I WOCHENSCHRIFT m ARCHITEKTEN-VEREINSIMBERLI
HERflUSGECEBEN ^ V E R E I N E *
f E rscholnt Sonnabends u. M ittw ochs. — B ezu gsp reis halbjährl. 4 Mark, po stfrei 6,30 Mark, einzelne Numm ern v o n :gewOhn.JUmfange 30 Pf., stä rk ere entspr. t e u r e r ' ^
^ D er A nzeigen preis für die 4 g e sp a lte n e P e titz eile b eträ g t 60 P f., für B eh ö rd en -A n zeig en und für F a m liie n -A n ze ig e n 30 Pf. — N achlaß auf W iederholun gen ^
N u m m e r 24 Berlin, Sonnabend den 11. J u n i 1910 V. Jahr gang ,
Zu b ezie h en d u rc h alle B u c h h a n d lu n g e n , P o s tä m te r u nd die G e sc h ä ftsste lle C a r l H e y m a n n s V e r l a g in B erlin W .8, M a u e rstra ß e 43.44
A lle R e c h t e V o r b e h a l t e n
Die europäischen und amerikanischen Weltstädte unter dem Einfluß des elektrischen Schnellverkehrs
V o r t r a g , g e h a l t e n beim S c h i n k e l f e s t des A r c h i t e k t e n - V e r e i n s zu B e r l i n am 13. März 1909 vom Baurat P . W ittig
I. E inleitung
Der Berliner A rchitekten-V erein blickt heute auf sein 85jähriges Bestehen zurück. E r h a t in dieser Z eit außer den großen politischen W andlungen, die zum Aufbau der Reichs
h a u p tsta d t führten, die gewaltigen F o rtsc h ritte der Technik unm ittelbar m it durchlebt, die dem Z e italter des Eisens, des Dampfes und der E le k triz itä t ihren Stempel aufgedrückt und die Lebensbedingungon der K u ltu rw elt von Grund auf um gestaltet haben. Auf dem Gebiete des V e r k e h r s w e s e n s vor allem, dom die nachfolgenden Darlegungen gelten sollen, sah der Verein d ie g e s a m t e E n t w i c k l u n g a n s i c h v o r ü b e r z i e h e n , d ie d u r c h d ie E i n f ü h r u n g d e r m e c h a n i s c h e n K r a f t a ls T r ä g e r i n d e s V e r k e h r s b e g r ü n d e t i s t .
Die V ereinsehronik greift zurück in die Z eit der Seßhaftig
keit, in der größere Reisen zu den Seltenheiten gehörten, in der die Postkutsche das Beförderungsm ittel für weitere E n t
fernungen darstollto. Aber schon wenige Ja h re nach dem E n t
stehen des Vereins drang aus England die Kunde herüber von dem Siege der Stephensonschen Dampflokomotive in dem denkwürdigen Lokom otivwettkam pf von Rainhill am 6. Ok
tober 1829 und neun Ja h re später, im Ja h re 1838, brach auch für Berlin die Z eit der Eisenbahnen an, eingeleitet durch den B au der Eisenbahn nach Potsdam , dem bald andere Strahlen seines heutigen Fernnetzes folgten.
Ein neues V erkehrsereignis, bescheiden in seiner äußeren Form , aber unendlich bedeutungsvoll für die Zukunft, sah der Verein hier im Ja h re 1879: die V orführung der kleinen elektri
schen Lokomotive auf der B erliner Gewerbeausstellung. Sie bildet den A usgangspunkt einer neuen V erkehrsära. W ie jene erste große Entw icklung des D am pfverkehrs sich an den Namen Stephensons und seiner Lokomotive bindet, so knüpft sich diese zweite Entw icklungsreihe an den Namen W ern er von Siemens, des Erfinders der Dynamomaschine und der elektrischen Be
triebsw eise der Bahnen.
A. D ie D a m p f e i s e n b a h n im S t a d t v e r k e h r U naufhaltsam h a t sich die Dampfeisenbahn in der Ueber- windung der örtlichen und zeitlichen Fernen den E rdball er
obert, der heute von einem Gleisnetz um spannt wird, dessen L änge 25 Ä quatorringen gleichkommt und die zweieinhalb- fache E ntfernung des Mondes von der Erde übertrifft. A ber
D er V o r tr a g is t un ter dem T ite l P . W itt ig „D ie W e ltstä d te und der e le k trisch e Sch n ellverk eh r“ in e rw eiterter Form m it 2 farbigen T afeln. 7 S ta d t
plänen und 93 T extabbildungen im V e rla g W ilh elm E rn st & Sohn, B erlin , er
sch ien en (P reis gebunden 5 M.).
tro tz dieser großen A usdehnung und Vervollkommnung h a rrte noch bis in die neueste Zeit ein wichtiges Verkehrsproblem seiner Lösung, das die F rage zum Gegenstände h a t:
W ie sind die Entfernungen zu überwinden, die sieh innerhalb der riesenhaft anwachsenden G roßstädte auftun, deren D urchm essung für die großen V olksschichten, denen dio W irtschaftsgesetze moderner K ulturentw icklung die groß
städtischen Erw erbs- und Daseinsformen aufgenütigt haben, zur täglichen N otw endigkeit wird?
