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Monatshefte der Comenius-Gesellschaft für Volkserziehung, Dezember 1910, 18. Band, Heft 5

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MONATSSCHRIFTEN DER COMENI URGESELLSCHAFT

XIX-BAND-ÖÖÖ.GÖHEFT JO

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Monatshefte der

Gomenius-

Gesellsehaft

für V o lk s e rz ie h u n g

1910 Dezember Heft 5

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i Herausgegefcen von Ludwig Keilet'

; Neue Folge der Monatshefte derCQ.

i Der ganzen Reihe 18.Band.

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Im Buchhandel und bei der Post beträgt der Preis für die Monatsschriften (jährl. 10 Hefte) M. 12,—, für die Monatshefte der C. G. für Kultur und Geistes­

leben (jährl. 5 Hefte) M. 10—, für die Monatshefte der C. G. für Volkserziehung (jährl. 5 Hefte) M. 4 —,

Einzelne Hefte der MH f. K. u. G. kosten M. 2,50, einzelne Hefte der MH f. V. M. 1,50.

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Inhalt

Saite

F r. Blencke, Die Erziehungslehre des Comenius und ihre Anwendung in

Alumnaten...123

Leopold Kätscher, Volkstheater, Volkshäuser und Volkshochschulen in R u ß l a n d ...130

W alther Assmus, Die dritte Rhein-Mainische Volksakademie (Kursus für V olksbildun gsarbeit)... Eine B ürgerkunde für das deutsche V o l k ... ...137

E rzie h u n g ssc h u len ...139

Karl Hesse, Die L e s e ...141

R u n d s c h a u ...* 143

Die erziehliche Bedeutung der Guttem pler-Logen. — Sozialwissenschaftliche V ortrags­ kurse in Berlin. — Vaterländische Schülerhefte. — Russische Volkshochschulen. — Com enius-M useum in Prerau. — Eine Mustergemeinde. — Sozialdemokratische Bildungs­ arbeit. G esellschafts-A n gelegen heiten... 145

Literatur- Berichte (Beiblatt) F o e r s t e r , Staatsbürgerliche Erziehung . . . . 17*

F r o s t , Ü ber denVerkehr mit erwachsenen Kindern 18* M uthesiuB, Goethe und P e s ta lo z z i...18*

O tte n , Die deutschen Volksbibliotheken und L e s e h a lle n ...19*

P fä ff le , Erziehung zum V o lk s h e e r ...19*

P o p e rt, Helmut H a r r i n g a ...19*

W in d e g g , A rm e und R e i c h e ... 20*

Verzeichnis der im Text besprochenen und erwähnten Schriften

C om en in s' W e r k e ...123 ff. I K a p ff, Die Erziehungsschole K a m e ra d sc h a ft, Deutschland als V eitm ach t . . 138 „Die Lese“ ...

140 141

(3)

MONATSHEFTE

DERCöMENIUS"GESELLSCHAFT FÜR VO LKS-^Ä,ERZIEH U N G

S C H R I F T L E I T U N G ^ Ä ^ I 'B E R L I N E R STRASSE 22 DRLUDWIG K E L L E I^ ^ fe^ BERLIN'CHARLOTTBG

VERLAG EUGEN D1EDEFÜCHS IN 3ENA

N. F. B and 2 D ezem ber 1910 H eft 5

Die Monatshefte der C. G. für Volkserziehung erscheinen Mitte Februar, April, Juni, Oktober und Dezember. Die Mitglieder erhalten die Blätter gegen ihre Jahresbeiträge. Bezugspreis im Buchhandel und bei der Post M. 4. Einzelne Hefte M. 1,50. — Nachdruck ohne Erlaubnis untersagt.

DIE ER ZIEH UNG SLEHR E DES COMENIUS UND IHRE ANW ENDUNG IN ALUMNATEN

Von Realschuldirektor Dr. F r . B l e n c k e in Hamm (Westf.) ie Verschiebung des Schwerpunktes der Erziehung

von dem rein Verstandesmäßigen auf die Willens­

und Charakterentwicklung, die als Folge der heftigen Angriffe auf unser heutiges Erziehungssystem nach _________ und nach einzutreten beginnt, läßt auch die Alumnats­

erziehung in einer erhöhten Bedeutung erscheinen. Sie gewährt nämlich im Gegensätze zu der gewöhnlichen Methode, in der die Erziehung zwischen Schule und Haus geteilt wird, die Möglichkeit einer einheitlichen, von bestimmten Grundsätzen geleiteten Erziehung. Solange nun der Schwerpunkt auf die Erzielung eines bestimmten Wissens gelegt wurde, und die Charakterbildung mehr zurücktrat, galt die Alumnatserziehung für ein notwendiges Übel, mehr bestimmt für schwer zu behandelnde Schüler, als für die große Masse; die Charaktererziehung wurde mehr oder weniger der Schule entzogen und der Familie zugesprochen. Mit dieser verschiedenen Zuteilung der Pflichten ist aber in letzter Zeit gründlich aufgeräumt worden; die Schule ist energisch an ihre wahre Aufgabe erinnert worden. Damit tritt aber auch die Not-

Monatshefte der C.G. für Volkserziehung 1910 9

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124 Blencke Heft 5 wencügkeit einer Einheitlichkeit der gesamten Erziehung in den Vordergrund. Ich will nicht näher untersuchen, wie weit sich unsere Alumnate bisher die Möglichkeit einer einheitlichen Charakter­

erziehung zunutze gemacht haben, denn auch sie bewegten sich meist in der allgemeinen, auf die intellektuelle Ausbildung ge­

richteten Zeitströmung, aber es muß doch anerkannt werden, daß in der Neuzeit eine ganze Reihe von Alumnaten und Erziehungs­

heimen mit dem besonderen Zwecke eingerichtet worden sindy die Erziehung mehr vom Standpunkte der Charakterbildung, als der einseitigen geistigen Ausbildung zu betrachten.

Alle diese Anstalten werden, wenn sie sich über die Grundsätze ihrer Erziehung klar werden wollen, an der Gestalt des Comenius nicht vorübergehen können und sich mit seiner Erziehungsmethode auseinandersetzen müssen.

Freilich erscheint gar manchem die Lehre des Comenius als eine längst bekannte, selbstverständliche, teils anerkannte, teils überwundene Sache. Er lehrte die Anschauung! Daß dies aber nur ein recht schwacher, äußerlicher Ausdruck seiner weit tiefer gehenden Gedanken und Forderungen war, wird den wenigsten klar. Es lohnt sich, darauf näher einzugehen!

Da ist besonders seine Forderung: V o r dem Wort (oder z u dem Wort) d i e S a c h e ! In dieser Form ausgesprochen und in seiner weitesten Bedeutung gefaßt, ist es eine Unmöglichkeit für jeden Schulbetrieb. Jeder Unterricht muß die Kenntnis einer Reihe der bekanntesten Begriffe voraussetzen und für neue oft genug an Stelle der Sache selbst die Abbildung benutzen, die immer ein Notbehelf sein wird. Und auch dann noch werden wir die Geo­

graphie- oder Geschichtsstunde nicht in eine Vorführung von Bil­

dern verwandeln wollen. Aber darauf kam es auch Comenius gar- nicht an. Sein Ziel war: Die Entwicklung der Selbsttätigkeit des Menschen zur selbständigen Urteilsbildung in jeder Beziehung.

