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Theologisches Literaturblatt, 30. August 1929, Nr 18.

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Theologisches Literaturblatt.

Unter Mitwirkung

z a h l r e i c h e r V e r t r e t e r d e r t h e o l o g i s c h e n W i s s e n s c h a f t u n d P r a x is

herausgegeben von

Dr. theol. L u d w ig I h m e ls

^

Dr. theol. E rnst S o m m e r la th

Landesbischof in Dresden. Professor in Leipzig.

Nr. 18. Leipzig, 30. August 1929. L. Jahrgang.

E rscheint v ierzehntägig F re ita g s. — Zu beziehen durch alle B uchhandlungen und P ostäm ter sowie vom Verlag. — In lan d -B ezu g sp reis: Rm. 1.35 m onatlich, B ezugspreis für das A n alan d v ierteljä h rlich : Rm. 3.75 und P o rto ; bei Z ahlungen in frem der W ährung is t zum T ageskurse um zurechnen. — A nzeigenpreis: die zwei­

g espaltene P etitzeile 40 Goldpfennige. — Beilagen nach U ebereinkunft. — V erla g und A uslieferung: Leipzig, K ö n ig str. 13. Postscheckkonto L eipzig Nr. 62 873.

Ein Jahrzehnt Jesusliteratur. I. (Oepke.)

Bertram, Georg, D., Neues T estam ent und h i­

storische Methode, Bedeutung und Grenzen h istorischer A ufgaben in der neutestam ent- lichen Forschung. (Schnitzen.)

Hofmeister, Adolf, G eschichtschreiber d er d eu t­

schen V orzeit. (Hoffmann.)

Jahrbuch für brandenburgische Kirchengeschichte.

(Theobald.)

Fahrner, Rudolf, Dr., W ortsinn u. W ortschöpfung bei Meister E ckehart. (Siedel.)

Mausbach, Joseph, D. Dr., K atholische Moral­

theologie. (Priegel.)

Geffcken, Johannes, Der Brief an Diognetos.

(Lother.)

Oman, John, The T ext of Revelation. A revised theory. (Nestle.)

Köberle, Adolf, Von der N iedrigkeit C hristi. (Lau­

erer.)

Spemann, F ranz, Von H einrich W. Riehl bis Oswald Spengler. (Heber.)

Halfmann-Köster-Schlemmer, H ilfsbuch fü r den evangelischen R eligionsunterricht. (Eber­

hard.)

Neueste theologische L ite ra tu r.

Ein Jahrzehnt Jesusliteratur.

Von Professor D. A l b r e c h t O e p k e in Leipzig.

I.

Das seit Kriegsende vergangene Jahrzehnt hat eine große Fülle von Jesusliteratur hervorgebracht. Inwieweit diese bestätigt, daß der Krieg einen tiefen Einschnitt im geistigen Leben der M enschheit bezeichnet, muß eingehen­

d er Untersuchung Vorbehalten bleiben. Zunächst gilt es zu registrieren und zu sichten. D ankensw erte A rbeit ist in dieser Richtung bereits geleistet,1) Nachlese zu halten er­

scheint mir aber nicht überflüssig,2) Auch geht das U rteil wohl hier und da auseinander.

W enn ich im folgenden recht V erschiedenartiges, Wis­

senschaftliches und Schöngeistiges, Spreu und W eizen in gleicher W eise buche, so geschieht das nicht aus K ritik­

losigkeit, sondern lediglich, um ein w irkliches Bild der gegenwärtigen buntscheckigen Situation zu bieten. Ich b e­

ginne an der äußersten Peripherie. In welchem Sinne sich V e rtreter anderer Religionen mit Jesus beschäftigen, zeigt, wenn auch nicht gerade typisch, ein von der islamitischen Ahmadijja-Bewegung3) versandtes Propagandaheft: A, R, Dard, Die Ohnmacht-Theorie im Leben Jesu, Berlin 1925,

1) J . Leipoldt, Vom Jesusbilde d er G egenw art3, 1923; W.

Knevels, Christusdichtung. D eutsche, RGG2 I, S, 1652— 1660;

K. L. Schmidt, Jesu s Christus, ebenda III, S. 110— 151; H. W ei­

nei, Jesusbild d er G egenwart, ebenda III, S, 151—169; E. v. Dob- schfitz, Die evangelische Theologie, ihr jetziger S tand und ihre A ufgaben, II, 1927, S. 26 ff.; Derselbe, D er heutige S tand der Leben-Jesu-Forschung, ZThK, NF 5, 1924, 64—84; H. W indisch, H arvard Theological Review 1926, S. 30—62.

a) F ür m ehrfache L iteraturnachw eise bin ich Johannes Lei­

poldt und Adolf K öberle dankbar.

3) Über sie vgl, C hantepie de la Saussaye, Lehrbuch d er R eli­

gionsgeschichte4 I, 1925, S. 693. Z entralbüro in London SW. 18, 63 M ebrose Road, Zweigbüros in allen W eltteilen, Organ: The Review of Religions, hrsg. von A, R. Dard, gegr. 1902. D er offi­

zielle Islam m acht in D eutschland von d er M oschee in Berlin- W ilmersdorf, B rienner S traße 7, aus gegen das C hristentum Propaganda, Organ: Moslemische Revue, hrsg. von S. M, A bdul-

« h , 5. Jahrg. 1929.

273

16 S, (Erneuerung der Scheintodhypothese unter Be­

rufung auf „bedeutende D enker“ wie H. E, G, Paulus, B ahrdt u. a., Polemik gegen den Glauben an die Sühnkraft des Blutes Christi, alles zu gunsten des Propheten und Messias Ahmad), Erfreulicher ist, was E. Stanley Jones, Der Christus der indischen Landstraße, deutsch von P, Gäbler, Berlin 1928, 176 S,, über Schwingungen der indischen Volksseele Jesus entgegen zu berichten weiß, Kokichi Kurosaki, Die Bekehrung eines Gottlosen, 2. Auf­

lage, Berlin 1924, 30 S., ist ein weniger problem atisches, aber außerordentlich wuchtiges Gegenstück zu dem be­

kannten älteren Buche von Kanso Utschimura, Wie ich ein Christ wurde. Die Jesusauffassung ist durch Sätze wie die folgenden charakterisiert: „Jesus w ar so original, es w ar bei ihm keine Spur von einem Streben nach Sittlichkeit wie bei Konfuzius zu finden, er bedurfte keines Nach­

denkens und keiner Versenkung wie Buddha, sondern w ar von N atur tief und kraftvoll und immer im Zustand der Heiligkeit. . . . Die Erlösung von der Sünde liegt nicht in uns, noch kommt sie von uns. Sie beruht allein auf der Tatsache, die ganz außer uns auf Golgatha geschehen ist.“

Der Mann, der so schrieb, ist zuvor den Weg der strengen Ethik im Konfuzianismus und der Selbstvergottung in der M ystik zu Ende gegangen.

