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Widok Der Fläming – „een klein Vlaanderen“: Geschichte und Sprache als Legende und Wirklichkeit

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Wrocław 2008

Dieter STELLMACHER (Göttingen)

Der Fläming – „een klein Vlaanderen“:

Geschichte und Sprache als Legende und Wirklichkeit

Wer die heimatliche Literatur der Landschaften südlich von Berlin durchmustert, stößt auf eine 63 Seiten starke Schrift mit einem auffallenden Titel: Auf dem Flä- ming. Een klein Vlaanderen in Duitschland. Herausgegeben hat sie Otto Bölke,

„Pfarrer in Blönsdorf auf dem Fläming“, und zwar 1936 im Verlag Paul Streubel, Düben (siehe Abb. 1). Bölke lebte von 1873–1946, geboren in Berkau, Kreis Wit- tenberg, gestorben in dem Flämingort Blönsdorf, Kreis Teltow-Fläming. Fläming und Vlaanderen, das scheint zusammen zu gehören.

1. Die Geographie

Der Fläming ist ein südlich von Berlin, in der Nähe der Grenze von Brandenburg und Sachsen-Anhalt gelegener Landstrich, dessen wichtigsten Städte Belzig und Treuenbrietzen (=Hoher Fläming) sowie Jüterbog und Dahme (=Niederer Flä- ming) sind. Die Grenze zwischen den beiden Landschaftsteilen ist das Quellgebiet des Flüsschens Nuthe bei Dennewitz, südwestlich von Jüterbog. Landschaftlich unterscheiden sich diese Gebiete dadurch, dass im Hohen Fläming der Wald, im Niederen Fläming das Ackerland bestimmend sind. Seine West-Ost-Erstreckung von Burg/Elbe bis Uckro (zwischen Dahme und Luckau) im Osten beträgt 116 km, die Nord-Süd-Ausdehnung 30 bis 50 km. Das ist die heute bekannte Landschaft.

In alter Zeit bezog sich der Fläming auf einen sehr viel größeren Raum, man sprach auch von verschiedenen Flämingen (siehe Abb. 2).

Der Landschaftsname (zu seiner Schreibung Fl- anstelle von Vl- siehe Borch- ling 1915) weist diesem Raum eine besondere Stellung zu, die ihn sowohl von den westlich angrenzenden germanischen Gauen (Nordthüringgau, Schwabengau) als auch von den nördlich und östlich gelegenen slawischen Bezirken (Zauche < po- lab. sucha, zu urslaw. suchЪ> ‘trocken’, Lausitz <altsorb. LogЪ ‘Sumpf’) un-

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terscheidet. Nach verbreiteter Lexikon- und Handbuchweisheit ist der Fläming

„benannt nach fl äm. Kolonisten des 12. Jahrh.“1, bzw. „Der Name F... erinnert an die Besiedlung im hohen Ma. durch Niederländer, die die Landschaft ... geprägt haben“2. Und noch 30 Jahre später heißt es in dem zweisprachigen Katalog zur Flämingausstellung im Teltow-Museum vom 25.10.2003 bis 15.2.2004, ich zitie- re die niederländischsprachige Fassung: „De Vlaamse inwijkelingen hebben hun naam gegeven aan de Fläming, een klein deel van de nieuwe heimat“3.

1 So im „Großen Herder“. Nachschlagewerk für Wissen und Leben. IV. Band. Freiburg/Br.

1932, 1013.

2 Handbuch der historischen Stätten Deutschlands. Berlin und Brandenburg, hg. von Gerd Heinrich. Stuttgart 1973, 174 f.

3 Wölfl e-Fischer 2003, 75.

Abbildung 1

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Abbildung 2

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Die Fragen, wie es zu der Namengebung Fläming (mundartlich nach mittel- deutschem Einfl uss Flämick4) gekommen ist und seit wann der Name geläufi g ist, führen zur historischen Seite des hier behandelten Themas.

