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Mitteilungen der Comenius-Gesellschaft. Comenius-Blätter für Volkserziehnng, Juni - Juli 1894, II Jahrgang, Nr. 6-7

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(1)

MITTEILUNGEN

*D ER

C oäenius -G esellschaft .

Z w e ite r Ja h rg a n g .

Juni und Juli 18 9 4 .

L E IP Z IG .

R . V O I G T L Ä N D E R ’S V E R L A G . (IN K O M M IS S IO N .)

1894 .

Alle R echte Vorbehalten.

(2)

In h a l t

d e r s e c h s t e n u n d s i e b e n t e n N u m m e r 1 8 9 4 .

B. Baehring, Z u r E rin n eru n g an D r. J a c o b F ro h sch am m cr, weil. ord. P ro fesso r der

P liilisop liic in M ü nchen . . . . . . 73

Lorenz Kellners Stellung zu Comenius... 82

Comenius in der bayerischen Abgeordnetenkammer 84

Rundschau und Gedenktage . . . . . ss

Gesellschafts-Angelegenheiten... 93

Aus den Zweiggesellschaften und Comenius-Kränzchen . . . . 97

Persönliches . . . . 104

D ie M i t t e i l u n g e n der C.G. erscheinen m onatlich (m it A usnahm e des A ugust und September). D ie A usgabe von Doppelnumm ern bleibt Vorbehalten. D e r G esam tu m fan g beträg t vorläufig etw a 10 B ogen.

D e r Bezugspreis der M itteilun gen b eträg t im B u ch h an d el 4 M . E in zeln e N um m ern kosten 50 P f. P ostzeitu ng sliste N r. 4223 a.

Briefe und Drucksachen fü r die M itteilun gen sind an den V orsitzend en der G esell­

sch a ft und verantw ortlichen H erau sgeber, Archivrat Dr. Keller in Münster i. W., zu rich ten .

D ie Mitteilungen werden denjenigen M itgliedern unserer G esellsch aft, die A nspruch auf L ieferu n g aller G esellsch aftssch riften haben, u n entg eltlich g eliefert. A usserdem können sich alle diejenigen das R e c h t der Zuw endung erw erben, w elche sich in den L isten als Abteilungs-Mitglieder (Ja h re sb e itra g 3 M.) füh ren lassen. (V g l. §. 17 — 20 der Satzungen der C om en ius-G esellsch aft.)

F a lls die Z ahlung der B eiträg e bis zum 1. Juli n ich t erfolg t ist, ist die G esch äfts­

stelle zur E rh eb u n g durch Postauftrag b e r e c h t ig t.

Jahresbeiträge (s. den Auszug aus den Satzu ngen auf S . 4 des U m schlags), sowie einmalige Zuwendungen b itten w ir an das

Bankhaus Molenaar & Co., Berlin C. 2, Burgstrasse,

zu rich ten . A uch nehm en säm tliche P fleg sch aften , (B evo llm äch tig te und G esch äftsfü h rer s. S . 3 des U m schlags) B eiträg e an.

Geschäfts - Anzeigen fü r die M itteilun gen und die M onatsh efte werden von der V erlag sb u ch h an d lu n g und B uch d ru ckerei von J o h a n n e s B r e d t in M ü n ster (W estf.), angenom m en. P r e i s e : 1 S e ite M. 20, V-, S e ite M. 12, */4 S e ite M. 6 , 1/e S e ite M . 4.

— B eilag en k osten 10 M.

(3)

g j ^ v s ^ r ^ l

Mitteilungen

der

Comenius-Gesellschaft.

II. Jahrgang. ^ 1894. &-° Nr. 6 u. 7.

Zur Erinnerung an Dr. Jacob Frohschammer,

w eil. ord . P r o fe s s o r d er P h ilo so p h ie in M ü n c h e n .

V o n B . B a e h r in g ,

p ro t. P fa rro r in M infold, P falz.

Das alte W o rt, dass vor seinem Ende Niemand glücklich zu preisen sei, hat seine Berechtigung insofern, als man erst dann einen genügenden E in blick in das innere Leben eines Menschen gewinnen kann, wenn er seinen irdischen L au f vollendet hat. D er Lebende wird immer

v o r w i e g e n d

beurteilt nach seinem W irken auf die Aussenwelt und seinen Schicksalen, die er zu erfahren hat; ist er aus dem K reise der Sterblichen ausgeschieden und dem K am pf ums Dasein entrückt, dann wird nicht mehr L ob und Tadel der M itlebenden, nicht mehr E rfolg oder M isserfolg seines zeitlichen W irkens zum M assstab des U rteils gem acht, sondern der innere Gehalt seines Charakters, das E w ig e, welches in ihm zur Erscheinung gekommen ist.

E in Charakter, und zwar ein durchaus lauterer, edler, hoch­

sinniger Charakter, war der am 14. Ju n i 1893 im W ildbade Kreuth bei Tegernsee nach längerem Leiden zur ewigen Ruhe eingegangene Professor Dr. F r o h s c h a m m e r , und zwar ein für die höchsten Ziele der M enschheit, besonders für die Versöhnung des christ-

Mi UeiInngen der C oin on iu s-d oscllsid iaft. 1S!)4. 7

(4)

74 B . B aeh rin g, Nr. 6 u. 7.

liehen Glaubens mit der W issenschaft begeisterter und uner­

schütterlich wirkender und kämpfender Charakter. Schon deshalb hat die Comenius-Gesellsehaft Ursache, diesen im Leben viel ver­

kannten Mann nicht nur näher kennen zu lernen, sondern auch so weit als möglich zur Anerkennung zu bringen. Denn aller F o rt­

schritt in der K ultur beruht auf der Erkenntnis und dankbaren Anerkennung des W ahren und G uten, was die uns in der Ew ig­

keit Vorangegangenen bereits zur Darstellung gebracht haben.

N icht Denkm ale von Stein und E rz beweisen diese Anerkennung, sondern der fortdauernde geistige V erkehr mit ihrem G eist, das einsichtsvolle W eiterbauen an dem, was sie Gutes und Probe­

haltiges geleistet haben.

W enn ich es versuche, ein Denkmal dieser A rt dem V e r­

ewigten zu setzen, so hat dies seinen Grund in den persönlichen Beziehungen, die mich m it ihm verbanden. Unsere Ausgangs­

punkte lagen ursprünglich weit auseinander. Ich bin der Sohn eines protestantischen Pfarrers in Thüringen, F r o h s c h a m m e r der eines katholischen Bauern bei Regensburg. E r war zum katho­

lischen, ich zum protestantischen Geistlichen bestimmt. Unser beiderseitiger Bildungsgang auf Schule und U niversität war sehr verschiedenartig. Frohschammer arbeitete sich, nach Überwindung ausserordentlicher Hindernisse, bis zum Professor an der Univer­

sität zu München empor, und zwar wurde er zuerst ausserordent­

licher Professor der katholischen Theologie und dann ordentlicher Professor der Philosophie, während ich als Landpfarrer in der Pfalz den gelehrten K reisen fern blieb. Aber durch M itarbeit an der damals in D arm stadt erscheinenden „Allgemeinen Kirchenzeitung“

war es mir möglich geworden, mit der wissenschaftlichen Bewegung V erkehr zu unterhalten. D a wurde mir die S ch rift Frohschammers

„Über die F reih eit der W issenschaft“ (1861) zur Besprechung in

dieser Zeitung übertragen. Obschon ich sie nicht ohne Misstrauen

in die Hand genommen, wurde mir bei näherer Prüfung sofort klar,

dass in ihr ein uns verwandter G eist rede. A uf der U niversität

Je n a hatte ich durch die Theologen B a u m g a r t e n - C r u s iu s und

C a r l H a s e so viel von der katholischen K irche kennen gelernt,

dass sie eine grosse geschichtliche M ission hat und keineswegs

als ein R eich der Finsternis und des Aberglaubens behandelt

werden darf. Als P farrer in der Pfalz war ich mit katholischen

G eistlichen und Landleuten in V erkehr getreten, die trotz der

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verschiedenen Ansichten über kirchliche Dinge meine Achtung in Anspruch nahmen. A ls ehemaligem Schüler F r ö b e l s lebte in mir von Jugend auf der W unsch nach nationaler Einigung unserer deutschen Stämme. Und das Ja h r 1848 hatte auch gelehrt, dass dieser W unsch bereits sehr allgemein geworden war und auf endliche Erfüllung rechnen dürfe. Aus dieser Sch rift F ro h- schamrtiers aber wurde mir klar, dass zur Erfüllung desselben die Anbahnung eines freien wissenschaftlichen Verkehrs zwischen den Protestanten und Katholiken unerlässlich sei. Man müsse sich gegenseitig verstehen und achten lernen, wenn man in einem V ater­

lande friedlich bei einander wohnen und das gemeinsame W ohl fördern wolle. Und die bayerische Staatsregierung, besonders in der Pfalz, wo durch den Code Napoleon der Staat bereits seit Anfang des Jahrhunderts thatsächlich über die konfessionellen V er­

schiedenheiten in G erichts-, E h e- und Schulsachen erhoben worden, war, lieferten mir täglich den augenscheinlichen Bew eis, dass nur durch Vollziehung der politischen Parität das deutsche V o lk aus seiner inneren Zerrissenheit erlöst und zu einer nationalen E inheit und K ra ft erhoben werden könne, welche zu der seinem Bildungs­

stande entsprechenden W eltstellung unentbehrlich sei.

