Sozialistische Erziehung
Organ der Reichsarbeitsgemeinschaft der Kinderfreunde und der Arbeits
gemeinschaft sozialdemokratischer Lehrer und Lehrerinnen Deutschlands
Heft 8 August Jahrgang 1932
In h alt: SPECTATOR: Zur kulturpolitischen Situation. — Die pä da
gogischen und schulpolitischen Grundsätze des Herrn von G ayl. — HANS SCHNECKENBURGER: Das soziale Verständnis des p ro le tarischen Kindes. — KURT LOWENSTEIN: Die internationale K inderrepublik „S o lid a ritä t" in Frankreich. — Zwei Nachrufe.
Zur kulturpolitischen Situation
Es k a n n n ie m an d überraschen, d aß sich zu d er politischen u n d sozialen R e a k tio n a u d i d ie K u ltu r re a k tio n g esellt. U n te r dem M otto: „W id e r M arx ism u s u n d K u ltu rb o lsc h ew ism u s“ fü h re n nicht n u r H itle r u n d H u g e n b e rg ih re volks- b etrü g e risd ien T änze auf, sondern a u d i in den R u n d fu n k re d e n d e r Reichs
reg ieru n g k eh ren R edew endungen w ieder, die die A b k eh r von dem zersetzenden m aterialistischen G eist u n se re r Zeit — das soll heißen A b k eh r von m oderner und sozialistischer K u ltu r u n d die R e sta u ra tio n christlich-deutscher, d. h. kirch
lic h -n atio n a listisc h er K u ltu r — fo rd e rn .
D iese G eg enüberstellung b ed eu tet die U eb e rtra g u n g eines verschärften K lassenkam pfes a u f das G ebiet d e r Ideologie u n d der G em ütsw erte. Uns S ozialisten k a n n dieser K am p f n u r recht sein. W ir d ü rfe n n u r nicht dulden, daß die R e a k tio n aus K la sse n p ro b le m e n relig iö s-m y stisch e P ro b le m e m acht, daß sie k la ssen b ü rg e rlid ie B efangenheit fü r ih re politische M a d it m iß b ra u d it. W ir w erden auch m it der K u ltu rre a k tio n d e r P a rte ip ro p a g a n d a u n d d er R egierungs
regie keine theologisdien G espräche zu fü h re n haben, sondern w ir w erden die M assen positiv m it den Ideen u n d dem W e rtg eh a lt sozialistischen W erdens zu e rfü lle n haben. D a ru m b rauchen w ir in dieser S itu atio n doppelte A nstren g u n g a u f dem G ebiete d er sozialistischen B ildung, d a ru m m üssen die M assen in u n seren E inrichtungen u n d V eran staltu n g en sozialistischen H eim atb o d en finden.
D an eb en a b e r h ab e n w ir die G efah ren u n d die Heuchelei d e r K u ltu rre a k tio n aufzuzeigen. W ie h ab e n doch die D eutsch n atio n alen gegen uns „M arx isten “ gew ettert, w eil w ir die Schule auch u n te r d en G esichtspunkt d er allgem einen P o litik g e s te llt h ab e n . W ir h a b e n im m er gew ußt, d aß d ie se „christlich- unpolitische P h ra se “ n u r eine g e ta rn te A b w eh r gegen soziale D em o k ra tie im öffentlichen Schulw esen w ar.
H eu te fü h len sich die H u g en b erg er stä rk e r, heu te nehm en sie die M aske ab, m it d er sie ih r eigentliches A n tlitz noch vor kurzem v erhüllten.
So lesen w ir in d er „N atio n alen E rz ie h u n g “ folgende p rogram m atischen F o rd e ru n g e n des deutsch n atio n alen L eh rerb u n d es:
„ D i e S c h u l p o l i t i k ist ein w esentlicher B e s t a n d t e i l d e r a l l g e m e i n e n P o l i t i k . Von i hr e m p f ä n g t sie ih re völkische, christliche u n d soziale Zuw eisung. D i e S c h u l a r b e i t w i r d p o l i t i s c h e W i l l e n s f o r d e r u n g , gerichtet a u f die E n tfa ltu n g u n d F ö rd e ru n g d er V olkheit u n d den B estand des V olksganzen. D ie K riegsschuldfrage, d e r K riegs
v erla u f, das H eldentum im K riege, die R evolution im N ovem ber 1918, d er V er
sa ille r V ertrag, das A uslandsdeutschtum , die F ra g e d er K olonien, die b lu te n d en
G renzen sind fü r die deutsche Schule nicht P roblem e; die B ehan d lu n g dieser
F ra g e n h a t das W ollen des ju n g e n D eutschen zielb ew u ß t a u f die B eh au p tu n g staatlich er u n d völkischer F re ih e it zu lenken. L e h r e r , d i e i n t e r n a t i o n a l e p a z i f i s t i s c h e B e s t r e b u n g e n i m S i n n e d e r D e u t s c h e n F r i e d e n s g e s e 11s c h a f t f ö r d e r t e n u n d f ö r d e r n , s i n d v o n d e r A r b e i t a n d e n d e u t s c h e n S c h u l e n a u s z u s c h l i e ß e n . D ie staatsb ü rg e rlich e E rzieh u n g d er deutschen Ju g e n d fin d et ih r ehernes Gesetz in d er W e h rh a ftig k e it u n d im W ehrw illen. D er in d er V olkheit w urzeln d e F ü h re rg e d a n k e ist lebendig zu e rh a lte n u