B em erkensw erte W andlungen zeigt das j ü d i s c h e Jesusbild. Zwar das orthodoxe Judentum verh arrt auf dem Standpunkt, der bei Hamburger, Realenzyklopädie des Judentum s, Abt. III, Supplem ent IV, Leipzig 1897, S. 37 bis 52 s. v. Jesus von N azareth zum A usdruck gekommen ist: Jesus w ar ein jüdischer Eiferer, der durch sein Auf­

trete n gegen die jüdischen Behörden Anstoß gab, ab er nicht von ihnen, sondern von der römischen O brigkeit wegen Rebellion zum Tode v erurteilt wurde. Das auf­

geklärte Judentum dagegen m öchte den „W eisen von Na­

za reth “ gern für sich in Anspruch nehmen und kritisiert nur gewisse „Ü bertreibungen“ bei ihm, lehnt vor allem aber das „C hristentum “ ab. Emil Ludwig (Cohn) schildert in seinem in England abgelehnten, in Deutschland w eit über G ebühr beachteten, trotz „historischer" Ansprüche auf

274

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höchst mangelhaften Vorstudien beruhenden Jesusbuch Der Menschensohn, die Geschichte eines Propheten, Berlin 1928, 273 S.,4) nach Renanschem M uster einen lieblichen, galiläischen Jüngling, der durch den M essiaswahn in einen blindgläubigen, zuletzt scheiternden F anatik er verw andelt wird. Der Dunstkreis von Lüsternheit, der durch Psycho­

analyse um die Jesusgestalt gebreitet wird, stößt besonders ab. J. Klausner, Professor an der U niversität Jerusalem , sucht in seinem gründlichen, verhältnism äßig objektiven W erk Jeschu ha-NoSri (hebräisch Jerusalem 1922, englische Übersetzung von H. Danby, London, George Allen & Union, Ruskin House, 40 Museum S treet, W. C. 1, 1925, New York 1927, 434 S.) zu beweisen, daß Jesus alles W esentliche dem Judentum verdanke, aber durch Überspannung die jüdi­

schen Ideale gesprengt, für die W irklichkeit unbrauchbar gem acht habe. Besonders beachtensw ert ist die Stellung des sog. Renaissancejudentums. Max Brod, Heidentum, Christentum, Judentum, München 1921, 2 Bände, 319 und 354 S,,5) (glänzend und warm religiös geschrieben) findet bei Jesus im Gegensatz zu Ludwig ein von Anfang an fertiges, konfliktloses M essiasbewußtsein und im Gegensatz zu Klausner noch keine Spur von Diesseitsnegation und Auflösung der jüdischen Gemeinschaft. Das V erderben stam m t von Paulus, der, an sich einer der größten aller Juden, aus einem nach Freudschem M uster geschilderten Konflikt durch Jesu Vorbild befreit, diese persönliche Gnade dogm atisierte. Constantin Brunner, Unser Christus, Berlin 1921, 725 S., sucht mit großer Belesenheit unter steter Berücksichtigung der jüdischen L iteratur in scharf­

sinnigen und schwungvollen Ausführungen zu zeigen, daß in Christus mit leidenschaftlicher N aturgew alt der ganze mystische Tiefsinn des Judentum s offenbar gew orden ist, im Gegensatz zum Talmud. Jesus ist „gottlos“ und „kann unmöglich zu G ott gebetet haben“, wobei u nter G ott der fiktive Erfüller w illkürlicher M enschenwünsche v erstan­

den wird. Der V ater Jesu Christi ist der w ahre Jahw e der Propheten, der G ott Spinozas. Mit ihm hat Jesus sich im Sinne des „Fünkleins“ bei M eister E ckehardt identifi­

ziert (?). E rschütternd hat Franz Werfel in seinem Drama Paulus unter den Juden, W ien 1926, 187 S., die Tragödie seines Volkes geschrieben. Der von dem N a­

zarener bezwungene Paulus behält gegen den Pharisäismus, auch gegen seinen eigenen w eitherzigen Lehrer Gamaliel in allem recht. Doch ist dabei zu fragen, ob die vom V er­

fasser mit M ax Brod und R ainer M aria Rilke vertreten e geschichtslose Mystik das geschichtliche Christentum nicht etw a heute in ähnlicher Lage sieht wie das Judentum der Tragödie.6)

4) Das Buch stro tz t von Ungenauigkeiten wie Nissan, M achäa, 19 bezw. 14 Stufen im Tem pelvorhof sta tt 12 (Strack-B illerbeck, K om m entar zum N. T. aus Talmud und M idrasch II, 1924, S. 549), zweisprachige W arnungstafeln (vgl. dagegen A. Deißmann, Licht vom O sten, 1923, S. 62 f.), Philos bekannte R om fahrt schon um 30 n. Chr. sta tt 39 bezw. 40, Mt. 17, 24 „Zöllner des F ürsten" usw.

6) Auch hier fehlen grobe Irrtüm er nicht. Jochanan ben Sakai soll den „M ythos“ von d er A uferstehung Je su veranlaßt haben, indem er sich (im Ja h re 70 n. Chr.!) in einem Sarge aus dem b e ­ lagerten Jerusalem tragen ließ. II, S. 224.

e) Das Jüdische Lexikon von G. H erlitz und B. K irschner ist noch nicht bis zum B uchstaben J gediehen. Es h at Bd. I, 1927, S. 1376— 1391 einen A rtik el „C hristentum “ gebracht, d er fröhlich in seicht-rationalistischer K ritik d er christlichen „Dogmen“ von d e r Erbsünde, Dreieinigkeit usw. plätschert. Als ob nicht ge­

w isse Elem ente der christlichen Erbsündenlehre eben aus dem Judentum hervorgegangen w ären! Die groß angelegte Encyclo- paedia Judaica, hrsg. von J , K latzkin und I. Elbogen, ist über den B uchstaben B noch nicht hinausgekommen. — Das „arische“

Aus einer jüdischen A ufklärungsfeder könnte allenfalls auch eine der kecksten Fälschungen unserer Tage stammen:

Sp. Gopcevic, Die Wahrheit über Jesus nach den aus­

gegrabenen Aufzeichnungen seines Jugendfreundes, 2. Auf­

lage, 11.— 15. Tausend (!), Berlin 1927, 95 S. Jesus, ein ägyptisch und indisch u n ter Zugabe von etw as Coue zu­

rechtgestutzter, w ohlm einender Scharlatan, der sich, vom Scheintod erw acht, seinen Jüngern als der „A uferstandene"

zeigt und dann spurlos verschw indet I

Zieht m an das Falsifikatorische ab, so könnte man hier von dem freilich äußerst m angelhaften Versuch eines J e s u s r o m a n s reden. Der ernst zu nehm ende Jesus­

rom an ist nach zwei Seiten hin ausgebaut worden, als historischer und als Gegenwartsrom an. Das in England (und A m erika?) anonym in 22 Auflagen v erbreitete Buch Von einem unbekannten Jünger (übersetzt von I. und E.

