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Kritische Bemerkungen zu Husserls Schrift "Die Krisis der europäischen Wissenschaften und die transzendentale Phänomenologie"

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Horst Seidl

Kritische Bemerkungen zu Husserls

Schrift "Die Krisis der europäischen

Wissenschaften und die

transzendentale Phänomenologie"

Studia Philosophiae Christianae 36/2, 317-339

(2)

Studia Philosophiae Christianae UKSW

_________ 36 (2000) 2_________

HORST SEIDL

Lateran University, R om e

KRITISC H E BEM ERKUNGEN ZU HUSSERLS SC H RIFT D IE

K RISIS DER EUROPÄISCHEN W ISSENSCHAFTEN UND D IE TRANSZENDENTALE PHÄNOM ENOLOGIE

1. Die Krisis der Wissenschaften als Ausdruck der radikalen Lebenskrisis des eu­ ropäischen Menschentums (Vorwort, §§ 1-7). 2. D ie Ursprungserklärung des neu­ zeitlichen Gegensatzes zwischen physikalistischem Objektivismus und transzen­ dentalem Subjektivismus (§§ 8-25).

In seiner Spätschrift über Die Krisis der europäischen Wissen­

schaften1 bietet E. H usserl m ehr als nur Eine Einleitung in die phänomenologische Philosophie, wie der U ntertitel angibt, er ver­

sucht vielm ehr eine Rechtfertigung dieser Philosophie als einzig möglicher A ntw ort auf die gegenwärtige Krise d er W issenschaften, sowohl der N atur- wie der Geisteswissenschaften. D am it ist die Schrift eine H erausforderung für die anderen Philosophien, daß sie dieser Krise nicht gewachsen sind, sie nicht bem eistern können. Im folgenden m öchte ich aus dem Standpunkt der aristotelisch- -thom istischen Philosophie Husserls T hesen durchgehen und zu ihnen Stellung nehm en.

1. DIE KRISIS DER WISSENSCHAFTEN ALS AUSDRUCK DER RADIKALEN LEBENSKRISIS

DES EUROPÄISCHEN MENSCHENTUMS (VORWORT, §§ 1-7)

Im ersten Kapitel legt H usserl dar: D ie großen Erfolge der m a­ them atischen, exakten N aturw issenschaften, die sie ihrem

„metho-1 E. Husserl, D ie Krisis der europäischen W issenschaften u n d die transzendentale Phänom enologie. E in e E inleitung in die phän om en ologisch e Philosophie, 1936. Im folgenden wird zitiert aus der Ausgabe von Meiners Philos. Bibliothek (Bd. 292, eingeleitet von Elisabeth Ströker), Hamburg 1977.

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dischen A ufbaustil” verdanken, haben auch die Geisteswissen­ schaften in ihren Bann gezogen, besonders die Psychologie. Es bil­ dete sich ein W issenschaftspositivismus bzw. eine positivistische W eltanschauung aus, die glaubte, auch die Subjektivität des M en­ schen „exakt wissenschaftlich” behandeln zu können. Dies führte um die W ende des 19. zum 20. Jahrhunderts in eine schwere Sinn­ krise, da sich die letzten Fragen über den Sinn des menschlichen Lebens nicht „objektivistisch” erklären lassen, wie Tatsachen in den N aturw issenschaften, sondern nur philosophisch in einem ihr eigenen neuen Stil. M it d er Sinnfrage nach dem m enschlichen L e­ ben erhebt sich nun auch die nach dem Sinn der positiven W issen­ schaften selbst (§§ 1-2).

U m die Krise zu überw inden, b edarf es nach Husserl einer radi­ kalen N eubesinnung der Philosophie. D iese will von ihrem U r­ sprung her Universalwissenschaft bzw. M etaphysik sein, die alles: Welt, N atur und M ensch, in eine „Sinneinheit”, einen sinnvollen Gesam tzusam m enhang bringt. Wie die positiven W issenschaften sich auf die Welt der O bjekte richtet, so m üßte in unseren Tagen eine philosophische Universalwissenschaft - und unter ihrer L e­ itung auch die Geisteswissenschaften, besonders die Psychologie - sich d er Lebenswelt der Subjektivität des M enschen zuwenden. Als solche führt Husserl seine transzendentale Phänom enologie ein, als die einzig mögliche A lternative zum Positivismus.

D ie Idee einer universalen W issenschaft w ohnt schon der grie­ chischen Philosophie inne. Sie will zu einem philosophischen D a ­ sein des M enschen führen, das sich selbst die Regel seines Lebens aus reiner V ernunft gibt:

„Schon in der antiken Philosophie, die ihre E inheit in der untrenn b aren E inheit alles Seins hat, war m itgem eint eine sinnvol­ le O rdnung des Seins und dah er d er Seinsproblem e. Dem gem äß kam der M etaphysik, d er W issenschaft von den höchsten und letz­ ten Fragen, die W ürde der Königin d er W issenschaften zu, deren Geist allen Erkenntnissen, denen aller anderen W issenschaften erst den letzten Sinn zum aß” (a.a.O ., 8-9).

Indes, die griechische Philosophie verm ochte noch nicht jenes uni­ versalwissenschaftliche Ideal zu erfüllen, das auch der Subjekti­ vität des M enschen gerecht wird, da sie alles, auch den M enschen, objektivistisch aus gegebenem Seienden erklärte. Auch in der N eu­ zeit setzte sich zunächst, im Rationalism us, eine V ernunftphiloso­

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phie fort, in der die V ernunft vom Seienden bestim m t wird. D ann geriet aber die M etaphysik in eine Krise (seit Kant), die zu einer solchen der Philosophie und schließlich zu einer „Krise des eu ­ ropäischen M enschentum s selbst” w urde (12). D er G laube an eine „absolute V ernunft” w urde durch die stärkere Berücksichtigung der G eschichtlichkeit des M enschen erschüttert (§§ 3-4).

H inter dem Wechsel der verschiedenen Philosophie-Systeme der N euzeit kom m t als das treibende Motiv „das um sein Selb­ stverständnis ringende M enschentum ” zum Vorschein, mit dem Problem des Verhältnisses zwischen Vernunft und Seiendem . D er M ensch „verliert den G lauben ‘an sich selbst’, an das ihm eige­ ne w ahre Sein, das e r nicht im m er schon hat, nicht schon mit der Evidenz des ‘Ich b in ’, sondern nur hat und haben kann in der Form des Ringens um seine W ahrheit, darum , sich selbst wahr zu m a­ chen”. (12-13).

„Im m er m ehr wird die Vernunft selbst und ihr ‘Seiendes’ rätsel­ haft..., bis schließlich das bewußt zutage gekom m ene W eltproblem der tiefsten W esensverbundenheit von Vernunft und Seiendem überhaupt, das Rätsel aller Rätsel, zum eigentlichen Them a w erden m ußte” (13).

Die G eschichte der neuzeitlichen Philosophie stellt sich als K am pf um den Sinn des M enschen dar. Das europäische M en­ schentum hat seit der Antike „das eingeborene Telos” in sich, „ein M enschentum aus philosophischer Vernunft sein zu wollen... im unendlichen B estreben der Selbstnorm ierung durch diese seine menschheitliche W ahrheit und E ch th eit” (15), der Selbstoffenba­ rung der Vernunft, die noch nicht abgeschlossen ist, sondern sich w eiter offenbaren soll, und zwar in einer neuen, „in apodiktischer M ethode sich durch sich selbst n orm ierenden Philosophie” (16) (§§ 5-6).

Es b ed arf einer kritischen Rückbesinnung auf das, „was ur­ sprünglich und je als Philosophie gewollt w ar”, einer „völlig neuen Blickwendung” und der Einführung einer neuen praktischen Philo­ sophie „durch die Tat” (19), wobei das tragische Versagen der Psy­ chologie, die im Psychologismus endete, zu überw inden ist (§ 7).