n d zu fö rd e rn . D ie B e h an d lu n g d er R assenfrage, die W ied erh erstellu n g d e r A u to ritä t (verantw ortliche Schulleitung), Z u c h t u n d D i s z i p l i n . D i e B i n d u n g d u r c h U e b u n g u n d G e w ö h n u n g , B r a u c h u n d S i t t e a n d i e o r g a n i s c h e n G l i e d e r d e s V o l k e s e r h e b e n d i e F o r d e r u n g e n : a) d e u t s c h e K i n d e r k ö n n e n n u r v o n d e u t s c h b 1ü t i g e n L e h r e r n e r z o g e n w e r d e n ; b) d a s G e i s t i g e b e h ä l t i n d e r E n t w i c k l u n g s z e i t d e s d e u t s c h e n M e n s c h e n d i e F ü h r u n g v o r d e m P r a k t i s c h e n u n d i c h b e t o n t e n N ü t z l i c h e n ; c) d i e p ä d a g o g i s c h e n K o n j u n k t u r n u t z e r d e r N a c h k r i e g s z e i t , d e n e n d i e M e t h o d i k e i n G e s c h ä f t w u r d e , s i n d k a l t z u s t e l l e n . D as in den beiden K irchen lebende christliche deutsche K u ltu rg u t m uß in seiner b estehenden F o rm u n g in d e r G lied eru n g des Schulw esens zum A usdruck kom m en. D ie lebendige V erb in d u n g zwischen Schule u n d G lau b e n s
gem einschaft m uß zum selbstverständlichen A nliegen beid er w erden. Nicht P roblem e sind zu erö rtern , sondern b e k e n n tn isfreu d ig e s C h risten tu m ist zu pflegen. F ü r Schüler, deren E lte rn nicht einer d er christlichen K irche an g e
hören, sind Sonderschulen zu errichten; d er Besuch christlicher Schulen durch diese Schüler ist m öglichst zu v e rh in d e rn .“
M an d a r f d e ra rtig e A eu ß eru n g en des deutsch n atio n alen L eh rerb u n d es nicht g ering einsdiätzen. D ie R egierung von P a p e n b e h a u p te t zw ar, von allen P a r teien u n a b h ä n g ig zu sein, a b e r die E rfa h ru n g le h rt doch, w ie sie ih re M aß
n a h m en nach aem W illen von H itle r u n d H u g en b erg tre ffe n m uß. G ew iß, so grob p arteipolitisch, so en g stirn ig re a k tio n ä r w ie diese pro g ram m atisch en A euße
ru n g en k lingen die A u sfü h ru n g e n d er H erre n von P a p e n u n d von G a y l nicht.
D ie H erre n von P a p e n u n d von G a y l h ab e n eine bessere K in d erstu b e g eh a b t als die u n g eb ild eten K ultu rein p eitsch er d e r d eu tschnationalen P a rte i. A ber sie h ab en m it ihnen die gem einsam e re a k tio n ä re G esinnung. Ih re S prache ist die Sprache des H erren h au ses, w ä h re n d die d eutschnationalen A g ita to ren noch aus d e r G esindestube stam m en.
D ie B eg rü n d u n g , die H e rr von G a y l fü r seine Absicht, dem nächst ein neues Reichsschulgesetz vorzulegen, gegeben h at, spricht die S prache d er D eutsch- n atio n alen , w endet sich w ie diese gegen die neue Schule u n d v e rla n g t positive kirchliche E instellung, A u to ritä t u n d Zucht.
W ir k önnen also e rn s th a ft d a m it rechnen, d aß d er A rtik el 146 d er Reichs- ve.rfassung in sein G egenteil u m g e k eh rt w ird u n d d er G eist der D u ld sa m k eit durch n atio n alistisch -re ak tio n äre D re ssu r au sg etrieb en w ird.
G egen diese K u ltu rre a k tio n g ib t es n u r eine Macht, das ist d er o r g a n i s i e r t e K u l t u r w i l l e d e r A rbeiterklasse.
Es g eh ö rt schon seit langem zu d e r S p ezialität d er D eutsch n atio n alen u n d der N ationalsozialisten, m it dem C h risten tu m politische G eschäfte zu machen. Be
sonders die N atio n also zialisten sind d a rin ro u tin ie rt u n d gewissenlos. In F lu g b lä tte rn u n d un öffentlichen L eben überschlagen sie sich in B e k en n tn istreu e zum C h riste n tu m u n d im E ifer gegen den unchristlichen M arxism us. D ab ei h ab e n sie in ih re r M itte fü h re n d e P ersönlichkeiten, w ie den G ra fe n R eventlow u n d den C h e fre d a k te u r des „Völkischen B eobachters“ Rosenberg, die ganz grob u n d ungeschm inkt sich zum A theism us u n d z u r K irchenfeindschaft bekennen. Zu den N azis geh ö rt auch d er F re ih e rr von W olzogen, d e r das C h risten tu m f ü r den
„deutschen M enschen“ ab leh n t, w eil es zu „orientalisch“ ist, w eil es „eine Religion f ü r heiße K lim as, fü r zerbrochenen W illen, fü r schlaffe K örper u n d f ü r verschlafene G eister ist“.
A n a n d e re r Stelle w ird die Kirche als „orientalische D uckm äuserei“ g ekenn
zeichnet, a n S te lle des christlichen G la u b e n s soll d e r d e u t s ch e G la u b e tre te n .