Stutzer, Bremen 1926, 236 S.) v e rtritt in lau terer Absicht einen aufklärerisch sentim entalen, in seiner sozial-eudämo- nistischen Tendenz echt angelsächsischen Christustypus.

Walter von Molo, Die Legende vom Herrn, München 1928, 320 S., zeigt uns in eigenwilliger, teilweise origineller V er­

wendung des Evangelienstoffes einen m ystisch-pantheisti- schen, nach kräftigem Handeln u n ter seiner „Schuld" zu­

sam m enbrechenden Pazifisten und gibt dabei nicht nur seiner Bibel- und M ilieukenntnis arge Blößen,7) sondern deutet auch in geradezu unerlaubter W eise um. Sein Lieb­

lingswort ist der falsch verstandene H errenspruch: „Das Reich G ottes ist inwendig in euch.“ Ein schlichtes Jesus- epos hat F. Gölner veröffentlicht (Melsungen 1928, 138 S.).

Die Vergegenwärtigung des Christus ist ein dichterische N aturen immer w ieder lockendes, freilich außerordentlich p rek äres Problem. Ricarda Huchs „wiederkehrender Christus“ (Leipzig 1926, 353 S.) ist inm itten der plumpen, ahnungslosen Selbstsucht der M enschen von blitzenden, satirischen Schlaglichtern, ab er auch von geheim er Tragik um w ittert. Der drohenden Hinrichtung entzieht sich der Held im Flugzeug! M an muß schon den Zusatz zum Titel

„eine groteske Erzählung“ beachten, um das Ganze e r­

träglich zu finden. Von tiefem Ernst und stark e r sittlicher Spannung erfüllt ist der Christusrom an von Richard Voß, Die Erlösung, S tu ttg art 1923, 418 S., des Dichters letztes W erk. E r schildert den W eltenw anderer Christös, der den ganzen Jam m er der erlösten-unerlösten M enschheit, aber auch manches Erhebende erfährt und zuletzt mit dem K reuze eines orthodoxen P riesters erschlagen wird.

Gegen Schluß hin fällt das Buch ab, es k ran k t außerdem an un klarer Vermischung des Rufes zur Besinnung auf die durch Christus einmal geschehene Erlösung mit Selbst­

erlösungsgedanken, zeugt ab er von innerstem M iterleben der Kriegswirren. R. Michel bleibt in seinem preisge­

krönten Roman Jesus im Böhmerwald (W ien 1927, 275 S.) m ehr an der Oberfläche. D er natürliche Sohn eines v er­

w ilderten K ünstlers und eines Köhlermädchens w ird von seiner irren M utter w eltfrem d zu einem zw eiten Jesus e r­

zogen und dann — eine A rt Parzival — auf einer Kuh reitend in die W elt gesandt, um K ranke zu heilen und den

Christusbild d er deutschvölkischen Antisem iten, eines D inter, Blüher usw., h a t neuerdings viel von seiner Zugkraft eingebüßt.

Ich verw eise auf den B ericht von K. D eißner, Das völkische Christusbild, B erlin-Lichterfelde 1925, 62 S. (zu vervollständi­

gen!), zur A useinandersetzung auf J . Leipoldt, W a r Jesus J u d e ? Leipzig 1923, 74 S.

7) „Jakob" opfert seinen Sohn (103), „Josephs“ K inder am Jakobsbrunnen (79), „G ebetsham m er“ (44), Verwechslung des Neujahrs- und Versöhnungstages usw.

(3)

F rieden zu bringen, endlich auf A nstiften eines bösen

„Schächers“ von seiner fanatisierten M utter lebendig v e r­

brannt. Das Beste an der auf den Legendenton gestim mten Erzählung sind die Schilderungen der unberührten N atur.8)

U nter den C h r i s t u s d r a m e n der letzten zehn Ja h re steht F. Avenarius, Jesus (München 1921, 57 S.) obenan. Die G ethsem aneszene bringt leider den unw ür­

digen Zug hinein, daß Jesus seinen „M essiasirrtum" den Jüngern nicht recht zu gestehen wagt. Die Sprache schw ankt zwischen allzu ruhiger M onum entalität und auf- getragener Burschikosität. Über das „gut gem einte“ blut­

rünstige und sinnentrunkene Drama von W. Kothe (R echtsanw alt in Hannover), Jesus Nazarenus, genannt Christus, der Prophet, Ketzer und Staatsverbrecher (Die M enschheitstragödie in fünf Akten), Hannover 1927, 144 S., w ird besser nicht berichtet.

Die m oderne J e s u s l y r i k ist durch Sam m elwerke wie Heinrich Spiero, Die Heilandsgestalt in der neueren deutschen Dichtung, Berlin 1926, 336 S., und K. Röttger, Die moderne Jesusdichtung, Gotha 1927, 243 S., leicht zu­

gänglich gemacht worden. Die Richtung, in der sie sich b e­

wegt, läßt sich besonders in der W eihnachtsdichtung er­

fassen. W ährend in d er vergangenen Periode auch bei fernerstehenden D ichtern wie Th. Storm und R. Dehmel immer w ieder Klänge des Kinderglaubens oder der Sehn­

sucht darnach durchbrachen, hat sich die m odernste Lyrik immer m ehr in einen m ystisch-pantheistischen N aturalis­

mus verloren, der dem Empfinden der Gemeinde völlig fern steht und hinter ästhetischen Reizen und gesteigerter P ro­

blem atik mühsam seine innere A rm ut verbirgt. Als Bei­

spiele mögen genannt sein: Otto zur Linde (Christ ist ge­

kommen in Windeln weiß; Christkind im Schnee; Christ­

kind im Kahn; Christkind unterm Tannenbaum), Rudoli Paulsen (Weihnachtslied für meinen Sohn), Karl Röttger (Die Weihnacht), Felix Braun (Einer aus dem Gefolge der heiligen drei Könige erzählt als Greis). Zum besten ge­

hören: Maximilian Maria Ströter, Weihnachtslied im Kriege und Paul Bühler, Weihnachtslied für ein Kind.

