TECHNIK u n d KULTUR
Zeitschrift des Verbandes Deutscher Diplom-Ingenieure
| 25. JAHRGANG B E R L I N , 15. MÄRZ 1954_______________Nr. 5, S. 5 7 - 5 6 | | | §
® ipl.*3ng. W. v. P asin sk i und ©ipt.--3ng. K. F. Steinm etz:
Ingenik im Dritten Reich
Ein B eitrag zur O rg a n isa tio n sfra g e der tec h n isc h e n B erufe
Vom Kernproblem
V iel geschrieben und geredet wurde von der Organisierung im technischen B erufskreis, und man verstand darunter die Zusam m enfassung aller in der „T echnik“ beruflich stehenden Menschen zu einer gigantischen O rganisation und innerhalb die
ser ihre A ufgliederung in Gruppen nach bestim m ten G esichtspunkten. Man hat O rganisations
schemata auf g e stellt und das Ganze nach Vor
gängen in anderen B erufskreisen als „Technik- Front“ oder ähnlich bezeichnet.
Zwar hat man betont, daß solches Organisie
ren den Zweck verfolge, die „T echnik“ dem neuen Staate dienstbar zu m achen, das „technische“
Schaffen und seine Träger in den D ienst der Ge
samtheit zu stellen , um auch auf diesem Gebiete dem Leitgedanken unseres neuen Lebens: „Ge
meinnutz vor E igen n u tz“ G eltung zu verschaffen, zum Leitm otiv auch der Arbeit des „T echnikers“
zu machen.
Aber der Kern des Problem s liegt nicht auf organisatorischem G ebiete, die O rganisation — die
„Form“ — steht nicht an erster Stelle; sie kann noch so sinnreich ausgedacht, bis ins einzelne ausgeklügelt sein, sie bleibt totes Gebilde ohne den sie beseelenden G eist, der primär ist und bleibt, der die Menschen, die in der Organisation stehen sollen, vom ersten bis zum letzten durch
dringen und beherrschen muß.
Das P r o b l e m , um das es sich in W ahrheit bei der Frage der Organisierung der technischen Berufe handelt, ist aber ein geistig es Problem:
d i e o r g a n i s c h e E i n g l i e d e r u n g d e r I n g e n i k i n d i e K u l t u r , d e r I n g e n i e u r a r b e i t i n d i e G e s e l l s c h a f t s a r b e i t .
Und alle O rganisationspläne m üssen naturnot
wendig Stückw erk bleiben oder scheitern, wenn sie nicht das Kernproblem voranstellen, von ihm ausgehend die „Form “ gestalten .
Beim H erantreten an diese Arbeit dürfen wir nie vergessen, daß es sich hier um „1 i b e r a - l i s t i s c h e s U r w a l d g e b i e t “ handelt, das dem nationalsozialistischen G eist zugänglich g e macht w erden soll. Deshalb em pfehlen sich auch die selben Methoden, w ie bei der A uflockerung des politischen Liberalism us: Erst w enn der trübe Inhalt im bisherigen Gefäß hell und klar gew or
den ist, dann erst w ählen wir uns ein geeign etes K ristallglas, um diesen Inhalt zu fassen.
Als diese Zeitschrift vor rd. 12 Jahren ihren
Obertitel „Technik und K ultur“ erhielt, standen wir in einer Zeit pessim istischer A uffassung über die kulturelle W eiterentw ick lung des „A bend
lan d es“ ; und in D eutschland stand „K ultur“ g e ring im K urse, „W irtschaft“ und Materialismus beherrschten das Feld. Eine Fahne sollte mit diesem Titel „Technik und K ultur“ aufgerichtet werden, die w egew eisend den technischen Berufs
trägern und der A llgem einheit sein sollte, die w egebereitend werden sollte zur wahren Kultur.
Zahlreiche V eröffentlichungen sind seitdem über das Thema: Technik und Kultur, über den Inhalt der Begriffe und ihre B eziehungen zueinander oder ihre geg en seitig e B edingtheit erschienen; und auch außerhalb des technischen Berufskreises be
gannen diese Thesen W iderhall zu finden. Frei
lich, allgem ein durchsetzen konnten sie sich nicht, dazu war die Zeit noch nicht reif; weder in der A llgem einheit war der Boden sow eit' aufbereitet noch bei den technischen Berufsträgern selbst.
Daß dem so ist, bew eisen gerade die Organisa
tionspläne, um die „Technik zu organisieren“ ; bew eisen aber auch V orgänge außerhalb des tech
nischen Berufskreises, durch w elche der „T ech
n ik “ — den Inhalt des Begriffes besser treffend:
der I n g e n i k — lediglich die W ertung w irt
schaftlicher B etätigung zugesprochen werden soll.
Einen guten Teil Schuld an solcher W ertung trägt das W ort „T echnik“, trägt die unklare B e
griffsbestim m ung, die verschiedene A uffassung über den Inhalt dieses Begriffes. Darauf ist früher hier schon w iederholt hingew iesen worden. Es ist nicht zu verkennen, daß eine vom „Organisie
ren der T echnik“ ausgehende Organisation die Lösung des gesam ten Kernproblems voraussicht
lich in w eite Ferne rücken würde.
Solange man in der „T echnik“ nur das E r - z e u g n i s sieht, gelan gt man zw angläufig nur zur z i v i l i s a t o r i s c h e n O r g a n i s a t i o n , zu einer Art „braunen Liberalism us“. Erst w enn man die „T echnik“ vor dem Erzeugnis, also die I n g e n i k , ins A uge faßt, gelan gt man ebenso zw angläufig zur K u l t u r. Nur diese ist völkisch verbunden.
B ei der Schaffung der „Reichs-K u 1 1 u r -K am mer“ und der Abgrenzung ihres Bereiches ist man an der „T echnik“ vorbeigegangen, der man damit der O effentlichkeit gegenüber eine außerhalb der
„K ulturberufe“ stehende S tellu n g zu gew iesen hat, sicher auch aus dem Grunde, w-eil man den B egriff
„T echnik“ nicht fassen konnte und w eil man ihre
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A u fgab e der G esellsch aft gegen ü b er vielleich t nur als zivilisatorisch ein sch ätzte. Man hat w ohl die A rch itek ten in den K ulturbereich einbezogen, w o
bei man hier die k ü nstlerische Schöpfung bei B au ten in den V ordergrund des Berufes stellte.
