• Nie Znaleziono Wyników

Zeitschrift des Westpreußischen Geschichtsvereins, 1894, H. 34

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Share "Zeitschrift des Westpreußischen Geschichtsvereins, 1894, H. 34"

Copied!
108
0
0

Pełen tekst

(1)

Z E IT S C H R IF T

DES

W estpreüssischen G escbichtsyereins .

H E F T X X X I V .

E R S C H E I N T IN Z W A N G L O S E N H E F T E N .

P R E I S D I E S E S H E F T E S IM B U C H H A N D E L : 1 ,50 M A R K .

DANZIG .

p O M M I S S I O N S - y E R L A G V O N 'Jvi. ^ E R T L I N G .

1894.

(2)
(3)

Inhalt.

Seite.

1. Beiträge zur Geschichte und, Entwicklung der westpreussischen

Stände im 15. J a h r h u n d e rt... ... 1— 80 2. Zum Urkundenbuch des Bisthums Culm . . . 81— 83 3. Zu dem im XIX. Heft der Zeitschrift des Westpr. Geschichts-

abgedruckten zweiten Bande der Schwetzer Kreisgeschichte . . 85— 90 4. Die Verschwörung Georgs von Wirsberg, des Komturs von

Rehden, und der E id e c h se n ritte r...91—104

(4)

' l ' t ■ '

'

- ,•

(5)

Beiträge

zur

Gesellte nnfl Eitwiclln flsr iBStDrenssisdien Stände

im

15. J a h rh u n d e rt.

Yon

E. Blumhoff t.

(6)
(7)

Einleitung.

Viel später als im übrigen Deutschland und namentlich auch in den Nachbarstaaten, Brandenburg und Pommern, kam das ständische Leben in Preussen in Fluss. H ier finden wir die ersten Anfänge einer ständi­

schen Entwicklung erst gegen Ende des 14. Jahrhunderts. Alleiniger T räg er der staatlichen Zentralgew alt war bis dahin der deutsche Orden;

mit dem Schwerte hatte dieser, von Konrad y. Masovien zur Hülfe gegen die heidnischen Preussen gerufen, zuerst das Kulmer Land und allmählich nach vielfachen Kämpfen ganz Preussen erobert und daselbst einen Staat gegründet, welcher dazu berufen war, späterhin neben der Mark B ran­

denburg die Grundlage für die Entstehung der preussischen Monarchie zu bilden. In dem neu geschaffenen Staate war selbstverständlich der deutsche Orden, da er durch Gewalt das Land in seinen Besitz gebracht, allein die herrschende Macht? Daneben entwickelte sich aber nach und

• nach eine andere Macht, die der Stände, welche letzteren darnach trach ­ teten, eine Teilnahm e an der H errschaft über das Land als dessen R epräsentanten gegenüber dem Orden zu gewinnen. Lange Zeit jedoch waren diese Bestrebungen vergeblich, da der Orden es verstand, die Stände niederzuhalten. Solange das Finanzwesen wohl geordnet war, solange die Z insverfassung1) des Ordens sich bew ährte und eine ander­

weitige Besteuerung überflüssig machte, waren die Stände von jedem Einflüsse auf die Zentralleitung des Staatswesens ausgeschlossen. Dies änderte sich erst gegen Ausgang des M ittelalters. Der Orden geriet in Verfall, einmal dadurch, dass seine Prinzipien dem Zeitgeist nicht mehr entsprachen und daher zum Theil von ihm selbst aufgegeben wurden, andererseits dadurch, dass durch die Bekehrung Jagiellos und der L ittauer seine religiöse Aufgabe in Preussen erfüllt war, hauptsächlich auch infolge

J) V gl. über die Zinsverfassung des preussischen Ordens: T o p p e n , „Die Zinsverf.

Preussens unter der Herrschaft des preussischen Ordens“- in der „Zeitschr. fiir preuss.

Gesch. und Landeskunde“. Band IV 1867 und G. S e h m o lle r , die Epochen der preussi­

schen Finanzpolitik im „Jahrb. f. Gesetzgeb., Verwaltung und Rechtspflege“. N. F. 1, 1877, S. 34 fl.

(8)

der immer mehr um sich greifenden Zuchtlosigkeit, W iderspenstigkeit und H abgier der Ordensmitglieder. Bei der mangelhaften Ordnung der K ontrolle and Rechnungslegung verschlechterten sich seine Finanzverhält­

nisse. Durch die Schlacht von Tannenberg seiner bisherigen Macht­

stellung beraubt, in der grössten N ot und Bedrängnis befindlich, sah sich der Orden nunmehr gezwungen, mit der F orderung einer ausser­

ordentlichen Steuer, einer Notbede, an seine U nterthanen sich zu wenden.

Dies gab dem Adel und den S tädten Veranlassung, zum ersten Male vereint in die Oeffentlichkeit hervorzutreten. Denn schon lange waren sie müde der Tyrannei des Ordens, durch welche der Adel von allen einflussreichen Ä m tern und Stellungen ferngehalten, die Städte in ihrer Handels- und G ew erbsthätigkeit beeinträchtigt wurden; sie waren nicht mehr gewillt, nur U nterthanen einer H errschaft zu sein, deren M itglieder keine Landeskinder, sondern meist Frem de w aren1), daher auch für das Wohl und Wehe des Landes nicht das nötige V erständnis haben konn­

ten, und sehnten sich nach einer Mitwirkung an der R egierung und nach einer gewissen politischen Selbständigkeit. Da es sich je tz t um eine ausserordentliche Steuer handelte, zu welcher die U nterthanen nicht gezwungen werden konnten, sondern um deren Bewilligung sie erst ge­

beten werden mussten, so war eine Berufung derselben zu einer allge­

meinen Versammlung, in welcher ihnen diese B itte vorgetragen wurde, notwendig. Dies geschah am 22. Oktober 1411 zu Osterode, woselbst die V e rtreter sowohl der Landschaft als auch der grossen und der kleinen Städte erschienen. Mit diesem Augenblick beginnt die eigentliche Ge­

schichte der preussischen S tä n d e2).

x) Ergänzte sich doch der Orden fast durchgängig aus dem Adel des übrigen Deutschlands, indem Eingeborene des Landes Preussen nur selten Aufnahme als Mit­

glieder fanden.

2) Ueber die früheren Bestrebungen e in z e ln e r Stände, sowohl dev grossen Städte als auch des Landadels, sich korporativ zu organisiren und eine politische Bedeutung zu erlangen, s. hauptsächlich T o p p e n , der deutsche Bitterorden und die Stände Preussens in S y b e ls hist, Zeitschr. 46 p. 445.

4 E . Blumlioff. Beiträge zur Geschichte und Entwicklung

(9)

I .

Die Anfänge der preisssischen Stände und die E nt wi ckel u ng derselben bis z u r G r ün d un g des Bundes 1 4 4 0 .

Die erste allgemeine Ständeversammlung, auf welcher Landschaft und Städte gemeinsam vertreten waren, fand statt, wie schon erw ähnt wurde, zu O stero de1) am 22. F ebruar 1411. Auf ihr wurde dem Hochm eister Heinrich von Plauen auf sein Verlangen zur B estreitung der ersten K riegsrate an Polen ein allgemeiner Landesschoss zugesagt, welcher auch von allen Ständen mit Ausnahme der Stadt Danzig2) entrichtet wurde.

Seit dieser Zeit wurden dann öfters allgemeine Ständeversammlungen abgehalten, welche, wie diese, vom H ochmeister behufs Bewilligung von Steuern einberufen wurden. Andererseits bildete sich allmählich bei den Ständen, wie dies auch in ändern Staaten geschehen w ar3), die Gewohn­

heit aus, auch ohne Aufforderung des Hochmeisters zusammenzukommen und anfangs über Steuerfragen, in den folgenden Zeiten auch über an­

dere Angelegenheiten zu beraten. So haben wir denn zu unterscheiden zwischen Stände-V ersam m lungen, welche vom Hochmeister einberufen wurden, und solchen, welche die Stände infolge ihres Selbstversammlungs­

rechtes abhielten. Anfangs herrschen die Ständetage der ersteren A rt vor, während späterhin, namentlich zur Zeit des Paul von Russdorf, die der letzteren A rt vielfach Anlass zu Streitigkeiten zwischen Regierung und U nterthanen gaben, da jene derartige Versammlungen als einen E in­

1) Wiehert, Die polit. Stände Preussens, Altpreuss. Monatsschrift V, 222 hält diese Versammlung irrtümlich für eine „Notablenversammlung“, indem er ,.Edelsten des Landes“

statt „eldsten des landes“ (S .S . rer. Pruss. IV , 400) liest. Unter den Ältesten des Landes sind hier aber die Vertreter beider Stände zu verstehen, zumal auch aus dem Recesse ersichtlich ist, dass die Vertreter der sechs grossen Städte und „dorczu alle ge­

meine stete des ganczen landes czu Prussen ezu Osterode gesammelt unde vorgaddert“

waren. Die Versammlung war also keine Notablen- sondern eine allgemeine Stände­

versammlung.

2) T o e p p e n , Akten I, 161. S .S . rer. Pruss. III, 326 u. IV, 400. Jahrbücher, Johannes Lindenblatts ed. Voigt u. Schubert, pag. 244. Anm.

3) M o se r , Von der teutschen Reichsstände Landen, pag. 1519 ff. U n g e r , Gesch.

der Deutschen Landstände II, 141 ff. 272 ff. Z o e p f l, Deutsche Rechtsgesch., pag. 498.

W a lt e r , deutsche Rechtsgeschichte I, pag. 430. G ie r k e 1. c. I, 565.

(10)

6 E. Blumhoff. Beiträge zur Geschichte und Entwicklung

griff in ihre Rechte betrachtete und als „conspirationes“ 1), allerdings vergeblich, verbot.

V or den allgemeinen Ständetagen fanden Versammlungen sowohl der Landschaften meist der einzelnen G ebiete, zuweilen auch grösserer Landesteile, wie auch der grösseren Städte statt, in welchen über die Stellungnahme zu den vom H ochmeister gemachten Propositionen beraten und die für den Landtag bestimmten Abgeordneten von ihren speziellen Kommittenten mit den nötigen Instruktionen versehen wurden. Auf dem Landtage selbst war die Landschaft durch R itter und K n echte2), jede der grossen Städte durch zwei bis vier R a tsh erren 3) vertreten. Die kleinen Städte wurden nur bei ausserordentlichen Veranlassungen, namentlich bei Bewilligung von Steuern oder bei Neuerungen zu den Ständeversamm­

lungen einberufen. Nachdem die D eputierten die V orlagen des Hoch­

meisters entgegengenommen hatten, traten sie, jed er Stand gesondert, in die Beratungen ein, überm ittelten sich gegenseitig ihre Beschlüsse, bis man sich endlich zu einem gemeinsamen . Beschlüsse einigte, welcher dann dem Hochmeister anfangs mündlich, später schriftlich zugestellt wurde. W ar eine Einigung nicht erfolgt, so trug jed er Stand besonders seine Beschlüsse dem Hochm eister vor, wie denn ja auch dieser, so z. B K onrad von Brlichshausen, wenn es in seinem Interesse lag, ge­

sonderte Verhandlungen mit den einzelnen Ständen führte. Falls der Hochm eister mit den Beschlüssen der Stände nicht zufrieden war und auch weitere Verhandlungen zwischen beiden Teilen resultatlos verliefen, so wurden die betreffenden Angelegenheiten von den Sendeboten „ad referendum “ an die Ihrigen genommen und auf die Tagesordnung der nächsten Tagefahrt gesetzt. Anderenfalls war im Regiment von 1431 bestim m t4), ,,was unser herre homeister und seyne gebietiger mit den

x ) S .S . rer. Pruss. IV , 66, 78, 79. Anm. 1. 82. T o e p p e n , Akten II, 136, 728 ff.

IV . 65, 66, 69 ff. 284, 285, 312, 346, 379, 426 ff.

2) W ie diese Vertreter und wer dazu gewählt wurde, ja ob dieselben überhaupt gewählt oder ob deren Berufung „nach dem Gutdünken der Gebietiger aus den Kreisen der Angesehensten der Landschaft“ ( S a t t le r , Der Staat des deutschen Ordens in S y b e l’s Histor. Zeitschr. Bd. 49, p. 257) erfolgte, darüber sind wir nicht unterrichtet.

3) Häufig finden wir von dem Rat derjenigen Stadt, in welcher die Tagefahrt statt­

fand, ausser der gewöhnlichen Anzahl noch andere Ratsmitglieder anwesend, welche dann aber nicht stimmberechtigt, also keine eigentlichen Vertreter waren.

4) Diese Bestimmung war zwar schon in der Bittschrift, die Michael Kiichmeister bei seiner Wahl zum Hochmeister am 9. Januar 1414 vorgelegt worden war, enthalten und auch schon damals bewilligt, erhielt aber erst dadurch, dass sie ins Regiment auf­

genommen war, Geseteeskraft.

T o e p p e n Akten I, 628. cf. ibid. I, 241. S c h ü tz , Freussische Chronik fol. 124 (a) act. Boruss. II, 580. Preuss. Sammlung III, 624, 644. Voigt, Gesch. Preussens V II, 658. Wiehert a. a. 0 . cf. M oser 1. c. pag. 716,

(11)

landen und steten eyntrechtiglich beslissen in eren landen czu halden, das dasselbe stete und noch irem abescheiden nicht gewandelt werde.

Ist abir hernachmals icht doran czu wandeln, das sulch eyns mit m eterate der lande und stete werde gehandelt.“ Volle Freiheit bei diesen Be­

ratungen und Unabhängigkeit der Landtagsboten gegenüber der Landes*

herrschaft war das vornehmste Ziel, welches die Stände zu erreichen strebten. Es handelte sich daher zunächst darum, das R echt der freien Wahl der Ständeboten zu erlangen. Die Städte bestritten dem Hoch­

meister die bisher innegehabte Befugnis, die städtischen Landtags­

mitglieder zu ernennen, und nahmen das Recht, Abgeordnete für die Tage­

fahrten zu wählen, für sich selbst in A nspruch; sie setzten zugleich fest, dass, falls der Hochm eister dennoch wider den W illen der S tädte jem an­

den kiesen würde, derselbe auf seine eigenen oder des Ordens Kosten reisen und von der betreffenden Stadt keine Vollmacht bekommen sollte1). Noch mehr wurde die Selbständigkeit der Ständeboten durch eine Bestimmung des Regimentes von 1434 gew ährleistet: „w er noch eyntracht des landes der stete wort furet vor der hirschafft und ouch was die lande und stete unsern herren raten vor das beste, das die von der hirschafft keyne not adir hindernisse dorumb leiden sullen“ 2).

So hatten sich nun die Stände das Selbstversam m lungsrecht und eine gewisse Selbständigkeit der H errschaft gegenüber erworben. Aber es fehlte ihnen immer noch an einer festen Vereinigung, infolge deren sie nicht, wie bisher, als Einzelpersönlichkeiten, sondern als eine ge­

schlossene K örperschaft der Regierung gegenübertreten konnten. Dies war allerdings schon in gewissem Sinne durch die im Jah re 1412 durch Heinrich von Plauen erfolgte Einrichtung des Landesrats erreicht. Dieser setzte sich in ähnlicher Weise, wie der 100 Jah re früher von Herzog

J) T o e p p e n , Akten I, 680, 698, 700, 709. Voigt VII, 670.

AVenn W ie h e r t 1. c. pag. 232 meint, dass der Orden dies neue, von den Städten in Anspruch genommene Recht nicht anerkannt, so ist dies wohl richtig, nützte dem­

selben jedoch nichts. Denn wenn auch der Hochmeister die Sendeboten der Städte zu den Verhandlungen in Brust ernannte und die Städte, um die Verhandlungen nicht auf­

zuhalten, nicht widersprachen, so sicherten sie sich ihr Eecht wenigstens formell dadurch, dass sie die vom Hochmeister ernannten Boten ebenfalls wählten. Bald darauf, am 6. Dec., fassten sie obigen Beschluss, ohne dass wir von einem Einspruch des Ordens gegen denselben etwas hören; ebensowenig ist uns bekannt, dass der Hochmeister jemals wieder städtische Abgeordnete ernannt hätte.

‘2) T o e p p e n , Akten I, 627. S c h ü tz fol. 123 (b). W ie h e r t 1. c. cf. M oser 1510.

V o ig t V II, 407 führt diese Bestimmungen irrtümlich bei dem J. 1422 unter der Reihe der Artikel an, die der neue Hochmeister Paul von Russdorf vor der Huldigung ge­

nehmigen musste. Dieselben wurden aber nicht diesem, sondern Michael Kiiohmeister vorgelegt (T o e p p e n , Akten 1, 242).

(12)

8 E. Blumhoff. Beiträge zur Geschichte und Entwicklung

Johann II. gegründete S taatsrat in B ra b a n t1), aus M itgliedern beider Stände, im Ganzen 4 7 2), zusammen und hatte den Zweck, „M itwissen­

schaft von den Sachen des Ordens zu haben und zum Besten des Ordens und des Landes m itzuraten“ 3). Dadurch war zwar der Anfang zu einer ständischen K örperschaft geschaffen; aber da diese Vereinigung, wenn man überhaupt diese Bezeichnung gebrauchen darf, keine freiwillige, sondern eine gezwungene war, welche schon äusserlich den Stempel des Zwangs insofern trug, als die M itglieder des Landesrates nicht aus freier W ahl hervorgegangen, sondern vom Hochmeister, welcher natürlich meist ihm genehme und gefügige Personen gewählt haben w ird, bestimmt waren, so war dieselbe von geringer Bedeutung und scheint, da wir weitere Spuren ihrer Existenz nicht finden, nur von vorübergehendem Bestände gewesen zu sein. E rst im Jah re 1440 begegnet uns eine W ieder­

vereinigung beider Stände und zwar diesmal auf Grund freien Willens durch die Gründung des Bundes. Immerhin ist das Institut des Landes­

rats insofern als ein F o rtsch ritt in der ständischen Entwicklung zu be­

trachten, als damals der Anfang einer V ertretung und Teilnahme des Landes an der R egierung Preussens gemacht worden war.

Durch diese ersten Errungenschaften erm utigt, suchten die Stände, wie sich gleich zeigen wird, nach und nach immer grössere Rechte, welche sie sich übrigens von jedem neugewählten H ochm eister vor der Huldigung bestätigen liessen, zu erwerben. Dies gelang ihnen umsomehr, als unter H einrichs von Plauen Nachfolger, Michael Küehm eister, wie Johannes von Posilge erzählt, „dy hirschaft nichtes ta t sunder des ge- meynen landis wissin, wend sy alle czit mit yn worin yn erim ra te “ 4).

So erlangten die Stände allmählich fast bei allen Angelegenheiten einen grossen Einfluss. Namentlich erstreckte sich ihre T hätig keit auf das Steuerwesen, die Landesgesetzgebung und die auswärtige Politik.

W ie die Forderung einer ausserordentlichen Steuer zuerst ein Zu­

sam m entreten der Stände veranlasst hatte, so musste natürlich auch fernerhin bei neuen Steuerauflagen erst deren Bewilligung nachgesucht werden. Dies geschah schon ein Ja h r nach dem ersten allgemeinen Lan­

desschoss. A ber diesmal stiess der Hochmeister, nicht wie im Jah re 1411, bloss auf den W iderspruch einer einzigen Stadt, sondern fast des ganzen Landes, und nur mit Mühe gelang es, mit Hülfe des eben er­

wähnten Landesrats, den Schoss zusammenzubringen. Auch dem folgen­

den H ochm eister wurden in den nächsten Jahren wiederholt neue Steuern 1) H iillm a n n , Geschichte des Ursprungs der Stände in Deutschland pag. 662.

2) Siehe unten Cap. IV , pag. 115 If.

3) S .S . rer. Pruss. III, 432.

4) S .S. rer. Pruss. III, 342, 368.

(13)

der westpreussischen Stände im 15. Jahrhundert.

bew illigt. Dagegen kam es unter der Regierung Pauls von Russdorf zwischen diesem und den Ständen, wie fast überall, so auch auf dem Gebiete der Finanzwirtschaft zu heftigen Konflikten. Zwar wurden die Stände 1425 und .1427 nach einigem W iderstreben zur Bewilligung eines Schosses behufs V erbesserung der Münze und Ausrüstung einer Hilfs­

schaar gegen die H ussiten verm ocht1), aber schon in den nächsten Jah ren machten dieselben immer grössere Schwierigkeiten, und kurze Zeit darauf, als der Hochmeister infolge seines Bündnisses mit Swidrigajl das Land leichtsinnig in einen K rieg mit Polen verwickelt h atte, konnte er nur infolge grösser Zugeständnisse von den Ständen eine U nterstützung er­

langen. Jedoch nahmen diese von je tz t ab als ih r R echt in Anspruch, selbst zu bestimmen, welcher A rt die U nterstützung, welche man dem Hochmeister zuteil werden lassen wollte, sein sollte, ob dieselbe in einer Beihülfe von Geld oder in einer solchen durch Stellung von Kriegsm ann­

schaften bestehen sollte, und bei jen er wiederum, auf welche W eise und in welcher Höhe die Steuer aufzubringen w ä re 2) Daher empfanden sie es auch unangenehm, dass der Pfundzoll, welcher ursprünglich für die Bedürfnisse der H ansestädte allgemein, dann nur für die der preussischen S tädte erhoben, von Michael Küchm eister aber auf wiederholte Bitten der Stände im Jah re 1421 endlich abgeschafft worden w a r3), von Paul von R ussdorf eigenmächtig, ohne dass die Stände befragt wurden, wieder eingeführt war. N atürlich war es ihr Bestreben, diesen ihnen so unbe­

quemen Zoll, welcher ohne ihre Zustimmung erhoben wurde, zu beseitigen, und dies umsomehr, als derselbe vollständig in die Kasse des Hoch­

meisters floss, während früher wenigstens doch ein D rittel desselben den Städten zugute gekommen war. Zuerst versuchten sie dies mit Bitten, und als dies nichts nützte und die allgemeine E rbitterung immer grösser wurde, mit Drohungen und Gewalt, so dass schliesslich dem geängstigten und von überall bedrängten Hochm eister nichts anders übrig blieb, als dem Ungestüm der Stände nachzugeben und auf der Tagfahrt zu Elbing vom 5. Mai 1440 in die Aufhebung des Pfundzolls einzuwilligen4). A ller­

dings war dieser Erfolg der Stände nur ein vorübergehender. Denn

1) T o e p p e n , Akten I, 435, 4.43 ff, 463 ff., 487 ff. u. der deutsche Ritterorden 1. c. pag. 439. V o ig t, V II, 482, 490 und Geschichte der Stadt Marienburg pag. 336.

cf. S .S . rer. Pruss. IV , 358.

2) T o e p p e n , Akten I, 550 ff., 584 ff. S c h ü tz , fol. 121 b. B a c z k o 1. c. III, 122. V o ig t V II, 586, 642. cf. Z o e p fl 1. c. pag. 497.

3) T o e p p e n , Akten I, 240, 277, 373, 376. S c h ü tz fol. 112, 113. V o ig t V II, 409 ff. H ir s c h , Danzigs Handels- u. Gewerbegesch. pag. 46. T o e p p e n , der deutsche Ritterorden 1. c. pag. 438.

4) Siehe unten pag. 23.

(14)

10 E. Blvmhoff. Beiträge zur Geschichte und Entwicklung

der Nachfolger Pauls von Russdorf, welcher ebenso sehr die Rechte seiner U nterthanen achtete, als er wiederum verlangte, dass auch von diesen keine Eingriffe in die seinigen gemacht würden, war keineswegs gesonnen, die Konzessionen seines Vorgängers zu bestätigen. Da nun seine U nterhandlungen mit den Ständen zu keinem R esultate führten, berief er sich an den Kaiser, ein Gedanke, welchen auch schon Paul von R ussdorf hatte verlauten lassen 1), und zwang so die durch die kaiser­

lichen Ladebriefe eingeschüchterten Stände, seinem W illen Genüge zu thun und ihm die Erhebung des Pfundzolls, welcher dann erst wieder 1454 bei dem Abfall an Polen aufgehoben wurde, auf's Neue zuzu­

gestehen 2).

Auf die Gesetzgebung hatten die Stände schon frühzeitig eine Ein­

wirkung erlangt. Den ersten Gebrauch von diesem Rechte machten die Städte, während die Landschaft erst um die W ende des 14. und 15. Ja h r­

hunderts an der legislatorischen T hätigkeit partizipierte. Diese bezog sich zunächst auf Handel und Gewerbe, dann bei Streitigkeiten zwischen Stadt- und Landbewohnern auf die Grenzen der Jurisdiktion der Stadt- und Land­

gerichte, ferner auf Bestimmungen für die Tagelöhner, D ienstboten und H andw erker und schliesslich auf allgemeine, die Interessen aller Klassen der Bevölkerung berührende Gegenstände, wie den Rentekauf, die E n t­

führung von Jungfrauen und Ähnliches. Auch in den folgenden Zeiten änderte sich hierin fast nichts. Da wurden mit Zustimmung der Stände, deren Konsens natürlich, wie in allen deutschen Ländern, notwendig war, wiederum Gesindeordnungen, Gesetze bezüglich der Getreideausfuhr, des H onorars der Anwälte und der Ordnung und Regelung des Münzwesens erlassen 3). Vielfach, waren auch Beschwerden über G e w a lttä tig k e it der Gebietiger, Bedrückung der U nterthanen oder Eingriffe in deren Rechte, B eeinträchtigung des Handels und ähnliche Ü belstände4) Anlass zur Publikation von Gesetzen behufs Beseitigung der vorgebrachten Schäden.

Dies geschah namentlich nach der W ahl eines neuen Hochm eisters, w el­

chem, wie bereits berührt is t 5), vor der H uldigung gewöhnlich eine

*) T o e p p e n , Akten II, 67, 105 u. (1er deutsche Ritterorden 1. c. p. 441 n. 1.

Durch diesen Schritt wies der Hochmeister den Ständen die Wege, welche diese später, bei dem völligen Bruch zwischen Herrschaft und Unterthanen, wandeln mussten.

2) cf. pag. 23.

3) T o e p p e n , Akten I, 294, 296. — ibid. I, 259, 266, 270 — 276, 279 ff. 815, 319 ff 329, 332, 342. S. S. rer. Prnss. III, 360 B a c z k o , Gesch. Preussens HI, 75, 84, 155. V o ig t VII, 230, 279. V o s s b e r g , Gesch. der preuss. Münzen und Siegel pag.

152 — 158. W ie h e r t 1. c. pag. 228. W e r n ik e , Geschichte Thorns I, pag. 144. — T o e p p e n , Akten I, 303, 307, 317. W ie h e r t 1. c.

4) Schilderung des Karthäusermönchs in S.S. rer. Pi’uss. IV , 450—465.

5) pag. 3 n. 3) u. pag. 4 n. 2),

(15)

Menge Missstände, um deren Abstellung er gebeten wurde, vorgetragen wurden. Wenn dieser den Bitten seiner U nterthanen w illfahrte und Be­

stimmungen, welche auf eine Abhilfe der Missbrauche und auf die W ohl­

fahrt und das Gedeihen des Landes zielten, erliess, so galten diese, wie oft nur die vom Hochmeister auf die Beschwerden erteilten A ntworten überhaupt, meist als Gesetze. Vorzüglich gab das .Darniederliegen der Rechtspflege Ursache zu Klagen, und Beschwerden und war seit 1432 V eranlassung zu fast nie unterbrochenen Verhandlungen über die Ein­

setzung und die Funktionen eines besonderen Instituts, des sogenannten Richttages *). Zuweilen wurden die von den neugewählten Hochmeistern getroffenen Bestimmungen, sowie verschiedene, schon bestehende und für das ganze Land gültige Gesetze zu einem Ganzen zusammengefasst. Eine solche Sammlung hiess dann eine Landesordnung oder ein Regiment, auch wohl „des Landes W illkür“. Die erste Landesordnung, von welcher wir erfahren, wurde im Ja h re 1408 von Ulrich von Jungingen erlassen2), und nach ihm bemühte sich fast jed er Hochmeister, ebenfalls eine solche Landesordnung zu publizieren, welche namentlich später, zur Konflikts­

zeit, wie z. B. im Jah re 1434, häufig als K öder zur Besänftigung der erregten Gemüter dienen musste.

Ihre H auptthätigkeit entfalteten die Stände auf dem Gebiete der auswärtigen Politik. Schon früher wurden V ertreter von Land und Städten zu Akten von politischer Bedeutung, wie Bündnissen und Friedens­

verträgen u. s. w. hinzugezogen. D aher linden wir bei der Gesandtschaft des Ordens auf dem Costnitzer Konzil ebenfalls V ertreter von Land und S tä d ten 5). Ebenso sind in den Jahren 1414— 1419 bei allen wichtigen Verhandlungen zwischen dem Orden und Polen stets M itglieder der Stände zugegen4), so dass dieselben bald eine Bedeutung und eine Macht erlang­

ten, welche nicht zu unterschätzen war.

Bezeichnend dafür ist eine Bestimmung in der Urkunde des 1422 am Melnosee zwischen dem Orden und Polen geschlossenen Friedens.

Danach sollten, falls der Orden oder Polen den Frieden brechen würde, die U nterthanen des den K rieg beginnenden Teils von jed er Hülfeleistung, sowie überhaupt von allem Gehorsam gegen die H errschaft entbunden sein, ohne von derselben bestraft werden zu dürfen. Dies sollte ihnen

x) Siehe unten Kap. III.

2) T o e p p e n , Akten I, 116 ff. u. d. deutsche Riterorden 1. c. p. 443. S.S. rer.

Pruss. III, 294 ff. Chronik d. Joh. v. Posilge ed. V o ig t u. S c h u b e r t p. 188. Preus».

Sammlung III, 248 ff. V o ig t "VII, 23 ff.

3) T o e p p e n , Akten I, 301. S. S. rer. Pruss. III, 368.

4) T o e p p e n , Akten I, 246, 257, 276, 290, 303, 318, 330. S .S. rer. Pruss. III, 365, 379, 382.

(16)

ausserdem noch durch Briefe verbürgt w erden1). Wie wirksam sich diese Bestimmung, welche hauptsächlich doch den Orden traf, erwies, sollte sich bald zeigen. Durch das Bündnis, welches der Orden mit dem G ross­

fürsten Swidrigajl von Littauen geschlossen hatte, wurde der Hochm eister im Jah re 1432 in einen neuen K rieg mit Polen verwickelt, welcher durch den Beifrieden von LQczyc vorläufig beendet wurde. Als der Hochmeister nach Thorn kam, um den Beifrieden zu besiegeln, fand er daselbst Ge­

sandte des Kaisers Sigismund vor, welche den Frieden zwischen dem Orden und Polen zu verhindern suchten. Da brach aber der Missmut und der allgemeine Unwille, welcher schon während des ganzen Krieges ge­

herrscht hatte und bis je tz t nur mit Mühe unterdrückt war, um so heftiger und ungestümer hervor; man ging zum Hochm eister auf das Schloss, und der B ürgerm eister von T horn , Herm ann Rewsap, rief ihm im Namen der R itterschaft und der Städte die drohenden W orte zu:

,,W urd ewer gnade ein sollichs nicht thun und uns frid und ruhe schaffen, so soll ewer gnade wyssen, das wir selber dafür gedenken wollen und wollen eyn herrn suchen, der uns ruhe und friede wirt sch y ck en 2) “ , d. h. er drohte gemäss den Bestimmungen des Friedens vom Jah re 1422 mit Aufkündigung des Gehorsams und Lossagung von der H errschaft des deutschen Ordens.

Der Hochmeister fügte sich dem Begehren seiner U nterthanen, und so wurde schon drei Tage nach diesem Vorfall, am 21. Dezem ber8), der Beifriede, bei welchem die Kautel von 1422 erneuert wurde 4), auf zwölf Jah re von den Ständen untersiegelt. Bald darauf jedoch wollte der H och­

meister, einerseits infolge des Drängens des Kaisers, der diesen Beifrieden nicht anerkennen wollte, andererseits infolge der Kriegsrüstungen seitens der Polen, den K rieg erneuern. Da traten ihm aber die Stände entgegen, indem sie ihm vorstellten, sie hätten den Beifrieden, wobei sie ,,truwe und ere vorsatczt“ h ätten , mit untersiegelt und wollten auch bei dem­

selben bleiben; der Hochm eister möge sehen, dass er zu einem ewigen Frieden kom m e5). In schrofferer W eise sprach 1435 auf der Tagefahrt zu Thorn Hans von Czegenberg im Namen der R itterschaft, wohl haupt­

a) T o e p p e n , Akten I , 398 fl'. 407. D o g ie l, cod. dipl. Polon. IV , 114.

R a c z y n s k i cod. dipl. Lith. pag. 291, 390. N e u g e b a u e r , hist. rer. Polon. pag. 273.

L e o , hist. Prass, pag. 232, der aber den Frieden fälschlich in’s Jahr 1424 setzt. B a c z k o III, 103, 169. K o t z e b u e , Preussens ältere Gesch. III, 211. V o ig t V II, 448. W ie h e r t 1. c. pag. 228. C aro, Geschichte Polens IIT, 545.

2) S. S. rer. Prass. III, 638.

3) T o e p p e n , Akt I, 617.

4) Ibid. I, 613, 651. S. S. rer. Prass. III, 504. Dog. IV , 112.

5) T o e p p e n , Akt I, 662, 663, 673, 675,678. S c h ü tz , fol. 127 (a). V o ig t . VII, 664. W ie h e r t , 1. c. pag. 232.

12 E. Blumlwff. Beiträge zur Geschichte und Entwicklung

(17)

sächlich des Kulmerlandes, dasselbe Verlangen aus: Sie hätten dem Hoch­

m eister ihre Siegel anvertraut, er und seine Gebietiger sollten je tz t dafür sorgen, „das sy bey eren und redelichkeit bleiben, also sie em das wol zu getrauw eten“ l). Derartige Äusserungen m ehrten sich. So liess der B ürgerm eister von Kulm, Johann Sterz, durch den Comthur von Schwetz dem Hochmeister sagen, derselbe erteile alle Befehle ohne R at von Land und Städten und handele, als ob er diese nicht nötig habe; e r r a te seinem H errn, in Zukunft alle Dinge mit R at seiner Lande und Städte zu be­

sorgen, sonst ,,muchte eyn loser wyndt noch wehen, der langsam gelegert w urde“ 2). Ü berhaupt wurde die Stimmung im Lande und speziell im K ulm erlande immer schwieriger. Die T horner hatten beschlossen, wie der dortige K om thur berichtet, falls der Hochm eister ins F eld ziehen würde, zu Hause sitzen zu bleiben, und falls der Hochmeister jemanden von ihnen heische, keinen herauszugeben, sondern bei einander zu bleiben, ,,und solden si sich alle bei einander irworgen lassen“ 3). Und ähnlich, wie die T horner, dachten auch andere Städte. F erner verlautete, dass die Städte vom König von Polen Hülfe begehrt h ätten , da sie mit ihrem H errn nicht einig w ä re n 4). Desgleichen waren mehrere R itter, darunter Männer, wie Hans von Baisen, Hans von Logendorff, H ans von Czegenberg und andere, bei einer Zusammenkunft zu Niklasdorff überein­

gekommen, sich in keiner Weise in einen K rieg zu geben 5). Kurz R itte r­

schaft und Städte stützten sich auf die Klausel der Friedensurkunde von Lencicz und handelten demgpmäss, indem sie den Hochmeister, ihm jeden anderen R at versagend6), zu einem ewigen Frieden drängten, widrigenfalls sie ihm den Gehorsam aufkündigten. So blieb denn dem Hochmeister, da die Stände sich weder von ihm , noch vom Kaiser, noch von sonst jem anden irre machen Hessen, sondern einmütig und fest auf ihrem alten Standpunkte verharrten, nichts anderes übrig, als am 31. Dezember 1435 mit Polen den ewigen F rieden zu B rest zu schliessen, in welchem nicht nur die alte Klausel, die sich als so wirksam erwiesen hatte, wiederholt, sondern auch die für die Stände wichtige Bestimmung getroffen wurde, dass von zehn zu zehn Jahren die F riedensartikel von den beiderseitigen Ständen aufs Neue beschworen werden sollten 7).

1) T o e p p e n , Akt. I, 678.

2) Ibid. I, 696. V o ig t , VII, 664. S c h ü tz , fol. 127 (a).

3) T o e p p e n , Akt. I, 692. V oigt', V II, 666.

4) T o e p p e n , 1. c. V o ig t, VII, 667.

5) T o e p p e n , 1. c. V o ig t, 1. c.

6) Hans von Czegenberg hatte im Namen von Land und Städten dem Hochmeister zu Thorn erklärt: Wir hören wol, das ir den beyfrede nicht halten weit, dorumb kunnen wir euch keyns nicht geraten. T o e p p e n , Akt. I, 695.

7) T o e p p e n , Akt. I, 711. S.S. rer. Pruss. III, 639. Dog. IV, 132. S c h ü tz ,

(18)

14 E. Blumhoff. Beiträge zur Geschichte und Entwicklung

Das Bündnis des Ordens mit Swidrigajl hatte, wie wir gesehen haben, allgemeinen Unwillen erregt, einmal weil das arm e, ausgesogene, durch den letzten K rieg verwüstete Land durch dasselbe in einen neuen K rieg gestürzt wurde, vor allem ab er, weil der Hochmeister dasselbe, ohne die Stände zu befragen, geschlossen hatte. Schon 1429 war die K lage laut geworden, dass der H ochm eister za den V erhandlungen über K rieg und Frieden niemanden von den Ständen hinzuziehe *). Nun hatte sich der Hochmeister ohne R at und Vollwort der Stände 2) mit Swidrigajl verbündet und erst nachher denselben die Gründe, die ihn zu diesem Bündnisse bewogen hatten, vorgelegt und sie aufgefordert, das Bündnis zu verbriefen und zu besiegeln s). Dies that denn auch, wenn auch wider­

willig, ein grösser Teil der Stände, und so wurde am 15. Mai 1432 die Verbindung von beiden Teilen za Christmemel ,,vorschreben, volendet unde bevestet“ 4), aber der Unwille, hauptsächlich im Kulmerland, war so gross, dass man, wie aus einem Schreiben des Comthur von Osterode ersichtlich i s t 5), sich nach einem neuen H errn umzusehen begann. Der H ochm eister konnte die missvergnügten Gemüter nur dadurch beschwich­

tigen, dass er den Ständen die umfänglichsten Konzessionen machte. So setzte er einen geheimen R at ein, bestehend aus vier Landesrittern, — Botho von Eulenburg, Hans von Baisen, Hans von Logendorff und Niklas Gerlach, — welche in ernsten und wichtigen Sachen m itraten helfen sollten G). Doch durfte ,,ohne .Wissen und W illen der gemeinen Lande und S tädte“ weder K rieg begonnen, noch Bündnisse geschlossen, noch Geschoss oder Zinse auferlegt werden, noch überhaupt etwas, was die

128 (a). L e o , hist. Prnss., pag. 249. N e u g e b a u e r , historia Poloniae, Al. V, 303.

Erneuerter Bericht vom preussischen Abfall. Maynz 1627, pag. 259, 260, 321, 322.

Preuss. Sammlg. VII, 643. B a c z k o , III, 135. K o t z e b u e 111,264. V o ig t , VII, 676.

T o e p p e n in Sybels Ztschr., 1. c, pag. 443. . cf. D lu g o s z , hist. Pol. X II, 689. H i r s c h , 49. W a g n er in d. Guthrie - Gray’schen Weltgeschichte, Bd. X IV , 2, pag. 424. Bei S c h ü tz , L e o , B a c z k o , K o t z e b u e und in der preuss. Sammlung wird der Friede fälschlich ins Jahr 1436 gesetzt. 1436 (3. Juni) fand die Besiegelung der Friedensurkunde statt. (T o e p p e n , Akt. II, 1 5 .)— G r a la th , Versuch einer Geschichte Danzigs. I, pag. 200.

*) T o e p p e n , Akt. I, 523.

2) Ibid. I, 572. S c h ü t z , fol. 119 (b). T o e p p e n in Sybels hist. Ztschr., 444.

3) Ibid. I, 563. T o e p p e n in Sybels hist. Ztschr. a. a 0 . K o t z e b u e , 111, 238.

4) T o e p p e n , Akt. I, 566. S S. rer. Pruss. III, 497 n 4. S c h ü t z , fol. 118 (a).

5) T o e p p e n , Akt. 1,571. V o ig t , VII. 590. V o ig t, Geschichte der Stadt Marien­

burg, pag. 342. V o ig t , Geschichte der Eidecbsengesellschaft, pag. 49, 280.

6) T o e p p e n , Akt. I, 572, 576. S c h ü tz , fol 119 (b.) L e n g n ic h , poln. Bibliothek, Bd. II (IX. Stück), pag 252. B a c z k o , 111,120, 284. K o t z e b u e , III, 256. T o e p p e n in Syb. hist. Ztschr., p. 447. Preuss. Sammlg III, 622, 639. V o ig t , Geschichte der Stadt Marienburg, p. 343.

(19)

Gerechtigkeit des Landes berührte, gethan werden l). F erner sollte nie­

mand ohne Recht und R at der Lande und Städte gerichtet werden.

Dann versprach der Hochm eister den Ständen die Abhaltung eines jährlichen Richttages, auf welchem jeder seine Klagen über Verkürzung seiner Privilegien oder über Vergewaltigung seitens des Hochmeisters, seiner Gebietiger oder sonstiger Ordenspersouen Vorbringen konnte.

Schliesslich wollte der H ochmeister auf demselben Tage mit Hülfe seiner Gebietiger, der Prälaten, Lande und Städte ,,ein gutes Regiment beraten*', durch welches die Gebrechen des Landes gewandelt würden 2). Es waren dies alles Zugeständnisse von w eittragender Bedeutung, durch welche die Macht des Ordens erheblich eingeschränkt wurde, während auf Kosten derselben die Rechte der Stände bedeutend verm ehrt wurden. Durch diese Rechte nun, welche sich die Stände innerhalb so kurzer Zeit erworben hatten, war ihre Entwickelung so gut wie beendet, da es wohl kaum noch etwas gab, was für die Stände erstrebensw ert gewesen wäre oder zu einer V ergrösserung ihrer Macht hätte dienen können.

Wie aber war es möglich gewesen, dass die so lange Zeit vom Orden unterdrückten und von jed er ständischen V ertretung ausgeschlosse­

nen U nterthanen in so kurzer Zeit eine solche Macht erlangen konnten, dass die Gerechtsame der Stände in ungefähr dreissig Jah ren eine solche Vollkommenheit erreichen konnten? Der Grund ist einmal in dem ein­

mütigen Zusammengehen der Stände, des Adels und der Städte, anderer­

seits, abgesehen von der Bedrängnis des Ordens von aussen her, die ja allerdings viel zur Entwicklung der Stände beitrug, hauptsächlich in dem Zerfall und Zwiespalt des Ordens im Innern zu suchen.

W ährend sich im übrigen Deutschland Adel und Städte feindlich gegenüber standen, — man denke nur an die Städtebündnisse und adligen Genossenschaften am Ende des 14. Jahrhunderts, welche sich gegenseitig befehdeten, — so dass es den Landesherren vielfach eiu Leichtes war, ihren Willen durchzusetzen, indem sie, wie z. B. Friedrich I. und F rie ­ drich II. in dem benachbarten Brandenburg, einen Stand gegen den ande­

ren benutzten, herrschte in Preussen im allgemeinen zwischen den beiden Ständen mit wenigen Ausnahmen Einm ütigkeit, welche infolge des ge­

*) T o e p p e n , Akt. I, 5 7 ’, 574. S c h ü tz a.a.O . L e n g n ic h 1. c., pag. 253, 256.

Preuss. Sainmlg a. a. 0 . B a c z k o , III, 121. W ie h e r t a .a .O ., pag. 237. T o e p p e n , Syb. histor. Ztschr. 1. c. V o ig t, V II, 189, der aber diese Artikel fälschlich auf das Jahr 1412 und den damals begründeten Landesrat bezieht. H a r tk n o c h , de antiqua Prussorura re publica §20. cf. U n g e r 1. c. II, 332. C am pe, die Lehre von den Land­

ständen, pag. 176. W a lte r 1. c. I, 430. M o ser 1. c., pag. 351, 840.

2) T o e p p e n , Akten, 1. c, S c h ü tz 1. c. Baczko 1. c. V o ig t 1. c. T o e p p e n , der deutsche Ritterorden etc., 1- c.

(20)

16 E . Blumhoff. Beiträge zur Geschichte und Entwicklung

meinsamen Strebens nach Y ergrösserung der ständischen Macht und V er­

mehrung der ständischen Rechte auf K osten des Ordens, wie überhaupt durch Gleichheit der Interessen noch mehr g estärk t wurde. So brachten Land und Städte auf dem Ständetage zu M arienburg vom 6. Jan u ar 1434

„m it eyntracht“ ihr Begehren vor den Hochmeister. In demselben Jahre noch vereinigten sie sich, falls jem and in seinen Privilegien, Freiheiten oder Rechten bedrängt würde, einander dies nach B illigkeit und R echt verantw orten zu helfen *). Ähnliche V erabredungen finden wir in den folgenden Jahren häufiger 2). Am besten aber dokum entierte sich diese E intracht zwischen Land und S tädten, wie wir gesehen haben, bei den Ereignissen und Verhandlungen der Jah re 1434 und 1435: Stets sehen wir Land und Städte gemeinschaftlich vorgehen. Dazu kam noch ein anderes Moment, wodurch ein grösser und zwar der bedeutendste Teil des Adels an die Städte gekettet wurde. Der Adel des zumteil noch polnischen Kulmer- landes 3), von welchem in erster Linie die Bewegung gegen den Orden aus­

ging 4), und an seiner Spitze die R itte r der Eidechsengesellschaft, hegten, worauf schon Toeppen hingewiesen h a t 5) grosse Sympathieen für P olen; ja, es ist sogar anzunehmen — wenigstens unter der Regierung Pauls von Russ- dorff tritt dies ziemlich klar zu Tage — dass dieselben, vielleicht gelockt durch die grosse Ungebundenheit und F reiheit des polnischen Adels, die H errschaft des Ordens mit der von Polen vertauschen wollten. D arauf und nicht, wie V o ig t m e in t6) gegen Bürgertum und Städtewesen, auch nicht, wie S c h u l t z annim m t7), gegen die Um triebe beim Landgericht, zielt wohl die „H eim lichkeit“, von der in der U rkunde des Eidechsen­

bundes gesprochen wird, und auf deren Offenbarung — ein Zeichen

!) T o e p p e n , Akt. I , 623.

2) Ibid. I, 664, 6 9 3 ,7 0 0 . II, 68, 121, 136. S .S . rer. P ru ss, IV , 412, 1).

V o ig t , V II, 746.

3) T o e p p e n , die Zinsverfassung Preussens unter der Herrschaft des deutschen Ordens in der Ztschr. f. pr. Gesch., IV . Jahrg. 10. Heft, 1867, p. 6 1 3 .— H e n k e l, das Kulmerland um 1400 in der Ztschr. des westpr. Gesch.-Vereins, Heft X V I, pag. 6. — S c h m itt, Land und Leute in Westpr. in der Ztschr. f. pr. Gesch. 1870. Bd. V II, pag. 192. — S a t t le r , a. a. 0 ., pag. 259.

4) V o ig t, Gesch. der Eidechsenges., pag. 48, 5 7 ,280. P r u t z , Gesch. des Kreises Neustadt, p. 66. S .S . rer. Pruss. IV , 763. — V o ig t, Gesch. der Stadt Marienburg, p. 342. T o e p p e n in Syb. Ztschr. 1. c. p. 440.

5) T o e p p e n , Akt. I, 11.

6) V o ig t, V I , 148, 150.

Dagegen spricht schon der Umstand, dass später „Mitglieder städtischer Behörden“

(V o ig t , Gesch. der Eidechsenges., pag. 18) in die Verbindung aufgenommen wurden.

So sehr konnten sich die Tendenzen in so kurzer Zeit nicht ändern.

7) S c h u lt z , das Landgericht und die Eidechsengesellschaft in d. altpr. Monatsschr.

1876. Bd. X III. p. 376.

(21)

der westpreussischen Stände im 15. Jahrhundert.

von ihrer W ichtigkeit — die Strafe der Exklusion aus der Gesell­

schaft und der Ehrlosigkeit des Betreifenden sta n d 1). Denn die Be­

stimmung, einander beizustehen gegen jederm ann, ausgenommen gegen die Landesherrschaft 2), wurde ebensowenig, wie die ähnliche Bestimmung des Bundes, der ja auch trotz derselben gegen die H errschaft revoltierte und schliesslich von derselben ganz abfiel, gehalten. Dies beweist die Teilnahme der E idechsenritter an der Verschwörung des Kom thurs Georg von W irsberg gegen H einrich von Plauen 3). Warum hielt sich ferner die Gesellschaft, wenn sie treu zur H errschaft stand und diese nicht zu fürchten hatte, bis zur Konfliktszeit zwischen Hochm eister und Ständen so verborgen, um erst dann plötzlich wieder hervorzutreten? Doch nur, weil ihre regierungsfeindlichen Tendenzen das Licht nicht duldeten — denn dass die Gesellschaft weiter bestanden hat, beweist ja die F ortdauer der von ihren M itgliedern 1408 gegründeten V ikaria 4) — und weil, wenn die Eidechsenritter ihre Wünsche, die H errschaft des Ordens abzuschütteln und den König von Polen zu ihrem Oberherrn zu machen, realisiert sehen wollten, sie diese bis zu einem geeigneten Zeitpunkt verheimlichen mussten.

Dass sie aber derartige Absichten gehegt haben, darauf weist die U nter­

drückung der Kulm er Banner in der Schlacht bei Tannenberg, sowie die Übergabe der von den Kulm er R ittern eingenommenen Ordensburgen an die P o le n 0), darauf weist auch die Teilnahme der E idechsenritter an der Verschwörung gegen Heinrich von Plauen hin, deren Teilnehmer nach dem Misslingen ihres P lans z^um König von Polen flüchteten und dessen Schutz und Verwendung beim Hochmeister in Anspruch nahmen0). H ätte dann der König von Polen bei einem bevorstehenden Kriege mit dem Orden oder überhaupt bei Misshelligkeiten mit demselben sich an die Stände, hauptsächlich des Kulmerlandes, mit Briefen gewandt, wenn er in ihnen nicht Verbündete und Helfershelfer gesehen h ä tte 7)? Deutlich 1) V o ig t , Gesch. der Eidechsenges., p. 11, 16 u. VI, 150. K o t z e b u e , III, 355.

2) V o ig t, a. a. 0 . K o t z e b u e , a. a. 0 .

3) T o e p p e n , Akt. I, 179 ff. V o ig t, V II, 145 ff. u. Gesch. der Eidechsenges., pag. 29 ff., 199, 202. K o t z e b u e III, 393 ff. G e r s te n b e r g , Heinrich von Plauen, pag. 43.

4) V o ig t , Gesch. der Eidechsenges., pag. 19, 46.

5) S .S . rer. Pruss. 111,316,486. V o ig t, V II, 81, 93, u. Gesch. der Eidechsenges., pag. 38 Anm. 2. C aro, III, 333, 338 ff. W ie h e r t , 1. c., pag. 223. G e r s te n b e r g , a. a. 0 . conf. S .S . IV, 15. D lu g o s z , XI, 316. — B u s c k e , Heinrich von Plauen in d. altpreuss. Monatsschr. 1880. Bd. X V II, pag. 130, 149. S a t t le r , a. a. 0 . I r e i t s c h k e ,

Hist, und polit. Aufsätze II, pag. 52.

6) T o e p p e n , Akt. 1, 182, 183, 186. S .S . rer. Pruss. III, 486. V o ig t, VII, 146 u. 149 und Gesch. der Eidechsenges., p. 38 2), 42, 203. S t e n z e l, I, 198.

7) Dies wird bestätigt durch einen Brief des Komthurs von Osterode an den Hoch­

meister. (T o e p p e n , Akt. I, 571. V o ig t, Gesch. d. Marienbg., p. 342, Anm. 92.) 2

(22)

traten ihre Intentionen zur Zeit Pauls von R ussdorf an den Tag, als sie offen erklärten , sich nach einem ändern H errn umsehen zu wollen, der natürlich, da sie sich zugleich der an der polnischen Grenze gelegenen Burgen bemächtigen wollten, kein anderer als der König von Polen sein konnte x). Demgemäss lässt sich denn auch, zum Teil wenigstens — es lagen ja auch andere Gründe, wie vor allem die Arm ut des Landes, vor,

— der W iderwille des Kulmer Adels, K riegsdienste zu thun, e rk lä re n 2), weil der K rieg mit Polen den Bestrebungen der R itter des Kulmerlandes, von denen ein Teil, wie zum Beispiel die Logendorffs, sogar mit Polen verschw ägert war 3), zuwiderlief. Kurze Zeit darauf herrschte dann all­

gemeine Ruhe und Friede im Ordensstaate infolge der Mässigung und versöhnenden P olitik Konrads von Erlichhausen, und da hören wir denn auch von einer T hätigkeit des Eidechsenbundes nur wenig, wie diese stets, wenn R egierung und U nterthanen in E intracht lebten, sich wieder ins Verborgene zurückzogen, im Geheimen wirkend, Pläne schmiedend, diese aber um so sorgfältiger vorbereitend, stets auf der Lauer, bei passender Gelegenheit wieder aus der Dunkelheit emporzutauchen.

Daher sehen wir sie denn auch bald darauf, unter Konrads Nach­

folger, wieder im M ittelpunkt des politischen Lebens stehen, ihre R ührig­

keit und ihre Bestrebungen verdoppelnd. Sie sind die F üh rer der Be­

wegung, sie stehen an der Spitze der Opposition. Sie sind es, die den Gedanken des Abfalls vom Orden immer wieder verbreiten und immer grössere Sympathieen für Polen erwecken. Um ihre Absichten zu fördern, beschliessen sie, polnische R itter in die Gesellschaft aufzunehmen4). Sie sind es, die mit den polnischen Grossen Verbindungen anknüpfen und sich mit diesen ins Einverständnis setzen; sie sind es, die die Gesand- schaften nach Polen leiten, um sich des Schutzes des polnischen Königs zu versichern, und sie sind es schliesslich, die, als der Ablall Preussens vom Orden 1454 wirklich erfolgt, durchsetzen, dass der König von Polen zum Oberhaupt gewählt w ird 5). Damit war ihr Ziel erreicht.

Wenn nun aber der Adel des Kulm erlands derartige Intentionen

!) T o e p p e n , Akt. 1. c. Y o ig t, a. a. 0 .

Damit stimmt es auch überein, wenn ähnliche Äusserungen von den Städten des Kulmerlands, die mit der Ritterschaft desselben eng liiert waren und von dieser erst viel­

fache Anregungen zur Auflehnung wider die Herrschaft erhielten, verlautbar wurden.

(T o e p p e n , Akt. I, 692. S .S . rer. Pruss. III, 638. V o ig t, V II, 667.)

2) T o e p p e n , Akt. I, 569, 570, 602,673. V o ig t , V II, 627, 667. B a c z k o , III, 298.

3) R a c z y n s k i, cod. dipl. Lith., 216.

4) T o e p p e n , Akten. III, 617. V o ig t , Gesch. der Eidechsenges. pag. 120, 163, und V III, 293. R a n k e , 12 Bücher preussisclier Geschichte, Bd. I, 116.

ö) V o i g t , Geschichte der Eidechsengesellschaft pag. 61, 162. W e r n ic k e I, 206.

V o ig t V III, 375.

18 E. Blumhoff. Beiträge zur Geschichte und Entwicklung

(23)

eines Abfalls und einer Vereinigung mit Polen hegte, wo konnte er da grössere Hilfe und Beistand erwarten als bei den reichen H andelsstädten, die schon dadurch, dass sie infolge ihrer selbständigen Verwaltung ge- wissermaassen einen eigenen S taat im Staate bildeten, in Opposition zur Regierung standen, die ferner dem Orden wegen der B eeinträchtigung ihres Handels stets feindlich gesinnt waren und die überhaupt nach mög­

lichster Unabhängigkeit vom Orden s tre b te n 1)? Kein W under also, wenn sich der Adel des Kulmerlandes, — und seinem Beispiele folgte bald der Adel der benachbarten Gebiete, — an die grossen Städte anschloss und, da es sich um ein Zusammengehen gegen einen gemeinschaftlichen Feind, die Regierung, handelte, eine grosse Einigkeit zwischen den beiden sonst so verschiedenen Ständen herrschte.

Wie a b e rs a h es zu derselben Zeit im Orden aus? D ort fand gerade die entgegengesetzte Bewegung wie bei den Ständen statt. W ährend sich hier zwei sonst so heterogene und feindliche Elem ente einigten und zu einem Ganzen zusammenschlossen, sehen wir dort ein Ganzes sich in einzelne Teile auflösen. Seitdem die eigentliche Aufgabe des Deutschen Ordens, die Bekämpfung der Heiden, durch die Annahme des Christen­

thums seitens Jagiellos und der Litthauer in Preussen weggefallen war und dieser sich hauptsächlich nur noch mit der Verw altung des Landes befasste, seitdem ihm also, da er seiner Bestimmung nicht mehr genügte, jede Existenzberechtigung fehlte, und er nur noch „eine V ersorgungs­

anstalt fü r die nachgeborenen Söhne des deutschen Adels“ geworden war, wurden auch die Ordensregeln nicht mehr so streng befolgt, wurde die Disciplin schlaffer, namentlich als durch Heinrich von Plauen die Ober­

deutschen zur Regierung kam en2), und es wurde infolge dessen auch die P arteiung innerhalb des Ordens immer g rö sser3). Dies zeigte sich schon unter der Regierung Heinrichs von Plauen, dessen Am tsentsetzung ja am besten den inneren Zwiespalt des Ordens dokumentierte; dies zeigte sich in noch höherem Maasse unter Paul von Russdorf.

1) Danzig hatte schon unter der Regierung Winrichs von Kniprode den Ge­

danken gefasst, die Ordensherrschaft abzuschütteln und sich zur freien Hansastadt zu machen (H ir s c h 293. V o i g t V, 343 und cod. dipl, Pruss. III, 183. B u s c k e a. a. 0 . pag. 138), einen Gedanken, den es wohl niemals ganz aufgegeben hat. Wenigstens hatte es 1411 den Anschein, als ob es sich mit Hilfe der Lübecker frei machen wollte (S. S.

rer. Pruss. III, 326 IV , 398. B u s c k e a. a. 0 . G e r s te n b e r g pag. 40, und noch im Jahre 1454 tauchte dieser Gedanke wieder auf. „Ik lede mi dunken,“ schreibt der Rats­

mann Marquart Knake von Lübeck nach Danzig, „wolde wi vri syn, id solde uns nu wol gevallen“ ( S .S . rer. Pruss. IV , 641) cf. V o ig t VIII, 374. K o tz e b u e IV, 150,

151, 322. S. S. rer. Pruss. V , 131.

2) S. S. rer. Pruss. III, 379.

3) Schilderung des Karthäusermönchs in den S. S. rer. Pruss. IV. 449—465.

2*

(24)

Ungehorsam innerhalb der einzelnen Konvente, Auflehnung einzelner Ordensmitglieder sowie ganzer Konvente gegen den Hochmeister und schliesslich U neinigkeit zwischen den H äuptern des Ordens selbst füllten seine Regierung aus.

H auptsächlich waren es zwei grosse Parteien, die sich gegenüber standen, die Oberdeutschen und die Niederdeutschen. Der Hochmeister begünstigte als R heinländer selbstverständlich die Letzteren und ersetzte in den einflussreichen Stellen die Franken, Schwaben und Baiern durch seine L andsleute1), so namentlich in den drei Konventen Königsberg, Brandenburg und Balga, wo jene die Oberhand h a tte n 2). Dies und be­

sonders die Entfernung des obersten M arschalls und Kom thurs von K ö­

nigsberg, V incent von W irsberg, eines Franken, aus seinem Amte hatte die Auflehnung der genannten drei Konvente zur F o lg e 3). Ai^sserdem tra t natürlich eine allgemeine Reaktion der Oberdeutschen gegen die M aassregeln des Hochmeisters ein, welche ihren Abschluss im Jbebruar 1440 fand, als der H ochm eister nach seinem Haupthause Marienburg gekommen war, indem nämlich der Grosskom thur, Wilhelm von Helfen­

stein, der Kom thur von Thorn, K onrad von Erlichshausen, und andere von Mewe aus sich ebenfalls dorthin begaben, sich der Schlüssel zu den Thoren der Burg bem ächtigten und den Hochmeister zwangen, eine Ver­

änderung in der Besetzung der Ä m ter zu Gunsten der oberdeutschen P artei vorzunehmen4).

Zu derselben Zeit, als diese Irrungen in Preussen entstanden, be­

gannen auch Streitigkeiten zwischen dem Hochm eister und den O rdens­

rittern und Ständen in Livland, wo sich nach dem Tode des Landmeisters H einrich von Buckenvorde im Jah re 1437 zwei P arteien gebildet hatteu, die W estfalen und die Rheinländer. Bei der W ahl des neuen Meisters entschieden sich diese für den V ogt von Jerw en, H einrich von N oth­

ieben, während jene für den V ogt von Wenden, Heidenreich Finke von Overbeg stimmten. D er Hochm eister bestätigte den E rsteren. Da jedoch der Gegner desselben den grösseren Anhang auf seiner Seite hatte, so einigten sich schliesslich beide Parteien, bis zur definitiven Regelung der A ngelegenheit durch ein G eneralkapitel den V ogt von Wenden als S ta tt­

halter anzuerkennen. Da der Hochmeister aber von seiner Bestätigung nicht abweichen, andererseits der Statthalter, zumal er die Stände, geist­

liche wie w eltliche, hinter sich hatte, diese B estätigung nicht an­

!) S. S. rer. Prass. 641 n. 1. V o ig t , Gesch. der Stadt Marienburg p. 349 n. 6.

2) Ibid. 702 No. 4.

3) Ibid. 641 No. 1.

4) T o e p p e n , Akt. II, 186 ff. Y o ig t V II, 755 ff. und Geschichte der Stadt Marienburg, pag. 349.

2 0 E . Blumhoff. Beiträge zur Geschichte und Entwicklung

(25)

der westpreussischen Stände im 15. Jahrhundert.

erkennen wollte, so wurde der Gegensatz zwischen beiden immer schärfer und drohte sogar bis zu offener Kriegsfehde sich zu ste ig e rn 1).

W ährend dieser W irren lag der H ochm eister auch noch mit dem Deutschmeister in einem Streite, welcher vielfach auf den V erlau f der anderen Empörungen, namentlich der livländischen, bestimmend ein w irkte und schliesslich die gegenseitige Amtsentsetzung der beiden M eister zur Folge h a tte 2). So befand sich denn der Orden in der heillosesten V e r­

wirrung zu derselben Zeit, wo zwischen den Ständen die grösste Einigkeit herrschte, so dass das moralische Ü bergew icht au fS eiten der Letzteren war.

Dazu kam, dass die revolutionären Elemente dos Ordens sich an die preussischen Stände wandten, weil sie bei diesen, die ja auch in Oppo­

sition zum Hochmeister standen, Beistand erw arteten und zum teil auch erhielten. Schliesslich blieb auch dem geplagten und von allen Seiten bedrängten Hochmeister nichts anderes übrig, als ebenfalls die Hilfe der Stände anzugehen3), so dass diese die eigentlichen H erren der Situation waren. Diese nützten auch den so gewonnenen V orteil fü r sich aus und schlossen am 13. März 1440 zu M arienwerder4) den „Bund vor Gewalt“ , mit der Intention, in allen Nöten einander beizustehen und Jederm ann zu seinem R echte zu verhelfen5), d. h. sie verfolgten, wie auch ständische Einigungen anderer Staaten, welche vielfach unter An­

erkennung des Selbsthilferechts und event. des bewaffneten W iderstandes gegen die H errschaft durch Privilegien bestätigt, w aren6), das Ziel der

„Rechtsbewahrung“ .

1) T o e p p e n , Akt. II, 88 ff. S .S . rer. Pruss. III, 640. Anm. 1. V o ig t V II,

708, 715, 722. S t e n z e l I, 205.

2) S .S . rer. Pruss. a. a. 0 . V o ig t V II, 697 ff, 706 ff., 735, 736.

3) T o e p p e n , Akt. II, 143 und in Syb. Ztschr. 1. c. pag. 440.

4) T o e p p e n , Akt. II, 167. S .S . rer. Pruss. IV, 63, 77, 268, 421. S c h ü tz , fol. 139 (b). Z e r n e c k e , 49. G r a la th I, 210. B a c z k o III, 201. V o ig t V II, 763 und Geschichte der Stadt Marienb arg 353. H ir s c h , 53 T o e p p e n in Syb. Zeitschr. 1. c.

440 — S .S . rer. Pruss IV, 63, 268 führen den 20. März an. phonima dominica, passionis, Sonntag vor Ostern, ist palmar. (20. März), nicht judica (13. März), wie Toeppen, S. S. rer. Pruss. IV, 268 angiebt. — T r e it s c h k e a. a. O.

5) T o e p p e n , Akt. II, 171 ff. u. IV , 122. D o g ie l IV , 15 ff. S c h ü tz fol. 140 ff.

R un a u , Geschichte des 13jährigen Krieges, Vorrede pag. 8 ff. W a i s s e i , Preuss.

Chronik fol. 145 (b) fi. H a r t k n o c h , Altes und Neues Preussen pag. 309 ff. L e n g n ic h , poln. Bibliothek, Bd. II (IX. Stück) pag. 260. B a c z k o III, 202, 370 ff. K o t z e b u e IV , 25. V o ig t VII, 764 u. Gesch. der Stadt Marienburg pag. 355. T o e p p e n in Syb.

Zeitschr. 1. c. 448. W ie h e r t , 1. c. pag. 235. R an k e a. a. 0 ., pag. 114. S t e n z e l 1. c. pag. 207. W a g n er a. a. 0 . pag. 432. M ü lle r , Reichstagstheater II, cap. III, pag. 453. D u m o n ts, corps diplom. III, 1, pag. 86. cf. M oser 1. c. pag. 702, 703.

U n g e r 1. c. II, 245.

6) U n g e r 1. c. II, 245 ff. H ü llm a n n 1. c. pag. 655 ff. 662, 663. G ie r k e 1. «.

I, 544, 546, 550, 554 cf. Z o e p fl 1. c. pag. 498. S c h u lt e 1. c. pag. 199.

Cytaty

Powiązane dokumenty

Schwerlich hätte man es bei dieser halben Massregel bewenden lassen, wenn nicht die Kriegsereignisse, welche bald darauf aus Anlass der Eidesweigerung des

Nach diesem Zeitpunkt gehen die Danziger Kaufherren wie fpanifche Mode- herren durch die Gassen und stehen handelnd und plaudernd auf dem Langen Markt. Genau fo sind sie in

Die gleiche «.«lebendige unpersönliche Note tragen die Mitteilungen über Napoleons hundert Tage, über den zweiten Pariser Frieden, über die Er- öffnung des Bundestages im

Das Danziger Bürgertum der Frühzeit hat keine Urkundenschätze hinter- lassen. Dieser Mangel wird zum Teil durch eine besondere Ungunst der Überlieferung verschuldet.

Als der enge Rat in Voraussicht, dass man sehr viel Geld brauchen würde, eine Anleihe bei den grossen Städten aufzunehmen beschloss, erhoben allein die

gelegt. Von Danzig fuhr man durch die sogenannte E lbinger Weichsel oder die eigentliche W eichsel hinauf bis zur Montauer Spitze. Von hier gelangte man durch die

Schon nach wenigen Jahren bat Bischof Nikolaus den P apst um seine Versetzung und diese wurde auch alsbald in Aussicht genommen, indem der P ap st ihm das

Freilich werden wir die Gerichteten bemitleiden; unter ihnen besonders Conrad Letzkau, denn er war nach sichern Zeugnissen ein Mann, der dankbar bemüht war, dem