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A udi in d er nächsten U m gebung des H e rrn H itle r h ab e n w ir P ersönlichkeiten, deren K u ltu rb ew u ß tse in sich nicht a n die Fesseln des kanonischen Rechts binden läßt. W ie v e rh ä lt sich H e rrn H itlers positiv-christliche L ehre zu H e rrn D arre s Züchtung des nordischen Menschen, der ein unbegrenztes Zeugungsrecht fü r überdurchschnittlich w ertvolle M änner (natürlich gehören d az u alle SA.-M änner) v erlangt.
D ie in n ere V erlogenheit d er „positiv-christlichen“ P ro p a g a n d a d e r N azis zeigt sich jedoch erst in d e r nationalistischen K in d era rb e it. W er d e n k t dabei nicht an die Frickschen H aßgebete, die ein einziger H ohn a u f christliche G esinnung w aren. Vom G eist d er n ationalsozialistischen K in d ererzieh u n g legt auch fol
gendes W ürfelsp iel bered tes Zeugnis ab :
Nr. 1, ist die W allstreet. W eil es schwer ist, aus den K ra lle n des G oldes los
zukom m en, erst eine Zwei w ü rfeln , bevor m a n w eiter vorrücken d arf.
N r. 10, A bzeichen d er F re im a u re r, d er S pieler leid et a n d e r H u m a n itä t u n d m uß d a h e r w ieder a u f Nr. 1.
Nr. 12, w ird NS. u n d z a h lt 3 P f. fü r A ufnahm e, B eitrag u n d K am pfschatz.
Nr. 15, b efin d e t sich in den H än d e n d er W a re n h ä u se r u n d m u ß d a h e r a u f N r. 12 zurück.
Nr. 19 b efin d e t sich in Ju d e n h än d e n , v e rfä llt d e r Zinsknechtschaft u n d z a h lt 5 P rozent a n Zinsen.
N r. 27 r u f t la u t „D eutschland erw ache!“ u n d w ü rfe lt noch einm al.
N r. 33 r u f t „N un erst recht!“
A ber sonst g esdiieht nichts; es ist eine N um m er, b ei d er m a n n u r schreit, ohne v o rw ä rts zu kom m en.
Nr. 37 ist ein F re u n d des Y oung-P lans u n d m u ß d a h e r w ieder a u f N um m er 12 zurück.
U nd w ieder 3 P f. bezah len ; die N r. 12 ist h ab g ierig er als alle Ju d e n d e r W elt.
Nr. 41 (A sphaltpresse) m u ß a u f N r. 33 zurück, h o lt sich d o rt einen G um m i
k n ü p p e l u n d rückt a u f N r. 40 vor. _
Nr. 49 w ird von den M arx isten ü b e rfa lle n u n d ko m m t v erw u n d et a u f N r. 29 zurück.
Nr. 50: D er S pieler ist in das D ritte Reich gekom m en u n d r u f t zum A bschluß
„Heil H itler! H eil!“
M an soll sich a b e r nicht einbilden, d a ß es sich h ie r um E n tgleisungen h an d e lt.
In all dem steckt System . M it Schauerm ärchen w ird d er H a ß gegen die K arl- M arx-Schule, K in d erfreu n d e, S A J. geschürt. D er S pießer w ird in E rreg u n g ge
bracht durch en tstellte Z itate aus dem sozialistischen S chrifttum , kom m unistische E ntgleisungen w erden als sozialistische G ru n d sätz e u n d P ra x is ausgegeben. Es w u ch ert d a n n u m so ü p p ig e r das U n k ra u t d e r K u ltu rre a k tio n .
D ie nächste Zeit w ird uns vor schw erste A n g riffe d e r K u ltu rre a k tio n stellen.
W ir fü h re n k einen K u ltu rk a m p f nach Bismarocschem M uster, ab e r w ir w erden d er R eak tio n den N im bus nehm en m üssen, als ob h in te r all diesen schönen gedrechselten W orten m eh r stecke als b ru ta le r M achtwille.
W ir w erden d a rü b e r h in a u s den L ebensraum unseres sozialistischen K u ltu r
w illens w eiten m üssen u n d ihn m it lebendigen u n d anschaulidien G estaltu n g en so sta rk au sfü llen , d aß er anziehend, o rg an isieren d u n d w ertb ild en d fü r den S ozialism us u n d seine T rä g er, die M assen der A rbeiterklasse, w erde.
S p e c t a t o r .
D ie pädagogischen und sdiulpolitisdien Grundsätze des Herrn von Gayl
D er R eichsm inister des In n ern , F re ih e rr von G ayl, h a t in seinem R u n d schreiben a n die U nterrichtsm inisterien d er L än d e r seine G ed an k en ü b e r Ju g e n d erziehung g eä u ß ert. E r h a t die R ichtung gew iesen, die k ü n ftig h in die Schule gehen soll. Es ist wichtig, diesen Weg, oder besser gesagt „Rückweg“, etw as
g enauer zu betrachten, l n diesem Schreiben h e iß t es u. a.:
„Die Ju g e n d w ird ihrem schw eren Schicksal u n d den hohen A n fo rd eru n g e n der Z u k u n ft n u r d a n n gew achsen sein, w enn sie beherrscht w ird vom Volks- un d
S taatsgedanken.
D ie E rz ie h u n g zu Volk u n d S ta a t ist d a h e r die vo rn eh m ste A u fg ab e aller deutschen Schulen. D ie Ju g e n d zu V olk u n d S ta a t zu erziehen, h eiß t a b e r E r zieh u n g zum D ienst, z u r V eran tw o rtu n g u n d O p fe rfä h ig k e it gegenüber dem G anzen. . . .