So b esteh t die Gefahr, daß dem B egriff „K ultur“, v o n den „K ulturberufen“ h ergeleitet, ein sehr um grenzter Inhalt in der A llgem einheit gegeben wird, der seiner um fassenden B edeutung nicht gerech t wird, der aber auch die M öglichkeit sch afft, daß v iele B erufe eine M inderwertung er
fahren kön n ten , daß b eispielsw eise handw erk
lich es Schaffen zur rein w irtschaftlichen B etä ti
gu n g gestem p elt wird, obschon es ganz bestim m t, ebenso w ie w issen sch aftlich e A rbeit, ein T eil der K ulturarbeit ist. N och sind W ege gegeb en , um für die k ü n ftige E ntw icklung der K ultur, und zwar A u fw ärtsen tw ick lu n g im Sinne einer H a r m o n i s i e r u n g im E inzelm enschen sow ohl w ie in der V olk sgesam th eit, Gefahren auszuschließen.
N och lie g t auch im technischen B erufskreis der W eg frei. D em b erechtigten Streben nach einer L ösung des Problem s durch die B eseitigu n g zu
n äch st der H indernisse innerhalb des technischen B erufskreises, seiner V ielfä ltig k eit, Zerrisenheit usw ., w urde ein M ittelpunkt gegeb en . D er S tell
vertreter des Führers hat einen besonderen A u s
schuß ein g esetzt zur V orbereitung einer „R eichs
kam m er der T ech n ik “. D er Führer des A u sschus
ses, G eneralinspektor des deutschen Straßen
w esens, D r.-Ing. F. T o d t , hat in einer „N eu
jahrsbotschaft“ als die den deutschen Ingenieuren g e ste llte A ufgabe bezeichnet:
„eine einheitliche g eistig e E in stellu n g zu er
zielen für die großen A ufgaben, die der T ech nik beim Aufbau des R eiches unter A dolf H itlers Führung g e ste llt w erden“.
Und über den W eg, den der A usschuß gehen wird:
„W ir beginnen unser Streben nicht mit Or
ganisieren. Jeder einzelne, jede bestehende O rganisation beginne mit sich selb st und be
reite sich u n eigen n ü tzig auf den großen Zu
sam m enschluß der T echnik vor. Jeder, der dazu gehört, bekenne sich aber auch dazu.“
D am it hat F. T o d t den Prim at des Problem s h erau sgestellt und der Frage der Organisierung die richtige R angordnung zu gew iesen . Er stellte in den Vordergrund die einheitliche G eisteshal
tung, die V orau ssetzu n g für die Erfüllung der den Ingenieuren im n ationalsozialistischen Staate g e ste llte n A ufgaben ist. W ie auch diese A ufgaben im einzelnen g e sta ltet sein m ögen (es wird davon noch die R ede sein m üssen), ihre E rfüllung v er
la n g t die B ejahung der Idee des neuen S taates aus innerem Erleben heraus und nicht bloß aus N ützlichkeitsgründen. Und eine F unktion dieser B ejahung ist die höhere B erufsauffassung, die adäquat ist dem nobile officium der alten akade
m ischen Stände.
F. T o d t k en n zeich n ete aber auch das K ern
problem selbst: der T echnik sind große A ufgaben beim A ufbau des neuen S ta a tes g este llt. D as heißt: E ingliederung der Ingenik in den Staat und ihre L oslösung aus ihrer bisherigen V er
strick u n g in k apitalistischer, eigen n ü tziger A u s
beutung, der U ebergang vo n einer „P riv a ttech n ik “ zu einer „ S t a a t s t e c h n i k “ . Im n atü r
lichen Zusam m enhang dam it die L ösung des In
genieurs aus seinem bisherigen „industrieverbun
denen“ D enken und sein e E in glied eru n g in die G esellsch aft durch die B ild u n g eines „ I n g e n i e u r b e r u f s s t a n d e s “ , dessen G lieder
„berufsverbunden“ sind.
Von der g eistig en E in stellu n g
Primär ist die G ew innung der einheitlichen G eisteshaltung gegen ü b er der anhebenden neuen Z eitepoche. D abei kom m t es im w esen tlich en auf das G rundsätzliche an: auf die radikale B ea n t
w ortung der radikal g e ste llte n F rage nach der W esen h eit des E inzelnen und der W esen h eit der G esellschaft sow ie der V erbundenheit der B eiden.
V öllige K larheit muß sich der E in zeln e darüber erwerben, daß der Individualism us, die e i n e der m öglichen radikalen A n tw orten, zu einem seiner E ndzustände vorged ru n gen w ar, in dem er dem Liberalism us, M aterialism us, und schließ lich dem M arxismus erlag. D er N ation alsozialism u s hat den A tom ism us ab gelöst, hat ihn durch einen U niver
salism us ersetzt. D ie bew egen d e Idee der neuen Epoche, deren G eburtsw ehen wir in allen K u ltu r
völkern sehen, ist die a n d e r e radikale A n t
wort: die übergeordnete W esen h eit der G esell
schaft, der Prim at des V olk es; der E inzelne ist Glied dieser übergeordneten G em einschaft und dam it mit dem E w igen verbunden.
Es ist eine grundsätzliche W andlung, die sich so in der M enschheit v o llzieh t und in jedem E in zelnen v ollzieh en muß. N icht handelt es sich nur um ein „U m lernen“, so w ie man etw a eine T h eo
rie infolge neuer E rkenntnisse durch eine „B es
sere“ ersetzt. D iese W andlung ist vielm ehr eine w ahrhaft revolutionäre, eine den M enschen zu tiefst erschütternde U m w älzung, w eil sie zu den letzten Quellen des m enschlichen L eb en sgesetzes, in die T iefe des m enschlichen H erzens h in ab stei
gen muß. So muß sich der E inzelne selb st rev o lutionieren, anders gew in n t er nicht das Sprung
brett in die anhebende Z eitepoche, die für v iele G enerationen das S ch ick sal bestim m en wird.
W er g u ten W illens ist, den neuen B oden zu b e
treten, dem bleiben deshalb diese inneren K äm pfe und das g e istig e R in gen um letzte K larheit und um den G lauben an das E w ig e im M enschen und seinen G em einschaften nicht erspart. Und um so härter ist d ieses R ingen, je stärker der E inzelne mit der in d ivid u alistisch en Idee v erstrick t g e w esen ist. D as trifft aber in gan z besonderem A usm aß auf die technischen B erufsträger, auf die Ingenieure zu.
