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Die Zukunft, 18. Oktober, Jahrg. XXVIII, Bd. 107, Nr 3.

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(1)

XXVIII. Jahrg. Berlin, den 18. Oktober 1919 Nr. 3

ie llukunft

Herausgeber

Maximilian Harden

INHALT

Seite M oritz und R ina . ... ... 67 D as T agebuch eines P hilo so p h en . Von A r t h u r L i e b e r t . . 87

Nachdruck verboten

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Berlin, den 18. Oktober 1919

M oritz und Rina

Kressin, V endem iaire nach W eltuntergang.

Lieber Bruder!

ein: länger trag’ ich nicht die Quäler^ die A ngst, die jede

^ H offnung raubt! D er blonde Jäg& bursch, ders singt, ist fast so verschollen wie die schneew eiße Landfrau, die sich heute zu rF ed er entschließt (u n d gew iß ist, d aß sie nochman*

chen A b en d und M orgen verkritzeln w ird, ehe dieser Pralimi*

narbrief a b g e h t); M ax ist aber, tro tz Com pagniegeschäft m it dem schwarzen K ugelschieber Samiel, der, versteht sich, ein i für ein u macht, der W olfsschlucht entgangen. M u ß D eine leibliche Schwester drin liegen, bis auch ihre Seele G erippe w ird ? W arte n u r : balde.D ieA brede la u te te : Sechs M onate nach Friedensschluß nehm en wir den Briefwechsel wieder auf. W enn w irs, wie der Bayer sagt, „derleben“ . N ic h t früher. U eber d ie N o th w en d ig k eit der Pause waren wir einig. U eb er nichts A nderes (diso ns: fast). Stichelei, Zankerei, die bis an die Injuriengrenze geht, ist auf die Länge nichts für reinliche Leute. U n d weil der A chtbarste selbst, der U nbescholtenste nicht m ehr errechnen konnte, wie viele H ände und A ugen seine Briefe durch w ühlen w ürden, fiel auch die V oraussetzung un- seres G eschreibes; wozu, w enn splitternackte O ffenheit nicht m ehr m öglich? D er Ju n ge stand acht M onate unter Postsperre, seit irgendw er ihm aus P ä n e m a rk eine Z eitu n g ins H aus ge*

schickt hatte. Alles verspätet, noch feucht verklebt, m it Blei«

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6 8

stiftstrich unter der Straßenangabe. Beschwerde und m ündliche A useinandersetzung half nicht. D as m acht keinen A ppetit.

W e r hatte denn auch, seit 17, noch K opf zum Schreiben? Je*

der bis an den Rand m it Sorge, fürs Enge u n d W eite, bepackt- A us keiner Stadt was A nderes als Fragen nach Fleisch, Fett, Eiern, M ilch. D a ß wir, freilich, gar nichts m ehr von einander hören, in die Begleitzettelchen zur K istenpost beschränkt sein w ürden, hatte ich nicht gedacht. Kein Vorwurf. W a r ja verab*

redet. H ast in den dunkelsten Tagen imm er gefragt, wie es stehe, oder D eine unwahrscheinlich gute Lotte bem üht. A ls A d o lf hier, unser K ind, obendrein gleich nach W ochenbett, in Berlin die schwere G rippe hatte u nd sichs Beiden so schlimm auf die Lunge legte, wäre ich am Ende doch verzweifelt, wenn ich M ariechen nicht in g u te rH u t gew ußt hätte. U nvergeßlich, d aß D u das schmal gew ordene D in g selbst dann an die Küste brachtest u n d bei ihr bliebst, bis der M ann, m it endlich heilen*

der W u n d e , D ich ablösen konnte, u n d daß Lotte die zwei W ürm chen an unsere M ilchquelle bugsirte. Alles überstan*

den. K inder und Enkel w ohlauf, der Schwiegersohn sp ü rt die A rm prothese kaum noch, ist m it Leidenschaft Ingenieur un d D ein Schwager zwar ü b er seineJahre klapperig, aber in gicht*

freien W o chen beweglich wie ein W iesel u n d für den Roth*

w einrest schon wieder so feierlich interessirt, als dürfe er von M ilch der G reise V erjüngung hoffen. U eber Persönliches zu klagen, wäre also blödsinniger U ndank. E ine W eile war m ir eher, als müsse mich schämen, weil nach so großem Sterben nicht das winzigste G rab zu bepflanzen. W ie D as heute klingt!

Viele fühlen noch bitteren Schmerz, viele Einzelne; von Ge*

samm tweh, von Tragoedienstim m ung, wie D us donnem als nanntest, liegt nichts m ehr in unserer Luft. Lag ja nie. In E u re r?

N o ch weniger wohl. A llm ählich brenntsm ich doch, was davon zu wissen. Beim G ekram in alten Briefen fand D einen vom O k to b er 13; den letzten, so zu sagen, hochpolitischen. Un*

heilschw anger: hätte alter R om anstil ihn genannt. Schwefel*

saurer Vergleich m it dem Ja h r des Befreiungskrieges; Stuck u n d G ranit. D an n aber T rom m elw irbel der Z uversicht.

„G ecken und T röpfe glauben sich Elite. U nsereins nicht.

A bertausende vom selben K aliber hausen im schönen deut*

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M or itz un d Rina 6g sehen Land. G e su n d , rechtschaffen, tüchtig un d tapfer.

Schreien nicht, brüsten u n d spreizen sich nicht, wollen nir- gends M odem acher u n d T onan g eb er sein: u n d werden drum übersehen. T um m eln sich, schaffen K inder u n d K indern Brot. M änner u n d W eiber, G rafen u n d Erdarbeiter, Feu­

dale und D em okraten, C hristen u n d (nim m s nicht übel auf) Ju d en . Sind durchaus nicht D essen froh, was sie im Glanz*

stuck an der Reichsfassade sehen; beißen im G elärm u n d G ebim m el aber die Z ähne zusam m en u n d arbeiten rüstig:

weiter. D ie machen das V aterland stark u n d helfen ü b e r T rübsal hinaus. D arfst nicht vor dem Ziel m üde w erden u n d Resignation als Gum m iflasche m it W arm w asserfüllung aufs Kopfkissen legen. N ic h t einreden, daß die dreifarbige H errlichkeit n u r uns noch trägt, dann einstürzt u n d stern­

lose N ach t w ird .“ K annst sagen, d aß n u r T rostspende war;:

doch w eder Einsturz noch sternlose N a c h t leugnen u n d die A bertausende, die aufm arschiren ließest, in dem D eutschland*

das uns blieb, nicht leicht finden. Siehst noch Sterne? Bitte ergebenst darum . T rotzdem die sechs M onate nodh nicht ab­

gelaufen sind. Für uns Zw ei scheint m irdas Vernünftigste, jetzt zu ratifiziren. K annst D ir, von sehr W eitem , nicht vorstellen, wie alt ich in diesen drei Jahren gew orden bin. Innen noch schrum peliger als außen. D ie Stunde kom m t; und w ir w aren einander doch was. Frater, peccavi? M einetw egen. N ach N eune, sagt Bismarck, ist ja doch Alles aus.