2. Die Geschichte

Die Namenüberlieferung beginnt im frühen 16. Jahrhundert mit einem Eintrag in das Erb- und Amtsbuch von Seyda (1508): „Der Flemig giebet keine Gerade noch Heergewette (gemeint ist das zu vererbende Gut der Frau und des Mannes, D. Ste.), alleine wenn ein Mann Erblos verstirbet, so giebet das nachbleibende von allen die halben Güther“5. Gegen Ende dieses Jahrhunderts schreibt Petrus Albi- nus in der 1590 in Dresden erschienenen „Meißnischen Land- und Bergchronica“

von „Flemig“ als einem Gebiet „umb Wittenberg“6. Diese Namenbelege erfolgen 300 Jahre nach den Erwähnungen des Zuzugs von Flandrenses et Hollandenses in das von Slawen bewohnte Land östlich der Elbe und Saale.

Der Siedlerzug wird erstmals in Verbindung mit der in der Mitte des 12. Jahr- hunderts einsetzenden Siedlungstätigkeit Albrechts des Bären (1100–1170, erster brandenburgischer Markgraf) erwähnt. Dabei beruft man sich auf eine Bemerkung in der Slawenchronik Helmolds von Bosau (um 1120 bis nach 1177), wonach Al- brecht die zwischen Elbe und Havel sitzenden Slawen unterjochte; „schließlich schickte er ... nach Utrecht und den Rheingegenden, ferner zu denen, die am Oze- an wohnen und unter der Gewalt Meeres zu leiden hatten, den Holländern, Seelän- dern und Flamen, zog von dort viel Volk herbei und ließ sie in den Burgen und Dörfern der Slawen wohnen. Durch die eintreffenden Zuwanderer wurden auch die Bistümer Brandenburg und Havelberg sehr gekräftigt, denn die Kirchen mehr- ten sich und der Zehnt wuchs zu ungeheurem Ertrage an. Zugleich begannen die holländischen Ankömmlinge aber auch das südliche Elbufer zu besiedeln; von der Burg Salzwedel an besetzten Holländer das ganze Sumpf- und Ackerland, näm- lich das Land Belze und das Morschnerland, mit vielen Städten und Dörfern bis hin zum bömischen Waldgebirge. Einst sollen zwar Sachsen diese Landschaften bewohnt haben, zur Zeit der Ottonen ..., aber später setzten die Slawen sich durch, die Sachsen wurden erschlagen und das Land besaßen bis in unsere Zeit hinein die Slawen. Jetzt sind aber ... Scharen ... vom Meeresstrande herbeigeführt worden, haben das Gebiet der Slawen eingenommen, Städte und Kirchen aufgebaut und sind über alle Erwartung hinaus wohlhabend geworden“7. Diesen viel zitierten Hinweisen Helmolds folgten bereitwillige Zustimmung, aber auch zurückhaltend- kritische Stellungnahmen. Zustimmend äußert sich, und zwar ohne wirklich kriti-