Diese Aufgabe konnte die Dampfeisenbahn n u r in be
schränktem Maße erfüllen, weil sich ihrem V ordringen in das S tadtinnere die größten Schw ierigkeiten entgegenstellten. Die Dampffernbahnen waren daher zum eist gezwungen, am Rande der Städte H a lt zu machen und hier ihre Endbahnhöfe anzu
legen. Dabei hatten die neuen Bahnen doch die naturgem äße W irkung, die A usdehnung der G roßstädte durch fortgesetzte B evölkerungszuführung in immer schnellerem Tempo zu steigern;
sie führten gleichzeitig zu einer allm ählichen Ä nderung der Stadtbildung. D urch neue Angliederungen um das bebaute W eichbild herum und durch entferntere Besiedelungen wurde die W ohnbevölkerung nach außen gezogen und die innere S ta d t in zunehmendem Maße Geschäftszwecken dienstbar. Diese ge
steigerte Außenbesiedelung erw eiterte das Bedürfnis nach schnelleren und häufigeren Verbindungen m it der In n en stad t;
und so beginnt für die Städte die Z eit der V orortbahnen. W ie diese neue G attung städtischer V erkehrsm ittel, insbesondere im Betriebe, den örtlichen Bedingungen nach und nach angepaßt w urde, zeigt sich am frühesten in der größten der W eltstäd te, London, wo bereits in den sechziger Jah ren V orortbahnen g e
schaffen wurden, die sich bis auf die heutige Z eit in ihren Be- triebsgrundziigen nicht geändert haben. H ier entschloß man sieh auch zuerst, die Dampfeisenbahnen in die inneren S ta d t
teile einzuführen, und so diese Bahnen nicht n u r dem V o ro rt
verkehr, sondern auch dem innenstädtischen L okalverkehr n u tz bar zu m achen; denn die auf dem Straßenboden laufenden V er
k ehrsm ittel vermochten bei den großen Entfernungen den A n
sprüchen an L eistungen, Schnelligkeit und dem zu bew ältigen
den M assenverkehr n ich t m ehr zu genügen. D erartige städtische Dampfschnellbahnen, für die in teu rer Stadtgegend eigener Grund und Boden erworben und ganze Teile der großstädtischen Be
bauung niedergelegt werden m ußten, erforderten natürlich ge
waltige Kostenaufwendungen.
Ein Beispiel dafür, m it welchen w irtschaftlichen Schwierig
keiten die D urchführung einer solchen auf eigenem Bahnkörper 25
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W ochenschrift des A rch itek ten -V erein s zu B erlin Sonnabend, 11. J u n i 1910 quer durch bebaute Stadtgeländo gehendon Bahn zu kämpfenhat, bietet auch die B erliner Stadtbahn, die schon während ihros ersten B austadium s in Vormögensverfall geriet, und nur durch das E introten dos S taates g e re tte t werden konnte. Dann allerdings is t ein großzügiges Bahnunternehm on entstanden, dom Berlin seino E ntw icklung zum größten Teil zu danken hat.
. Um die unerschwinglich hohen Grunderwerbskosten zu ver
meiden, hat man schon frühzeitig für die Eisenbahnführung in S tädten die M itbenutzung der Straßen als der natürlichen Vor
kohrszüge in A ussicht genommen. In New York erfolgte sio seit 1878 in großem Umfange durch Hochbahnen auf Eisen
gerüsten. In London drängte die Vorkehrsnot zur Anlage unterirdischer Schnellbahnen. Die erste D am pfuntergrundbahn wurde im J a h re 1863 eröffnet. W er diese noch vor wenigen Ja h re n m it Dampf betriebenen U ntergrundbahnen befahren hat, kennt die unerträglichen Übelständo, die der F a h rg a st auf ihr zu erdulden h atte. Kemmann führt in seinem W erk „Der Vorkehr Londons“ darüber die folgende Ä ußerung an:
„W ie viele Millionen sind für immer versenkt, dio kein nennenswertes E rträg n is gebracht haben oder je bringen werden? W ie viele Zehntausende haben ihre A rbeitskraft, ihre Nervon und G esundheit in dieser dunstigon sonnenlosen L u ft untergraben und wie vielen ste h t das gleiche noch bevor?“
In dem Ringen um die L ösung so brennender V erkehrs
fragen h at die Dampfeisenbahn die maßgebenden Grundlagen geschaffen; die weitere Vervollkommnung blieb und bleibt der neuesten Z eit durch Anwendung der elektrischen B etriebskraft Vorbehalten.
B. D ie e l e k t r i s c h e S c h n e l l b a h n i m S t a d t v e r k e h r Lange schon, bevor die elektrische Betriebsweise für die städtische Schnellbahn nutzbar gem acht wurde, h a t sie sich im Staßenbahnwesen bew ährt und dieses auf eine solche Höhe gebracht, daß, wo die örtlichen V erhältnisse es zuließen, eine Reihe großstädtischer Verkehrsaufgaben in vorzüglicher W eise gelöst wurdon. M it R ücksicht auf den Fußgänger- und F u h r
w erksverkehr kann indes der Straßenbahn im Stadtinnern nu r oino verhältnism äßig geringe Geschwindigkeit bis etw a 15 km zugostanden werden und in einzelnen W eltstädten (London, Paris) g ibt dio geringe Breito zahlreicher innerer Straßen für dio Oberflächenbahnen überhaupt nur in geringerem Umfange Raum. F ü r den eigentlichen städtischen Schnellverkehr mit seiner größeren Geschwindigkeit und für die Beförderung mit längeren Bahnzügon w ar — wie bei den Dampfschnellbahnen — dio F ührung auf eigenem, von dor B ehinderung des Straßen- lobons unabhängigem B ahnkörper notwendige Bedingung, für deren E rfüllung sich nun durch dio Einführung dor E lek trizität als K raft- und Lichtquelle nouo fruchtbare und vielgestaltige Lösungen darboten.