D er Grund dafür lie g t offen zu T age. D er B e
ruf ist so eng m it der Industrie verbunden und hat sich m it ihr parallel en tw ic k e lt w ie k ein an
derer Beruf. D ie Industrie aber ist zw eifellos der Zw eig der W irtschaft, der sich am schärfsten in
d ivid u alistisch en tw ick elt h at und letzte Ursache für die m aterialistisch -k ap italistisch e E ntartung dieser an sich grandiosen Idee gew orden ist. D ie Industrie hat die B erufsbildung der Ingenieure grundlegend beeinflußt. D ie T echnischen H och
schulen w ie die technischen F achschulen v e r sch ie
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denster Grade sind Kinder liberalistischer Zeit, in derem R egim e sie entstanden, unter dessen Herr
schaft sie entw ickelt wurden zur V erm ittlung von W issen zum Zw ecke der A nw endung, nicht zu wirklichen B ildungsan stalten. Der Einfluß ging noch tiefer, indem auch mehr und mehr die all
gem einbildenden V orbereitungsanstalten, die hö
heren Schulen, in den D ien st der reinen „Nütz- lichkeits“-Bildung g e ste llt wurden. D as brachte in das B ildungsw esen eine Zerrissenheit und V iel
heit, in das B erufsbildungsw esen eine S pezialisie
rung ohnegleichen. Die A rbeit im Berufe, fast gänzlich eingespannt in den Ideenkreis der In
dustrie, des hochkapitalistisch-liberalistischen System s, vollen d ete das W erk: die Heranbildung einseitiger F achm enschen liberalistischer Prä
gung, die dem M aterialismus allzuleicht anheim fielen.
So war es durchaus folgerichtig, daß die Um
bildung berufsständischer O rganisationen in m arxistisch-gew erkschaftliche m it dem Anschluß an die klassenbew ußte, klassenkäm pferische Ar
beiterschaft und deren Internationale zuerst im technischen B erufskreis einsetzte. Und es war kein Zufall, daß diese O rganisation von tech nischen A kadem ikern im w esentlichen erdacht, gegründet und en tw ick elt wurde und sich v er
hältnismäßig rasch ausbreitete; sie wurde in der Folge Vorbild für die U m gestaltung der berufs
ständischen O rganisationen in K lassenkam pf
organisationen bei anderen Berufskreisen. Ebenso war es nicht zufällig, daß nach dem Umsturz 1918 technische Berufsträger die lau testen Rufer für die E instellung auf die „neue Z eit“ waren und sich durch Gründung von w irtschaftlich getarn
ten K lassenorganisationen auf den „Boden der Tatsachen“ stellen w ollten.
Es fehlte bei den Ingenieuren die Tradition aus vorliberalistischer Zeit, die bei anderen akade
mischen Berufen immer noch lebendig war und aus der heraus die diesen Berufen eigentüm liche altruistische B erufsauffassung die auch hier w irk
samen liberalistischen N eigu n gen däm pfte. W ohl bestand auch im technischen B erufskreis ein R est solcher Tradition, aber nur in einem kleinen S ek tor dieses K reises. Sie stam m te von den Ahnen des Ingenieurberufes, den B a u i n g e n i e u r e n , deren Vorfahren im H eeresw esen w urzelten und deren Berufsarbeit, die Beherrschung des R au
mes, des G eländes, Arbeit für die G esam theit, fin
den Staat und im D ienste vornehm lich des Staa
tes war. Und hier blieb auch diese Tradition noch lange wirksam , w as auch in den Organi
sationen dieses B erufssektors zum A usdruck kam.
Weil im Bauw esen die großen und allgem ein sichtbaren A ufgaben Sache des S taates blieben;
die Industrialisierung setzte sich hier viel lan g
samer durch, und auch dann blieb das B auw esen öffentliche A ngelegenheit, vom Staate vielfach g e
leitet und dauernd beaufsichtigt. Stets hatten wir ein staatliches B auw esen, w obei die Zahl der Berufsträger als Beam te, in scharf um rissener Gliederung, lange die Zahl der privaten, d. h. in der Bauindustrie stehenden Berufsträger über
traf. Aber auch das industrialisierte (und damit k ap italistisch e) B auw esen paßte und mußte sich
dem B eam tenstab des S taates in gew issem Grade anpassen, sodaß — von dem Berufe der A rchitek
ten abgesehen — andere V erhältnisse herrschten und noch herrschen als im übrigen technischen Berufskreis. Es ist überaus bezeichnend, daß die alte O rganisation der „B au leu te“ nach dem K riege in der Zeit des H ochliberalism us und der w ach
senden D urchdringung der G esam theit durch den m arxistischen M aterialism us zu stagnieren begann, w eil der B erufsnachw uchs sich immer mehr von der Tradition entfernte und im gesam ten B eam ten
tum starke m aterialistische Tendenzen sich breit
m achten; daß schließlich diese noch alte Tradition pflegende O rganisation sich um form te und sich an die technisch-industriellen Fachorganisationen an
lehnte.
Aber dieser S ektor des B erufskreises wurde relativ immer schm äler; die rapide E ntw icklung der M aschinenindustrie und der Produktions
industrie schuf eine Armee von B erufsträgern der verschiedensten Grade, der w eitgeh en d sten Spe
zialisierung und ohne Tradition. Vom B auw esen aus konnte eine B eeinflussung in der in Rede stehenden R ichtung nicht nur nicht sich merkbar durchsetzen, vielm ehr beeinflußte m it der Zeit der
„M aschinenbau“ ungünstig den Sektor des B au
w esens; der „M aschinenbau“ wurde entscheidend, er bestim m te die g eistig e H altung des G esam t
berufes. Zu ihnen gesellten sich später die Che
miker, bei denen die industrielle E ntw icklung ähn
lich sich vollzog. W iederum war es kein Zufall, daß nach dem Umsturz 1918 bei den Chemikern der gleiche Zug zur primären H erausstellung des W irtschaftlichen zu T age trat, w ie denn auch die gew erkschaftliche O rganisation der Chemiker und die der Ingenieure sich bald zusam m enfanden.
Die g eistige E instellung der „M aschinenbauer“
(im w eitesten Sinne gedacht) spiegelte sich in ihren Organisationen wider, die sie sich teilw eise schon vor fast 80 Jahren geschaffen haben. Im Vordergrund derselben stand die rein fachliche Arbeit und diese in technisch-industriellem Sinne.
W ie denn auch die Industrie selbst in enger V er
bundenheit m it diesen „Fachvereinen“ stand.
Die unter dem Liberalismus entstandene In
dustrie erzeugte einen vö llig unorganischen tra
ditionslosen Berufskreis, dessen Träger ausge
sprochene Individualisten durch die Erziehung und durch die Berufsarbeit wurden. Der gleiche Vor
gang kann bei allen Berufsarten beobachtet w er
den, die durch und mit der industriellen E ntw ick
lung entstanden. Und die A ngehörigen dieser Berufe haben es deshalb am schw ersten, den W eg in die neue Zeit zu finden; dazu g esellt sich bei den technischen Berufen noch eine w eitere Er
schw erung, die im gleichen Ausmaß bei keinem anderen Berufe vorhanden ist: der M angel eines gem einsam en Berufsbew ußtseins.