Bei dieser E rzieh u n g zu V olk u n d S ta a t w erd en allerdings auch die sa d ilid ien A n fo rd eru n g e n k ü n ftig w ieder in allen S chularten gesteigert w erd en m üssen.
D ie in n ere L eb e n d ig k eit u n d die w ertvollen pädagogischen u n d m ethodischen N euerungen, welche die deutsche Schule d e r pädagogischen R eform des letzten Ja h rz e h n ts u n d ein er a rb e itsfre u d ig e n , ju g e n d n a h e n L eh rersch aft v erd a n k t, sollen desh alb nicht preisgegeben w erden. A ber W eichheit u n d zu w eit ge
trie b en e Rücksicht a u f je d e in d iv id u elle N eigung sin d u n an g e b rach t gegenüber ein er Ju g en d , die vom L eben ein m al h a r t angepackt w erd en w ird.
N icht a u f einen B a lla st von Schulwissen ko m m t es an. N u r d a n n ist a b e r die Ju g e n d f ü r ih re n D ien st a n V olk u n d S ta a t recht vo rb ereitet, w enn sie gelernt h at, sachlich zu arb eiten , k la r zu denken, ih re Pflicht zu erfüllen, u n d w enn sie auch d a r a n g ew öhnt w o rd en ist, sich in Zucht u n d G ehorsam den O rd n u n g e n d e r E rziehungsgem einschaft ein zu fü g en u n d sich w illig echter A u to ritä t u n te r
zuordnen.
D iese volks- u n d staatspolitische E rz ie h u n g sau fg ab e d e r deutschen Schule steht in scharfem G egensatz zu den parteip o litisch en B eeinflussungen d e r Jugend.
Ich v eru rteile au fs schärfste die schrankenlose V erhetzung d er Ju g e n d durch p arteipolitische O rg a n isa tio n e n . Sie ist schlim m ste V ersü n d ig u n g a n d e r Ju g e n d u n d das G egenteil ein er E rz ie h u n g zu echter S taa tsg e sin n u n g u n d V olks
v e rb u n d e n h eit.“
D ieser R u n d b rie f ist deutlich genug a b g e faß t, um uns nicht im Zw eifel d a rü b e r zu lassen, w ie H e rr von G a y l z u r sozialistischen P ä d ag o g ik u n d zu den von uns in diesem S inn g e fü h rte n E rz ie h u n g sstä tte n steht. „W eichheit u n d zu w eit g etriebene Rücksicht a u f je d e in d iv id u elle N eigung sind u n an g e b rach t.“ ir verstehen, w as H e rr von G ay l d am it m eint. U nsere B estrebungen, A rb e ite r
k in d e r zu d en k en d en Menschen zu erziehen, e rfo rd e rn in d iv id u elle B ehandlung, auch o ft viel R ücksichtnahm e u n d G eduld. D iese P äd ag o g ik sag t a b e r H errn von G a y l — verm utlich aus B egeisterung f ü r soldatische Id ea le — nicht zu.
„Sich in Zucht u n d G ehorsam ein fü g e n “ ist sein G ru n d satz . D iese S telle zeigt u n u m w u n d en , d a ß er seine re a k tio n ä re G esinnung d e r Schule a u fd rä n g e n will.
A ndererseits spricht sich H e rr von G a y l m it a lle r S chärfe gegen die p a r te i
politische B eeinflussung d er Ju g e n d aus, um d e r „V erhetzung“ eine S chranke zu setzen, u n d t r itt f ü r eine „E rzieh u n g zu echter S taa tsg e sin n u n g “ ein. N un k om m t es freilich d a r a u f an, w ie m a n den B eg riff d e r S taa tsg e sin n u n g in te r p re tie rt. W ir sehen es als die g rö ß te P flicht d er Schule an, die K in d er m it dem G eiste d e r V erfassu n g zu erfü lle n u n d in ihnen die Liebe z u r R e p u b lik u n d D em o k ra tie ein zu p flan zen . In diesem S inne a rb e ite n die w eltlichen Schulen.
Sollte H e rr von G a y l gegen diese A rb e it d en V o rw u rf d er parteip o litisch en Be
e in flu ssu n g d er Ju g e n d erheben?
H e rr von G a y l b esch rän k t sich ab e r nicht n u r a u f die Schule. E r v e ru rte ilt die
„V erhetzung d er Ju g e n d “ durch parteipolitische O rg an isatio n en . H ierzu h ab en die sozialistischen E rzieh u n g so rg a n isa tio n e n ein W ort zu sprechen. W ir lehnen die kom m unistischen E rzieh u n g sm eth o d en ab, den K in d ern P h ra se n in den M und zu legen, die sie nicht versteh en können. A ber w ir m üssen annehm en, d a ß H e rr von G a y l auch unsere ern ste E zieh u n g sa rb e it im sozialistischen G eist schon als V erhetzung d er Ju g e n d verd am m t. F ü r eine „ n e u tra le “ E rziehung, w ie H e rr von G a y l sie v ersteht, k önnen w ir freilich nicht ein treten . Bei P ro le ta rie r
k in d e rn , die ohne A usnahm e von dem ä u ß e ren politischen T reiben nicht u n b e rü h rt bleiben, sch afft je d e n e u tra le E rzieh u n g n u r G efah ren . D a h e r ist es unsere höchste A u fg a b e dieser Ju g e n d gegenüber, sie den richtigen W eg zu len k en u n d zu v erh ü te n , d a ß es dem Z u fall ü b erla sse n bleibt, in welche B ew egung sie h in e in g e ra te n u n d ob sie n id it v ie lle ich t au s U n w isse n h eit zum V erra t a n ih re r eigenen K lasse getrieben w erden. D ie n e u tra le E rziehung, die H e rrn von G a y l vorschw ebt, m ü ß te u n te r die L u p e genom m en w erden u n d m a n w ü rd e sehen, d aß h in te r d er „echten S taa tsg e sin n u n g “ u n d dem „hohen N a tio n alg e fü h l“ auch eine s ta rk politisch gerichtete E rzieh u n g steckt — n u r freilich nach rechts herü b er.
