t iv e r Humanist s e i n gan zes Leben la n g g e fü h r t h a t, ein en Kampf fü r d ie F r e ih e it d e r Meinung und f ü r d ie F r e ih e it d es G ew issen s. In dem G edicht "In Memoriam", das e r dem Anden-ken s e in e s 1915 in den Karpathen totwund g e sc h o ssen en und zu Kiew v e r sto rb en en Bruder widm ete, erh eb t e r auch s e in e Stimme gegen den K rieg:
Wo sin d d ie T a fe ln m it den zehn G esetzen? Ach, s i e zerb rach en wohl v o r solchem F est? Nur d ie s e s £ n t : Daß s i c h d ie e in en l e t z e n am Werk d er ändern, d ie man s te r b e n l ä ß t . Mit j e n e r B lu t b efe u c h ten s i e d ie S c h w elle, a u f daß d er Würgeengel s i e v e r s c h o n t,
d ie Könige d er Börsen und B o r d e lle
in ih r e r Macht, d ie Tod m it Worten Lohnt.
5
F. T. С s о к о r , D ie Männer von S t e r z in g , [ in s ] Ewi-g e r Aufbruch, L e ip z iEwi-g 1 9 2 6 , S. 54.
F* T. С s о к о r . Der Dolch und d ie Wunde, D e u tsc h ö ste r -r e ic h is c h e -r V e -rla g , 1 9 1 7.
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F. T. C s o k o r, Z. T o d o r o v i c , "P olityk a" 9 X
1 9 5 9 , Beograd. 1
0
F. T. C s o k o r , Der Rekrut, [ in : ] Immer i s t Anfang,
S ch a k a le, d ie da wähnen, wenn s i e lo b e n , g e s ä t t i g t durch d er anderen V e r z ic h t, von an derer Jammer in den Glanz gehoben, man merke ih r e S ch arlach k lau en n i c h t! 9
Den größ ten T e i l d er G ed ich te aus dem Buch "Der Dolch und d ie Wunde" fin d e n w ir auch in Csokors nächstem G edichtband, in
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"Ewiger Aufbruch" . Der D ic h te r s e l b s t s a g t im Vorwort zu diesem Gedichtband fo lg e n d e s :
D ie se Sammlung B a lla d en e r f ü l l t den durch e ig e n e Überzeugung und durch Freundeszuspruch b e fe u e r te n Wunsch des V e r fa s s e r s , e in en s e in e r Meinung nach nunmehr e r -f ü l l t e n A b sch n itt s e i n e r k ü n s tle r is c h e n T ä t ig k e it s tr e n g -s t e n -s durchm ustert und g e p r ü ft von s i c h abzuzäunen, da e r Jenem genug Lebenswärme zum utet, s i c h nun a l l e i n und über gew öh n lich es Maß hin au s zu behaupten. Aber auch e in e n Akt d er Dankbarkeit gegenüber dem Ursprung k ü n s tle r is c h e n Fühlens in s i c h b e d e u te t ihm e in s o lc h e r S c h r i t t , denn d ie B a lla d e i s t e s gew esen, d ie seinem Namen das e r s t e P r o f i l gab [ . . . ] . Wohl waren v o r langem b e r e i t s zw ei V ersbücher des A utors e r s c h ie n e n , deren I n h a lt auch zum T e i l e in d ie v o r lie g e n d e Sammlung ein b ezogen i s t : Der Band "Die Gewalten" (1912) und das G edichtbuch "Der Dolch und d ie Wunde" (1 9 1 7 ), E rg eb n isse d er ly r is c h e n S c h a ffe n se -pochen von 1906 b is 1911 und 1912 b is 1917. Wohl e n t-stan d en noch s p ä te r u n te r d er g e s t e i g e r t e n I n t e n s i t ä t e in e s au f d ie W e s e n tlic h k e it d er Vorgänge bedachten Ausdrucks e in e Reihe von G ed ich ten , d ie dem nahe kamen, was d ie K r itik dem ju n gen V e r fa s s e r lobend verm erkte; Verdich-tung d er d eu tsch en B a lla d e a u f e in e von d e r ä lt e r e n sp rach - und lautm alenden c h r o n is tis c h e n Form v ö l l i g v e r -sch ied en e W eise. Dennoch erm angelte e s noch e in e r g e o r -d n eten Zusammenfassung des gesam ten ly r is c h e n W e ltb ild e s des D ic h te r s . Z e r s tr e u t und w i l l k ü r l i c h la g d ie Ernte z w e ie r J ah rzeh n te da, und obendrein war d er d ie r e i f e -ren Schöpfungen bergende Band "Der Dolch und d ie Wunde", in tr ü b e r K r ie g s z e it e r sc h ie n e n und h ierd u rch damals f a s t u n b ea ch tet g e b lie b e n , nach F ried en ssch lu ß ra sch b is au f das l e t z t e Exemplar v e r g r i f f e n gew esen , ehe e in e nun n ic h t mehr gehemmte K r itik G e le g e n h e it gefunden h ä t t e , s i c h m it ihm zu b e s c h ä ftig e n [ . . . ] . Von 1918 b is zu r Ge-genwart h at s i c h d er A u tor, d er B e s e s s e n h e it durch das Thema z u l i e b e , immer mehr vom G edicht abgewandt. Was s i c h ihm dennoch en tr a n g , r e c h t f e r t i g t s e in e n Wert schon in den W iderständen, d ie e s zu s e i n e r Geburt überwand. A lle s d a s, A lte s und Neues, Bekanntes und Unbekanntes, wurde nun nach neuen e r s ic h t li c h e n E in teilu n g sg rü n d en
q
F. Т. С s о к о r , In Memoriam,[in :] Immer i s t Anfang, S. 10
e i n v e r l e i b t , in diesem Bande, d er das Wort "Ballade" im w e it e s t e n Sinne v ersta n d en w isse n w i l l : A ls Ausdruck s c h ä r f s t e r dram m atischer G e g e n s ä tz lic h k e it in d er gebunde-nen Verkürzung d es G e d ic h ts ” .
Der T i t e l d es Bandes "Ewiger Aufbruch" i s t sym ptom atisch fü r ein en D ic h te r d e r , wie Oskar Maurus Fontana Csokor ch arak te-r i s i e te-r t , " . . . e in u n ete-rm ü d lich ete-r, n ie zu s ä ttin g e n d e r und zu s t i l l e n d e r Sucher i s t , m it groß a u fg e r is s e n e n Augen, d ie immer
in s Ferne und b is an den Rand d es H o rizo n ts gehen"1 2 .
D ie Frage nach Schuld und Verantwortung, i s t c h a r a k te r is -t i s c h fü r Csokors gan zes Werk. Den s i n n f ä l l i g s t e n und vollkom -mensten Ausdruck f i n d e t s e in e w e lta n s c h a u lic h e Thematik in den G ed ich ten , d ie in d er E m igration en tsta n d en und s p ä te r u .d .T .
"Das schwarze S c h if f" 13 gesam melt worden s in d . Die Problem-s t e llu n g und d ie Haltung d ie s e r G ed ich te k en n zeich n et präg-nant "Die Berufung d es Matthäus":
Ш da. - s t e h au f! Ш h a s t m itzugehen! Man b raucht d ic h . Ш h ä u fs t d e in e Habe? S ie war n iem als d e in . Du rühmst d e in e Werke? V ergiß s i e !
Dein Weib um halst d ich? Es wird d ic h verschm erzen. D ein Kind s c h r e it ? D o rt, wo du Not t u s t , s c h r e i t mehr. F ä l l t d ic h S c h la f an? Wachen s o l l s t du! Freut d ic h Friede? S t r e it e n mußt du! Glück b eg eh rst du? Elend w ir s t du! Frag n ic h t wofür? D ie Erwählten gehorchen. Du b i s t gem eint! N ich t d er neben d i r . Komm!1* 11 E bd ., S. 141-142 12
0 . M. F o n t a n a , Immer im Anfang, immer im Aufbruch, "Der Sonntag" 4 IX 1955.
13 F. T. С s o k о r , Das schwarze S c h i f f , Wien 1947.
1Zł F. Т. С s o k о r , Die Berufung d es M atthäus, [ in : ] Immer i s t Anfang, S. 116.