4 Brandenburg-Berlinisches Wörterbuch, 2. Band, 1985, Spalte 107.

5 Zitiert nach S. Wölfl e-Fischer 2003, 76.

6 Ebd.

7 Helmold von Bosau, Buch I, Kap. 89, 313, 315.

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sche Anmerkungen, Richard Schröder mit seiner Bemerkung „der in der Folge für unser Vaterland so bedeutungsvoll gewordenen niederländischen Kolonisations- verträge“8. Und mit dem Bezug auf den Flämingraum: „Jenseits der Elbe war das 1147 von Albrecht dem Bären eroberte Jüterbogk alsbald der Mittelpunkt einer großartigen von Erzbischof Wichmann von Magdeburg unternommenen Kolo- nisation, von der noch heute der ‘Fläming’ zwischen Jüterbogk und Wittenberg Zeugniß ablegt“9. Eine kritische Lesart bietet Theodor Rudolph, der „für die heute (das ist gegen Ende des 19. Jahrhunderts, D. Ste.) allseits vertretene Behauptung, dass man aus dem ... Quellen- und Urkundenmaterial eine ... massenhafte Einwan- derung der Niederländer und sehr bedeutende lokale Ausdehnung der Kolonien ... folgern müsse“, eine überzeugende historische Belegung vermisst10. Ähnlich hatte sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts August von Wersebe geäußert, des- sen Position Torsten Dahlberg zutreffend so charakterisiert hat: „einerseits zitiert er (v. Wersebe, D. Ste.) eine Unmenge von Urkunden, die vor allem von fl äm.

Besiedlung zeugen, andererseits bemüht er sich nicht selten, den Belegen hin- reichende Beweiskraft abzuerkennen ... Aber trotzdem will er die Einwanderung als historische Tatsache nicht ... bestreiten“11. Das Für und Wider der Historiker soll hier nicht weiter verfolgt werden, ich schließe mich der Einschätzung Karl Bischoffs an, der vor 54 Jahren hervorhob, dass die Ostsiedlung der Niederländer

„durch ... urkundliche Nachrichten wenigstens in seiner Grundaussage für das Ge- biet der mittleren Elbe gestützt (wird)“12. Damit verträgt sich ein Chronikhinweis über die Sprachen des Wittenberger Raumes, wonach zu ihnen noch um 1700 die

„fl ämische Sprache“ gehöre13.

Die sprachgeschichtliche Erforschung der ostelbischen niederländischen Ein- wanderung ist anders gestaltet als etwa die des niederländischen Einfl usses im westniederdeutschen Dialektraum, wo es am Westrand grundsätzlich ein Problem ist, bei der strukturellen Nähe von Niederländisch und Niederdeutsch die eindeu- tig niederländischen Transferate zu erkennen14.

Die die Sprachlandschaften östlich von Elbe und Saale gründlich umgestal- tende Ostkolonisation soll durch die Mitte des 14. Jahrhunderts wütende Pestepi- demie zum Stillstand gekommen sein15.

Dass an der niederländischen Ostsiedlung nicht grundsätzlich zu zweifeln ist, belegen auch die Niederländerspuren östlich der Oder. „Naar Polen kwamen enke- le golven Hollandse en Vlaamse migranten ... Reeds in de 12de en 13de eeuw ves-

8 Schröder 1880, 1–48, Zitat: 6.

9 Ebd., 20.

10 Rudolph 1899, 109.

11 Dahlberg 1972, 17 f.

12 Bischoff 1954, 2.

13 Langner 1977, 172.

14 Vgl. Kremer 2002.

15 Hierzu Meier 2005.

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tigden de Vlamingen zich in Silezië“16. Der Begründer der modernen polnischen Niederlandistik, Norbert Morciniec, hat sich dieses Themas in der Startnummer der „Neerlandica Wratislaviensia“ angenommen, in einer exemplarischen Untersu- chung in dem um 1250 gegründeten Wilamowice (Wilhelmsdorf/Wilhelmsau)17. Hier ist fl ämische Besiedlung aufgrund rechtshistorischer Zusammenhänge ange- nommen worden, was Morciniec aber sprachgeschichtlich nicht zu bestätigen ver- mag. Das gelingt eher für die holländische Besiedlung im 16. Jahrhundert anhand der Toponyme Hollandry, Olędry, Olendry an der Weichsel und in Großpolen18.

3. Die literarische und sprachliche Überlieferung

Egal, ob wenig oder viele Siedler nach Osten gezogen sind, zu bedenken gibt, dass niederländische Quellen hierüber weitgehend schweigen. Es gibt aber ein literarisches Zeugnis, das zur Bestätigung des Siedelereignisses in Stellung ge- bracht wurde und wird, das Lied „Naer Oostland willen wy ryden“. Dieses fl ämi- sche Volkslied, es fi ndet sich bei den „Oude Vlaemsche liederen“, die Ferdinand Augustijn Snellaert 1848 aus dem Nachlass von Jan Frans Willems herausgab19, wird als ein Auswandererlied gewertet, nach J.F. Willems „ein Zeugnis der fl äm.