D en m öchten sie nu n auch auf den M üll werfen. H orche genau hin: er ist an Allem schuld. H ab e besonders viel an ihn gedacht, als in diesen Tagen T irp itz durchackerte. U n ­ ser G ro ß e r kom m t zweimal vor. N ic h t schlecht gesehen. Als S. M . seinem Bruder die Faust gepanzert, Lorber vorausbe­

stellt u n d befohlen hat, in C hina H u n n en zu spielen (erinnere mich noch genau, wie m ir N ächste über das entsetzliche A b ­ schiedsduett to b ten ), sagte er sich m it langschweifigem Ge*

folge in Friedrichsruh an. „W ied er mal nach dem A lten se­

hen.“ W as man so n ett „im pulsiv“ nannte. O b in dem Land­

häuschen ohne H ausfrau der unverm eidliche Im biß nach ein?

paar Stunden zu liefern war, kam nicht in Frage. „D er F ü rst versuchte, politische G espräche an zu sp in nen ; zu meinem groß*

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ten B edauern ging der Kaiser au-f diese G espräche nicht ein, sondern es w urde die an der kaiserlichen Tafel häufige Anek*

d o ten u n terh altu n g geführt. Immer, w enn Bismarck von Poli#

tik anfing, verm ied es der Kaiser, darau f zu achten. M oltke flüsterte m ir zu: ,Es ist fu rchtbarl' W ir fühlten den M angel an E hrfurcht vor einem solchen M ann. Beim A bschied ver#

suchte der K abinetschef V onL ucanus, der 1890 bei Bismarcks Entlassung m itgew irkt hatte, dem im R ollstuhl sitzenden Für*

sten die H a n d zu geben u n d einen B ückling zu machen. D a entw ickelte sich ein m erkw ürdiges Schauspiel, das von ge*

w altigem E indruck war. D e r Fürst saß da wie eine Statue, kein M uskel rührte sich, er sah ein Loch in die Luft und v o r ihm zappelte Lucanus. D e r Fürst drückte an sich nichts aus, es lag keine A bn eig u n g in seinen Z ügen, aber er war unbew egliche M aske, bis Lucanus begriff und sich entfernte.“

D ie zweite G eschichte spielt frü her u n d ist noch viel besser.

1897 w ollten sie den Fürsten vors Flottengesetz spannen.

A llerhöchstes H andschreiben lu d ihn zum Stapellauf eines Schiffes, däs seinen N am en tragen sollte. Er schützte A lter vo r u n d T irp itz war ausersehen, diese Falte auszubügeln.

Sein erster Brief kam zurück; der F ürst nehme keine Briefe an, auf deren U m schlag nicht der A b sen der angegeben sei.

Zw eiter Brief. A ntw ort, der Staatssekretär des M arineam tes m öge kom m en. Als er eintritt, Alles beim Frühstück. Ge#

sichtsschmerz, heiße Kissen, kühle H öflich keit. „N ach dem G e n u ß von anderthalb Flaschen Sekt w urde er lebendiger.

A ls die D am en den Raum verlassen h atten, war die Stim#

m ung schwül. M it einem M al w ölbten sich die großen Augen#

brauen, er sah mich m it einem vernichtenden Blick an und grollte los: ,Ich bin kein Kater, der Funken giebt, wenn er gestreichelt wird.* D em Kaiser m öge ich sagen, er w ünsche nichts A nderes als to be let allone, allein gelassen zu wer#

d e n .“ H ö rs t ih n ? Ein w ildfrem der A dm iral u n d Staatssekre#

tär, m it ganzem H äu p tlin g sb eh an g u n d A llerhöchstem Auf#

trag; W eiß sau er w ird nicht kalt, also anfangen; u n d : „Ich b in kein Kater, der F unken giebt, w enn er gestreichelt w ird.“

D ie H u ld Serenissimi kirrt mich nicht. W e r hats nachgem acht?

(W e n n T irp itz n o c h nicht gelesen hast, empfehle besonders die

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M or itz un d Rina 71 Briefe aus H aup tq uartier. Schmerzlicher G enu ß . In D einen bösesten Stunden kam en die „sonnigen W esen“ da oben nicht schlechter weg. Räthsel m ir nur, d aß trotz A lledem der helle A dm iral zu glauben scheint, anderes Ende sei m öglich gewesen.) In Q uengelei über Bismarcks „F eh ler“ kriegt Ih r mich nicht. A dolfens neuste Puschel. D as G enie u n d den M u th zu persönlicher Fronde läß t er ihm einstweilen noch;

h atab er einlanges Sündenregister auf der W alze; Berliner Kon*

greß, zu wenig Rechtsgefühl, Rüster, unzeitgem äße Freiheit*

beschränkung: die alte Leier. Er war ein M ensch, 1815 auf einer m ärkischen Klitsche geboren, konnte die W e lt n u r aus seinen A ugen sehen un d nicht Alles so einrichten, d aß noch 1915 nirgends ein Keilkissen u n d Sofadeckchen fehlte. Er*

innerst D ich seines W o rtes: „A u f D en wars nicht zugeschnit*

ten.“ So unpolitisch u n d im H erzen verprügelt das alte Bau*

erw eib hier sein m ag: Erlebtes läß t sichs nicht ausreden. A ls er weggejagt w urde, ging es uns über alles H offen g u t und wir w aren nicht mal verhaßt. G riff uns Frankreich an, hatten w ir Italien, griff uns R u ß lan d an, hatten wir O esterreich u n d Rum änien auf unserer Seite und zu A ngriff waren w ir Kei^

nem im W o rt. Schweinitz hat damals erzählt, wie er, als Bot*

schafter, dem schwedischen Russen G iers (d er imm er müde„

wie in H albschlaf versunken schien) 1890 die Rückversiche*

ru ng kü n d ig en m u ß te u n d von ihm hörte, D as sei ein großes U nglück, Ende einer, trotz A n tip ath ie in den V ölkern, hun*

dert Jahre lang fest gebliebenen Staatenfreundschaft un d d er russische Kaiser werde sich der W e rb u n g Frankreichs, das ihm als R epublik nicht bequem sei, n u n wohl kaum länger entziehen können. So fings an. Fehlerl Jedem sin d D u tzende anzukreiden. H at denn Euer H eiliger W ilso n keine gemacht, alser von M onologen, von denen m ancher auch m ir schmeckte, sich zu H a n d lu n g ins G etüm m el bequem en m u ß te ?

Lächelst. „A lte Liebe rostet n icht.“ Stimmt. Liegt jetzt aber anders. N ich t nutzloses W iedergekäu, sondern ehrliches Bem ühen, an die Q uelle zurückzugehen und m it klarem A uge hineinzublicken. M ir ist Lächeln erfroren, seit mein Junge den grauen Rock, der Schwiegersohn die Blaujacke aus*

ziehen m ußte und A d o lf die Löw enhaut des Landwehrina*

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jo rs , die alte in der m ir lieberen Preußenfarbe, ohne Salut in die K am pherkiste verschloß. (H a tte sie stattlich getragen,als er ü b er Gefallene u n d H eim kehrer im D o rf sprach. Kurz und w ü rd ig , ohne Krimskram s, unter hell ausgestirntem W inter*

ihimmel. „Z um letzten M al“ , sagte er; u n d w arf Schloß und Schlüssel dann in den Teich: „dam it U ebereifer nicht etwa meinem Leichnam den K ittel anziehe“.) A hnst, wie m ir w ar?