STELLUNGNAHM E Z U 1

Fassen wir zusam m en: 1. D ie Krise der W issenschaften wird als eine Sinnkrise dargelegt, weil den M enschen nicht m ehr einsichtig

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ist, welchen Sinn die W issenschaften für das menschliche Leben haben. 2. D iese Sinnkrise ist eine Krise der Philosophie, die sich m it den W issenschaften verbindet und den Anspruch auf eine U ni­ versalwissenschaft erhebt. 3. Sie m üßte den Zusam m enhang der W issenschaften m it dem m enschlichen Leben bieten und auf die letzten Fragen über Welt und M ensch, auch auf die Sinnfrage A n­ twort geben. 4. D as R ätsel aller Rätsel ist das des Verhältnisses zwischen Vernunft und Sein. 5. D ie bisher aufgetretenen abendländischen Philosophien, im letzten Jah rh und ert haben hie­ rauf keine A ntw ort zu geben verm ocht. D ie jüngste Philosophie­ richtung, der weltanschauliche Positivismus, hat die Krise der Wis­ senschaften besonders verschärft. Im folgenden m öchte ich zu die­ sen Punkten Stellung nehm en:

1. Es ist m eines Erachtens notwendig, daß m an zwischen der Krise einer W issenschaft und d er Sinnkrise ihres Bezuges zum m enschlichen L eben unterscheidet. So hat z.B. die M athem atik im 20. Jh. eine Krise ihrer G rundlagen durchgem acht, die nichts mit einer Sinnkrise zu tun h atte, sondern mit ihren erkenntnistheoreti­ schen V oraussetzungen. Ebenso ist nicht einzusehen, was das P ro­ blem der Beziehung zwischen Subjekt und Objekt, zwischen Ver­ nunft und Seiendem , m it der Sinnkrise des M enschen zu tun hat; denn w iederum geht es hier um eine erkenntnis-theoretische F ra­ ge, fern er auch um eine ontologisch-metaphysische.

Bei H usserl kom m t die traditionelle U nterscheidung zwischen praktischer und theoretischer Erkenntnis nicht m ehr zum Tragen, obwohl sie von d er Sache h er gefordert und unentbehrlich ist. Die praktischen W issenschaften sind die ethischen Disziplinen, die auf den letzten Zweck und die spezifischen Zwecke des m enschlichen Lebens und H andelns gerichtet sind, w ährend die theoretischen W issenschaften die U rsachen alles existierenden Realen erfor­ schen. D e r E thik geht es um das gute H andeln und Leben, d er the­ oretischen W issenschaft dagegen um die E rkenntnis um der E r­ kenntnis willen. H usserl kennt keine E thik neben seiner Phänom e­ nologie, sondern nur eine in dieser einbezogene, die moralisches H andeln und V erhalten beschreibt, keine N orm en vorschreibt, und allen W issenschaften Sinnmotive einstiften soll.

Auf ihrem Erkenntnisgebiet befinden sich die Naturw issenscha­ ften in k einer Krise. K risenhaft könnten sie nur einer E rkenntni­ stheorie erscheinen, die alle E rkenntnis lediglich nach dem Sinn

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für den M enschen bem ißt, nicht m ehr zwischen praktischer und theoretischer E rkenntnis unterscheidet und d er letzteren keinen Eigenwert m ehr zugesteht.

Ferner ergibt sich der große Erfolg der m odernen Naturw issen­ schaften nicht nur aus ihrem m ethodischen Aufbaustil, sondern auch aus ihrem Realismus, m it dem sie ihre Forschung an den N a­ turdingen ausrichten. Das m ethodische Experim ent ist eine syste­ matische Befragung der N atur, von der m an auch die Antwort empfängt.

W enn auch der W ert der theoretischen E rkenntnis der N atu r­ wissenschaften nicht von ihrer erfolgreichen Anw endung in den Technologien abhängt, so b esteht doch ein gewisser Z usam m en­ hang; denn die N aturw issenschaften erforschen die N aturdinge auf ihre M aterie hin, und diese ist von sich aus ein zur B earbeitung durch den M enschen geeignetes M aterial. E ine Erkenntnis in ihre Struktur erm öglicht ihre vielseitige Bearbeitung.

Freilich stellt sich die Frage der für die Praxis nutzvollen Anw en­ dung d e r m odernen Naturw issenschaften, und schließlich die F ra­ ge, welchen Sinn sie für das m enschliche L eben haben. Die Proble­ me von Fehlentwicklungen in Technologie und W irtschaft mangels guter Zweckvorgaben sind bekannt, w enn nur noch m aterielle Bedürfnisse beim V erbraucher geweckt und befriedigt werden. A ber die Fragen nach weitsichtigen, auch geistigen Bedürfnissen entsprechenden Zw ecken und schließlich sogar nach dem Sinn des m enschlichen Lebens sind nicht von den N aturw issenschaften zu beantw orten, sondern von E thik und Religion.

2. Das Verhältnis zwischen den Naturw issenschaften und der Philosophie war, wie bekannt, früher enger als heute; Galilei und Newton nann ten ihre Physik noch „N aturphilosophie”, in E rin n e­ rung an die historische Tatsache, daß die m oderne Physik aus der N aturphilosophie hervorgegangen ist. D och ist in der N euzeit der Physiker in so um fangreiche Forschungsaufgaben eingetreten, daß er nicht m ehr N aturphilosophie betreibt. D eshalb befindet er sich aber nicht in ein er Krise. Vielm ehr bietet sich ihm heute das in te r­ disziplinäre G espräch mit den Philosophen an.

Die Philosophie steht m eines Erachtens zu den Naturw issen­ schaften nicht in dem Verhältnis einer „Universalwissenschaft” zu Einzelwissenschaften, als ob sie diese alle in sich vereinigen und ih­ re E rkenntnisinhalte in im m er größere Z usam m enhänge bringen

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könnte. Diesem K onzept fehlt die realistische Ausrichtung an den U rsachen in den D ingen und die Seinsanalogie. D en Ursachen in den verschiedenen R ealitätsbereichen entsprechen verschiedene W issenschaften, m it je eigenen Prinzipien, die nicht von einer ein­ zigen Universalwissenschaft aufgesogen w erden können,wie dies z.B. Hegel in seinem Philosophie-System als „Enzykolpädie der W issenschaften versucht h at2.

D ie Philosophie kann den N aturw issenschaftlern eine O rientie­ rungshilfe geben, indem sie ihr Bewußtsein wachhält, daß sie ver­ schiedene N aturursachen erforschen, nämlich in der Physik Phänom ene d er M aterialursache, in d er Biologie Phänom ene einer nicht m ehr m ateriellen W irkursache, d.h. eines Lebensprin­ zips. Husserls Phänom enologie fehlt diese realistische O ffenheit für die U rsachen in den Dingen. Vielm ehr läßt sie - wie schon Kants Transzendentalism us - an ihre Stelle erkenntnisstiftende Be­ dingungen im Subjekt treten, welche die Dinge als Phänom ene im Bewußtsein konstituieren. H usserl spricht von W esenheiten, die in den Phänom enen erschaut w erden sollen, die aber in W ahrheit nur A nzeichen für W esenheiten sein könnten, und zwar in den Dingen selbst außerhalb d er Phänom ene.

3. D ie einzig m ögliche „U niversalw issenschaft” (in einem nicht m odernen, vor allem nicht hegelschen Sinne) ist die klassische M etaphysik, welche zur ersten Seinsursache aufsteigt, von der al­ le D inge abhängen, und insofern - u n ter einem rein form al o n to ­ logischen und analogen G esichtspunkt - die gesam te R e­ alität um faßt.

Es erscheint m ir nicht richtig, von der M etaphysik zu erw arten, den Sinnbezug zwischen sich, den theoretischen W issenschaften und dem m enschlichen Leben herzustellen. D ie Aufgabe dies zu leisten, fällt d er philosophischen E thik und den Religionen zu.