Vom Berufsbewußtsein
D ie in großen Strichen skizzierte E ntw icklung des technischen Berufskreises unter dem bestim menden industriellen Einfluß verhinderte w irk
sam, daß sich weder im gesam ten Kreis noch in seinen einzelnen Sektionen ein einheitliches B e
rufsbew ußtsein herausbilden konnte.
40 W. v. P a s i n s k i und K. F. S t e i n m e t z : in y e n ik im D ritte n R eich. T e c h n ik u. K ultur
Ein solches B erufsbew ußtsein und Berufsethos war akadem ischen B erufsständen durchaus eig en tüm lich, sow eit diese Berufe in vorliberalistischer Zeit entstanden und sich festig ten . Es hatte seine W urzel im m ittelalterlichen G em einsinn der B lü te
zeit der Zünfte (und der Städte), deren G eistesgut in vielem adäquat dem N ationalsozialism us ist.
Seine E n tw ick lu n g im besonderen geh t auf den R eform ator L u t h e r zurück, der W ort und B e
griff „B eruf“ in den deutschen Sprachschatz ein
führte und die B ezeichnungen „H antierung“ und
„A m tierung“ ersetzte, ihnen einen tieferen ethi
schen Inhalt, eine religiöse B edeutung gab.
D ie „H antierung“ oder „A m tierung“ wurde da
durch ihres vornehm lich m ateriellen Inhaltes, dem Zw eck der Erwerbung der Mittel zur L ebenser
haltung, en tk leid et und diesem Z w ecke fu n k tio
nelle B edeutung zugeschrieben. D er primäre Zw eck aber wurde die D ien stleistu n g am gem ei
nen B esten und am V olk e aus der inneren B e
rufung heraus. Es wurde zum besonderen V or
zug, einem für das G esam tw ohl arbeitenden B e
rufe anzugehören, es en tw ick elte sich daraus eine ausgesprochene Berufsehre, ein G em einschafts
g eist und eine G esinnungsgem einschaft der „B e
rufenen“, ein einheitliches B erufsbew ußtsein.
D ieses schloß ein: das B ew ußtsein, dem Berufe gegenüber verp flich tet zu sein, der seinerseits seine höchste P flicht im D ien ste von V olk und S taat sah. Und den B erufsangehörigen b eseelte diese höhere P flicht, die seinem Beruf höhere W eihe, tieferen Sinn gab und die den Menschen über das M aterielle der B erufsausübung hinaus
hob und ihn seelisch und körperlich mit der Ge
sellsch aft wahrhaft organisch verband. Z ugleich schlang dieses B erufsethos ein gem einsam es Band um die Berufenen, schuf die G em einschaften sol
cher „gem ein n ü tzigen “ Berufe zur P fleg e und W ahrung der hohen B erufsauffassung und der Berufsehre.
Der Individualism us, der in den M ittelpunkt des Lebens den E inzelnen an die Stelle der G em ein
schaft setzte, löste natürlicherw eise solche B in dungen und m ußte auf die Dauer das Fundam ent der G em einnützigkeit auch im B erufsleben zer
stören. W enn es dem Kind des Individualism us, dem Liberalism us, in D eutschland nicht gänzlich g elu n gen ist, den altruistischen G edanken im B e
rufsleben zu zerstören, so lag dies im w esentlichen an altem Erbgut der germ anischen Stäm m e und an der am Leben der V ölker gem essen relativ kurzen Zeit seiner W irksam keit. Wir sahen aber in den letzten Jahrzehnten die A bbröckelung des Fundam entes bei jenen Berufen, bei denen die altruistische B erufsauffassung traditionell am län gsten wirksam war.
D as B ew ußtsein der gem einsam en geistig en V erw urzelung in ein und dem selben Berufe und durch den Beruf m it dem V olk e organisch verw achsen, in die G esellschaft ein geglied ert zu sein, das B ew ußtsein der V erpflichtung des g e m einsam en D ien stes an der A ufgabe des B erufes für S ta a t und V olk, dieses einheitliche B erufs
bew ußtsein konnte sich in keinem Berufe ausbil
den, der erst in liberalistischer Zeit gänzlich oder zur H auptsache entstand und m ußte da zerstört
werden, w o es erst im E ntstehen und noch nicht g efe stig t war.
V ornehm lich trifft dies auf die tech n isch en B e
rufe zu aus Gründen, die zum T eil schon d argelegt wurden.
A ls die Industrie, vom H andw erk sich loslösen d , sich en tw ick elte, war ihr nicht, w ie etw a dem B auw esen, eine A ufgabe vom S ta a te für den S taat g estellt; die m it ihr en tsteh en d en B erufe en tfa l
teten sich gew isserm aßen außerhalb der G esell
schaft, waren aus ihr a u sg eg lied ert w ie die In
dustrie, gehörten au ssch ließ lich der Sphäre pri
v aten In teresses an. W ir en tw ick elten keine
„ S ta a tstech n ik “, sondern eine p rivat-k ap italisti
sche Industrietechnik.
U nter dem Einfluß dieser g e istig en V erfassu n g, unter der der S ta a t mehr und mehr sich auf die R olle eines Schutzorganes der In teressen ten gru p pen zurückzog, en tstan d kein Ingenieurberuf, son dern ein B erufskreis aus den v ersch ied en sten B il
dungsgruppen ohne g em ein sch aftlich es g e istig es Fundam ent. D azu aber auch eine fachliche Zer
splitterung, sodaß selb st innerhalb gleich er B il
dungsgruppen eine gem einsam e G rundlage feh lte.
D och hätte sich niem als diese berufliche E n tw ick lung in solchen B ahnen vollzieh en können, w enn eben nicht der S ta a t selb st dem liberalistischen Einfluß erlegen wäre.
D ie H eranbildung des B erufsnachw uchses wurde in w achsendem Maße auf die jew eiligen b eson deren B edürfnisse der In teressen ten , d. h. der In
dustrie, a b gestellt, w odurch gleich lau fen d m it der Spezialisierung der Industrie die V ielh eit und Zer
gliederung, horizontal und vertik al zerspalten, sich g e g en seitig überplattend, m iteinander v er
flochten, entstand. Und das ein zige, w as all die Sparten und Berufsgruppen w irklich noch gem ein sam hatten, war das rein M aterielle der T ätigk eit in A b h än gigk eit von der Industrie und die B efas- sung m it technischen A rbeiten. S on st bekäm pften sie sich g eg en seitig , auch innerhalb der gleich en B ildungsgruppen — ein getreu es A bbild des w irt
schaftlichen Zustandes in der Industrie.