H u n d ertm al h atteich ja vonEuchgehört.dieSache werde,müsse schlimm ausgehen, weils am Eingang nicht sauber gewesen, m it solcher Spitze, K riegsherrn u n d Paladinen, nichts zuhoffen sei, ganze Erdkreis sam m tG eist d e rZ e it w ider uns etc. pp. W ie grenzenlos unausstehlich in all den Jahren der theure G atte, dessen mich w erth fandest, war, kann Keiner ermessen. V on früh bis spät G enörgel; in jed en Blüthenkelch ^ le h lth a u . U n d ich m ußte doch neben ihm stehen, als sie hier M iene m achten, ihn, wegen m angelhaften D urchhaltew illens, in die A cht zu thun. Seit Präsident, H ofschuster bis in die W aden u n d m it zwei „unabköm m lichen“ T ochterm ännern, m it dem b ekannten tiefernsten Blick u n d um flortem K ehlkopf m ir von dem „hofifenlich in keinem deutschenH auserlahm endenSieges*

w illen “ sprach, sah mich im Kreis kein Kätzchen mehr. A uch nicht, als D ein Schwager, durch die V ernunft seines Eingriffes in den Q uatsch der Lebensm ittelverordnungen, die Sippe wie*

dergew onnen hatte. M an stirb t nicht dran. B rauchte mich in den langen M onaten der Krankenpflege wenigstens nicht

■erst, wie Puttkam ers Köchin, „an dem Einsam en zu ge*

w o h nen “ . S e itl7 n ic h t ein en T ag fort. A lleslag aufm ir. O hne d e n Ju n g en wärs nicht zu leisten gewesen. G leich nach Be*

stattung seines Schwiegers, des G eheim en Kom m erzienrathes u n d Ritters hoher O rden , kam er; u n d blieb, m it G eschäftslast, T elephon, D ringenden Telegram m en, W och en lang an Vaters Bett. H ätte m ir Staar gestochen, w enn noch nöthig gewesen wäre. Front, Etape, H eim ath: von Allem hatte er nicht nu r genippt. D eine Schule; u n d m it seinem schön stillen A nstand firn wie ein abgelagerter Jahrgang. U eberall w erde geschoben undgeschachert, das V ertrauen sei bis auf die letzte Faser durch*

gescheuert un d der tollste W ah n sin n , daß man aus Frontdienst, s o zu sagen, offiziell Strafe gem acht und die H etzer (die

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Moritz u n d Rina 73

meisten, träum t seine Jugend, seien Schwarmgeister) zu Tau»

senden in den G raben geschickt habe. Erzählen war von Kind au f seine Stärke. Ich sah die bepackten, zerschundenen Leute, d ie nicht m ehr an Sieg glaubten und, weil m an ihnen anderen G em üthsproviant nicht in den T ornister gesteckt, sie aber m it armen Teufeln aus allen Ländern in B erührung gebracht hatte, von „B ru d erm o rd “ zu raisonniren anfingen u n d um jed e n Preis Schluß m achen w ollten. D ie H erren hinten fleißig, viele auf ihre A rt gescheit, nicht alle m it reinen Fin«

gern, ohne V orstellung, was man dem M enschen aufbuckeln dürfe. U n d ich roch Eure G ro ß sta d t. Schmutz und G räuel im goldenen Becher der Buhlerin, die in Scharlach u n d Rosin*

färbe auf dem T h ier m it sieben K öpfen u n d zehn H ö rn ern sitzt. Einzelnes war ja in unsere O ede gedrungen. Ein Bild w urde erst aus der E rzählung des Jungen, Alles morsch.

Lange zu halten, unm öglich. „A uch O nkels M einung.“ Vor*

bereitet war ich also. D och nicht auf dieses Ende. M an zer*

bricht sich den w erthlosen Schädel u n d findetk ein eE rklärung H ier h a tje d e r eine in derT asche. Je eine sogar für Herr*

schaft u n d G esinde. „ U n te r u n s“ w ird zugegeben, daß man das M aul hielt, um die Sache zu halten, u n d daß es m it Rie*

senkrach enden m ußte. Alles Theater, unpreußisch, ewiger A usverkauf, die Vorderplätze, wie der G arde^Loew enfeld schon auf dem Im perator sagte, iü r die H erren Israeliten re*

servirt; kennst ja die M elodie. W u rd e leise imm er gepfiffen.

O effentlich knien sie sich au f die letzte N o te. D icht vor End*

trium ph, als dieF einde sich schon ängstlich nach M auslöchern um sahen, Reich u n d H errlichkeit von Ju d e n abgem urkst. W as für R ina? Rassestolz m öchts gern glauben; denn selbst die be*

scheidene, kluge, in A nderssein doch vornehm e Schwieger*

tochter hat m ir die A ntipathie nicht ganz weggesengt. A ber in welche Pechhütte m üßten wir uns verkriechen, w enn die paar Sem iten uns so gem eistert hätten! Spricht m an m it irgendwas Führendem darüber, so kom m t die A n tw o rt: R ichtig; aber es ist unsere wirksam ste Schallplatte un d ohne ein starkes Schlag*

w ort richten w ir die Leute nicht schnell genug wieder auf.

M ag sein; kann mich aber nu r in A bscheu vor allem Oeffent*

liehen noch fester einnieten. W o Lüge de rigu eur ist, spiele

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nich t mit. Brauche nicht: weil der kleinste G ru n dbesitzer schließlich auf Eigenem steht u n d ohne A eugeln durchkom m t.

N ie wars so deutlich. A ls A d o lf die ersten Zeichen erwach*

enden Interesses fürs Allgem eine gab, war schon „R ep u b lik “.

Ein V iertelhundert M onarchen abgeschw om m en, H eer und Flotte verloren, nu r R othe am Ruder. D en Ju n g en h at er ge*

fragt, ob ich ihm etwa zum uthe, in Pom m ern V endee zu spie*

len. W a r aber gar nicht nöthig. W äh ren d G ebrodels hatten ängstlich Forsche an Bauerlegionen, E rklärung der Selbständig*

keit, A bsage an Berlin u n d ähnliche Faxen gedacht. D er Sturm hat rasch ausgetobt un d in Landgem einden w ürdest w enig V eränderung m erken. D ie Leute g rü ß en sogar wieder. D a ß sies im W in te r u n d Frühling m anchm al nicht thaten, gab ro the Köpfe. M einer blieb so bläßlich wie sonst un d m ir w urde fast Sport, dem grünsten Bengel zuerst G u te n T ag zu sag en ; jed er hatte dann Backen von der C ou leu r geschw ollener Pu*

terkäm m e u n d der frechste riß die M ütze runter. Jetzt Alles eher ein Bischen stramm er als in der letzten Kriegszeit, wo die Gen*

darm en selbst wie auf Eiern gingen. V on den W ü rd enträgern m odern style w ird allerlei Spaßhaftes getuschelt. Irgendw o soll ein Präsident jedesm al verduftet sein, wenn Schießerei an*

fing; unauffindbar, bis R uhe hergestellt. Ein aus städtischer Genossenschaft bezogener L an d rath findet den Einfall witzig, den w erthen Vatersnam en Storch au f V isitenkarte bildlich an*

zugeben, u n d ist in G utsb ezirk so frem dartige Erscheinung, d aß der erste H o fh u n d , an dem vorbei m uß, ihm die H ose zerreißt. A lle Tage M unteres von ähnlicher Sorte. W u th ? Viel über den Platzregen grober Erlasse, der, bei den mise*