4. D ie Sinnfrage findet sich eigentlich im religiösen und w eltan­ schaulichen Bereich, wo das m enschliche Leben in einer über den Tod hinausgehenden Bestim m ung (zum religiös erfahrbaren G ott) betrachtet und m it dem Bild eines Weges verglichen wird, wie noch die Etymologie von „ Sinn ”, sense, anzeigt, welche die W egrichtung bedeutet; vgl. auch tao: Weg.

2 Gegen die Vereinnahmung in ein solches philosophisches System haben sich in der Zeit nach Hegel die Einzelwissenschaften zu Recht verwahrt.

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K RITISCHE BEM ER K U N G EN ZU HUSSERLS SC H R IFT 323

D ie „letzten Fragen” über Welt, M ensch und G ott, die über die Grenzen dieser Welt und den Tod hinausgehen, sind ursprünglich religiöse Fragen, keine philosophischen, auch nicht der M etaphy­ sik, die von der gesam ten vorgegebenen R ealität ausgehend nach deren U rsachen frag3.

Übrigens kennzeichnet H usserl unzutreffend die antike Philoso­ phie gleichsam wie einen m odernen Rationalism us, wonach die Vernunft sich autonom selbst bestim m e und ihrer Tätigkeit die eigene Norm gebe, was von keinem der antiken A utoren gesagt werden kann.

5. W enn also in einer Zeit, wie d er unsrigen, die von W issenscha­ ften und Technik beherrscht wird, die Frage nach ihrem Sinn für das menschliche Leben nicht m ehr beantw ortet wird, so sind nicht die W issenschaften in der Krise, sondern Religion und Ethik. Auch H usserl räum t ein, daß die Krise d er W issenschaften eine Krise der Philosophie sei, die vom w eltanschaulichen Positivismus beherrscht werde. H usserl sieht die einzige A lternative zum Positi­ vismus, d er zu überw inden ist, in seiner tranzendentalen Phänom e­ nologie, als Universalwissenschaft, die in sich alle W issenschaften umfasse. Es dürfte jedoch die w ahre A lternative in Philosophie-D i­ sziplinen liegen, die als G rundlage die traditionelle realistische Metaphysik mit der Seinsanalogie haben.

Stattdessen konstatiert m an h eute im m er w ieder eine Krise der M etaphysik, die seit K ant wegen ihres naiven d.h. unkritischen R e­ alismus kritisiert wird und durch eine transzendentale T heorie der Erfahrung zu ersetzen ist, einer K om bination aus halbem Em piri­ smus und halbem Rationalism us. Auch H usserls „transzendentale Phänom enologie” ist ein M etaphysik-Ersatz. Es läßt sich schon jetzt, am Anfang u nserer E rörterung, verm uten, daß sie kaum die Lösung d er beklagten Sinnkrise d er G egenw art bieten kann; denn diese ist, wie gesagt, eine Krise der E thik und Religion, die ohne das Fundam ent d er klassischen, realistischen A nthropologie und M etaphysik nicht norm ativ sein können, nämlich durch ein natürli­ ches - in d er W esensnatur des M enschen gegründetes - Sittenge­

3 E her könnte man die „letzten Fragen” auch weltanschauliche nennen, wenn man unter Weltanschauung eine Gesamtsicht auf Welt, Mensch und G ott ver­ steht, die von Gefühlen, intuitiven Meinungen, auch von religiösen Überzeugun­ gen getragen wird und durchaus von Metaphysik verschieden ist.

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setz und durch ein natürlich-realistisches religiöses Bewußtsein von Gott.

2. DIE URSPRUNGSERKLÄRUNG DES NEUZEITLICHEN GEGENSATZES ZWISCHEN

PHYSIKALISTISCHEM OBJEKTIVISMUS UND TRANSZENDENTALEM SUBJEKTIVISMUS (§§ 8-25)

Im zweiten Kapitel versucht Husserl, im historischen U m riß zu zeigen, wie die neuzeitlichen Philosophien zwar die schon antike Idee der Universalwissenschaft w ieder aufnahm en und sich nach ihr entw ickelten, aber diese Entwicklung zu zwei entgegengesetz­ ten Richtungen führte, in den physikalistischen Objektivismus und den transzendentalen Subjektivismus, die beide unfähig waren, die oben bezeichnete Sinnkrise zu verhindern und zu bem eistern. D er G rund dieses Scheitern der neuzeitlichen Philosophien läßt sich in folgenden P unkten zusam m enfassen:

1. D er Ausgangspunkt ist die alltägliche Erfahrungswelt:

„Die Welt ist vorwissenschaftlich in der alltäglichen Erfahrung sub­ jektiv-relativ gegeben. Jed er von uns hat seine Erscheinungen, und jedem gelten sie als das wirklich Seiende. D ieser D iskrepanz unse­ rer Seinsgeltungen sind wir im Verkehr m iteinander längst inne ge­ worden. Wir m einen aber darum nicht, es seien viele Welten. N o­ twendig glauben wir an die Welt m it denselben uns nur verschieden erscheinenden D ingen...” (22).

H usserl unterscheidet zwischen der vorwissenschaftlichen bzw. vorphilosophischen, em pirischen Welt, mit ihren subjektiv ge­ glaubten W esensform en und Seinsgeltungen einerseits und der Welt d er reinen G eom etrie m it ihren idealen Form en andererseits. Zwischen beiden verm ittelt die M eßkunst, die aus philosophi­ schem Interesse - zu einer „das objektive Sein der Welt bestim ­ m enden E rkenntnis” (27) - die praktischen M essungen des Alltags verallgem einert zu reinen abstrakten G rößen. In ihr eröffnet sich „die M öglichkeit, alle überhaupt erdenklichen idealen G estalten in einer apriorischen, allum fangenden system atischen M ethode kon­ struktiv eindeutig zu erzeugen” (26).

Nach H usserl folgen wir M enschen in der sinnlichen A nschau­ ung der konkreten W elt d er G ew ohnheit, durch alle V eränderun­ gen hindurch ein b eh arrendes Ganzes anzunehm en, genauer: in unseren E rfahrungen bildet sich „ein invarianter allgemeiner Stil”

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aus, „in dem diese anschauliche Welt im Ström en der totalen E r­ fahrung verh arrt” (31). Auch hinsichtlich der ursächlichen Bezie­ hungen zwischen den D ingen nimm t unser E rkennen einen „uni­ versalen Kausalstil” an, mit dem wir aber nur im U ngefähren, Typi­ schen steckenbleiben (ebd.) (§ 8).

2. Galilei kommt nach Husserl das Verdienst zu, eine „reine G eo­ m etrie” bearbeitet zu haben, „als Zweig einer universalen E rkennt­ nis vom Seienden (einer Philosophie)” (28), und die N atur mathe- matisiert zu haben: Sie wird bei ihm „zu einer mathematischen M an­ nigfaltigkeit” (22). D er Bereich der M athem atik und des m athem ati­ schen Physikers ist die „arithm etisierte Raum -Zeit-Sphäre” (50).

D as leitende Interesse Galileis war ein praktisches, nämlich durch die W issenschaft „die zu erw artende em pirische R e­ gelmäßigkeit der praktischen Lebenswelt zu entw erfen”. Doch re ­ flektierte er noch nicht hierauf. E r stellte sich noch nicht die Frage nach dem Wie der evidenten geom etrischen Erkenntnisse, nach ih­ rem U rsprung (daß ihnen Lebensabsichten d er Vernunft zugrunde liegen), sondern blieb in der Naivität zu glauben, daß die rein th e­ oretische wissenschaftliche Erkenntnis auf eine objektiv reale Welt gehe, daß die idealen reinen G estalten „selbstverständlich” auf eine reale N atur bezogen seien, daß wir in ihnen „ein w ahrhaft Se­ iendes selbst” erkennen (29). Es ist der Glaube, mit der m athem a­ tischen E rkenntnis durch die subjektiv erfahrbare Welt hindurch „das w ahre Sein der N atur selbst zu fassen” (46). Indem Galilei die m athem atische reine G estaltenw elt auf die em pirische bezog, du r­ fte er ihr nicht ontologisch objektive Evidenz zuschreiben.