E s gab keine B erufsaufgaben; es gab nur je
w eilige E in zelau fgab en im D ien ste und au ssch ließ lich im Interesse des U nternehm ens bzw. dessen K apitalgebers, von dem der B erufsträger v o ll
stän d ig abhängig war. N ich t einm al rein w irt
schaftlich konnte er auch nur b esch eid en e Früchte seiner w issen sch aftlich en , schöpferischen A rbeit ernten. Und w as im B au w esen immerhin noch in E rscheinung trat, daß die k ü n stlerisch e oder g e i
stige U rheberschaft ein es B au w erk es der Oeffent- lichkeit bew ußt wurde, gab es in der Industrie nur in den selten sten F ällen: der E inzelne v er
schw and hinter dem N am en des U nternehm ens, der A k tien g esellsch a ft, nicht hinter dem W erk, wie man so oft und g eflissen tlic h b eton te, den Ingenieur als den b esch eid en en Mann lobend, dem das gesch affen e W erk alles sei.
N atürlich blieben auch die O rganisationen, die sich die Ingenieure g esch a ffen h atten , von dem E influß nicht frei. Sie kon n ten nicht zu wahren B eru fsgem ein sch aften w erden, bei denen der B e
ruf als solcher im V ordergrund stand, w eil die
Ingenieure nicht „berufsverbunden“ sondern in
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dustrieverbunden waren. Und die Industrie konnte am Beruf kein Interesse haben, sie interessierte nur der einzelne Berufsträger und nur insow eit, als er — in ihrem Sinne — w irkungsgradliche Ar
beitskraft war, und insow eit interessierte auch die Heranbildung des B erufsnachw uchses.
In diesem Mangel an B urfsbew ußtsein lieg t auch der letzte Grund für die V i e l h e i t a n t e c h n i s c h e n O r g a n i s a t i o n e n , die sich die Ingenieure schufen. Sie fanden in keiner Organisation B efriedigung, es blieb immer ein Rest, und sie gründeten neue O rganisationen, um diesen R est zu beseitigen. Sie erkannten dabei nicht den wahren Grund, konnten ihn nicht er
kennen, und immer blieb der unbefriedigende Zu
stand. Es ist ein billiges V ergnügen, diese Er
scheinung mit „V ereinsm eierei“ erklären und zu
gleich w erten zu w ollen. In W ahrheit war es die Suche nach dem nur gefühlten aber nicht begrif
fenen M angel an einer wahren Berufsgem ein
schaft.
In keinem anderen Berufe, auch w enn er mit der Industrie in enger V erbindung stand, war die
„Industrieverbundenheit“ so beherrschend w ie bei den technischen Berufsträgern, und nur im tech nischen Berufskreis ist ein solcher M angel an
„Berufsverbundenheit“ festzu stellen . D as führte u. a. dazu, daß jeder Erfinder auf technischen Ge
bieten w iderspruchslos zum Ingenieur auch der Oeffentlichkeit gegenüber gestem pelt wurde, daß reine Organisatoren, reine W irtschaftler, ja, selbst ausgesprochene Spekulanten, die mit sicherem Blicke die „K onjunktur“ erfaßten, als große und erfolgreiche Ingenieure gepriesen wurden. Um
gekehrt aber wurde durch den liberalistischen Geist der erfolgreiche Ingenieur, der in leitende Stellung aufstieg, zum „Industriellen“ .
Der gänzliche M angel an Berufsverbundenheit zeigte sich in dem V erhältnis der älteren Berufs
genossen zu den jüngeren, nam entlich den A n
fängern. Nur in seltenen Fällen war zwischen ihnen eine berufliche K ollegialität, die sich in einer Förderung durch den älteren Fachgenossen hätte äußern m üssen; wer als Ingenieur um die letzte Jahrhundertw ende in die Industrie, die da
mals in rapider E ntw icklung stand, eintrat, wird ein Lied darüber singen können.
Bei solcher Sachlage im technischen Berufs
kreis konnte es nicht W under nehm en, daß selbst die Berufsbezeichnung Ingenieur im — falsch v er
standenen — Interesse der Industrie und der tech
nisch-industriellen E ntw icklung vogelfrei wurde, wodurch auch noch das B erufsansehen in der A ll
gem einheit der Zerstörung anheim fiel. W enn be
drängte Gemüter sich Luft zu m achen versuchten durch „E ntschließung“ und „F orderungen“, daß der „Ingenieurberuf“ gleich anderen Berufen g e w ertet werden müßte, so übersahen sie, daß es gar keinen Ingenieurberuf mehr gab; und seitens der „erfolgreichen Ingenieure“, die die Ingenieur
organisationen kontrollierten oder beherrschten, wurden die einfältigen Seelen mit den sophisti
schen A rgum enten belehrt, daß Ingenieure „m o
derne M enschen“ seien, die des „m ittelalterlichen Z opfes“ wahrlich nicht bedürfen, daß „die tech nische E ntw icklung gehem m t“ werde, daß im
technischen Berufe ausschließlich das „K önnen“
a usschlaggebend sei usw . Solche A rgum ente w urden unter der F lagge „B eruf“ aus dem in
dustrieverbundenen D enken g ezeitig t, man sagte
„B eruf“ und m einte, auch unbew ußt, „Industrie“
und „industrielle T echnik“.
In die g eistig e R evolution unserer T age traten so m anche Berufe zerspalten und zerrissen ein, überwuchert durch m aterialistischen Liberalism us.
Aber sie hatten doch noch starke R este ihres alten B erufsfundam entes. Hier konnte wieder nach B e
seitigu n g der falschen B auteile neu aufgebaut werden. Es gibt aber keinen Ingenieurberuf g e meinsamer geistiger Fundierung. Hierin lieg t die heutige S ch w ierigkeit in organisatorischer Hin
sicht. D eshalb muß es zur Lösung der K ardinal
frage, der E ingliederung der Ingenik und des Ingenieurs in das D ritte Reich, die erste A ufgabe sein, d e n I n g e n i e u r b e r u f z u s c h a f f e n und ihm ein geistiges Fundam ent zu geben, auf dem ein Berufsbew ußtsein erst e n tw ick elt werden kann. Der Ingenieur muß erst aus „In
dustrieverbundenheit“, letzten Endes eben aus dem Liberalism us, in die „B erufsverbundenheit“
übergeführt werden.