rablen H öchstpreisen (h a b e sechs M onate allein gewirth*

schäftet un d w eiß was d a v o n ) u n d spottschlechter „Ver*

so rgung“ m it K ohle, auch hier noch zu G eneralstrike, Lebens*

m ittelsperre, aufputschen kann. A ber der sogenannte poli*

tische F uror war einmal. W ird höchstens noch ins Schau*

fenster gelegt. M an reibt die H ä n d e u n d schm unzelt: „ D ie Kerls sind in der N äh e ganz brav, k ö nnen aber nichts, ar*

beiten n u r für unsere Sache, verlieren jed e n T a g A n h a n g ; u n d wenn sie ganz abgew irthschaftet haben u n d die B ude aus*

gefegt ist, w irds besser, als wirs seit Jahrzehnten h atten.“

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Morita und Rina 75

W irst w issen, ob K asinolosung oder hier gewachsene W eisheit. Sicher ist, daß die K öpfe nicht m ehr hängen. „ W ir kom m en w ieder obenauf; desto schneller,je w üster in Berlin die Frechheit w ird.“ D ein Schwager, geistig in bester Form u n d nun, weil G ew itterb ild u n g so früh sah, scheu angestaunt, findet, die A nfangstaktik der einst K onservativen sei klüger gewesen. „M an sah un d hörte sie nicht. Jed er machte, so gut, wie es eben ging, den Berufskram , sprach, wenns nöthig w urde, m it dem ,V olksbeauftragten4 oder M inister, höflich, ohne den leisesten A nklang an Politik, Keiner schien was zu wollen u n d die neuen Leute hatten fair play, ihre Leistung*

fähigkeit zu zeigen. D as w ar wirksam er u n d hat tiefer ge*

pflügt als das G elärm applaussüchtiger A bgeordneten un d Generale, die m it allem G espritz ihrer R eden un d Schreiben auch nu r beweisen, daß keinen D u n st, wie die Karre aus dem Sum pf zu ziehen ist. H atten aber m ehr G lück als V erstand.

D ie längst spürbare Erm attung des am erikanischen Präsiden*

ten, der die Feuerbrände glimmen ließ, die T h o rh eit des Aus*

lieferungVerlangens, furchtsam unklare O stp o litik der Entente : D as w urden T rüm pfe; un d das B adehosenbild hob die V aluta der M onarchie. Seitdem sieht unsere Sippe den H im m el zu dick voll G eigen u n d b ild e t sich ein, nach der Reichstags wähl schon A lles um kräm pen zu können. Falsche Rechnung. V on der Judenbraterei raucht der Schornstein nicht lange. Frage mal Pincus, wenn erm itPrim a*O ffertenkom m t, ob er .revolutionär4 sei. W ird sagen: ,G o tt soll h ü ten 1‘ G anz aufrichtig; fü r,R u h e un d Ordnung*. Zw ei D rittel w ären brennend gern konservativ, w enns ihnen erlaubt w ürde. D a ß m an sie abstieß, w ar grö ßte D um m heit.“ Sein M orgenthem a; schon, als er noch liegen m ußte. „Im B und m it Ju d en hätten es die Ju n k er nebst Zu*

wachs aus R heinland u n d Schlesien geschafft; n u r der Beistand von Wasser* un d Land*, Hof* undPresse*Juden hat den Aller*

höchsten so lange gehalten.“ Kein Evangelium fü r D eines Vaters Tochter. D ie lernt nicht m ehr um. Rafft sich aber n u r selten noch zu kräftigem W id erspru ch auf. Seit O ttochen, durch seine H eirath, in die Kreise gekom m en ist und, im G anzen, n ur G utes gefunden hat, w eiß ich, daß nicht Jeder es des G eldes wegen th u t un d d aß auch da reinliche M enschen

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w ohnen. D ie G eheim e, die, als ihr Sohn gefallen war, zwei*

h u n d ert Kriegerwaisen für Schuljahre u nd E heschluß aus*

stattete und kein W o rt d arüb er in die Z eitung ließ, ist m ir lieber als die him m elnde Lehrersfrau m it der Broche, w orauf stand: „A uch mir w ar es vergönnt, ein th eu resK in d dem Vater*

land zu opfern.“ T rau er aus dem W aaren hau s; „in großen Posten billiger“ . Alles schmeckt nach Ersatz und riecht nach Lüge. Entre nous hält m an doch wenig von den p. t. Lan*

desvätern, die, ehe noch derb geschüttelt w urde, wie wur*

mige Aepfel von ihren Stam m bäum en fielen, hielt nie von ihnen u nd ü b er S. M . war o b e n , so lange ich denken k a n n , nur eine Stimme. D abei pim peln sie öffentlich jetzt, als seien auch unter den K ronen nur leuchtende Juw elen gewesen. D a ß mit so falschem G ethue nichts Rechtes zu erreichen ist, hat sich vorm Ja h r doch entsetzlich genug offenbart. W irst starr sein, von R oyalistin Ketzerei zu hören; aber m ir scheint w irklich:

M it dieser In stitu tio n ists aus. In solchem Krieg, in beiden Lagern nicht ein gekröntes H a u p t von Eigenw erth, nicht ein einziges, auf das es je ankam, das nützlich wurde, die Her*

zen m it sich hochriß, von dem Ernsthafte sagen durften, es sei Führer u n d Fahne, Schwert u n d D om glocke eines Volkes.

Kann nicht Zufall sein. D er schüchterne Russe (an dem seine A lix das Schlimmste th at) hat wenigstens, als sie ihn weg*

jagten, H altun g, der kleine V ictor Em anuel physischen M uth bew ährt. N o th w e n d ig war Keiner, Keiner W o h lth a t; und am Besten dran, als der V orhang fiel, der englische G eorg, der sich nie vors A uge gepflanzt hatte, still, m it der Frau, zu V erw undeten, in Bergwerke un d A rm leutequartiere ging und sich nie eifersüchtig in die Erfolge seiner M inister und Ge*

n^rale drängte. D en hätten sie auch nach schlechtem Kriegs*

ausgang nicht en tth ro n t; u n d haben ihn nu n nicht als über*

irdisches W esen u n d A llum fasser (sagt M oritz), sondern als Ersten G entlem an u n d D erbysieger bejubelt, da er, zum ersten M al w ieder der M asse sichtbar, sein Pferd vom Richterplatz selbst in die Box führte. (H a b e n wir, Bismarck einbegriffen, das „K räm ervolk“ nicht stock blind unterschätzt? A uch zu L and, erzählen A lle, war der Engländer der gefährlichste F e in d ; zuerst immer tölpelig u n d schlecht vorbereitet, aber un*

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Moritz und Rina

w ahrscheinlich verwegen un d zäh. D am it hat er schließlich jede Scharte,sogar die beiC am brai, ausgewetzt. Eben so wie die aus d er Erde gestam pfte A rm ee hat m ir die A rt der Siegesfeier im ponirt. Alles Spektakel haben sie den Franzosen gegönnt.