3. D urch die zunehm ende Technisierung und H antierung mit m athem atischen Form eln w urden diese im m er m ehr „sinnentle­ e rt” und dem Lebenszusam m enhang entfrem det. D er vorwissen­ schaftlich anschaulichen N atur wurde die idealisierte verwissen­ schaftlichte, m athem atisierte N atur untergeschoben. G efährdet w urde also die vorgegebene Lebenswelt der „wirklich erfahrenden A nschauung”, in d er wir selbst „gemäß unserer leiblich personalen Seinsweise” leben. D ie m athem atischen N aturw issenschaften soll­ ten, mit ihren idealen E rkenntnissen, nur eine M ethode liefern, die Lebenspraxis zu verbessern durch im m er bessere Voraussagen. Stattdessen nahm m an die M ethode für wahres Sein selbst (55), w odurch das Verständnis ihres eigentlichen Sinnes der M athem ati- sierung der N atur verlorenging (56) (§ 9).

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4. In der N euzeit führte einerseits der von D escartes inaugurier­ te R ationalism us zu einer noch größeren Entfernung der Naturwis­ senschaften von ihrem ursprünglichen Sinn für die Lebenspraxis, andererseits enthielt seine universale Skepsis gegenüber aller E r­ kenntnis, sowohl der W issenschaften, als auch der alltäglichen E r­ fahrungen, bereits den A nsatz zur Überw indung des R ationali­ smus. M it der „radikal skeptischen E po che” gegenüber allem uns M enschen in d er natürlichen Einstellung G egebenen und V ertrau­ ten räum te D escartes m it „Selbstverständlichkeiten d er Ja h rta u ­ sende” auf (83).

D escartes’ Kritik an allem Objektivismus führte ihn zum zwe- ifenden Ich, dem Subjekt in unbezw eifelbarer Evidenz. D och kriti­ siert H usserl an D escartes, daß sein Zweifel am Objektivismus noch nicht genügend radikal war; denn er verstand das übrigble­ ibende Ich w ieder als Seele, Substanz. Es blieb ein „Residuum der W elt”. E r war also noch d er „unausrottbaren N aivität” der objekti­ ven Seinsgeltung hinsichtlich der Seele wie der W eltdinge verhaftet

(§§

10

-

21

).

5. Nach H usserl ging erst D. H um e den Weg d er cartesianischen Skepsis bis zu E nde und unterzog auch die Seele selbst dem Zw e­ ifel: daß sie n u r eine Fiktion sei. H usserl stellt fest: D urch H um es Kritik wurde die Fragwürdigkeit jedes m etaphysischen A nspruches der m enschlichen Erkenntnis auf objektive W ahrheit deutlich (97- 98) (§§ 22-24).

6. D ies v eran laß te dann K ant, nach dem letzten Q uell aller E r ­ kenntnis zurückzufragen, nach dem Recht, wie V ernunftw ahrhe­ iten a priori „für D ingerkenntnis wirklich aufkom m en k ö n n ten ”. Seine b ek an n te Lösung, w onach die Welt als Erscheinung schon vom Subjekt k o n stitu iert wird, um dann wissenschaftlich erk annt w erden zu können, dien te dem th eo retischen Interesse, die N a­ turw issenschaft zu rechtfertigen. D am it fiel nach H usserl K ant doch w ieder in den alten Stil philosophischer B egründung von W issenschaft zurück, d.h. von objektiver th eo retischer E rk e n n t­ nis üb er faktisch V orhandenes. E r w urde dem „H um eschen P ro­ blem ” nicht gerecht, das die philosophische Skepsis radikaler auf die Subjektivität verwies, als sich K ant bew ußt war. F ü r H usserl ließ es nu r die Lösung übrig, daß die W elt selbst nichts anderes als „eine...in m ein er Subjektivität entsp ru n g ene G eltung ist” (107) (§ 25).

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7. Husserl deutet dann die von seiner Phänom enologie aus sich bietende Lösung an, die d er Einstellung dem positiven W issen­ schaftler entgegengesetzt ist, daß nämlich „alle die W ahrheiten, die er als objektive gewinnt, und die objektive Welt selbst, die in seinen Formeln Substrat ist,... sein eigenes, in ihm selbst gewordenes L e ­

bensgebilde ist” (ebd.).

Das transzendentale Ego (im U nterschied zum em pirischen Ich) ist die letzte Q uelle aller Erkenntnisbildungen, „in welchem alle ihm geltenden wissenschaftlichen zwecktätig geschehen” (108). Die U ntersuchung d er Phänom enologie wird sich dann richten auf „das Verhältnis dieses Ich und m eines Bewußtseinslebens zur Welt, deren ich m ir bew ußt bin, und d eren wahres Sein ich in m einen eigenen Erkenntnisgebilden erk en n e” (108-109).

„Es ist eine Philosophie, die gegenüber dem vorwissenschaftlichen und auch wissenschaftlichen Objektivismus auf die erkennende

Subjektivität als Urstätte aller objektiven Sinnbildungen und Seinsgel­ tungen zurückgeht und es unternim m t, die seiende Welt als Sinn-

und G eltungsgebilde zu verstehen und auf diese Weise eine wesen­

tlich neue A rt der Wissenschaftlichkeit und der Philosophie auf die

Bahn zu bringen” (110) (§ 26-27).

STELLUNGNAHM E Z U 2

1. D ie vorwissenschaftliche E rfahrung der Alltagswelt, von der Husserl ausgeht, ist keineswegs eine bloß subjektiv-relative, in der jedem die D inge verschieden erscheinen und verschiedene „Seins­ geltung” haben. D ies mag so a u f d er Stufe d er Sinnesem pfindun­ gen sein, die bei jedem verschieden sind und sich ständig ändern, „im F lu ß ” sind, so daß auf dieser Stufe die V ernunft freilich noch nicht identische W esens- und W erteigenschaften der Dinge e r­ kennt. A ber die E rfahrung ist sehr viel m ehr als die wechselnden Sinnesem pfindungen, schon dadurch, daß sie vom natürlichen R e­ alitäts-Bew ußtsein d er V ernunft begleitet wird, welcher die Dinge gegeben und gegenwärtig sind. In den subjektiven E rfahrungen e r­ faßt die Vernunft objektiv evident das Sein, D asein, Eines-, Reales- , Etwas-Sein d er D inge in ihrer Identität. D eshalb ist es auch nicht richtig, von einer „ström enden E rfahrung” zu sprechen.

D er Bezug d er individuell verschiedenen Sinnesw ahrnehm unge- n und E rfahrungen auf ein und dieselbe Welt beruht also nicht auf einem naiven Vorurteil o der bezw eifelbaren G lauben an sie,

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son-dern au f dem evidenten natürlichen Bewußtsein vom Sein der D in­ ge an sich.

Es stim m t nicht, daß O bjektivität erst auf der Stufe wissenscha­ ftlicher, allgem ein-abstrakter Erkenntnis von W esensm erkmalen der Dinge auftrete. Dies könnte sie nicht, wenn sich nicht schon in der vorwissenschaftlichen A lltagserfahrung ein ontologischer A n ­ satz von objektiver R ealität fände.

D a dieses realistische Fundam ent bei Husserl fehlt, läßt er, dem Phänom enism us des englischen Em pirism us und Kants Transzen­ dentalism us folgend, alle Erkenntnisbestim m ungen dem Subjekt „entquellen”: Was aus d er Em pirie an Kenntnissen von identi­ schen, w esentlichen M erkm alen oder ursächlichen Verhältnissen der Dinge entsteht, sollen wir als einen aus G ew ohnheit sich bil­ denden D enkstil verstehen. Das E rkennen wird nun aktives B e­ stim m en aus dem Subjekt als Quelle, kein Bestim m twerden m ehr von seiten der D inge selbst. Ihr reales Sein wird zu einer vom Sub­ jekt zu setenden „Seinsgeltung”4.