D er Fortfall der Rauchentw icklung in erster Linie, die V er
teilung der A ntriebskraft auf dio einzelnen W agen, dio die Lokomotive entbehrlich m acht, schnelleros Anfahren und A n
halten, F reiheit in der Zugbildung, leichter W echsel in der K raftstärko und dam it die M öglichkeit, größere Steigungen und engere Kurven zu nehmen, sind Vorzüge, durch die die olek-
trische Schnellbahn ein der E igenart der S tadtverhältnisse sich anpassendes und m it ihr verwachsendes Elem ent der Neuzeit geworden is t und sich u n ter den städtischen E inrichtungen das B ürgerrecht erworben hat.
Boi oberirdischer F ü h ru n g läßt sio sich wegen ih rer leichten und schmiogsamon B au art dem Bild der S traßen und Plätzo und dem C harakter der Umgebungen einheitlich einfügen; in neueren Stadtplänen wird der Einbau elektrischer Schnellbahnen als zur Stadtentw icklung gehöriger A nlagen heute bereits viel
fach vorgesehen. U nterirdische Bahnanlagen, die bei dem Dampfbetriebe eine Pein für dio F ahrgästo waren, werden durch den elektrischen Betrieb überhaupt erst in vollem Maße daseins- borechtigt.
Die E le k trizität is t aber nicht n u r die B etriebskraft dor Stadtschnellbahnen; sie m acht auch dio unterirdische N acht zum Tage und beseitigt so viele Schwierigkeiten, die sich dem Be
triebe der Bahnen unter der Erde bisher entgegenstellten. Sie schafft weiter für die H erstellung der Schnellbahnen neue be
deutungsvolle Grundlagen durch Vervollkommnung der Tunnel- baumothoden bei Anwendung elektrischer K raft und Beleuch
tu n g ; das Vordringen elektrischer Bahnen wird je tz t auch in den engsten Stadtvierteln ermöglicht. Dio vor Jahrzehnten be
gonnenen, aber unvollendet gebliebenen Tunnelbauten u nter den Meeresarmon von New Y ork konnten m it den neuen H ilfsm itteln wieder aufgenommen und glänzend zu Ende geführt werden.
U n ter hohen H äusern werden m ehrstöckige Bahnhöfe m it vollem Erfolg botrieben; es is t eine neue unterirdische V erkehrsw elt geschaffen worden.
Von den Störungen des Straßenverkehrs losgelöst, der Straßenbahn an Schnelligkeit, den Dampfbahnen durch größere A npassung an die G estaltung des Stadtbildes und an die A n
sprüche der B evölkerung überlegen, h a t sich die elektrische Schnellbahn zu einem unentbehrlichen V erkehrsm ittel für die Großstädte entwickelt.
C. H e u t i g e A u s d e h n u n g d e s e l e k t r i s c h e n S c h n e l l v e r k e h r s i n d e n W e l t s t ä d t e n
Man kann sagen, daß dor eloktrischo Stadtscbnellverkohr ein Kind unseres Ja h rh u n d erts ist. Die wonigon elektrischen Stadtschnellbahnen, deren E n tsteh u n g w eiter zurückgreift, sind als V orläufer allerdings von g rößter Bedeutung, so die City- und Südlondonbahn, auf die sp äter noch eingegangen wird, die Liverpoolor Hochbahn, eine rd 9 km lange Hafenbahn, dio B udapester U ntergrundbahn, das Vorbild der U nterpflaster
bahnen, und die ersten B ostoner B ahnstrecken. Im Ja h re 1900 setzten dio großen Stadtschnellbahnen der W eltstäd te ein: A ls orsto die für die P ariser W eltausstellung im Jah re 1900 fertig- gestellte U ntergrundbahn; im gleichen Ja h re e n tste h t dio Zcntrallondonbahn. Im ganzen aber sind es heute erst sieben W eltstäd te, in denen elektrische Schnellbahnen, zum eist Hoch- und U ntergrundbahnen, in größerem Umfange in B etrieb sind.
Es sind dies:
London, P aris, B erlin in dor alten W elt,
New York, Boston, Chicago, Philadelphia in der neuen W elt.
Diese Städto sollen näherer B etrachtung unterzogen werden.
