• Nie Znaleziono Wyników

Geschichte der römischen Literatur. Bd. 1, Die archaische Literatur

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Share "Geschichte der römischen Literatur. Bd. 1, Die archaische Literatur"

Copied!
502
0
0

Pełen tekst

(1)

f -■

T " >J6dp i k K r \ S I . ~i ■ >2,

• ■ • . r t * r F - ^ N

(2)

4 0 ^ 0 0 7 , 3 7

4 4 ' - ' G ^ . ß

GESCHICHTE

DER

RÖMISCHEN LITERATUR

FRIEDRICH LEO.

E R S TER B A N D .

D IE A R C H A IS C H E L IT E R A T U R .

B E R L IN .

WEIDMANNSCHE BUCHHANDLUNG.

1913.

(3)

/ W * ) i I H t ty j

\ą)M l £ ) O & tt

^ a U t i ó a a Ą ) 4 W 3

1O1

Biblioteka Główna U,^ H S Y T E T U GDAŃSKIFno

' lUUO OfTG i

ló ksę, oę,

1100657166

(4)

I n h a l t .

Kapitel I Bedingungen und Elemente literarischer Entwicklung in Italien.

1 Römer, Griechen, I t a lik e r ...

2 Griechischer und etruskischer K u lt u r e in f lu ß ...

3 Vorliterarische Reste und Spuren. Der Säturnier . . . Kapitel I I Recht und Rede.

1 Älteste Ausbildung des römischen Rechts. Mündlichkeit 2 Vorliterarische R e d e ...m . 3 Vorliterarische R h e t o r i k ...

4 Älteste Schriftwerke ...

Kapitel I I I Die Anfänge.

1 Hellenistische und klassische Literatur und Rom 2 Livius Andronicus: Leben. Sühnlied

3 Übersetzung. Metrische Technik

4 Tragödie, Komödie, Odyssee ...

Kapitel IV Naevius.

1 Leben ...

2 Bellum poenicum. Fabius P ic t o r ...

3 Tragödie, Praetextata, K o m ö d i e ...

Kapitel V Plautus.

1 L e b e n ...

2 Die attische K o m ö d ie ...

3 Lyrisch erweiterte Komödien des P la u tu s ...

4 Verbindung m it dem hellenistischen Singspiel . . . . 5 Kontaminierte K o m ö d ie n ...

6 Stil und K u n s t ...

Kapitel V I Ennius.

1 Heimat und Jugend ...

2 In R o m ...

3 A n n a le n ...

4 D r a m a ...

5 Andere S c h rifte n ...

6 Absicht und W ir k u n g ...

Kapitel V I I Die Nachfolger des Plautus und Ennius.

1 Literarische Z u s tä n d e ...

2 Caecilius ...

3 Pacuvius ...

4 T e r e n z ...

Seite

1 4 13 21 28 34 40 47 55 59 70 76 79 88 93 96 109 121 125 133 150 156 163 187 199 207

212 217 226 232

(5)

IV Inhalt.

Seite

Kapitel V I I I Die Literatur und die römische Bildung.

1 Griechische Bildung in R om ; Entstehung der römischen Prosa 2 C a t o ...

3 Rede und R h e to r ik ... _ ...

4 Polybius und Panätius, Scipio und sein K r e i s ...

5 Geschichtschreibung...

6 "W isse n sch a ft...

Kapitel I X Die Dichtung des ausgehenden zweiten Jahrhunderts.

1 Die T o g a ta ...

2 Accius ...

3 L u c i l i u s ...

4 Um und nach Lucilius ...

5 R ü c k b lic k ...

259 265 300 315 325 346 369 384 405 429 439 Beilagen.

Plautus Mostellaria, erster A k t ...

Aus Ennius’ A n n a le n ... ' Gellius über Menanders Plokion und Caecilius Plocium Cato Vom Landbau (Kap. 1—5 ) ...

— Aus den R e d e n ...

— Aus den O r i g i n e s ...

Cornelia, aus einem Briefe an Gaius Gracchus^ . . . Polybius über sein Verhältnis zu Scipio Aemilianus Terenz, Prologe zu Andria, Hecyra, Adelphoe . . .

Andria, erste S z e n e ...

Register I ...’

I I ...

. 447 . 463 . 466 . 470 . 475 . 477 . 479 . 480 . 482 . 485 . 492 . 495

(6)

I

Bedingungen und Elemente literarischer Entwicklung in Italien.

l

D ie römisch-griechische K u ltu r is t u n te r den Bewegungen, die ih r die geistige Geschichte der Menschheit bestimmend geworden sind, eine der folgenreichsten. A u f ih r beruht die Z iv ilis a tio n der w estlichen W e lt, a uf ih r die A usbreitung des Christentum s über die romanischen und germanischen V ö lk e r; an ih r hängt die K u ltu r dieser V ö lk e r bis in unsere Zeiten hinein. D ie römische L ite ra tu r is t ein T e il dieser K u ltu r; sie entsteht m it ih r und le h rt uns ihre Geschichte kennen, als ih r w ichtigstes P ro du kt w ird sie das wesent­

lichste M itte l ih re r A u sb re itu n g ; abhängig vom Fremden und doch national, vielfach in ihren Bedingungen und doch e in he itlich trä g t sie Vergangenheit und Z u ku n ft in sich und is t das geistige Band der alten und neuen W e ltk u ltu r geworden.

D ie K ulturbew egung is t von Osten nach W esten gegangen.

D ie Griechen haben frü h starke E inw irkungen aus dem Osten er­

fahren, dann die Ita lik e r von den Griechen und die westlicheren B arbarenvölker von den Ita lik e rn . F ü r die historische B etrachtung lösen sich aus diesem Zusammenhang die Griechen und Börner als eine Gemeinschaft, die nach oben durch die vo rliterarischen Ja h r­

hunderte, nach unten durch die Übergangszeit des Komischen ins Komanische begrenzt is t. Oben und unten is t die Ü berlieferung auf w eite Strecken undeutlich ; die z w ö lf Jahrhunderte von Homer bis A ugustin zeigen, vornehm lich durch die L ite ra tu r in allen Phasen k e n n tlic h , in einer fortlaufenden E n tw icklu n g das g rie ­ chische Geistesleben verbunden, etw a seit der M itte des Weges, m it dem röm ischen; die Verbindungsschicht is t die Z e it, in der sich die römisch - griechische K u ltu r und in ih r die L ite ra tu r ge­

b ild e t hat.

Innerhalb dieser E in h e it besteht die größte Verschiedenheit der beiden K ationen in Begabung und Eigenschaften, sie g ib t sich

Leo, Geschichte der römischen Literatur. I. 1

)

(7)

2 I Bedingungen und Elemente.

schon in ihrem verschiedenen V erhalten zur frem den K u ltu rb e ­ rührung kund. D ie Griechen haben n ur äußere K u ltu r über­

nommen; sie lebten in eigner schöpferischer K ra ft und brachten die Tiefen ihres Wesens in originalen W erken ans L ic h t. In ihnen lebte die Phantasie, die den M ythus geschaffen hat und w ieder und w ieder in P ersönlichkeiten hervorbrach, das Vermögen die A ußenw elt und den G ehalt des inneren Lebens in künstlerische G estalt und die Em pfindung in typischen Ausdruck zu bringen, die K ra ft des Gedankens, die die Formen bem eistert und sich zum reinen Denken erhebt, um die Probleme der W e lt zu zwingen.

Ih re Poesie is t m it ihrem V olkstum geworden. Aus den ü b e ra ll wo es Menschen g ib t vorhandenen poetischen Keim en haben die griechischen Stämme ihrem Wesen gemäße K unstgattungen ausge­

b ild e t, deren Form und G ehalt übereinstim m ten, die in jedem P ro­

d u k t persönlich zugleich und ein unzweideutiges Zeugnis fü r die geistige Umgebung w aren, aus der sie kamen. D ie Gesamtheit dieser P roduktion h at zugleich die naturgleiche F e stig ke it des M aterials und die a llg em eing iltig e Ausprägung der F o rm , die sie fü r alle Z e it maßgebend m achte: die Form fü r a lle Z e it, das Ma­

te ria l fü r a lle Z e iten, in denen a ntike Anschauung lebendig w ar.

Dieselben K rä fte , Phantasie und G estaltungskraft, haben auch den wissenschaftlichen Gedanken b e fä h ig t, das A ll zu umfassen und sich symbolisch auszusprechen, und haben ihn getrieben und er­

m u tig t, N a tu r und Leben zu erforschen.