N ach der Anzeige, d aß der Friedens vertrag unterschrieben sei, geht der Prem ier m it sämm tlichen R ight H onourables in die Kapelle, G o tt für den Sieg Englands u n d des Rechtes zu dan#

ken. O h n e G efackel und W ortbö ller. G ro ß er Stil. H ast oft, w enn auf dem River waren, behauptet, nirgends werde so wenig gestohlen; im Portem onnaie würde, w enn an belebtes U fer legtest, nach langem Bad nicht eine G uinee fehlen. Jetzt höre ich, auf lond o ner B ahnhöfen hole Jeder sich, ohne Gepäck»

schein, seinen Koffer, suche ihn selbst aus dem W agon#

gebirge. N ach fünfjährigem K riegszustand. Stell D irs bei uns vorl D a ß die G esellschaft heute die alte W e lt in Erb#

pacht hat, m acht U nsereins rasend. Ist aber viel mehr, leider, dahinter, als unser Fürst m einte, der sie m it L andw ehrkolben abw ehren w ollte.) D eshalb: K ingdom und Em pire kann sich noch h alten; M onarchie unserer Sorte war einmal. Predig*

test m ir schon m it w eißem Stürmer, auf lockigem H aar Noth»

w endigkeit u n d Segen der „E v olutio n “ . D ein, hoffe ich, sündenloses A lter hat sie in Fülle. Ein Bischen plötzlich, wie A lles seit dem Jah r der drei A chten. M u ß te w ohl sein.

G anz verdöst u n d verdum pft ist die als „letzte B orussin“

von zwei D auerhochverräthern in gehobener Stellung Ange#

ulkte noch nicht. N ach dem E rlebniß seit 14 dürfte m ir der*

brave H o fb ü rg er Freytag m it dem „Treugefühl, der holden T u g en d der G erm anen“ , nicht w ieder kom men. W e r so lange in der K üche stehen, am H e rd rackern m ußte, hat die N ase voll.

M erkst, wie vorsichtig ich navigire? A üs der Kajüte des Eidam s abgeguckt. Einmal zwischen K lippen gescheitert;

neverm ore. D er Streit um Ehre u n d Schande, im N ationalen, erkältete uns in den E ntschluß, den H an d el erst sechs M onate nach Friedensschluß w ieder aufzunehm en. U m fang: W ie es Euch gefällt. (SeitIrving#Theaternicht m ehr gesehen.Im Deut#

sehen h ab t Ihrs; u nd Clavigo, Im ogen, noch m ehr Ersehntes.

U eb erh au p t T heaterl A ber mich grauset, wenn an Reise und A nblick Eurer W eltstad t nu r denke.) D en guten W illen, alle

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Riffe zu umschiffen, m ü ß test loben. O b nöth ig war, anzu*

fangen, so aufzuhören, diesen schim pflichen (pardon 1) Frie«*

den zu unterzeichnen, alles noch einigerm aßen Tragfähige in Stücke zu schlagen, das sogenannte Proletariat in den P u rp u r zu kleiden, deutsches M enschenleben in das E benbild des In*

dustriearbeiters um zugießen u n d in jed er W oche von über*

m üthigen Feinden m indestens zwei O hrfeigen einzustecken:

bin jeder brenzlichen Frage scheu ausgew ichen. N ich t blind.

W o unter M enschen m ußte, bin ich dem G erede, wir seien nicht besiegt w orden, so stramm entgegengetreten,daß A do lfs entfetteter K ahlkopf Schm achtäuglein machte. W ir haben den Krieg verloren u n d H indenburg*L udendorff h aben Waffen*

stillstand verlangt, den ein Sextaner u n d ein Spittelw eib als K apitulation erkennen m ußte. Steht nu n fest. A lso waren die G enerale überzeugt, n u r dadurch gräßlichstem Zusammen*

bruch im Feld, zweite M illion G efangene, Vorbeugen zu kön*

nen. A bleugnen, vertuschen ist doch am Ende nicht preußisch.

M u ß ten wir danach aber ins Bodenlose sin ken ? M it Loth*

ringen un d einem R and von Posen hatte mich heim lich ab*

gefunden. S traßburg u n d G raudenz, W estp reu ßen , das ganze Posen, N ordschlesw ig, M emel, A bstim m ung in O berschlesien u n d an der Saar, das Polenreich vier E isenbahnstunden vor Berlin, D anzig nicht preußisch, kein H a u p tflu ß m ehr deutsch, fünfzehn Jahre das Rheinland besetzt, alle K olonien, Schiffe, W affen genom m en, zerfetztes Land, unterw orfenes, in gehör*

same Schuldknechtschaft eingespanntes V olk: m ußte Das„

Alles, sein? H atte m ir anderes A b en d ro th geträum t, wenn M u tter aus harter Z eit erzählte u n d ihr N estheckchen m ir B rudertreue schwor. Kein V orwurf. W a rst mir, in H ell un d D unkel, stets brüderlich nah. U n d d aß die W asser zwischen uns in Sintfluthnacht zu tief w urden, ist nicht D eine Schuld.

W essen ? D einer „E v o lu tio n “ , glaube ich. W ir hatten uns auseinanderentw ickelt. D u G lo b etro tter, m it weitem Rund*

blick un d dem B edürfniß, dans le m ouvem ent zu bleiben, in R eibung m it K ulturen, M ännern (u n d erst W eibsen, parbleul) von vielen G raden ; ich nach kurzem A usflug sogleich w ieder im engen Bau. W as lange n u r A n laß zu N eckerei schien, war höllisch ernst. W ir m erktens nicht, bis der H err G o tt die

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M or itz und Rina 79 W asser schwellen ließ. ;,Da er sah, daß der M enschen Bos*

heit gro ß war au f E rden u n d alles D ich ten u n d Trachten ihres H erzens im m erdar übel, reuete ihn, d aß er sie gem acht hatte.“ Ich fühlte den Spalt, als D u , w ohltem perirt, das Für un d W ider abw ogest und, m it hochgezogenen Schultern, dozirtest, wer nicht freiw illig in Selbsterkenntniß un d Ver*

n u n ft einkehre, m üsse eben in Fürsorgeerziehung. Diese

„olym pische“ G elassenheit, schon an dem G oethe von anno Jena ein G räuel, trieb dann das H äßliche auf die Zunge. H a rt g e b ü ß t. A b er sage mir, bitte, ob w irklich noch heute auf dem G lauben stehst, D as von Bosheit u n d üblem T rachten habe n u r uns getroffen u n d nach Recht u n d G erechtigkeit sei deshalb unser G lück geborsten, in Scherben zerfallen. So weit brächtest mich niemals. U nsere M enschen sind gut. N ich t nur genügsam u n d fleißig. T räum en auf der Stoppelwiese und singen in H erbstw ald. W e r sie in Pausch H u n n en , Bestien, Ferkel schimpft, ist von m ir durch O zeane getrennt, die kein H u o n durchsegelt. M essias, Zauberflöte, N eu n te Sym phonie, Parsifal, die edelsten un d lieblichsten M elodien in der W e lt­

friedenshym ne, sind von den H u n n e n H ändel, M ozart, Beet*

hoven, W agner geschaffen w orden, sagt Shaw. H ast, natür*

lieh, gelesen. „Junk er sind nicht so viel schlechter als Fleisch*

m agnaten, H ohenzollern u n d H ab sbu rger nicht so viel schlim*

m er als Eisenbahn* un d Petroleum könige, daß, wer die Einen durchdie A nderen ersetzt hat,sich ernsthaft einbilden darf, zur B efreiung der M enschheit m itgew irkt zu haben.“ F ü r M oritz notirt. D e r M ann giebt seinen L andsleuten noch bitterere Pillen als D u D einen ; und ist doch auch Einer, den anzu*

hören lohnt. U nser „fluchw ürdiges System“ soll vernichtet, das Reich der G üte, Liebe, V ölkerverbrüderung begrün det sein u n d au f allen Papierthürm en w ird „neue W e lt“, „Herr*

schaft des Rechtes“ , „heller M enschheitm orgen“ geflaggt.