2. Galileis Physik war N aturphilosophie nicht in dem Sinne, daß sie eine „universale Erkenntnis vom Seienden” oder Einsicht in „das w ahre Sein der N atur selbst” erstrebte - was vielm ehr der M etaphysik zukom m t - , sondern eine Erkenntnis von den N atur­ dingen, sofern sie in Bewegung sind, die sich an einem m ateriellen Substrat vollziehen. Seit der A ntike nahm m an an, daß die M aterie mit eigener Bewegung begabt ist, so die M aterie der H im ­ m elskörper m it einer kreisförmigen.

G egenüber der A ntike, welche die M athem atik (A rithm etik und G eom etrie) als eigene philosophische Disziplin behandelte, war das N eue bei Galilei, daß er sie in der Physik / N aturphilosophie verw andte zur B egründung d er N aturgesetze, wie der Fallgesetze der terrestrischen K örper und der Berechnung der Him m elsbew e­ gungen. D abei teilte er die traditionelle (schon von Aristoteles5 form ulierte) Auffassung vom ontologischen Status der arithm eti­ schen G rößen, wie d er Zahlenverhältnisse, daß sie keine eigene R ealität neben den K örperdingen sind, sondern abstrakte Form en,

4 D er Ausdruck knüpft an die Wertephilosophie des N eukantianer H. Rickert an, wonach das Sein der Dinge, welches das Subjekt setzt, immer mit einer G el­ tung, einem Sinn für dieses versehen wird.

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d ie so nur sich im V erstände finden, aber ein reales Fundam ent in d e n Dingen haben. H usserl hat diese traditionelle K lärung des Sta­ tu s der m athem atischen G egenstände ignoriert und ist bei einer platonischen Scheidung zweier Bereiche geblieben, dem em piri­ sch en und dem idealen, m it dem Problem der unendlichen A n n äh eru n g des ersten an den zweiten.

Platon und A ristoteles haben die m athem atischen, d.h. arithm e­ tischen und geom etrischen Erkenntnisse als Erklärungen d er M a­ terieursach e d er N aturdinge verstanden. In Platons Dialog Tima­

eus folgt auf den ersten Teil, d er die N atur, den Kosmos, aus den

Zw eckursachen erklärt, im zweiten Teil die Erklärung aus den m a­ teriellen U rsachen, den E lem enten, die m athem atisch als stereo­ m etrische K örper bestim m t w erden. D as bedeutet keine „M athe- m atisierung der N a tu r”, sondern nur die Erschließung ihrer M ate­ rieursache, die in der Tat eine m athem atisch berechenbare Seite h a t, was ja auch die m odernen N aturw issenschaften glänzen b estätig t haben. Aristoteles bringt in seiner Epistem ologie6, wo er v o n den im M ittelterm wissenschaftlicher Beweise anzugebenden U rsachen handelt, als Beispiel hinsichtlich d er M aterialursache ein en Beweis aus der G eom etrie, der im M ittelterm eine geom etri­ sche K onstruktion anführt.

W eder bei den antiken N aturphilosophen, noch bei den m oder­ nen, in ihrer Tradition stehenden, wie bei Galilei, besteht die A b­ sicht, die Husserl ihnen unterstellt, nämlich die N atur zu m athe­ m atischen Form en hin zu „idealisieren”, sondern vielm ehr die, sie nach ihrer m ateriellen Seite hin zu erforschen. Schon bei Platon w aren die Z ahlen und die geom etrischen Figuren keine „idealen F orm en ”. E r setzte sie ja bekanntlich in einem „Zw ischenbereich” zwischen den Id een und den konkreten N aturdingen an und tat dies aus d er B eobachtung, daß die m athem atischen Form en ver­ schieden von den konkreten Form en und Verhältnissen der N atu r­ dinge sind. E rst A ristoteles gelang es, den ontologischen Status der m athem atischen Form en zu klären, daß sie m it d er Erkenntnisw e­ ise der V ernunft Zusammenhängen, welche die m athem atischen Verhältnisse in den m ateriellen D ingen als „abgetrennte”, abstrak­ te betrachtet, obwohl sie nicht abgetrennt für sich bestehen, son­ dern sich als solche nur in d er V ernunft befinden. Gleichwohl sind

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sie nicht n u r G ebilde in d er Vernunft, sondern haben ihr F unda­ m ent in den konkreten Dingen.

Galilei erstreb te also nicht eine „reine G eom etrie” ohne Bezug auf Reales, und indem e r sie in seiner Physik anwandte, erforschte er das m athem atisch G esetzm äßige in den natürlichen Körpern, ohne dam it die N atu r zu m athem atisieren. D ie N atur als solche war für ihn nicht lediglich eine m athem atische Mannigfaltigkeit. D aß Galilei in seiner Physik Aussagen über die N aturdinge selber m acht, unterschiebt ihnen nicht ideale Verhältnisse oder ontologi- siert sie.

D ie historische Tatsache, daß sich vielleicht die A rithm etik aus einer praktischen Lebensbedüfnissen dienenden M eßkunst entwic­ kelt hat, hindert nicht, daß sich schon früh (sicherlich bei den Py- thagoreern) die A rithm etik zu einer theoretischen W issenschaft verselbständigt hat. U nd die Verselbständigung erfolgte nicht d a­ durch, daß die M athem atik aus naturh aften Form en sich zu im m er abstrakteren Form en hochentwickelte, bis zu idealen „Limesge­ stalten ”, sondern dadurch, daß sie die quantitativen Verhältnisse an den natürlichen K örpern erforschte. N aturphilosophisch gese­ hen, hat die G eom etrie einen Bezug zur M aterie als einer der kon­ stitutiven U rsachen der N aturdinge. Aristoteles führt als Beispiel einer M aterialursache - die wie jed e U rsche im wissenschaftlichen Beweis im M itelterm auftreten m uß - eine geom etrische K on­ struktion an, wie oben erwähnt.

Bei Galilei folgten M athem atik und Physik einem rein th eo reti­ schen Interesse d er N aturerklärung, ohne daß er dam it einem der Subjektivität abträglichen Objektivismus Vorschub leistete. Die theoretische Erkenntnis h atte für ihn wie für die klassische philo­ sophische Tradition einen Eigenwert, - wie ja die N atur selber nicht n u r ein O bjekt d er praktischen Lebensbedürfnisse ist, son­ dern auch der theoretischen Betrachtung.

3. U m dem Positivismus zu w ehren, d er die Naturwissenschaften - und alle W issenschaften - für wertfrei erklärt, d.h. daß sie keinen Bezug zum m enschlichen L eben haben, fordert Husserl von ihnen, daß sie praktisch orientiert sein müssen, also M ethoden liefern, die der Lebenspraxis dienen. D adurch wird jedoch meines Erachtens in der traditionellen wichtigen U nterscheidung zwischen th eo reti­ scher und praktischer E rkenntnis die Priorität der T heorie vor der Praxis preisgegeben. D ie theoretischen W issenschaften haben

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einen Bezug zum L eben dadurch, daß das Leben ist m ehr als nur Praxis. Auch „theoretische” Tätigkeiten - im klassischen Vollsinn als die R ealität „betrachten den ” - gehören zum Leben und ste­ igern seine Q ualität.

Übrigens übernim m t H usserl selber eine positivistische Voraus­ setzung, da er nämlich das Sein der N aturdinge als bloße Fakti­ zität des M ateriellen in R aum und Z eit versteht, w ährend es in W ahrheit (wie oben erw ähnt) schon als schlichtes D asein intelligi- bel ist, nämlich das Gegenwärtig-Sein der Dinge vor der erkennen­ den Vernunft. D adurch w erden die Dinge „als Seiendes” G egen­ stand der rein theoretischen M etaphysik, die das ontologische Fun­ dam ent auch d e r m enschlichen Lebens-praxis betrachtet.

D ie m ißbräuchliche A nwendung d er N aturw issenschaften in sin­ nentleerten Technologien nim m t nichts vom theoretischen Eigen­ wert dieser W issenschaften selbst.