In dem G edicht "Das schw arze S c h if f " , w elch es d ie g leich n a m ig e Sammlung s e i n e r E x ilg e d ic h te e i n l e i t e t , e n t h ü llt d er Autor s e in Heimweh und auch das e i g e n t l i c h e Motiv s e in e s E x ils :
Jed en Abend k eh rt d ie Heimat w ied er , Keine Fremde l i e g t v o r ih r so f e r n e ,
k e in e Z e it so la n g e , s e i t man f o r t i s t . . . Niem als b r in g t e s d ic h , wohin du m öchtest Warum zw in gt e s d ic h zu Furcht und Trauer i n dem schwarzen S c h if f e ohne Heimkehr'?'1*
Trotzdem d er D ic h te r in d er Fremde Heimeh em p fin d et, e r l i e g t e r n ic h t d er Verlockung das w eiße S c h if f zu r Rückfahrt zu b e s t e i -g en , d .h . s e in e n F rieden m it den N azis zu s c h lie ß e n . Für den Autor i s t d ie E ntscheidung k la r : Er muß im I n t e r e s s e d er F r e ih e it au f dem "Schwarzen S c h if f e ohne Heimkehr" des E x ils w e ite r fa h r e n . Csokors Stimmung aus d ie s e r Z e it d rückt am
be-s te n "Das P fin g s tg e d ic h t" aus:
Wenn das Feuer von oben i n d ic h f ä l l t , dann geh! schnür d i r das Herz in d er B rust zu und geh*
h a s t du E lte r n zu Hause, so la ß d ic h n ic h t seg n en , h a s t du e in Weib, so erkenne e s n ic h t mehr,
h a st du e i n Kind, so v e r g iß es - und geh!
D ie Dinge d a r f s t du d i r nochmals b eseh en , den
T is c h , wo du d a c h t e s t , das B e t t , d r in du s c h l i e f s t , den Becher aus dem du getru n k en , z u l e t z t noch und vom Dache den Rauch, und den Himmel d er Heimat,
ab er dann geh! - w ir f d e in Herz h in t e r d ic h , wenn e s schwer wird und geh!
Nimm das Feuer von oben d o r t h in , wo d e in Herz war. Daß w ir d e in H erz, das dann n ic h t nur f ü r d ic h i s t , das d ic h v e r b r en n t, damit L ich t s e i f ü r a l l e -
L ic h t in d er F in s t e r n is - g e h !16
Das i s t e in G edicht d er R e sig n a tio n und d es M utes, m it dem d er D ic h te r d ie Erinnerung an d ie g e l i e b t e H eim at, d er e r so v i e l e schöne Gedanken gewidmet h a t, h in t e r s i c h w arf. Das was ih n in d ie s e r Z e it am m e isten bewegte f i n d e t s e in e n N ied er- sc h la g in s o lc h e n G edichten w ie: "Verhaftung b e i Nacht"1 7 ,
"Ab-15
F. Т. С s о к о r , Das schwarze S c h i f f , [ in j ] Immer i s t Anfang, S. 128.
Gespräch zw ischen P r o f. F. T. Csokor und Dr. R. Kalmar, Do-k u m e n ta tio n s s te lle fü r n eu ere ö s t e r r e ic h i s c h e , L it e r a t u r , Wien.
sc h ie d d es Kämpfers"18 und "Du mußt d ic h e n tsc h e id en " 1 9 . In dem G edicht "Abschied des Kämpfers" r i c h t e t e s i c h d er D ic h te r an e in en Menschen, d er schw ankte, d er e in p r iv a t e s L eid im a l l -gemeinen Leid n ic h t v e r g e s s e n w o l l t e und darüber f a s t zugrun-degegangen wäre, das G edicht "Du mußt d ic h en tsc h e id en " i s t e in m itm en sch lich es, o p t im is t is c h e s G edicht:
Du mußt d ic h e n ts c h e id e n , ob du u n tergeh en od er zu d i r kommen m ö ch test,
w i l l s t du u n terg eh en , so la ß 'd ic h n ic h t s tö r e n , w e il w ir j a j e d e r b e s c h ä f t i g t genug s in d .
Aber w ir sc h ie b e n das d r in g e n d ste Werk a u f, wenn du e in Z ie l s u c h s t , das mehr w i l l a l s d ic h .
Wer so e in Z ie l s u c h t, dem können w ir v i e l e s v ergeb en , Zögern und Irrtum ,
20 w ir w arten au f ih n . . .