Auswanderung nach dem Osten“20, wo der Osten das Gebiet östlich von Elbe und Saale, also auch der Fläming sein soll. Hier ist es aber nur in der Legende und bei denen bekannt, die wie Otto Bölke an ein „klein Vlaanderen in Duitschland“ glau- ben21. Die in der Überlieferung (wie bei Volksliedern üblich) am besten erhaltene Strophe ist die erste, sie lautet:

Naer Ooostland willen wy ryden Naer Oostland willen wy mêe, al over die groene heiden, Frisch over die heiden Daer isser een betere stêe

(Varianten: Oostland – Oosterland, ryden – varen, mêe – gaen, frisch over – schier over).

Obwohl Dahlberg angibt, dass das Lied auch in Deutschland bekannt sei22, hat man es im Fläming nicht gekannt, wenigstens ist es nicht überliefert worden. Otto Bölke hat fünf Strophen dieses Liedes ins Hochdeutsche übertragen (bezeichnen- derweise nicht in die niederdeutsche Flämingmundart), die erste lautet so:

16 Koch 1994, 107.

17 Morciniec 1983.

18 Czopek-Kopciuch 2004.

19 Oude Vlaemsche Liederen ten deele met de melodiën, Gent 1848, vgl. zu den beiden Aktivisten der Flämischen Bewegung und Verfassern breit wirkender Literaturgeschichten de Smedt 1985.

20 Dahlberg 1972, 9.

21 Siehe zur Wirkung des Liedes allgemein Dahlberg 1972 und in Deutschland Goossens 2004.

22 Dahlberg 1972, 40.

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Nach Ostland wollen wir reiten, Nach Ostland wollen wir mit, Wohl über die grüne Heiden, Frisch über die Heiden – Da ist eine bessere Stätt‘!23

Volksläufi g ist das Lied im Fläming nicht geworden. Die Flämingdichterin Käte Taubitz überliefert eine von ihrem Vater im Ersten Weltkrieg in Flandern aufgeschnappte und daheim gelegentlich wiedergegebene Strophe:

Naer Ostland wyllen wy ryden, naer Ostland wyllen wy tyn, All over de Groone Heeden, fresch over de Heeden, daer isser en beteret Zyn.

Zy heeten us wyllkomen zyn, all over de groone Heeden, fresch over de Heeden24.

Um eine Popularisierung dieses Liedes scheint sich Otto Bölke sehr bemüht zu haben. Bei der Einweihungsfeier seiner neuen Kirche in Blönsdorf am 21. Mai 1912 (die alte Kirche hat von 1157 an bestanden) sprach Pastor Bölke über die Christianisierung des Flämings. Die darüber berichtende Tageszeitung merkte an, dass noch ein Gedenkstein an die fl ämischen Zuwanderer geweiht wurde, dabei kam „ein altes fl ämisches Auswandererlied, ... harmoniert von Herrn Organist Straube-Wittenberg“ zu Gehör. Die Zeitung gibt diesen Text wieder:

Naer Oostland willen wy ryden, naer Oostland willen wy mee, al över die groene heiden, frisch over die Weiden, daer isser een betere stee.

Als wy binnen Oostland komen, al onder dat hooge huis, daer worden wy binnen geladen, frisch over die heiden

zy heeten ons willekom zyn.

Ja willekom moeten wy wezen, zeer willekom moeten wy zyn.

Daer zallen wy, avend in morgen, frisch over die heiden,

wy drinken den koelen wyn25.

23 Bölke 1936, 51.

24 Taubitz 1997, 74; zu diesem Lied, seiner Geschichte und der sprachgeschichtlichen Würdi- gung vgl. Goossens 2004, Anmerkung 16.