(F o rtsetzu n g folgt)
Die apulische Stadt Lecce und ihre Baudenkmale
O
ber- und G eheim er B au rat ©r.=3ing. S t ü b b e n sprach u nlängst im A rchitekten-V erein zu B erlin u n te r V orführung von L ichtbildern übor die a p u lis c h e S ta d t L ecce und ihro Baudenkm alo. Die abseits von den üblichen Reisolinien, auf dom „A bsatz des italienischen Stiefels“ gelogene S ta d t ist, auch in A rchitektenkreisen, sehr w enig bokannt. D or V ortragende lernto sio kennen, als er g e n ö tig t war, wegen einer falschen G epäckbeförderungder italienischen Bahnen, m ehrere Tage in B rindisi zu verweilen. Eino E isenbahn- stundo südw ärts lieg t Lecce, nach Gro- gorovius das „Florenz des R okoko“. Dio S ta d t h a t noch ihro m ittelalterlichen M auern, Uber welcho dio K irchen, dio Türm e, Palästo und G ärten in m alerischem Bildo den R eisen
den begrüßen (Abb. 179). Das Innere der S ta d t is t sauber und gepflegt, die S traßen sind m it M arm orplatten belegt und reich an B arockpalästen m it T errassen und Bai
konen; die offenen E infahrten gew ähren oft überraschende Blicke in die Höfe und
Trepponanlagon. Der schönste P la tz is t der Abb. 179. G esam tansicht
D om platz, um geben von der K a t h e d r a l e , ihrem an die G iralda zu Sevilla erinnernden G l o c k e n t u r m , dem B i s c h o f s p a l a s t und dem S e m i n a r i o . Eino ganze A rchitektenschule h a t in spanisch-aragoni- scher Z e it in L ecce geblüht und in zahlreichen W erk en sich verow igt.
Ih re b erü h m testen Nam en sind Francesco Z i m b a l o , A ntonio C a r - d u c c i und Giuseppe C in o . Das Sem inario b e sitz t eino d er besten F assaden je n e r Z eit (Abb. 180). V on den vielen K irchen aus dem 17. und dem Anfang des 18. Ja h rh u n d e rts, San L uigi, San Domenico, San Marco, S anta Teresa, M adonna delle grazie usw., zeigte dor V ortragende in Lichtbildorn die schöne K irche d e l R o s a r i o und die üboraus reiche, tro tz ih re r Form enfüllo doch kaum als überladen w irkende K ircho S a n C r o c e (Abb. 182), das A eußere mehrfach an italienisch-rom a
nische M otive erinnernd, das Innore eino großräum ige, dreischiffige B arockhalle. E s is t ein W e rk Z i m b a l o s , dem als k u n st
volle B ildhauer Gabriele R i c c a r d o und Cesare P e n n a zu r S eite standen. Neben
Nr. 24. V. Jah rg an g W ochenschrift dos A rch itek ten -V erein s zu B erlin
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Abb. 180. Sem inar
San Croce erhebt sich der überaus w irksam e Bau dos ehemaligen C ölestinerklosters, die je tz ig e P r e f e t - t u r a (Abb. 182), an den F assaden in roichen B arock
formen, an den H öfen in einer edlen Splitrenaissanco ausgebildet, einzelne P ortale von außerordentlicher, ziervoller Feinheit. D iebenachbarte „V illa Communale“, der S tad tp ark , g ib t ein Beispiel Uppigston südlichen Pflanzenwuchses.
E s is t schw er, in dem unregelm äßigen, engen Straßennetz, das auch in der Städtebauporiode des Barock u nverändert geblieben ist, sich zurechtzufinden, weil S traßenschilder und F rem denführer fehlen.
D er V o rtrag en d e schilderte noch den M arktplatz m it der Säule des heiligen Oronzo, einer aus B rindisi h ierh er geschafften antiken Cippolinsäulo; den A rco di Trionfo a Carlo V , j e t z t P o rta di Napoli,
Abb. 181. Trium phbogen K arls V
Abb. 182. P räfektur und K irche San Croce
ein vornehm es R enaissancetor m it dem deutschon R eichsadler im Giebelfolde (Abb. 181); die ähnliche P o rta di San Biagio, und schließlich die houto als Friedhofskirche dienende Chiesa di SanNicolo o San Cataldo, ein feines rom anisches B auw erk aus dem 12. Ja h rh u n d e rt. Die N orm annenzeit und die spanische H errsch aft bildeten die B ltlte- perioden der m erkw ürdigen S ta d t. A uf den T rüm m ern einer griechi
schen K olonie als röm ischo S ta d t L u p a e erbaut, zeig t sie noch heute die an eine P in ie gelehnte W ölfin als W appen. Sie is t tro tz ih rer A bgelegenheit w ert, von den Italienbesuchern s tu d ie rt und bew undert zu w erden. M ehr noch, als ein R okoko-Florenz, is t sie ein „N ürnberg dos B arock“.
Reform des Rechnungswesens
Aus d e n s te n o g ra p h is c h e n B e r ic h t e n des H a u se s d e r A b g e o rd n e te n . 26. S itzu n g am 23. F eb ru ar 1910. — E t a t d e r O b o rre c h n u n g sk a u im o r
F o r tse tz u n g aus Nr. 23, S e ite 170
Dr. Wagner (Breslau), A bgeordneter (freikons.) fortfahrend:
A ber das is t eine kleine N ebensächlichkeit, über die die V erw al
tu n g selbst entscheiden kann, da ich, sow eit ich die G esetze und R e gulative m ir zu eigen gem acht habe, nichts darin finde, daß diese A r t der schriftlichen Schlußrechnung unbedingt vergeschrieben ist.