W äre n u r au ß er den W o rtlap p en was zu spüren 1 In keinem W ipfel ein H au ch von Liebe u n d G üte. M ein Lob der Volks*

a rt spricht von vergangener Zeit. H a ß , N eid , feige Heuche*

lei, V erleum dung: A nderes sieht, hört, riecht, schmeckt man kaum noch; un d aus jedem W in k el kriecht Lüge auf Spinnen*

beinen. D rau ß en nicht sauberer als hier. Einfach zum Speien,

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80

w enn die verkom m enste, verlogenste aller W elten von ihrem G ew issen u n d edlerer Sittlichkeit schwatzt. U n d so lächer*

lieh wie niederträchtig, uns als V erbrecherbande in Heiligen*

land hinzustellen, als den m illionenköpfigen Beelzebub, d er den Frieden lieber Englein gestört hat u n d drum in den Schwefelpfuhl m uß. A rbeiten w ir uns je w ieder h eraus?

W o u n d w ann w ird die A ussicht frei? W u n d e re m ich je*

den A bend, daß in diesem Stank athm en konnte, u n d mor*

gens, daß noch zu A nziehen des Plunders M uth.

G elb, roth, auch grün noch fallen die Blätter. U m den wackeligen G artentisch, wo Frühaufsteher M oritz unter der W ollm ütze den Kaffee heiß fand (u n d m it jedem leidlichen M ädel schäkerte), liegen Kastanien. Viel Regen u n d rau h er N o rd w in d . Seit M onatsanfang geheizt. M anchm al ist mir den»

noch, als m ü ßte ohne die Kleinen das H äuschen erstarren. N u r aus den Zw ei strahlt W ärm e u n d Leben. D ie wissen noch nicht. D a ß ein Ja h rh u n d e rt m ühsam er A rbeit, m ehr noch, spurlos zerronnen ist, P reußen schmählich verkleinert, die

„m oralischen E roberungen“ seines W ilhelm wie die physi*

sehen Fritzens in alle Gassen verdam pft, seine Fahne in Staub, seine M enschen in dürftiger Enge oder Bettler vor frem der T h ü r: der Erzählung w ürden die lieben Bälge, die sich oft, nach zuckersüßen M ärchen, „was zum A engstigen“ bestellen, nicht glauben. N ic h t immer w irds leicht, ihnen das heitere G leichm aß zu zeigen, das solcher Jug en d noch nöthiger als Fettm ilch ist. H ä lt Einen aber aufrecht. W as D ic h ? G lau b e an neue W e lt? Für das dünn ste Scheibchen liefere w eißes M ehl, d aß Lotte bis W eihn ach t zu backen hat.

M eine arme Seele g rü ß t Euch. K ennst D u ihre F arb en ? Rina.

Berlin, am Jenatag 1919.

Schwester, G efährtin, K indchen 1

D as war eine Freude! A lso das Seltenste, was heute auf den M ark t kom m t. Ein dicker Brief, m it diesem Post*

Stempel, dieser H andschrift au f dem U m schlag; in der Auf*

regung den Em pfangschein m it der zitterigen Pfote eines M üm m els unterschrieben. U n d als Lotte mich zu D em ,

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Moritz und Rina 81 was man in unserem M ittelstand jetzt Frühstück nennt, holte u n d um Eins noch über dem Brief sah, sprach ihr ewig junges Stimmchen, in dem immer ein Kichern, imm er ein Schluchzen ist: „E rst von heute an ist auch für D ich der Krieg aus.41 Richtig em pfunden; und keinG espräch hatte d o ch d ie w unde Stelle gestreift. M u ß te ausheilen. D eshalb, nicht aus dum m er Störrigkeit eines G ekränkten, m ein Schweigen. W ar D ir sogar körperlich nah. W eil Paßschererei hasse und, m it zerrütteter Jahresbilanz, nicht für tausend Papierm ark h u n d ert Holländer»

gülden einkaufen kann, war an N o o rd w ijk , den Traum stür»

m ischer W internächte, wach nicht zu denken; an W ester#

land, m it Spielklubs, K urfürstendam m burgen, M usikpavillon, Strandpolonaise nichtim tiefsten Schlaf des G erechten. Neder*

land verdirb t den Geschmack an unseren N ordseebädern m it K om fort d erN eu zeit. A lso O st („B altikum “ klingt m odischer, verleitet aber in Irrth u m ); W asser,S and u n d doch nichts,w as an M eer erinnert. Beköm mlich, wenn still u n d wenn heiß.

A cht Tage C arlshagen. G u t behaust u n d verpflegt, b lü hende H aide, breiter, fast nirgends v o n H o m in in schim pfirter Strand, n ur ein M enschentrüppchen, die wärmste Sonne des ekligen Sommers u nd ,n ach G u tach ten D ein esk lu g en L an d sm an risu n d Standesgenossen Flügge, des jungenF ischtyrannen, der feinste H erin g unserer Küste. Labsal; kein D üftchen vom Q ualm der Berlinerbäder. T ro tz unbeschreiblicher H infahrt, von W o h n u n g zu W o h n u n g genau zw ölf Stunden, un d A ussicht auf zwei K lingelbahnen hätte mich zu U eberfall entschlossen, w enn sicher gewesen wäre, d aß nicht jede B etastung noch schmerzt. W a r ja kein leichter Fall. Jedes m ußte innerlich, allein, dam it fertig werderi. D a ß wir so w eit sind, leh rt die kressiner Elegie. Keine hat je so freundlich in ein Menschen»

herz geleuchtet. „ W ie w ir einst so glücklich waren 1 M üssens jetzt durch Euch erfahren.“ D as M o tto vor G oethes Römi#

sehen p a ß t nicht auf uns. H eftiges, von Eroten entfachtes G efüh l kann (sagt m an; w oher w üßte ichs sonst?) völlig verlöschen; nicht das lindere B ew ußtsein von Kam eradschaft, d er die G eschlechtsverschiedenheit nur einen feineren Reiz, zärtlicheren T o n zufügt. W ä rst D u. m ir weniger gewesen, ein paar Scherze hätten die W u n d e verbunden. A ber einen

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besseren findst D u nit: wers w ußte, durfte n ur ernst nehm en.

Ist überstanden. N ichts m ehr von Schuld u n d Sühne. A n jedem T ag haben w ir einander lieb gehabt. U n d wie wir einst so glücklich waren, sind wirs bis an Lethes Rand.

A ltp reußen s W unschm aid schüttelt das unverw elkliche H a u p t u n d denkt, schon, von G lü ck zu reden, sei Frevel.