25 Wittenberger Tageblatt vom Sonnabend, 25.5.1912, 2.

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So bleiben für den Nachweis fl ämischer Siedlung im Fläming und darüber hinaus sprachliche Zeugnisse, vor allem appellativische und onymische Lexik.

Einige derartige Fälle sollen in Augenschein genommen werden, zuerst der Land- schaftsname Fläming. Er hält am deutlichsten die Erinnerung an die Kolonisten fest26, bezieht sich aber in der Geschichte auf verschiedene Gebiete. Die Namen- geschichte ist oben gestreift worden.

Den Fläming als ein Siedelgebiet bezeugt noch heute der Familienname Leh- mann = Inhaber eines bäuerlichen Lehengutes, also ein Standesname, der Ende des 13. Jahrhunderts als Familienname auftritt, zur heutigen Verbreitung siehe Abb. 3.

Als eine onomastische Direktanzeige könnte der Familienname Flämig gel- ten, so wird er auch in den Namenbüchern erklärt27. Die auf die Telefonanschlüsse (Stand 1998) basierende Geographie dieses Namens zeigt eine Häufung an der Mittelelbe und im südlichen Obersachsen. Wir können hierin zwar eine gewisse Bestätigung der Siedlertheorie sehen, aber keine so ganz anschauliche (vielleicht sind viele Namensträger vom Fläming in die sächsischen Städte ausgewandert).

Die Ermittlung niederländischer Familiennamen als Belege für den nieder- ländischen Siedlungsanteil im Fläming ist eine naheliegende Aufgabe. Als auffäl- ligste Zeugen kämen Herkunftsnamen in Betracht, solche wie Brabant/Braband/

Brabandt/Brawand, die das Erbbuch der Jüterborger Amtsdörfer von 1661 immer wieder anführt28. Hier und auch in anderen ortsgeschichtlichen Quellen des Flä- mings tritt aber ein Familienname auf, der deutlicher noch als ein Herkunftsname (wie Braband) eine niederländische Abkunft anzeigen könnte: der Name Koppehe- le, Varianten Koppehel/Koppehehle/Koppehehl/Copehele. Prominentester Namens- träger ist der Magdeburger Donvikar George (Georgius) Koppehele (1538–1604).

Von den alteingesessenen Jüterborgern heißt es, dass „jeder vierte ein Nachkomme von Johann (Hans) Koppehele“ sei29. Auch im Anhaltischen und Magdeburgischen ist dieser Name bekannt, alles Gegenden, in denen eine Niederländersiedlung durch sprachliche und historische Quellen belegt ist. Der Name selbst führt im Erstglied auf Jacob(us) zurück, im Zweitglied auf niederländisch Heel, einen weiblichen Vornamen, es handelt sich also um einen metronymischen Namen.

Während dieser Name bis heute im Fläming schwerpunktmäßig verbreitet ist, ist er in den Niederlanden und Belgien nicht mehr bekannt. Jedenfalls fi nden sich er und seine Schreibvarianten weder in der niederländischen noch in der bel- gischen Familiennamendatei.

Es scheint sich also um ein Sprachrelikt zu handeln, auf die man ja in Sprachin- seln (der Fläming kann mit Einschränkungen als eine solche gelten) immer wieder trifft. Dem onomastischen Reliktwort fällt seiner Individualität wegen eine höhere

26 Bischoff 1967, 126.

27 Z.B. Bahlow 1972, 141 (sub Flemming).

28 Jüterborger Amtsdörfer von 1661. Zusammengestellt nach den im Brandenburgischen Lan- deshauptarchiv, Potsdam, befi ndlichen Erbbuch von Herbert Wegener. MS-Druck 1997.

29 Wegener 1994, 3.

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Abbildung 3

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Beweiskraft für das mittelalterliche Siedlungsgeschehen östlich der Elbe zu als den appellativischen Zeugnissen, die die historische Dialektgeographie im 20. Jahrhun- dert zusammengetragen hat. Als ein niederländischer Name gilt auch der Personen- name Prambalch, jedenfalls nach Meinung der Heimatforscher. In einem Beitrag zu alten Wittenberger Familiennamen schreibt der Mittelschullehrer Balding 1912 folgendes: „Eine zweite Altwittenberger Familie ... ist die Familie Prambalch. Der Name ist fl ämischen Ursprungs und bedeutet wohl Fährmeister ... daß die Fami- lie von den Flamländern, die Albrecht der Bär in unserer Gegend ansiedelte, ab- stammt“30. Dieser Name ist heute weder in den Niederlanden noch in Belgien und auch nach Auskunft der Telefondateien nicht mehr in Deutschland bekannt.

Die appellativische Lexik, vor allem Substantive, sind Gegenstand tiefgrei- fender sprachgeschichtlicher und wortgeographischer Forschung geworden, für die der Name Hermann Teuchert (1880–1972) steht31. Es handelt sich um eine Reliktwortforschung im Sinne von Ludger Kremer (siehe Anmerkung 14).

Noch nicht von Teuchert erfasst ist z.B. ein Flämingwort, das den Bezug zum Flä- mischen sehr schön wiedergibt, nämlich Backenpoale ‘Brotschieber’; es stimmt mit seinem Grundwort zum (süd-)niederländischen paal (oven-, brood-, schietpaal)32.

Die Sonderrolle des Flämings zeigt sich in der Abweichung vom übrigen Märkischen bei der Form dat anstelle von det, dem Hauptkennzeichen märkisch- brandenburgischer Dialekte. Sie erklärt sich dadurch, dass „im Kernbezirk des Fläming und seines nördlichen Vorlandes ... bis heute nach niederländischer Art het angetroffen“ wird33. Dieser Niederlandismus ist aber zugunsten des nieder- deutschen dat aufgegeben worden, wohl schon recht früh. Bei Otto Bölke fi ndet sich ein Gedicht Hinger’n Plug, dessen erste Zeile so lautet:

„Dat Schoar van Isen dat blinkert sou blank“34.

Das Brandenburg-Berlinische Wörterbuch enthält ein Stichwort het ‘es’ und verweist bei seiner Geschichte auf die „nl. Siedler(n) seit dem 12. Jahrhundert“35.

4. Das Flämingbild heute

Soweit das, was allgemein- und sprachgeschichtlich zum Fläming gesagt werden kann. Aufmerksamkeit in der Wissenschaft hat er im 20. Jahrhundert mit der be- sonders von Hermann Teuchert entwickelten vergleichenden Wortgeographie im

30 Alte Wittenberger Namen und Familien. Vortrag, gehalten am 19. August 1912 im Verein für Heimatkunde und Heimatschutz, Wittenberger Allgemeine Zeitung vom 28.8.1912, 2.

31 Sein Hauptwerk: Die Sprachreste der niederländischen Siedlungen des 12. Jahrhunderts, Neumünster 1944, 2. Aufl age Köln/Wien 1972.

32 Kieser 1963; Kieser 1964; Pée 1969.

33 Frings 1969, 131.

34 Wie Anmerkung 23, 57.

35 1. Band, Spalte 1228; 2. Band, Spalte 630.