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Das soziale Verständnis des proletarischen Kindes
H a n s S c h n e c k e n b u r g e r , S tu ttg a rt.
In ein er grö ß eren w issenschaftlichen Arbeit*) u n tersu ch te ich u. a. die A euße- ru ngen 6—1 4jähriger V olksschüler ü b e r ein Bild, das den U eb e rfall eines reichen M annes durch einen arm e n d arstellte. In teressan te A ufschlüsse ü b e r das soziale V erständnis des p roletarischen K indes gaben v o r allem die A ussagen, die d er H an d lu n g zu stim m ten oder sie zu entschuldigen suchten.
D ie B illigungen u n d E ntschuldigungen w erden in allen F ä lle n von d e r m eh r oder w eniger sta rk e n S y m p a t h i e f ü r d e n A r m e n u n d d er A n tip a th ie g egen d e n R eichen d ik tie rt. D ie A n tip a th ie g egen d e n R eichen ze ig t sid i am offensichtlichsten in den ü b e r ih n abgegebenen C h a ra k te ristik e n . D ie h äu fig e n Bezeichnungen „ F a b rik b e sitz e r“, „ K a p ita list“, „U n te rd rü c k er“, „B lu tsau g er“,
„ P ro tz “ usw . v e rra te n p o l i t i s c h e S tellungnahm en, die denen der E r
w achsenen nahekom m en. In dem „A rb eiter“, „A rbeitslosen“ e rk e n n t das K ind den A ngehörigen seines M ilieus, seinen V ater, O nkel, B ru d er, den T rä g e r seines b ew u ß t o der u n b e w u ß t erleb ten eigenen Schicksals. D ie durch die E rzieh u n g in H au s u n d S tra ß e s ta rk g en ä h rte H aß stim m u n g fin d e t ih re n b ere d ten A us
druck in d er k l a s s e n b e w u ß t e n p roletarisch - k o l l e k t i v i s t i s c h e n E i n s t e l l u n g des K indes. Je d e n fa lls sind die hier w achgerufenen E rlebnisse von so sta rk e m Im puls, d aß sich d as K ind v ie lfa d i dem T ä te r gleichsetzt.
„D er A rb e ite r w ill den reichen K a p ita liste n ü b erfallen , w eil e r u n s A rm e knechtet. Sie leben in S aus u n d B rau s u n d w i r h ab e n öfters bloß ein Stück trockenes B rot zu essen.“ (Kn. 12 J. V.: H ochbahnarbeiter.)
D er G egensatz R eichtum u n d A rm u t, die Not, V erzw eiflung, R atlosigkeit, H o ffn ungslosigkeit des A rm en k eh re n in allen A n tw o rten w ieder. D ie S tellu n g nahm e erschöpft sich jedoch n id it im F ata lism u s un d d e r R esignation, sondern le h n t sich h e ftig g egen das angeblich p ro v o z ie re n d e G e b a re n des R e id ie n auf.
„E in reicher P ro tz w ird von einem arm en, h a lb v erh u n g e rte n M ann n ie d er
geschlagen. E r ist ganz verzw eifelt, u n d w ie er den vollgefressenen K ap italisten daherkom m en sieht, h a u t er ih n aus W u t zusam m en. W ü rd e n die Reichen nicht alles h ab e n u n d w ü rd e die bestehende G esellschaftsordnung allen Menschen ein genügendes A uskom m en v ersd ia ffe n , so w ü rd e eine solche T a t nicht geschehen.
Solange ab e r das nicht d er F a ll ist, m üssen es alle h u n g rig en P ro le ta rie r m it ih ren U n terd rü ck e rn u n d A u sb eu tern so m achen.“ (Kn. 14 J. V.: L ederstanzer.)
D a ß solche A n tw o rten n u r von K naben stam m en, r ü h rt d avon her, d aß sich diese m e h r als die M ädchen m it dem P roblem des Reichtum s u n d d er A rm u t auseinandersetzen, stä rk e r von d er politischen M einung ih re r U m gebung beein
flu ß t w erden u n d in ten siv er nach den U rsachen d e r L age des arm e n u n d reichen M annes forschen u n d sie in d en w irtschaftlich u n d sozial verschiedenen V er
h ältn isse n finden. D ieser W esensunterschied zeigt sich auch in den energischen F o rd e ru n g e n d er K n ab e n nach A b h ilfe d er erk a n n te n N öte, w ä h re n d die M ädchen m eist nicht w issen, d aß u n d w ie H ilfe möglich ist u n d so resignierend au f A bh ilfe verzichten.
In den E ntschuldigungen bem ü h en sich die K in d er das F ü r u n d Gegen der T a t gew issen h aft u n d gerecht abzuw ägen.
„D er A rb e ite r ü b e rfä llt den reichen K ap italisten . E inerseits ist es recht, w eil der Reiche an d er N ot des A rb eiters schuldig ist. A ndererseits a b e r ist es auch nicht recht, d enn m a n sollte die L eute in F rie d en lassen u n d ihnen au s dem Wege gehen, w enn m a n sie nicht leiden k a n n .“ (Kn. 13 J. V.: M aurer.)