W i e er sich diese dachte, ist eine Sache für sich, bei der man vor allem bedenken muß, was Comenius f ü r s e i n e Z e i t , in der er lebte und für die er auch zunächst arbeitete, als das Notwendigste zur Erreichung jenes allgemeinen Zieles ansah. Und daß er seine Zeit richtig verstand, geht doch daraus hervor, daß seine Lehr­

bücher eine Umwälzung im Unterrichtsbetriebe hervorgerufen und auch außerhalb der Schule einen Erfolg gehabt haben, wie er beispiellos war. Aber heute müssen wir davon absehen können, was Comenius für seine Zeit tat, wenn wir wissen wollen, was er

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1910 Die Erziehungslehre des Comenius usw. 125 uns selbst sein kann. Und da gewinnt jener oben ausgesprochene

Grundgedanke eine für alle Zeiten gültige Bedeutung.

Die Erziehungslehre des Comenius ist ihrem innersten Wesen nach tief religiös, jedoch nicht weitabgewandt, sondern freudig weltbejahend. „Wir suchen Gott“ , sagt er, „indem wir die Spuren seiner Gottheit in allem Geschaffenen wahmehmen“ . Diesen Zug hat er mit vielen anderen Pädagogen gemein; was ihn aber aus­

zeichnet, ist die Art und Weise, wie er die Naturbeobachtung in den Vordergrund der ganzen Erziehung stellt und wie er sie der Erziehung des g a n z e n Menschen, der Charakterbildung, dienst­

bar zu machen sucht. Seine Lehre gipfelt in den W orten: Selbst­

sehen, Selbstreden, Selbsthandeln! Das ist die Bedingung aller Selbständigkeit der Bildung! H altet fern alles, was einen Glauben auf Kommando, eingebildetes Wissen und stumpfe Sinne bringt!

Wir wollen es endlich dahin bringen, daß die Schulen aufhören zu überreden und anfangen zu beweisen; aufhören zu disputieren und anfangen zu beobachten; aufhören endlich auf Treu und Glauben hinzunehmen und anfangen zu wissen. Die, welche die Kunst, Menschen zu bilden, für sich in Anspruch nehmen, sollen auch Menschen hervorbringen und nicht Bildsäulen meißeln!

In diesen Worten, die in ihrer Zeit wie Keulenschläge wirken mußten, ist das ganze pädagogische Programm des Comenius enthalten: Die Erziehung des Menschen zur Selbständigkeit in jeder Beziehung, zu einer selbständigen Bildung. Daher vor allem auch sein Ruf: Zurück zur Sache, zurück zur Natur! „Die Jugend recht unterrichten heißt nicht ein Gemengsel von Worten, Sätzen, Ansichten und Aussprüchen den Geistern eintrichtern, sondern das Verständnis der Dinge eröffnen. Die Menschen müssen an­

geleitet werden, soviel als möglich nicht aus Büchern zu schöpfen, sondern aus dem Himmel, der Erde, den Eichen und Buchen, d. h.

die Dinge selbst kennen zu lernen und zu erforschen. Die Herr­

schaft der Einbildung in der Welt wurzelt in jener unglückseligen Zerreißung der Sachen und Worte; daher die grenzenlose Begriffs­

verwirrung bei der Menge der oberflächlich Gebildeten. Die Bil­

dung der meisten besteht in einer bloßen Namenanhäufung und in zusammengestoppelten Brocken von daher und dorther.“

Es ist zweierlei, was uns in diesen und ähnlichen Äußerungen des Comenius entgegentritt. Einmal die Betonung der Notwendig­

keit einer Ausbildung aller menschlichen Anlagen, einer har­

monischen Erziehung. Sodann aber auch die Überzeugung, daß 9*

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126 Blencke Heft 5 d i e U r t e i l s f ä h i g k e i t d e s M e n s c h e n i n a l l e n , a u c h d e n a b s t r a k t e n V e r h ä l t n i s s e n , u n b e d i n g t a b h ä n g i g s e i v o n e i n e r r i c h t i g g e l e i t e t e n E r ­ z i e h u n g z u r B e o b a c h t u n g d e r N a t u r . Nur dann, wenn man sich zu dieser Anschauung des Comenius rückhaltlos bekennt, wird die Erziehung des Menschen als Sinneswesen in ihrer wahren und vollen Bedeutung erkannt. Grade für die Alum­

nate aber, die ja ihre Zöglinge auch in der schulfreien Zeit zu ihrer Verfügung haben, ist diese Erkenntnis des Comenius von der weit- tragendsten Bedeutung, sollen nicht die vielfachen sogenannten Nebenbeschäftigungen der Schüler auf eine müßige Spielerei hinauslaufen. Nur vom Standpunkte des Comenius aus können diejenigen Bestrebungen der Neuzeit richtig gewürdigt werden, die den Schüler hinausführen in Wald und Flur zum Beobachten der Tier- und Pflanzenwelt, oder um die Abendstunde hinauf auf den Turm zur ernsten Beschäftigung mit der Sternenwelt (nicht bloß zum Angaffen und Anstaunen), oder die dem Schüler Hobel und Meißel in die H and drücken und ihn sich die ersten Schwielen an den Händen erarbeiten lassen. Also nicht, um die Neigungen der Schüler frühzeitig in bestimmte Bahnen zu lenken, die mit ihrem späteren Lebensberufe in Beziehung stehen, oder um ihnen für ihre Freistunden anziehende Spielereien zu bieten, sondern m it vollem Ernst und der vollen Erkenntnis ihrer er­

zieherischen Bedeutung soll die Erziehung des Menschen als Sinnes­

wesen in die H and genommen werden, soll der alte scholastische W ahn (siehe T ext S. 5 Reihe 4 und 5), als ob die Auf- päppelung mit W orten und Bildern und das Eintrichtern ab­

gedroschener W ahrheiten — ohne jede Verbindung m it der Wirklichkeit — in der T at geistige Bildung erzeugen könne.

Die Anerkennung der Forderung des Comenius verhütet aber auch andererseits, daß wir über das Ziel hinausschießen und nun in jedem Schüler, der eine elektrische Klingelleitung anzulegen ver­

steht, den zukünftigen Ingenieur sehen und seine Zukunft danach zu beeinflussen versuchen. Denn stüm perhaft und elementar werden und müssen alle diese Beobachtungen und Übungen der Schüler bleiben, da es nicht der Zweck ist, hier zum Meister aus­

zubilden. Weder in dem Umfange noch in der Tiefe der erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten liegt der W ert aller dieser Beschäfti­

gungen — das wird leider noch oft verkannt —, sondern in der Gewöhnung zur Beobachtung, in der Gewöhnung den Dingen auf

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1910 Die Erziehungslehre des Comenius usw. 127 den Grund zu gehen, in der Gewöhnung zur Sammlung von Tat­

sachen vor der Urteilsbildung, kurz in der Gewöhnung zu objek­

tiver, auf Tatsachen begründeter Begriffs- und Urteilsbildung.