D ie Römer, und zw ar die Römer im engeren Sinne, waren den Griechen überlegen als Soldaten, Staatsmänner und Juristen. Das sind T ä tig ke ite n des Lebens, die auch zum Denken fü h re n , aber zu einer einseitigen D enkrichtung, die dem Sinn fü r das N ützliche günstig und der künstlerischen E in b ild u n g skra ft fe in d lich is t. D ie Phantasie feh lte dem Römer n ich t, aber es w ar die passive Phan­

tasie, die sich in einer außerordentlich starken A ufnahm efähigkeit kundgab. Der Römer übernahm nützliche E inrichtungen der Fremden w ie ih re G ö tte r; so übernahm er schließlich auch ihre L ite ra tu r. H ie rb e i bewies er eine große F ä h ig k e it sich w illig hinzugeben, aber auch tä tig e E igenschaften, die ih n zur Gegen­

w irku n g a u frie fe n : natura sublimis et acer, w ie Horaz sagt. K u n st­

verstand und S tilg e fü h l w aren römische Eigenschaften; der rö ­ mische Form ensinn unterschied das Große und Starke vom E itle n und G eschwollenen, das einfach Lebendige vom G ezierten, die eigne Sprache entw ickelte der Römer nach eignem U rte il w ie den frem den Vers. V o r allem tra te n , w ie gewiß auch in der frühen K ulturbew egung der geschichtlich dunklen Z e it, starke Persönlich­

(8)

Griechen und Körner. Rom und Italien. 3

beiten in die lite ra risch e Bewegung m it dem W ille n ein, das Fremde zum Eignen zu machen und auf die gewonnenen Funda­

mente einen römischen Bau zu setzen. So prägte sich der rö ­ mische Stempel dem W erke auf, dessen Form nie und dessen S to ff n ur selten den griechischen U rsprung verleugnen konnte und w o llte . Im Gefolge der griechischen L ite ra tu r entstand eine röm isch-grie­

chische.

Im Grunde setzte m it dem E in tr itt der Ita lik e r in die a llg e ­ meine W e ltb ild u n g , das heißt m it dem Moment, in dem sie be­

gannen lite ra risch e E in w irk u n g von den Griechen zu empfangen, ein neues Leben der griechischen L ite ra tu r ein, das sich unter der Oberfläche durch das Leben der W e ltlite ra tu r hindurch bis in unsere Zeiten erstreckt. D ie römische L ite ra tu r is t die erste, die sich an die griechische angeschlossen hat, die erste sekundäre, n ich t a lle in gewachsene L ite ra tu r. In gewissem Sinne sind es a lle fo l­

genden. D ie romanischen und germanischen V ö lk e r empfingen in der römischen U m bildung und Fortsetzung die griechische Schöpfung m it. Darum ruhen doch alle diese L ite ra tu re n in ih re r nationalen A r t und K unst. D ie römische tu t es auch, n ur daß sie u n m itte l­

bar an die Griechen anschließt, w ie , fre ilic h u nte r sehr ver­

schiedenen Umständen, die deutsche von der M itte des 18. Ja h r­

hunderts an. Entstehung und Wesen der ersten abgeleiteten, aus kom plizierten Ursprungsbedingungen hergeleiteten und durch kom­

p liz ie rte K u ltu rve rh ä ltn isse w eitergeleiteten L ite ra tu r is t ein P ro ­ blem dessen Bedeutung w e it über den nächsten Gegenstand hinaus­

re ic h t; dadurch gewinnen a lle m it ihm verbundenen Vorgänge und a lle aus ihm hervorgegangenen W erke an Interesse.

Es is t die politische K ra ft Roms, die fü r diese L ite ra tu r den Namen der römischen festgesetzt h a t; Roms, das Ita lie n zu einem einheitlichen Staate gemacht hat. Denn an ih r sind a lle Ita lik e r b e te ilig t, von den A lpen bis zur Südspitze, Griechen und G a llie r, U m brer und Osker; ja die Stadtröm er sind erst spät in ih r zu finden. Doch is t die L ite ra tu r z e n tra lis ie rt w ie die S taatsgew alt;

alle Poeten und L ite ra te n ziehen sich nach R om , da is t Bühne und P ublikum , literarisches Leben, da ih re H e im a t; der D ichter, der sich nach Neapel oder T arent zurückzieht, t r i t t aus dem Dienst.

A uch die Sprache is t ze n tra lisie rt. Es is t ein G rundunterschied der römischen L ite ra tu r von der griechischen, d ie , ih re r Geschichte entsprechend, so v ie l Literatursprachen w ie G attungen h a t, daß die römische n ur die eine Schriftsprache hat, die Sprache der L a ­ tin e r, deren Siegeszug über das ganze italische Land zu Beginn der L ite ra tu r noch keineswegs vollendet is t; und zw ar is t es die

(9)

4 I Bedingungen und Elemente.

römische Stadtsprache, die der K om iker, der T ra g ike r, der E p ike r fü r den Gebrauch seiner G attung zu stilisie re n hat.

Diese italische und zugleich römische Bewegung h a t, außer kunstlosen Aufzeichnungen und versprengter Ü berlieferung von frühen Ansätzen volkstüm licher A rt, keine V o rs tu fe n ; sie is t in historisch h e lle r Z e it, den auf den ersten punischen K rie g folgenden Jahren, durch den griechischen Im puls entstanden. A ber ohne eine lange voraufgegangene äußere und innere V orbereitung is t eine solche p lö tz lic h auftretende und in ununterbrochener Keihe fo r t­

dauernde K unstübung n ic h t zu verstehen, noch w eniger ih re K e- sonanz beim P ublikum . E in B arbarenvolk, das sich dem Griechischen n ich t verschließt, aber doch ihm w idersteht, ein ita lisch e r Stamm, der, nachdem er G roßgriechenland bezwungen und S izilie n erobert hat, auf einm al w ie durch E rleuchtung das M itte l zwischen B arbarei und H ellenisierung findet, indem er die griechische K u ltu r fü r seinen Gebrauch ro m a n isie rt: ein solcher V organg muß den Boden bereitet gefunden haben, auf dem er sich abspielen konnte.

2

W as in der römischen Geschichtserzählung über die a ltita ­ lischen V ölkerverhältnisse berichte t w ird , is t durchweg legenden­

h a ft und verw irrend. D ie erste A u sku n ft g ib t uns das Land selbst.

D ie Ebenen Ita lie n s von der Poebene bis zur apulisch-calabrischen haben in historischer Z e it eingewanderte Bevölkerung. Ü b e rall is t

¿je U rbevölkerung, das heißt die in vorhistorischer Z e it eingewan­

derte, entweder in die Berge hinaufgedrängt oder als untere Schiebt gegen das H errenvolk p olitisch verschwunden. K u r in der la ti- nischen Ebene sitzen die a lten L a tin e r, über ihnen B ergvölker, die den U m brern und Oskern näher als den L a tin e rn verw andt sind.

Auch in S izilien is t die re la tive U rb evölkerung, die Sikaner und die, nach der griechischen Ü berlieferung aus Ita lie n , das heißt aus der bruttischen, m it S izilie n durch die Meerenge verbundenen H albinsel, eingewanderten S ikeler, vo r den Griechen von der K üste zurück­

gew ichen1). D ie L a tin e r aber haben die Griechen so w enig zur Ansiedlung an ihren K üsten zugelassen w ie es die E tru ske r getan haben.

H ie ra u f bezieht sich der etw a in der Z e it der ersten g rie chi­

schen Ansiedlungen in der zw eiten H ä lfte des 8. Jahrhunderts

1) Antiochos von Syrakus: Thuk. V I 2, Diodor V 6, 3, vgl. Nissen Italische Landeskunde I S. 547, Modestov Introd. a l ’hist. Rom. S. 129 ff., De Sanctis Storia dei Rom. I S. 97 ff.

(10)

Italische Völkerverhältnisse. Griechische E inw irkung: die Schrift. 5 v. Chr. entstandene Anhang der Theogonie Hesiods in den Versen über die Söhne der K irk e und des Odysseus (1018): ‘A g rio s , der W ild e , und Latinos herrschen ganz in der Ferne im inneren Be­

z irk der heiligen Inseln über a lle T yrrhe n er’ : Inseln, n ic h t Fest­

la n d ; die T yrrhener, n ich t Ita le r oder L a tin e r, aber Latinos ih r K önig.