4. Husserls ungeteilter Zustim m ung zu D escartes’ universaler Skepsis kann ich nicht folgen. Selbst wenn m an dem Zweifel an al­ len inhaltlichen Erkenntnissen, von den Sinnesw ahrnehm ungen an, zustimmt, so kann m an an einem form alen A spekt nicht zweifeln, daß nämlich überhaupt etwas Reales gegeben ist; dieses ist die Vo­ raussetzung für alle Erkenntnis, von der Sinnesw ahrnehm ung bis zur V ernunfterkenntnis oder W issenschaft, aber auch für den Zwe­ ifel selbst, der ja nicht aus dem Nichts heraus beginnen kann.

A ristoteles hat als erster in seiner Episrem ologie7 au f diese Vo­ raussetzung reflektiert, daß nämlich aller E rkenntniserw erb das Sein der Dinge (ihr D asein und Etwas-Sein) voraussetzt. H iernach w urden d ann alle Dinge, insofern sie sind, „als Seiendes”, zum Them a d er E rsten Philosophie (Ontologie, M etaphysik). In dieser Tradition stehend, lehrt dann auch Thom as v. Aquin, daß „das Se­ iende das B ekannteste ist”, wobei ihm ein unm ittelbares K ennen oder W issen entspricht, das wir am besten mit dem natürlichen R e­ alitäts-Bew ußtsein bezeichnen. In ihm ist uns unm ittelbar un re­ flektiert und insofern „naiv” bewußt, daß die Dinge an sich da sind, unabhängig von unserem Bewußtsein.

D as natürliche Bew ußtsein vom Sein / D asein des R ealen haben wir schon von G eburt an, vor der U nterscheidung zwischen

Sub-7 Aristoteles, Analyt. poster., I 1-2; vgl. meine kommentierte Ausgabe: Aristote­

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jekt und O bjekt und schließt beides ein. Es ist im m er ein Akt der V ernunft - wie auch das Sein im m er ein intelligibler A spekt jedes Realen ist - , ja das evidenteste Wissen, das wir haben, und insofern eine „unausrottbare N aivität”. A ber nicht so, wie Husserl versteht, daß es eine oberflächliche M einung sei, die bei gründlicher Refle­ xion ausgeräum t w erden könnte. V ielm ehr wird es in der Tradition im nachhinein durch eine epistem ologische Reflexion gerechtfer­ tigt, die aber D escartes, Kant und H usserl nicht m ehr bekannt ist.

Falsch ist es auch, das Seiende m it d er Objekt-W elt zu identifi­ zieren, aus der das Subjekt ausgeschlossen ist, dagegen das Sein m it der sinnsetzenden Aktivität des Subjekts, aus dem jede O bjek­ tivität und Substantialität ausgeschlossen ist. D ah er dann Husserls Kritik, daß D escartes’ A nnahm e des Ich als Seelen-Substanz aus dieser w ieder ein O bjekt, ein W eltding mache, was einen Rückfall in den „Objektivism us” bzw. in Psychologie bedeute. Dagegen ist klarzustellen, daß Sein, Seiendes, Substanz u.ä. von ontologischer, analog allgem einer Bedeutung sind, also ebenso die Objekte wie auch das Subjekt umfassen. D er Seele Substantialität zusprechen bedeu tet dah er nicht ihr die Subjektivität absprechen, sondern anerkennen, daß sie m it d en O bjekten etwas gemeinsam hat, nämlich Realität.

Auch H usserl m acht vom Ich-Subjekt eine Reihe von Aussagen - daß es das R ätsel aller R ätsel sei, daß aus ihm alle U ntersche­ idungen hervorquellen: von Innen und A ußen usw. - , was er nicht tun könnte, wenn nicht das Ich-Subjekt etwas an sich bestehendes, real Seiendes wäre. D aß er es nicht als solches benennen kann, liegt daran, daß ihm dieser Begriff in seiner ontologischen B edeu­ tung nicht m ehr verfügbar ist, sondern nur noch in der empiristisch auf Sinnesobjekte reduzierten.

N ur wegen des Verlustes der klassisch m etaphysischen Lehre der Seinsanalogie stellt sich in der N euzeit das Problem des G e­ gensatzes zwischen Objektivismus und Subjektivismus, dem H us­ serls D arstellung so große Bedeutung zumißt, und das er schließlich durch seinen „radikalen transzendentalen Subjektivi­ sm us” aufzulösen versucht.

Es geht auch nicht an, in der A nnahm e des Erkenntnis-Subjekts als Seele sogleich einen Psychologismus zu sehen, der das Seelen­ leben objektivistisch zu einem psychophysischen M echanismus m a­ che. D ie klassische philosophische Psychologie und A nthropologie

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beruhte auf d er ontologischen Voraussetzung des substantiellen Seins der Seele. Indem D escartes das Ich-Subjekt als substantielle Seele bezeichnet, zielt er auf diesen ontologischen A spekt ab.

H ierzu m öchte ich noch folgendes bem erken: D escartes’ Fehler liegt nicht darin, wie Husserl m eint, daß er das Ich-Subjekt psycho- logisiert hat, sondern darin, daß er das Sein d er Seele im Be­ wußtsein angesetzt hat, um von ihm aus auf das Ich-Subjekt als Se­ elensubstanz zu schließen, was unstatthaft ist; denn in keinem Falle kann m an vom Sein eines Dinges auf dessen reale Substantia- lität schließen, die ja schon in seinem Sein erfaßt wird.

Im schlichten Selbstbewußtsein weiß die Vernunft von ihrem sub­ stantiellen Sein (wenn auch noch nicht ontologisch reflektiert, son­ dern unm ittelbar existentiell). D ah er ist in der traditionellen philo­ sophischen Psychologie und A nthropologie, von der A ntike bis heute, niemals ein Beweis der Existenz d e r Seele dargeboten wor­ den, sondern un ter Voraussetzung ihrer Existenz hat m an Beweise über ihre Eigenschaften geführt: ihre Im m aterialität, ihre verschie­ denen Funktionen und Vermögen.

W enn auch die Vernunft (d er G eist) Lebensprinzip im M en­ schen ist, so ist doch das Bewußtsein nicht Seins- oder Lebensakt der Seele, sondern - da die Vernunft auch spezielles, erkennendes Vermögen ist - läßt sich das Bewußtsein als zweiter Akt des Ver­ nunft-Vermögens bestim m en, verschieden von dem ersten Akt, dem Lebens- oder Seinsakt der rationalen Seele des M enschen. Bei Descartes reduziert sich das substantielle Sein der rationalen Seele auf ihr Bewußtsein, was zur Aufhebung d er O ntologie in den Transzendentalism us Kants und Husserls geführt hat, sowie in H e­ gels Idealismus.

U m gekehrt läßt sich bei H usserl selber eine Psychologisierung feststellen, wenn e r das Bewußtsein als Erlebnisstrom auslegt und ihre intentionalen Setzungen als Lebensakte des Subjekts betrach ­ tet; denn da H usserl die klassische realistische O ntologie als N a­ ivität ablehnt, hat bei ihm Leben keine ontologische B edeutung m ehr, sondern n u r noch die d er (deontologisierten) em pirischen Psychologie, in d e r das E rleben eine G rundkategorie ist. Zu ihr will ja Husserls Phänom enologie das transzendentale Fundam ent legen (als Ersatz des ontologischen Fundam ents).

5. D ie so positive B edeutung, die H usserl dem H um eschen Skeptizismus beim ißt, läßt sich nur daraus verstehen, daß er ihn als

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wichtigen Beitrag zur Ü berw indung des „Objektivismus” nimmt, den er leidenschaftlich bekäm pft, zugunsten seines eigenen „radi­ kalen transzendentalen Subjektivismus”. E r erw ähnt zwar, daß H u ­ mes Skepsis mit seinem Sensualismus / Em pirism us zusam ­ m enhängt, ohne diesen der Kritik zu unterziehen oder auf dessen sehr wirksame W iderlegung in der Tradition einzugehen, bei Pla­ ton, Aristoteles, Cicero, Plotinus, Augustinus, Thom as v. Aquin, Leibniz u.a.. Auch D escartes’ Cogito ergo sum wollte ja den empiri- stischen Skeptizismus überwinden.