Die C h r i s t u s m y s t i k tritt in unserer Zeit in ü ber­

raschender M annigfaltigkeit der Form en auf. Der K atho­

lizismus ist immer noch für sie ein besonders günstiger Nährboden. Diese T atsache w ird uns sp äter noch b e­

schäftigen. Vorwiegend vom evangelischen Christentum befruchtet ist eine leise mystisch eingestellte „w elt­

liche“ E rbauungsliteratur für erlesene Geister. Am höchsten stelle ich hier des greisen Kölner Philosophen und Ä sthetikers Robert Saitschick „B ekenntnis“: Die in­

nere W elt Jesu, München 1928, 227 S. In feingeschliffenen S ätzen spürt es dem innersten Sinn dessen, w as Jesus ge­

wollt, nach, vorwiegend bei dem übergeschichtlichen und inneren Christus verweilend. Verwandt, jedoch für w eni­

ger anspruchsvolle Leser, in der Sexualethik Jesu klare Position umbiegend, ist Ludwig Reeg, Der Strom, Begeg­

nungen mit Jesus, München 1921, 109 S. M ehr d er Form als dem Inhalt nach mystisch ist das anonyme „Buch der E inkehr": Die Eingebungen des Marianus, Wien-Leipzig- M ünchen 1923, 142 S., mit knapp gefaßten Christuslegenden und Aussprüchen für besinnliche Leute. M it einem Tröpflein m ystischen Öls gesalbt, andererseits freilich dem liberalen

8) F ür M. Jungnickel, W. Bonseis, Kaergel, Bartoch, Scharrel- m ann u. a. verw eise ich auf die obengenannten A rtik el d er RGG.

N. Jünger (J. Rump), Das göttliche Ich, W ism ar 1927, 335 S., will die M acht des lebendigen Christus über M enschen d er Gegen­

w a rt schildern, w äre aber richtiger nicht als Christusrom an, son­

d ern als christlicher Tendenzrom an zu bezeichnen.

Jesusbild nahestehend und den Persönlichkeitskult der zu Ende gehenden Periode von seiner besten Seite zeigend ist Friedrich Ritteimeyers Jesus, M ünchen 1920, 6.—8. Tau­

send, 123 S. Daß heute im gleichen Verlag (Christian Kaiser) K arl Barths Schriften, Th. H arnacks und Ellweins L utherarbeiten erscheinen, spricht Bände.

In w elcher Richtung sich R itteim eyer seitdem ent­

w ickelt hat, ist bekannt. Aus der von ihm gegründeten C h r i s t e n g e m e i n s c h a f t ist eine Evangelien-Aus­

legung (?) hervorgegangen, die, an Rudolf Steiner an­

knüpfend, in Versubjektivierung des geschichtlichen Jesu s­

bildes das Höchstmögliche leistet: E, Bock, Beiträge zum Verständnis des Evangeliums, von Septem ber 1927 an als M anuskript vervielfältigt in der Geschäftsstelle der Chri­

stengem einschaft (Stuttgart-Ostheim , U rachstr. 4) erschie­

nen.8) Über diese schwer zugängliche Schrift referiere ich etw as ausführlicher. Oberhalb der Erde erheben sich drei w eitere Sphären des Seins, und ihnen entsprechen drei W ahrnehm ungsarten höherer A rt: Imagination, Inspiration, Intuition. In den vier Siebenheiten der Offenbarung, aber auch in der Komposition des Johannesevangeliums sind diese vier Regionen deutlich zu erkennen, weniger deu t­

lich im M atthäusevangelium. Nichts in der Komposition ist zufällig. Das Johannesevangelium beschreibt den Weg des Johannesm enschen, der durch Tod und Auferweckung — Lazarus ist der Evangelist selbst — zur Inspiration oder G eistberührung sich hindurchkäm pft. Das M atthäus­

evangelium beschreibt den Weg des Petrusm enschen, der schon an der siebenten Stufe der ersten Region scheitert, um Tod und A uferstehung schlafend zu erleben und erst zu Pfingsten in die W elt der Inspiration em porgerissen zu w erden. Aus diesen Voraussetzungen ergibt sich, daß die Evangelien w eder „grob m ateriell" noch „abstrak t histo­

risch“, sondern nur „geistig intuitiv“ verstanden w erden dürfen. Einige Beispiele. Der Sinn der „Jungfrauengeburt“

liegt w eder in dem M irakel einer vaterlosen Geburt, noch w ird er durch die kritische Zersetzung des „M ythos“ ge­

funden, sondern er liegt darin, daß Joseph und M aria un ter dem Schatten des Ewigweiblichen von Engelhänden ohne sinnliches Bewußtsein zusammengeführt wurden. Jesu M eerw andeln bedeutet die Offenbarung der göttlichen C hristusw esenheit in ihrem eignen, der G eistw elt angehö- rigen W esen. W ahre Orgien feiert die Kunst des V er­

fassers in der „Auslegung“ der Leidens- und A uferstehungs­

geschichte. In der Abendmahlseinsetzung vollzieht sich die Transsubstantiation, daß das Christusw esen anfing, sich auszugießen, opfernd sich zu verström en in das E rden­

wesen. Der G ekreuzigte ist der Mensch schlechthin. Der physische Leib ist sein Kreuz (Kreuz = Rückgrat). Simon von K yrene und Joseph von A rim athia verkörpern den M enschen als K reuzträger und Kreuzlöser. L etzterer ist der erste Gralskönig. Die Emmausjünger „erleben die Wandlung der von ihnen dem Christus dargebrachten Speise als ein Essen des Christus. . . . Es ist ganz gewiß nicht falsch vorgestellt, wenn man sich denkt, daß die Speise, die die Jünger dem Christus darbrachten, hernach, nachdem Christus sie vor ihren Augen gegessen hatte, von den Jüngern in höchster Kommunion empfangen und ge­

gessen wird. . . . Ein W iderspruch ist das nur für eine m aterialistische Auffassung“. F ast viertausend Bezieher und w er weiß wieviele Nebenleser haben sich diese geistige Kost schm ecken lassen!

B) Es liegt mir nur d er erste Zyklus, Lieferung 1— 13, v o r . J e d e Lieferung um faßt durchschnittlich 18 Seiten M a s c h i n e n s c h r if t .