V iel w ichtiger is t m ir die m aterielle T ä tig k e it der O berrechnungs
kam m er. Sie werden sich erinnern, daß in der 5., 6. und 7. S itzu n g des R eichstags in dieser Session die T ätig k eit des R echnungshofs des D eutschen Reichs stark g estreift wurdo bei der D ebatte über die K ieler W erftaffäre, und es is t sehr charakteristisch, daß alle R edner sich gleich abfällig über die L eistungen des Rechnungshofs des D eutschen Reichs insofern g e äu ß ert haben, daß das, was durch seine außerordentlich mühsame und detaillierte T ä tig k e it ersp art worde, doch geringfügig gegenüber dem sei, was er in W irk lich k eit koste. Ich vorwahre mich durchaus gegen die U nterstellung, als ob ich die T ätig k eit des R echnungshofes für überflüssig erklären odor irgendwie unterschätzen will. A ber ich glaube doch, d a ß e i n e R o f o r m d e s R e c h n u n g s w e s e n s a u c h a n d i e s e r S t o l l e e i n e a b s o l u t e N o t w e n d i g k e i t i s t . Ich w erde darauf noch m it einigen W o rten dor A usführungen zurückkom m en, die die H erren im R eichstag dazu gem acht haben. Jedenfalls s te h t fest, daß bei der K ieler W erftaffäre die T ätig k eit des Rechnungshofes völlig v ersag t hat. E in preußisches Beispiel kann ich Ihnen aus dem J a h r e 1904 anführen — da h a tte zw ar niomand für n ö tig gehalten, auf diesen P u n k t dor obersten R echnungsprüfung zurückzukom m en —, es sind die großen E isenbahn
unterschleife, ebenfalls von A ltm aterial, die in den östlichen E isen
bahndirektionsbezirken vorgekom m en sind. Ich brauche n u r den N amen V ik to r F riedberg zu nennen, um die H erren zu erinnern, um was es sich handelt. W en n es auch n u r 100 W aggons M aterial ge
w esen sind, — es is t eine K leinigkeit gegenüber dem, was in K iel verschw unden is t — , es wäre doch erw ünscht gew esen, daß die T ätig k eit der höchsten R echnungsprüfungsstelle uns beizeiten etw as A ufklärung h ä tte verschaffen können, wo denn gew isse große B estände hingekom m en waren. D as is t nicht gelungen.
Das In te re ssa n te ste aber in diesem von m ir schon erw ähnten Q uart
bande sind die B em erkungen der O berrochnungskam m er, die w ir in 113 Q uartseiten finden. Sie sind ein R e su lta t des F leißes der D epartem ontsräte, die dam it ih re r Pflicht g e n ü g t haben, die ihnen in j
§ 31 des R egulativs von 1873 ausdrücklich vorgeschriebon ist, die B erichte für den L an d tag zu redigieren und zu bearbeiten. Gerade diese B em erkungen enthalten eine F ü lle M aterial, w ie m an manche Sachen n ich t m achen soll. Sie verletzen meines E rachtens geradezu den G rundsatz, daß man n ich t K leinigkeiten m it allzu großen M itteln überwindon soll. E s h an d elt sich hier tatsächlich oft um ganz minim ale B eträgo, die außer jedem V erh ältn is stehen zu dem un
geheuren Aufwand von A rb eitsk raft und Schreibw erk, der darauf ver
w andt wird. In extenso m öchte ich Ihnen das nicht vortragen, will aber doch ein Schulbeispiel anführon, das sich auf S. 51 dieser B e
m erkungen befindet. E s is t der F all N r. 209.
Da handelte es sich um 13,20 M., die seinerzeit als eine nicht w ieder vereinnahm te, zu u n rech t gezahlte U n te rstü tz u n g an die W itw e
eines B eam ten bezeichnet w urden. D ieser F all stam m t aus dom Ja h re 1903. E s sind säm tliche In stan zen , die in B e tra c h t komm en, auch das S taatsm inisterium m it der Sache befaßt w orden; die Obor- rechnungskam m er will auf das ih r zustehende R ech t n ich t verzichten, daß ihre form alistische A nschauung in diesem F alle genau d urchgeführt w erden muß. A lso, m eine H erren, je tz t, nach 7 Ja h re n , sind wir endlich so w eit, daß dieser B e tra g von 13,20 M. in irgendeiner Form aus der W e lt geschafft w orden ist. E s w ird da, was ich fü r sehr w esentlich halte, g esag t:
E s w ird anerkannt, daß im vorliegenden F alle erhebliche B illig k eits
gründe sowohl für dio H erbeiführung einer königlichen B estim m ung als auch für die G ew ährung einer U n te rs tü tz u n g sprechen.
Dor W itw e sollten diese zuviel gezahlten 13,20 M. U n te rs tü tz u n g w ieder entzogon worden, aber es h ä tte ib r dann eine U n te rstü tz u n g in derselben Höho g ew äh rt w erden m üssen.
M eine H erren, wenn das n ich t ö d ester B ureaukratism us und Form alism us ist, dann weiß ich nicht, was m an dafür noch w eiter an
führon soll. So sehr anzuerkennen is t, daß auch im kleinen formalo und rechtliche B estim m ungen g ü ltig bleiben und re s p e k tie rt worden m üssen, m öchte ich doch glauben, daß in diesem F alle doch sum um ju s sum m a injuria ist. D enken S ie: die nahezu drei S eiten S atz, die lediglich die M itteilung dieser T atsache k o stet, m ach t j a schon m ehr als das doppelte an K osten aus als diese 13,20 M., und wenn man w eiter bedenkt, was außerdem noch an Z eit und A rb eit von B eam ten an P ap ier und P o rto aufgew endet w orden ist, dann kom m t vielleicht das hundertfache von dem u m stritten en B etrage heraus.