B ei Csokor i s t auch d ie E rkenntnis d er K o lle k tiv s c h u ld durch-aus n ic h t N eues. In dem schon erwähnten G edicht "In Memoriam" h e iß t es;
Denn a l l sin d w ir s c h u ld ig , a l l e , a l l e m it jedem lie b e n Wort, das w ir versäum t m it jedem S to lz v o r an derer S ü n d e n fa lle ,2-| m it j e d e r Macht, in d ie w ir uns geträum t
22
"In K lagegesang d er Demokratie" , dem 1944 v e r ö f f e n t l i c h t e n Sammelband s e i n e r E x ilg e d ic h t e , s i e h t d er D ic h te r e in e m etaphi- s i s c h e Verbindung d er K o lle k tiv s c h u ld m it d er u r sp rü n g lich en Schuld.
Das Bedenken, daß d ie Heimat im F a lle s e i n e r Rückkehr n ie w ied er d ie s e lb e s e i n w ird , w e il e r s e l b s t durch d ie Erfahrung d es E x ils anders geworden i s t , t e i l t Csokor m it anderen E x il-s c h r i f t il-s t e l l e r n , d ie ih r e e v e n t u e lle Heimkehr a l s e in e zw ei-t e E m igraei-tion b e ei-tr a c h ei-te n . In dem G edicht " I s t e s Heimat" fr a g t s i c h d er D ich ter:
18 Ebd. 19 Ebd. 20 Ebd.
21 С s о к о r , In M emoriam,[in:] Immer i s t Anfang, S. 9 2 . 22 С s о к о r , Das schwarze S c h i f f , Wien 194 7, S. 27.
I s t es H eimat, wonach Du Dich seh n st?
S traß e b li e b wohl d o rt und Haus und G arten - Doch d ie Heimat wird d ic h n ie erw arten
w ie du w ä h n s t ...25
In dem Gedichtband "Das schw arze S c h iff" i s t d ie ly r i s c h e Summe d er L eid en s - und Wanderjahre d es D ic h te r s gezog en . Der Autor h a t h ie r zwar s e in e n S t i l n ic h t gerade g eä n d ert, aber d ie brennende I n t e n s i t ä t d es J ü n g lin g s i s t durch e in e s ta r k e B eson n en h eit g e m ild e r t worden. Die e x p r e s s iv e , b a lla d e s - ke G e b a llt h e it aus s e i n e r Sammlung "Der D olch und d ie Wunde" - i s t e in e r e le g is c h e n , k la r en und e i n h e i t l ic h e n M elodie gew i-chen. Obwohl v i e l e V erse nach Tod r ie c h e n , haben s i e k e in e Spur von R e sig n a tio n . Es l e b t in ihn en d ie t o d e s b e r e it e E n tsc h lo
s-s e n h e it d e s je n ig e n , d er erkannt h a t , worum es g e h t und darum k ein e andere Wahl b l e i b t .
Der Z e ita b s c h n itt von 1938 b is 19 45, das waren s ie b e n magere Jah re d er Entbehrung, V erfolgu ng und A n g st, aber r e ic h e
Jah-re an äu ßerer und in n e r e r E rfahrung, aus denen Csokors S ch a ffen b i t t e r e , aber u nsch ä tzb a re Nahrung zo g . In seinem
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l e t z t e n Gedichtband "Immer i s t Anfang" , d e sse n T i t e l e in e Überzeugung des D ic h te r s a u sd rü ck t, d ie e r s i c h zum L eitsp ru ch s e in e r ganzen A r b e it genommen h at - NON-DÜM - (noch n i c h t ) , h ä lt d er D ic h te r Überschau ü b er e in e n S ch a ffe n sze itra u m von g u t v i e r z i g Jahren. Neben h is t o r is c h e n B a lla d en u m k reist h ie r d er Autor d ie Thematik L u st, E k e l, L ie b e , V e rzw e iflu n g , Leid - Z eu g n isse e in e s u n r u h v o llen H erzens, w elche manchmal e in e r
e ig e n a r t ig e n S ch ön h eit fä h ig s in d . Das P e r s ö n lic h s t e e n th ä lt d er A b sc h n itt "M ännergedichte", ü ber d ie d er D ic h te r schon am 6 . Dezember 1936 an Georg K a iser fo lg e n d e s sc h r ie b :
S ie haben mir ü b er mein Buch "Ewiger Aufbruch" s e i n e r -z e i t m it so h e r z lic h e r Wärme g e s c h r ie b e n , daß ic h Ihnen j e t z t e in M anuskript aus meinem neuen Zyklus "Männerge-d ic h te " sen d e. In ihnen kündigt s i c h e in e Wendung an, d ie mich s e l b s t ü b e rra sc h t; e s g e s c h ie h t in mir e in e A rt M o b ilis ie r u n g . Gegen wen-? J e d e n f a lls b l e i b t e s h ie r
23 0 . F. d e B a t t a g l i a , Abgesang a u f e in e große Z e it, Wien 1 9 6 7 , S. 7 0 .