K annst nicht glauben, d aß bei m ir au f leichter Achsel, nicht zweifeln, daß in Schieberopel noch schwerer als in Pommer*

land zu ertragen. Zw ei Lieblinge, deren K redit m einen hoch übersteigt, lehren D ich hoffen. Fontane, G allier aus Neu*

R uppin u n d A poth eker m it balladesker hero«w orship: „Es k ribb elt u n d w ib belt w eiter.“ Treitschke, W ahlbo russe aus Sachsen, an dem auch nur noch Schwung, T o n flu ß , Suggestiv«

kraft schätze, das Semi«Poetische, den Beethoven im tauben M agister: „Entwaffnet, geknebelt,verstüm m elt lag die preußi«

scheM onarchie zu N apoleons F ü ß en ; m it vollendeter Schlau«»

h eit hatte er Alles vorbereitet, um sie zu gegebener Stunde gänzlich zu vernichten. N u r Eins entging dem Scharfblick des Verächters der Ideen: daß dieser Staat an innerer Ein«:

heit u n d sittlicher Spannkraft gew ann, was er an äußerer M acht verlor. D er ungetreuen Polen war er ledig; die alten deutschen Stammlande, die ihm blieben, hielten zusam m en wie ein M ann u n d auf ihnen lag jetzt w ieder D eutschlands g a n z eZ u k u n ft.“ D e r Korse, d e rld e e n nicht verachtete, dessen G enie aber im U n terfutter genug Phrasenw atte fü r drei Zw eite W ilhelm e hatte, schrieb an den G ro ß tü rk en , Preußen sei ver«

schw unden, u n d G entz, das lüstern listige Silberfüchschen, fand den G edanken an A u ferstehung dieses Staates lächer­

lich. T ro st in T h rän en ? W ers recht verstünde! Jeder Ver«

gleich von 1806 u n d 1918 hum p elt a u f K rücken m it Blech«

beschlag. N ic h t auf festeren Beinen steht das Schulmärchen, m it dem w ir alt w urden, R ückkehr zu fritzischem Ideal, Krüm per, Schill, Blücher haben Preußen gerettet. N ich t mal Scharnhorst hätte es v e rm o c h t; un d w ar doch, G a ttu n g und T yp u s, durchaus n euer Schlag. R ettung brachte der Ent«

schluß, sich in die durch H assesgem einschaft entstandene W e lt einzuordnen. W u rd e n hach Jena die für die Nieder«

läge V erantw ortlichen bekränzt u n d ihnen erlaubt, an jedem

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Moritz un d Rina 83 iCreuzweg die H eim ath anzuklagen, auf deren H a u t doch die Fäulnißflecke nicht fehlten? H ast heute aber zu H istorie kaum G ed u ld . Simpel also u n d gegenw ärtig: D ie für Rache*

k rieg , einstweilen im G em üth, m obil machen, sind ehren*

w erth wie Brutus, doch blinder als V ater G o b b o . G edanken aus verlebtem Ja h rh u n d e rt haben keinen F ittic h ; auf die pom ­ p ö se U eberschrift „D eutschlands E rhebung“ w ird nicht ein K apitel im Stil von 1813 folgen. A nleihew irthschaft hat die Leute gew öhnt, Pflicht, die m orgen fällig w ird , auf K inder u n d Enkel abzubürden. D enen geben sie Papier,

■das G eldw erth vortäuscht, doch ihn erst durch künftige A rb e it erhalten kann. D enen bilden sie ein, bis in den neunten N ovem ber 1918 sei großö Zeit, D eutschland in ewigem G lanz gewesen u n d erst m it dem N ebel diesesT agesL eid u n d N o th , Schimpf u n d Schande über uns gekom m en. H oku sp o k u s.

D ie Krisis der Kaiserei war, auf den Tag, zehn Jahre zuvor o ffenb ar gew orden,als der Reichstag über W ilhelm s Interview m it dem M ann des „D aily T elegraph“ zu G ericht saß und, a m siebenzehnten N ovem ber, im Reichsanzeiger stand, „der Kaiser habe die A usführungen des Kanzlers gebilligt“ , d e r d ie H aup tan gaben des A llerhöchsten als falsch erwiesen und gesagt hatte, „d er Kaiser m üsse sich auch in seinen Privat*

gesprächen die Z u rü ck haltun g auferlegen, die für eine ein­

heitliche P olitik un d fü r die A u to rität der Krone unerläß*

lieh ist.“ W äre der P ropagandadienst der Feinde auf d e rH ö h e -seines Ruhm es gewesen, dann hätten Flieger die damals, sogar von D einem H eyd eb rand , gehaltenen Reden in alle G räben gew orfen. D ie Eltern vergaßen. F ü r die K inder wärs nicht gesun d. N o ch gefährlicher, zu hören, daß der Krieg auch m ilitärisch seit Ju li verloren war. A ls Einer, der in die A r­

m ee, die alte, n u r gerade reingerochen hat, darf man sich zwar nicht Sachverständniß anschm inken, doch über Allge*

m einstes m itreden. Verbote, Einschränkung, Topfguckerei k ö n n e n U eberraschung m it K riegsbereitschaft nicht hindern.

L uftkähne u n d Flugzeuge sind schnell arm irt, M aschinen Tasch für die P ro d u k tio n von G eschütz, G ranaten u n d ähn*

liches K ulturgeräth um gestellt; u n d wie geschw ind aus Bauern

•und Laden Verkäufern, Fabrikarbeitern, Lehrern, Kanzlei* und

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K ontorschreibern ein taugliches H eer w erden kann, sahen schaudernd Verblüffte. W ir hätten obend rein die von R o st nicht leicht zerstörbare T rad itio n , den zu T echnik u n d Ge*

bastel in E u ro pa anstelligsten M enschenstoff und, noch lange», die breitesten Rahm en, Offizier* u nd (das W ichtigste) Unter*

offizier*Cadres. A u f der D ebetseite steht der M angel an Rohm aterial, G eld , K redit u nd, G o ld reinette, an Massen*

begeisterung. H ü p fe m it m ir d rü b er weg, als wärs die von einer W elle auf den Strand gew orfene T üllgardine. D ie Z eit der Frem dbesatzung fällt ganz aus; un d wer in Mar*»

tialischem über fünfzehn Jahre hinaus zu denken wagt, ver*

dien t m indestens für die K ühnheit ein Kränzchen. Neben>

der H offnung, daß Schlesien u n d beide P reußen die Ab*

stim m ungprobe bestehen, b leib t G ew iß h eit, daß jed er Ver*

such gew altsam er G renzv o rrück u n g den R ing um die A llies un d manche Associes sofort w ieder festschm ieden w ürde. W a fänden wir G enossen? O esterreichs liebensw ürdiges V olk w ird von Slawen, M agyaren, W alachen gezwickt, als m üsse u n d könne es alle Sünden H ab sb u rg s nebst k. k. B ehördentücke ab*

'b ü ß e n , u n d darf von D eutschland, n ich tD eutsch land von ihm, N o th h ilfe fordern. D e n ja p an e rn , denen allerlei K indsw ünsche w inken, hätten w ir auf keiner F ront was zu bieten. D en Russen, das friedlichste G eschöpf W esteurasiens, triebe hoch*

stens eine M acht, die in Schwarzerde u n d Steppe M illiarden sät, in absehbarer Frist w ieder ins Feuer. D u n st, liebe Seele^

W ed er M annschaft und M aterial aufzubringen noch die Wach*

sam keit ringsum so vollkom m en zu täuschen. W ird s denn>

versucht? „Racheschrei gellt . .“ O pernfinale. U nsinn.