Frühere L ösungsversuche
Um die letzte Jahrhundertw ende wurde der e r s t e V e r s u c h gem acht, einen Ingenieur
beruf zu schaffen, und zwar war es der Preußische Staat, der aus der E rkenntnis der für den Staat schädlichen E ntw icklung heraus, einen Ingenieur
beruf entstehen lassen w ollte, der neben den an
deren B erufsständen stehend sich in den D ienst der G esam theit sollte stellen können. Es ist einer der stärksten B ew eise für das hier schon G esagte, für den völligen Mangel eines B erufsbew ußtseins und für die „Industrieverbundenheit“ der „erfolg
reichen Ingenieure“, daß die h eftigsten W ider
sprüche aus deren Reihen kam en und daß von der Industrie die stärksten Hindernisse aufgebaut wurden. R i e d 1 e r hat darüber recht aufschluß
reich berichtet, auch darüber, daß er bei seinen Bem ühungen um eine zw eckhafte Lösung der auf
gew orfenen Frage im technischen Berufskreis keine U nterstüztung fand. Die R egierung aber hatte nicht mehr die K raft, gegen den w achsen
den liberalistischen Geist in ihr selbst und gegen die Industrie und ihre Eideshelfer sich durchzu
setzen. D as Ergebnis war ein Kompromiß, der nach keiner Seite hin befriedigt und auch in der F olge die E ntw icklung nicht in andere Bahnen lenken konnte. Unter heftigen Geburtswehen wurde der T itel Diplom -Ingenieur geboren, und die F olge war eine neue Zerspaltung und neue G egensätzlichkeiten im technischen Berufskreis, ohne daß sich auch nur in der geschaffenen B il
dungsgruppe ein B erufsbew ußtsein bilden konnte.
Der z w e i t e V e r s u c h , das Kernproblem einer Lösung entgegenzuführen, war die Grün
dung des Verbandes D eutscher D iplom -Ingenieure
im Jahre 1909. D iese Gründung erfolgte gegen
den herrschenden Z eitgeist und wurde deshalb
auch entw eder nicht verstanden oder da, w o man
sich über ihren Sinn und Zw eck klar war, heftig
bekäm pft. U eberflüssig zu sagen, daß die B e
42 W . v. P a s i n s k i u nd K . F. S t e i n m e t z : In g e n ik im D ritte n R eich. T e c h n ik u. K u ltu r
k äm pfung am h eftigsten durch K reise der tech n ischen Berufsträger erfolgte. Sie befanden sich dann bald in einer G esinnungsgem einschaft mit den m arxistisch orientierten O rganisationen und ihren politischen Parteien. W ie sollten auch die
„ Industrielle“ gew ordenen Ingenieure oder die
„Ingenieure“ gew ordenen Industriellen V erständ
nis aufbringen können b eispielsw eise für die be
reits 1910 erhobene Forderung, eine Kammer zu bilden, um ein Fundam ent, eine organisatorische A u sg a n g sstellu n g zu schaffen, von der aus der In
genieurberuf sich aufbauen sollte. W ie konnte auch in einer Zeit eines werdenden H ochliberalism us verstan d en werden, daß dieser Beruf auf altruisti
scher G rundlage erstehen sollte, daß seine Kammer
„ein Indikator für die in den D iplom -Inge
nieuren aufgespeicherte Energie sein und er
streben soll, daß diese Energie in der S ta a ts
und P rivatw irtschaft m öglichst vollkom m en zum W ohle der A l l g e m e i n h e i t aus
g en u tzt w ird“.
Durch nunmehr fast 25 Jahre hat der Verband D eutscher Diplom -Ingenieure an seiner A ufgabe, der Schaffung eines Ingenieurberufes höchster L eistu n gsfäh igk eit, eines auf G em einnützigkeit fußenden Berufsethos und eines einheitlichen B e
rufsbew ußtseins festgeh alten und hat so gegen die Zeit gestanden. A us dieser E in stellu n g unternahm er den d r i t t e n V e r s u c h , um zu einer L ö
sung zu kom m en. D er W eltkrieg hatte in seinem V erlauf der ersten Jahre au gen fällig die u n g e
heure B edeutung der Ingenik erw iesen und die g ew a ltig en N ach teile, daß der L andesverteidi
gu n g nicht ein gesch lossen es, sch lagfertiges In
genieurkorps zur V erfügung stand. W ir hatten keine M obilmachung der Industrie und keine Mo
bilm achung der Ingenieure. D er H oteldirektor b efehligte draußen einen B rückenbau und der an
erkannte B rückenbauingenieur kehrte die R e
gim entsstube. Und da überhaupt nicht klar war, wer nun eigen tlich w irklich Ingenieur ist, da jeder sich als Ingenieur ausgeben k onnte, entstanden folgenschw ere F ehlgriffe bei der B esetzu n g w ich
tiger P osten . W as in dieser R ichtung an Schw in
del beim Heer und im Lande in der Industrie und in den A em tern g eleistet wurde, das hätte allein schon gen ü gen m üssen, um grundlegend W andel zu schaffen. N achdem in Oesterreich die In ge
nieurfrage g ereg elt wurde, lag es nahe, auch end
lich in D eutschland die R einigung und Ordnung durchzuführen. Aber die entsprechenden V or
lagen dazu fanden die leid en sch aftlich ste G egner
schaft der industrieverbundenen Ingenieure. V or
zu gsw eise waren es Industrielle, die unter der F lagge des Ingenieurs h eftigen W iderspruch er
hoben, genau so und m it den gleichen A rgum en
ten w ie um die Jahrhundertw ende. Der V ersuch wäre auch dann gesch eitert, w enn nicht das u n glü ck lich e K riegsende einen gänzlichen Sieg des Marxismus gebracht hätte. D enn der L ibe
ralism us war so m ächtig in D eutschland gew orden, der Einfluß der Industrie so durchschlagend, daß solche antiliberalistische Tendenzen nicht mehr durchdringen konnten.
D as V olksverbrechen vom N ovem ber 1918 zei
tig te Zustände, die sich auch im technischen B e
rufskreise katastrophal ausw irkten. So ausw irk
ten, daß selb st in den K reisen bisheriger h eftiger G egnerschaft einer B erufsregelung die Zustände als unhaltbar em pfunden w urden. Und diese K reise m achten nun ihrerseits einen V ersuch zu einer B ereinigung. Aber dieser V ersuch k an n nur als P s e u d o v e r s u c h g ew e rtet w erden, er g in g nicht an das K ernproblem heran. Man w ollte den „ T itel“ Ingenieur sch ü tzen , aber k ein en In
genieurberuf m it gem einsam em g eistig e n F unda
m ent und m it A ufgaben im S ta a te, ein geglied ert in die G esellsch aft, schaffen, w eil man aus der eigen en g eistig en E in stellu n g heraus dafür auch gar kein V erständnis hatte. A uch bei diesem V er
suche zeigte sich dasselbe Bild: regieru n gsseitig hörte man g u tach tlich „ S a ch v erstä n d ig e“, als w elche man im w esen tlich en „W irtschaftsführer“
bestim m te, die dann auch den S tandpun kt v er
traten, daß
„die Einführung gesetzlich g esch ü tzter B e
ruf sbezeichnungen, deren V erleihung sch ließ lich von dem B esteh en einer Prüfung ab- hänge, eine Gefahr sei für die lebendige W eiteren tw ick lu n g der d eutschen W irtschaft, die im industriellen W ettbew erb nicht ent
behrt werden k ö n n e“.