Daß dazu die Freude am Selbstgefundenen, Selbsterarbeiteten ein höchst schätzenswertes pädagogisches Hilfsmittel ist, ist selbst­

verständlich, doch darf sie niemals allein ein Kriterium für den Wert der Methode bilden. Im Gegenteil muß verlangt werden, daß System in die Naturbeobachtung gebracht wird, daß eine planmäßige Anleitung zur Beobachtung stattfindet und daß strengstens alles vermieden wird, was der Beschäftigung den Charakter einer Spielerei auf drücken könnte. Auch diese Beschäfti­

gung soll A r b e i t sein, soll mit Sorgfalt und Fleiß ausgeführt werden, wobei der Lehrer jegliche Belehrung über Dinge zu ver­

meiden hat, die selbständig gefunden werden können. Und wenn es sich nur darum handelt, den Werdegang einer Raupe festzu- stellen, so kann auf diese einzige Beobachtungsaufgabe eine Fülle von Gewissenhaftigkeit und Nachdenken verwandt werden, die von höchstem erzieherischem Werte ist und mit dem Erfolg den Eifer steigert. Mag auch manches Bemühen und Arbeiten vergebens sein, so schadet es nichts, wenn dem Schüler begreif­

lich wird, daß die Natur nicht auf jede Frage sofort eine klare Ant­

wort gibt, sondern daß oft genug unendliche Mühe und Sorgfalt dazu gehört, um sie zur richtigen Antwort zu zwingen. Aber freilich muß der Schüler auch dabei empfinden, daß diese Art Arbeit für ihn zugleich eine Erholung ist, wie ja überhaupt jede richtige Erholung nur einen Wechsel in der Art der Arbeit bedeutet. Er muß diese neue Arbeit gern ausführen. Dazu gehört beim Lehrer vor allem eine unendliche Liebe zur Sache und viel, viel Geduld, besonders um jedes sprunghafte Wechseln der Neigungen beim Schüler zu vermeiden. Es kann hier sehr wohl der Grund gelegt werden zu dem, was man „wissenschaftlich“ arbeiten nennt, denn die Hauptsache dazu, eine voraussetzungslose, objektive Beobachtung, eine gewissenhafte Berücksichtigung aller auf­

tretenden Umstände, eine sorgfältige Ausführung aller notwendigen Maßnahmen und ein vorsichtiges Maßhalten in der Aufstellung der Schlußfolgerungen kann auch hier gelehrt und gelernt werden.

Comenius hat nicht im einzelnen näher untersucht, welchen wesentlichen Erfolg er sich für die Charakterbildung seiner Schüler durch seine Methode der Naturbeobachtung verspricht. Er faßt jeden Unterricht überhaupt nicht als etwas von der Erziehung

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128 Blencke Heft 5 A b geson d ertes auf, sondern als ein untrennbares G anzes. E in e jed e E rzieh u n g aber, die zu m w ahren w issen sch a ftlich en A rbeiten hin fü h rt, is t sch on an sich sehr w esen tlich charakterbildend, d en n sie fü h rt W a h rh a ftig k eit, S elb stb esch eid u n g u n d E rk en n tn is­

trieb un feh lb ar m it sich. E s lassen sich aber d och eine R eih e v o n A u ssp rü ch en des C om enius zu sam m en stellen , d ie sein B ild auch n ach der S eite der C haraktererziehung v e r v o llstä n d ig e n ; sie zeigen, w ie freih eitlich , ja m odern, sein e gan ze A u ffassu n g der E rzieh u n gs­

au fg a b e ist, u n d daß er d em n eu zeitlich en B egriffe der E rziehung zur S elb sterzieh u n g durchaus n a h esteh t.

„D er M ensch“ , sa g t er, „ ist k ein ged u ld iger K lo tz, aus dem m an ein b elieb iges B ild sch n itzen kan n , sondern etw a s L eb en d iges, das sich se lb st b ild et, v erb ild et, u m b ild et, je n ach d en U m stä n d e n .“

A m b ek a n n te ste n is t sein E rzieh u n gsgru n d satz, der ja au ch das M otto der C om en iu s-G esellsch aft b ild et: O m nia sp o n te flu a n t, a b sit v io le n tia rebus. E r is t im m er v ie l m ehr für A nregung und A n leitu n g , als für K om m an d o. „D ie Lehrer sollen im literarischen F re ista a t n ich t K ön ige sein, sondern A nführer, n ich t G ebieter, sondern B erater, n ich t D ik ta to ren , sondern K o n su ln .“ D ie ganze S chule un d jede K lasse soll n ach ih m das B ild ein es F reista a tes b ieten , der sein en eigen en V erw altungskörper h a t u nd über V er­

feh lu n gen seiner M itglieder selb stän d ig e n tsch eid et; so w erde die J u g en d am b esten fürs L eb en vo rb ereitet. A u ch b ezü glich der P r iv a tstu d ie n der Schüler zeig t C om enius eine sehr freie A u f­

fassu n g: „L assen w ir es d och, sa g t er, unseren Schülern n ic h t an solch em fehlen, w as sie n ach eigen em G u td ü n k en b etreib en , dann w erden w ir sie w ieder b ei dem , w as sie le isten sollen, w illiger fin d e n .“

C om enius h a t also den gan zen M enschen im A uge, u nd w en n er v o n S elb stä n d ig k eit der B ild u n g sp richt, so ist selb stv erstä n d lich d ie C harakterbildung darin ein b esch lossen . E s h e iß t d eshalb ganz in den Spuren des C om enius w an d eln , w en n m an neuerdings v er­

su ch t, soziale G efühle u n d staatsb ü rgerlich e B egriffe den Schülern d u rch „E rfah ru n g“ näher zu bringen. W er so w ie er d em „G lau b en au f K o m m a n d o “ den K rieg erklärt h a t un d die E rzieh u n g d es M enschen durch S elb stseh en u n d S elb sth an d eln v e r tr itt, der w ürde au ch m it der gan zen W u ch t seiner b egeistern d en u n d b egeisterten P ersön lich k eit für die Selb sterzieh u n g der Schüler ein g etreten sein, so w ie sie sich in d en V ersuchen m it der S ch ü lerselb stverw altu n g oder in den b ed eu ten d tiefer g eh en d en A rb eiten u n d V orschlägen ein es J o h a n n es L an germ an n äußert. V or m ir lie g t dessen beschei

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1910 Die Erziehungslehre des Comenius usw. 129 d en es Schriftchen „ D er E rzieh u n g ssta a t n ach S tein -F ich tesch en G rundsätzen in einer H ilfssch u le d u rch gefü h rt“ , ein h o ch in ter­

e ssa n te s W erkchen, das R e su lta t jahrelanger A rbeit, an d em ich nur zu ta d eln habe, daß der N a m e des C om enius n ich t darin er­

w ä h n t w ird, ob w oh l die g an ze A rb eit auch in sein em G eiste durch­

g e fü h r t ist. L angerm ann b e n u tz t d en S chulgarten, um den K indern

„ein S tü ck ch en V a terla n d “ zu geb en und m it seiner H ilfe „die n a tü rlich e B asis zur p ro d u k tiv en , p rak tisch en un d zw eck b ew u ß t g eo rd n eten A rb eit“ zu sch affen , „oh n e die alles W issen nur ein h oh les u n d leeres W ortgek lin gel b le ib t“ . A lso das Ziel is t dasselbe, nur der W eg is t ein veränderter. D er aber w ird im m er abhängen v o n d em jew eiligen Z u stan d e der G esellschaft u nd v o n den t a t­

sä ch lich vorliegen d en äußeren E rzieh u n gsu m stän d en , die wir n ich t n a ch einer Schablone u m m od eln w ollen n och können.