D erartige Sachen finden Sie vielfach, ich w ill darauf aber nicht
■weiter eingehen und mich m it diesem einen Beispiel begnügen, das wohl angetan w äre, uns die U eberlegung nahezulegen, ob man nicht die P rüfung in den kleinsten D etails doch auf ein gew isses Maß be
schränken könnte. In dieser R ichtung bew egen sich auch die V o r
schläge, die im R eichstag gem acht w orden sind.
E in anderes Beispiel will ich Ihnen noch nennen. A uf S eite 111 bis 113 wird angeführt, daß in 14 067 Fällen in der A brechnung für das J a h r 1906 B eanstandungen haben stattfinden m üssen, indem ent
w eder Einnahm on in einem falschen Ja h re , zu früh oder zu sp ät ge
bucht worden sind oder, was noch viel w ichtiger ist, dio Einnahm en auf einen T itel verbucht w orden sind, wo sie n ich t hingehören, sondern vielleicht bei einem benachbarten T itel. V on diesen 14 067 Fällen beziehen sich allein 5851 auf R eisekosten und T agegelder d er B eam ten, was ja mein P arteifreu n d V iereck b ereits in der 23. S itzu n g des H auses gelegentlich der B eratu n g der V orlage über die D ienstreisen der B eam ten, erw ähnt hat. E s sind also 4 1 ,5 % der B eanstandungen, die sich auf diese K leinigkeiten, kann man doch sagen, beziehen. In Sum m a h an d elt es sich bei den gesam ten B eanstandungen um 468 199 M., bei den R eisekosten und Tagegeldern der B eam ten aber n u r um einen B etrag von 57 235 M., also um 12,2 % der G esam t
summe. A us d er V ergleichung dieser beiden P ro z e n tsä tz e is t schon zu ersehen, daß es sich tatsächlich um kleine B eträg e handelt, die w irklich kaum der Mühe gelo h n t hätten , einen so großen B ehördenapparat des
wegen in B ew egung zu setzen. Ich b itte Sie, m eine H erren, sich gegen
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W ochenschrift des A rch itek ten -V erein s zu B erlin Sonnabend, 11. J u n i 1910 w ärtig zu halten, daß die preußische O berrechnungskam m er m it demChefpriisidenten und den,' U nterbeam ten zusam m en 188 B eam te um faßt, also doch einen rech t ansehnlichen V erw altungskörper darstellt.
Nun, meine H erren, is t es ja natürlich sehr leicht, K ritik zu üben; man soll aber auch positive V orschläge machen. Jedenfalls ste h t fost — das h ö rt m an gar n ich t selten von B eam ten sagen — , daß dio F u rc h t vor der O berrechnungskam m er oft die Selbständigkeit der Behördon unterbindet und h in d e rt; man will sich nicht der U n
annehm lichkeit aussotzon, sich M onita zuzuziehen, und verm eidet leicht Sachen, dio an sich notw endig gewosen w ären, um diesen formalen B elästigungen zu entgehen. Meine H erren, w ir haben hiorzu ein ganz interessantes G eständnis, das dor H e rr S ta a tsse k re tä r des R eichsm arineam ts v. T irpitz m achte, als er bei G elegenheit dieser von m ir erw ähnten D ebatten im R eichstag sagte:
Die M arineverw altung is t selber geknebelt durch das E ta tsg e se tz , durch den Rechnungshof, durch alle möglichon sonstigen V orschriften.
Das is t im m erhin .ein akzeptabler A usspruch! M eine H erren, ich erinnere daran, daß sich die Behörden — das is t ein offenes G eheim nis u n te r den B eam ten — oft gem üßigt fühlen, einen E ta tstite l, bei dem oine zwingende N otw endigkeit des A ufbrauchens n ich t vorlag, doch aufzubrauchon, um nicht in den V erdacht zu kommen, daß der E ta ts tite l zu hoch an g esetzt sei, und daß er infolgedessen voll auf- gew ondot werden muß, um ihn n ich t im nächsten E ta tsja h re g ek ü rzt zu sehon. Das findet bekanntlich sehr häufig gerade bei D ienstreisen der Beam ton sta tt. E s kom m t vor, daß dieser F onds lange vor Jahresschluß beinahe aufgebraucht is t; dann h eiß t es m it einem M al:
nein, nun wird nicht m ehr g e re ist; dann m üssen selb st notw endige D ienstreisen unterbleiben, um nicht zu überschreiten. A ndererseits, wenn am Ende des E tatsjah res noch ein w esentliches Q uantum in einem E ta ts tite l übrig ist, dann h eiß t es: ja , hier sind noch ein paar tausend Mark, die können doch n ich t verfallen, das geht' nicht, sonst korumon w ir in den V erdacht, daß w ir falsch e ta tisio rt haben — je t z t wird flott gereist, dam it der T itel aufgebraucht wird! Meine H erren, das is t eine K onsequenz der Einrichtungen, dio F u rc h t vor der all
m ächtigen und überm ächtigen O berrechnungskam m er fü h rt zu diesen, wie ich durchaus anerkennen will, unerw ünschten Z uständen; es lieg t aber im m enschlichen W esen, das lä ß t sich n ich t verm eiden.
