Theologisches Literaturblatt.
Unter Mitwirkung
z a h lre ic h e r V e r tr e te r d e r th e o lo g isc h e n W is s e n s c h a ft und P ra x is
herausgegeben von
Dr. t h e o l . L u d w i g I h m e l s
P ro fesso r der T h eologie in L eipzig.
Nr. 20. Leipzig, 29. September 1916. XXXVII. Jahrgang.
E rsch ein t vierzehn tägig Freitags. — B ezugspreis Jährlich 10 J t . — A nzeigenpreis für d ie gespaltene P etitzeile 30 — Y erlag a n d A u slieferu n g : L eipzig, K önigstr. 13.
A quila als U ebersetzer des A lten T estam ents.
von S c h u b e rt, H a n s, D ie sogenannten Slaven- apostel C onstantin und M ethodius.
H oeber, Dr. K arl, D er P ap st und die röm ische Frage.
M artin L uthers ausgew ählte Schriften.
S e e b e r g ,'R einhold, D . A lfred Seeberg.
W obberm in, G eorg, D ie religionspsychologische M ethode in R eligion sw issen schaft und T heo
logie.
M esser, Dr. A ugust, G eschichte der Philosop h ie im A ltertum und M ittelaltcr.
G ro s, O tto, L ebensworte aus dem Gebiete des W issen s und Glaubens.
Z eitfragen evangelischer Pädagogik.
Z a n g e , Geh. Studienrat D . Dr. F r ied rich , Der grundlegende U nterricht über den H eiligen G eist und die K irche.
Theobald. Dr. Leonhard, D ie heilsgeschich tliche B ehandlung der b ib lisch en G eschichte.
B ach m an n, D . P h . , U eber den U nterricht in der A ugsburgischen K on fession .
T h iele , Direktor P . W ilh e lm , E rziehung der M ädchen zu vaterländischem D enken und H andeln.
C lasen, Martin, D ie B edeutung des religiösen Er
leb n isses unserer Frontsoldaten für d ie christ
lich e G em einde. *
M eschler, Moritz, S .J ., G eistesleben.
N eu este th eologische Literatur.
Z eitschriften .
N achtrag zu der B esprechung von K aufm anns
„G esam m elten S ch riften “ .
Um rechtzeitige Erneuerung der Postbestellung bittet die Verlagsbuchhandlung.
Aquila als Uebersetzer des Alten Testaments.
Von den griechischen Uebersetzern des Alten Testaments verdient, neben den Verfassern der Septuaginta, unstreitig der Jude Aquila die grösste Beachtung. Zwar, der hebräische Text, den er voraussetzt, ist längst nicht so altertümlich wie der Text, der den Septuaginta zugrunde liegt. Die L X X sind vor
christlich. Aquila arbeitet in christlicher Zeit. Dafür schafft Aquila mit einer Genauigkeit, die ihresgleichen in der Geschichte sucht. E r achtet auf Wortschatz und Wortstellung, übersetzt verschiedene W orte des Urtextes duroh verschiedene griechische W orte usw. So kann man den von Aquila vorausgesetzten Bibeltext bis auf Kleinigkeiten festlegen, vor allem aber ein gut Stück der Theologie des Aquila erkennen. Und diese Theologie ist lehrreich. Aquila fusst auf rabbinischer Ueber- Ueferung. So bedeutet seine Uebersetzung den Versuch, rab- binisohe Anschauungen auf das Gebiet des Hellenismus zu übertragen. Es ist längst nioht genug gewürdigt, dass naoh der Zerstörung Jerusalems, in einer Zeit, da der übliche jüdische Hellenismus längst in Trümmern lag, ein solcher Versuch Träger fand. Die Frage, ob und inwieweit der Versuch Erfolg hatte, harrt noch der Lösung.
Leider ist uns Aquilas W erk nicht als Ganzes erhalten.
Aber die Zahl der Bruchstücke mehrt sioh Btändig. Heute kann ich eine besonders reichhaltige Veröffentlichung anzeigen:
»H e x a p la riso h e R an d no ten zu Is a ia s 1 — 16, aus einer Sinai-Handschrift herausgegeben von Leonhard Lütkem an n und Alfred R a h lfs. Mit einer Lichtdrucktafel. (Mitteilungen des Septuaginta-Unternehmens der K gl. Gesellschaft der Wissen
schaften zu Göttingen. Heft 6. Aus den Nachrichten der Kgl.
Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen. Phil.-hist. Klasse, 1915, Beiheft.)« Berlin 1915, Weidmann (S.233— 383). 5.40Mk.
Die Quelle der Veröffentlichung ist eine griechische Sinai- handsohrift des 10. Jahrhunderts, deren Lichtbilder Carl Schmidt im September 1914 glücklich heimbrachte. Es handelt sich um eine Prophetenhandsohrift, die zu Jes. 1, 2 — 16, 4 hexa- plarische Randbemerkungen bietet. Diese Bemerkungen werden von Lütkemann und Rahlfs kritisch herausgegeben; d. h. die
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beiden Forscher drucken die Texte nicht einfach ab, sondern vergleichen sie mit dem hebräischen Texte und mit dem bisher bekannten Stoffe, würdigen auch den W ert der Bemerkungen.