W ieder w erd en H un g er, V erzw eiflung, Not, A rbeitslosigkeit, V erdienstm angel dem T ä te r als m ild e rn d e U m stä n d e a n g e re d in e t.
„Solche B e ra u b u n g en geschehen öfters. M an m u ß diesen D ingen stren g n a d i- stellen, a b e r doch soll m a n die R ä u b e r nicht so hoch b estrafen , w eil sie es m eist aus N ot m achen.“ (Kn. 12 J. V.: Schlosser.)
M it gerad ezu leidenschaftlicher T eilnahm e n im m t ein 1 4jähriger K nabe (V.: Schofför) P a rte i f ü r den von seinen M ilieuverhältnissen „ v e rfü h rte n “ A r
beiter.
*) S& neckenburger, H. D ie Entw icklung des sozial-ethisdien V erständnisses beim proletarischen Kinde. (Zeitschrift fü r angew andte Psychologie, Band 43. 1932.)
„G erade die reichen L eute sollten dem A rb e ite r m e h r L ohn geben. Auch sollte je d e r A rb e ite r W ohnung haben. Nicht, w ie m a n es im m er sieht, d a ß die arm en Leute in K ellerw ohnungen sitzen o der g a r kein D ach ü b e r dem K opfe haben.
D adurch w erden die m eisten v e rfu h rt, d a ß sie stehlen u n d m orden, w eil sie u n d ih re F am ilien N ot leiden. W enn n u n solche L eute a u f den schlechten W eg ge
raten , so s p e rrt m a n sie ein, um R u h e vor ihnen zu haben. A ber das können sich die H erre n nicht denken, d a ß es d a m it n u r schlim m er w ird. D en n die F am ilie w ill nicht v erh u n g e rn u n d so m üssen diese Menschen im m er w ieder von neuem stehlen.“
Schon aus diesen w enigen A eu ß eru n g en sehen w ir, d aß das p ro letarische K ind seine S tellu n g n ah m e besonders m it s o z i a l e n G r ü n d e n belegt. D as E r
lebnis d er gleichen S chicksalsverbundenheit m it dem N ebenm enschen d er G e
d an k e d er gegenseitigen V eran tw o rtlich k eit u n d H ilfsp flich t steh t im V o rd e r
g ru n d . Seine soziale E in ste llu n g ist wesentlich m i 1 i e u - bzw . k l a s s e n b e d i n g t . Sie erfo lg t au s in n e rste r A n teilnahm e u n d ist vorw iegend g efü h ls
m ä ß ig bestim m t. Nach d er Z ugehörigkeit o der N ichtzugehörigkeit d er H a n d lun g sp erso n en zum eigenen U m w eltkreis richtet sich auch die S tärk e der b e
k u n d e te n S o lid aritäts-, S y m p ath ie- u n d M itleidsgefühle. Sein M itleid e n tsp rin g t m eist seinem ungem ein s ta rk au sg e p rä g te n G e r e c h t i g k e i t s g e f ü h l . D ie F o rd e ru n g nach G eltungsgleichheit f ü r sich selbst u n d fü r an d e re liegt all den z a h lreic h en A n tw o rte n zu g ru n d e , w elche d ie V erg eltu n g , B e stra fu n g u n d S ühne zum G eg en stan d haben. Sein V e r g e l t u n g s b e d ü r f n i s ist m it dem M it
leid m itu n te r so in te n siv v erb u n d en , d a ß sich E m p ö ru n g u n d H a ß g eradezu ins E x trem steigern. D ieselbe A bw eh rstellu n g , die das K ind gegenüber d e r B eein
träc h tig u n g d er eigenen P erson einnim m t, n im m t es auch gegen den B edrücker a n d e re r ein. D iese R e s s e n t i m e n t h a l t u n g schafft die typisch p ro letarische Seelenlage, aus d e r die ausgesprochen politische u n d soziale S tellung
nahm e erw ächst. A lle A eußerungen d er V ergeltung, B estrafu n g , des N eids u n d d er S chadenfreude en tsp rin g en letzten E ndes dem an geborenen M acht- u n d G eltu n g strieb des K inde. D er W unsch, an d e re seine überlegene K ra ft fü h len 7u lassen, ist besonders bei ihm , dem w irtschaftlich u n d sozial schwachen K inde, lebendig.
D ie internationale Kinderrepublik „Solidarität“
in Frankreidti
Von K u r t L ö w e n s t e i n .
U nsere in te rn a tio n a le K in d e rre p u b lik in F ra n k re ich ist zu stan d e gekom m en.
In u n se re r A bsicht la g seit langem eine solche anschauliche in te rn a tio n a le V er
bin d u n g , u n d v o rb ereitet w a r sie auch schon seit langem . Schon das erste
E rößere Z eltlager in S eekam p bei K iel h a tte in te rn a tio n a le Einschläge. D ie
>änen h a tte n ca. 30 K in d er en tsan d t, O esterreicher u n d Tschechen h a tte n eben
falls D eleg atio n sg ru p p en . W ir h a tte n in d er Zwischenzeit gem einsam e L ager aus deutschen u n d österreichischen K in d ern in O esterreich bestehend, aus d e u t
schen u n d dänischen K in d ern in D än e m a rk , aus deutschen u n d tschechischen K in d ern in d er Tschechoslowakei, u n d aus deutschen u n d schweizerischen K in
d ern in d er Schweiz. D as L a h n tal-L ag e r vom vorigen J a h r stellte schon ein gutes V ölkergem isch d ar, b estehend in d er H auptsache aus deutschen K in d ern u n d D e le g atio n sg ru p p en aus O esterreich, Polen, D än e m ark , u n d zum ersten Male au s F ran k reich .