B ei dieser A bw ehr der frem den Einw anderung is t es doch kein Z w e ife l, daß die L a tin e r von A nfang an m it den Griechen auch auf friedlichen W egen ve rke hrt haben. Den sichersten Beweis aus frühester Z e it g ib t das latinische A lphabet. Denn fü r alle anderen E in w irku n g e n , so u ra lt sie scheinen, lä ß t sich das zeitliche V e r­

hältnis zur etruskischen Periode n ic h t m it Sicherheit fe s ts te lle n ; weder kann man die Dauer und In te n s itä t des etruskischen E in ­ flusses vo r der etruskischen H errschaft in L a tiu m genügend be­

stimmen noch die griechische E in w irk u n g der Z e it zwischen der V ertreibung der E tru ske r und dem Beginn unzw eideutiger rö m i­

scher Ü berlieferung von dem früheren E indringen griechischer K ulturelem ente sondern. Das latinische A lphabet aber lä ß t keinen zu’ es vo r ^ er Periode, in der die E tru ske r in L a tiu m w alteten, re z ip ie rt worden ist. Denn es is t verschieden von dem etruskisch - griechischen, das auch aus dem W esten stam m t, aber noch n ich t aufgeklärten Ursprungs is t 1); und es i st m it dem chal- kidischen der griechischen Einw anderer identisch , den L a tin e rn offenbar von ihren Nachbarn in Cumae zugekommen. Das etrus­

kische haben die andern italischen Stämme von den E truske rn empfangen; wenn die überw ältigende K ra ft des etruskischen E in ­ flusses, die sich in der latinischen Namengebung z e ig t, vo r der E inführung des Alphabets eingesetzt hätte, so w äre es unbegreif-

1) Das Nebeneinanderbestellen der verschiedenen Zeichen für s ist älter, als daß man es im Gebrauch griechischer Einwanderer in Italien voraussetzen dürfte.

Karo (Bull, di paletn. ital. X X X , 1904, S. 25) nimmt an, daß die Etrusker das A l­

phabet besaßen, als sie in Italien einwanderten. G. Körte (Real-Encykl. V S. 743) wendet dagegen m it Hecht ein, daß man dann ein östliches Alphabet erwarten müßte. Aber die Schwierigkeit ist damit nicht gelöst; bei der von Karo, Körte, Modestov vertretenen Ansicht, die ich für richtig halte, von der E in­

wanderung der Etrusker zur See nicht lange vor der griechischen Kolonisierung, läßt es sich kaum vermeiden die Etrusker im Besitze des Alphabets zu denken.

Vgl. Kretschmer Denkschr. der Wiener Akad. L I I I 2, 1908, S. 101 f., der die Mög­

lichkeit ins Auge faßt, daß die Etrusker zwar die griechische Schrift aus Kleinasien mitgebracht, dann aber m it dem chalkidischen Alphabet vertauscht haben. Uber die etruskische Einwanderung v. Scala Hist. Zeitschr. 108 S. 25 f. Wieder für die Einwanderung der Etrusker aus Ehätien und ihre Identität m it der Bevölkerung der Terremare tr itt ein De Sanctis Storia dei Rom. I S. 124 ff., sicher m it Unrecht.

(11)

6 I Bedingungen und Elemente.

lie h , daß die L a tin e r n ic h t w ie die U m brer und Samniten das etruskische A lphabet angenommen hätten. Daß sie aber vo r jener etruskischen Z e it die S c h rift anwendeten, lehren die wenigen u r­

alten In sch rifte n in lateinischer Sprache.

Sicher dem 7. Jahrhundert v. Chr. gehört die F ib u la von P rä­

neste aus dem Grabe B e rn a rd in i') an. Das kleine Schmuckstück is t von etruskischer A r t , von einem L a tin e r gearbeitet (Manios med fhefhaked Numasioi), m it einer lateinischen In s c h rift in g rie ­ chischen Buchstaben versehen: ein rechtes Sym bol der K u ltu rb e -

T)ft

wegung in der G eburtszeit des römischen Volkes. A uch das jam Q u irin a l gefundene Dvenosgefäß m it einer gleich bei der H e rste l­

lu n g des Gefäßes e in g e ritzte n , a uf seine K ultverw endung bezüg­

lichen In s c h rift stam m t wahrscheinlich noch aus dem 7. Jahrhun­

d ert 1 2 3), is t aber, w ie S c h rift und Sprache lehren, erheblich jünger als die F ib u la 8). W enn man auch annehmen mag, daß die Sprache in der quirinalischen Ansiedlung eine raschere E n tw icklu n g ge­

nommen habe als in dem Bergnest Praeneste, von dessen Sprach- eigenheiten w ir später manches e rfahren, so rü c k t doch der Ge­

brauch der aus Cumae gekommenen S c h rift fü r L a tiu m in die M itte des 7. Jahrhunderts hinauf.

Das A lphabet is t in beiden In sch rifte n dasselbe; es h a t, w ie die etruskisch - italische S ch rift, das fiin fs tric h ig e NN, das geschlos­

sene B (M anios), das a lte P fü r r (Dvenos), die lin kslä u fige L ic h ­ tung. Hoch eine römische In s c h rift desselben A lphabets besitzen w ir , die am ‘Grabe des L o m ulu s’ a uf dem.Göimti.um gefundene S te le 4 * *}; sie unterscheidet sich von den beiden Gegenständen p ri-

1) Pinza Mon. prim, di Roma e del Lazio ant. (Mon. ant. della R. Accad.

dei Lincei X V ) S. 649 bezweifelt‘die H erkunft, aber nicht, daß die F ib e l, nach den analogen Funden zu schließen, nicht jünger sein kann als das Ende des 7. Jahrhunderts. Vgl. Modestov Introd. S. 462.

2) Pinza S. 647 ff. bezeichnet Ende 7. Anfang 6. Jahrhunderts als terminus ante quem.

3) Dvenos schreibt c für k und g, Manios k vor e (jener feced, dieser fhe­

fhaked); Dvenos f, Manios m it einer als altertümlich nachgewiesenen und die Verwendung des Zeichens f erklärenden Schreibung f h ; Manios verwendet das italische, dann im Latein verschollene reduplizierte, Dvenos das dann allein ge­

bliebene starke Perfekt; Manios flektiert den Dativ in -o i, Dvenos höchst wahr­

scheinlich in -o.

4) Über die Inschrift (Dessau Inscr. lat. 4913, Gradenwitz in Bruns Fontes i. R .7 S. 14, D iehl A ltla t. Inschr. 212) vgl. Hülsen Beitr. z. alten Geschichte I I (1902) 230, über die ganze Anlage Studniczka Altäre m it Grubenkammern (Jahresh. des Österr. Arch. Inst. 1903) S. 129 ff. (dort A. 41 die ältere Literatur). Danach Petersen

(12)

Die Schrift. Lehnwörter. 7 vaten Gebrauchs durch ihren öffentlichen C harakter, der eben so­

w ohl w ie lokale Abgeschiedenheit Sprachformen konserviert. D ie über dem Romulusgrabe ausgebreiteten Opfergaben reichen, so w e it sie datierbar sind, vom 7. bis ins 1. Jahrhundert v. C h r.*);

sie haben keine ersichtliche Beziehung zur In s c h rift und gestatten n ich t sie zu datieren. A ber sowohl die Buchstabenformen der In ­ s c h rift w ie ih re W ortform en beweisen ein hohes A lte r 2).

D ie S c h rift is t also den L a tin e rn n ic h t lange nach den ersten chalkidischen Ansiedlungen in Ita lie n und S izilie n von diesen d i­

re k t zugekommen. Es wäre auch ohne das anzunebmen, daß die Griechen sogleich m it dem V o lk an der Tiberm ündung, das der fremden Besiedelung seines Landes so abgeneigt w ar w ie geneigt fremde H andw erker und K a u fle u te aufzunehmen, in See- und Handelsverkehr getreten sind. Eher als den Seefahrern muß man den in L a tiu m ansässigen handel- und gewerbetreibenden Griechen die E in fü h ru ng der S c h rift zuweisen. Das erste w ar v ie lle ic h t der Landverkehr m it Cumae, wenn man sich auch diesen in der Z e it des unsicheren Landfriedens v o r der etruskischen Eroberung n ich t zu le b ha ft vorstellen darf. D ie a lten römischen N ekropolen enthalten einige griechische Töpferw are, aber diese kann so g u t durch etruskische V e rm ittlu n g w ie durch griechischen Im p o rt nach L a tiu m gekommen sein.

E riihen V erkehr m it den Griechen bezeugen auch die g riechi­

schen Lehnw örter der Sprache, die an lateinischem Lautw andel teilgenommen haben, also in der Z e it, in der uns die lateinische Sprache als Ganzes bekannt w ird , längst in ih r vorhanden sind.

A ber diese Z e it is t zu spät, als daß sich fü r unsere Augen im ältesten W ortbestand die Schichten gegen einander abheben und w ir das E indringen jener W ö rte r in die Sprache chronologisch be- Comitium, Rostra, Grab des Romulus 1904, Studniczka Öst. Jahresh. 1904 S. 241, Hülsen Die Ausgrabungen auf dem For. Rom. 1902— 1904 (M itt. Rom. Inst. X X 1905) S. 29 ff., Pais Stör. crit. di Roma (1913) I S. 7 ff.