Ein hauptsächliches G egenargum ent ist dieses: Zwar ist auf der E bene d er sinnlichen W ahrnehm ung und Erfahrung der Dinge unsere E rkenntnis fließend, veränderlich und subjektiv, im U n te r­ schied zur höheren E bene begrifflich allgem einer wissenschaftli­ cher Erkenntnis. Gleichwohl aber ist schon von Anfang an das e r­ kennende Subjekt die Vernunft, so daß bereits die Sinnesw ahrneh­ mung und E rfahrung u n ter einer Erkenntnisbedingung der Ver­ nunft steht, nämlich ihrem Bewußtsein, womit sie sich selbst in ih­ rem Sein gegenwärtig hat, wie auch die O bjekte in deren Sein.

dies beinhaltet Leibniz’ Stellungnahm e zu Lockes sensualisti- schem Prinzip: nihil est in intellectu quod non fuerit prius in sensibus, w orauf Leibniz treffend antw ortete: nisi intellectus ipse.

Das bedeutet, daß die Dinge m ehr sind als nur ein Bündel von Sinnesdaten oder bloße Sinnesphänom ene. Vielm ehr erfassen wir schon auf der E bene d er Sinnesw ahrnehm ung mit dem Sein / D a ­ sein der Dinge etwas Intelligibles in ihnen, ihr An-sich-Sein, Eines- , Identisch-, Real-Sein u.a.m. (das für die später fortschreitende W esenserkenntnis sich auch als Sosein erweisen wird). D am it ist der Sensualismus und Phänom enism us schon widerlegt.

Descartes gelingt diese W iderlegung nicht m ehr vollständig, da er das einfache Sein der Dinge ebenfalls dem Zweifel unterzieht, als ob es ein Sinnesfaktum wäre, dem ein sinnliches Bewußtsein entspräche, w ährend er das Bew ußtsein der V ernunft fälschlich als die Reflexion des Ich-denke auslegt. In W ahrheit gibt es kein sinn­ liches Bewußtsein, da Sein im m er intelligibel ist, und das ihm e n t­ sprechende Bew ußtsein ist keine denkende Reflexion, sondern ein intuitiv-rezeptiver A kt d er Vernunft.

6. K ant verm ag H um es Sensualismus / Em pirism us nicht zu überw inden, da er eine wichtige Voraussetzung von ihm über­ nimm t: daß nämlich O bjekte nur als Phänom ene der Sinnesan­

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schauung gegeben sein können. Dies schließt von vornherein das intelligible An-sich-Sein der Sinnesdinge aus, das d er Vernunft unm ittelbar bew ußt ist: die grundlegende Voraussetzung für die Sinnesw ahrnehm ung selbst. Bei K ant spaltet sich das O bjekt in zwei Bereiche auf: das M ateriale der Sinnesphänom ene und das Formale transzendentaler E rkenntnisbedingungen in Verstand und Bewußtsein. Auch das Sein spaltet sich in die faktische G egeben­ heit des M aterials in Raum und Z eit und in eine Setzung transzen­ dentalen Objekt-Seins seitens der Vernunft. Schließlich ist auch das Bewußtsein gespalten in ein sinnliches und ein transzendenta­ les. Es bleibt das Problem , wie beides sich zusam m enfügen soll.

7. Auch bei Husserl findet sich, als E rbe aus Kants Kritizismus, die Spaltung der Welt in die naiv alltägliche, vor der phänom enolo­ gischen Einstellung, und in die phänom enologische, aus dieser Einstellung konstituierte. H iernach soll es ein empirisches Ich und ein transzendentales Ego geben, ein em pirisches und ein transzen­ dentales Bewußtsein, ferner dem entsprechend ein empirisches Se­ in d e r Sinnesdinge, in raum zeitlicher Faktizität, und ein ideales Se­ in als Setzung des transzendentalen Bewußtseins.

Mit dieser Aufstellung sucht Husserl dem Problem des verloren gehenden Lebensbezuges der W issenschaften h eute zu begegnen. Dieses Problem läßt sich jedoch, wie mir scheint, nicht mit Husserl so lösen, daß die theoretischen W issenschaften durch praktische Intentionen fundiert werden, das Sein ihrer O bjekte in Sinn ge­ w endet wird, die Welt auf die Lebenswelt des M enschen verkürzt wird usw.

Zunächst w äre nochmals zu bedenken (s.o.), daß die Frage nach dem Zusam m enhang der Erkenntnis, wie der W issenschaften, mit dem Leben, sowie die Frage nach dem Zweck oder gar nach dem letzten Sinn des m enschlichen Lebens ihre A ntw ort von Ethik und Religion bzw. religiöser W eltanschauung erhalten, nicht von einer Universalphilosophie, die sich mit Problem en einer m athem atisier- baren N aturerklärung, des Subjekt-Objekt-Gegensatzes, der B e­ w ußtseinsphänom ene usw. beschäftigt und dabei E thik und reli­ giöse W eltanschauung gleichsam in sich absorbiert, da der A utor seine Philosophie zugleich als moralische, fast religiös m issionari­ sche Botschaft versteht:

„Wir sind eben, was wir sind, als Funktionäre der neuzeitlichen philosophischen M enschheit, als E rben und M itträger der durch

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sie hindurchgehenden W illensrichtung” usw. (78). H iergegen noch eine andere philosophische Position vorzubringen, könnte fast als etwas Pietätloses erscheinen.

Ferner gilt: M oral und Religion haben zum G uten im M enschen und in G ott einen unm ittelbaren, sehr realen Bezug, vor aller phi­ losophischen E th ik und Reli-gionsphilosophie oder Theologie. Diese ruh en auf dem real ontologischen Fundam ent; denn der sit­ tlich G ute w ürde sich der G utheit in seiner Tugendhaltung gar nicht bewußt sein können, w enn er sich nicht selber - und die Ver­ nunft in ihm - als real Seiendes gegeben wäre. Ebenso könnte er als Religiöser nicht zu G ott beten, wenn er nicht schon m it der R e­ alität des gegenwärtigen G ottes in Berührung stünde, schon eine relgiöse E rfahrung hätte. Alle religiöse Erziehung baut hierauf.

D ie sittliche G utheit als letzter Zweck m enschlichen Lebens sind nicht Sinnschöpfungen des denkenden Ich, sondern, zum in­ dest im A nsatz, im M enschen vorgegeben, und zwar normativ, mit der Verpflichtung, sie zu größerer Vollkomm enheit auszubilden. Ebenso ist d er letzte religiöse Sinn des m enschlichen Lebens (über den Tod hinaus) in der realen Beziehung der Seele zu G o tt schon eingezeichnet und nicht erst in schöpferischer Setzung zu stiften. Sinn und W ert kom m en als Q ualitäten zum Sein des M enschen hinzu und können dieses nicht ersetzen.

Wie die neukantianische W ertphilosophie folgt H usserl hier Kants Subjektivismus. D ie „Kopernikanische W ende” hat K ant ja nicht n u r auf theoretischem G ebiet vollzogen, sondern auch auf praktischem , indem e r - als „Paradoxon der M ethode” - das sit­ tlich G ute erst aus A kten der sittlichen Selbstbestimm ung des Sub­ jekts hervorgehen läßt, statt nach d er tradtionellen E thik das G ute als norm ativ für die Selbstbestim m ung anzuerkennen, wobei es der praktischen Vernunft vorgegeben, ja in d er V ernunftnatur begründet ist. D e r Subjektivismus w iderspricht jedoch dem Selbst­ bew ußtsein d er Vernunft auf theoretischem wie auf praktischem G ebiet. Im paktischen Bewußtsein, dem Gewissen, haben alle M enschen ein W issen von G ut und Böse im allgemeinen, das ihnen schon im schlichten geistigen Eigensein bewußt ist, mit dem Vor­ rang des G eistes vor Trieb und Leib.