(4)

Und doch ist diese phantastische Verzerrung noch harmlos neben der Falschm ünzerei, die Henri Barbusse treib t in seinem „Jesus“. (A utorisierte Übersetzung aus dem Französischen von E. Trautner, Leipzig-W ien 1928, 248 S.) Eine monologartige Selbstbiographie Jesu in einem an die großen französischen Im pressionisten erinnernden Plakatstil. Sie zeigt mystische Züge: Pantheismus, Vorliebe für Dämm erzustände und sentim entale Tierliebe. Auch der Erlösertypus ist mystisch. nDer Messias ist der Geist, und der G eist ist in uns." Die Mystik schlägt aber höchst m erkwürdig um in wilde W eltbejahung. W iderw ärtig ist zunächst w ieder die erotische Beleuchtung, in die Jesus ge­

stellt wird. Er begehrt vergebens die M aria von M agdala und sündigt mit einer Unbekannten! A ber dam it soll schließlich nur der Ekel der verronnenen Lust dargestellt werden. Dagegen ist die eigentliche Tendenz des Buches die Verherrlichung der gewaltsam en W eltrevolution. Jesus ihr Apostel! Der Versuch einer geschichtlichen Begrün­

dung wird kaum unternomm en. Dabei proklam iert der Verf. im V orw ort die U nantastbarkeit der historischen W irklichkeit als heiliges Grundgesetz!

Da sind die V erkünder des m y t h i s c h e n C h r i ­ s t u s , die jedem Z eitalter das R echt und die Pflicht sichern möchten, sich seinen eigenen Christus zu schaffen, schließlich konsequenter. Arthur Drews hat seine „Chri- stusmythe“ in einer völlig um gearbeiteten, stark v er­

kürzten Ausgabe erscheinen lassen (Jena 1924, 236 S.). Er hat außerdem versucht, seine Theorie durch eine Anzahl von H ilfskonstruktionen zu stützen. Ich nenne: Das Mar- kusevangelium als Zeugnis gegen die Geschichtlichkeit Jesu, Jen a 1921, 326 S.; Die Entstehung des Christentums aus dem Gnostizismus, Jen a 1924, 389 S.; Die Petrus­

legende, Jen a 1924, 79 S.; Die Marienmythe, Jen a 1928, 189 S. Der B rem erhavener P astor H. Raschke hat Drews sekundiert, indem er das M arkusevangelium für eine A r­

beit des M arcion erk lärte und seine Geschichtsdarstellung aus volksetym ologischer Deutung der M issionsetappen in P alästina ableiten wollte. (Die Werkstatt des Markusevan­

gelisten, Jen a 1924, 330 S.) Das Körnlein W ahrheit in diesen Irrtüm ern ist w ahrlich sehr klein. Doch steht die A rbeitsw eise der beiden letztgenannten A utoren immer noch hoch über der Oberflächlichkeit, mit der der dänische L iterat Georg Brandes die „Jesus-Sage“ behandelt hat (Berlin 1925, 155 S.). Die eine T atsache sagt genug, daß Br. den Abschluß der Mischna in das zw eite Jah rhun dert vor Christus rückt und daraus entsprechende Schlüsse zieht. Dies trotz seiner jüdischen Abstammung, die er sonst keineswegs verleugnet.

Gegen diesen blutigen Dilettantism us legt nicht nur kirchliche Frömmigkeit, sondern auch echte W issenschaft Verwahrung ein. Im einzelnen freilich finden sich bei beiden ebenfalls große Unterschiede. Selbst das k a t h o ­ l i s c h e Jesusbild ist keinesw egs so einheitlich, wie man vielleicht erw artet. Das hat J. Leipoldt in seiner Schrift Evangelisches und katholisches Jesusbild, Leipzig 1927, 66 S., gezeigt, indem er fleißig gesammeltes M aterial be­

sonders aus dem südeuropäischen Katholizismus in reli- gionsgeschichtlich-kritische Beleuchtung rückte. Streng katholisch, aber von der W issenschaft so gut w ie unbe­

rü h rt ist der Jesuit M. Meschler, dessen älteres, der ak ad e­

m ischen Jugend gewidmetes Buch Der göttliche Heiland, 3. Auflage, Freiburg i. B. 1910, 683 S., eine im N. T. unbe­

k ann te Erscheinung des A uferstandenen vor d er M adonna kühnlich postuliert. Seine Bearbeitung des Lebens Jesu in

Meditationen ist 1928 in englischer Übersetzung von M ary M argaret erschienen. W esentlich wissenschaftlicher ist das Buch des M ainzer Professors A. Reatz, Jesus Christus.

Sein Leben, seine Lehre und sein Werk. Freiburg i. B.

1924, 354 S. Es lohnt schon wegen seiner soliden L iteratu r­

benutzung durchaus die Auseinandersetzung. Die neutesta- m entliche Eschatologie ist behutsam umgebogen, um das sichtbare Reich Gottes, die organisierte Kirche, besser unterbringen zu können. Die evangelische Fröm m igkeit wird einseitig individualistisch verstanden und ihr Gegen­

satz gegen die katholische A skese vergröbert. M it echt südländischer, für unser Empfinden nicht selten geschm ack­

loser R hetorik schreibt der vom Atheismus zur Kirche zurückgekehrte italienische D ichter Giovanni Papini die Lebensgeschichte Christi (21.—30. Tausend der deutschen Ausgabe nach dem 70.— 100. Tausend des Originals, M ün­

chen o. J., 519 S.). In dem Buch steht vieles, was nur einen vom N. T. w eit entfernten Rationalism us abstößt. Beinahe evangelisch b erührt die Fassung der Buße im Sinne Jesu.

Am Schluß aber schlägt die hierarchische Auffassung der römischen Kirche durch. Ein anderer Romane, der Spanier Miguel de Unamuno, schildert den Kampf zwischen Chri­

stentum und Kultur, P atertum und V atertum als „die Agonie des Christentums“ (deutsche Übersetzung von O.

Buek, München 1928, 185 S.), ja im Grunde als den Todes­

kampf des inneren Christus selbst. Die Abhängigkeit von der M ystik, speziell von Pascal, ist offenkundig, sie kreuzt sich eigenartig mit Einflüssen Nietzsches und Dostojews- kijs. H ier liegt m ehr innere V erw andtschaft vor, als m an­

cher ahnt. In den Verzweiflungsschrei — der vielleicht doch auch Sehnsuchts- und Hoffnungsschrei ist — : „Chri­

stus, unser Christus, warum hast du uns verlassen ?“ klingt das Buch aus. Ein echt katholisches Buch ist auch — tro tz der Exkom m unikation des Verfassers — das unwissen­

schaftliche W erk eines W issenschaftlers: Joseph Wittigs herzig geschriebenes Leben Jesu in Palästina, Schlesien und anderswo (Gotha 1927, 2 Bände, 358 und 326 S.). Die originelle und w eithin ansprechende Verschlingung der eigenen Lebensgeschichte mit dem Leben Jesu ru ht im tiefsten auf einer Christusmystik, die gelegentlich das e r­

trägliche Maß überschreitet. (Vergl. Mein Leben, Am W eg­

saum 1929, S. 26 f., auch das neueste Buch des Verf.:

„H öregott", 1928.) Der Katholizismus erw eist sich als ein günstiger N ährboden für die Christusmystik. Er hat aber auch ganz unmystische Jesusbücher hervorgebracht. Der P ariser Jesuit Pierre Landhe schildert u nter dem Titel

„Christus m der Bannmeile“ (autorisierte Übersetzung von Therese von Jordans, Einsiedeln o. J. (1929), 272 S.) w arm ­ herzig und humorvoll, wie Jesus zu den Lumpensammlern und F ab rik arbeitern der P ariser Vorortsiedelungen kommt

— durch die aufopferungsvolle A rbeit der Kirche. Das Buch hat ein älteres, in Deutschland wenig beachtetes calvinistisches Gegenstück: W. P. Stead, If Christ came to Chicago (Chicago, Laird & Lee Publishers 1894, 472 S.). Die Tendenz dieses ebenfalls durchaus nicht rom anhaften Buches ist gekennzeichnet durch den Satz: W enn Christus heute käme, so w ürde er die Kirchen ohne Ausnahme als unbrauchbare W erkzeuge verw erfen; seine K athedrale w ürde das R athaus sein. W ährend der Angelsachse auf die alleinseligm achende D em okratie schwört, erw arte t der französische Katholik, jedenfalls mit größerem Recht, ein erneutes Kommen Jesu zu den irregehenden Massen von treu e r kirchlicher Seelsorge.

T reten wir nun an die m ehr wissenschaftlich orientierte,

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vorw iegend evangelisch beeinflußte Jesusforschung heran, so hebt sich hier zunächst eine Schicht von L iteratur h er­

aus, die den A nteil der Nichttheologen auch an dieser Seite unseres Gegenstandes bekundet und an w eitere Kreise sich 'wendet. F. Köhler, Jesus, Berlin 1928, 391 S., ist als W erk eines sachkundigen M ediziners bem erkensw ert. Theolo­

gisch w irkt es mit seinem milden Liberalismus fast schon als ein Anachronismus. G, Hoifmann, Jesus Christus, der Meister der Religion des Sozialismus, Rostock 1921, 63 S., geht religiös-sozialistische Bahnen. Jesu G ott w ar die All­

seele, und das treibende Moment seiner Predigt w ar der Kampf gegen kapitalistische Habgier. Einer ähnlichen Ein­

seitigkeit hat der dänische O rientalist Ditlef Nielsen das reiche Maß seiner religionsgeschichtlichen Kenntnisse ge­

liehen. Sein Buch Der geschichtliche Jesus, deutsch von H. Hommel, M ünchen 1928, XXVII und 238 S., hat in D änem ark und auch in Deutschland viel Aufsehen erregt.

Es ist dem Nachweis gewidmet, daß das auf heidnische W urzeln zurückgehende Dogma die einfach menschlichen Züge des ursprünglichen Jesusbildes bis zur U nkenntlich­

keit überm alt hat. Der geschichtliche Jesus w ar ein schlichter Mensch, der mit leidenschaftlichem, opfer- mutigem W agen die M enschheit von dem Fluch des Un­

friedens, von Krieg und Kapitalismus zu befreien suchte.

D er Verfasser hat — ebenso wie verm utlich die m eisten seiner Leser — nicht bem erkt, daß seine Geschichtsauf­

fassung ganz im Dienst einer vorgefaßten Meinung, eines v.nitarisch-sozialistisch-pazifistischen Dogmas steht. Seine religionsgeschichtliche M ethode ist noch genau so grob wie in seinem Buche Der dreieinige Gott, 1922. So sieht er trotz lau terer Absicht und trotz vieler richtiger Einzel­

beobachtungen, die freilich dem Fachm ann nichts Neues bringen, das Bild Jesu ganz ungeschichtlich-einseitig. Er berücksichtigt vor allem das Judentum zu wenig. Die F rag e nach den revolutionären A bsichten Jesu b eantw ortet übrigens Lion Feuchtw angers sonst zustimmende Ein­

leitung zur deutschen Übersetzung gerade entgegengesetzt.

Mit feiner Verwertung des zeitgeschichtlichen H inter­

grundes, in m ancher Hinsicht freilich anfechtbar, hat ein Papyrusforscher, W. Schubert, das „Weltbild Jesu“ ge­

zeichnet (Sammlung Morgenland, Heft 13, Leipzig 1927, 54 S.), Eine wunderliche Mischung von w irren Kenntnissen, die sich vor allem auf A. M erx' Erforschung des Sinaisyrers stützen, und billiger Rom antik — M aria von M agdala wird 'wieder einmal m it der großen Sünderin konfundiert — stellt das Buch von E. Jung, Die geschichtliche Persönlichkeit Jesu , München 1924, 352 S., dar. Es gipfelt in der F orde­

rung: W ien ein deutsches Rom! Den Schein der W issen­

schaftlichkeit erw eckt auch durch gehäufte Lesefrüchte Werner Hegemann in seinem m ehr m erkw ürdigen als m erk-w ürdigen Buche Der gerettete Christus, Potsdam

1928, 323 S. In prickelnder Gesprächsform sind hier so ziemlich alle Einwände zusammengetragen, die jemals gegen die neutestam entliche Verkündigung von der Heils­

bedeutung des Todes Jesu erhoben w orden sind. Auf die B ibelkenntnis des Verfassers wirft es ein seltsam es Licht, wenn er, angeblich die Religion Jesu gegen Paulus in S chutz nehmend, den Satz schreibt: „Paulus setzte sozu­

sagen für die Sünde eine Belohnung aus; da im Himmel m ehr F reude ist über einen g eretteten Sünder als über neunundneunzig G erechte, ist die Belohnung um so größer, je m ehr einer gesündigt h a t“ (S. 81). D er einzige positive G edanke des Buches ist der, daß m an zw ar gelegentlich

■ein Opfer bringen mag, im übrigen aber gut tut, sich der

W elt zu erhalten und sich durchzusetzen. Darnach hat auch Jesus gehandelt, indem er sich mit Hilfe des Pilatus, wenn auch unter einigen Schwierigkeiten, dem drohenden Tode entzog! Daß Paul G erhardts Verse und D ürers Passionsblätter dieser faden Brühe als Gewürz zugesetzt werden, ist schade um sie. E. Hertlein, Was wissen wir von Jesus? S tu ttg art 1922, 39 S., kommt in scharfem Gegensatz gegen das liberale Jesusbild auf rein literar- kritischem W ege zu völligem Agnostizismus. Ein so ange­

sehener H istoriker wie Eduard Meyer hat bekanntlich w e­

sentlich anders geurteilt, auch übermenschliche Züge im Selbstbew ußtsein Jesu anerkannt. Beides bleibt b edeut­

sam, wenngleich M eyers großes dreibändiges W erk über Ursprung und Anfänge des Christentums (1921/23, seitdem w iederholt aufgelegt) (vgl. besonders II, S. 420—453) w eder den Eindruck voller Sorgfalt und m ethodischer Sauberkeit hat sichern können, noch dem religiösen G ehalt des Neuen Testam entes wirklich gerecht gew orden ist.