1) Savignoni Not. d. scavi 1900 S. 143 ff., Studniczka Öst. Jahresh. 1903 S. 149, Petersen Comitium S. 29.

2) Die Inschrift hat h und c (für g); unter den Wortformen iovestod — iusto, das völlig m it iovesat = iu ra t der Dvenosinschrift übereinstimmt; vgl.

v. Grienberger Indog. Forsch. X I 342, X V I 27. — Mommsen Hermes X X X V II I S. 153 hält die Dvenosinschrift für jünger als die des Cippus. Nach Studniczka S. 138 ff. (s. vor. Anm.) ist das ‘Grab’ jünger, wahrscheinlich viel jünger, als 500 v. Chr. (vgl. Petersen Comit. S. 27, Studniczka Öst. Jahresh. 1904 S. 242), wegen der etruskisch-italischen Formen des Aufbaus, während der Cippus, als Teil einer früheren, durch das ‘Grab’ verdrängten Anlage, in die liönigszeit hinaufreichen kann. Vgl. v. D uhn N. Heidelb. Jahrb. 1899 S. 107 ff.

(13)

I Bedingungen und Elemente.

stimmen oder feststellen könnten, ob dies vo r oder nach der etrus­

kischen Periode geschehen is t. D ie römischen Eigennamen beweisen, w ie v ö llig die durch äußere V erhältnisse herbeigeführten Vorgänge der W o rtb ild u n g nach w enig Jahrhunderten aus dem Gedächtnis der Menschen schwinden. E in eingewurzeltes L eh n w o rt w ie poena g ib t noch bei P lautus zu erkennen, daß es in der lateinischen Sprache ein verhältnism äßig junges B ürgerrecht hat.

Dieses W o rt e rin n e rt an die E in w irk u n g der Griechen auf das römische R echt, die Posidonius an den z w ö lf T afeln beobachtete, w ie er denn überhaupt die F ä h ig ke it der R öm er, sich frem der K u ltu r anzupassen, m it den Augen des H isto rike rs betrachtet und darin ein Hauptm om ent gefunden hat, ih r A ufsteigen zu erklären.

D er Zusammenhang w ar, nachdem einm al darauf hingewiesen war, so deutlich, daß die A nnalisten der sullanischen Z e it eine u n m itte l­

bare Teilnahm e der A thener an der römischen Gesetzgebung er­

fanden und andere den Ephesier Hermodoros, der sich in Rom auf­

gehalten hatte, zum H e lfe r der Dezem virn m achten; a ll dies n a tü r­

lic h n u r, w e il man sich den Vorgang des allm ählich w irkenden K ultureinflusses n ic h t anschaulich machen konnte. R un werden w ir bald sehen, daß das römische Recht n ic h t n ur vo r der etrus­

kischen H e rrsch a ft, daß es um die Z e it der griechischen E inw an­

derung in U n te rita lie n in seinem wesentlichen Bestände durchge­

b ild e t war. Daß es sich bis zur K o d ifik a tio n in den z w ö lf T afeln lebendig fo rtb ild e te , lehren u nte r anderm seine griechischen E le ­ mente. Deren E indringen z e itlic h zu bestimmen is t n ich t mög­

lic h ; wahrscheinlich begann es vo r der etruskischen Periode und überdauerte sie. Ä h n lich is t es m it vielen augenscheinlichen E n t­

lehnungen griechischer E inrichtungen im öffentlichen Leben, V e r­

fassung, Heerwesen, a uf die h ie r n ich t näher einzugehen is t.

Genauer bestimmen lä ß t sich die Z e it, in der die Römer in ih re öffentliche A rc h ite k tu r die griechischen Form en übernommen haben. D ie p rim itiv e B autechnik re ich t n u r fü r die W ohnung der Lebenden und der Toten aus. A u f s tille n W egen, im K u lt der V esta und der Laren, wo das A lte sich zäh bewahrte, h at die u r­

sprüngliche R u n d h ü tte x) ih r Leben in die große A rc h ite k tu r hinein fo rtg e s e tz t; aber als die L a tin e r zuerst anfingen Tempel zu bauen, da knüpften sie an nichts Einheimisches an, sondern empfingen ih re T em pelarchitektur w ie ih r A lphabet von den Fremden ; und zw ar n ich t von den E truskern, sondern von den Griechen. B ei Conca, 1

1) Uber eine A rt von Urtempel über dem mundus in Dörfern der letzten Steinzeit vgl. Pfuhl Ath. M itt. 1905 S. 351 f.

(14)

Griechische E inw irkung: Hecht, Architektur. 9 in der Nähe des la tin isclie n S a tric u n i1) , sind die Reste zw eier Tempel gefunden w orden, die beide von entschieden griechischer A rc h ite k tu r s in d 1 2). D er älteste gehört, nach seinem T e rra ko tte n ­ schmuck und den in der Cella gefundenen Tempelgaben, sicher noch dem 7. Jahrhundert a n 3) ; der jüngere is t um 500 v. Chr. er­

baut. U ngefähr aus gleicher Z e it is t der Tempel der von A lte rs her in latinischem B esitz befindlichen4) S tadt Signia, dessen Formen gleichfalls m it S icherheit auf d irekte griechische Ü bertragung w eisen5). Aus ungefähr derselben stam mt aber auch der älteste latinische Podientempel, der Jupitertem pel des römischen Capitols, m it seiner den gleichzeitigen Tempeln von M arzabotto (bei Bologna) und F a le rii verw andten, von den E truske rn ausgebildeten A rc h i­

te k tu r6 7). D er etruskische Tempelbau herrscht dann eine Reihe von Jahrhunderten hindurch, bis der hellenistische E influß die italische K un st um gestaltet.

Dieses sind die P unkte, an denen sich der E influß der g rie ­ chischen Einw anderer a uf Rom vo r dem etruskischen deutlich er­

kennen oder doch verm uten läß t.

D ie E tru ske r brachten T eile der jonischen K u ltu r aus ih re r 1 leinasiatischen H eim at m it, als sie, schwerlich lange vo r den g rie ­ chischen Kolonisten, in Ita lie n la n d e te n ’), Städte an seiner nord­

w estlichen K üste gründeten, die dem umbrischen Apennin vorge­

lagerte Ebene eroberten und, indem sie ih r eignes V olkstum aus­

bildeten , den Ita lik e rn städtische K u ltu r und Künste brachten.

Sie breiten sich nördlich über die Poebene und südlich über Cam- panien aus, wahrscheinlich beides während des 6. Jahrhunderts- m it dem 5. Jahrhundert geht ih re H errschaft h ie r w ie d ort zu Ende. W ährend diese A usbreitung durch etruskische Funde und die Ü berlieferung von Städtegründungen und V ölkerkäm pfen durch­

1) Satricum Kolonie von Alba nach Diod. Y I I 3 a, 7, unter den’ Städten des Latinerbundes von 499 bei Dionys V 61. Nissen It. Landesk. I I 558 f. Bar­

nabei (!Not. d. Sc. 1896 S. 101 f. 195 f.) identifiziert das H eiligtum m it dem oft­

genannten Tempel der Mater Matuta hei Satricum.

2) Der von Petersen (Röm. M itt. X I S. 168 ff.) erwiesene Stufenumgang des zweiten Tempels stellt auch für diesen, nach Delbrücks Untersuchungen über den Podientempel, griechischen Ursprung außer Präge (Delbrück, Die drei Tempel am Forum Holitorium S. 32).

3) Petersen S. 173 ff.

4) Nissen It. L . I I S. 650.

5) Delbrück Das Capitolium von (Signia S. 13, 31 f.

6) Degering Nachr. der Gott. Ges. 1897 S. 137 ff. Delbrück Die drei Temnel

S. 38 ff. 1

7) Vgl. S. 5 Anm. 1.

(15)

10 I Bedingungen und Elemente.

aus bezeugt is t , is t die Tatsache der etruskischen H errschaft in L a tiu m n ur in d ire k t zu erschließen. A ber es is t kein Z w eifel, daß die E tru ske r den W eg von E tru rie n nach Campanien über L a tiu m gemacht haben und h ie r eine lange Z e it die H erren gewesen sin d ; ja w ir sehen d e u tlich , daß diese Z e it fü r die E n tw icklu n g der S tadt Ho in entscheidend gewesen is t. D ie palatinische S tadt be­

stand, als die E tru ske r kam en; aber das aus dieser und den be­

nachbarten Ansiedlungen zusammengefaßte Ilo m trä g t einen etrus­

kischen Namen, so g u t w ie Tusculum ; n ich t n u r der Stadtname is t etruskisch, auch die Namen der U rtrib u s und der S ta d tto re ').