Das Neue, wom it H usserl über Kants „Objektivismus” hinausge­ hen will, besteht in d er A ufnahm e von M otiven d er transzendenta­ len Psychologie B rentanos, d er Lebens- und W eltanschauungs-Phi­

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[21] KR ITISC HE BEM ER K U N G EN Z U HUSSERLS SC H R IFT 337

losophie Diltheys und der W ertphilosophie Rickerts, ohne daß sich Husserl auf sie ausdrücklich bezieht. Diese M otive vereinigen sich in H usserls fundam entaler Lehre des intentionalen Bewußtseins, das als Erlebnisstrom , als Lebensaktivität ausgelegt wird. Seine Se­ inssetzungen von O bjekten w erden zu Sinnsetzungen, zu „Seins­ sinn leistendem L eben”, E rken n en wird zur Bewegung sich sin­ nvoll bildenden Lebens selbst. Aus dem W illen zur Erkenntnis wird ein Wille der Lebensgestaltung. D ie objektive Welt wird zu einem aus subjektiven Q uellen gew ordenen Lebensgebilde.

D am it nim m t aber Husserls Phänom enologie eine Wendung zum voluntaristisch Pragm atischen und zur Psychologie, um eine transzendentale T heorie für diese zu leisten. W ährend Kant Be­ wußtsein nur als form ale Bedingung, als „leere Form der Vorstel­ lung” aller Erkenntnis verstand, wird es bei Husserl zu einem L e­ bensakt und Erlebnisstrom . Ebenso w ar noch bei K ant Erfahrung eine E rkenntnisstufe, bei H usserl wird sie zu einem Erleben, einer G rundkategorie d er Psychologie.

D er wesentliche U nterschied zwischen dem philosophischen und dem psychologischen Studium der E rkenntnis besteht ja darin, daß die Philosophie sie von ihrem O bjekt h er untersucht, als des­ sen W iedergabe (wobei auch das Subjekt O bjekt des Studiums wird), w ährend die Psychologie die E rkenntnis als seelische Bewe­ gung und Lebensäußerung untersucht, und das O bjekt als Lebens­ gebilde. D abei beschränkt sich die Psychologie auf die innerseeli­ schen Geschehnisse, und betrachtet die psychischen Phänom ene als ihre eigentlichen Objekte, dagegen sind für die philosophische T heorie die R epräsen tan ten der O bjekte im Bewußtsein nur das M edium, in welchem die Objekte von der V ernunft erkannt w er­ den, nicht die E rkenntnisobjekte selbst. D iese sind im m er außer­ halb des Bewußtseins.

Zusam m enfassend gesehen, wird bei H usserl die O ntologie / M etaphysik vom Seienden, welches O bjekt und Subjekt um faßt und unabhängig vom Bewußtsein an sich besteht, von einer transzendentalen Theorie der Psychologie ersetzt. D adurch verlieren alle speziellen philosophischen D isziplinen, wie E rk en ­ ntnistheorie, Psychologie, A nthropologie und E thik ihr o n to lo­ gisch-metaphysisches Fundam ent, und som it ihren Realismus. D ies ist für die E th ik besonders schwerwiegend, da sie nur durch den Bezug auf das Sein und die rationale W esensnatur des M

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en-sehen norm ativ sein und den letzten sittlichen Zweck bzw. (reli­ giös gesprochen) den letzten Sinn des m enschlichen Lebens ange­ ben kann. U nd wie sollte sie ohne dies die „Sinnkrise” unserer Z e ­ it bewältigen?!

D ie traditionelle E thik bestim m te den letzten sittlichen Zweck als vollendete Tätigkeit der geistbegabten Seele und setzte diese in den „theoretischen”, d.h. kontem plativen Betätigungen, wie den theoretischen W issenschaften, ja in der W eisheit als höchster Ver­ nunfttugend an, also gerade um gekehrt wie bei Husserl, für den die theoretischen W issenschaften sinnleet sind, wenn sie nicht sin­ nsetzenden Intentionen für die Lebenspraxis untergeordent w er­ den. Nach A ristoteles8 haben die theoretischen Tätigkeiten vor den praktischen deshalb den Vorrang, weil sie um ihrer selbst wil­ len ausgeübt w erden, also zum letzten Zweck des m enschlichen Lebens gehören, w ährend die praktischen Tätigkeiten um dieses letzten Zweckes willen vollzogen w erden. Die theoretischen T ätig­ keiten stehen zu den praktischen in einem vergleichbar analogen Verhältnis wie die A rztkunst zur G esundheit. Wie die A rztkunst dem Zweck d er G esundheit dient, so die praktischen Tätigkeiten den theoretischen, die keinem anderen Zweck m ehr dienen, son­ dern ihren Zweck in sich selber haben. U nd gerade in solchen Tätigkeiten erweist sich der M ensch als Selbstzweck und freies We­ sen, weil nicht m ehr um eines anderen Zweckes willen tätig.

Zugleich zeigt sich, daß das L eben m ehr ist als die Praxis, d.h. das G esam t von H andlungen. Es ist vielm ehr der Seinsakt / Sein­ svollendung des M enschen m it einer sittlichen Q ualität, worin eine ontologische Voraussetzung der E thik deutlich wird. Eine solche zeigt sich auch noch in and erer H insicht an: D a sich die seelischen Verm ögen allgemein an ihren O bjekten aktualisieren, bedeutet dies, daß die vollendete geistige Tätigkeit in der W eisheitstugend sich an einem höchsten intelligiblen G egenstand aktualisiert, der nach der Tradition in allem, was G ott betrifft, liegt. D ieser wichtige G esichtspunkt, der auch dem Realismus der religiösen Tätigkeiten gerecht wird, ist in H usserls Phänom enologie ausgeschlossen, die ja nur G egenstände im Bew ußtsein kennt und alle Erkenntnisakti­ vität allein aus dem Subjekt entquellen läßt. F ür Husserl sind ja

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[23] K R ITISC HE B EM ER K U N G EN ZU H USSERLS SC H R IFT 339

schon die Dinge außerhalb des Bewußtseins etwas unerreichbar „Transzendentes”, geschwe denn der ihnen allen transzendente G o tt9.

KRYTYCZNE UWAGI O DZIELE HUSSERLA KRYZYS EUROPEJSKIEJ NAUKI A FENOMENOLOGIA TRANSCENDENTALNA

Streszczenie

Wymieniona praca Husserla stanowi uzasadnienie jego fenomenologii jako od­ powiedzi na powstały kryzys nauki europejskiej. Jednym z przejawów tego kryzysu było dążenie do matematyzacji nauk humanistycznych zamiast osiągania ich uni­ wersalności. H. Seidl stwierdza natomiast, że kryzys ten ogarnął nie tylko naukę ale także filozofię, zaczęto bowiem budować nie do pokonania podziały pomiędzy wiarą a filozofią, miedzy sensem bytowania a konkretnymi działaniami. Wiąże się z tym uparte zwalczanie metafizyki jako dyscypliny zaprzeczającej zarówno jedno­ stronnem u poznaniu naukowemu, jak i filozofii zredukowanej do praktycyzmu. Zamykając rzeczywistość w przejawach świadomości, Husserl nie byl w stanie przezwyciężyć tego kryzysu.

4 Man beachte die Verflachung des traditionellen Begriffes der Transzendenz aus der metaphysischen Vertikale in die erkenntnistheoretische Horizontale, wo­ nach schon die Beziehung des Subjekts auf das außerhalb seiner liegende Objekt zu einem problematischen, ja rätselhaften „Transzendieren” wird. Viel problema­ tischer ist meines Erachtens, daß die phänomenologische These, alleiniges Objekt unserer Erkenntnis sei nur das im Bewußtsein, nicht das außerhalb seiner liegen­ de, beim H örer ein Verständnis vom außerhalb liegenden Objekt voraussetzt, nämlich dank dem natürlichen Realitäts-Bewußtsein, das offenbar nicht wie bei Husserl als oberflächliche Naivität beiseitegesetzt werden kann.

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