2Z* С 3 о к о г , Immer i s t Anfang, G ed ich te von 1912 b is 1952, Innsbruck 1952.
n ic h t mehr la n g e so w ie e s i s t . Ich bewahre a l s L e it s a t z f ü r kommende P rod u ktion , d ie mich m ö g lich erw eise w ied er zum G ed ich t, von dem ic h a u sg in g , zu riick b rin g t Ih r U r t e ils "Ich la s-u n d bew underte, w ie s t ä r k s t e Empfindung m it ab-s o l u t e r Prägnanz d a r g e s t e l l t i s t " . D ie se s Lob v e r d ie n e ic h noch n ic h t - ab er m it den h ie r b e ig e fü g te n Gedich-t e n , h o ffe ic h s e i n e r würdig zu w e r d e n ...25
In den "Männergedichten" s t e l l t s i c h e in Mensch d es zw anzig-s t e n Jahrhundertanzig-s s e e l i s c h e Abrechnungen a u s. Es g i b t k e in Ent-w eichen v o r dem S c h ic k s a l; S ch lag au f S ch lag f a l l e n l e t z t e E ntscheidungen. Der Mensch i s t in d ie s e n G edichten v ö l l i g auf s i c h s e l b s t g e s t e l l t . Es i s t h ie r k ein Raum fü r M ild e, fü r M itle id , fü r s a n f t e Worte und e s g i b t nur e in e wahre G em einsch aft, d ie G em einschaft d e r je n ig e n , d ie fü r den Wunsch le b e n , d ie Welt fü r d ie Zukunft zu ändern. Der Mensch f ü h lt s i c h in d ie s e n G edichten a u fg e r u fe n , d ie l e t z t e n E ntscheidungen von s ic h s e l b s t zu fo r d e r n . Der Gedichtband "Immer i s t Anfang" w i l l ab er z u g le ic h e in e m en sch lich e E ntwicklung durch d ie k ü n s tle -r is c h e R eaktion au f zw ei K riege z e ig e n . Reine G e fü h lsly r ik g i b t e s h ie r n ic h t , was b e i d er au sgesp roch en d ram atischen Begabung d es Autors n ic h t verw undert, dagegen s ta r k e B a lla d en und G edankenlyrik ("An den V ater"26, "An d ie Heimat"2 7 . "Die
po
Berufung d es Matthäus" ). Das G edicht "Du mußt d ic h e n t-29
sch eid en " i s t den v i e l e n V e r z w e ife lte n gew idm et, denen d er D ic h te r b e i s e i n e r Heimkehr nach dem z w e ite n W eltk rieg begegne- t e . Für Csokor g i b t e s nur e in Voran, das h eiß aus dem l e t z t e r G edicht des Bandes dem "Großen W o lfslie d " tö n ts
Aus dem Busch, a l t e r W olf, t r a b e , tr a b e !
F lach zum Sprung, a l t e r W olf, habe, habe!
F riß d ie Lust und f r i ß d ie Qual! N ic h ts kommt j e zum zw eiten m al. Los !
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Ein B r ie f Csokors an Georg K a iser vom 6 XII 193 6, Franz T. Csokors Nachlaß M A 9 , 2 8 0 /6 9 , Wiener S ta d tb ib lio th e k .
26
^ F. T. С s о к о r , An den V a te r ,[in s ] Immer i s t Anfang, S. 27 E b d ., S. 14.
28 E b d ., S. 116. 29 E bd., S. 134.
In d ie W elt, a l t e r W olf, J a g e , Jage!