D er kapitolinische Tempel is t eine etruskische A nlage (S. 9) und seine G ö tte rtria s ein sicheres Zeichen etruskischer Stadtgründung.

D ie etruskische D ynastie, die Rom beherrschte, h at ihm seine be­

herrschende S tellung in L a tiu m gegeben. Denn während ih re r H errschaft wurde D iana a uf dem A ve n tin angesiedelt und dam it das latinische Bundesheiligtum von A ric ia nach Rom g efü hrt, zu­

gleich eine E ilia le des römischen J u p ite r a u f dem Berge über der alten A lb a Longa e rric h te t1 2). Aus der Verm ischung, die damals die Alteingesessenen m it dem eingedrungenen H errenvolke ein­

gingen, w ird sich auch ein T e il des Gegensatzes erklären, der den stadtröm ischen Stamm dem übrigen L a tiu m entgegensetzte.

U n te r der etruskischen H errschaft ru h te der griechische E in ­ fluß n ich t. Zunächst w irk te er in d ire k t in der K u ltu r, die die E tru ske r selbst besaßen3). Dann aber w a r der Zusammenhang m it Cumae in diesen Zeiten besonders lebendig, und die Legende schreibt

1) W . Schulze Zur Gesch. lat. Eigenn. S. 579; die historischen Folgerungen daraus sind noch nicht gesichert, vgl. G. Körte Real-Encykl. V I S. 752, Binder Die Plebs S. 268 ff., v. Scala Hist. Zeitschr. 108 S. 34 ff. — Ich finde nirgend auf die Möglichkeit hingewiesen, die mir sehr nahe zu liegen scheint, daß der etrus­

kische Stadtname an Stelle eines alten latinischen getreten is t , wie Clusium an die Stelle des umbrischen Camers, wie Felsina an die Stelle des voretruskischen, d. h. auch umbrischen Stadtnamens. Etruskischer Spracheinfluß über die Namen hinaus ist nur in einem, wenn man den übrigen Kultureinfluß vergleicht, ver­

schwindenden Maß zu erkennen: nächst benachbart ist levenna von levis m it der Endung des Familiennamens (W . Schulze S. 283 f.); eine kleine Zahl von Lehnwörtern, meist technische Bezeichnungen, vgl. Skutsch Glotta I V 1912 S. 189, Kretschmer Einleitung in die Altertumswiss. I 2 S. 561. Die von Skutsch dort begründete Ansicht, daß der lateinische Initialakzent durch etruskischen Einfluß veranlaßt sei, scheint m ir aus diesem Grunde nur geringe Wahrscheinlichkeit zu haben.

2) Wissowa Religion u. K u ltu s 2 S. 39 f.

3) Griechische Lehnwörter durch etruskische Verm ittlung: W . Schulze Ber.

Berl. Akad. 1905 S. 709.

(16)

Etrusker. Religion. 11 die E in fü h ru ng der sibyllinischen Bücher den T arquiniern zu. A ls die Römer die T arquinier vertrieben und dam it der etruskischen M acht w ohl den ersten Stoß gaben, w aren in der römischen K u ltu r die röm ischen, griechischen und etruskischen Elem ente zu einer Mischung verbunden, die sich n u r allm ählich ausgleichen konnte.

Dies geschah während der folgenden Jahrhunderte v o ll g ew altig e r p olitische r und K riegsarbeit, durch welche die römische K ra ft, auch die geistige K ra ft, Ita lie n zur E in h e it zwang.

Das s tille F o rtw irk e n der gelegten Keim e können w ir n ur verfolgen wo das öffentliche Leben davon berührt w ir d ; am deut­

lichsten in der römischen S taatsreligion. Denn die häusliche und persönliche R e lig io n des Römers w a r der griechischen zu frem d, nm durch die Aufnahm e griechischer G ö tte r in den S taa tskult w esentlich berüh rt zu werden. D ie Römer waren Bauern, und die einwandernden Griechen brachten keine B auerngötter m it, noch weniger die E trusker. D ie G ö tte r des Römers halfen ihm in den V errichtungen des täglichen Lebens, dazu vermochten sie bestim m t eingerichtete K ultübungen und G ebetform eln; sie persönlich und menschlich zu gestalten la g dem Römer fe rn , das m ythologische D rum und D ran der Griechen konnte ihm nie als T e il der R e li­

gion erscheinen. A ls die fremden G ö tte r im S taa tskult erschienen, w ar es Sache der fü r sie eingesetzten P rie s te r, sie ric h tig zu be- chenen A ber doch haben sich die später gekommenen poetischen und philosophischen Vorstellungen, in denen die griechischen G ö tte r als römische und die römischen als griechische g e fü h rt werden, so b re it über unsere Ü berlieferung gelegt, daß die römische R e li­

gion u nte r der griechischen Schicht halbversteckt ist.

V o r der etruskischen H errschaft sind keine griechischen G ö tte r in Rom eingeführt worden. D ie E truske r ersetzten die a lte röm i­

sche T rias Romulus Mars Q uirinus durch ih re von den Griechen empfangenen J u p ite r Juno M inerva, die a uf dem Z e n tra lh e ilig tu m als S ta d tg ö tte r angesiedelt wurden. D ie befreiten Römer blieben auf dem von den K önigen gewiesenen Wege. Sie gaben den D i- oskuren und Hercules W ohnungen innerhalb der Stadtm auern; jene holten sie aus Tusculum, diesen aus T ib u r: beide O rte hatten ih re n H a u p tk u lt von den Griechen bekommen. D urch die sibyllinischen Sprüche, die die T a rq uinie r aus Cumae nach Rom gebracht hatten, wurde der cumäische A p o llo eingeführt, aber er w ie die andern eigentlich griechischen G ö tte r mußten außerhalb des S tadtbezirks wohnen. A p o llo behielt seinen Kamen, Hermes w urde M ercurius der H andelsgott, die T rias Demeter Dionysos K ore w urde als Ceres L ib e r Libera, das heißt u n te r italischen Götternam en w ie die k a p i­

(17)

tolinischen G ötter, in Rom aufgenommen. Diese G ö tte r kamen in den ersten Zeiten der R e p u b lik, die meisten andern erst v ie l sp ä te r; w ir sehen auch hier, w ie sta rk der etruskische E influß nach der V ertreibung ein w irk te und w ie er dem neu einsetzenden g rie ch i­

schen den Boden b ereitet hatte.

U n te r der Oberfläche drang allm ählich eine niedere griechische B evölkerung in Rom und Elem ente griechischer B ild un g in rö ­ mische F am ilien ein. D ie griechischen Sklaven und Freigelassenen konnten ih re N a tu r und H e rk u n ft n ich t verleugnen und römische Knaben und E lte rn sich ihrem E influß n ich t entziehen, seitdem man im p riva ten Leben angefangen h a tte zu schreiben und zu lesen und dadurch m it N o tw e nd ig keit eine höhere Bildungsschicht sich über dem allgem einen römischen Wesen zu erheben begann.

D er Siegeszug der latinischen W affen w ar zugleich ein Sieges­

zug der lateinischen Sprache. In Ita lie n wurde griechisch, keltisch, etruskisch, umbrisch, oskisch, lateinisch und eine F ü lle von Berg- und Landdialekten gesprochen, die sich alle gegenseitig n ich t verstanden.

A lle diese Sprachen außer der griechischen sind zu Beginn der h i­

storisch hellen Z e it auf dem Rückzuge vor der einen lateinischen, die sie u n te rw irft w ie ih re Städte und Länder. Es is t aber n ich t so, daß gewaltsam la tin is ie rt worden wäre. In den öffentlichen Kundgebungen tr a t die lateinische Sprache neben die einheimische, der römische Beamte verlangte daß man ih n verstünde, die la tin i­

schen K olonien waren lateinische Sprachinseln und konnten über ihren Bereich hinausw irken. D ie eigentliche L a tin isie ru n g aber muß im Heere stattgefunden haben, das, obwohl die K ontingente der U n te r­

worfenen beieinander blieben, die einheitliche Kommandosprache ver­

langte. Z u le tz t blieb die lateinische Sprache ü b rig und die g rie ch i­

sche ; denn diese w a r n ich t gewichen, w ie ja auch die Griechen die zu le tzt U nterw orfenen waren. N un stand die welterobernde Sprache der Sprache gegenüber, die Ita lie n erobert h a tte ; und es erhob sich die Frage, welche von beiden in Ita lie n unterliegen würde. D ie w a h rh a ft w elthistorische Entscheidung, die dieser frie d lich e K am pf gefunden h a t, ließ Sieger und Besiegte a uf beiden Seiten. K e in Grieche h at sich w ie die andern Ita lik e r la tin is ie rt, wenn n ich t als Knaben nach Rom gebrachte, w ie der Begründer der römischen L i­

te ra tu r ; und die in allen Barbarenländern fortschreitende H e lle n i- sierung wies der Ita lik e r, den Römer an der Spitze, siegreich zu­

rück. E r begab sich in die griechischen Fesseln, aber um sie m it dem G eist seiner eigenen Sprache umzuschmieden.