Ich begrüsste diese kleine Sch rift Frohschammers als ein sehr bedeutsames Zeichen der Zeit und empfahl sie dem L eser­

kreise der „Allgemeinen Kirchenzeitung“ aufs Dringendste. D a­

durch hatte ich die Freude, m it Frohschammer selbst in V erkehr zu kommen. E r schrieb an m ich, übersandte mir seine früheren Schriften und dann auch die folgenden. Dadurch hatte ich das nötige M aterial, den Mann immer gründlicher kennen zu lernen und mich von seinem ebenso hochherzigen als zeitgemässen Streben zu überzeugen. Besonders war es mir erfreulich zu erkennen, dass ihm der Radikalismus der sog. Deutschkatholiken und F reige- meindler ebenso unsympatisch war, als der Ultramontanismus. A uf dem Boden des wahren Christentums suchte er m ittelst wissenschaft­

lichen V erkehrs eine Annäherung der katholischen Gelehrten an die protestantischen anzubahnen, die beiden zu gute kommen würde.

S c h e l l i n g hatte diesen Boden zu gewinnen gesucht m ittelst philo­

sophischer Abstraktionen. D ie ideale W elt hatte er aufzuschliessen gesucht, um diesen friedlichen V erkehr herzustellen. A ber trotz der Gunst, die seine geistvollen W orte von seiten der Könige von Bayern und Preussen erfuhren, war der praktische Erfolg seiner

1894. Z u r E rinn eru n g an D r. Ja c o b F rohscham m er. 7 5

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76 B . B aeh rin g , Nr. 6 u. 7.

Lehre nur gering. D er kirchliche Positivism us auf beiden Seiten vermochte sich zu wenig in diese Gedankenwelt zu erheben, und die Indexcongregation in Rom sorgte dafür, dass jeder Aufschwung auf katholischer Seite im E ntstehen unterdrückt wurde. Fro h ­ schammer wich dieser M acht nicht. E r blieb unentwegt auf dem guten R ech te, seiner V ernu nft sich auch in Religionssachen zu bedienen, stehen und fühlte durch die ungerechten Verfolgungen, die nun über ihn losbrachen, nur desto mehr sich im Grunde verpflichtet, auf der betretenen Bahn voranzuschreiten und den festen wissenschaftlichen Grund darzulegen, auf dem auch eine friedliche Behandlung der theologischen und kirchlichen Ange­

legenheiten zwischen den verschiedenen Konfessionen zu Stande kommen könne. Seine Schriftstellerei wurde ausserordentlich fruchtbar. Ich blickte m it Bewunderung auf die T hätigkeit und die Tapferkeit, mit der dieser sonst so bescheidene und anspruchs­

lose Mann den K am pf mit einer M acht unternahm und führte, welche, wenn sic auch nicht mehr über die weltliche M acht wie im M ittelalter verfügen kann, doch noch immer stark und viel- glicderig genug ist, ein einzelnes Menschenkind mürbe zu machen und zu erdrücken.

Im Septem ber 1865 wurde ich in meinem sehr ländlichen Pfarrsitze Heiligenmoschel von einem Besuche des Professors Dr.

Frohschammer überrascht. E r betrete zum ersten Male ein pro­

testantisches Pfarrhaus, sagte er m ir, fühlte sich aber bald in unserem Fam ilienkreis so wohl, dass er mehrere Tage bei uns blieb und mich einlud, ihn m it meinen Kindern auf einen Aus­

flug in die eben mit trefflichem W ein gesegnete Vorderpfalz zu begleiten. D ie B ekanntschaft wurde dadurch immer inniger. Ich lernte begreifen, dass Frohscham m er nicht etwa aus Neuerungs­

oder Oppositionslust seinen K am pf unternommen, sondern aus innerem Gewissensdrang und zwar nach einer sehr gründlichen und allseitigen Erwägung der religiösen und wissenschaftlichen Zeitlage. Sein im Jah re 1868 erschienenes grösseres W erk: „Das Christentum und die moderne Naturwissenschaft.“ (W ien, Teudler u. Comp. 1868, 547 S.) kann zum Bew eis dienen. D as E igen­

tümliche der modernen W issenschaft besteht bekanntlich in dem

B estreben, den W eltprozess als einen Naturprozess zu erklären,

um dadurch die durch die K irche herrschend gewordene dualistische

W eltanschauung, welche G o tt von der W elt unterscheidet, als eine

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1894. Zur Erinnerung an Dr. Jacob Frohschammcr. 77

veraltete bei seite zu schieben und mit diesem Monismus ein neues W eltalter zu beginnen. D urch den Darwinismus war die naturwissenschaftliche Grundlage zu dieser W eltanschauung gelegt und in der „Philosophie des Unbewussten“ am pikantesten ent­

w ickelt worden.

A uf der päpstlichen Seite war unterdessen durch die

„Encyclica und den Syllabus“ (1864) der verhängnisvolle Sch ritt geschehen, alle W issenschaft der kirchlichen Autorität zu unter­

werfen und die Gewissensfreiheit zu verpönen, was auch als eine A rt von Monismus gelten kann. E s entstand daher für Froh- schammer die ■wichtige Aufgabe, den denkenden Christen zu zeigen, dass es zwischen dieser Übertreibung der kirchlichen Autorität und jener des Naturalismus einen Mittelweg gebe, auf dem sich allein eine gesunde und haltbare Ordnung des religiösen, politischen und sozialen Lebens herstellen lasse. „Christus,“ sagt er (S. 9),

„ist und bleibt nicht blos das wahre Fundament der christlichen R eligion, sondern auch der Vollender aller w irklichen, wahren Religion und Religiosität. Aber alles das, was m it der noch un­

vollkommenen weltlichen W issenschaft des Altertums in das Christentum aufgenommen und damit verwebt worden, was mensch­

licher W eltverstand an Satzungen und Übungen damit verbunden hat, würde mehr oder minder durch bessere Erkenntnis und höhere Bildung Zerstörung oder Umwandlung erleiden. D ie Zeit dazu ist jetzt gekommen, und die Verhältnisse sind jetzt so gestaltet, wie noch nie seit Entstehung des Christentums: denn die natürliche W eltauffassung, die W issenschaft der Natur m it ihren Bildungen und Gesetzen und die Erkenntnis des W esens und der Aufgabe der menschlichen G esellschaft haben seit etwa zwei Jahrhunderten eine so vollständige Umwandlung erfahren, wie durch alle übrigen Jahrtausende der M enschheit es nicht geschehen ist.“

In diesem sehr beachtenswerten W erke zeigte Frohschammcr, dass am Christentum ebenso festgehalten werden muss, wie an der F reih eit der W issenschaft, besonders auch der Naturwissen­

schaft; dass es aber nicht wohlgethan ist, wenn die letztere von ihrem Realismus aus U rteile über das religiöse G ebiet zu fällen sich erlaubt, wozu ihr die positive Berechtigung feh lt; dass die M enschheit nicht bestimmt ist, im Naturdienst unterzugehen, son­

dern vielmehr die Natur sich dienstbar zu m achen; dass sie aber

diese Bestimmung nur durch eine solche Ordnung der kirchlichen,

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78 B. Baehring, Nr. 6 u. 7.

politischen und sozialen V erhältnisse erfüllen kann, welche eine allseitige Entw icklung ihrer geistigen und physischen K räfte mög­

lich macht. D ie V erdienste Darwins um die Erforschung der Natur sind vollkommen anerkannt; aber seine Theorie, sagte F ro h ­ schammer, kann selbst der Naturforschung leicht verhängnisvoll werden, wreil sie sich zu sehr auf den Gebieten des Hypothetischen bewegt, das dadurch die Phantasie anreizt, ins Unendliche zu schweifen und in unkritische Überschwenglichkeiten zu verfallen.

Frohscham m er hatte die Freude, eine dankbar anerkennende Zuschrift von Darwin selbst zu erhalten. D ieselbe ist der Hand­

schriftensammlung der U niversitätsbibliothek zu München ein­

verleibt worden.

D as damals bevorstehende vatikanische Konzil rief ihn darauf auf den Kam pfplatz gegen die römische Hierarchie. D er gewaltigen S ch rift: „Das R ech t der eigenen Überzeugung“ (Leipzig, 1869) folgten eine R eihe kleinerer Schriften und Aufsätze, welche die von diesem Konzil drohenden G efahren nach allen Seiten hin auf­

deckten. A ber an die altkatholische Bewegung sich anzuschliessen, fand er nicht für zweckmässig, teils weil er keinen dauernden E rfo lg derselben erwartete, teils weil ihre Führer ihn einst bei seinem A uftreten für die F reih eit der W issenschaft im Stich gelassen. Dass dieselben mit U nrecht gegen ihn deshalb erbittert waren, haben sie später wohl selbst eingesehen. D er Bau einer neuen K irche lässt sich ja nur ausführen, wenn zuvor die allge­

meinen Kulturverhältnisse dazu genügend vorbereitet sind. Dazu sind aber w issenschaftliche und pädagogische Vorarbeitungen nötig, welche wohl noch Jahrhunderte in Anspruch nehmen.