Bertram, Georg, D. (Prof. in Gießen), Neues Testament und historische Methode, Bedeutung und Grenzen historischer Aufgaben in der neutestamentlichen For­

schung (Sammlung gem einverständlicher V orträge und Schriften aus dem G ebiet der Theologie und Religions­

geschichte Nr. 134). Tübingen 1928, J. C. B. Mohr. (46 Seiten 8.) 1,80 Rm.

Nach einer Bestimmung der Aufgabe der Geschichte, die dem objektiven und subjektiven F ak to r in d er G e­

schichtsforschung gerecht zu w erden sucht, kommt Verf.

in scharfsinnigen Untersuchungen, die allerdings w eder in ihrem Aufbau ganz durchsichtig, noch in der Anwendung historischer Begriffe (Tradition und Überreste, Propheten­

legenden und Kulterzählungen) auf das N. T. glücklich ge­

nannt w erden können, zu dem R esultat, daß die Person Jesu, an der die G eister sich scheiden, der historischen Forschung nicht zugänglich ist und der H istoriker darum nur ihre W irkungen in der ersten Gemeinde feststellen kann. W eder der sogen, „historische Jesus" der kritischen Theologie noch die Leugnung der Geschichtlichkeit Jesu können befriedigen. — W enn auch letzteres richtig ist, so ist doch zu bezweifeln, ob der H istoriker sich bei der A n­

wendung des K ausalitätsgesetzes das R echt nehmen lassen kann, aus den W irkungen auf die Ursache zu schließen, zumal da das N. T. hierfür der besonnenen vorurteilsfreien Forschung, welche die Aufgabe d er neutestam entlichen Schriftsteller aus Luk. 1, 1 f.; Joh. 20, 31; 21, 24 und 1. Kor. 15, 1 ff. erkennt, so viel bietet, daß dem gegenüber die Schem ata der historischen M ethode von geringerer Bedeutung sind, zumal wenn diese M ethode sich die H err­

schaft über den Stoff und die Tatsachen anmaßt, und sich nicht mit der ihr zukommenden dienenden Stellung b e­

gnügt. S c h n i t z e n - Peine.

Die Geschichtschreiber der deutschen Vorzeit. Band 96, Das Leben des Bischofs O tto von Bamberg von einem Prüfeninger Mönch. Ü bersetzt und eingeleitet von Adolf Hofmeister. Leipzig 1928, Dyk. (XXIX, 78 S. 8.) K art. 6 Rm.

Seiner 1924 erschienenen Ausgabe der Prüfeninger V ita des Bischofs O tto von Bamberg (Denkm. der Pom- m erschen G eschichte Bd. 1 [Greifswald]) läßt Adolf Hof­

m eister jetzt eine sehr sorgfältige Übersetzung dieser als m ittelalterlicher Lebensbeschreibung ebenso anziehenden

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w ie als Quelle für die älteste Kirchen- und K ultur­

geschichte Pommerns aufschlußreichen Schrift eines un­

bekannten Prüfeninger Mönches folgen. In drei Büchern schildert der V erfasser die Jugend und die bischöfliche T ätigkeit Ottos, seine Fürsorge für die Klöster, seine Be­

mühungen um Vermehrung des Kirchengutes und seine B autätigkeit, vor allem aber seine beiden Missionsreisen nach Pommern (1124—25 und 1128). Ihre Erzählung mit den w ertvollen N achrichten über Glauben (Triglous) und religiöse Bräuche der heidnischen Ostseeslaven, über die Predigt- und Bekehrungsweise des Bischofs gibt dem Schriftchen seine besondere Bedeutung.

Nach der Einleitung nimmt H. zu den bildlichen D ar­

stellungen Ottos, von denen eine fast zeitgenössische Federzeichnung aus einer Bamberger Handschrift (Patr. 76) des Klosters Michelsberg beigegeben ist, wie in seiner A usgabe nochmals Stellung. Man w ird jedoch über den Bildniswert der überlieferten Darstellungen m. E. skepti­

scher urteilen müssen, als H. es tut. — Noch eine Kleinig­

keit: warum sind im T ext die Ortsbezeichnungen nicht in ihrer heutigen Form, wenn die Identifizierung der alten Namen unbedingt sicher ist, gegeben?

G. E. H o f f m a n n - Kiel.

Jahrbuch für Brandenburgische Kirchengeschichte. H er­

ausgegeben im A ufträge des Vereins für B randen­

burgische K irchengeschichte von Lic. W alter W end­

land, P farrer in Berlin. 23. Jahrg. Berlin 1928, W ar- neck. (224 S. gr. 8.)

K linkott, Dr. Kurt, Berlin, Das K arthäuserkloster

„Barm herzigkeit G ottes" bei F rankfurt (Oder) (S. 3—52:

Ein Beispiel für das Anwachsen klösterlichen Besitzes noch im 15. Jahrhundert, für A ufrechterhaltung strenger K loster­

zucht auch in einer Zeit, da sie sonst fast allgemein en t­

a rte t war, und für die Einführung der Reform ation durch Fürstenhand. U nberücksichtigt geblieben ist das W ort „de novo fundare" der Gründungsurkunde (S. 10), ebenda ist s ta tt testam entum testimonium zu lesen. Der aus F ranken stam m ende Bischof von Lebus (S. 21) hieß nicht R oten­

hagen, sondern Rotenhan). — W erderm ann, Lic. Dr. Her- mann-Berlin, P farrerstand und P farram t im Z eitalter der O rthodoxie in der M ark Brandenburg (S. 53— 133: Die e rste Verwendung der von v. Bonin 1926 herausgegebenen Konsistoriumsentscheidungen. W erderm ann geht auf alles, was für den P farrerstan d und das P farram t wichtig ist, ein.