Was d ic h h ä l t , a l t e r W olf, s c h la g e , s c h la g e !
Du mußt w e it e r , f o r t und f o r t , denn k e in Ort wird J e d e in O rt. Los!
In den Tod, a l t e r W olf, tr a b e , tr a b e ! Mach d e in B e t t , a l t e r W olf, g r a b e , grabe! Warst du b ö se , w a rst du g u t, immer b l i e b s t du doch d e in B lu t. Los! i0
Im G edicht nennt s i c h Csokor s e l b s t den " a lte n W olf", den ge-h e tz te n , g e j a g te n , v e r f o l g t e n , d er g e h e t z t , g e j a g t , v e r f o l g t w ird , w e il e r das k o s tb a r s te Gut d es Menschen, s e in e Humanität, m it Zähnen und Klauen v e r t e i d i g t , w e il e r s e i n Leben lan g a l s e in re iß en d es T ie r gegen das Untermenschentum, gegen B arbarei und Gewalt anstürm t. Csokors Lyrik c h a r a k t e r is ie r t se h r t r e f -fend e in e r s e in e r b e s te n Freunde O tto F o r st de B a tta g lia :
Denkmal, Worte d es Dankes und d er T reue, d er re u ig bekann-te n Schuld und d es dem ütig - mannhaft au f s i c h genom-menen S c h ic k s a ls : das i s t d er I n h a lt e in e r L yrik , d ie neben dem dram atischen S ch a ffen Csokors n ic h t v e r g e sse n werden s o l l . An ih r wird d ie Wortkunst d es Poeten k la
-r e -r s ic h tb a -r a l s im D ia lo g d er T h e a ter stü ck e. J e kü-r z e kü-r , üm so p rä g n a n ter, und darum um so b e s s e r , f i n -d e t er den gemäßen Ausdruck d e s s e n , was s e in e n Verstand und s e i n Gemüt bew egt. Hart i s t d er Klang d ie s e r Rhyth-men. S ie sch m eich eln n ic h t , doch s i e rfihren, gerade um ih r e r ta p fe r e n W ah rh a ftig k eit w i l l e n . Hat man s i c h aber ihrem herben Reiz ergeb en , dann spüren w ir auch aus ih -nen d ie h e r z lic h e G üte, d ie Frommheit, das m it a l l e r Krea-t u r fü h len d e M itle id d es D ic h te r s , d er k e in e r I l l u s i o -n e-n , doch auch k e in e r fa ls c h e n Heroenpose b e d a r f, um dennoch das S e in , e in t r o t z a llem le b e n s w e r te s , l i e b e s - w e rtes D asein b e ja h e n 31.
"Immer i s t Anfang" h e iß t d er Band m it Csokors ausgew ähl-teri G ed ich ten . Was 1912 begann, im Jajir, da d es D ic h te r s e r s t e G edichtbuch "Die Gewalten" und s e i n e r s t e s Drama ej>-s c h ie n e n , war e in Anfang. Csokor w o l l t e vorangehen, durch das