In F ra n k re ic h ist die F alk e n b ew eg u n g noch in ih re n ersten A nfängen. Es gib t Ju g e n d g ru p p e n (Faucons rouges) w ie die F a lk e n u n se re r A rb e ite rju g en d . In S tra ß b u rg u n d in V alenciennes g ib t es F alk e n g ru p p e n , die nach deutschem M uster arb eiten .
In diesem J a h re w ird n u n zum erste n M ale in F ra n k re ich vom 3. bis 30. A u g u st die K in d e rre p u b lik u n m itte lb a r am O rte D ra v eil sein. D ra v e ü liegt an d e r Seine im D e p a rte m e n t Seine e t Oise, etw as m eh r als 30 K ilom eter von P a ris en tfe rn t. Es ist d e r O rt, a n dem L afa rq u e , d e r Schw iegersohn von K arl M arx, lebte.
D ie K in d e rre p u b lik w ird nicht so u m fangreich sein, w ie w ir u rsp rü n g lich ge-
62h o fft h a tte n . D ie politischen u n d w irtschaftlichen Schw ierigkeiten m achten sich auch in u n se re r in te rn a tio n a le n E rziehungsbew egung ganz erheblich bem erk b ar.
D ie englischen W ood-crafts k o n n ten ebensow enig w ie die belgischen P ioniere ih re beabsichtigte T eilnahm e d u rchführen. F ü r die O esterreicher bild ete die W äh ru n g sn o t ein u n ü b e rw in d b a re s H indernis.
So w ird diese K in d e rre p u b lik im w esentlichen aus ru n d 750 deutschen, 200 F ranzosen, u n d einigen G ru p p e n Schw eizern bestehen. Zieht m a n die große E rw erbslosigkeit u n d die politische U nsicherheit in B etracht, so b le ib t a u d i dieses an Z ahl besch rän k tere in te rn a tio n a le L ager dennoch eine L eistung an O p ferw illig k eit, O rg a n isa tio n sk ra ft u n d V ertrau e n z u r in te rn a tio n a le n Soli
d a ritä t, w ie w ir sie von u n se re r B ew egung gew ohnt sind.
D er G ru n d g e d an k e dieses L agers in F ra n k re ich ist folgender: D as in te rn a tio nale V erstan d ig u n g sp ro b lem g ru p p ie rt sich im w esentlichen um die V erstä n d i
gung zwischen D eu ts d ila n d u n d F rankreich. D iese U eberzeugung setzt sich ü b era ll m it zw ingender N otw endigkeit durch. Sie ist so unbed in g t, d aß sie auch in einer zielbew ußten E rzieh u n g ih ren P la tz fin d en m uß. D ie a lte Schule, u n d leider gehören die m eisten d er E rz iehungseinrichtungen in D eutschland noch zu r alten Schule, p fleg ten so rg fä ltig die B e w ußtseinsbildung vom E rb fe in d m it all den G efü h lsv e rk ram p fu n g e n , die d a m it v erb u n d e n w aren.
U nser W ille z u r in te rn a tio n a le n S o lid a ritä t zw ingt uns, diese feindselige H altu n g zwischen D e u tsd ila n d u n d F ran k reich nicht n u r a n d er politischen O b er
fläche, sondern auch im U n terb e w u ß tsein u n se re r M itmenschen ab z u b au e n . W ir m üssen d a rü b e r h in a u s pädagogisch eine N eu o rien tieru n g des B ew ußtseins unseres h e ra n w a d ise n d en Geschlechts schaffen. D as ab e r k a n n m a n nicht m it Reden, R esolutionen u n d F e stv e ra n sta ltu n g e n . K in d er brauchen ein a n schauliches A lltagsbew ußtsein, w enn ih r D en k en u n d F ü h le n nicht n u r a n geregt, sondern zielgerichtet w erden soll.
H ier in dem angenehm en, freien, lu stig en u n d le b en se rfü llten T reib en d er K in d errep u b lik en tste h t ganz von selbst die menschliche V erb u n d en h eit u n d p raktische S o lid arität, die w ir f ü r unsere sozialistische E rz ie h u n g brauchen. D ie französischen K in d e r u n d H e lfe r w e rd e n m it d en deu tsch en K in d e rn zu sam m en in den Zelten w ohnen, w erd en die K in d e rre p u b lik gem einschaftlich a u fb a u e n und v erw alten u n d als g u te G enossen m ite in a n d e r leoen.
W enn die K in d e rre p u b lik g u t d u rch g e fü h rt w ird, u n d nach den bisherigen E rfa h ru n g e n k ö n n te n w ir dieses V ertrau e n haben, d a n n w ird jedes dieser 1000 K inder ein K ra ftz e n tru m in te rn a tio n a le r sozialistischer S o lid a ritä t fü r die Zu
k u n ft w erden.
W ir h ab e n a b e r noch eine zw eite H o ffnung. W ie u n ser schönes Schweizer L ager der Schw eizer B ew egung sta rk e Im p u lse gegeben h at, so e rw a rte n w ir von dem französischen L ager den A n fa n g einer p lan v o llen u n d system atischen O rg a n isie ru n g d er F a lk e n a rb e it in F rankreich.