D a ß hier aber, n äm lich in der U m w a n d lu n g der L em sch u le zur E rzieh u n gssch u le, die g rö ß ten Sch w ierigk eiten au ch für die A lu m n a te liegen , is t offen sich tlich . D a k an n ih n en den n Com enius m it sein em Id ea l der S elb stä n d ig k eit der B ild u n g u n d der E in ­ schränkung des E rzieh u n gszw an ges ein w illk om m en er W egw eiser sein . F reilich w ird dies Id ea l sich n ich t erfüllen lassen in den k asernenm äßig an gelegten , m it 200 u nd n och m ehr Schülern b e se tz te n A n sta lten , in d en en nur straffe sold atisch e Z u ch t die O rdnung au frech t zu erh alten verm ag, u nd die E rzieh u n g durch G ew öhnung die L osu n g ist. A u ch diese A n sta lten h ab en ja ihre L obpreiser und V erfechter, w ie ihre V erurteiler; jedenfalls b ilden sie eine „ h a rte“ Schule u n d n ic h t das Id eal der Z ukunft. D ies lie g t m ehr auf d em W ege des Com enius, der E rziehung zur S elb st­

erzieh u n g u nd zur F reih eit. Zu seiner D urchführung bedarf es aber jed en falls einer B esch rän k u n g in der Zahl der Schüler, oder, w ie es je tz t v ielfa ch gesch ieh t, einer V erteilung der Schüler auf ein e A n zah l versch ied en er E rziehungsgruppen, die sich nur zu b estim m te n g em ein sam en Z w ecken zu sam m enfinden. H ier können aber die G edanken d es C o m en iu s: S elb stän d igk eit der B ild u n g durch zw eck m äß ig an g eleg te u n d k o n seq u en t durchgeführte N atu rb eo b a ch tu n g u nd A n leitu n g zu m H an d eln u nd zur T ä tig k eit, in folge der reicheren M ittel besser durchgeführt w erden, als in der ein zeln en F am ilie, w o die E rzieher d en G rundgedanken der E rzieh u n g o ft n och v ö llig frem d gegen ü b er stehen. In den ein zeln en G ruppen andererseits m uß m ö g lich ste F reih eit herrschen, ein G eist des V ertrauens u n d der O ffenheit u n d der H in gab e an das allen gem ein sam e E rziehungsziel, die Selbsterziehung.

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130 Heft 5

VOLKSTHEATER, VOLKSHÄUSER UND VOLKSHOCHSCHULEN IN RUSSLAND

V on

L e o p o l d K ä t s c h e r in Augsburg

;an ist nicht gewöhnt, aus Rußland von volks­

beglückenden Neuerungen zu hören, denn dort ist bekanntlich noch immer ,,der Himmel hoch und der Zar weit“ . Um so überraschender klingt die Nachricht, daß seit 12 bis 15 Jahren eine Be­

wegung im Zuge ist, die nicht nur an sich bemerkens­

wert genannt werden muß, sondern auch alle K ulturstaaten um einige Nasenlängen schlägt. Es handelt sich nämlich vor allem um die Gründung von Volkstheatern in des Wortes wirklichster Be­

deutung. In den letzten Jahren sind nicht nur in größeren und kleineren Provinzstädten Volkstheater wie die Pilze aus der Erde geschossen, sondern selbst in ganz kleinen Dörfern. Diese haben ihre M iniaturtheater mit Bauern als Schauspielern und Zu­

hörern. In einem D orftheater des Gouvernements Samara führt man sogar große Opern auf mit einem wohlgeschulten Bauem- orchester und einem 30 Mann starken Bauemchor. Die E in tritts­

gebühr in dieses Theater beträgt eine Kopeke ! Bauern erbauen die Dorftheater, Bauern malen die Dekorationen und verfertigen die Kostüme, vom Schullehrer eingeübte Bauern und Bäuerinnen sind die Mitwirkenden. In der Regel singen die Helden und Heldinnen in Kostümen, die übrigen Mitspielenden erscheinen in ihren gewöhnlichen Trachten. Der E in tritt in viele dieser Theater ist ganz frei, einige geben nur die Kindervorstellungen gratis. Man wird fragen, wie sich diese Theater erhalten. Nun denn, die meisten werden durch die gemeinsamen Bemühungen von Privatgesellschaften und öffentlichen Regierungskörper­

schaften erhalten. In vielen Gegenden werden die „Volks­

theater“ auf von der Munizipalität geschenktem Boden erbaut.

Viele bekommen aus den Steuergeldern Subventionen, aber die meisten erhalten sich selbst. Jede russische Lokalbehörde, die über eigene Fonds verfügt, h at zu dem Erfolg dieser Bewegung ihr Scherf lein beigetragen. Es ist in den Semstwos Sitte ge­

worden, die Geburts- und Todestage hervorragender Männer durch Stiftung populärer Vortragskurse oder durch Errichtung von Freibibliotheken, billigen Speisehäusern für Arbeiter und von Volkstheatern zu feiern. In Odessa z. B. wurde anläßlich der tausendjährigen Todesfeier des heiligen Methodius ein Volks­

theater eröffnet. Im ersten Jahre seines Bestehens wurden 34 Vor­

stellungen gegeben, welche von 28 000 Personen besucht wurden, die fast alle dem Bauernstände angehörten. In Jekaterinoslaw

(11)

1910 Kätscher, Volkstheater, Volkshäuser usw. 131 ste h e n m it dem T h eater eine V ortragshalle, ein K on zertsaal, ein e F reib ib lio th ek , ein M useum , eine Turnhalle und ein K in d er­

th ea ter , in w elch em gratis P a n to m im en aufgeführt w erden, in V erbindung. E in e S p ez ia litä t R u ß lan d s sind auch die F ab rik ­ th ea ter, die v o n reichen In d u striellen zum W oh le ihrer A rbeiter errich tet w erden.

In teressa n t ist, daß die A n regung zur V olk sth eater-B ew egu n g au s Sibirien kam . 1889 sp en d ete ein M illionär in T om sk eine größere Sum m e, m it w elcher der L okalausschuß des V ereins der

„ E rzieh u n gsfreu n d e“ eine A n sta lt errichtete, an w elche sich ein k lein es T h eater für A rb eiter anschloß. D er V ersuch gelan g so vortrefflich , daß sich die E in k ü n fte der G esellschaft b ald ver­

d reifach ten , das T h eater erw eitert w erden m u ß te, und m an ein M useum u nd m ehrere S ch u lzim m er anfügen k on n te. Zu der­

selb en Z eit tra t in P etersb u rg eine G esellschaft ins L eben, w elche F e ste für die a rb eiten d en K la ssen v era n sta ltete. D ie H a u p t­

an zieh u n gsk raft dieser F e ste b ild eten B ü h n en im Freien, auf w elch en sich Sänger, D ek lam atoren u nd Clowns produzierten.

A ll das k o n n te m an für nur 10 K o p ek en sehen und hören ! D er E rfolg w ar ein ungeheurer. M an h a tte m it ein em K a p ita l v on w en iger als 3000 M. begonnen u nd 1900 w ar die G esellschaft b ereits im B esitze ein es R eservefon d s v o n 340 000 M ., obgleich sie aus dem R ein erträgn is zw ei F reib ib lioth ek en m it L esezim m ern e rrich tet h a tte ! L e tz th in h a t sie billige V olksbadehäuser und S ch littsch u h la u fp lä tze au f der N ew a ein gerich tet.