D ieser P seu d oversu ch verlief im Sande, w eil die politische E n tw ick lu n g den R egierenden andere Sorgen in w achsendem Maße bescherte; die Zeit trat in den E ndkam pf um ihre grundsätzliche W ende ein.
V on den A ufgaben im Staat
D ie U m stellung der in d ivid u alistisch en G esell
sch aft zu einer u n iversalistisch en , die W andlung des liberalistischen S ta a tes in den n ation alsozia
listischen, der U ebergang von der bisherigen In
dividualethik zu einer V olk und S taat durchdrin
genden S ozialethik, diese g e istig e R evolu tion kann an einem so bestim m enden F aktor nicht vorüber
gehen, den die I n g e n i k im neu zeitlich en K u l
turvolk und K u ltu rstaat darstellt.
D arüber kann es k einen Z w eifel mehr geben, daß ohne Ingenik, ohne D urchdringung des k u l
turellen Seins durch die Ingenik eine au fsteigen d e kulturelle E n tw ick lu n g nicht denkbar ist. A ller
dings muß zuerst einm al dam it gründlich a u fg e
räumt w erden, daß die Ingenieurarbeit led iglich w irtschaftliche B etä tig u n g ist, der nur sekundäre B edeutung deshalb zukom m e.
So ist e r s t e A u f g a b e die E in glied eru n g der Ingenik in die K ultur, die E inführung dieses G eistesgu tes in das B ew u ß tsein der G esam theit.
Hier hat die 25-jährige A rbeit des Verbandes D eutscher D iplom -Ingenieure a u sg ed eh n te V or
arbeit g ele istet und auch E rfolge g e z eitig t. Frei
lich, das Ziel kann nur erreicht w erden, w enn neben den übrigen B erufskreisen der In gen ieu r
beruf als gleich w ertiges Glied im S ta a te steh t und an dessen G estaltu n g und E n tw ick lu n g in G em einschaftsarbeit m it den übrigen B erufen tätigen A nteil hat. R echt und V erw a ltu n g w ie das B ildungsw esen m üssen m it Ingenik und vom In gen ieu rgeist durchdrungen w erden. A llerdings:
man braucht dazu den Ingenieur, nicht den ein
seitig ausgebildeten, sp ezialisierten F achm ann,
25 (1934) Nr. 3 W. v. P a s i n s k i und K. F. S t e i n m e t z : Ingenik im D ritte n Reich. 43
dessen ausschlaggebende B edeutung auf dem G ebiete der technischen, der technisch-industriel
len E ntw icklung, der W irtschaftsgestaltung wie auch der N aturerkenntnis und der W issenschaft unbestritten und unentbehrlich bleibt. D ie E in
gliederung bedingt die G leichw ertigkeit der In
genieurbildung mit der anderer Berufe hinsicht
lich der B erufsbeam tenlaufbahnen, das Eindrin
gen in die G ebiete der höheren Staats- und S elb st
verw altungsorgane, in die politische Führung und in die A uslandsvertretungen. B edingt eben die A usw eitung des Berufsraum es, die Sprengung des bisherigen Rahm ens, der durch die vorzu gsw eise Beschränkung der Berufsarbeit auf die industrielle Technik gegeben war.
Die z w e i t e A u f g a b e ist die Führung der Ingenik im Staate zum gem einen B esten, die L ei
tung der privaten industriellen T echnik durch eine „S taatstech n ik “. D abei handelt es sich nicht um die Planung und D urchführung von tech nischen S taatsaufgaben, wie etw a beim öffen t
lichen Bau- und S iedlungsw esen, auf m aschinen
technische u. ä. R ichtungen übertragen. Im B au
wesen hat, wie schon angeführt wurde, schon immer der Staat stärksten Einfluß gehabt und auch die Privatbauw irtschaft kontrolliert. Auf was es bei der „ S taatstech n ik “ ankom m t, ist die Kontrolle der P roduktionsindustrie und nam ent
lich der richtige — richtig im Sinne des Gem ein
wohles! — E insatz w issenschaftlicher und fach
licher Erkenntnisse und E rrungenschaften; aber auch die tatsächliche Durchführung neuer Er
kenntnisse und Fortschritte, seien es bedeutungs
volle Erfindungen oder neue erfolgreichere Pro
duktionsverfahren m it H ilfe des Staates, sobald deren durchschlagender W ert für V olk und Staat feststeht.
An konkreten B eispielen dürfte am einfachsten diese A ufgabe der Ingenik au gen fällig werden:
Eine unübersehbare Zahl von P aten ten wurde seitens der Industrie genom m en lediglich zu dem Zweck, um auf irgend einem ihrer Interessen
gebiete den W ettbew erb durch fortschrittlichere Bauart oder Arbeitsverfahren zu verhindern. Der Fortschritt wurde system atisch verbaut. Die
„Staatstechnik“ wird hier prüfen m üssen, ob es im Interesse der A llgem einheit liegt, daß durch V erbauungspatente eine neue Erkenntnis in die Praxis u m gesetzt wird oder nicht.
Oder: Der Gedanke einer N eukonstruktion einer K raftm aschine lieg t vor; die daran interessierte P rivatindustrie leh n t die Erpro
bung ab etw a aus finanziellen Gründen, denn der W eg bis zur reifen Bauart ist m eist lan gw ie
rig und kostspielig. Die „ S taatstech n ik “ wird zu prüfen haben, ob der K onstruktionsgedank e w ert
voll genug ist — w ertvoll nicht als ingeniöse Er
findung an sich, sondern als Fabrikations- und N utzungsobjekt im Rahm en der gesam ten V olk s
w irtschaft — , um seine Erprobung und R eifung durch Mittel der A llgem einheit durchzuführen.