30 F. Т. С s о к о r , Das große W o lf s lie d , [in :] Du b i s t g e-m e in t, Wien 1959 , S. 118.
e r n s t e A n lie g en zu r S e lb s tz u c h t v e r h a lte n . Er g la u b t an Ent-w ick lu n g. Er r e b e l l i e r t e durch l i t e r a r i s c h e A skese gegen d ie Ü p p ig k eit d er l i t e r a r i s c h e n Form, s e t z t e den Menschen ü b er das S p ie l m it S p ie g e lb ild e r n d es Menschen. S ein Werk i s t von den e r s t e n Büchern b is zu den l e t z t e n Dramen, i n d er L y rik , in Büh-n eBüh-nstückeBüh-n uBüh-nd in s e i n e r b e k e n n tn ish a fte n Prosa e in konsequen-t e s Bemühen um d ie B ew ältigung d er Z e i t , um das B ild des Menschen. Er kommt von e in e r r e v o lu tio n ä r e n Haltung nach dem e r s te n W eltk rieg b is zu e in e r t i e f e n und e r n s te n A useinander-setzu n g mit dem G lauben, immer um F r e ih e it und W a h rh a ftig k eit bemüht und gegen je d e V ergew altigung d es Menschen. S ein e Ge-d ic h t e sin d v o l l d ram a tisch er K ra ft, v o l l s ta r k e r A k zente, n ic h t minder sta r k a l s d er D ia lo g s e i n e r Dramen. D ie Aussage h at b e i a l l ih r e r V i e l g e s t a l t i g k e i t etw as Gemeinsames; das Be-k en n tn is zu r F r e i h e it , d ie au f G e r e c h tig k e it f u ß t , den Auf-ru f zu m u tiger E ntscheidung in e in e r Welt d es Zwanges, Mit-le id e n m it dem Leid d er durch Unterdrückung in Furcht Gebann-t e n , ab er z u g le ic h , immer w ie d e r , d ie zu epigram m atischer Prägnanz g e s t e i g e r t e Forderung an d ie Z w eifeln d en , w ie in dem G edicht "Du mußt d ic h e n tsc h e id e n " . Csokors G ed ich te sin d r e in e "Männergedichte" i n d er Haltung d es s t r e it b a r e n Humanisten. Im-mer b l e i b t e r s i c h s e l b s t , s e i n e r Überzeugung und s e i n e r in n eren Berufung t r e u , e in e r W ahrheit, d ie a l l e s Absurde und G ew o llte n a ch d rü ck lich a b le h n t. So wird auch in a l l e n s e in e n Dichtun-gen , s e in e n Dramen, s e in e n P r o s a s c h r if te n , immer und ü b e r a ll d er g ü t ig e und u n an fech tb a re Mensch spürbar. Was immer e r s c h r e ib t i s t e r f ü l l t von G esetz d er M e n sc h lic h k e it.
I n s t y t u t F i l o l o g i i Germańskiej UŁ
Brygida Brandys
LIRYCZNE LITWORY FRANZA THEODORA CSOKORA
A rtyku ł podejmuje próbę a n a liz y c a ł e j tw ó r c z o ś c i lir y c z n e j Franza Theodora C sokora, k tó ry znany j e s t p rzede w szystkim jako dram atopisarz. Autorka po krótkim w s tę p ie poświęconym omówieniu głównych cech l i r y k i te g o p is a r z a , p rze ch o d z i do rozważań na
temat p o szcz eg ó ln y c h tomików p o e z j i , k tó re omawia w porządku chronologicznym } "Die G ewalten", 1 9 1 2 , "Der Dolch und d ie Wunde", 1917 f "Ewiger Aufbruch", 1 9 2 6 , "Das schwarze S c h if f " , 1 9 4 4 , 1 9 4 7 , "Immer i s t Anfang", 1952. D o k ła d n ie jsz e j a n a l i z i e p o d leg a ją w ie r s z e p o w sta łe w o k r e s ie e m ig r a c ji, a s z c z e g ó ln ie w ie r s z e o s i l n e j wymowie hum anitarnej, na k tó re c z ę s to sam p is a r z , jak i w ięk szo ść krytyków l i t e r a c k i c h n a j c z ę ś c ie j z w r a c a li uwagę. Do n ic h n a le ż y między innymi z a l i c z y ć t a k ie w ie r s z e , ja k : "In Memoriam", "An d ie Heimat", "Du mußt d ic h e n ts c h e id e n " , "Das schw arze S c h if f " , "Die Berufung des Mat-thäus" i in n e . W w ypow iedziach krytyków p rzy taczan ych przez au tork ę zwraca uwagę f a k t , ż e praw ie ., w szyscy wysoko c e n i l i Csokora g łó w n ie z e względu na wymowę humanitarną je g o tw ór-c z o ś ór-c i . P o d k r eśla ją o n i, ż e tematem utworów te g o p is a r z a j e s t p rzede w szystkim c z ło w ie k wraz z e w szy stk im i swoimi niepokojam i
i rozterk a m i, a n ie eksperym enty form alne. W k o n k lu z ji autorka j e s z c z e raz p od k reśla s w o is ty ch a ra k te r p o e z j i F. T. Csokora, p o e z j i , k tóra angażuje s i ę w szę d z ie tam, g d z ie n a le ż y podjąć w alkę z w szelk ą n ie s p r a w ie d liw o ś c ią , g d z ie zagrożon e są prawa c z ło w ie k a , g d z ie i s t n i e j e ' przemoc i g w a łt.