D ie w ichtigste V orarbeit wird auf dem Gebiete der W issen­

schaft zu geschehen haben. D ie W issenschaft, die geistige M acht, welche die M enschheit allmählich aus dem unsicheren Um her­

tappen zu der klaren Erkenntnis dessen, was in dem W echsel der Dinge einen ewigen Bestand hat, emporzuleiten bestimmt ist, muss vor allen Dingen selbst zu einem klaren Bewusstsein über ihr W esen und ihre Bestimmung gelangt sein. D ieser Läuterungs­

und Einigungsprozess ist aber nicht denkbar ohne die mannig­

fachsten V ersuche und Erfahrungen und ohne geniale, diesem

hohen Zwecke m it voller Selbstlosigkeit imd heiliger Begeisterung

sich hingebende Persönlichkeiten. Dass wir in Frohscham m er eine

solche unter uns gehabt haben, die es verdient, von allen Freunden

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1894. Zur Erinnerung an Dr. Jacob Frohschammer. 79

der W ahrheit und der M enschheit in ehrendem Andenken bewahrt zu werden, erhellt nicht nur aus seinem unablässigen Streben, den festen Boden, auf dem die denkende M enschheit sich zum friedlichen Aufbau eines geordneten Kulturlebens sammeln kann, klarzulegcn, sondern auch aus den höchst bedeutungsvollen E r ­ gebnissen seiner Forschungen, die sich nicht in genialen Gedanken­

blitzen gefallen, sondern gründliche und allseitige Aufklärung über die R ätsel des Daseins zur Aufgabe gemacht haben.

Seine letzte S ch rift, die dazu bestimmt war, seine W elt­

anschauung nach ihren Grundzügcn vorzuführen, hat er leider nur in ihrem theoretischen T eil vollenden können. A ber da in dem seit 1885 vorliegenden grösseren W erk: „Uber die Organisation un(f K u ltur der menschlichen G esellschaft, philosophische U nter­

suchungen über R ech t und S taat, soziales Leben und Erziehung“

(München, Th. Ackermann’s Nachfolger) der praktische T e il bereits vollständig vorliegt, so ist alles Material vorhanden, um die G e­

diegenheit dieser Forschungen erkennen zu können. E s sei uns gestattet, nur noch einige Grundgedanken derselben hervorzuheben.

D ie W elt, das Universum, ist nicht eine Vorstellung unseres Geistes, sondern die W irklichkeit, in welcher wir selbst als Teile desselben leben, weben und sind, durch welche wir zum Bewusst­

sein unseres Seins gelangen. Dieses Dasein ist ein einheitliches, gesetzmässiges, vernünftiges Ganze, nicht ein blindes, zielloses Geschehen. W äre cs das, wie der Pessimismus lehrt, so wäre auch unser Denken und Erkennen zwTeck- und bedeutungslos. Is t die W elt aber ein einheitlicher Organismus, so muss auch eine einheitliche W eltauffassung für uns möglich sein, selbst wenn die Erkenntnis der einzelnen Dinge noch unvollkommen ist. Denn jeder T e il muss den Charakter des Ganzen zeigen und Schlüsse auf das einheitliche Prinzip zulassen.

Das ewige Grundprinzip der W elt erkennen wir nicht un­

mittelbar, sondern nur m ittelst Schlussfolgerungen. Dass aber die

W elt ihr eigenes Leben, ihre eigene ununterbrochene Entwickelung

hat, nirgends still steht, sich fortwährend verwandelt und umbildet,

dass sic also nicht toter Stoffj sondern lebensvolle Natur ist, lehrt

uns die Erfahrung überall, wo wir sie beobachten, auch an uns

selbst. J a , wir erkennen die W elt nur im Werden. Niemand

kann authentischen B erich t über ihre Entstehung geben, noch

weniger ist jemand G ottes Ratgeber gewesen. Aus der E n t­

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80 B. Bachring, Nr. f> u. 7.

wickelung der W elt, die wir beobachten, schliessen wir auf ihre E ntstehung, die in ihr waltenden Gesetze und K rä fte , unsere eigene Aufgabe in der W elt und das Ziel des Weltprozesses.

D iese Beobachtung und w issenschaftliche Erforschung des W elt­

prozesses ist so lange unbefriedigend und unfruchtbar für unser Leben, als sie nicht das Prinzip gefunden hat, durch welches der Schöpfer den gesamten Prozess in Bewegung setzt. D a wir selbst aber L eib und G eist sind, kann auch diese Gestaltungskraft nur eine sinnlich-geistige sein, im Stoffe haftend und wirkend und ihn zugleich geistig durchdringend, gestaltend und verklärend. F roh- schammer hat sie nach dem Vorgänge des A ristoteles die „W elt­

phantasie“ genannt und damit zugleich in dem Mikrokosmos, dem M enschen, ebenfalls die Phantasie als das Grundvermögen be­

zeichnet, aus welchem seine sinnliche wie geistige Entw ickelung hervorgeht. Zugleich aber hat er damit das organische Band bezeichnet, durch welches der M ensch an die Natur geknüpft ist und durch dessen Pflege er allein zu einem leiblich und geistig gesunden Leben gelangen kann. D ie Phantasie ist immer empfangend und schaffend zugleich, sie nimmt die B ild er und Erscheinungen der Aussenwelt in sich auf und w irkt dadurch auf das D enk-, Gefühls- und W illensvermögcn, um neue Gebilde daraus zu schaffen oder die gegebenen selbständig zu verarbeiten. So schafft auch die Natur. In den ungeformten Sto ff bringt sie durch die mannig­

fachsten Verbindungen seiner Elem ente einen unendlichen R eich­

tum organischen L eben s, welches von Stufe zu Stufe unter der allweisen Leitung des Schöpfers aufwärts bis zum Menschen steigt, um in diesem wieder eine ganz neue Entw ickelungsreihe durch Zusammenwirken des bewussten G eistes mit den bewusstlosen K räften und M itteln der Natur in Gang zu bringen.

F ü r den M enschen entsteht aber, sobald er diese Sachlage erkannt hat, die P flicht, sich m it W eisheit an die Gesetze und Ordnungen der Natur anzuschliesscn, um dieselbe immer höheren idealen Zwecken dienstbar zu machen. Dadurch gewinnt er dann die zur allseitigen Entw ickelung seiner leiblichen und geistigen K räfte geeigneten Ordnungen und Einrichtungen im Staat, in der K irche, im Erziehungswesen und im gesellschaftlichen Leben.

Frohschammer war von der R ichtigkeit seiner Weltanschauung

so fest überzeugt, dass er im Vorw ort zu seiner letzten Schrift,

die wir bereits genannt haben, schreiben konnte: „Die Theologen

(11)

1894. Zur Erinnerung an Dr. Jacob Frokschanimer. 81

worden sich schliesslich doch darein finden müssen, diese An­

schauung gelten zu lassen, so gut wie sic der Anerkennung des Copernikanischen W eltsystem s trotz anfänglichen Abscheus dagegen sich endlich fügen mussten.“

M ir, als Schüler Frö bels, war diese Theorie und ihre B e ­ deutung für das menschliche Leben sofort einleuchtend. Ich be­

nutzte daher verschiedene Lehrerzeitungen, sowie die bayerische Lehrerversaimnlung zu Ansbach und die Allgemeine deutsche Lehrerversammlung zu Gotha, die Volkslehrer auf diese Philosophie als die zeitgemässeste Wegeweisung für ihre wichtigen Bestrebungen aufmerksam zu machen, und hatte die Freude, damit einen An­

klang zu finden, der hoffentlich nicht ohne E rfolg bleiben wird.

W enige Tage vor seinem Tode, im Gefühl seiner unmittel­

baren Nähe, am 5. Ju n i 1 8 9 3 , schrieb mir Frohschammer mit zitternder Hand aus dem W ildbadc K reu th : „Es scheint, dass keine Erholung mehr möglich ist und es dem Lebensende zugeht.