Eben solcher, w ieJahrzehnte lang, der A berglaube, d u rch Vertuschen, V erlügen sei „die Sache zu halten“ . Sie war zu- halten, w enn m an den M onarchen in Selbsterziehung o d e r leise V orm undschaft zwang. E nglands Ju n k e r nahm en dem.

K önig die M öglichkeit, U nrecht zu thun, u n d überließen^

das Schwerste Crom wells derberen N erven. D enken D e in e Schwarz weißen denn ernstlich an R estauration? Jede w äre auf Blickweite der Krieg; u n d n u r fraglich, wo er, d rin o d er d rauß en, früher ausbräche. Schreit etwa H e rr von Pfiffikus*

um die G egenpartei zu schnöder Rede o d e rT h a t herauszufor*

dern, in deren N achhall dann V olkszorn zu züchten w äre? In /

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Moritz und Rina 85

jedem Fall w ürde das M iß trau en , das denV ertrag d ik tirt hat, als berechtigt erwiesen. D am it, trom petets, mag sich die Schmach­

friedensm ehrheit abfinden; w ir h aben nicht unterschrieben.

Sacht, Edle u n d G etreue: D eutschland hat unterschrieben, nichtP artei oder K lüngel; u n d Ihr h a b t das „patriotische Mo*

tiv“ der Entschlossenen feierlich anerkannt. N ach vertrödel*

ten M onaten u n d unzulänglich geführter V erhandlung (die eben drum keine w urde) war die U nterschrift N othw endig*

keit; stand auf Ja oder N ein Sein oder N ichtsein. Sonst recht Verständige, auf W u nsch sogar G eistreiche w aren dagegen.

W e iß ich. N ic h t D üm m ere waren im letzten M ai des Krie*

ges für rücksichtlose D am pferversenkung u n d „feste gejen A m erika“ . D ie Lust, auch mal im H arnisch zu funkeln, Aerger über einen Schafskopf, der, w ährend U eberlegung Pflicht war, U nterw erfung geblökt hatte, K urzsicht oder A nfall home*

rischer Schlum m ersucht: nenns, wie D u willst. D as Reich hätte die A b leh nu ng nicht unversehrt ü b erleb t; m ehr darüber heute lieber noch nicht. Ist ja abgethan. Jetzt der m üden, abge*

hetzten, aus allen G laubensw urzeln gerissenen N a tio n täg*

lieh in die O h ren schreien, sie sei „vernichtet“, an jeder Ecke den „Schm achfrieden“ ausbim m eln: m it Politik, ma mie, hat solcher Betrieb nicht ein Fäserchen gemein. Ehre u n d Schmach ist E igenprodukt, bereitet Je d e r sich selbst. U nrecht, das Einer, Knecht, Volk, U eberw inder, nicht ab wehren kann, zieht nicht in Schmach hinab. U n d wer seine Ehre anders als durch sein W irk en , durch die Summe der Lebensleistung ver*

theidigen m uß, m ag vor A nhauch aus jedem N arrenm und beben. Schärfe dem kleinsten H ü tek n irp s ein, daß Deutsch*

land n u r selbst sich ehren, schänden, kräftigen, vernichten kann. H öchste Zeit. D a ß einen von V ernichtung in Athem*

nähe B edrohten n u r noch V ergnügen lockt, n u r der W unsch, flink das zu G e n u ß e in k au f U nentbehrliche zu erw erben, in Bew egung setzt, wäre A dolfs b lo n d er Enkelin, gar der brü*

netten, kein Räthsel. D och w ährend ich schreibe (m erkst?), sum m t m ir D ringlicheres durch den Kopf. N eue N o te der Friedenskonferenz. U nsere R egirung w ird ersucht, in Ge*

m einschaft m it den in Paris vertretenen u n d den neutralen Staaten für lückenlose A bsp erru ng des B olschew ikenrußlands zu sorgen. D ie Lücken sind fingerschmal, die fünf Petita ohne

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großen G egenstand; u n d doch könnte ein D ip lom at hier sein M eisterstück liefern. N ic h t sehr geschickt, die form ale Höf*

lichkeit m it Bengallicht zu begießen, zu zw inkern: „A ha, sie kom m en uns schon.“ Barsch o der fein: im D ran g schluckts der W eise stum m . M eritorisch, wie der wiener Präsidialist vor Bönhasen sagt, steckt wohl Zw eierlei dahinter. D ie deutsche T ru p p e, die in Lettland jetzt russische K okarden trägt und in Berlin als H ord e feiler Söldner gem alt Iwird, könnte zu T rotzkij übergehen, wenn er noch m ehr b ö te als der Zarist, der sie gem iethet hat. U n d in keinem Fall, ob der H err Lenin überw in tert oder vom H öllensow jet g eholt w ird, soll der berliner R egirung erm öglicht w erden, sich besonderen Ver*

dienstes um „G esellschaft“ u n d Volk m orgen, überm orgen in Petrograd oder M oskau zu rühm en. N eb en bei ist w ohl von privaten G eschäftsplänen gepetzt w orden, die kaum Knospe sind. Sagen w ir n un, noch so gesittet, Pfui u n d ziehen die Fahne proletarischer Solidarität auf, d ann ist eine Gelegen»«

heit verpaßt, die fü is Erste, vielleicht, nicht w iederkehrt, und die U nversöhnlichen des K ontinentalw estens haben einen neu*

en T ru m p f im Spiel. D em greisen B ruder ist wie im Mandel#

m ilchalter, wenn Feuer, W asser, Kohle die Losung war und im Sopranchor der R uf erscholl: „Es b ren n tl“ Für die Ant*>

w ort wäre ein unverbrauchterB ism arcknichtlzu schade. D enn, u nter u ns, am Ring der fünf Sperr Vorschläge h ängt der Schlüssel, der flink den V ölkerbund öffnen kann. So w eit sind wir, trotz dem harten Vertrag u n d der W ilsonfinsterniß.

W ärs da nicht am Ende vernünftiger, ehrlich zu erproben, o b unser D eutschland ohne Rachegeheul, Z ornzüchtung, Ge*

m üthsm obilisirung nicht besser fäh rt? D e r V ertrag ist sterb*

lieh. R evision, A npassung an neues B edürfniß verbürgt;

w eder O esterreich noch irgendein A frika for ever dahin. Uns, A llen, w inkt n u r ein Leuchtfeuer: V ölkerbund. Ein Schlüssel«*

chen klirrt. H ö rs t? „Es b ren n tl“ W as sagt die A n tw o rt?

H e rr Je: nicht eine hat die fragende Frau; u n d hielt doch für A nfang u n d Ende, Schuld u n d Reinigung die Oese hin. W ir besprechens zunächst. H eute war Festtag. Ich rieche Berlin nicht mehr. Kein Feuer, kein Kohle . . . W e r singt?

M oritz. J

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er wünschte sich noch zehn Noskes; denn stärkere Agitatoren für den Bolschewismus habe selbst er nicht in seinem Stab.“.. Des W illens Fittich ist

derswo (ich wäre schon mit der jetzt in Rußland gewährten zufrieden), noch darin, daß für das W alten der Censur nicht, nach Verfassung und Sinn des Gesetzes, der

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