Zum Pfarreinkom m en sei bem erkt, daß der Beginn der E rn te am gleichen Tage auch sonst üblich w ar (S. 86). Auf­

fällig ist, daß bei Darlegung der F este des fehlenden K ar­

freitags nicht gedacht ist. Heißt es S. 130 Zeile 17 v. u, wirklich vicinibus?). — W otschke, D. Dr. Theodor-Pratau, D er M ärkische F reundeskreis Brecklings (S. 134—203; mit dem holsteinisch-holländischen Schwärm er standen in Be­

ziehungen neben zwei anderen P farrern S pener und Caspar Schade). — Professor D. F reiherr von der Goltz, A dalbert Falk, der Kultusm inister des K ulturkam pfes (S. 204—209:

F örsters Buch zeige klar, daß Kanzler und Kultusm inister in den G rundfragen bis zuletzt einig gewesen). — Hans P etri, P farrer in B ukarest, S orauer Studenten an der U niversität W ittenberg w ährend der R eform ationszeit (S.

210—213; soweit möglich w erden auch Nachweise über sp ätere T ätigkeit gegeben. Von diesen Studenten ist am b ek an n testen gew orden der Ilfelder R ektor M ichael Ne- ander; die Inschrift auf dem G rabe seiner E ltern w ird m it­

geteilt). T h e o b a l d - Nürnberg.

Fahrner, Rudolf, Dr., Wortsinn und Wortschöpfung b ei Meister Eckehart. (Beiträge zur Deutschen L iteratu r­

w issenschaft, herausgegeben von Dr. E. E lster N. 31.^

M arburg a. L. 1929, M. G. Eiw ert (G. Braun). (VIII, 144 S. gr. 8.) 7.50 Rm.

Uns Theologen interessiert an dieser germ anistischen Schrift, daß der Verf. folgende deutsche Stücke des M eisters für gesichert hält: Liber Benedictus, Reden der Unterscheidung; von den P redigten aus der Pfeifferschen Ausgabe: Nr. 21, 32, 40, 56, 83, 84, 87; höchst w ahrschein­

lich Nr. 45 und vielleicht Nr. 8. Nach Spamer, P ahnke und B ernhart w aren es außer den beiden T ra k ta ten Nr. 8»

21, 22, 44, 54, 55, 64, 65, 81, 84, 100, 102. Der Feststellung der ersten Stücke folgt dann ihre germanistische Aus­

wertung. Das ist gewiß eine notwendige A rbeit, denn d ie Kenntnis des Sprachgutes kann wohl in der E chtheitsfrage unterstützend hinzukommen. G eführt w erden muß freilich der Beweis von der Scholastik aus. Dies aufgedeckt zu haben, bleibt bei allen W underlichkeiten und Färbkünsten.

Denifles V erdienst. Nicht die Germ anistik, sondern nur die Theologie, welche mit der Scholastik im allgemeinen und mit Thomas von Aquin im besonderen v ertrau t ist, wird, hier den letzten Entscheid geben müssen.

D. S i e d e 1 - Dresden.

Mausbach, D. Dr. Joseph, Dom propst und p äpstlicher Hausprälat, Professor der M oral und Apologetik in M ünster, Katholische Moraltheologie. 1. Bd.: Die all­

gemeine Moral. 5. u. 6. Auflage. M ünster i. W. 1927»

Verlag der Aschendorffschen Buchhandlung. 274 S., geh. 5.40 Rm.

Den 1918 und 1921 erschienenen Bänden 2 und 3 ü b e r die spezielle M oral folgte 1922 der 1. Band über die all­

gemeine Moral, dessen 5. und 6. Auflage (1927) uns vor­

liegt. Als eins der „Lehrbücher zum G ebrauch beim theo­

logischen Studium " empfiehlt es sich durch seine knappe»

klare, übersichtliche Darstellung; und die schnelle A uf­

lagenfolge zeigt, wie sehr es in den Kreisen, für die es bestim m t ist, geschätzt wird. Nach einer Einleitung, d ie auch die A useinandersetzung mit der philosophischen und der protestantischen Ethik enthält, folgen 7 A bschnitte:

1. Der Begriff des Sittlichen. Sittliches Endziel und sitt­

liche Ordnung; 2. Das G esetz als formelle, objektive Norm des Sittlichen; 3. Das Gewissen als subjektive, persönliche Norm des Sittlichen; 4. Die Verwirklichung des S ittlichen im m enschlichen W ollen und Handeln; 5. Die Erhebung d es M enschen zur übernatürlichen Sittlichkeit; 6. Die sittlich­

guten Handlungen und Zustände; 7. Die sittlich-bösen Handlungen und Zustände. Diesen system atischen Aufbau können wir vom evangelischen Standpunkt aus schon wegen d er überragenden Bedeutung, die dem G esetze zu­

erkan nt wird, nicht billigen. A ber auch sachlich wird doch immer w ieder der G raben sichtbar, der evangelische und römische „M oraltheologie“ trennt, so, um noch etw as Grundsätzliches zu nennen, bei der Stellung zur Erbsünde»

wodurch naturgem äß der ganze sachliche Aufbau der Ethik verschieden ausfallen muß. W ohltuend berü hrt der große sittliche Ernst, der das Buch beherrscht, und die ruhige A rt der Polemik, w enn auch gerade dadurch immer w ieder die schmerzliche Erkenntnis sich aufdrängt, wie tief d e r trennende G raben ist. L i c . P r i e g e l - Breslau.

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tischer Hinsicht reichen Genuß gewährenden Betrachtungen, daß in ganz neuen Gedankengängen das Bild des HErrn in seiner alles überragenden Hoheit immer wieder als

halten. D och diese Stelle im Clemens reizt ihn, einen kleinen Exkurs in die D ogm atik zu m achen und in etw as allgem einer, immerhin bedeutungsvoller T

Zweifellos eindrucksvoller freilich, knapper und doch reicher sind Hamacks Ausführungen über denselben Gegenstand. Auch er legt den Hauptnachdruck auf den

den Vorgängen auf deutschem Boden anregt. Sagen wir’s aber offen heraus: trotz aller Sorgfalt, trotz aller Bemühungen des Verf.s scheint uns der Ertrag seiner

these, anlässlich einer Einführung einer neuen Schriftart seien Bibelbücher Entsteillungen verfallen. W u tz gelingen auf Grund seines Systems v ie le Verbesserungen,

E, Marius (Die Persönlichkeit Jesu Christi), gegen das die vorstehenden Sätze des Professors an der Universität Löwen de Harlez gerichtet sind (a, a.. Unfähig,

Fontes H istoriae Religionis Slavicae collegit Carolus H enricus

A uer stellt dann w eiter den Einfluß fest, den diese consolatio geübt hat, und zw ar so, daß er all den W erken nachgeht, die davon abhängen: „Als Handbuch