Im Jah re 1894 begannen M äßigkeitsvereine T eea n sta lten ins L eb en zu rufen. H ier w urden nich tb erau sch en d e G etränke u n d leich te M ahlzeiten zu S elb stk osten p reisen an A rbeiter ab ­ gegeb en . D iese A n sta lten m u ß ten aber n ach kurzer Z eit g e­

sch lossen oder in F reibüchereien u m gew an d elt w erden. D a die V o lk sth ea ter so glän zen d ein gesch lagen h a tten , b eschlossen die M äß igk eitsverein e solch e im A n schluß an die T eea n sta lten zu errichten, un d siehe da: die M ißerfolge verw an d elten sich in E rfolge. N a c h den a m tlich en R egieru n gsb erich ten erfreuen sich die V olk sfeste, V olk sth eater, K on zerte, V orlesungen etc.

eines derartigen A n k lan ges bei den A rbeitern, daß sie sich n ich t nur b eza h lt m achen, sondern auch b ed eu ten d e R einerträgnisse ergeben.

H errn v o n W i t t e h a t R u ß lan d b ek an n tlich das Sp iritu osen ­ m on op ol zu verd an k en , w elch es allerdings n ich t v o n allen K lassen der B ev ö lk eru n g m it gleich er B egeisteru n g begrüßt w urde.

W i t t e sch ein t d em W iela n d sch en G rundsatz zu h u ld igen :

„ N ic h ts h alb zu tu n , is t edler G eister A r t“ und ließ es n ich t bei d em S p iritu osen m on op ol allein bew en d en , um seine L an d sleu te zur M äßigkeit a n zu h alten . In fo lg e seiner A nregung u nd In itia tiv e h ab en sich, w ie b ereits erw äh n t, im gan zen großen russischen R eich M äß igk eitsverein e geb ild et. J ed e P rovin z un d jed es S tä d tch en h a t sein en M äßigkeitsverein u nd jeder V erein

(12)

132 Katseber Heft 5 einen offiziellen Mäßigkeitshüter. Diese Vereine haben ver­

schiedene Bestimmungen; ihr Hauptzweck ist jedoch, auf jede mögliche A rt gegen die Trunksucht anzukämpfen. Da allgemein angenommen wird, daß die Trunksucht hauptsächlich infolge Mangels an guter Ernährung und rationellen Volks Vergnügungen so sehr überhand genommen hat, griff der kluge Finanzminister auf das alte römische ,,panem et circenses“ zurück. Die Auf­

gabe dieser Mäßigkeitsvereine ist es, für billige Volksernährung und Volksunterhaltung zu sorgen. Die H auptstädte gehen mit gutem Beispiel voran. In einem außerhalb Moskaus gelegenen

„Volkshause“ z. B. bekommen Arbeiter schon für 10 Pfennig U nterkunft für die N acht und für 48 Pfennige pro Tag ganze Verpflegung. U nter einem solchen ,,Volkshaus“ versteht man ein Arbeiter-Restaurant mit Klub, Bibliothek und Vergnügungs­

saal. Diese Restaurants sind gut beleuchtete und gelüftete, peinlich sauber gehaltene, große Speisesäle, in welchen jedem Besucher Wasser, Seife und H andtuch gratis zur Verfügung stehen; sie sind vom frühen Morgen bis zum späten Abend ge­

öffnet, Frühstück, Mittag- und Abendbrot werden zu gleich billigen Preisen verabreicht und stets in bester Qualität. In einem dieser Moskauer Volkshäuser befindet sich auch ein Arbeitsvermittelungsbureau.

Das Petersburger Vereins-Volkshaus ist nach dem Muster des Londoner „Volkspalastes“ gedacht. Das alte Nischni-Nowgoroder Ausstellungsgebäude, das knapp an der Newa in einem herrlichen P ark steht, wurde dazu adaptiert. U ralte schattige Bäume, saftige Rasenplätze und prächtige Blumenbeete erfreuen das Auge der Besucher. Der Bau ist in fünf Abteilungen geteilt:

die große Eintrittshalle, das R estaurant, den Konzertsaal, das Theater und den Lesesaal. Der E in tritt zu allen fünf Räumen kostet 20 Pfennig. Der Durchschnittspreis eines reichlichen und schmackhaften Mittagessens beziffert sich ebenfalls auf 20 Pfennig. Im Theater haben 2000 Zuschauer Platz, und es ist täglich gut besetzt. Man kann sich kaum eine aufmerksamere und dankbarere Zuhörerschaft vorstellen, als diese armen Arbeiter, die m it wahrer Verzweiflung in ihren Mienen dasitzen, wenn es dem Helden des Stückes schlecht ergeht und in einen Begeisterungssturm ausbrechen, wenn er über den Feind siegt.

W enn das Stück zu Ende ist, tauschen die Zuhörer lebhaft ihre Ansichten aus; das Theater h at eben den Zweck, den Besuchern neue Ideen auf angenehme A rt zugänglich zu machen und sie zum Nachdenken anzuregen.

Man wird fragen, wie es den Vereinen möglich ist, fast umsonst so viel zu bieten. Das Rätsel wird einfach dadurch gelöst, daß die Regierung sie aus dem Reinerträgnis des Spiritusmonopols subventioniert. Die Provinzvereine bekommen jährlich 50 000, die Petersburger und die Moskauer 500 000 und 300 000 Rubel.

(13)

1910 Volkstheater, Volkshäuser usw. 133 D em Petersburger Verein wurde außerdem noch zur Erbauung

■des Volkspalastes eine Million Rubel zur Verfügung gestellt.

Tatsache ist, daß die russischen Mäßigkeitsvereine, wenn sie auch noch keine M usterinstitution bilden, doch viel Gutes stiften.

Der Einfluß ihrer segensreichen Tätigkeit wird von Ja h r zu Jah r fühlbarer. Sie kämpfen nicht nur gegen die Trunksucht, sondern .auch für die K ultur, für die höhere soziale und geistige E n t­

wickelung des gesamten Arbeiterstandes. Sie sind redlich be­

m üht, in das düstere, freudlose Leben desselben etwas Sonnen­

schein und Abwechslung zu bringen und es angenehmer zu ge­

stalten — kurz: die Volksverdummung aus der W elt schaffen zu helfen.

Es ist eine längst bekannte Tatsache, daß gute Musik, Theater und Lektüre auf den menschlichen Geist veredelnd wirken;

von diesem Standpunkte gehen auch die russischen Mäßigkeits­

vereine aus und sie erzielen erfreuliche Ergebnisse. Es ist für eine Nation ein erhebendes Bewußtsein, zu wissen, daß tausende von Männern und Frauen im ganzen Reich sich zusammentun, um ihren vom Schicksal arg zerzausten Mitmenschen eine stützende H and zu bieten, sie auf einen weniger dornenvollen Weg des Lebens zu leiten und den Schwachen die Steine aus dem Weg zu räumen, über die sie stolpern und sich Schaden zufügen könnten. Das ist wirkliche Barmherzigkeit, die sowohl den Gebenden wie den Empfangenden großen Nutzen bringen muß, denn indem man andere erzieht, erzieht man sich selbst, und in Rußland gibt es mehr zu erziehen als ander­

wärts, wo sich dieses Prinzip übrigens auch noch recht gut anwenden ließe. Man ist nie wissend genug, um nicht vom Nachbar noch lernen zu können.