N un w ird j a m it R echt anerkannt: eine oberste R echnungsprüfung muß statlfinden, um dafür zu sorgen, daß R ech t und B illigkeit in allen S tellen h errsch t. A ber, meine H erren, ich glaube, das h a t doch eine G renze. Man sollte doch auch den angestellten B eam ten ein gew isses Maß von V ertrau en , nam entlich in kleinen D ingen, gew ähren;
man kann sio doch n ich t alle als w issentliche F älsch er ih re r R ech
nungen ansehen. D arauf aber kom m t es hinaus, wenn man bis in die allerkleinstcn A brechnungen der L okalinstanzen hineinsteigt. Meine H erren, da m öchte ich mich den V orschlägen durchaus anschließen, die im R eichstage von meinem Parteifreunde F rh rn . v. Gamp gem acht worden sind. D ieser führte folgendes aus, was ich n u r kurz wiederholen will:
Das Rechnungsw esen muß geändort werden, um eine zuverlässige K ontrolle zu erreichen und unsere Behörden von diesen maßlosen Schroiboreien zu befreien, u n ter denen sie j e t z t fast zusam m en
brechen. E in g roßer kaufm ännischer B etrieb lä ß t sich n ich t nach den Form en und V orschriften der O berrechnungskam m er kontrollieren, die vielleicht 50 oder 100 Ja h re a lt sind.
Meine H erren, hierzu bemerke ich, daß die erste D ienstinstruktion der O berrechnungskam m er vom J a h re 1824 stam m t und, wie in dem sehr schätzensw erten W erk e von Schwarz und S tru tz über den S ta a ts
haushalt zu lesen ist, noch je t z t zum Teil in W irk sam k e it is t; es trifft also fast vollständig zu, daß diese V orschriften bald 100 Ja h re a lt sind. Nun b esteh t in dem G esetz von 1S72 ein P aragraph, der
§ 13, der der O berrechnungskam m er wohl die H andhabe geben würde, sachlich zu kontrollieren und sich nicht auf die rein kalkulatorische N achprüfung zu beschränken. E r la u te t dahin, daß sie auch das R echt h a t, „außerordentliche K assen- und M agazinrevisionen zu veranlassen“.
M eine H erren, auf das letztere W o rt, „M agazinrevisionen“, lege ich ein großes Gewicht. W en n solche Jlagazinrovisionen tatsächlich s t a tt
gefunden h ätten, w äre es sicherlich nicht m öglich gew esen, daß sich jah rzeh n telan g auf der K ieler W e rf t solche Z ustände ausgebildet hätten , daß auch in P reußen bei der E isenbahnverw altung tro tz aller A ufsicht, tro tz aller S orgfalt und K ontrolle große U nterschleife vor
gekom m en sind. (S ehr richtig!) D as große Publikum w äre nicht in die Lage gekommen, über den Sinn und die B edeutung von W o rte n wie „B albost“ und „M eschores“ nachdenken zu m üssen und sich in tiefgründigen S tudien erklären zu lassen, aus w elcher Sprache denn diese frem dartigen W o rte stam m en; ich fürchte, sie sind je t z t zu einer B ereicherung des deutschen S prachschatzes geworden. Das wäre n ich t nötig gewesen, wenn tatsächlich m aterielle Revisionen durch die O berrechnungskam m er h ä tte n stattfinden können. D arauf haben auch andero R edner des R eichstages hingewiesen.
Meine H erren, ich will m it den A usführungen meines K ollegen H errn F rh rn . v. Gamp schließen, der folgendes noch hinzugefügt h a t:
Die Reform der O berrechnungskam m er m uß nach zwei Rich
tungen hin P latz greifen. W ir m üssen zunächst die Revisionen vorzugsw eise in die L okalinstanz verlegen.
— D as is t auch durchaus meine A nsicht. —
Die V ortragenden R äte können sich aus den 26 000 k g P apier, die sio von einer einzigen W e rft erhalten haben, n ich t die
jen ig en Beläge horaussuchon, in denen gerade die finanziell w ichtige B edoutung liegt.
Also, meine H erren, dioso W o rte meines P arteifreundes m ache ich zu meinen eigenen, und ich will hoffen und w ünschen, daß die Im m ediat- kom m ission, die ja ihre T ätig k eit auch auf die Reform des R echnungs
wesens erstreck en soll, auch davon N otiz nehm en m öchte und in ab
sehbarer Z eit die B ehörden von dem ungeheuren W u s t der kleinlichen P rü fu n g und auch die O berrechnungskam m er von einer M enge un
lohnender D etailarbeit befreien und sie w irklich in den S tand setzen wird, m ateriell zu revidioron und die V orschläge, die zur B esserung unseres S taatsh au sh alts dienen sollen, auch w irklich durch eigene K enntnis begründen zu können.
W as ih r dazu n o t tu t, sind nicht ju ristisch gebildete H ilfsarbeiter, sondern T e c h n i k e r ; denn die T echniker sind allein im stande, solche M agazinrevisionen und ähnliche m aterielle N achprüfungen auszuführen.
E s w urde auch damals g esag t: ja , rev id iert is t w orden! A ber durch w en? D urch A ssessoren! Man kann aber einem J u r is te n absolut nicht zum uten, über rein technische Dinge, über W erkzeuge, M aschinen usw. irgendetw as zu wissen. Das is t ein unbilliges V erlangen. Da is t es denn natürlich vorgekom m en, daß die A rbeitor irgendein W e rk zeug, irgondoino M aschine g ezeig t und g esag t haben: ja , das is t die Sache, die Sio sehen wollen. W en n dann ein paar Tage darauf ein w irklicher T echniker, Ing en ieu r oder B aurat, dazu kam, w aren diese schönen D inge alle n ich t da, sondern ganz andere Sachen. Man soll also von einem J u ris te n n ich t verlangen, was nur von einem Techniker geloistet w erden kann.