Nun, wenn G ott will, so geschehe cs! Ic h habe lange genug gelebt und gearbeitet. Möge es den M enschen zum Segen und mir zum H eile gereichen! I c h h a b e g e th a n , w as ic h n ic h t la s s e n k o n n t e , w ozu e in in n e r e r D r a n g m ic h n ö tig t e . So in G ottes W illen ergeben möchte ich scheiden! Freilich, gerade jetzt scheiden zu müssen, wo meine W irksam keit einigen E rfolg zeigt, ist doppelt schwer nach so langer Ignorierung und Verkennung. Indess ist es doch ein Trost, eine Anzahl Freunde zu haben, die das W erk fortzusetzen und in der Praxis fruchtbar zu machen suchen.“

Am Tage darauf, am 6. Juni, schrieb er seinen letzten W illen nieder. D arin verfügte er über seine H interlassenschaft, die grösstenteils zu wohlthätigcn Stiftungen für Studierende, denen er überhaupt sehr gern hilfreiche Hand geboten, wenn sie es zu verdienen schienen, bestimmte. In der Frühe des 14. Ju n i ent­

schlief er. K ein G eistlicher hat zwei Tage darauf den Trauerzug begleitet. Seine K irche hatte ihn mit dem Bann belegt, und in die evangelische K irche überzutreten, wurde ihm nicht möglich, weil er sein w issenschaftliches Gewissen nicht unter die V o r­

mundschaft eines anderen Dogmas begeben wollte. Am liebsten

wäre er in die dogmatisch sehr tolerante vereinigte K irche der

Pfalz, wie er ehedem mir geschrieben, eingetreten, wenn dieselbe

eine amtliche Vertretung in München gehabt hätte. Das Christen­

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82 B. Bachring, Zur Erinnerung an Frohschammer. Nr. 6 u. 7.

tum Christi war seine Religion. Als C hrist ist er gestorben und wie Christus ohne kirchliche F eie r von seinen Freunden zur ewigen Ruhe bestattet worden. D er D ekan der theologischen Faku ltät zu München legte einen Lorbeerkranz auf seinem Grabe nieder und sagte in seiner ergreifenden R ede: M ensch sein, hiesse K äm pfer sein, das habe der Entschlafene bewiesen. Seinen E ife r für die W ahrheit, die Überzeugungstreue für das, was er für das R echte hielt, werden auch seine Gegner anerkennen.

E in Lebensbild, das den lehrreichen Entwickelungsgang seiner Ideen allgemein verständlich schildert, dürfte daher jedem will­

kommen sein, der an der idealen Seite unserer Volksbildung mit­

arbeitet.

Lorenz Kellners Stellung zu Comenius. )

In der Morgenfrühe des 18. August 1892 starb zu T rier als einundachtzigjähriger Greis ein M ann, der fortan in der G e­

schichte der Pädagogik — der Volksschul-Pädagogik wenigstens

— einen hervorragenden Platz cinnehmen wird, Lorenz Kellner.

Comenius und K elln er, zwar getrennt durch zwei Jahrhunderte wie durch verschiedene Bildungswege und religiöse Bekenntnisse, sind dennoch innerlich nahe verwandt, nicht bloss durch ihr Wechsel- und arbeitsreiches Leben im steten D ienste der Jugend- und Volkserziehung, sondern auch durch ihre innere Gesinnung, durch die gemeinsame Betonung verschiedener Unterrichtsgrund­

sätze und mehr noch durch das sehnsüchtige und nimmermüde Streben nach denselben Erziehungsidealen. D och wollen wir all diese einladenden und anmutenden Gedanken hier nicht weiter ausspinnen! Unser Them a beschränkt sich auf die A u s s p r ü c h c K ellners über C o m e n i u s , welche ebenso aus gediegener Sach-

') W ir veröffentlichen den vorstehenden B e itra g , der uns von ge­

sch ätzter S e ite aus k ath olisch er F ed e r zugegangen is t, m it dem W un sch e,

dass er zur weiteren W ürdigung der B ed eu tu ng Lorenz K elln ers in den

K reisen unserer M itglied er beitragen m öge. D ie Schriftleitu n g .

(13)

1894. Lorenz Kellners Stellung zu Comenius, 83

kenntnis wie aus unbefangener Beurteilung und aufrichtiger Zu­

neigung hervorgegangen sind.

„K larer und bestim mter als Ratich, aber mit mehr Bescheiden­

heit, erkannte Amos Comenius die F eh ler und Gebrechen seiner Zeit und des damaligen Schulwesens, welche er, vom G eiste christlicher L iebe und Dem ut getragen, mit der Ausdauer eines langen Lebens und in umfassender W eise zu verbessern suchte.

In vielen Beziehungen eilte er seiner Zeit voraus, und seine hohen Id een, seine praktischen Lehren reichen tief in die Gegenwart hinein und haben in manchen gepriesenen Schulmännern späterer Jahrhunderte nur ihre Auferstehung gefeiert.“ M it diesem an­

erkennenden Gedanken und einer herzgewinnenden Gabe aus

„Unum necessarium“ leitet K ellner ein Lebensbild über Comenius e in 1), das klar und wahr die V erdienste unsers Pädagogen ins­

besondere für die Zöglinge in Lehrer- und Lehrerinnenseminaren hervorhebt und in seinen verschiedenen Auflagen nicht wenig dazu beigetragen hat, die rechte Würdigung des „Pestalozzi seiner Zeit“ 2) auch in katholischen K reisen zu fördern.

Bem erkensw erter ist die Stellung, welche unserm Comenius in Kellners dreibändiger „Erziehungsgeschichte in Skizzen und Bildern“ 3) zugewiesen wird, weil wir hier ein umfangreiches W erk vor uns haben, das — zugleich als das erste und einzige auf katholischer Seite — durch seine vier Auflagen in weite und verschiedene Schul- und Lebenskreise gekommen ist. K ellner betrachtet es zwar als eine wesentliche Aufgabe seiner „Skizzen und B ild er“, auch katholischen Pädagogen und der Thätigkeit seiner K irche gerecht zu werden; er bethätigt aber auch in jedem Bande die goldenen W o rte, die er gleich mit diesem Gedanken verknüpft: „Leicht dürfte ich mich mit jenen verständigen, welche vorurteilsfrei genug sind, um warm zu empfinden und klar zu erkennen, dass cs zwischen den christlichen Konfessionen einen ebenso bedeutungsvollen als tiefen gemeinsamen Boden giebt, der inmitten jüngst wieder auf den Grenzgebieten entbrannter Käm pfe seit längerer Zeit leider nicht genugsam beachtet und gewürdigt wurde. Auf diesem Boden lässt sich eine christliche Pädagogik

1) K urze G esch ichte der E rziehu ng und des U n terrich ts m it vor­

w altender R ü ck sich t au f das Volksschulwe.sen. H erd er, F reibu rg . 2) ebd.

3) E ssen , B ädeker. I . B d. S . 2 9 1 — 308.

(14)

84 Lorenz Kellners Stellung zu Comenius. Nr. 6 u. 7.

auferbauen, und selbst da, wo Grenzstreitigkeiten nicht unerwähnt bleiben dürfen, können sie ohne Schroffheit und m it M ilde erörtert werden. Auch im individuell Konfessionellen wird und muss die Grundfarbe, muss das allgemeine Christliche noch leben und dem- gemäss auch gewürdigt werden.“ 1)

Nach dieser Kennzeichnung unsers Autors lassen wir gleich als Gesam turteil zwei Aussprüche folgen, welche als Einleitung und Schluss die Abhandlung über Comenius einfassen. „Sie — die angeführten W orte aus „Unum necessarium“ nämlich — würden allein hinreichen, das Interesse für einen Mann zu wecken, der m it warmem Herzen und klarem Verstände das Gute seiner V o r­

gänger zu sammeln wusste und es zugleich verstand, nicht bloss niederzureissen, sondern auch aufzubauen.“ „So lange das Prinzip der Anschauung,“ heisst es am Schlüsse im Sperrdruck, „beim U nterrichte Geltung behält, so lange ein milder, frommer Sinn als Schm uck des Lehrers g ilt, so lange endlich deutsche Schulen deutsche Sprache und Bildung pflegen: so lauge wird das A n­

denken des gemütvollen und frommen Jugendfreundes Comenius auch in ehrender Erinnerung bleiben.“

Comenius in der bayerischen Abgeordnetenkammer.

Unter clen Erwägungen, die den Begründern unserer Gesell­

schaft vorschwebten, war, wie unsere Mitglieder wissen (s. M. H. der C.G . 1893 S. 1 ff.) eine der wesentlichsten die, dass wir in Coinenius einen der vornehmsten Vertreter des U n i o n s g e d a n k e n s erkannten und dass die Wiedererweckung seiner Gedanken uns gerade heute, in einer Zeit gesteigerter konfessioneller Gegensätze, wichtig und heilsam erschien. W ir hätten damals nicht erwartet, dass es möglich sein werde, Comenius gerade hieraus einen Vorwurf zu machen;

dennoch aber ist es der Fall. In der b a y e r i s c h e n A b g e o r d n e t e n - k a m m e r hat im März d. J . der Abgeordnete H a u s — er vertritt den Wahlkreis Aschaffenburg und ist Geistlicher in Wörth — eine Rede gehalten, in der er es für seine Pflicht hielt, eine öffentliche

Ebd. III. Bd. S. IV.

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1894. Comenius in der bayerischen Abgeordnetenkammer. 85

Warnung vor Comenius und den Männern auszusprechen, die -sich heute auf ihn berufen.

Am 2. März hat der genannte Abgeordnete eine Rede gehalten, in der er sich mit den Grundsätzen der modernen Pädagogik be­

schäftigte. Das System der „modernen Pädagogik“ wolle allerdings, sagt er, die Religion nicht geradezu ausschliessen, sondern sie in der Schule lehren. Dies System erkläre: „W ir wollen das Kind a l l s e i t i g bilden, wir wollen es, sagen sie, auch religiös bilden.“ „Und meine Herren, gerade darin erblicke ich das G e f ä h r l i c h e dieser Richtung;

ich würde sie für minder gefährlich halten, wenn sie das nicht sagen würde; wenn sie sagen würde: nein, wir wollen sie ganz hinauswerfen.