12 I Bedingungen und Elemente.

(18)

Die Sprache. Uralte Verse. 13

3

A u f keinem G ebiet is t das ursprünglich Römische vo llstä nd ig er verdunkelt und beseitigt worden als a u f dem lite ra risch e n : die altröm ische Y ersform erst nach den Anfängen einer römischen L ite ra tu r, vo r unsern A ugen; die ursprüngliche V olksdichtung, sofern es solche gegeben hat, noch vo r oder zugleich m it den ersten Nachbildungen griechischer D ichtung. Denn h ie r is t fre ilic h die V orfrage erst zu beantw orten, was die Römer von eignen Keim en werdender Poesie besaßen, ob sie es nur in der Potenz besessen oder in der literarischen V o rz e it gesta ltet haben.

Es leuchtet ein, daß a uf Erhaltenes in der ursprünglichen Eorm hierbei n ich t zu rechnen is t. Glanz z u fä llig is t in einem späten P ro to k o ll der A rva lb rüd e r, einer u ra lte n , zu Augustus’ Z e it ver­

schollenen und von ihm reorganisierten Kultgenossenschaft, das L ie d m itg e te ilt, das beim Jahresfeste der Dea D ia gesungen, w urde:

fü n f Zeilen Gebet, H ü lfe b itte n d und Ü bel v e rb itte n d 1). Was w ir sonst haben, sind zerstreute A nführungen einzelner Verse und Aus­

drücke, das Meiste v e rm itte lt durch die römischen G elehrten, die von der Z e it der Gracchen an ih r Interesse den ältesten Sprach­

denkmälern zuwendeten. V oran stehen Reste von der heiligen L i­

tanei der S a lie r, einer vornehmen P rie ste rsch a ft, die von K ön ig Numa ih re Einsetzung und auch ih re Lieder herschrieb; das einzige größere Stück is t unverständlich, die kleinen lehren n ic h t v ie l mehr als Momente religiöser Anschauung. Dann einige Bauern- und Zaubersprüche2) ; Reste und Paraphrasen a lte r Weissagungen und

1) ‘H e lft uns, Laren. Laß nicht, Marmar, Sterben Verderben stürmen auf Mehrere. Sei satt, wilder Mars, spring auf die Schwelle, halt an die Geißel. Die Semonen alle sollt ih r im Wechsel herbeirufen. H ilf uns Marmar’. Dann der Taktruf triumpe, der freilich, wenn er übertragenes taufte wäre, auch hier das fremde W o rt zeigte; man müßte dann an etruskische Vermittlung denken (W alde2 S. 793, vgl. W . Schulze Gott. Gel. Anz. 1896 S. 241, Kretschmer Einl. in die A lte r- tumsw. I 2 S. 560); aber der Begriff ‘drei’ muß wohl in dem W orte von Ursprung enthalten sein. Zum dritten Verse vgl. Norden Verg. Aen. V I S. 208, zum Liede überhaupt Norden "Ayvcoatos &sos S. 169 A . 1.

2) In den alten Vergilscholien (zu georg. I 100) wurde eine bäuerliche Vers- regel (hiberno pulvere, vernoluto grandia fa rra , camille, metes, vgl. Sat. Vers S. 63) mitgeteilt aus einem Uber vetustissimorum carminum, qui ante omnia quae a La - tinis scripta sunt compositus ferebatur (Macrobius V 20,17; — in antiquo carmine, cum pater filio de agri cuttura praeciperet Paulus 93); also ein Buch Bauern- regeln, von Gelehrten varronischer Zeit benutzt, in der altrömischen Form der Lehre des Vaters an den Sohn, die w ir bei dem alten Cato wiederfinden werden (Kap. V III).

(19)

R ituale. Diese, fü r heilige Handlungen festgefaßte Form eln, von einem natürlichen und ursprünglichen R hythm us, üben den fe ie r­

lichen Reiz gebundener Rede, w ie der Spruch des A ugurs bei A b ­ grenzung des Templum (V a rro Y I I 8), die Gebete, m it denen die G ö tte r aus der belagerten S tadt gelockt und danach S tadt und Heer verflucht w urden (Macrobius I I I 9 ); eine L ita n e i von G ö tte r­

namen fü h rt G ellius aus P riesterbiichem an ( X I I I 23); verwiesen w ird a uf die heiligen Bücher, in denen die ritu e lle n G ebetform eln verzeichnet sind, in den erhaltnen P ro to ko lle n der Fünfzehnmänner, die u n te r Augustus das Säcularfest a usrichteten'). Solche ‘Bücher’

besitzen w ir an den E rz ta fe ln v o n lg u v iu m ; ih re Form eln scheinen zuw eilen aus dem feierlichen R hythm us, der ihnen eigen is t, in festere m etrische Form überzugehn; w ie auch die p riva ten Gebete, die Cato in seinem Buch vom Ackerbau fü r die Sühnung des Ackers und andere heilige V errichtungen m itte ilt1 2).

Dies sind alles carmina, das heißt gebundene Sprüche. Jede feierliche und bindende Handlung verlangte ein carmen, metrische Fassung is t in diesem B e g riff n ich t notw endig enthalten. A ber die Römer besaßen ein altes ursprüngliches Versmaß, in dem der von sakraler Begeisterung erfaßte vates sang, u n te r dessen Zw ang auch das carmen einherzugehen pflegte. Dieser versus Saturnius g a lt den Römern in ä lte re r Z e it, n ich t n ur den P hilologen und A ntiquaren, die nach alten Liedern und Sprüchen suchten, durch­

aus als der einheimische, den griechischen Formen vorausliegende V e rs 3). E rs t Caesius Bassus, u nte r Nero, h at ih n aus dem G riechi­

schen hergeleitet, durch die ähnlichen griechischen Verse v e rfü h rt.

In der T a t is t es ein Vers von derselben H rs p riin g lic h k e it w ie die griechischen, aus denen die dem S aturnier ähnlichen Formen her­

vorgegangen sind. D er nationale Vers w a r den Römern der lite ­ rarischen Z e it rasch etwas Fremdes geworden, da ih re m etrische E in sich t durch die A nalogie der regelmäßigen griechischen Vers- arten bedingt w ar.

14 I Bedingungen und Elemente.

1) lu p p ite r 0. M ., u ii tib i in illis libris scriptum est, dann der allgemeine Inhalt des Gebets; die alten Formeln stehn in den libri.

2) Norden Antike Kunstprosa I S . 156 ff., Einleitung 2 S. 318 f., ’'JyvcaOTOg &s6s S. 156. Thulin Sacrale Poesie u. Prosa S. 52 ff. Thurneysen Rhein. Mus. X L II IS . 349.

3) Ennius m it Bezug auf Naevius: scripsere a lii rem versibus quos olim F a u n i vatesque canebant (ann. 213 V.). Varro nimmt die F a u n i ernst (de 1. 1.

V I I 36): hos versibus quos vocant Saturnios in silveslribus locis traditum est solitos fa ri, so Verrius Flaccus (Fest. 325) ; Cicero (Brut. 71) nostri veteres versus;

Horaz (ep. I I 1, 157) sic horridus ille defluxit numerus Saturnius. Caesius Bassus 265, 8 quem nostri existimaverunt proprium esse Italicae regionis, sed fa llu n tu r.

(20)

carmina. Saturnischer Vers. 15 A lle ro rte n hat der griechische Genius Ind ividu e n hervorge­

bracht, die den volkstüm lichen Maßen, um sie fü r den kunstmäßigen Gebrauch geschickt zu machen, eine künstlerische G estalt gaben.

A ls die poetischen G attungen fe rtig waren, lagen die ursprüng­

lichen Maße im Dunkeln. Es is t allm ählich d eu tlich geworden, daß in den attischen Jamben und G lykoneen U rform en stecken, die in der s tilis ie rte n Eormengebnng der parischen und lesbischen K unst keinen Kaum gefunden haben. A ber auch diese Verse, in denen die alten F reiheiten des Volksliedes, die fre ie und die u n te r­

drückte Senkung, lebendig sind, verlieren in der eignen A usbildung oder dem gesetzlich bestim m ten Zusammenhang, den die alles ver­

bindende K u n st herbeigeführt hat, den altertüm lichen Schein: der komische T rim e te r k lin g t le ich ter und a lltä g lic h e r, aber n ich t archaischer als der tragische; und die ursprünglichsten Formen, E nhoplier und choriambische D im eter, sind später als die sekundären Gebilde in ih re r wahren K a tu r erkannt worden.