Oder: Ein Industriewerk kom m t in den B esitz einer Erfindung, die fabrikatorisch durchgeführt, ihm auf einem Gebiete eine M onopolstellung sichert, reichen V erdienst garantiert, aber zu
gleich bisherige Erzeugnisse und deren Fabri
k atio n sstä tten überflüssig m achen würde. Die P rivatw irtsch aft, die k ap italistisch e Betriebsform , wird natürlich nicht zögern, das „G eschäft zu m achen“. D ie „ S ta a tstech n ik “ aber wird zu prü
fen haben, ob die V orteile die vo lk sw irtsc h a ft
lichen N achteile überw iegen, sie wird das Tem po der Einführung zu bestim m en haben, um die un
verm eidlichen zeitw eiligen N ach teile auf das Ge
ringstm aß herabzusetzen, um E rschütterungen der G esam tw irtschaft, A rb eitslosigk eit usw . zu ver
m eiden. A ehnliche A ufgaben lassen sich leicht denken; sie bedeuten nicht den Eingriff in die In itiative in der W irtschaft, sondern deren L en
kung; sie bedeuten den Prim at der Ingenik vor dem der W irtschaft; sie sollen dem Grundsatz G eltung dauernd verschaffen, daß die F reiheit der W irtschaft, der Industrie, dort ihr Ende findet, w o das G em einwohl anfängt. Ein B eispiel, das besonders bedeutungsvoll ist: D ie L an d esvertei
digung. Im großen K riege hat sich, w ie schon an
g ed eu tet wurde, der gänzliche M angel einer sol
chen „S taatstech n ik “ verhängnisvoll ausgew irkt.
Ein besonderer K enner dieses im K riege zu Tage getreten en M ißstandes — der Leiter des bekann
ten W umba, F. R o m b e r g , sa g te darüber einmal:
„. . . N icht einm al im K r i e g e hat man die Technik riclitig verw andt, obwohl es da
mals um alles ging. H ätte man den deut
schen R iesen T echnik r e c h t z e i t i g von seinen F esseln befreit und seine K räfte für unsere R üstung v o ll benutzt, so wäre der A usgang des K rieges w ahrscheinlich ein an
derer geworden. L eider-ist es eine gesch ich t
liche Tatsache, daß die Technik im K riege von A nfang bis Ende nur defensiv, nie offen
siv war. Wir haben uns immer nur nach dem Vorbilde der Gegner gerichtet, unsere tech nischen A nstrengungen jedesm al erst dann gesteigert, wenn die G egenseite vorangegan
gen war. D as war nicht bedingt durch unsere technische U nvollkom m enheit und Schw äche.
Wir hatten in D eutschland fähige Ingenieure in genügender Zahl, eine hervorragend g e schulte A rbeiterschaft und eine hochent
w ick elte starke Industrie. W as aber fehlte, war die E insicht der m aßgebenden Stellen in die B edeutung der Technik für die K riegsfüh
rung und ihre technischen Bedürfnisse. Dem Ingenieur hat es an der richtigen Erkenntnis der N otw endigkeiten im gegebenen A ugen
blick nicht gem angelt. Er hat oft genug die E ntw icklung der D inge mit schw erster Sorge betrachtet, doch er hatte nicht die Macht, durchgreifend zu ändern. W as hätte erreicht werden können, w enn an oberster Stelle der Kriegführung der Ingenieur, eng verbunden mit dem Militär, m itbestim m end die E n t
w icklung hätte beeinflussen dürfen . . . “ Im Rahm en dieser drei H auptaufgaben liegen viele E inzelaufgaben beschlossen, die zu erörtern zu w eit führen würde, die aber auch teilw eise erst neu im Laufe der w eiteren E ntw icklung auftreten werden.
Die praktische D urchführung der organischen
Eingliederung der Ingenik und ihrer B erufsträger
44 W. v . P a s i n s k i un d K . F. S t e i n m e t z : In g e n ik im D ritte n R eich. T e c h n ik u. K u ltu r
v erla n g t die Schaffung der B erufsstandsgem ein- sch aft auf der erörterten g eistig en Grundlage,
D ie praktische Durchführung der „S taatstech n ik “ verla n g t die von berufener S taatsstelle (auch in V erbindung mit der H eeresleitung) aus
geübte Führung und N utzbarm achung dieser B e
ru fsstandsgem einschaft für ihre A ufgaben.
D ie O rganisation
D ie O rganisationsform ist von den gekennzeich
neten A ufgaben herzuleiten, auf Grund deren sie einen Selbstverw altungskörper und eine gem ein
n ützige Z usam m enfassung unter A ufsicht und Führung des S taates sein muß; die Zusam m en
fassu n g des Ingenieurberufes ist dazu der erste Schritt.
D eshalb ist zuerst die I n g e n i e u r f r a g e — nicht Ingenieur-T itel-Frage — zu lösen; ist fest
zustellen, w elches die leistu n gsm äß ige E in
gangspforte zu diesem Berufe k ü n ftig zu sein hat.
Zu dieser B erufsgem einschaft muß sich jeder In
genieur, gleich viel w elcher B erufsrichtung und B erufsstellung, bekennen, andernfalls ist die V or
bedingung für die E rfüllung der A ufgaben der G em einschaft nicht gegeb en : die Fundam entie
rung des gem einsam en B erufsbew ußtseins. Jede Spaltung, sei es nach F achrichtungen, sei es nach Art der Berufsausübung und B erufsstellung, sch afft Gruppen, soziale V erschiedenheiten und trägt den K eim der G egensätzlichkeiten und der In teressenvertretun g in sich und die Gefahr, daß sich das rein W irtschaftliche in den Vordergrund schiebt, verhindert die Bildung des gem einsam en geistig en Fundam ents.
D ie allgem eine A ufgabe, die der K a m m e r vom S taate g estellt wird, ist: P f l e g e , A u s b a u u n d U e b e r w a c h u n g d e s K u l t u r g e b i e t e s d e r I n g e n i k .
D iese A ufgabe hat der liberalistische S ta a t nie gekannt, sondern überantw ortete auch dieses v ö l
kische U rgebiet dem „laisser aller — laisser passer“. F r i e d r i c h d e r G r o ß e w ußte noch, daß dieses Gebiet zur K am eralw issenschaft gehört.
Aus der S elb stverw altu n g des B erufes erw ach
sen der Kam mer folgende hauptsächliche A u f g a b e n :
1. U eberw achung und P flege der B erufsauffas
sung und der Berufsehre sow ie die R einhal
tung des Berufes durch eine E hrengerichts
barkeit;
2. M itwirkung bei der H eranbildung des B erufs
nachw uchses durch Einflußnahm e auf die Ge
staltu n g der Studienpläne und Prüfungsord
nungen und ihre A npassung an die Bedürfnisse des praktischen Berufes, insbesondere auch hinsichtlich der W eitung des Berufsraum es;
3. Zusam m enarbeit m it anderen B erufsständen auf gem einsam en bzw. sich berührenden oder überschneidenden B erufsgebieten und zum A u sgM ch der gegen seitigen B erufsbelange;
4. Ueberführung des N achw uchses in die B erufs
praxis durch A rbeitsverm ittlung u. ä. sow ie Maßnahmen für die system atisch e Einführung in den Beruf;
5. B erufsstatistik und im Zusam m enhang dam it die B erufsberatung in V erbindung m it den am tlichen B erufsberatungsstellen;
6.