E s w ürde also notw endig sein, daß die O borrechnungskam m er auch m it anderen K räften a u sg e s ta tte t w ird, die ih r w irklich dio F ak u ltas geben, die sie braucht. Die potostas gründlich und n u tz bringend zu untersuchen, h a t sio, aber die potentia h a t ih r b isher ge
fe h lt l (H eiterk eit und Bravo! bei den Freikonservativen.)
Dr. G o ttsclin lk (S o lin g e n ), A bgeordneter (n at.-lib .): Meine H erren, ich w ill die M ißstände bei der K ieler W o rft n ich t in . den B e
reich m einer B etrachtungen über die O berrechnungskam m er ziehen;
aber ich bin m it dem H errn V orredner der M einung, daß die A rbeiten der O berrechnungskam m er sehr häufig in krassem M ißverhältnis zu der von ih r behandelten F rag e stehen. Die O berrechnungskam m er is t meines E rach ten s diejenige Stelle, die besonders geeignet erscheint, dafür zu sorgon, daß dio so vielfach verm ißte bessere, einen kaufm ännischen G eist ätm onde B uchführung bei der S taatsverw altung E ingang findet.
Bei der O berrechnungskam m er fließen die R echnungen aus allen S taatsbetrieben zusam m en. Deshalb is t es ih r möglich, einerseits die Mängel, andererseits die V orzüge im G eschäftsbetrieb der einzelnen V erw altungen zu erkennen und für ihre B eseitigung beziehungsw eise V erbreitung Sorge zu tragen. D eshalb w äre es meines E rachtens dringend erw ünscht, daß die A ufgabe der O berrechnungskam m er in der W eise erw eitert w ürde, daß sie m aßgebende V orschläge in bezug auf die G estaltu n g des G eschäftsbetriebes, insbesondere der B uch
führung der einzelnen V erw altungen zu machen h ätte. Da es sich um eino Z entralbehörde handelt, brauchte man n ich t an K räften zu sparen.
Man könnte auch die am höchsten bezahlten K räfte aus allen B erufs
ständen zur V erw endung bringen; die A usgaben w ürden sich ganz gew iß durch die dadurch in den einzelnen V erw altungen erzielten E r sparnisse w ieder einbringen lassen. Die O borrechnungskam m er h a t von je h e r im M ittelp u n k t der staatlichen E inrichtungen gestanden, h a t außerordentlich T üchtiges g eleistet und ihretw egen sind w ir auch — und wohl auch m it R ech t — von fremden S taaten beneidet worden.
A ber die Aufgabe, die ih r durch den § 1 des G esetzes vom 27. März 1872 g e ste llt ist, scheint zu eng zu sein, indem d o rt n u r bestim m t ist, daß sie die K ontrolle des gesam ten S taatsh au sh alts durch Prüfung und F e stste llu n g der Rechnungen über Einnahm o und A usgabe von Staatsgeldern, über Zugang und A bgang von S taatseig en tu m und über die V erw altung der Staatsschulden zu führen hat. E s m üßte eine E rw eiteru n g ih rer Z uständigkeit in der R ichtung eintreten, daß durch ausdrückliche gesetzliche B estim m ung ih r die Aufgabe, V orschläge für V ereinfachung und zw eckm äßigere G estaltung der G eschäftseinrich
tun g en der B ehörden zu machen, zugew iesen w ird. Man könnte e n t
gegnen, dadurch w ürde sie von der ih r je t z t obliegenden Aufgabe, die säm tlichen R echnungen zu revidieren, abgedrängt. Indessen w ürde eine B eschränkung ih re r T ä tig k e it in dieser R ichtung n ich t von er
heblicher B edeutung sein. Ich kann mich da, glaube ich, ohne w ei
te re s auf die A usführungen meines H errn V orredners beziehen, möchte aber n ich t unterlassen, darauf hinzuw eisen, daß auch der H e rr Finanz- m inister am 18. F e b ru a r d. J. h ier e rk lä rt hat, er bem ühe sich, dahin zu wirken, daß die O berrechnungskam m er von der L a s t der Revisionen aller einzelnen R echnungen befreit, insbesondere die Prüfung der R ech
nungen m ehr als bisher in die Provinzialinstanz verw iesen werde, und die O berrechnungskam m er m ehr auf Stichw ahlen sich beschränke.
(S ehr richtig!) Das w ürde meines E rachtens ein sehr g roßer Segen sein, wenn man berücksichtigt, welche M assen von T inte, von Papier und A rb eitsk räften in allen V erw altungen j e t z t fü r die kleinlichsten A ufgaben durch die O berrechnungskam m er in A nspruch genomm en
w erden. (F o rtse tz u n g fo lg t)
Fü r die S c h r iftleitu n g 'v era n tw o rtlich : B aurat Jf. G u t h in B erlin VT. 57, B ülow str. 35
Carl H eym anns V erla g in B erlin W . 8, M auerstr. 43/44 — Gedruckt bei J u liu s S itten feld , Hofbuchdrucker., B erlin W . 8, Jfau erstr. 43/44 Nr. 24