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Ostniederdeutschen erlangt. Über den Kreis der Fachwissenschaft hinaus, also das theoretische Wissen, ist das nicht gedrungen. Dagegen spielen der Fläming und seine Geschichte, d.h. sein Verhältnis zu den Flamen, eine legendäre Rolle im Sinne allgemeinen, also nicht theoretischen Wissens. Dieses ist es auch, was den Fläming nach den politischen Ereignissen von 1989/90 auf einmal wieder interessant macht, und zwar aus touristisch-wirtschaftlichen Gründen. In diesem Zusammenhang ist 2002 in Kropstädt (Kreis Wittenberg) der Verein Fläming- Flandern gegründet worden; er unterhält im Historischen Rathaus der Lutherstadt Wittenberg ein Kontaktbüro. Seine Ziele werden folgendermaßen beschrieben:

„Aufbauend auf den in der Geschichte begründeten Gemeinsamkeiten der Region Flandern in Belgien und der Region Fläming in Deutschland beschäftigt sich der Verein ‘Fläming-Flandern’ e.V. mit dem Anknüpfen von Kontakten zwischen die- sen beiden Regionen. Der Verein hat das Ziel, Beziehungen der Regionen auf al- len Gebieten, insbesondere Regionalpartnerschaft, Touristik, Schulpartnerschaft, Jugendaustausch, Sport, Geschichte, Kultur und Wirtschaft aufzubauen, zu pfl e- gen und zu entwickeln. Dieses Projekt soll die europäische Integration fördern und menschliche Kontakte über die Grenzen hinweg intensivieren. Dazu gehören die Tourismuswerbetour nach Flandern im Mai 2001 und im August 2002 ebenso wie die Einladung der Flamen zu unseren regionalen Stadtfesten, Wanderausstel- lungen und der Erfahrungsaustausch von Vereinen“36. Die hier herauszulesende Gleichsetzung der fl ämischen Region Belgiens als eine der drei belgischen Regio- nen bzw. Teilstaaten mit der brandenburgischen Fläminglandschaft ist missver- ständlich und übersieht die nicht vergleichbaren Staats- und Landschaftsräume Flandern und Fläming. Aber auch dieses Missverständnis zeigt, wie sehr der Flä- ming heute geschichtlich gewürdigt und in der politischen Öffentlichkeitsarbeit aufgewertet wird.

Ausdruck der wieder entdeckten Geschichte des Flämings ist auch die vom 25.10. bis 15.2.2004 im Wünsdorfer „Museum des Teltow“ gezeigte Ausstellung

„Aus Flandern in die Mark-Flämische Siedler im Mittelalter“, die 2004 noch in Antwerpen und Brüssel zu sehen war. Auch sind weitere Präsentationen geplant, die Ausstellung steht als Wanderausstellung zur Verfügung. Der Name Fläming fi ndet sich in der kommunalen Gliederung der Verwaltungsgemeinschaft Fläming- Elbe im Kreis Wittenberg. Im Kreis Anhalt-Zerbst gibt es einen Sportverein, der sich SC Vorfl äming Nedlitz nennt (zu DDR-Zeiten hieß er BSG Traktor Nedlitz).

Bei all diesen Aktivitäten wirken geschichtliche Tatsachen und Legenden der Art des „Klein Vlaanderen in Duitschland“ zusammen. Sie geben jede auf ihre Art Zeugnis von einem mittelalterlichen Ereignis, das schon deshalb ein Mythos zu sein scheint, weil es Jahrhunderte und historische Epochen überdauert hat und an das heute in der Erwartung angeknüpft wird, dass die betroffene ostnieder- deutsche Landschaft davon profi tiert, kulturell und wirtschaftlich. Die zuständige

36 Zitiert nach der Internetpräsentation des Vereins, gelesen am 7.12.2004.

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Wissenschaft sollte sich hier einbringen und nicht abseits stehen, auch um bei aller liebenswerten Legende das zur Geltung zu bringen, was belegt und bestätigt werden kann: Zwar kein klein Vlaanderen in Duitschland und auch keine nieder- ländische Sprachinsel östlich der Elbe und schon gar nicht eine dem belgischen Teilstaat vergleichbare Region, wohl aber ein Sprachkontaktraum mit slawischen, deutschen und niederländischen Elementen, der noch immer ein Arbeitsfeld von Sprachgeschichte und Dialektologie, Namenkunde und Geschichte darstellt37.