D ie sozialistische E rziehungsbew egung h a t b ish e r ih re H a u p tv e rb re itu n g in deutschsprechenden L än d ern . Sie ist a b e r keine ausschließliche deutsch-öster
reichische A ngelegenheit, so n d ern eine in te rn a tio n a le A ufgabe. M it d e r E r
fa h ru n g d er rom anischen L än d e r erh o ffe n w ir einen b edeutsam en F o rtsch ritt fü r die F estig u n g u n d V ertiefung d er in te rn a tio n a le n sozialistischen E r
ziehungsbew egung.
D iese G edan k en g än g e h ab e n h ü b e n w ie d rü b en , bei un seren H elfern, w ie bei unseren K in d ern begeisterten W id erh all gefunden. H offentlich w ird dieses Echo w eithin schallen u n d im H erzen der A rb e ite rin te rn a tio n a le die T a tk ra ft aus- lösen, die w ir gegenüber d er in te rn a tio n a le n K u ltu rre a k tio n n ötig haben.
Sozialistische Erziehungsvereine
müssen in allen Ortsgruppen der Kinderfreundebewegung
mit verstärkter K raft a u f gebaut werden t
I Pfiffi Krull, Greifswald
In einem R o te-F alken-Z eltlager des U n terb ezirk s S tra lsu n d (Pom m ern) w urde der L ag erleiter Gen. Pfiffi K rull, der F ü h re r u n serer O rtsg ru p p e G reifsw ald, nachts erschossen.
In d i e s e r N acht sprach H itle r in S tra lsu n d . A engstliche B ürgerseelen a la r m ierten die Polizei. Sie g la u b ten , eine L agerw ache d er E isernen F ro n t w ären K om m unisten, die H itle r m it seinen G etreuen ü b e rfa lle n w ollten.
D er K om m unistenschreck m achte die Polizei nervös. O h n e je d en G ru n d er- öffnete sie ein w ah res S chützenfeuer a u f das beim L ager gelegene Heim , in dem die Genossen d er E isernen F ro n t u n te rg e b ra ch t w aren. D a ra n b eteiligten sich sogar d i e P olizeibeam ten, die vom zu stän d ig en L a n d ra t selbst zu r Be
w achung des L agers gestellt w aren. D iesem W a h n sin n fiel d er Gen. K ru ll zum O p fe r. E r erh ie lt den tödlichen K opfschuß, w ä h re n d alle F a lk e n d a n k seiner Um sicht u n d O b h u t ru h ig u n d sicher in den Zelten schliefen.
A ber noch ist der K am p f um diesen unglückseligen U n fa ll nicht zu Ende.
D ie Ju stiz des neuen „O rd n u n g ssta a te s“ d e n k t nicht d a ra n , die w ah ren Schul
digen z u r V era n tw o rtu n g zu ziehen, sondern unsere Genossen w ill m an als die Schuldigen hinstellen, ihn en w ill m a n den Prozeß machen.
P f i f f i K r u l l s G eist w ird uns auch d i e s e n K am p f e rtra g e n lassen. W ir wissen, d aß es nicht der letzte K am p f um die Id eale sein w ird, denen sein ganzes Leben u n d auch sein Tod galt.
T ief ersc h ü tte rt stehen w ir auch an der B ahre unseres G enossen B runo K unde, Köslin, d er in Zanow durch einen schrecklichen U nglücksfall aus u n serer M itte gerissen w urde.
U eber den H erg an g des U nglücks e rfa h re n w ir folgendes: B runo K unde w ollte sich m it einem Genossen p e r R ad nach Zanow begeben, um d o rt die Zu
sa m m e n k u n ft d er von ihm k ürzlich ins Leben g erufenen K in d erfre u n d eg ru p p e zu leiten. A u f d er F a h r t d o rth in begegnete ihn en im G ollen in d er N ähe des C hausseehauses ein Trecker m it zw ei A n hängern. B runo K unde sp ra n g von dem F a h rra d , k le tte rte a u f den zw eiten A n h än g e r des Treckers u n d fu h r bis Zanow m it. In Zanow angekom m en, sp ra n g er in der N ähe des d o rtigen K onsum vereins von dem fa h ren d e n Trecker so unglücklich an d er linken Seite ab, d aß er m it dem K opf u n te r die R ä d e r des A nh än g ers geriet u n d ü b e rfa h re n w urde. E r gab zunächst noch schwache Lebenszeichen von sich. D er h in z u g eru fe n e A rz t kon n te n u r noch den inzwischen eingetretenen Tod feststellen.
M itten aus erfolgreicher A rbeit als H elfer u n se re r B ew egung re iß t der T od uns die beiden F re u n d e u n d G enossen. G roß ist die Lücke, die u n se re r B ew egung in P om m ern en tsta n d .
W ir m üssen sie ta p fe r schließen. W ir geloben dem G eiste d er Genossen B runo K unde u n d Pfiffi K rull, die fü r die sozialistische Idee alles h ingaben, n ad i- zueifern.
Ih r A ndenken w ird durch u n sere A rb e it m it den A rb e ite rk in d ern hochgehalten.
D ie R eichsarbeitsgem einschaft der K in d erfreu n d e D eutschlands.
Schriftleiter: M ax Sdonidtbauer. — Verantwortlich fü r den In h alt: Hans Weinberger. — Verlag:
J. H. W. Dietz Nachf., G .m .b.H. — Druck: V orw ärts Buchdruckerei. Sämtlich: Berlin SW68, Lindenslr. 3