Denn was für eine Religion wollen Sie denn eigentlich in der Schule lehren, die der Lehrer auch ohne die Kirche lehren kann? Meine Herren, ich glaube, das werden die Herren zugeben, Sie stehen auf dem Standpunkte der m o d e r n e n P ä d a g o g i k oder ihres i n t e l l e k ­ t u e l l e n U r h e b e r s , des hoch gepriesenen, berühmten Com enius.

Dieser sagt in seinen pädagogischen Schriften:

,Das letzte und höchste Ziel der Pädagogik besteht darin, den Kindern eine Bildung zu geben, die sie über die nationalen und k o n f e s s i o n e l l e n U n t e r s c h i e d e e r h e b e / ')

„Es ist das also eine Religion, die über die nationalen und konfessionellen Unterschiede erheben will. AVas ist denn das eigent­

lich für eine Religion ? . . . Das ist die bloss natürliche Religion . . . Das ist dann die a n g e b l i c h e Religion, die gelehrt werden soll . . . Daher, meine Herren, ist es ja auch wohl gekommen, dass damals, als Comenius diesen Satz aufstellte, er sofort bei den englischen Freidenkern das grösste Wohlgefallen erregt hat. Die englischen Freidenker, besonders diejenigen, die in den Freimaurerorden sich zusammenfanden, haben sofort diesen Satz aufgegriffen, und die erste und älteste Loge in England hat dann diesen Satz gleichsam als P r o g r a m m des Freimaurerordens für seine Bemühungen auf dem Gebiete des Schulwesens vorgeschrieben . . . . Das ist die Religion (nämlich die des Comenius), die man gnädigst in den Schulen lehren will, die bloss menschliche Religion gegenüber der von Gott ge- offenbarten . . . .“ 2)

Das ist ja nun in der That sehr interessant. E s war in den alten Kämpfen der Kirche wider ihre Gegner ein erprobter Grund­

satz der Streittheologie, die Angegriffenen dadurch verdächtig zu machen, dass man alle ihre Lehren, wie begründet sie auch in den Worten Christi und der Evangelien sein mochten, als Ausfluss m e n s c h l i c h e r angemasster Weisheit, alle Lehren der „rechtgläubigen“

') In dem uns vorliegenden stenographischen B e ric h t sind die von uns ausgezeichneten W o rte fe tt gedruckt. Ü brigen s h a t Comenius seine U nionsged anken , soviel uns bekan n t is t, n i e in d i e s e r F o r m a u s g e ­ s p r o c h e n .

’) Ebenfalls im stenographischen Bericht fett gedruckt.

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86 Comenius in der bayerischen Abgeordnetenkammer. Nr. 6 u. 7.

Kirche als Offenbarungen G o t t e s bezeichnete. W er die „Ketzer“

nicht näher kannte, der mochte diese Behauptungen ja denn auch glauben, und die Geschichte der böhmischen Brüder und ihrer Vor­

läufer beweist (s. M .H . der C.G. 1894 S. 171 ff.), dass sie in der That oft genug geglaubt worden sind, wenn die Ausstreuungen auch erfunden waren. Immerhin hatten die Männer, die im 14. oder 15. Jahrhundert den Brüdern alles Mögliche aufbürdeten, wenigstens d ie Entschuldigung für sich, dass die Litteratur der „Ketzer“, die man planmässig unterdrückte, nicht Jedermann zugänglich und zur Hand war. Wenn aber heute, wo tausend Bücher existieren, aus denen man sich mit Leichtigkeit über den wahren Sachverhalt unter­

richten kann, solche Behauptungen wiederholt werden, so kann man in der That nur sagen, dass hier ein ganz unbegreiflicher I r r t u m vorliegt — ein Irrtum, der von solcher Stelle aus verbreitet, sehr be­

denkliche Folgen haben kann und dies um so mehr, als ervon dem Vertreter eines angesehenen Standes ausgeht, der der Wahrheit und der Liebe zu dienen verpflichtet ist.

Comenius war, wie der Abgeordnete Haus aus Schriften der angesehensten katholischen Autoritäten hätte wissen können — wir verweisen hier nur auf Kellner — ein entschiedener Vertreter der geoffenbarten Religion und alles, was der Herr Abgeordnete in dieser Beziehung gesagt hat, beruht auf falschen Angaben. Das einzige, was an den Ausführungen richtig war, ist die Thatsache, dass Comenius den Männern geistig sehr nahe gestanden hat, welche die Begründer der ersten englischen Bauhütte gewesen sind. Anstatt aber daraus den einzig richtigen Schluss zu ziehen — denn man pflegt von dem Bekannten auf das Unbekannte zu schliessen — dass diese Begründer, aus deren Munde wir nicht die Fülle von Zeug­

nissen über ihre Anschauungen besitzen wie von Comenius, Kinder des comenianischen Geistes gewesen sind, wird hier vielmehr vom Unbekannten auf das Bekannte geschlossen und da kommt denn natürlich ein falsches Urteil zu Stande.

E s ist erfreulich, dass Männer verschiedener Richtungen in der bayerischen Abgeordnetenkammer dem Herrn Abg. Haus sofort ent­

gegengetreten sind. Mit Recht hat der Abgeordnete B e c k h , dessen christlicher Standpunkt ja vielleicht auch Herrn Haus nicht ver­

dächtig ist, die christliche Gesinnung des Comenius nachdrücklich betont. Im übrigen freilich müssen wir die Entgegnung in dem Punkte für schwächlich halten, wo Beckh Comenius gegen den An­

griff auf seine Unionsgesinnung verteidigt. W ir glauben allerdings auch, dass man es Comenius „ n i c h t ü b el n e h m e n k a n n “, wenn er es vermied, „den religiösen Streit und Zank zu vergrössern“ und es scheint uns nicht minder richtig, dass ihm „seine Verträglichkeit ehe r zum L o b e al s zum T a d e l g e r e i c h t “. Das ist alles, was Herr Beckh in dieser Richtung vorbringt.

Es ist in der That ein sehr bedenkliches Zeichen der Zeit

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wenn ein Redner mit der Andeutung Anklang finden zu können meint, dass die Verträglichkeit in Religionssachen etwas Bedenkliches sei. Dadurch wird die Notwendigkeit einer Gesellschaft wie die G.G.

besser als durch alles Andere erwiesen. W ir werden im Geist des Comenius gegen Andersdenkende duldsam sein, aber von einer Ge­

sinnung, die die Duldsamkeit grundsätzlich verurteilt, werden wir uns stets mit Entschiedenheit abwenden; eine solche Gesinnung wider­

spricht der Lehre wie dem Geiste Christi und der christlichen Religion durchaus, und wir sind gewiss, dass der ein besserer Christ ist, der hierin der Lehre Christi treu bleibt und in diesem oder jenem Satz der Kirchenlehre irrt, als der, der in allen diesen Sätzen r e c h t ­ g l ä u b i g ist, aber einen der wesentlichsten Grundsätze der christlichen Religion, den Grundsatz der Toleranz, verleugnet. Gegen den Teil der Rede des Herrn Haus, die von der Entstehung der Bauhütten handelte, wandte sich der Herr Abg. H a h n. W ir müssen hier dessen Ausführungen auf sich beruhen lassen und wollen nur die eine An­

gabe Hahns wiederholen, die von deren Verhältnis zum Christentum handelt; der Herr Abgeordnete erklärte: „Ich kann den verehrten Herrn Kollegen auch auf mein Wort versichern, dass ich Ihnen nichts sage, was nicht in Wahrheit begründet ist, und ich k e n n e die S a c h e . Ich gehe noch weiter in meiner Behauptung. Ich glaube, dass die Freimaurerei, die d eu t sc h e Freimaurerei, in ihrer Nacktheit nichts Anderes ist a ls das re i ne u r s p r ü n g l i c h e C h r i s t e n t u m . “ Gleichviel ob diese Behauptung richtig ist^ oder nicht — wir sind nicht im Stande, sie zu prüfen, weil „wir die Sache n i c h t kennen“ — , so ist doch das jedenfalls Thatsache, dass auch Comenius und a l l e seine Vorläufer von ihrer eigenen Religionsgemeinschaft behauptet haben, sie sei nichts anderes, als das „reine, ursprüngliche Christentum“.

1894. Comenius in der bayerischen Abgeordnetenkammer. 87

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Rundschau.