Dagegen der ita lische V e rs *) steht in seiner ungeschlachten rtü m lic h k e it vo r unsern Augen, von der auch L iv iu s Andronicus nie t v ie l abgetan hat, als er, um das Maß fü r seine Übersetzung der Odyssee ta u g lich zu machen, die schärfsten Ecken abschliff.

^ i aDg? r; S e“ D °Pp e W ’ w ie der Kibelungenvers, dessen beide H ä lfte n stets getrennt erscheinen, also ih re eigne E xistenz bewahren, wie sie denn auch gelegentlich einzeln als K urzvers auftreten. K urzvers is t der saturnische H albvers von K a tu r » k solcher is t er entstanden und h a t er sich im Liede e ntw ickelt, ein zw eitaktiges Gebilde, w ie es in der M e trik a lle r verw andten V ö lke r erscheint. Ü ber das Maß konnte er n ich t hinausgehn, aber in n er­

halb seines Umfangs h a t er sich durch U nterdrückung der Sen­

kungen und Verwischung der Hebungen v e rk ü rz t und mannigfache S pielarten e n tw icke lt, so daß im Langverse die ursprüngliche Iden­

tit ä t der beiden H ä lfte n verdunkelt is t; um so mehr, als der erste lite ra risch e D ich te r die M a n n ig fa ltig k e it der Formen benutzte, um einen Unterschied zwischen der ersten und zw eiten H ä lfte festzu- 1

1) Der Saturnische Vers, Abh. der Gott. Ges. d. Wissensch. 1905. Beispiele:

die Odyssee des Livius begann:

virüm m ihi Camena insece versütum.

Der fingierte Vers der Meteller gegen Naevius:

malum dabunt M etelli Naevio poetae.

E in Fragment aus Naevius’ bellum Poenicum:

seseque ei perire mavolunt ibidem

quam cum stupro redire ad suos populäres.

(21)

16

setzen; gewiß im Anschluß an die Formen, die sich im V olks- und K u ltlie d e ausgebildet hatten.

Dieser Vers w ar das Maß fü r alles was vo r Beginn der L ite ­ ra tu r in lateinischer Sprache gedichtet w urde; daß er auch das Vers maß der übrigen italischen Stämme gewesen, is t in hohem Maße wahrscheinlich. E r is t in der W urzel verw andt m it den ursprüng­

lichsten Formen der griechischen L y rik , w ie m it den Hauptmaßen der andern sprachverwandten V ölker. D ie große M a n n ig fa ltig k e it der Formen, die uns die römischen M e trike r fü r den S aturnier be­

zeugen und die w ir in den Resten erkennen können, is t durchweg aus der parallelen E n tw icklu n g der griechischen Lieder nachzu- weisen, in der euripideischen Monodie, dem kitharödischen Kontos des Timotheos, dem volkstüm lichen Liede der K orinna. Auch der Sa­

tu rn ie r w ar durch seine B ew eglichkeit fü r K u ltlie d , V olkslie d und H eldenlied geeignet. A ls die Römer, in der Z e it der beginnenden L ite ra tu r, das bis dahin den Ita lik e rn unbekannte G rab- und W eih­

gedicht den Griechen nacbbildeten, ersetzten sie das elegische Maß durch das saturnische; dadurch blieb dieses im p riva ten Gebrauch noch eine Z e it lang lebendig, als es in der L ite ra tu r längst dem Hexam eter gewichen w ar. In der ersten literarischen Generation aber w ar es k rä ftig genug, dem homerischen Vers den Eingang zu verwehren und als nationales Maß eines römischen Epos aufzu­

treten.

Das meiste aber was einm al im saturnischen Vers gesungen w urde is t ohne Rest, wenn auch n ic h t alles ohne Spur verklungen.

D ie Spuren sind allgem eine N achrichten und Nachklänge von einst vorhandener Volkspoesie, N achrichten zum T e il aus historischer Z e it, die von altem dauerndem Volksbrauch reden. Es sind auch lite ra rh istorisch e K onstruktionen darunter und Ü berlieferung die durch das, was die Griechen a uf ihrem Boden beobachtet haben, g e trü b t is t. A ber daß es bei öffentlicher F eier und in den F am i­

lien, in den Stadthäusern und Bauernhöfen, bei den großen Gele­

genheiten des Jahres und des menschlichen Lebens von herkömm­

lichen Festliedem , von L u st und Trauer in altgeform ten W orten, von im provisierten Scherzen in kunstlos gebundener Rede sang und k la ng, das entnehmen w ir m it S icherheit den Anspielungen aut m annigfaltigen Gebrauch. Auch das A rb e itslie d fe h lt n ic h t1).

D ie beim Hochzeitsfest gesungenen, der Gelegenheit und den Personen gemäß im provisierten S pottlieder sind bis in späte Z e it

I Bedingungen und Elemente.

1) Die Arbeiter bei der Weinlese, die Nähmädchen: Varro Men. 363. Die calabrischen H irten bei Marius Vict. 122 sind eine neoterische Fiktion.

(22)

Fescenninen. 17 hinein sehr g u t bezeugt. C a tu ll g ib t sogar eine V orste llun g davon, w ie sie sich ausnahmen. Ih r Name fescenni n i versus w ar a lt und auch den Römern dunkel: in ric h tig e r E rkenntnis des apotropäi- schen Wesens dieser Verse w o llte n sie ih n gern auf fascinus be­

gehen, aber die nächstliegende H e rle itu n g von dem südetrurischen Fesceniuum, nahe dem latinisch-etruskischen F a le rii, is t sprachlich die einzig m ögliche1). D er Brauch kann ä lte r sein als der Nam e;

a er der Name is t ä lte r als das Gedenken derer die nach seiner r ärung suchten; und a u f den A nlaß einer solchen Benennung d arf man n ich t raten.

D er Name erscheint auch in den K onstruktionen der V o r- geschichte des römischen Dramas bei L iv iu s und H o ra z; bei beiden a s echselgesang roh nach Form und In h a lt, bei Horaz ausdrück-

^ auf ^ das E rn te fe st lo k a lis ie rt 2 3 4) : bäuerliche Schimpfreden in ec se liedern, die gemäß der Ungebundenheit des Festes allm äh- ieb ausgeartet und durch besondere Gesetze m it S trafe bedroht worden seien. Dies le tz te is t eine der griechischen E n tw icklu n g ai 5 \ ie K o n stru ktio n , die als Analogon der vielbesprochenen attischen Gesetze gegen nam entliche V erspottung a u f der Bühne die Bestim mung des römischen Landrechts gegen Schim pf lie d er verwen- S c h i m ^ i T T T a T f f ehung “ Cht ^ f f t , sind doch die Schim pflieder durch die Gesetzbestimmung w ohl bezeugt8)- und die im provisierten S pottlieder beim E rn te fe st sind von glefcher A r t w ie die Lieder und Liederspiele bei den W einfesten der italischen Bauern von denen V e rg il e rzä hlt *); auch V arro hat an verschiedenen Stellen seiner Anfänge des Dramas’ a uf ähnliches naturwüchsiges W echsel­

spiel bei städtischer und lä n dlicher F estfeier hingew iesen5 * *).

1) Paulus 85 Fescennini versus, qui canebantur in nuptiis, ex urbe Fescen- nma dicuntur a d la ti; sive ideo d ic ti,' quia fascinum putabantur arcere. Cato nennt einen öffentlichen Lustigmacher fescenninus (Macrob. I I I 19 9)

2) Hör. ep. I I 1, 145.

3) In den 12 Tafeln waren zwei Strafbestimmungen (Bruns-Gradenwitz S.28)- qm malum carmen incantassit, das bedeutet Bezauberung durch Sprüche (wie qui fruges excantassit, beides bei Plinius X X V I II 17), und de famosis carminibus (Paulus sent. V 4, 6), si quis occentavisset sive carmen condidisset quod infamiam faceret flagitiumve alteri (Cicero de rep. IV 12). Horaz hat die famosa m it den mala verwechselt; jene hat Usener Rhein. Mus. L V I S. 3 ff. ins L ich t gestellt, es ist die gesetzliche Unterdrückung der Volkssitte, Verse zum Schimpf vor einem Hause öffentlich abzusingen. Auch Cicero schloß aus dieser Bestimmung (ne liceret fieri ad alterius iniuriam ) ‘daß man schon damals Gedichte gemacht habe’ (Tusc. IV 4)

4) Vergil georg. I I 385 ff. (versibus incomptis ludunt u.s.w. beim Frühlings­

fest, und Baccho dicemus honorem carminibus p a triis beim Lesefest) ohne Zweifel aus lebendigem Brauch.