Das allemeueste auf diesem Gebiete ist die ungemein erfreuliche Tatsache, daß in den letzten Jahren auch schon die Volkshoch- schulbewegung in Rußland Wurzel gefaßt hat, und_zwar so sehr, daß der „Verein für Volkshochschulen“ bereits regelrechte Berichte zu veröffentlichen vermag. Nach dem jüngsten dieser Berichte gibt es solche Anstalten in Petersburg, Moskau, Samara, Kasan, Tiflis, Woronesch, Smolensk, Ufa !usw. Der höchsten Besuchsziffer erfreut sich die Volkshochschule Samara:

ihre i. J . 1909 abgehaltenen 106 Vorträge wurden von 63 811 Personen besucht. In Woronesch hörten 21 774 Personen 171 Vorlesungen an, während die in Kasan veranstalteten 50 Vorträge

11 539 Zuhörer anlockten. Auch in kleineren Gouvernements­

städten war der Besuch im Jahre 1909 recht gut; so z. B.

entfielenJin'JPleskau auf^23 Vorlesungen*5033 Anwesende. B ravo!

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134 Heft 5

DIE DRITTE RHEIN-MAINISCHE VOLKSAKADEMIE

(Kursus für Volksbildungsarbeit)

eit dem Jahre 1899 wirkt im Rhein-Mainischen Gebiet in vorbildlicher Weise der Rhein-Mainische Verband für Volksbildung. E r h at sich die Aufgabe gesetzt, an der Hebung des geistigen Lebens unseres Volkes mitzuarbeiten, er will alle diejenigen, die ein Interesse haben an den Fragen unseres Kulturlebens, sammeln, nicht Leute aus dieser oder jener Partei oder für eine Partei. So sammelt er die Leute aus allen Kreisen, aus allen Parteien, aus allen sozialen Schichten zu einer großen K ultur — zu einer großen sozialen Gemeinde. E r ist ein Verein für ernste, tiefgehende, nachhaltige, unermüdliche Arbeit. Planmäßig leitet die Zentralstelle des Vereins in Frankfurt die Arbeit, wodurch es ermöglicht wird, bis in das kleinste Dorf hinauszukommen, bis heran an den letzten, der den Willen hat, geistig sich fortzubilden. Von Zeit zu Zeit sollen dann die Erfahrensten zusammenberufen werden und die geleistete Arbeit revidieren. Es sollen Staffeln und Plattform en geschaffen werden auf dem Wege, von denen man Umschau halten kann, nach unten, nach der Seite, nach der Fem e und ausschauen in die Zukunft. Solch eine Plattform sollen die Volksakademien sein, von denen die erste 1905 in Rüsselsheim, die zweite 1906 in Heppen­

heim und die dritte vom 25. September bis 5. Oktober d. J . in Wetzlar stattfand. Solch eine Umschau sollte die 3. Akademie ergeben. Ach, wieviel mehr gab sie, wie tief führte sie hinein in das Geistesleben unserer Zeit, wie auf rüttelnd klangen sie hinaus, die Vorträge von Professor N atorp über Pestalozzis Stellung zur Volkserziehung, die Vorlesungen, die wirklich „zum Erlebnis wurden“ , die da ausklangen in dem Bekenntnis: „Wir arbeiten an einem Werk, die Menschheit aufzubauen.“

Eine kleine Schar ideal gesinnter Männer und Frauen sollten zu­

sammen wirken, sich persönlich näher treten und sich in eingehen­

der Aussprache über Ziele, Mittel und Wege der Volksbildungs­

arbeit klarer werden. Die Unterschiede der sozialen Stellung sollen vergessen, die Gegensätze der Meinungen offen ausgesprochen werden. So ungefähr lautete die Einladung, der ca. 70 Personen Folge leisteten. Die Teilnehmer wurden in Wetzlarer Familien untergebracht, während die Mahlzeiten gemeinsam in der Ge­

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1910 Aßmns, Die dritte Rhein - Mainische Yolksakademie 135 werblichen Fortbildungsschule, wo auch die Vorträge stattfanden, eingenommen wurden (die Verpflegungskosten betrugen 2,25 M.

pro Tag). So sorgte der Verband auch in außerordentlich an­

erkennenswerter Weise für das materielle Wohl der Akademie- Teilnehmer. Es ist natürlich unmöglich, bei dem beschränkten Raum, der für einen solchen Bericht zur Verfügung steht, auf die einzelnen Vorträge einzugehen. (Wer sich besonders hierfür inter­

essiert, sei auf das demnächst im Verlage von Quelle & Meyer erscheinende Protokoll verwiesen.) Um aber doch einen Über­

blick über die Arbeitsleistung zu geben, seien die wichtigsten hier angeführt. Es sprachen: Prof. Paul Natorp, Marburg: Fünf Vor­

träge über Pestalozzis Stellung zur Volkserziehung, Prof. Flegler, Bensheim: Das heutige Volksleben als Grundlage der Volks­

erziehungsarbeit, Seminardirektor Dr. Groth, Wetzlar: Schule und Volkserziehung, Prof. Dr. Stein und S tadtrat Dr. Flesch, F rankfurt: Die Bildungsfrage als soziales Problem; aus der Reihe der Vorträge und Aussprachen zur Praxis der Volksbildungsarbeit seien erw ähnt: G. Volk, F rankfurt: Organisationsgrundsätze der Volksbildungsarbeit. — Besondere Schwierigkeiten in der Volks­

bildungsarbeit und ihre Überwindung, Dr. Rob. Kahn, F rankfurt:

Das volkstümliche Vortrags wesen, Pfarrer Fresenius, Essenheim:

Unsere Jugendarbeit, Fräulein Beling, F rankfurt: Die Erziehung der weiblichen Jugend.

Ferner wurde über alle in Frage kommenden Gebiete gesprochen, über das Dilettanten- und das Kunsttheater im Volksbildungs­

betrieb, die Veredlung der Volksgeselligkeit, die volkstümliche Literatur, die Einrichtung und Verwaltung kleiner Volks­

bibliotheken etc.

Außerdem fanden Führungen, Ausflüge und Beispielsveranstal­

tungen statt.

Alle diese Vorträge waren natürlich sehr wertvoll. Aber von ebenso großem Werte war das Zusammenleben der Teilnehmer;

alles das, was in den Vorträgen gesagt wurde, das kann man nötigenfalls in Büchern nachlesen. (Die Natorpschen Vorträge werden erfreulicherweise für sich in Buchform erscheinen und so einem größeren Publikum zugänglich gemacht werden; es wird sich bei diesem Anlaß Gelegenheit bieten, genauer auf sie einzu­

gehen.) Aber diesen Austausch der Meinungen, dieses Zusammen­

leben, das kann man nicht aus den Büchern holen, das scheint mir das Wertvollste. Es waren sehr viele Berufe vertreten. Die erste

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136 Aßmus, Die dritte Rhein-Mainische Volksakademie Heft 5 Liste führte auf: 4 Dreher, 2 Schlosser, 1 Former, 2 Mechaniker,

1 Sattler, 1 H utmacher, 1 Werkführer, 1 Kaufmann, 1 U hr­

macher, 1 Lederarbeiter, 1 Masseur, 2 Studenten, 3 Pfarrer, 2 Ge­

werks- resp. Partei-Sekretäre, 21 Lehrer, 12 Damen ohne Berufs­

angabe (meist Wetzlarer Damen, die sich auch um die Aus­

schmückung der Räume etc. sehr verdient gemacht haben), 3 Schriftsteller und 2 Geschäftsführer von größeren Volksbildungs­

vereinen. Bei den gemeinsamen Mahlzeiten, bei den Spaziergängen, die in den wenigen freibleibenden Stunden unternommen wurden, bei den Debatten, die sich an die Vorträge anschlossen, haben sie ihre Meinungen ausgetauscht und sind sich persönlich näher­

getreten. Ich glaube, es gibt keinen von den Teilnehmern, der hier nicht bei einer ihm sonst fern stehenden Menschenklasse ein neues für ihn unbekanntes Land fand, keinen, der hier nicht innerlich reicher geworden ist.