W ir haben an anderer S te lle im A nschluss an den H inw eis au f die J a h rh u n d e rtfe ie r d e r U n iv e rs itä t H a lle d arau f aufm erksam gem acht, dass k eine d cu tsch c H o ch sch u lc im 18. Ja h rh u n d e rt grössere B ed eu tu ng fü r die A u sbreitun g com cn ianisch cr G rundsätze gew onnen h a t wie diese. N ich t bloss, dass die S tiftu n g dieser U n iv ersität aus dem im H au se H ohenzollern lebenden U nionsgedanken entsprang, der durchaus au f dom W eg e com enia- n isch cr B estrebu n g en lag — C om enius’ Schw iegersohn und lan g jäh rig er B e ­ g leiter P etru s F ig u lu s aus Ja b lo n h a w ar bis 1670 und dessen Sohn D a n i e l E r n s t F ig u lu s gen. J a b l o n s k y seit 1691 churf. brand enburgischer H o f­

prediger — vielm ehr w aren auch eine A nzah l ih rer frü h esten M itglied er F reu n d e und A nh än g er des Com enius. H ie r sei n u r erw ähnt, dass der von den strengen L u th eran ern als „ P ictisten p atro n “ und „K ry p to calv in ist“ ver­

d äch tigte P rofessor der Philosophie in H a lle , J o h a n n F r a n z B u d d e u s , der erste und der einzige gewesen ist, der in D eu tschlan d eine A usgabe der P a n e g c r s i e (des W eck ru fs) des Com enius v eran staltet h a t; sie erschien in H a lle im J a h r e 1702. E r s t im J a h r e 1874 h a t D r. J . L eu tb ech er sic in einer deutschen Ü bersetzun g von neuem herausgegeben.

U n iv ersitäts-A u sd eh n u n g ' in E n g la n d . D em von D r. H c in rich B rau n geleiteten „So zialp olitisch en Z e n tra lb la tt“ ( I I I . Ja h rg a n g , N r. 15) entnehm en wir w örtlich das F o lg e n d e : „ S e it dem J a h r e 1831 ist in E n g l a n d ein E x p erim en t der V o l k s b i l d u n g im grossen S til begonnen. D ie U n iv ersi­

täten , zuerst C am bridge, dann folgte O xford , dann Lond on, entsenden P ro ­ fessoren in alle S tä d te, um den ärm eren K lassen , insbesondere den A rb eitern , V o rträg e ü b er alle G ebiete der W issen sch aft zu h a lte n ; und zw ar n ich t nur E in zelvorträg e, die im m er n u r eine m om entane A nregung en th alten und den H ö rer h ilflos zurücklassen, sondern Z y k l e n , die w enigstens einen Ü b erb lick über eine ganze w issenschaftliche Provin z erm öglichen, und an die sich D isp u ta tio n en , A nw eisungen zu selbständigem W eiterlern en und w issen­

sch aftlich e A usarbeitun gen schlicssen. D ie K u rs e , v ö l l i g u n a b h ä n g i g v o n j e d e r r e g i e r u n g s s e i t i g e n B e v o r m u n d u n g , werden jedesm al auf E rsu ch en von A rbeitervereinen oder A ssoziationen irgend w elcher A rt fest­

g esetzt; die T eiln ehm er tragen die K osten . L etz tere betrugen im W in te r

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1894. R undschau. 89

1890/91 allein in dem von London aus versorgten B ezirke 1 1 2 0 0 0 M ., in den B ezirken der beiden anderen U niversitäten 3 2 0 0 0 0 M . D ie Zuhörerzahl von O xford b etru g 1 8 8 1 : 1 0 0 0 0 , 1 8 9 0 : 2 0 0 0 0 . A u g en blick lich haben sich 9 0 Professoren der U niversity E x ten sio n zur V erfü g u n g g estellt, deren Z u ­ hörerzahl bis gegen 4 5 0 0 0 gesch ätzt w ird; ein w esentliches K on tin g en t stellen dazu die F r a u e n ! “ W ir haben cs schon bei der G rü nd ung der C .G . ausgesprochen, dass ih r Z iel dahin g erich tet is t, eine unm ittelbarere V e r ­ bindung zw ischen den H ö hen und N iederungen w issenschaftlicher B ild u ng auch in D eu tschlan d herzustellen. W ir wollen dies Ziel d urch die S ch affu n g ö rtlich er O rganisationen zu erreichen suchen. D e r A n fan g ist g em ach t;

m öchte es fü r die F o rtsetzu n g an nachd rücklicher U nterstü tzu ng der d eut­

schen G elehrten nich t feh len !

I n Sach en der F ra n k f u r te r L eh rp län e und des sog. A lto n a e r S ystem s liegen einige w ichtige neuere N ach rich ten vor. D er M ag istrat von H a n n o v e r h a tte an das dortige Provinzialschulkollegium einen P la n zur U m g estaltu n g des L eib niz-R ealg y m n asiu m s eingereicht, der die G rundgedanken der neuen P lä n e zw ar fe sth ie lt, aber im übrigen eig n e, m inder einfach e W eg e ein- schlug. D e r K u ltu sm in ister h a t nun in einem ausfü hrlich en E r l a s s einige A usstellungen an dem verw ickelten E n tw u rf g em a ch t, aber grundsätzlich sich m it der F o rtsetz u n g des F ra n k fu rte r V ersu ch s einverstanden erk lärt.

D e r K u ltu sm in ister em pfiehlt „einfachere W eg e zu su chen“ und fä h rt f o r t :

„ E in so lch er W eg würde s e in , w enn an dein e in e n d er beiden städ tisch en Lyceen der neue F r a n k fu rte r g y m n asiale L eh rp lan versuchsw eise e in g e fü h lt , oder wenn an dem L e ib n iz -R e a lg y m n a siu m das A lto n aer S y ste m — d. h. die Z u rückschiebung des L a te in bis zur U n te r te r tia — v e rsu ch t w ürde. S c h e in t d er e rste W eg n ic h t gan gb ar und legen die stä d tisch e n B e h ö rd en e n tsch eid en d en W e rt au f die E r ric h tu n g ein es G ym nasium s nach F r a n k fu rte r S y ste m an dem d ortigen L e ib n iz -R e a lg y m n a s iu m , so m ü sste w enigstens die u n g leich e V orb ild u ng d er in die M ittelk la sse n tretenden S ch ü le r dadurch b e se itig t w erden, dass die b ish e r gep lan te eine A bteilu ng , die nach dem allgem ein en L e h rp lan fo rtu n te rric h te t, fallen gelassen und durch generelle Z u rückschieb ung des L a te in au f die U n te rte rtia ein g le ich artig e s S ch ü lerm aterial von unten au f ge sch affen w ürde.“

D a m it ist also fü r die M ag istrate der W eg g eöffnet, und sie können an ihren R ealgym nasien die E in fü h ru n g des A lto n aer Sy stem s und an ihren G ym nasien die F ra n k fu rte r L ehrp län e ü b erall d ort ins A uge fassen, wo dies aus irgend einem G runde zw eckm ässig erscheint.

D ie städ tischen K olleg ien in H a r b u r g hab en denn auch bereits u n ter Zustim m ung des M inisterium s beschlossen, das A lto n aer S y stem an ih ren dortigen A n stalten (Realgym nasium und R ealsch u le) einzuführen. Aus dem vorliegenden H arb u rg er B erich te ist folgende S telle von besonderem In te re sse : D e r B ü rg erv orsteh er-W ortfü h rer O sterhof sp rach seine Zustim m ung zu der R efo rm aus und b e m erk te, seine K ollegen sähen einen besonderen V o rte il darin, dass es später m öglich sein werde, das R ealgym nasiu m in ein G ym nasium um zuw andeln. D irek to r Sch w albach fü h rte aus, dass das wohl erst m öglich sein würde, wenn das sogenannte F ra n k fu rte r Sy stem , m it dem m an je tz t auch in H an no ver V ersu ch e m achen w ollte, sich bew ährt habe.

D a s A l t o n a e r S y s t e m s e h e m a n im M i n i s t e r i u m , wo m an sich naturgem äss nu r schw er zu so sehr durchgreifenden Ä nderungen entschliesse, a l s b e w ä h r t a n , nachdem die A ltonaer A n stalt fü n f Ja h r e hindu rch

M itteilu n gen d er C om e n iu s-fie si'llsch aft. 18!U. Q

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90 Rundschau. Nr. 6 u. 7.

A biturien ten entlassen habe. E s sei allerdings v orauszuseh en, dass sehr viele S ch ü le r sich der R ealsch u le zuw enden, dass die R ealg y m nasialk lassen d ann also verhältnism ässig schw ach besu ch t sein würden. H ab e sich aber das F ra n k fu rte r Sy stem , das au f einem latein losen U n terb au das G ym nasium a u fb au e, b e w äh rt, so würde es jed en falls allen hiesigen V erh ältn issen und B edü rfn issen am besten en tsp rech en , wenn m an dann an die E in rich tu n g eines G ym nasium s denke.