5) Hermes X X X IX S. 75.

Leo, Geschichte der römischen Literatur, I.

f

2

• lillititis

(23)

18 I Bedingungen und Elemente.

. D ie nächste V erw andtschaft m it den S pottliedern bei der Hoch­

ze it haben die von den Römern g le ich fa lls, und gewiß m it Recht, als u ra lt angesehenen sollemnes ioci. carmina incondita, alternis in- conditi versus m ilita ri licentia ia c ta ti1), die heim Trium ph die Sol­

daten dem in g ö ttlic h e r V e rklä ru n g einherfahrenden F eldherrn als Sühne übermenschlichen Glückes zuriefen. L iv iu s erw ähnt sie zu­

erst zum J. 458 v. C h r., noch von A urelians und Constantins Trium phen her k lin g t die lebendige Soldatensitte.

Das Gegenbild g ib t die naenia, das K lage- und L ob lie d auf den Verstorbenen bei der B estattung. Daß diese Lieder in her­

köm m lichen Formen feststanden, le h rt die S itte , sie durch K la g e ­ w eiber (;praeficae) singen zu lassen, eine S itte , von der A risto te le s .in den ‘S itte n der B arbarenvölker’ b erichtet h a t, die fü r Naevius und P lautus lebendig, fü r V arro verschollen is t. Doch is t diese S itte gewiß n ich t das U rsprüngliche; sie w ird zugleich m it der fü r die Naenie bezeugten aus E tru rie n gekommenen F lötenbegleitung eingeführt worden sein, durch die der kunstlose Klagesang einen technischen A n strich e rh ie lt und gleichsam z ü n ftig wurde. Da­

durch v e rlo r er das Persönliche und Momentane, die K om iker und der a lte Cato sprechen von den Totenliedern w ie im S prichw ort, von der alten Leier. So kam es, daß die K lagew eiber w ieder ver­

schwanden; aber die Naenie blieb, wenigstens bei anspruchsvollen Begräbnissen auch späterer Z e it, von Chören im Leichenzuge ge­

sungen; sie b lie b , da die feierliche Leichenrede der Vornehmen längst aus der Naenie hervorgegangen w ar, als R udim ent sakralen Gebrauchs neben der Leichenrede bestehn.

Als eine N achricht von uraltem römischem Heldengesange hat Cicero 2) aufbew ahrt was er in Catos O rigines gelesen hatte, daß es vo r A lte rs S itte gewesen sei, beim Mahle, die Tischgenossen einer nach dem andern, Preis und Taten der V orfahren bei F lö te n ­ begleitung zu singen. F ü r Cato w a r es bereits eine längst ve r­

schollene S itte : er weiß nur, daß es vo r vielen Menschenaltem so gewesen is t. Dazu kom m t eine N achricht V a rro s 3) aus dem Buche

‘über das römische Leben’ : Knaben h ätte n beim Mahle a lte Lieder m it dem Lob der V orfahren gesungen, sowohl ohne B egleitung als zur F löte. W ir haben h ie r zw ei A rte n des V ortrags, von denen

1) Liv. I I I 29 ,5 ; IV 20 ,2 ; 53, 11.

2) Brut. 75 Tusc. I 3; IV 3.

3) Non. 77: in conviviis pueri modesti ut cantarent carmina antiqua, in quibus laudes erant maiorum, et assa voce et cum tibicine. Der Satz ist unvoll­

ständig, modesti kaum richtig.

(24)

cler eine, der fre ie Knabengesang, a lt und ursprünglich is t, der andere, Kundgesang zur F lö te, griechischem oder etruskischem Brauch e n ts p ric h t'). Man d a rf hieraus n ich t eine E n tw icklu n g der S itte von der varronischen als der älteren zu r catonischen als der jüngeren konstruieren. V ielm ehr V arro b e stä tig t die von Cato be­

rich te te Tatsache, n ic h t die äußeren Um stände; er h atte bessere antiquarische K unde; die V orstellung, aus w elcher Cato von der verschollenen S itte sprach, w a r an griechischen Gebrauch angelehnt.

°rigens *sl die E xistenz röm ischer H eldenlieder zur Genüge da- c urch bezeugt, daß L iv iu s Andronicus den S aturnier als das römische epische Maß b e tra ch te te 1 2).

Von diesen Balladen w ar nichts geblieben; utinam extarent, sagt Cicero. Aus dem W echselspiel und Gesang bei bäuerlichen ' l'1 * ländlichen Festen is t nichts je zur G estalt durchgedrungen.

as volksmäßige Spiel, das fa st zw ei Jahrkunderte nach Entstehung c t r griechisch-römischen L ite ra tu r lite ra ris c h wurde, w a r oskischen mic italisch-griechischen Ursprungs. M it großer B estim m theit können w ir sagen, daß die gelehrten Römer, die im le tzte n J ahrhundert der R epublik das Interesse an ihrem nationalen A lte rtu m dazu fü h rte , allen zugänglichen Sprachdenkmälern der Vergangenheit nachzugehn, P r L / 6 lL 'nde-: I!1ltU a l? Und W ahrsagungen fanden, die von alten x ? W°rden Waren’ keine Gedichte v o rlite ra - .chei Z eri außer Bauernsprüchen, W etterregeln, O rakeln. H e il- und von D h ü T n ' i na\ le h rt H °raZ “ der E p iste l an A l.lgustus, die n D ichtern und D ichtung handelt: als älteste S chriftw erke, denen

® Ton y™ 1 * bekämpfte Überschätzung g ilt, nennt er die 12 Tafeln, önigsbündnisse, Priesterbücher und die ältesten Weissagungen, w e ite rhin das S alierlied. Das bedeutet: w e ltlich e Lieder gab es n ich t,, sie waren nie fü r die Dauer aufgezeichnet w orden, es w a r me etwas aus ihnen geworden was dazu gedrängt h ä tte sie auf­

zuzeichnen.

Es g ib t eine annalistische Ursprungsgeschichte des römischen Naenie. Heldenlieder. Vorliterarische Aufzeichnungen. 19

1) Vgl. Mommsen Rom. Gesch. I 9 S. 222.

2) Die Existenz dieser Lieder ist freilich ein zu dünner Faden, um Niebuhrs Hypothese von der Entstehung der römischen Geschichtslegenden, die kürzlich De Sanctis (Storia dei Romani I S. 22 ff.) wieder aufgenommen hat, daran zu hängen.

Diese Geschichten tragen in Motiven und Technik zu deutlich den Stempel griechi­

scher Erzählung. Aus Dionys I 79 (— v.ai anb äcuaovmv oreopSg ysvsa&ca vo- (ufr[isvovs, ois sv tois narQiOLg vuvoig vito ' PmiicaW t r i v.ul vvv cidsttu) folgt nur, daß in einem Kultliede die göttliche Geburt der Zwillinge erwähnt war; und V I I I 62 (Coriolan ccSstcu v.al v[ivsitcu jroös x d v ra v ) ist nur eine Floskel — VM E . Pais Storia critica di Roma (1913) I S. 21 ff. ° ‘

2 *

Cytaty

Powiązane dokumenty

In den meisten Romanen, die auf das Kriegsgeschehen re- kurrieren, sind die Protagonisten Deserteure (Das Boot kommt nach Mitternacht Habeck, Chronik einer "acht Federmann,

The present work focuses on the effect of roughness element of various geometries and size on laminar to turbulent transition in subsonic flow.. In order to have a

Innym ciekawym pomysłem do ramy „pojęcie - termin nazywający” w wypadku tekstu o „małych ojczyznach” może okazać się zastosowanie P iram idy fa k tó w '2, któ­

Taking into consideration the fact that during rescue oper- ations, fire-fighters may be exposed to terrorist situations, the aim of this study was to determine whether or

Kończąc swoją homilię w Legnicy Jan Paweł II nawiązał właśnie do kształtu kultury polskiej, a także do jej rozwoju na przyszłość: „U schyłku tego wieku

©afpar ber £>eitingftetter oon .^önljeim unb £ans £ud)fdjerrer uon StegenSburg üjre gorberungen gegen gotjann non SlbenSberg perft oor beffen eigenen Stmtleuten

Wenn die Deutschen schreiben: „Laßt die Polen thun, was sie wollen", dann zeigen die Polen das ihren Landsleuten, um zu zeigen, daß die Deutschen Angst haben; aber wenn

suchen, die mit unserer Geistesfajsung näher verbunden wären. So kam man zur deutschen Renaiffance, zur italienischen, zum barock mit all seinen Abwandlungen und schließlich zu