Alles, was der Forschung neu ist, wird unterstrichen. So er
halten w ir eine sehr übersichtliche Ausgabe.
Die Herausgeber überschätzen ihre neuen Texte nicht, wie das so leicht bei Erstausgaben der Fall ist. Auch dadurch verdienen sie unseren Dank. Zweierlei ist in den Texten vor allem bedenklich. Erstens werden oft die Lesarten von Aquila, Symmaohus und Theodotion einheitlich zusammengefasst: dabei geht es nioht ohne Ungenauigkeiten ab. Zweitens werden öfters Kürzungen vorgenommen. Mit Reoht weisen die Heraus
geber darauf hin, dass frühere Hexaplaquellen vielfach nicht besser sind; nur wurden Bie nicht so kritisch betrachtet. Lütke
mann und Rahlfs sehen das Hauptverdienst der Fieldsohen Hexapla darin, dass dort das bekannte Material sorgfältig ge
bucht und besonders die Byrohexaplarisohe Ueberlieferung aus
genutzt wurde. Im einzelnen fehlt bei Field vielfach, wie die vorliegende Veröffentlichung zeigt, die K ritik.
Von der Fülle wertvoller Einzelheiten, mit der uns die Herausgeber überschütten, kann ich hier nur einen leisen Be
griff geben. loh teile die Texte mit, die zu Jes. 1, 2 n. 4 ge
boten werden:
2 ü“1»« Watt äxooe oupav£] A ' 0 ' axouoaxe oopavoC 4 yw “iss icXTjpt)« afiapxitüv] A' ßapuc avojxtcf ßeßaprj|xlvoc
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iraptopTftoaTe] A ' Steoupav
mn« Vita] ou (pipexat rcapa xot; 0" aiCTf]XXoxpi(udijoav et? xa onloto.
In den Anmerkungen dazu wird z. B . erläutert, wann d^att) singularisch, wann pluralisoh übersetzt wird.
Die Einleitung klärt uns über die Handschrift und die Be
deutung des Fundes vorzüglich auf. Das Nachwort befasst sich mit der hebräischen Grundlage von Aquila, Symmaohus und Theodotion. Es wird festgestellt, dass sie
bogut wie völlig
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mit dem masoretischen Texte fibereinstimmen (einzelne Ab
weichungen sind nur bei Theodotion sicher festzustellen). Oefter kommt es vor, dass die drei Uebersetzer den masoretischen Text anders anssprechen als die späteren Gelehrten. W o die Ueber- lieferung des masoretischen Textes schwankt, folgen die drei in der Regel der Lesart, die w ir heute in den meisten hebräischen Handschriften finden. W o Kethibh nnd Qere zur W ahl stehen, sohliessen sie sioh dem Kethibh an.
Den Abschluss bildet ein hebräisch-griechisches nnd griechisch
hebräisches Wörterbuch zu den veröffentlichten Texten. W ir erfahren da z. B . Genaueres Aber die Artikelsetzung. Der Artikel steht bei Aquila z. B . für das Akkusativzeiohen ns<;
wo im Hebräischen hinter ntt noch der Artikel folgt, wird ntt von Aquila durch ouv wiedergegeben. Ein Beweis, wia wenig sich Aqnila darnm gekümmert hat, lesbares Griechisch zu bieten. W ichtiger war ihm, eine Uebersetzung zu liefern, die aüch für Studien rabbinischer Art brauchbar war. Es zeigt sich dabei, dass Aquila mit der exegetischen Arbeitsweise des R. Nachum aus Gimzo und des R. Akiba zusammenhängt (vgl.
W ilh. Bacher, Die Agada der Tannaiten, 2. Aufl., 1903, S. 57 f.).
Und diese Tatsache ist bemerkenswert. H ier ist es am deutlichsten, dass das Rabbinertum naoh der Zerstörung des Tempels auf den Hellenismus einwirkt. Und zwar nioht nur auf die Reste des hellenistischen Judentums, sondern auch auf das Christentum. Aquila ist ja vielen Christen bekannt. Dabei ist eine lehrreiche Einzelheit anzumerken. W ir finden in den sog. apostolischen Konstitutionen 7, 33 ein Gebet, das von Aquila abhängig ist; es benutzt nämlich das von Aquila er
fundene W ort opajxaxLoixo; (ntna) in einer Erinnerung an 1. Mos. 15, 1. Es liegt keine unmittelbare Abhängigkeit des christlichen Buches von Aquila vor. Vielmehr benutzen die apostolischen Konstitutionen ein jüdisches Gebet, das auf Aquila fusst. Immerhin steht die Tatsache fest: noch nach der Zer
störung Jerusalems wirkt das Judentum auf das Christen
tum ein.
Der Schluss lässt sioh freilich nur deshalb so sicher anssprechen, weil Lütkemann und Rahlfs die Uebersetzungsweise Aquilas genau erörtern. Vielleicht liesse sioh nooh manche Entdeckung dieser Art machen, wenn der Stoff einmal umfassend auf
gearbeitet würde. Einstweilen sind w ir schon für das hier Ge
botene dankbar. Ich merke einiges an. Jes. 1, 30 lesen für nn L X X rcapaSeiooc, Aquila, Symmachus und Theodotion
xt)tcoc: