• Nie Znaleziono Wyników

Stahl und Eisen, Jg. 42, Nr. 5

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Share "Stahl und Eisen, Jg. 42, Nr. 5"

Copied!
40
0
0

Pełen tekst

(1)

m STAHL Hl EISE 1) M .

Nordwestlichen Groppe I J * 4 1 1 Vorstandsmitgl ed des

des Vereins deutscher 9 * * 1 k Vereins deutscher

Z E IT S C H R IF T

industrieller. I ute.

FÜR DAS D E U T S C H E EISEN H Ü TT EN W ESEN .

N r. 5. 2. F e b ru a r 1922. 42 Jahrgang.

D e r R u t h s s c h e D a m p f s p e i c h e r .

Von O beringenieur ®ipl.*3ng. G. S c h u l z in Dortmund*

(Mitteilung aus dem Maschinenausschuß des Vereins deutsoher Eisenhüttenleute.)

(W e s e n des R u th sv erfa h re n s w en ig e r d er S p e ic h e r a ls sein e S c h a ltu n g . E in flu ß der L e istu n g ssch w a n k u n g e n a u f d ie W irtsc h a ftlic h k e it. S c tia ltu n g ssc h e m a ta ein es D a m p fk r a fte le k tr iz n ä ts w e r k e s , ein er B ra u ere i, eines

H o ch o fen w erk es fü r d a s R u th sv e rfa h re n , A u sfü h ru n g sfo rm e n vo n S p e ic h e rn .)

J

e mehr w ir uns Mühe geben, die K esselfeu e­

rungen wärm etechnisch einw andfrei zu g e sta l­

ten, desto mehr kommen w ir leid er zu dem E rgeb ­ nis, daß bei schw ankendem B etriebe, d. h. bei stoß ­ weiser Dampfentnahm e, es nur bis zu einem g e ­ wissen Grade m öglich ist, den B rennstoff g leich ­ mäßig gut auszunutzen. S olan ge die D am pfent­

nahme eine gew isse G leichm äßigkeit aufw eist, sind die Rauchgasdiagram m e und die Tem peraturkurven auch gleichm äßig g u t zu halten. Sobald die Feuer öfter v e r ste llt w erden m üssen, wird der B etrieb unübersichtlich und sch w ierig. H iervon müssen wir uns in der P raxis leid er nur zu oft ü berzeugen.

Schwankungen in der D am pfentnahm e sind aber fast immer vorhanden und sind j e nach der E ig e n ­ art des B etriebes klein er oder g rö ß er. I s t man nun zu der E in sich t gekom m en, daß nur ein g le ic h ­ mäßiger B etrieb es erm öglicht, den B rennstoff richtig auszunutzen, so komm t n atürlich von seihst die Aufgabe, diese G leichm äßigkeit nach M öglich­

keit zu schaffen. D ieses B estreb en führt zu dem Gedanken der D am pfaufspeicherung in größerem Maße. A ehnlich liegen die V erh ältn isse übrigens auch auf dem G ebiete der H och ofen gasw irtsch aft.

J etzt, w o wir so w eit gekomm en sind, das G icht­

gas bis zum letzten K ubikm eter w ärm etechnisch gut auszunutzen, müssen w ir leider einsehen, daß wir ohne größeren Speicher nicht mehr auskommen.

Die F rage der A ufspeicherung von D am pf ist nicht neu. W ir kennen b ereits D am pfspeicher als Rateau-, als G locken- oder als R aum speicher. Mit diesen Speichern wird aber bisher immer nur ein ganz b estim m terE in zelzw eck v e r fo lg t, z .B . der den Auspuffdampf von Förderm aschinen, W a lzw erk s­

maschinen usw . für verh ältn ism äß ig k u rze P ausen aufzuspeichern. D ie A ufnahm efähigkeit d ieser bis­

her bekannten Speicherausführungen is t deshalb sehr gerin g, so daß sie für einen p raktischen A us­

gleich zwischen D am pferzeugung und D am pfent­

nahme im allgem einen nicht in F rage kommen.

Von einem idealen D unpfspeicher ist folgendes zu

verlangen: D ie A ufnahm efähigkeit muß so groß sein, daß der K esselb etrieb dauernd gleichm äßig durcharbeiten kann, ohne sich um die Schw ankun­

gen der Dam pfentnahm e zu bekümmern. A lso nehmen w ir als B eisp iel ein E lek trizitä tsw erk . A uf der einen S eite haben w ir das K esselhaus als D am pferzeuger, auf der anderen S eite die T ur­

binen mit ihren N ebenm aschinen als Dam pfverbrau­

cher. Je nach dem W och en tage und nach der T a g eszeit is t in folge der Strom verbrauchsschw an­

kungen die Dam pfentnahm e der Maschinen v e r ­ schieden groß. D er zw ischen K essel- und Ma­

schinenhaus in richtige)- W eise ein g esch a ltete Spei­

cher muß es erm öglichen, daß im K esselhaus tro tz aller B elastu n gssch w an k u n gen s te ts gleichm äßig durchgefahren w erden kann. D ieser Id ealfall wird, w irtsch aftlich b etrach tet, nicht im mer die rich tige Lösung sein, sondern man w ird sich in vielen Fällen damit zufrieden geben, die Dam pfentnahm e in g e ­ w issen B etriebszeitab sch n itten , z. B . in einer R eihe von Stunden oder T agen, k on stan t zu halten. D er neue Speicher nach D r. R uths g ib t uns ein M ittel, in d ieser W eise die W arme W irtschaft unserer K essel- betriebe bedeutend zu verbessern. E s muß hier bem erkt w erden, daß in D eutschland das System bisher unbekannt w ar und daher noch keine A nlage in B etrieb is t, und daß diese Speicher bisher nur in Schw eden und F innland au fgestellt sind. E s besteh en dort etw a 5 0 bis 6 0 A nlagen.

D as N eue an dem R uthsschen D am pfspeicher ist nicht eigen tlich das Speichergefäß selbst, son ­ dern seine S chaltung, d. h. seine E infügung z w i­

schen K esselhaus und D am pfleitungen. D er Spei­

cher (Abb. 1 ) x) selb st is t im großen und ganzen ein einfacher W a lzen k essel m it zw ei gew ölb ten Böden, der zu etw a 9 0 % m it W a sser g efü llt ist.

D er D am pf g e la n g t durch die V en tile X , und Y , in die V erteilu n g sleitu n g Z und ström t durch die D üsen P aus. D ie D üsen w irken w ie Strahlpum ­

1) D ie Abbildungen sind teilweise aus dem K atalog der V aporackum ulatorjA .-G ., Stockholm, entnommen. (

22

(2)

loti Stahl und Eisuu. D er Ruthexche D am pfepeich.tr. 42. Jahrg. Rr. 5.

pen und haben den Zweck, eine schnelle, innige V erm ischung zw ischen Dampf und W asser herbei- zuführen. D er A u stritt des Dampfes geschieht durch die D üse F . D iese D üse F ist nach Art einer L aval-D ü se ausgebildet. Bei einer solchen D üse ist die Dampfm enge bekanntlich in gew issem

¡Sinne unabhängig vom Gegendruck. Sie läß t also nur eine begrenzte Dampfmenge durch und wird deshalb bei Rohrbruch als R ohrbruchventil w ir­

ken. An einer Stirnwand des Speichers befindet sich ein W asserstandsanzeiger W , der entsprechend g eeich t ist und ermöglichen soll, den W asser­

stand des Speichers aut einer vorgeschriebenen Höhe zu halten. In der P raxis hat sich gezeigt, daß ein Auffüllen des W asserinhaltes nur selten n ötig ist. D er B ehälter ist gu t isoliert, so daß A bkühlungsverluste praktisch nicht in F rage kom­

men. G rundsätzlich bietet also der Speicher selbst nichts N eues. Neu is t seine Schaltung, der B eh äl­

ter m it seinem großen W asserinhalt wird nämlich so g esch a ltet, daß Druckschwankungen von mehre­

ren Atm osphären in der Dam pfleitung zugelassen werden können. D er Betrieb muß also diese D ruck­

schw ankungen von mehreren Atmosphären ohne w eiteres g esta tten . Ferner ist der Arbeitsbereich m öglichst in das N iederdruckgebiet zu verschie­

ben. dadurch ist dann neben geringeren A n­

lagekosten die große Dampfaufnahmefähigkeit dieses neuen Speichers gegeben. E s muß von F a ll zu F a ll überlegt w erden, in w elcher W eise der R uthssche Dampfspeicher in den Betrieb einzufügen is t, denn es läßt sich kaum ein allgemein passendes Schema hierfür nngeben.

5 kg Dam pf je m 3 W a sser abgegeben, bei 3 at bereits über 2 0 kg. Man sieh t also, daß der Spei­

cher um so aufnahm efähiger ist, je niedrigere Drücke w ir zulassen. A n Hand dieser K urve läßt sich leich t die G röße des Speichers, wenn eine be­

stim m te n otw en d ige Dampfaufnahm efähigkeit ver­

lan gt ist, bestimm en. Unsere normalen Dampf­

k essel stellen in g ew issen Grenzen auch Dampf­

speicher dar, und zw ar ist ihre Speicherfähigkeit natürlich um so größer, je größ er der Wasser- inhalt, ist. Ihre Speicherfähigkeit je m3 Wasser­

inhalt ist aber gegen ü b er der Speicherfähigkeit der R uthsspeicher verschw indend klein, weil sie einm al naturgem äß im H ochdruckgebiet liegen müs­

sen und anderseits erhebliche Druckschwankungen aus B etriebsrücksichten nicht zu gelassen werden können. D eshalb is t ihre W irksam keit als Spei­

cher praktisch gerin g.

Ehe ich nun einige B eisp iele erläutere, möchte ich die F rage streifen, w ie groß ist denn rein rech­

nerisch der V orteil, w elchen w ir durch gleichmäßi­

gen B etrieb im K esselhaus gegenüber dem schwan­

kenden B etriebe erreichen. D ie außerordentlichen V orzü ge, w elch e ein gleichm äßiger Betrieb an und für sich mit sich bringt, w eiß am besten der Be­

triebsmann zu sch ätzen . E r w eiß am besten, daß es bei stoß w eiser D am pfentnahm e kaum möglich ist, einw andfreie D iagram m e für R auchgas und Abgas­

tem peratur zu erhalten. Für diese Frage sind Ver­

suche von Geheim rat J osse bem erkensw ert, dieletzt- hin an einem neu zeitlich en Steilrohrkessel durch­

geführt sind. .Tosse hat an einem Steilrohrkessel

— B auart W alth er & Co. — von 3 3 2 m2 Heizfläche eine R eihe von V ersuchen durchführen lassen, um

D ie K urve (Abb. 2) stellt die A bhängigkeit der D am pfaufnahm efähigkeit eines Speichers von den verschiedenen Dampfdrücken dar. D iese K urve z e ig t die von 1 m3 W asser bei einem Druckabfall von 1 kg/cm 2 abgegebene Dampfmenge G bei v er­

schiedenen Drücken p, z. B . werden bei 20 at nur

den U nterschied des W irkungsgrades bei gleicher B elastung und bei schw ankender Belastung einmal festzu stellen . D ie V ersuche wurden sehr genau durchgeführt, alle M essungen m it geeigneten Meß­

instrum enten des M aschinenbau-Laboratoriums der Technischen H ochschule Charlottenburg vorgenom-

(3)

Z. reurutu i w - is tr num öache D a m p f Speicher. S ta h l u n d E ise n . 167 Zahlentafel 1. V e r d a m p f u n g s v e r s u c h e a n e i n e m S t e i l r o h r k e s s e l (332 m2 H e i z f l ä c h e , 90 m2 U e b e r h i t z e r , 170 m2 V o r w ä r m e r ) m i t g l e i c h m ä ß i g e r u n d s c h w a n k e n d e r

B e l a s t u n g .

Z u s a m m e n s t e llu n g d er M i t t e l w e r t e

V e r s u c h gleichmäßige

Belastung ungleichmäßige Belastung

D a u e r ... st 7 7 81/ . 8

nutzbar nutzbar

Gesamte D a m p fe r z e u g u n g ... kg 62 530 48 645 43 000 42 0 5 0 3) 53 050 52 220 3) Mittlere stündliche DampferzeuguDg . kg/st 8 950 6 950 6 900 6 630

Mittlere stündliche Dampferzeugung/m2

H e iz flä c h e ... kg/m 2 u. st 27 21 20,8 20,0 Gesamter K ohlen verbrauch... kg 7 811 6 444 6 438 7 750

Mittlerer stündlicher Kohlenverbrauch kg/st 1120 920 1 030 970

Mittlerer K e s s e ld r u c k ... at üebcrdr 12,7 13,3 12,0 12,2 Mittlere D a m p ftem p er a tu r... 0 C 300 288 294 279 Mittlere Speisewassertemperatur (vor

Vorwärmer)... 0 C 54,5 58 53 56 Mittlerer Kohlensäuregehalt der Rauch­

gase (hinter V orw ärm er)... °//O 11,9 10,1 7,05 7,2 Mittlere Rauchgastemperatur (hinter

V o r w ä r m e r )... 0 C 2 11 206 226 214 Mittlere V erd a m p fu n g ... kg/kg

Kohle

8 7,6 6,7 2) 6,55 6,85 2) 6,7

Im Dampf aufgenommene Wärme . . W E/kg Dampf

670 660 662!) 663 657*) 658

Im Dampf auf-enommerie Wärme W E/kc

auf 1 kg Kohle b e z o g e n ... Kohle 5 360 5 000 4 490 4 350 4 500 4 400 Heizwert der Kohle (Oberschlesische W E/kg

K o h le)... Kohle 6 450 6 450 6 450 6 450 6 450 6 450

Wirkungsgrad . . ... o/o 83 78 69 67,5 70 68,3

men. D ie B edienung des K essels erfolgte in allen Fällen von geübten H eizern. D ie Ergebnisse der Versuche sind in Z ahlentafel 1 zusam m en­

gestellt. E s sind v ier H auptversuche, a, b, c'

Dam pf je Stunde, zw ei V ersuche c' und c" m it einer schw ankenden B elastu n g von 8 0 0 0 bis 9 0 0 0 kg, und ferner zum V ergleich ein V ersuch b m it der minderen B ela stu n g , wie sie sich aus dem V er-

Abbildung 1. Ruthsspeicher.

und c", vorgenom m en. V ersuch a is t durchgeführt bei voller und gleichm äßiger B ela stu n g von 9 0 0 0 k g

‘) Der duroh die Sicherheitsventile entwichene Dampf

ist gesättigt.’ t .

2) Bei den Werten unter c', c " ist die nutzbare Dampfentnahme (Verlust durch Abblasen der Sicher­

heitsventile abgezogen) zugrunde gelegt.

*) Infolge Abblasens der Sicherheitsventile ist ein Teil des Dampfes nutzlos entwichen.

such c' errechnet, aber bei gleichm äßiger Dampf­

lieferung. Zusamm enfassend ergaben die V ersuche fo lg en d es:

1. daß bei stark schw ankender Belastung-

_ m Ö

die m ittlere stündliche L eistu n g des K e sse ls um rd. 2 2 % k lein er w ar als bei gleichm äßiger B ela stu n g , daß also bei A n la g en m it sch w an k en ­ der B ela stu n g die A n zah l der K essel dem entspre­

chend v erm eh rt w erden muß;

^ hg/cm2’ abs.

Abbildung 2 Von ] m3 Wasser bei einem Diuokabfall von 1 kg cm2 erzeugte Dampfmenge G für verschiedene

Dampfdrücke p

(4)

168 Stahl und Eisen. D er Rulhssche D a m p f Speicher. 42. Jahrg. Nr. 5.

2. daß sich U nterschiede der W ärm eausnutzung des K essels bei schw ankender B elastu n g g eg en ­ über gleichm äßiger B elastung bei derselben Dampf-

Speichenmanometer r

Generator

Huthsspeicher

Abbildung 3. Schaltungsschema eines jjampfkr'ift-®

elektrizitätswerkes m it Ausgleich der Belastungs­

spitzen durch Ruthsspeicher.

entnähme um 1 5 ,5 % gegenüber gleichm äßiger Dampf entnähme bei V ollast um 2H % ergaben.

“ D ie V ersuche bew eisen demnach die großen w irtschaftlichen V orteile, die E inrichtungen ge­

währen, die trotz erheblich schwankenden Dampf­

bedarfes eine gleichm äßige B ela ­ stung der K esselanlagen mit der normal w irtschaftlich günstigen spezifischen D am pfleistung er­

m öglich en .“

E s sind also rein rechnerisch schon ganz erhebliche V orteile, die ein gleichm äßiger K esselbetrieb gegenüber einem schwankenden b ietet. Ich w erde h ier einige B eispiele anführen, an denen man gru n d sätzlich die E igen art und das W esen der Ruthsschen Idee er­

kennen kann.

Zunächst das Schaltungsschem a ein e s D am pfkraft - E lek trizitä ts­

w erkes mit A usgleich der B e­

lastungsspitzen durch einen Ruths- Speich er (siehe Abb. 3). Die Dampfturbine ist in zwei Stufen ge­

te ilt und mit dem Generator gekuppelt. Zwischen Hochdruck- und Niederdruckturbine is t der Sp ei­

cher a n gesch altet. D ie Hochdruckturbine nimmt die Grundbelastung auf, die Niederdruckturbine die Spitzenbelastung. D er vom K essel kommende Hochdruckdam pf kann, nachdem er die Hochdruck­

turbine durchström t hat, entw eder unm ittelbar in die N iederdruckturbine oder in den Speicher fließen.

N ehm en w ir z. B. an, die K essel erzeugen Dampf von 2 0 a t, der Dampf wird in der Hochdruckturbine von 2 0 auf etw a 2 bis 0 at herunter entspannt, die N iederdruckturbine und der Speicher arbeiten je nach Zustand des B etriebes m it einem Dampfdruck

\ n 0 bis 2 at. Zwischen Speicher und Hochdruck­

leitung ist noch eine V erbindungsleitung mit dem R egelven til X ,. D ie V en tile X i und X 2 sind S p ezia lv en tile, die von einer oder mehreren ent­

fernt g eleg e n e n S tellen der D am pfleitung aus be­

einflußt w erden. Im K esselhaus befindet sich ein Manometer, w elches den je w e ilig e n Speicherdruck a n zeig t. D er Speicher arb eitet also bei Dampf­

druckschw ankungen von 0 bis 2 at. D er Reg­

ler C2 regelt den D am pfeintritt für die Gegen­

druckturbine j e nach der B elastu n g des Generators.

D er R eg ler bei Ci is t ein S icherheitsregler und tritt nur in T ä tig k eit, w enn die Turbine die höchst­

zu lässige U m drehungszahl überschreitet. Das Re­

g e lv e n til X 2 öffnet bei hohem Kesseldruck und schließt, wenn der K esseldruck sinkt. D as Ventil Xi w ird erst g eöffn et, wenn das V entil X 2 bereits ganz geöffnet ist.

D er B etrieb g e s ta lte t sich nun folgendermaßen:

Im K esselhaus w ird gleich m äß ig durchgestocht.

Man kümmert sich norm alerw eise nicht mehr um die M anometer an den K esseln. Sobald der Kessel­

druck ste ig t, öffnet sich das V en til X 2, der Dampf geht durch die H ochdruckturbine und je nach Stel­

lung des R eg lers C2 teilw eise durch die Nieder­

druckturbine, teilw eise in den Speicher. Sinkt die K esselbelastung, so b eginnt das V entil X , zu

73 a t Überaruch Warrmvasserbehaiten

Generator

y Kompressor

Oberffachen Kondensator

lO lü lü LI

Su d h a ns dampfVerbraucher

P

2

=Zl

0

a f Übend ruch

Heizung

Huthsspeicher ps - 3,5-2, Oat iiberdruch

Abbildung 4. Schaltungssohema der Speicheranlage injjder Brauerei Hamburger Bryggeriet, Stockholm.

schließen, es geht w en iger Dampf durch die Hoch­

druckturbine. F ä llt dabei die Umdrehungszahl der Turbine, so öffnet der R egler C2 das Hauptventil, und der Speicher gib t Dampf ab. die Niederdruck-, turbine wird entsprechend der Entlastung der H ochdruckturbine mehr b ela stet. D ie Schaltung zeig t, daß das D ru ck gefälle des D am pfes normaler­

w eise ste ts v o ll au sg en u tzt w ird. E s geht vom gesam ten D ruckgefälle des D am pfes also weiter nichts verloren als die F lü ssigk eitsh öh e des Spei­

chers, die etw a 0 ,1 at beträgt, w as praktisch so­

mit ohne B ed eu tu n g ist. D urch die Verbindungs­

leitu n g mit dem V en til X i g e h t der Dampf un­

m ittelbar in den Speicher. D ieses V entil soll sich

(5)

2. Februar 1922. D er R uthssche D am pfepeicher. Stahl und Eisen. 169

y i Winderhitzer

Hochofen

Gasgeb/äse

Hesse/

Abhit.zettesse/ ■

Speicherrnanom. I I

I ! D am pfturbine

I G enerator

K o n d e n sa to r

Ru thsspe/cher

aber nur öffnen, wenn X 2 ganz geö ffn et ist, also im Falle sehr geringer B elastu n g, um den K essel­

dampf nicht nutzlos durch die S ich erh eitsven tile ins Freie zu ja g en , sondern im Speicher a u fzu ­ fangen. Im K esselhaus b eobachtet man nur das Speichermanometer. S o llte der Speicherdruck ein­

mal zu hoch oder zu niedrig werden, dann m üssen natürlich die H eizer die R auchgasschieber ver-

D ie W irtschaftlichkeitsrechnung wird sich fo l­

genderm aßen g e sta lte n . Man w ird zunächst alle nicht durch R echnung feststellb a ren V o rteile un­

berücksichtigt lassen und damit rechnen, daß einm al durch die G leichm äßigkeit des K essel­

betriebes eben etwTa 15 bis 2 0 % E rsparnisse g e ­ m acht w erden; ferner spart man an Frischdam pf­

kesseln und K esselhausfläche. D em gegenüber stehen

Sommetschienen

daitt*

irti**

,iiiÜf feü*

W .#*

! # 0 1 pfß ^ 0

Abbildung 5.'- Schaltungsschema eines HoohofenWerkes mit

elektrischem Kraftwerk unter Verwendung des Ruthsspeichers. Abbildung 6. Wärmespeioher einer Molkerei.

stellen, was b eb rich tig bem essenem Speicher nor­

malerweise nicht Vorkommen soll.

Es ist ohne w eiteres klar, daß bei d ieser B e­

triebsanordnung die H eizflä ch e im K esselhaus be­

deutend kleiner gew äh lt w erden kann. H inzu kommt noch der V o rteil, daß der Speicher außer­

halb des K esselhauses an irgendeinem verlorenen Platz aufgestellt w erden kann, da er so g u t w ie gar keine Bedienung b en ötigt. W o es nötig ist, vorhandeneDam pfturbinenzentralen zu vergrößern, wird man deshalb mit V o rteil sehr oft den Speicher einbauen, und um geht dabei, j e nach den U m stän­

den, die V ergrößerung d esK esselh au ses. B estehende Turbinen können in den m eisten F ä llen für den Zweck umgebaut w erden. D ie A rb eitsw eise der Speicher ist überraschend, w ovon ich m ich g e ­ legentlich einer R eise durch Schw eden und F inn­

land habe überzeugen können. D ie R e g elv en tile (Xi und X 2) sind außerordentlich empfindlich und halten in exakter W eise die D am pfdrücke, so wie man sie haben w ill. D ie V en tile w erden dabei fast dauernd v e r ste llt und sprechen auf die leisesten Betriebsänderungen an. Auch der E rfo lg im K e sse l­

haus ist auffallend und bringt durch seine G leich­

mäßigkeit noch v ie le V o rteile, die sich vorher rechnerisch nicht ausdrücken lassen. In einem solchen B etriebe is t es w irklich m öglich, besonders wenn moderne F eu eru n gsan lagen , w ie W ander­

roste, vorhanden sind, den B ren n stoff am besten auszunutzen. D ie Z u sa tzv erlu ste, w elch e haupt­

sächlich entstehen durch das A nheizen der K essel oder durch N ich tv o llb ela stu n g , sow ie durch das Warmhalten von R eserv ek esseln , fallen w eg .

die A nschaffungskosten des Speichers, w obei man rund rechnen kann, daß beim A ufspeichern von 1 t Dam pf etw a 2 t E isen erford erlich sind.

Außerdem erhöht sich durch die g ro ß e Dam pf­

reserve des Speichers fa st im mer die P rod u k tion s­

m öglich k eit des B etriebes. D er Speicher is t -im

iibLuitlung 7. Orolier Ruihsspeicber.

Stande, auf ku rze Z eit sehr große Dampfmengen abzugeben. E r überbrückt also S tillstä n d e, die w egen D am pfm angels durch p lötzlich e Dam pf­

entnahm e entsteh en , w ie sie in B rau ereien , T e x til­

fabriken, Papierfabriken, Gum mifabriken usw . an der T agesordnung sind. D ie kleineren unange­

nehmen U nterbrechungen der P roduktion w erden b eseitig t, w as natürlich als ein’ sehr großer V orteil ein zu sch ätzen ist.

(6)

Ein w eiteres B eispiel gibt das Schaltungsschem a der Speicheranlage in der Brauerei ITamburgei B ry g g eriet, Stockholm (s. Abb 4). im K esselhaus sind drei W asserrohrkessel von je 150 m- H eiz­

fläche und 13 at Betriebsüberdruck vorhanden.

D ie Kraftm aschine ist unm ittelbar mit einem Gene­

rator und Kom pressor gekuppelt. Im Oberflächen­

kondensator wird das Kühlwasser auf etw a 4 0 ° erwärm t, um in der Brauerei wieder verw endet w erden zu können. Der Anzapfdampf also, die D am pfleitung zwischen Hochdruck- und N ieder­

druckzylinder und Speicher, schwankt zw ischen 3,5 und 2 a t, je nach Ladungszustand des Spei­

chers. Außerdem ist noch ein w eiteres Dampf­

leitungssystem angeordnet mit p2 — 2 at Ueber-

170 Stahl und Eisen. 42. Jahrg. Er. 5.

w elcher eingreifen soll, w enn die Dampfmaschine die zu lä ssig e U m drehungszahl überschreitet. Der Speicher hat zw ischen den angegebenen Druck­

grenzen eine A ufnahm efähigkeit von 3 8 0 0 kg Dampf. E ine einfache U eberlegung zeig t, daß er den gesam ten B etrieb beruhigend beeinflußt, und daß deshalb B elastungsschw ankungen durch Gene­

rator und K om pressor, w ie auch Schwankungen durch Dam pfverbrauch im Sudhaus, ausgeglichen werden. A uch hier w ird das gesam te Druckgefälle des D am pfes au sg en u tzt. W ürde kein Speicher vorhanden sein, so würde sehr o ft, bei überaus schwankendem D am pfbedarf des Sudhauses, Dampf an den H ochdruckzylindern vorb eigeleitet werden müssen, ohne A rb eit zu verrich ten . E s kommt in diesem B eisp iel auch der große V orzu g des Dampf­

speichers zur G eltung, daß nämlich der Speicher augenblicklich u n b egren zte Dampfmengen abgeben kann. W enn also K ochgetriebe, w ie hier das Sud­

haus, m om entan einschalten, so m erkt das Kessel­

haus nichts m ehr davon.

D ie V erw endungsm öglichkeit des Speichers er­

scheint, w ie schon früher g esagt, außerordentlich v ielseitig . In j dem nächsten Schaltungsschema (s. Abh. 5) s e i : ein B eisp iel gebrach t, wie der Er- i t e r Huthasche D am pfspeicher.

Abbildung 8 und 9. Kraftzentrale einer Ruthsanlage.

druck für die Sudhäuser, H eizung des Betriebes usw. D er K esseldam pf gelangt durch das R eg el­

v en til X x, w elches die Füllung des Hochdruck­

zylinders bei steigendem K esseldruck vergrößert, in die M aschine, deren D rehzahl durch den Zentri­

fu galregler C2 vor dem Niederdruckzylinder kon­

stant gehalten wird. D er Anzapfdampf vom H och­

druckzylinder geh t also je nach Bedarf in den N iederdruckzylinder oder in den Speicher. Parallel zur D am pfm aschine lie g t ein R egelven til X 2 in der Verbindungsleitung zw ischen H ochdruckleitung und Speicher, w elches von drei Stellen aus beein­

flußt wird, nämlich vom Kesseldruck, vom Speicher und vom Dampfdruck in der Sudhausleitung. Das V en til X 2 öffnet auch hier erst wieder, wenn das V en til X j ganz geöffn et ist. Es öffnet aber auch dann, wenn einmal der Speicherdruck oder der D ruck in der Sudhausdampfleitung unter oder über die zulässigen G renzen geraten sollte. D er R egler Ct is t auch hier nur als Sich erh eitsregler gedacht,

finder ¿Dr. R uths die E in sch altu n g des Speichers in den B etrieb eines H ochofenw erks ausführt.

Nach dem V oran gegan gen en erübrigt sicli eine Be­

schreibung der einzelnen T eile des Bildes. Der Speicher dient hier nicht zur Schaffung eines gleich­

mäßigen B etriebes im K esselh au se, sondern er soll liier einen A u sgleich schaffen zw isch en der schwan­

kenden G ichtgaslieferung seiten s der Hochöfen und dem E nergiebedarf des W erk es. Nachdem ein T eil des G ases zunächst an die W inderhitzer alt- gegeb en w orden ist, g eh td erU eb ersch u ß in die Zen­

trale, wo das Gas in G asm aschinen zum Antrieb von Gebläsen und elektrischen G eneratoren dient. Der w eitere Ueberschuß g e h t zu den K esseln, welche überhitzten Dam pf von hohem D ruck liefern, und denen die A b h itzek essel h in ter den Gasmaschinen parallel g esch a ltet sind. D ie Anzapfdampfleitumr zw ischen H ochdruckstufe und Niederdruckstufe einer Turbine is t m it dem Speicher verbunden.

Der B etrieb is t so gedacht, daß die Gasmaschinen

(7)

-, Februar 1922. U eb erfü h ru u g d er R eich t!lisen b a h n en in p r iv a t w irtsc h a ftlic h e F o rm e n . Stahl und Eis?n. 17 \ die Grundbelastung übernehmen und die D am pf­

turbine die Spitzendeckung übernim mt. B ei G as­

überschuß füllt sich der Speicher auf, bei G as­

mangel gibt er Dampf an den N ied erd ru ck teil der Turbine ab.

Die nächsten B ilder stellen einige ausgeführte Anlagen dar. Abb. 6 z e ig t zunächst einen sehr kleinen Speicher in einer M olkerei in Stockholm . Die Speicherleistung beträgt 1 6 5 k g Dampf.

Abb. 7 ze ig t einen großen Speicher in der Z ellstoff­

fabrik Kaukas in Finnland m it einer Aufnahm e­

fähigkeit von 12 0 0 0 k g Dam pf. D ie beiden Abb.

6 und 9 zeigen zw ei versch ied en e A nsichten einer R egelzentrale in einer K erzenfabrik in Stockholm . Die in den B eisp ielen erw ähnten R e g e lv e n tile sind in einem Apparateraum übersichtlich geordnet.

Von dieser Stelle aus kann also der g esam te D am pf­

betrieb beobachtet werden.

Zweck meiner A usführungen so llte sein, kurz den Grundgedanken und das W esen der neuen E r­

findung von D r. R uths zu kennzeichnen. Mit den hier gewählten B eispielen is t natürlich das A nw endungs­

gebiet des Speichers keinesw egs erschöpft, im G egenteil, es ist wohl als sicher anzunehm en, daß seine Verwendungsm öglichkeit sich in der Zukunft noch v ielseitig er g esta lten wird. F ür die B eu rtei­

lung seines W ertes für unsere Industrie m öchte ich aber nochmals daran erinnern, daß die vielen angenehmen B eg leitersch ein u n g en , w elch e der Speicher für den B etrieb m it sich bringt, vorh er nicht rechnerisch zu erfassen sind und man diese nur in vollem U m fange in einer ausgeführten Anlage selbst beurteilen kann. W ir w erd en also hier die V erhältnisse erst genauer stu d ieren kön­

nen. wenn einm al in D eutschland einige A nlagen

au sgefü h rt sind, w as vorau ssich tlich sehr bald der F a ll sein w ird. F ern er b itte ich, zu bedenken, daß das w ich tig ste G lied in unseren K raftbetrieben doch immer die K esselfeu eru n g ist und v o rlä u fig bleiben wird, daß gerade dieses G lied im B etrie b e am schw ierigsten zu erfassen und zu behandeln ist.

und daß uns deshalb der neue Speicher als M ittel, die F eu eru n gen unm ittelbar zu verb essern , seh r w illkom m en sein muß. W ie jede technische N eu h eit, so is t auch der S p eicher nicht ohne w eiteres an jed er S te lle zu verw enden, und die E r tr a g sr e c h ­ nung w ird anfänglich oft schw ere B edenken h erv o r­

rufen. B ei N euanlagen wird er als neues, w ich tiges M aschinenelem ent von nun an immer erw ogen w er­

den m üssen, aber auch beim Umbau von a lten A n ­ lagen und besonders bei V ergrößerungen w ird er oft w illkom m en sein. In le tz te r e n F ä llen gerade w egen des einen V o rteils, daß man m eisten s die A u fstellu n g neuer K essel um gehen kann, w a s um so angenehm er is t, da der Speicher, w ie schon g e ­ sagt, an beliebigen S tellen draußen im F reien a u tg e ste llt werden kann.

Z u s a m m e n f a s s u n g .

E s wird zunächst der g ü n stig e E influß g e­

schildert. den eine dauernd gleichm äßige D am pf­

entnahme im K esselhaus auf die K esselfeu er au s­

übt. D ieser E influß w ird durch eingehende V e r ­ suche, die von P ro fesso r J o sse, B erlin , ausge­

führt sind, b estä tig t. D ie gleich m äß ige D am pf­

entnahm e kann in v ie le n F ä llen durch den neuen D am pfspeicher von D r. R uths erreich t w erden.

Der neue Speicher w ird eingehend beschrieben, und an m ehreren B eisp ielen w ird g e z e ig t, in w elcher W eise der Speicher in d e r D am p fw irt­

schaft zu verw enden ist.

Z u r U e b e r f ü h r u n g d e r R e i c h s e i s e n b a h n e n in p r i v a t w i r t s c h a f t l i c h e F o r m e n 1'.

Von Oberregierungsbaurat W i l h e l m I v lo e v e k o r n in Hannover.

(Gründe zur F orderung\ier E atslaatlichung. ¡ Vor- und yachteile des ¡Staatsbetriebes. Vor- und yachteile des Privatbetriebts. Vorschläge zu r Erzielung einer besseren W irtschaftlichkeit der Reichsbahnen. Ausblick.)

der H auptsache folgenden Ueberlegungen: E in m a l bestand die N otw endigkeit, daß das Reich seine W irtschaftsbetriebe in Ordnung brachte. W enn das Reich eine Stundung seiner Zahlungen an den V iel­

verband in Aussicht nehmen mußte, durfte es nicht unterlassen, seinen inneren H aushalt tunlichst in Ordnung zu bringen, um den guten W illen zu zeigen und damit den Beweis zu erbringen, daß die Zahlung der geforderten Summen unm öglich sei. Ferner erhoben die Unternehmer der Industriestaaten die Forderung, daß die in den Reichszuschüssen für Lebensm ittel und R eichsw irtschaftsbetriebe liegenden Beihilfen an die deutsche, im Auslande A bsatz suchende Industrie b eseitigt und dam it den D eu t­

schen der W ettbewerb erschwert würde. Trotz dieser Belastung des W ettbewerbes m ußte die deutsche Industrie die Forderung auf Gesundung des inneren R eichshaushaltes erheben, w ollte sie sich nicht m it leichtsinniger Kreditgewährung im Auslande selbst den Kredit untergraben. Schließlich muß der w eiter-

¡1. Gründe, die zur Forderung der_Entstaatlichung führten.

A ls der Reichsverband der deutschen Industrie

* *■ bei den Verhandlungen über eine Kredit hilfe für das Deutsche Reich unter seinen Bedingungen auch die Ueberführune der Reichsbetriebe in privat­

wirtschaftliche Formen forderte, erhob sich ein Sturm der Erregung in der Oeffentlichkeit. Von sozialisti­

scher Seite wurden Gegenforderungen aufgestellt, deren Undurchführbarkeit klar zutage lag. Aber auch die Forderung der deutschen Industrie ließ für die Oeffentlichkeit sowohl die Begründung als auch den Beweis der Durchführbarkeit vermissen.

Der Antrag auf Ueberführung der Reichsbetriebe in privatwirtschaftliche Formen entsprang wohl in

‘) Wenngleich wir nicht mit allen E inzelheiten der nachfolgenden Ausführungen einverstanden sind, haben wir_dennoch geglaubt, den durchaus ohjektiv u rteilen­

den \ erfasser zu W ort kommen lassen zu*sollen.' ( Die S c h iilileitu n g .)

(8)

172 Stahl und Eisen. V eO erjüh run g d e r R eich seisen b a h n en m p r w a iw ir ls c h a jtltc h e F o rm en . 42. Jahrg. Nr. 5.

schauende W irtschaftler die Tatsache ins Auge fassen, daß die W eltwirtschaft die Stetigkeit der W ährungen fordert. D am it wird die deutsche Aus­

fuhrwirtschaft durch die Angleichung aller Erzeu­

gungskosten an den W eltmarktm aßstab gegenüber dem heutigen Zustande, bei dem durch die zuneh­

mende Markentwertung eine Ausfuhrprämie aus dem N ationalbesitz gewährt wird, m it einem Schlage ungeheuer erschwert. U m wettbewerbsfähig zu bleiben und damit den deutschen Arbeiter vor Hunger und N ot zu schützen, müssen deshalb alle Erzeugungs­

kosten tunlichst gedrückt werden. Dazu gehört auch die Herabsetzung der Kosten des Eisenbahnbetriebes.

W ie w esentlich der Einfluß der Selbstkosten des Eisenbahnbetriebes ist, leuchtet ohne weiteres ein, wenn man bedenkt, daß etw a ein Fünf zehntel aller werktätigen Deutschen zurzeit im Eisenbahnbetriebe tä tig ist. D ie vom Reichsverband der deutschen Industrie aufgeworfene Frage ist also sowohl außen­

politisch als auch volkswirtschaftlich von weitest- tragender Bedeutung, so daß es lohnt, das Für und W ider einer eingehenderen Betrachtung in tech­

nischer und wirtschaftlicher Beziehung zu unter­

werfen, wobei, entsprechend dem Charakter dieser Zeitschrift, die sehr wesentlichen politischen Belange nur gestreift werden sollen. D ie Betrachtung wird sich auf die Vor- und N achteile der reichseigenen und der privatwirtschaftlichen Betriebsweise der Reichsbahnen erstrecken, die Verhältnisse im Aus­

lande streifen und ihren Abschluß in bestimm ten Vorschlägen finden, die geeignet sind, die Vorteile der verschiedenen Möglichkeiten des Betriebes zu vereinigen und die N achteile tunlichst auszuschalten.

II. Vorteile und Nachteile des Betriebes der Eisenbahnen in eigener Verwaltung des Reiches.

1. V o r t e il e d e s S t a a t s b e t r i e b e s D ie w esentlichsten Vorteile des reichseigenen B esitzes und Betriebes der deutschen Eisenbahnen sind die folgenden:

a) E r h a lt u n g d es S a c h w e r te s .

D ie Bahnen stellen einen sehr erheblichen inneren Geldwert dar, der allerdings als solcher gegenwärtig au f keine Weise zu realisieren ist; denn die Fehl­

beträge des Betriebes, die Unsicherheit der außen- und innenpolitischen Verhältnisse müssen alle Geld­

leute abschrecken, die erforderlichen hohen Werte in einem einzigen, unbeweglichen Unternehmen fest­

zulegen; das Reich kann seinerseits einmal gegen die politischen Verhältnisse aus sich kaum Durch­

greifendes veranlassen, auch darf es sich nicht solche Bedingungen aufzwingen lassen, wie sie vielleicht ausreichten, um das W eltkapital zum Ankaufe der Bahnen zu veranlassen. Sollten die politischen Verhältnisse sich späler zum Guten ändern, so werden die Bahnen vielleicht geeignet sein, der Abbürdung der Reichsschulden zu dienen. Das statistische Anlagekapital betrug etw a 25 Milliarden Goldmark.

E s wäre heute unmöglich, bei einer Veräußerung der Bahnen einen auch nur annähernd entsprechenden Erlös zu erzielen. Es darf aber behauptet werden, daß der Eisenbahnbesitz einer der besten B esitzteile

des Reiches ist, und daß er in späteren Jahren einmal zur Wiedergesundung der deutschen Finanzw irtschaft wird beitragen können und müssen. H eute wäre eine Veräußerung, die einer Verschleuderung gleich­

kommen müßte, höchst unzweckmäßig.

b) F ö r d e r u n g d er W ir t s c h a f t .

D ie Eisenbahnen sind ein starkes Mittel desReiches.

sowohl schwache Erwerbszweige als auch unter­

stützungsbedürftige Landstriche zu fördern. Das kann durch die Tarifbildung, durch Herstellung von Zugverbindungen, durch die Baupolitik und durch die Beschaffungspolitik geschehen. In der Tarif­

bildung sind wir freilich durch den Versailler Vertrag insofern beschränkt, als im A rtikel 365 die Anwen­

dung aller Binnentarife auch für den Durchgangs­

verkehr und für Auslandsgut zugestanden ist. In­

folgedessen können Vorzugstarife nur dann auf­

gestellt werden, wenn durch ihre Anwendung keine Bevorzugung fremden Gutes gegenüber einheimi­

schem herbeigeführt wird. Nichtsdestoweniger liegt in der Tarifhoheit des Reiches eines der stärksten Mittel, w irtschaftlich und politisch ausgleichend und regelnd zu wirken. E s sei hier nur an die B e­

günstigung des Vorortverkehrs und damit der Woh­

nungspolitik erinnert, an den Berufs- und Schüler­

verkehr durch W ochen- und Monatskarten, an die Angleichung der Tarife an den Verkaufswert der Er­

zeugnisse, an die Staffelung der Tarife und die darin liegende Begünstigung der östlichen und südlichen Teile des Reiches, an den Ferien- und Bäder­

verkehr.

Die Fahrplanbildung und die Baupolitik besitzen nicht das gleiche Gewicht wie die Tarifpolitik, sind aber auch sehr starke Hilfen in der Entw icklung der W irtschaft. Dies gilt in der Baupolitik besonders für rein ländliche Bezirke, von der Fahrplanpolitik zum Beispiel für den Lebensmittelverkehr (Milch, Fische usw .).

D ie B eschaffungspolitik spielt ihnen gegenüber eine verhältnism äßig kleinere Rolle und beeinflußt in nennenswertem Um fange nur die Industrien, die an der Herstellung der B etriebsm ittel und der Ober­

baustoffe beteiligt sind. E s kann fraglich sein, ob die besondere Berücksichtigung dieser Industrien auf Kosten der Allgem einheit stets gerechtfertigt ist. Dieses dürfte ohne w eiteres der F all sein, wenn dabei für beide Teile ein Vorteil herauskommt. B is­

weilen w ird jedoch der Vorteil mehr auf der Seite der Lieferer liegen, da ihnen in der R egel größere Geschäftsgewandtheit und festeres Zielbewußtsein zu H ilfe komm t. Es ist übrigens auch zu hoffen, daß diese Industrien, vielleicht m it Ausnahme der Lieferer der Bettungsstoffe, in den kommenden Jahr­

zehnten in R ußland, dem Balkan, China und Süd­

amerika, neben der Lieferung für das Inland gute A bsatzgebiete finden werden, so daß sie durch Herabsetzung der Selbstkosten w ettbewerbfähig auf dem W eltm ärkte bleiben können.

Bei den Unterstützungen, die das Reich in der Tarif- und Fahrplanbildung, der Bau- und B e­

schaffungspolitik gewähren kann, darf nicht außer acht gelassen werden, daß sie’ nur durch Abwälzung

(9)

2. .Februar J.922. U eber/üh Tun y d e r R tic h s tm n b a h n e n m p r iv a iw ir ts c h a jtlic h e F o rm e n . Stahl und Eisen. 173 der daraus entstehenden Lasten auf andere, aller­

dings meistens leistungsfähigere Schultern, ermöglicht werden.

c) B e r ü c k s ic h t ig u n g d er L a n d e s v e r t e i d i ­ gung.

Beim Betriebe der Bahnen durch das Reich können die Belange der Landesverteidigung nam ent­

lich in den Vorbereitungsarbeiten leichter und ein­

facher befriedigt werden als bei einem Privatbetriebe.

Daß dieser Punkt jedoch nicht von ausschlaggebender Bedeutung sein kann, hat das Beispiel Frankreichs und Englands im W eltkrieg gezeigt. Auch haben sich die Verhältnisse so vei schoben, daß die m ili­

tärischen Gesichtspunkte gegenüber den w irtschaft­

lichen in den Hintergrund treten müssen. Durch die Aufhebung der allgemeinen W ehrpflicht, den damit verbundenen Fortfall der Mobilmachung, durch die Herabsetzung des Heeres auf 100 000 Mann sind die Aufgaben der Eisenbahn im Kriege so ver­

einfacht, daß, vielleicht abgesehen von politischen Maßnahmen, besondere Vorkehrungen für Aufmarsch und Nachschub kaum nötig sind.

d) F ü r s o r g e fü r d a s P e r s o n a l.

Ein reichseigener Betrieb kann in sozialpolitischer Hinsicht mustergültig für andere Betriebe sein. Das ist bei den Reichsbahnen in Personalfragen in g e ­ wissem Umfange auch der Fall gewesen. D as Reich hat durch eine über die gesetzlichen Verpflichtungen hinausgehende Altersfürsorge, durch Dienstdauer­

vorschriften, die einem vorzeitigen Altern Vorbeugen, durch Bezahlung von Urlaub und Feiertagen sein Personal gefördert. Entlassungen wegen Mangel an Arbeit sind kaum vorgekommen. In Zeiten der Arbeitslosigkeit kann der Staatsbetrieb durch Aus­

führung von Bauten und Erteilung von Aufträgen ausgleichend wirken, wenn die Wirkungen auch durch seine Schwerfälligkeit oft recht zögernd eintreten.

Alle diese Vorteile werden jedoch auf gegeben werden müssen, soweit sie nur durch erhebliche Nachteile auf wirtschaftlichem Gebiete erlangt werden können.

Die Verarmung Deutschlands zw ingt dazu, ¿iuf dem Gebiete der sozialen Fürsorge und der Lebenshaltung von der Spitze der Völker zurückzutreten.

e) V e r v o llk o m m n u n g d er t e c h n i s c h e n A u s­

s ta ttu n g .

Der Reichsbetrieb gestattet, in technischer H in­

sicht das Vollendetste an A usstattung zu leisten, namentlich in Annehmlichkeiten für die Reisenden, Es sei hier auf den Ausbau der Personenbahn­

höfe mit ihren oft prächtigen Empfangsgebäuden hingewiesen, auf den hohen Stand der B etiiebs- sicherheit, die allen w irtschaftlichen Erwägungen vorauszugehen pflegt, auf die Ausbildung und H al­

tung des Personals, nam entlich vor der R evolution, auf die Zahl und Geschwindigkeit der Züge, die da­

durch bedingte Verstärkung des Oberbaues und der Betriebsmittel.

Auch des Wiederaufbaues sei hier gedacht, der nach der Vernachlässigung im Kriege und dem Zu­

sammenbruch im Revolutionsjahre im Vergleich zu manchen anderen Ländern überraschend schnell

gelang. Er wurde freilich dadurch sehr erleichtert, daß das Reich die Betriebsm ittel, die, wenn auch gut erhalten, so doch immerhin bereits gebraucht, an den Feindbund 1919 abgegeben wurden, in den nächsten Jahren m it einem Aufwande von etw a 20 Milliarden Mark in neuem Zustande wieder zur Verfügung stellte, ohne daß diese Summe der Reichsbahn zur Last geschrieben wurde

Während in anderen Ländern vielfach W ett­

bewerbsrücksichten als Schrittmacher der tech­

nischen Vervollkommnung wirkten, galt diese bei uns als Ehrenpflicht des Staatsbetriebes. Allerdings wurde sie nicht stets folgerichtig durchgeführt. D ie N otlage des Reiches wird es fortan unmöglich machen, die früher als notwendig oder wünschenswert an­

gesehenen Annehmlichkeiten der Oeffentlichkeit weiter zu gewähren. D ie technische Vervollkomm­

nung wird sich ganz auf das w irtschaftliche Gebiet zu beschränken haben, in dem der Reichsbetrieb im allgemeinen hinter dem Privatbetriebe zurücksteht

f) U n t e r s t ü t z u n g d er p o l i t i s c h e n E in h e i t . Dem Reichsbetriebe wird als Vorteil angerechnet, daß er den Einheitsgedanken im Volke zu stärken berufen sei. Das ist richtig, sow eit es sich um P oli­

tiker und um Eisenbahnangestellte handelt. D ie große Masse steht diesem Gedankengange doch wohl recht gleichgültig gegenüber, ja vielfach hat die Verreichlichung der Eisenbahnen Anlaß geboten, auf den „W asserkopf“ Berlin und sein Regierenwollen Angriffe zu richten. Es ist doch sehr die Frage, ob nicht die Dezentralisation, die im Staatsbahnbetrieb der Bundesstaaten lag, und wie sie in vollkommenem Maße nur ein Privatbetrieb gestattet, für den E in ­ heitsgedanken wertvoller ist als der Reichsbetrieb m it der unumgänglichen Zentralisation,

2. N a c h t e i l e d e s S t a a t s b e t r i e b e s . DiesenTmehr oder minder w ichtigen Vorteilen des Reichsbetriebes stehen bedeutende N achteile gegenüber, deren Folgen sich fast in allen w irtschaft­

lichen Staats- und Gemeindebetrieben, namentlich bei größerem Umfange, finden. Es sei hier des staat­

lichen Bergbaues und der Berliner Gemeindebetriebe gedacht, ganz besonders der Landwirtschaftsbetriebe der Stadt Berlin, die von dem glänzenden w irtschaft­

lichen Aufschwung der Landwirtschaft völlig un­

berührt geblieben sind. In der H auptsache sind es folgende Nachteile des Staatsbetriebes:

a) S c h w e r f ä ll i g k e i t .

Der Apparat arbeitet schwerfällig, w eil er durch die gebotene Zentralisation die Entscheidungen er­

schwert, die äußeren Stellen unselbständig und un­

sicher macht und sich als Staatsbetrieb oft an R ück­

sichten gebunden fühlt, die für einen Privatbetrieb nicht gelten

D em Fernerstehenden zeigt sich diese Schwer­

fälligkeit schon rein äußerlich in der schleppenden Erledigung aller Anfragen und Anträge, deren B e­

antw ortung sehr oft Monate auf sich w arten läßt.

Eine prom pte Antwort der Eisenbahnverwaltung ist so gu t w ie ausgeschlossen, da fast jede Anfrage örtliche Erhebungen und wiederholte Aufklärungen

(10)

174 Stahl und Eisen. ü tO e r ju h r n n y d e r k tic h o e isen b a h n e n in p r iv a tw ir U c h a ftlic h e F o rm e n . 42. Jahrg. Nr. 5.

nötig macht, weil die entscheidende Stelle dem ört­

lichen Betriebe zu fern steht. Auch die starre B in­

dung durch den Haushalt und die Finanzordnung trä g t zu der langsamen Geschäftsführung bei. Die förmliche, nicht sachliche Nachprüfung durch die Oberrechnungskammer veranlaßt unendlich viele, geschäfterschwerende Aeußerliehkeiten, die nur der Innehaltung der Bestimmungen ohne Einfluß auf die sachliche Erledigung ihr Entstehen verdanken.

Die Ueberfiille von Vorschriften, die zur Siche­

rung der ..E inheitlichkeit“ erlassen sind und der für jeden einzelnen Fall zweckmäßigen Erledigung keinen Raum bieten, verleihen dem ganzen Staatsbe­

triebe ein Beharrungsvermögen, das schließlich selbst die frischesten Naturen trotz jahrelangen Widerstrebens in seinen Bann zw ingt und ihnen die Spannkraft fast bis zum letzten Rest raubt. Diese Ueberfiille von Vorschriften verdankt der S taats­

betrieb zum größten Teil dem Umstande, daß er geleitet wird vom Geiste des Juristen, der seiner Erziehung nach mehr geeignet ist, alle Dinge nach der Möglichkeit ihrer Einordnung unter vorhandene Formen anzusehen, anstatt sie nach ihren Ursachen und Folgen zu beurteilen, wie es jede gesunde W irt­

schaft, ganz besonders aber das täglich wechselnde Verkehrsleben erfordert. Ein anschauliches Beispiel hierfür bietet W e h r m a n n in seinem Werke „Die Verwaltung der Staatsbahnen“ unter anderem an der Stelle, an der er die Anlage von Ueberland- schnellbahnen behandelt (Seite 191/192). Er sagt:

„Für größere Strecken ist m it Recht die Ge­

nehm igung versagt, weil durch die Tarife solcher Unternehmungen die erst gewonnene Einheitlichkeit im Personenverkehr der H auptlinien erschüttert w ürde.

Die einheitliche Behandlung des Verkehrs der Haupteisenbahnen ist aber ebenso wie die allgemeine W ehrpflicht, die gleichartigen Schuleinrichtungen.

die gleiche Verwaltung und Rechtspflege, ein w ich­

tig es Mittel zur gleichmäßigen E ntw icklung der Volkskräfte und der Volkswohlfahrt, welche jetzt für alle Teile des Landes verlangt w ird.“

Es wird niemand beweisen können, daß die Anlage privater Schnellbahnen m it eigenen Tarifen im Westen die Entw icklung der Volkskraft und der Volks Wohl­

fahrt im Osten des Staates beeinträehtigt hätte, ebensowenig wie die größere Zahl der Züge, die E ng- maschigkeit des Eisenbahnnetzes, die besseren W asser­

straßen, die der Westen dem Osten voraus hat, in diesem Sinne eingewirkt haben.

b) U n w i r t s c h a f t l i c h k e i t .

Aus denselben Gründen, die seine Schw erfällig­

keit verursachen, ist der Reichsbetrieb auch kost­

spieliger als ein privater Betrieb. Die Bindung durch die Form des Haushaltes verhindert oft. daß bereite M ittel an anderer Stelle verwandt werden, an die sie, wenn auch nicht förmlich so doch sachlich gehören, und an der sie m it Vorteil verwandt werden könnten.

Wenn auch manche auffälligen Unsachlichkeiten auf dem Haushaltswege beseitigt werden könnten, so bleibt es doch seit Jahrzehnten bei dem alten Verfahren, so daß w irtschaftliche Ausnutzung der

Mittel vielfach erschwert oder vereitelt wird. Die Anforderung der M ittel auf dem Wege des Haus­

haltes verzögert die Einführung von Verbesserungen oft durch 4 bis 5 Jahre und macht gleichzeitig das Personal stum pf gegen w irtschaftliches Arbeiten.

Die R ückständigkeit der A usstattung der Reparatur­

w erkstätten ist zum großen Teile hierauf zpriick- zufiihren, besonders wenn man beachtet, daß jede Selbstkostenüberwachung in schärferem Sinne bisher fehlte.

Der E ntw urf des Finanzgesetzes w ill diese Mängel beseitigen. Ob es gelingen wird, erscheint fraglich;

denn schließlich ist das Finanzgesetz doch m y der Rahmen, innerhalb dessen der Geist seines Aufbaues und seiner Handhabung ausschlaggebend ist.;' Es wird seinen Geist empfangen vom Aufsichtsrat und den leitenden Persönlichkeiten der Betriebsverwal­

tung. Ueber das Finanzgesetz schreibt der „Han­

noversche Kurier“ (Nr. 609 am 29. Dezember 19E1)':

„W eiter w ird ein Eisenbahngesetz geplant,] das die Herausnahme der Eisenbahnen aus der Zustän­

digkeit des R eichstages und die Schaffung eines Verwaltungsrates beabsichtigt, der die bisherigen R ?chte des R d ch stages hinsichtlich der Eisenbahnen wahrnehmen soll. Offenbar wird hiermit beabsich­

tig t. die Eisenbahnverw altung bei der Eingliederung in den R eichshaushalt bew eglicher als bisher , zu machen. Ob sich damit die B eseitigung der bestehen­

den M ißstände w ird erreichen lassen, kann fraglich erscheinen. E s ist nicht anzunehmen, daß sich der R eichstag in w eitgehendem Maße die Verfügung über ein Unternehmen, für dessen Handhabung er nach den bisher bekannten Vorschlägen letzten Endes doch verantw ortlich bliebe, wird aus der Hand nehmen lassen. Kann der Reichstag sich jeder Ein­

wirkung auf die Ernennung des Reichsverkehrs- ministers bei dessen im Reichsfinanzgesetz vorge­

sehenen Stellung begeben? Paragraph 54 der Ver­

fassung scheint dem zu widersprechen. Damit würde die E ntpolitisierung des Personals, die doch als unbedingt nötig wohl allgemein anerkannt witd.

hinfällig werden. D ie Demokratien des Westens haben keine Staatsbahnen in größerem Umfange, weil ein w irtschaftliches Staatsunternehmen in einem demokratisch regierten Staat unmöglich ist.

Deshalb ist auch eine nachhaltige Besserung der Ver­

hältnisse erst zu erwarten, wenn der Einfluß der poli­

tischen Faktoren auf das Personal ausgeschaltet und nur wirtschaftliche Gesichtspunkte in der Personal- bohandlung eingeschaltet sind. Der Erlaß eines .Arbeitszeitgesetzes“, das die im Eisenbahndienste sehr wesentliche „D ienstbereitschaft“ anders be­

handelt .als die tatsächliche Arbeit, also den unter­

schiedslosen A chtstundentag beseitigen soll, wird freilich den E influß der politischen Faktoren etwas dämpfen, beseitigen w ird es ihn schon deshalb nicht, weil die Besoldungsverhältnisse diesem Einflüsse auch weiterhin unterliegen müssen.

Es darf nicht vergessen werden, daß zur Durch­

setzung rein wirtschaftlicher Gesichtspunkte, in der Personalbehandlung sow ohl als auch in der Material­

beschaffung und -Verwendung, das gesamte leitende

(11)

2 Februar 1922. O rb e r /iih r u n y d i r R eich ntiaen bah n en in p r iv a t w ir u c h a f tlic h e F o rm e n . ¡Stahl und E.sen. 17 ’ Personal von kaufm ännisch-wirtschaftlichem Geiste

durchtränkt sein muß. Kaufmännische Formen ge­

nügen dafür nicht, wenn auch die Einführung kauf­

männischer Buchführung m it zwangläufiger Selbst­

kostenermittlung und gegenseitiger Abrechnung (heute arbeiten eine Million A ngestellte ohne gegen­

seitige Abrechnung größerer oder kleinerer Bezirke oder Betriebe in einen Riesentopf) schon einen guten Schritt vorwärts bedeuten würde Wird sich kauf­

männisch-wirtschaftlicher Geist durchsetzen, bis hinab zum letzten, noch als Vorgesetzter tätigen Manne, wenn der Leiter selbst vom R eichstage ab­

hängt, wenn der Verwaltungsrat nicht aus Vertretern des Kapitals besteht, das in dem Betriebe m it etw a einer Million A ngestellten und etw a 90 bis 100 % Generalkosten arbeitet und verzinst werden soll, sondern aus 36 Herren zusam m engesetzt ist. von denen 6 vom R eichstage, 6 vom Reichsrat. 6 vom Reichswirtschaftsrat. 6 vom Personal und 12 vom Reichspräsidenten ernannt werden? Wohl kaum!

Das einheitliche Streben nach w irtschaftlicher H öchst­

leistung kann nur erzielt werden, wenn der Leiter, der Verwaltungsrat und das gesam te Personal befreit bleiben von politischen Rücksichten und geleitet werden von ausschließlich w irtschaftlichen Zielen.

Diesen Geist einzuimpfen gib t es nur ein Serum, nämlich das Wecken des persönlichen Interesses.

Ein anderes Mittel gib t es n ich t.“

Diesen Ausführungen wird man im allgemeinen zustimmen müssen.

Der Staatsbetrieb m acht das leitende Personal unselbständig, ungewandt, nachgiebig. Durch die häufigen Berichtigungen von oben in den Einzelheiten wird der Staatsbeamte veranlaßt, die Verantwortung in allen nicht vollkommen durchsichtigen Fällen nach oben abzuschieben, in der Beschaffung schwerfällig nach den Bestim m ungen zu arbeiten, auch wenn sie im vorliegenden Falle unzweckm äßig sind, dem Personal nachzugeben und sowohl dessen Ausnutzung als auch der Ausnutzung der Stoffe durch das Per­

sonal. die meistens noch w ichtiger ist als der zweck­

mäßige Einkauf, weniger sachliche als förmliche Aufmerksamkeit zuzuwenden. Daraus entspringt eine Scheinverantwortung. deren ungünstiger E in ­ fluß auf die W irtschaftlichkeit beträchtlich ist.

Auf sie sind anscheinend die Schwierigkeiten zurück­

zuführen. die sich der Personal Verminderung ent­

gegenstemmen. W enigstens scheint die D arstellung auf Seite 7 des Jahrganges 1922 der „Zeitung des Vereins deutscher Eisenbahn Verwaltungen“, nach welcher sich der Verminderung der Angestelltenzahl durch die Dem obilmachungsvorschriften, durch die Gefahren der Arbeitslosigkeit, die Schwierigkeit dtr Versetzungen infolge der W ohnungsnot, große H in­

dernisse entgegenstellen, nicht ohne weiteres haltbar, wenn der Oberregierungsrat im Reichsverkehrs­

ministerium Dr. H o r n b e r g e r auf Seite 1032 des Jahrganges 1921 des ..Archivs für Eisenbahnw esen“

im Namen des Reichs verkehrsminis, er i ums erklärt, daß ..auch bei den äußeren D ienststellen ganz erheb­

liche Widerstände beständen, wenn mit der Ver­

minderung der Kopfzahl ernst gem acht werden

solle. Auch die F rage des Abbaues der Zahl der B e­

triebsarbeiter zugunsten der Zahl der Bahnunter­

haltungsarbeiter stoß* auf Schwierigkeiten“. Es scheint, daß die Aenderung der D em obilm achungs­

vorschriften nutzlos ist, wenn es der Verwaltung nicht einmal gelingt, die überzähligen Kräfte in einen anderen eigenen D ienstzw eig zu überführen, in dem die Leute nützliche Arbeit leisten könnten.

Die Rücksichtnahm e auf die Arbeitslosigkeit kann seit Monaten überhaupt nicht mehr gelten, seitdem die Zahl der Beschäftigungslosen auf den Stand gün­

stiger Vorkriegszeiten gesunken ist. E s bestehen offenbar innere Hem m ungen, die zum Teil weiter unten noch erörtert werden, zum Teil aber auch in der U nm öglichkeit liegen, die überzähligen Leute nun im einzelnen ausfindig zu machen.

E s ist dies eine F olge des Staatssystem s, das in allen, auch den leitenden Beam tenschichten, auf E rzi lung von G leichm äßigkeit, d. h. also M ittel­

mäßigkeit, hin wirkt und Befähigung in w irtschaft­

lichen Fragen und Personalbehandlung bei einer Betriebsverwaltung nicht höher bewertet als bei einer allgemeinen Landesvewvaltung, im Schulwesen, im Gerichts dienst. Dazu kommt noch, daß der S taats­

betrieb die Entw icklung der leitenden Persönlich­

keiten dadurch hemm t, daß er nur im E isenbahn­

dienst erzogenes Personal beschäftigt und die im Wechsel der Be - fe liegenden Anregungen damit ausschaltet, so daß es sich einseitig entw ickelt.

In diesen Verhältnissen, die nur dem S ta a ts­

betriebe anhaften, findet die ungenügende A us­

nutzung der Arbeitskräfte und der B etriebsm ittel ihre Wurzel. Der freigewerkschaftliche deutsche Eisenbahnerverband schreibt in Nr. 52 des Jahr­

ganges 1921 seiner W ochenzeitung „Deutscher Eisenbahner“ über die Ueberfiihrung der R eichs­

bahnen in einen privatw irtschaftlich geleiteten Betrieb :

„Und seien wir doch ehrlich: die Eisenbahner haben sehr viel zu verlieren! Wir tu n es ungern, aber wir müssen doch die Frage auf werfen: gib t es in Deutschland eine Industrie, die ihren Arbeitern und Beam ten solche Vorteile bietet als die R eichs­

bahn? Wenn auch gelegentlich E ntlassungen er­

folgen, w ie selbstverständlich erscheint es jedem in der Industrie, und wie viel weniger komm t das bei der Eisenbahn vor. Gewiß ist das M itbestim ­ mungsrecht der B ediensteten bei der Reichsbahn ein Zerrbild, aber bei den Industriellen noch v iel mehr.

Der geltende Tarifvertrag bei der Reichsbahn ist gew iß kein Ideal, aber er bietet doch so unendlich v iel Gutes, avas man in der Industrie vergebens sucht.

Alle die kleinen Vergünstigungen, die m it der E isen­

bahn Zusammenhängen, Freikarten und dergleichen, wo findet man sie in der Industrie? und vor allen Dingen: D ie gewerkschaftliche Macht, die in der g e ­ schlossenen Betriebsorganisation liegt, steht bei der Industrialisierung in Gefahr. Das alles sind Gründe, die für uns und auch für die Gewerkschaft deutscher Eisenbahner entscheidend ins Gewicht fallen müßten.

Von der Gefährdung des Berufsbeam tentum s, des Achtstundentages und anderer D inge sehen w ir ganz

Cytaty

Powiązane dokumenty

scheidung der E isen - und Stahlindustrie feh lt. D ie Ursachen liegen zunächst in den allgem einen W eltm arktschw ierigkeiten, dann aber auch, und das in

nism äßig größere Steigerung der Erzeugung von Bossemerstahlsohienen aufweisen.. Zahl der Hochöfen. abscknitte eine wenig veränderte Lage. Der Bedarf des Heeres und

tung des Obmannes des Unterausschusses, Professor Bauer, Berlin, erstattet Direktor S i p p , Mannheim, einen ausführlichen Bericht, aus dem hervorgeht, daß die

Noch ein zweiter, w ichtiger Punkt muß beachtet werden: D ie bisher bestehenden Elektrohochöfen verwenden H olzkohle (rein oder mit 25 % Koks gem ischt) zur

stände des Ofenkanales einen nicht zu hohen Ueber- druck oder Unterdrück bedingen, weiter muß sie sich der W ärmeleitfähigkeit des Wärmgutes anpassen, damit die

stoffen zur Neige gegangen, und der anschließende Ausstand brachte daher manche Werke um so früher zum Erliegen. Auch die Zechen konnten, abgesehen vom Wasserwege, der

tigen Wärmewirtschaft immer mehr in den Kreisen der Industrie durchgesetzt hat; denn bekanntlich wird gerade in der schwedischen Eisen- und Stahlindustrie eine nach

Gase und feste ßrennstofe m/'f ka/ter ¿ivff.. Errechnung der Arbeitslemperaturen in metallurgischen Oefen. Stahl und Eisen. Es wären hierfür nach Abb.. Errechnung der