D ass u n ter den ersten höheren Sch u len , die das sogenannte A l t o n a e r S y s t e m annehm en, sich gerade eine A n stalt befindet, die sich nach L e i b n i z n e n n t, g iebt uns V eran lassu n g zu folgender A nregung. E s würde fü r das ganze Sy stem und fü r seine D u rch setzun g von besonderer W ich tig k e it sein, wenn es gelänge, eine kurze und treffende B ezeichnu ng fü r die neuen Schu len zu finden. E in stw eilen h errsch t in dieser B ezieh un g eine grosse U n sich erh eit und U n g leich h eit, die zur F o lg e h a t , dass von g egnerischer S e ite allerlei unpassende B ezeichnu ngen eingebü rgert w erden, d urch die das W esen der S a ch e verd unkelt und V o ru rteile k ü n stlich gew eckt werden. E s ist ein w eitverbreiteter B rau ch , ein S y stem nach den M ännern zu nennen, die das­

selbe zuerst form uliert und vertreten h a b e n , und cs wäre lediglich eine W iedereinsetzung in ein w ohlerw orbenes R e c h t — wir verweisen au f die M .H . der C .G . 1894 S . 16 ff. — wenn das Sy stem n ach seinem ersten V e rtre te r den N am en em pfinge. D i e s e r e r s t e V e r t r e t e r , w e n n n i c h t d e r U r h e b e r w a r C o m e n i u s , dessen erzieherische A nsichten L e i b n i z , wie wir wissen, in vollem U m fan g g eteilt h at. B e i dem R ealg y m nasiu m in H an no ver bed ürfte es einer Ä nd eru ng des N am ens also n ich t. Sobald von einflussreichen M än nern und V erein en eine Ü bereinstim m un g erzielt wäre, dass ein L eibniz - R ealgym nasiu m eine S ch u le nach A lto n aer Sy stem b e­

zeichnet, so w ürde sich dieser Sp rach g eb rau ch gewiss allm äh lich einbürgern lassen. F re ilic h würde dieser G ebrau ch erst dann B ed eu tu ng gewinnen, wenn zu erreichen w äre, dass G ym nasien, die nach F ra n k fu rte r Sy stem ein ­ g erich tet w erd en, den N am en C o m e n i u s - G y m n a s i e n erhielten. D azu bedürfte es allerdings des E ntsch lu sses des M ag istrats zu F ra n k fu rt a. M ., dem städ tisch en G ym nasium un ter ob rig k eitlich er G enehm igung den N am en C o m en iu s-G y m n asiu m zu geben. D a m it würde nich t nu r eine sichere B e ­ zeichnung zur U nterscheid u n g der neuen G ym nasien von den alten erzielt sein , sondern es würde fü r alle Z u k u n ft die T h atsach e g esch ich tlich fe st­

g eleg t sein, dass das F ra n k fu rte r städ tisch e G ym nasium das V o rb ild fü r alle g leichartig en höheren B ild u n g s-A n stalten gewesen ist.

A m 18. bis 20. A ugu st d. J . wird der a llg em ein e d eu tsch e S p ra ch ­ v e re in seine d iesjährige H au ptversam m lu ng in C o b l e n z h a lte n , und es ist zu erw arten, dass die g astfreie S ta d t, der m an ein besonderes V erstän d n is fü r die V era n sta ltu n g festlich er Z u sam m enkünfte n ach rü h m t, viele F reu n d e unserer M u ttersprache in jen en T ag en bei sich begrüssen wird. W ir bitten die M itglied er der Com enius - G e se llsch a ft, sich ebenfalls zahlreich zu b e­

teiligen und ihrer Ü bereinstim m un g m it den Bestrebu ngen des Sp rach vereins

d adurch A usdruck zu geben. V o n den M itglied ern des G esam tvorstandes

der C .G . werden ausser dem V orsitzend en voraussichtlich die H erren R e a l-

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1894. Rundschau. 91

g y m n asial-D irek to r D r. G ram er in M ülheim a. R h ein , O b erstlieu tnant a. D . D r. M. J ä h n s und G eh. R e g .-R a t P ro f. D r. L au n h ard t an der V ersam m lun g teilnehm en. V o n den H erren B evollm ächtigten der C. G . wird voraussicht­

lich eine grössere A nzahl anwesend sein.

S e it dem Ja h r e 1893 erscheinen in S tu ttg a rt „ S ü d d e u t s c h e B l ä t t e r f ü r h ö h e r e U n t e r r i c h t s a n s t a l t e n m it Ein sch lu ss der K u n stsch u len und höheren M ädchenschulen. U n ter M itw irkung hervorragender V e rtre te r der W issen sch aft und des höheren Schu lam ts hrsg. von K a rl E r b e , P ro f. am E b erh a rd -L u d w ig s-G y m n a siu m zu S tu ttg a rt.“ D iese neue Z eitsch rift hat bisher aus den verschiedenen G ebieten der U n terrich tsfäch er höherer Schu len eine R eih e von A ufsätzen g e b ra ch t, die au ch, fü r die M itglied er der C. G . von In teresse sin d ; sehr so rg fältig ausgewählt sind die zur Besprechung ge­

langenden W erk e der einschlägigen L itte ra tu r — in N r. 8 des I I . Ja h rg . v.

15. A pril d. J . bespricht G y m n .-L eh rer M ax H o ferer in M ünchen das B uch von G ind ely über Com enius’ L eben und W irk sam k eit (2. Aufl. Znaim , F o u r- nier u. H ab erler) in freundlichem Sinn — und besonders u nterrichtend sind die „S ch u ln ach rich ten “, die sich in jed er N um m er finden.

Am 28. bis 30. M ärz d. J . ist zu B erlin der „ B u n d d eu tsch er F ra u e n - V e re in e “ begründet w orden, der sich folgenden V o rstand gegeben h a t:

1. V o rsitz .: A uguste S c h m id t, Leipzig. 2. V o rsitz .: A nn a S ch ep eler-L ette, B erlin . K a ssiererin : A nn a Sim son, Breslau. 1 . S c h r if tf .: H a n n a B ieb er- B öhm , B erlin . 2. S c h r iftf.: A uguste F ö rster, K assel. B eisitzen d e: H elen e v. F ö rste r, N ü rn b erg ; O ttilie H offm ann , B rem e n ; H elen e L an g e, B erlin und B e tty N aue, M ünchen. — E s handelt sich u. a. um folgende B estrebu n g en : 1 . A nschluss von K in d erhorten an alle V olksschu len. 2 . E in fü h ru n g des U n terrich tes der G esundheitslehre (inkl. K enn tn is der schädlichen F olg en des A lkohols) in den L ehrp lan der Schu len. 3. A rbeiterinnenschutz. 4 . V e r­

breitu ng der K en n tn is aller die F ra u en betreffenden G esetze. 3. Zulassung der F rau en zu den Staatsp rü fu n gen fü r den ärztlichen und höheren L ehrberu f.

G. E rzieh u n g der F ra u en fü r die öffentliche Arm enpflege und ihre Zulassung zu derselben. — E in ig e dieser P u n k te berühren sich sehr nah m it den B e ­ strebun gen, die auch unsere G esellsch aft verfolgt.

D e r D eu tsch e F rö b e l-V e rb a n d erlässt eine E in lad u n g zu einer V e r­

sam m lung, die am 1 . bis 3. A ugust in S p e y e r stattfin d en wird. E s wird m it d er V ersam m lu n g eine A usstellung F rö b elsch er B esch äftigu ng sm ittel u. s. w. verbunden sein. D ie E in lad u n g ist unterzeichn et von dem g esch äfts­

führenden A usschuss in B erlin , H errn G ym n .-P rof. D r. Pappenheim (B erlin S . A lexand rinenstr. 70) und dem H .-L e h re r H . Z ehm isch, sowie von dem O rts- A usschuss in S p ey er, an dessen Sp itze H e rr D r. med. A . D avid als V o r­

sitzender und H e rr B an k d irek to r S e rr als V ertreter stehen. H e rr P ro f. D r.

P appenheim ist zugleich M itglied unseres G esam tvorstandes, und wir würden uns fre u e n , wenn der unserer G esellsch aft nahe stehende F rö b el-V erb an d die thätige M itw irkung unserer M itglied er fände.

8 *

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92 Rundschau. Nr. 6 u. 7.

Ge d e n k t a g e .

J u n i .

1 . Ju n i 17+4 Christian Gotthilf Salzmann in Söm m erd a geb.

2 . „ 1094 E rö ffn u n g des Franckeschen Waisenhauses in H alle.

2 . 1865 Karl von Raumer in E rlan g en gest.

8 . „ 1727 A. H. Francke in H a lle gest.

8 . „ 1794 Gottfried August Bürger zu G öttin g en gest.

1 4 . 1684 Gottfried Polycarp Müller zu S to llb erg i. E . geb.

1 5 . „ 1888 Kaiser Friedrich III. zu Postd am gest.

1 7 . „ 1361 Johannes Tauler zu Strassb u rg gest.

2 7 . „ 1654 Johann Valentin Andreae in Stu ttgart, gest.

2 9 . „ 1831 Karl Friedrich F re ih e rr vom Stein zu Cappenberg i. W estf. gest 2 9 . „ 1746 H. Campe zu D eensen (Braunschw eig) geb.

3 0 . „ 1522 Joh. Reuchlin zu L ieb en zell gest.

J u l i .

6 . J u li 16 4 6 Gottfried Wilhelm Leibniz zu L eip zig geb.

6 . ,, 141 5 Johannes Hus zu C onstanz verbrannt.

1866 Friedrich Adolf Diesterweg zu B erlin gest.

7. 1828 A. H. Niemeyer zu M agdeburg gest.

11 . „ 1694 Churfürst Friedrich III. von B rand enbu rg geb.

11 . „ 1694 F eierlich e E in w eih u n g der Universität Halle.

12 . „ 15 3 6 Desiderius Erasmus in B asel gest.

1 5 . „ 1704 A. G. Spangenberg, B isch o f der B rüdergem einde, geb.