Jan de Piere, der vor einigen Jahren den Fläming bereist hat, will festgestellt haben, dass „bij veel inwoners van de Fläming ... een soort hunkering naar de oude heimat van de eerste inwijkelingen“ zu spüren war38. Wenn dieses Gefühl 800 Jah- re überdauert hat, dann sind der Fläming und seine Beziehungen zu Flandern aber doch mehr als nur ein Wissenschaftsgegenstand, dann ist das ein allgemeines Ge- schichtsgefühl. Mit ihm zu rechnen und darauf Rücksicht zu nehmen ist vernünftig.

Und das ernst zu nehmen ist unsere Aufgabe als Sprachforscher, deren Gegenstand die lebendige Sprache der Menschen ist und die aufzunehmen weiterhin an den Universitäten Gegenstand von Forschung und Lehre sein muss. Die Dialektologie kann daraus ihre Existenzberechtigung ableiten, für heute und auch für morgen.

Literatur

Bahlow, Hans 1972: Deutsches Namenlexikon. München.

Bischoff, Karl 1954: Elbostfälische Studien. Halle.

Bischoff, Karl 1967: Sprache und Geschichte an der mittleren Elbe und der unteren Saale. Köln/

Graz.

Bölke, Otto 1936: Auf dem Fläming. Een klein Vlaanderen in Duitschland. Düben.

Borchling, Conrad 1915: Zur Schreibung des Namens der „Vlamen“, Mitteilungen aus dem Quick- born 8, 134–136.

Bosau, Helmold von: Slawenchronik. Neu übertragen und erläutert von Heinz Stoob, Darmstadt 1963 (die letzte, die 6. Aufl age dieser Ausgabe erschien 2002).

Brandenburg-Berlinisches Wörterbuch: Begründet und angelegt von Anneliese Bretschneider unter Einschluss der Sammlungen von Hermann Teuchert. 4 Bände. Berlin 1968-2001.

Czopek-Kopciuch, Barbara 2004: Holländische Siedlungsbewegung und Ortsnamen Holendry in Polen. Sprachkontakte. Niederländisch, Deutsch und Slawisch östlich von Elbe und Saale, hg.

von D. Stellmacher. Frankfurt/M., 323–336.

Dahlberg, Torsten 1972: „Till Österland vill jag fara“ – „Na oostland wil ik varen“. Zur Geschichte des sog. Ostlandliedes. Niederdeutsche Mitteilungen 28, 5–60.

37 Als niederländische Sprachinsel hat Hermann Teuchert den Fläming noch gesehen, dazu bemerkt Gerhard Ising: „Diese Sprachinsel war, wie viele Grenzbildungen zeigten, allerdings da- mals (Anfang des 20. Jhs., D. Ste.) schon in Aufl ösung begriffen. Man muß allerdings davon ausge- hen, daß sie bis zu den Verheerungen im Dreißigjährigen Krieg im wesentlichen noch erhalten war“

(Ising 1980, 246). Ausdruck der modernen interdisziplinären Wissenschaftsarbeit zum Fläming ist auch der Tagungsband einer vom 24–27.10.2002 in der Lutherstadt Wittenberg gehaltenen interna- tionalen Fachtagung: Stellmacher 2004.

38 Wölfl e-Fischer 2003, 8.

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Halle.

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5) Relacje między Bogiem a człowiekiem Biblia porównuje także do zaślubin, w których Bóg czynnie oddaje się człowiekowi, a człowiek biernie przyjmuje Boże działanie.

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es .«wenigstens nie wieder möglich seyn wird jeman- den, lebendig zu· begraben-; und endlich die Hof- nung, daß durch diese längerfortgesezte und genau- ere Beobachtung der

leicht besser auf die M itte der Jahrhunderte Uerechnet.. in ihrer vollen Gröfse. Nicht lange vor dem Jahre 900 erhalten die Gränzen zwischen Frankreich und