Ein besonders glücklicher Gedanke war es auch, abends Bei­

spielsveranstaltungen einzurichten, zumal diese den doppelten Zweck hatten, erstens die Teilnehmer zu unterhalten resp. zu belehren und zweitens zu zeigen, wie derartige Vorträge, U nter­

haltungsabende einzurichten sind. So bot an einem Abend das Rhein-Mainische Verbandstheater, das als W andertheater von dem Rhein-Mainischen Verband begründet wurde, eine, zumal wenn man die Prim itivität der Bühne in B etracht zieht, glänzende Auf­

führung von Shakespeares „Was Ih r wollt“ mit den denkbar ein­

fachsten szenischen Mitteln, während ein anderer Abend einen vorzüglichen Unterhaltungsabend nach einheitlichem Programm mit dem Thema ,,Die A rbeit“ brachte.

Wenn der Rhein-Mainische Verband und vor allem sein ver­

dienstvoller Geschäftsführer G. Volk auf die Veranstaltung zurückblicken, ich glaube, er kann es in Zufriedenheit tun mit der Überzeugung, der Weg, der hier bisher eingeschlagen wird, dies Wirken von Person auf Person, ist der richtige Weg. Gewiß stehen der Arbeit noch Berge von Schwierigkeiten im Wege, aber sie werden überwunden werden. Die K ulturarbeit, die hier geleistet wird, kommt nicht zum Stillstand, es geht weiter aufwärts. ,,Es kommt weniger darauf an, die Ziele klar zu formulieren“ , sagte N atorp, „als vorwärtszuschreiten. Der Weg ist alles, das Ziel

ist nichts“ . W a l t e r A ß m u s .

(17)

1910 137

EINE BÜRGERKUNDE FÜR DAS DEUTSCHE VOLK

ie Comenius-Gesellschaft h at sich bekanntlich in den letzten Jahren m it besonderem Nachdruck für die Förderung der Frage der s t a a t s b ü r g e r l i c h e n E r z i e h u n g eingesetzt. Denn in der Forderung einer tiefer gefaßten, ethisch durchdrungenen staats­

bürgerlichen Erziehung kann man in neuem Gewände einen großen Teil der seit fast 20 Jahren von der Gesellschaft vertretenen sozialpädagogischen Forderungen zusammenfassen.

Die von der Gesellschaft herausgegebene Schrift „Nationale staatsbürgerliche Erziehung“ ihres Generalsekretärs K. Hesse h at in Tausenden von Exemplaren kostenlose Verbreitung gefunden und dazu beigetragen, jene heute immer stärker werdende Bewe- wegung zu erzeugen, deren Hauptforderungen die Einführung staatsbürgerlicher Erziehung in alle Schulgattungen des Deutschen Reiches und eine nach derselben Richtung zielende erzieherische Beeinflussung der nachschulpflichtigen Altersklassen sind. Be­

sonders in den Kreisen der Pädagogen und Politiker h at die Tätig­

keit der Gesellschaft Beachtung und Anerkennung gefunden;

zahlreichen Vorträgen haben die Veröffentlichungen der Comenius- Gesellschaft als Unterlage gedient und in verschiedenen Städten h at der Generalsekretär der Gesellschaft selbst Vorträge über diese Frage gehalten. Der neueste Schritt, der unter führender Mitwirkung der Comenius-Gesellschaft in die Wege geleitet wurde, ist die Abfassung und Verbreitung einer Massenpetition an die Regierungen in Sachen der staatsbürgerlichen Erziehung. Zahl­

reiche Organisationen pädagogischer und wirtschaftlicher Art haben sich dieser Kundgebung angeschlossen.

U nter den Einzelforderungen, welche wir in Bezug auf die Förde­

rung der staatsbürgerlichen Erziehung erhoben haben, ist stets die Notwendigkeit betont worden, eine B ü r g e r k u n d e zu schaffen, welche in anschaulicher Weise in die Grundlagen unseres staatlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens einführt.

Was in unserer Literatur fehlt, ist eine B ü r g e r k u n d e f ü r d a s d e u t s c h e V o l k , e i n p o l i t i s c h e s H a u s b u c h , das in jeder Familienbibliothek enthalten sein sollte, uln jeden deutschen Bürger mit den Grundlagen unseres staatlichen, wirt­

schaftlichen und kulturellen Lebens vertraut zu machen.

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138 Eine Bürgerkunde für das deutsche Volk Heft 5 Von den zahllosen Bürgerkunden, die in der letzten Zeit auf dem Büchermärkte erschienen sind, erfüllt eigentlich, trotz mancher guten Arbeiten auf diesem Gebiet, keine den genannten Zweck.

Viele dieser Werke sind nicht viel mehr als Auszüge aus größeren staatswissenschaftlichen Handbüchern; andere wieder zeigen eine einseitige Hervorhebung des juristischen, volkswirtschaftlichen oder staatsrechtlichen Teiles, je nach dem Fachgebiet, in dem der betreffende Verfasser besonders sachkundig ist. Es erscheint daher erwünscht, eine Bürgerkunde zu schaffen, die nicht von einem einzigen oder wenigen Verfassern zusammengestellt ist, sondern in der eine größere Zahl angesehener Fachleute in knappen Zügen ein Bild von dem besonderen Arbeitsgebiet geben, das sie beherrschen.

Es ist das Verdienst des K a i s e r - W i l h e l m - D a n k (Berlin), der vielleicht am treffendsten als eine mehr in der Stille wirkende, aber sehr rührigeVolksbildungsorganisation für Soldaten­

kreise bezeichnet werden kann, unter der Führung seines Vorsitzen­

den, General der Infanterie z. D. v o n G r ä b e r g , diesen Ge­

danken verwirklicht zu haben. U nter der Leitung des geschäfts­

führenden Direktors R o b e r t G e r s b a c h , eines tätigen Mitgliedes unserer Gesellschaft, und seines bewährten Mitarbeiters Dr. B a l l e r s t e d t h at der Kaiser-Wilhelm-Dank in diesen Tagen ein Werk herausgegeben, das unter dem Titel „ D e u t s c h ­ l a n d a l s W e l t m a c h t “ 1) erschienen ist, und als eine den obigen Wünschen entsprechende Bürgerkunde für das deutsche Volk bezeichnet werden kann.

Nicht weniger als 58 hervorragende Gelehrte, Politiker, Offi­

ziere und Fachmänner schildern hier dem deutschen Volke in knappen, anschaulichen Worten, was in Deutschland auf den ver­

schiedensten Kulturgebieten geleistet wird, wie diese Leistungen allmählich zu ihrem heutigen Umfange herangewachsen sind, m it einem W orte wie und wodurch Deutschland W eltmacht wurde.

U nter den H aupttiteln „Volk und S taat“ , „Wirtschaftliche Ver­

hältnisse“ , „Soziale Verhältnisse“ , „Wissenschaft, Technik, K unst“ , „Bildungswesen“ , „Kirchen“ , „Gesundheitswesen“ ,

„W ehrkraft“ , „Politik, Kolonien, Auswärtiges“ , entrollt sich vor dem Leser in einer Fülle fesselnder Einzelabhandlungen ein achtunggebietendes Gesamtbild der deutschen K ultur. Trotz aller strengen Sachlichkeit und einer von allen Mitarbeitern beob­

achteten vornehmen O bjektivität wirkt das Buch dennoch außer­

ordentlich anregend; denn der Leser spürt bei jeder Zeile, daß ein

x) Im V erlage der W oh lfah rtsgesellsch aft „K a m era d sch a ft“ , B erlin W 35.

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1910 Erziehungsschalen 139 aus dem Vollen schöpfender Fachmann, der seinen Stoff mit Liebe behandelt und m it Sicherheit meistert, hinter den Zeilen steht.

Durch die Vielheit seiner Mitarbeiter, die den verschiedensten Berufen, Parteien und Konfessionen angehören, und die doch alle bei ihrer Arbeit von einer einzigen großen nationalen Empfindung beseelt und geleitet werden: Mitarbeiter zu sein an dem großen Werk einer hochwertigen deutschen Nationalkultur, ist das vor­

liegende Werk ein Spiegelbild der deutschen Gesamtkultur. Kein deutscher Bürger sollte an diesem Kulturdokument vorübergehen.

U nter den Mitarbeitern bemerken wir auch manches Vorstands­

mitglied und Mitglied unserer Gesellschaft, so z. B. Dr. jur. et phil.

K e k u l e v o n S t r a d o n i t z („Die deutschen Fürsten“), Prof. Dr. Z o r n („Die deutsche Staatsentwickelung“), Prof.

Dr. Z i e g l e r („Unsere Universitäten“), Dozent K. H e s s e , Generalsekretär der Comenius-Gesellschaft („Die außerschul- mäßigen Volksbildungsbestrebungen“). Von bekannteren Namen nennen wir u. a. Prof. Dr. v. E h e b e r g („Deutsche Finanzen“), Privatdozent Dr. M o s t („Deutsches Städtewesen“), Dr. G.

S t r e s e m a n n (M. d. R.) („Die deutsche Industrie“), Prof.

Dr. M a n e s („Versicherungswesen“), Dr. M a x O s b o r n („Deutsche K unst“), Oberstleutnant a. D. F r o b e n i u s („Deutsche Armee und Landesverteidigungssystem“), Prof.

Dr. S t i e r - S o m l o („Innere Politik“) usw.

Als eine „Bürgerkunde für das deutsche Volk“ kann das vor­

hegende Werk nicht zuletzt wegen seines außerordentlich billigen Preises von 4 Mark (bei 848 Seiten Text auf gutem holzfreien Papier und 200 Seiten Abbildungen) bezeichnet werden, ein Preis, der nur durch die außerordentlich hohe Auflage von 50 000 Exemplaren ermöglicht wird. — Wir empfehlen das Werk auf das W ärmste; es sollte in keinem deutschen Hause fehlen.

ER ZIEH UNG SSCH ULEN

e mehr sich die Schule als ein eigener vielgestaltiger Organismus entwickelte, je vollkommener die schul- technischen Leistungen wurden, um so mehr mußte sie sich dem Leben entfremden, dem sie früher unmittelbar diente, das ist die Tragik alles Wachstums, aller Entwicklung. Und alle Reformen müssen an diesem Punkt einsetzen, müssen der Versöhnung dieses Gegensatzes dienen.

Monatshefte der C. G. für Volkeerziehung 1910 10

(20)

140 ErziehuDgsschulen Heft 5 Den gangbarsten Weg hierzu zu zeigen, ist die Aufgabe, die sich eine im Verlag von J. Hoffmann in Stuttgart erschienene Schrift von Dr. E. K a p f f : ,,D i e E r z i e h u n g s s c h u l e , ein Entwurf zu ihrer Verwirklichung auf Grund des Arbeits­

prinzips“ gestellt hat. Indem der Verfasser seine reichen praktischen Erfahrungen als Leiter einer höheren Erziehungs­

schule der Öffentlichkeit zugänglich macht, ist er sich wohl bewußt, daß es vor allem sich einmal darum handelt, an einem Vorbild zu zeigen, wie unter bestimmten gegebenen Verhältnissen eine solche L e b e n s s c h u l e an einer bestimmten Örtlichkeit ins Leben treten und funktionieren kann. Eine Verwirklichung des seit vielen Generationen ersehnten Ideals der Erziehungs­

schule ist eben vorläufig nur da zu erwarten, wo einesteils die N ot am größten ist, andernteils die Möglichkeit der Selbsthilfe am ehesten vorliegt. Beide Fälle treffen zu für zahlreiche Familien der höheren Stände in den großen Städten, denen es ganz besonders schwer fällt, ihren Kindern die Erziehung zu geben, deren der jugendliche Organismus für ein harmonisches Gedeihen bedarf, und die sich später im Leben den An­

forderungen des gesteigerten Daseinskampfes gegenüber als stichhaltig erweisen wird. Hierzu ist erforderlich eine eigene erzieherische Umwelt für die Kinder außerhalb des Weichbildes der Stadt, ein E r z i e h u n g s h e i m , das bequem genug zu erreichen ist, um die Kinder den Eltern nicht länger als den Tag über, und auch so nur an etwa der Hälfte der Wochentage, zu entziehen. Wie dieses Milieu zu schaffen ist, wird u. a. an dem Beispiel von Ländern gezeigt, die, wie England, schon längst auf diesen Ausweg verfallen sind. Die bestehenden Lehrgänge aber sind gründlich zu revidieren und so einzurichten, daß von jeder Lebensstufe nur diejenigen Leistungen verlangt werden, die der derzeitigen Entwicklung der menschlichen Organe entsprechen (erst Anschauungs-, dann Begriffswissenschaft), daß die Fühlung mit den mannigfaltigen Erscheinungen des Lebens immer gewahrt bleibt, und daß das übliche, meist auf Gedächtnisdrill beruhende Lernen möglichst durch eigene, gestaltende und formende Arbeit der Schüler in Gemeinschaft mit dem Lehrer ersetzt wird. Der Verfasser schlägt hier auf Grund praktischer Erfahrung teilweise ganz neue Bahnen ein. Welche Methoden dabei am besten zum Ziel führen, wie die als privates Unternehmen zu denkende Erziehungsschule durch eine „Schulgemeinde“ gegen-

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gelesen hat und nun ein ebenso „spannendes“ Buch verlangt, oder ein Mädchen, das „kein einziges Buch finden kann, das es lesen mag“. Da müssen oft viele

Darum mag es wohl einen Besucher in Amerika recht unangenehm berühren, daß die Kinder für unser Empfinden dreist, vorlaut, erwerbssüchtig und respektlos sind,

5* Frank, Goethe für Jungens.. für Volkserziehung erscheinen Mitte Februar, A pril, Juni, Oktober und Dezember. Die Mitglieder erhalten die Blätter gegen

reichen Lebens der Öffentlichkeit übergeben können. Hohlfeld war ein eifriger Anhänger der Krauseschen Philosophie und ist sein ganzes Leben hindurch bestrebt

Denn, abgesehen davon, daß eine Volksbildungsarbeit, die auf derartige Themen verzichten will, an Gehalt und Wert unermeßlich viel einbüßt, wird bei Ausschaltung

gelesen werden. Oder etwa in einem Geographiekursus Bücher über Länder- und Völkerkunde, Heimatkunde,Reisebeschreibungen usw. Das wäre der eine Zweck. Außerdem aber gibt der

kanischen Public Libraries, die einer unserer Freunde, Herr Bibliotheksdirektor Dr. Da wir zur wirksamen Werbearbeit die Schaffung eines neuen Namens für die neue