2 1 . „ 1852 Friedrich Fröbel zu M arien th al gest.

2 - 1 . „ 1471 Thomas von Kempen gest.

3 0 . „ 1718 William Penn zu R u sh ain b b. B u ck in g h am sh irc geb.

3 1 . „ 1787 Joh. G. Burckhardt, Franz Kloss zu F ra n k fu rt a. M . geb.

A u g u s t .

10 . A ugu st 1673 Johann Conrad Dippel zu F ran k en stein b. D arm stad t geb.

1 3 . „ 1727 G ed en ktag der B rüdergcm eine.

1 4 . 1841 Joh. Fr. Herbart zu G öttin g en gest.

15. „ 174 3 Matthias Claudius zu R h ein feld in H o lstein geb.

1 5 . „ 180 0 Karl von Hase zu S tein b ach geb.

1 7 . „ 1786 Friedrich der Grosse gest.

1 7 . „ 158 6 Johann Valentin Andreae zu H erren berg geb.

2 5 . „ 17+4 Joh. Gotfried Herder zu M ohrungen geb.

2 8 . „ 174 9 Goethe geb.

2 8 . ,, 16+5 Hugo Grotius zu R o sto ck gest.

2 9 . „ 1632 John Locke zu W rin gton geb.

2 9 . „ 1523 Ulrich von Hutten gest.

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'^sja t k i s j d f k i s k i s j a s j d f k i s k i s k i s j d

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Gesellschaft« -Angelegenheiten.

E s ist uns eine besondere F re u d e , feststellen zu können, dass bisher a lle O rgane u n se re r G e se llsch a ft ihre zum T e il schw ierige und zeitraubende M ühew altung der Sach e, fü r die wir eintreten, u n en tg eltlich zur V erfü gu n g g estellt haben. E s ist dies g esch ehen , obwohl die B estim m ungen unserer Satzu ngen wie die B esch lü sse des G esam tverstandes den O rganen der C. G . das R e c h t einräu m en, E n tsch äd ig u n g zu verlangen. Insbesondere h a t bis je tz t keins unserer V orstand s-M itglied er — die Sitzun gen w aren in der R egel gu t besuch t — E rsa tz der A uslagen erbeten, obw ohl zum T eil w eite R eisen notw endig w aren. E ben so h a t der R ed ak tio n s-A u ssch u ss und die S c h rift­

leitu n g fü r die M ü hew altung, die ihnen aus der H erstellu n g unserer Z eit­

sch riften erw achsen ist, au f finanzielle E n tsch äd ig u n g bisher v erzich tet, ob­

wohl der § .1 7 der G esch äftsord nu ng die G ew ährung einer E ntsch äd igun g festsetzt und zwei V orstand sbesch lü sse die H ö h e der Sum m e ausdrücklich festgesetzt h a b e n ; vielleicht wird d e r B eschlu ss später in K r a ft gesetzt werden.

A u ch eine A nzahl unserer M itarb eiter h a t, obw ohl w ir b ereit sind die H onorare zu z a h le n , freiw illig im In teresse der S ach e V erzich t geleistet.

W ir h alten uns fü r verpflichtet, den beteiligten H erren h ierfü r unseren D an k öffentlich auszusprechen. W ir betonen aber an dieser S telle zugleich, dass w ir die B estim m ungen der Satzu ngen und die Beschlü sse des V orstand s, die fü r die w issenschaftliche M itarb eit der genannten O rgane eine angem essene E n tsch äd ig u n g festsetzen, in allen F ä llen zur A nw endung zu bringen b eab ­ sichtigen, wo n ich t eine ausdrückliche anderw eite E rk läru n g vorliegt.

Z u B eg in n des Ja h r e s 1894 besass die C. G . M itglied er in folgenden

L ä n d e rn und S t a a t e n : B elgien, D än em ark, B aden , B ay ern , Braunschw eig,

B rem en, H am b u rg , H essen -D arm stad t, M ecklenbu rg, O ldenburg, P reussen,

Sach sen , in säm tlich en T hü ringisch en S taaten , W ürtem berg, E lsass-L o th rin gen ,

F ran k reich , G riech en lan d , G rossbritannien, Ita lie n , N iederlande, Norwegen,

Ö sterreich -U n g a rn , R um änien, R ussland, Schw eden, Schw eiz, Serbien und

die A ngehörigen der V erein ig ten S taaten . B ei w eitem die M ehrzahl gehört

n atü rlich dem D eu tsch en R eich e an. E s sind in unserer L iste nich t weniger

als 274 d eu tsch e S tä d te v ertreten ; davon en tfallen allein auf das K ön ig reich

Preussen 175 Städ te. A n der Sp itze steh t in Preussen die R heinprovinz m it

(24)

94 G esellschafts-A ngelegenheiten. Nr. 6 u. 7.

3 2 O rten , dann folg t W estfalen (25), Sch lesien (19), B ran d en b u rg (18), H a n ­ nover (14), Sach sen (13), P osen (13), H essen-N assau (10), Schlesw ig -H olstein (1 0 ); am schw ächsten ist die B eteilig u n g in P o m m ern , W estpreussen und O stp reu ssen, wo im w esentlichen nu r die S täd te K ön ig sberg und D anzig v ertreten sind. — N ä ch st P reussen stellt Ö sterreich -U n g arn die m eisten M it­

glieder und vertretene S tä d te : es sind 44 O rte in unseren L isten au fg efü h rt, in denen 106 M itglied er w ohnen; dann folgen die N iederlande, die K ön igreich e B ay ern und W ü rtem b e rg , die V erein ig ten Sta a ten , die S ch w eiz, Schw eden u. s. w. V erh ältn ism ässig sch w ach ist in R ü ck sich t au f die T eiln ahm e, die das W e rk des Com enius ehedem dort gefunden h a t, die T eiln ahm e E n g l a n d s .

D ie Z a h l u n s e r e r M i t g l i e d e r h a t seit dem Ja n u a r 189 4 in erfreu ­ lic h er W eise zugenom m en: W ir haben bis zum 31- M ai 46 neue S tifte r, 35 neue T eiln eh m er, 20 A b te ilu n g s-M itg lie d er und 10 D ip lo m -M itg lied er ge­

wonnen. E s lieg t gleichw ohl am T ag e, dass wir bei der W ich tig k e it und dem U m fan g unserer A ufgaben uns dabei n ich t beruhigen können. E s kom m t h in z u , dass die V o rte ile , die die G esellsch aft jedem einzelnen M itglied zu­

wenden k an n , in dem selben U m fan g w achsen, in w elchem A nsehn und Z ahl ih rer A ngehörigen zunehm en. W ir bitten d aher unsere jetzig en G esellsch afts- A ngehörigen d ringend , sich die W erb u n g n e u e r M itg lied er angelegen sein zu lassen. D ie bevorstehende Z eit der R eisen g iebt ja zu m annigfachen persönlichen A nknüpfungen G elegenheit.

A u f h ierh er gelangte A nfragen erklären wir, dass die V ersend ung der endgültigen D iplom e an die H erren D ip lo m -M itg lie d e r und die U n g ü ltig ­ k eits-E rk lä ru n g der bisherigen In terim s-D ip lom e nich t vor dem H e rb st 1894 erfolgen kann . D e r §. 4 A bsatz 2 unserer Satzu ngen la u te t:

„D ie D iplom -M itglieder haben die w issenschaftliche S e ite der G esell­

sch afts-U n tern eh m u n g en zu unterstützen, vorzubereiten und auszuführen.

D as M itglieds - D iplom gew ährleistet seinen B esitzern ohne B eitrag sp flicht alle R e ch te der S tifte r. D ie M itg lied sch aft berech tig t gegen L ösu ng einer T eiln eh m erk arte zum E m p fan g aller G esellsch aftssch riften ; sie kann nur G elehrten zuteil werden, w elche au f den oben genannten oder verwandten A rbeitsgebieten sich b e th ätig t haben und entw eder a. bei G ründung der G esellsch aft au f besondere E in lad u n g beitreten oder b. sp äter au f V o rsch lag des V o rstan d es von der H au ptversam m lu ng ernannt w erden.“

A us diesen B estim m ungen e rh e llt, dass die D iplom - M itglied schaf t n i c h t im S in n der E h ren -M itg lied sch aft gedacht ist, dass vielm ehr m it den R e ch ten die P flich t w issen sch aftlicher M itw irkung oder th ätig er U nterstü tzu ng unserer Ziele H an d in H an d geht. In der T h a t h at die grosse M eh rzah l unserer D iplom -M itglieder ih r V erh ältn is zur C. G . au ch in diesem Sin n ver­

stan d en ; bei anderen M itgliedern lag einstw eilige B ehind eru ng v o r, deren B eseitig u n g m it der Z eit zu hoffen ist. I n einzelnen F ä lle n werden die H e rren M itglied er gewiss d am it einverstanden sein, wenn wir die N ich ter­

füllung der im ersten S a tz des angeführten P arag rap h en ausgedrückten V o r­

aussetzung als eine t h a t s ä c h l i c h e V e r z i c h t l e i s t u n g au f die R ech te der

D ip lom -M itg lied schaft betrachten.

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