Theologisches Literaturblatt.
Unter Mitwirkung
z a h l r e i c h e r V e r t r e t e r k i r c h l i c h e r W i s s e n s c h a f t u n d P r a x i s
h erau sg eg eb en von
Dr. theol. Hölscher
in V e rb in d u n g m it
K onsistorialrat Prof. D. K l o s t e r m a n n in Kiel, K onsistorialrat Prof. D. H a u s s l e i t e r in Greifswald, Prof. D. W a l t h e r in Rostock, Prof. D. I h m e l s in Leipzig, Prof. D. A l t h a u s in Göttingen.
Nr. 29. Leipzig, 21.Juli 1905. XXVI. Jahrgang.
E rscheint jeden Freitag. — A bonnem entspreis vierteljährlich 2 Jb 60 <$. — Insertionsgebühr pr. gesp. Petitzeile 30 <$. — E x p ed itio n : Königsstrasse 13.
A lter Orient und Alttestam entler.
R iggenbach, Lic. Eduard, D er Trinitarische Tauf- befehl.
H eer, Gottfried, Der evangelische G ottesdienst in der glarnerischen Kirche.:
E S lb ln g , D. P . , Die Feier des 150jährigen Be
stehens des theologischen Sem inarium s der Brüdergemeine in Gnadenfeld.
K a tz, Albert, Der Chassidism us.
Z ur Notiz.
Zeitschriften.
Eingesandte Literatur.
Alter Orient und Alttestamentler.
Nachdem die erste Auflage (2000) meines Buches „D as A lte T estam ent im L ichte des A lten O rients“, reichlich ein J a h r nach dem Erscheinen, fa st vergriffen ist, sei es m ir ge
s ta tte t, in einigen w ichtigen P unkten, die A nlass zu lebhafter E rö rte ru n g gegeben haben, das W o rt zu ergreifen.
B ereits w ährend des Babel-B ibel-Streites w ar in meiner S tre itsc h rift „Im Kampfe um Babel und B ibel“ m it allem N achdruck auf die B edeutung der Forschungen Hugo W incklers fü r das V erständnis des A lten T estam ents hingewiesen worden.
Insbesondere t r a t ich für die Annahme ein, dass die Ideen des altorientalischen W eltbildes und der auf ih r ruhenden a lt
orientalischen A stralm ythologie die .alttestam entliche G eschichts
c h re ib u n g und G eschichtserzählung s ta rk beeinflusst haben. In freundlichem und unfreundlichem Sinne bin ich als „W inckler- P*°phet“ gekennzeichnet worden. Ich schäme mich dieser
"itulierung durchaus nicht, freue mich vielm ehr, dass es m ir gelungen is t, die epochemachende E ntdeckung W incklers in Weite K reise zu tra g e n und die L ebensarbeit des viel- verkannten G elehrten an geeigneten Stellen zu r G eltung zu bringen.
Mein Rezensent in der „O rientalistischen L ite ra tu r-Z e itu n g “ 1905 N r. 3 (Otto W eber) s a g t: „In dem Siegeslauf d er E r kenntnis von der E inw irkung des altorientalischen Systems auf die E rzählungsform des A lten T estam entes bedeutet Jerem ias’
Buch einen gew altigen S c h ritt v o rw ä rts“. Und er b eu rte ilt
^ e iu V erhältnis zu W inckler in bezug auf den Nachweis des astralm ythologischen Systems durchaus r ic h tig , wenn er fo rtfä h rt: „D ie F reude an dem E rfolg kann mich nicht R ö d e rn , d aran zu erin n ern , dass es zugleich ein E rfolg
W incklers ist, dessen geistiges Eigentum der von Jerem ias V ertretene G rundgedanke i s t “ . W eber s a g t dann w eiter:
« piese K onstatierung w ill Jerem ias nichts von seinem grossen Verdienste nehmen, es sei vielm ehr ausdrücklich ausgesprochen, dass Jerem ias die Gedanken W incklers durchaus selbständig v e ra rb e ite t, vielfach im einzelnen w eiterg efü h rt, durch neue G ründe g e s tü tz t h at. Aber da die Geschichte der W issen
schaft n icht arm is t an Belegen fü r eine allm ähliche V er
schiebung der B e sitz titel und zudem gerad e das Schicksal der einschlägigen A rbeiten W incklers in m erkw ürdigem G egensatz ste h t zu der Aufnahm e des Jerem ias’schen B uches, h alte ich es fü r nötig, d ara n zu erin n ern : Jerem ias selbst ist stets m it S rösster W ärm e und Selbstlosigkeit für die A nerkennung der von W inckler geschaffenen neuen G rundlage unserer Geschichts- e tra ch tu n g eingetreten. Den grössten D ienst h a t er ih r e r
wiesen m it seinem Buche, das den richtigen Ton gefunden
h a t, dem auch W iderstrebende sich nicht w erden entziehen können“ .
F reilich, der le tzte S atz e n th ä lt einen starken Optimismus, w enigstens sofern er sich auf die berufenen V e rtre te r der alt- testam entlichen F orschung bezieht. O tto W eber b eg rü sst als günstiges Omen die B esprechung meines Buches von B. B aentsch im „L it. Z trlb l.“ 1905 Nr. 6. Sie h a t auch m ir Hoffnung e r
w eckt. B aentsch h a tte noch anderthalb J a h r zuvor in d er B esprechung des W incklerschen Teiles von K A T 3 seine a b lehnende H altu n g begründet. In der genannten B esprechung schreibt e r , die L ek tü re meines Buches habe ihn in der all
m ählich erw achten U eberzeugung b estä rk t, dass die B ehauptung des Einflusses des astralm ythologischen Schemas keinesw egs ans der L u ft gegriffen sei. E r w ünscht, dass die A nw endung des astralm ythologischen Schemas au f die alttestam entliche Ge
schichtserzählung einmal zum G egenstand einer besonderen eingehenden U ntersuchung gem acht w ürde (was übrigens zum guten T eil in W incklers sog. „Geschichte Israels I I “ geschehen ist). F reilich könne diese U ntersuchung n icht ohne die ge
naueste und um fassendste K enntnis des altorientalischen m ytho
logischen Systems g efü h rt w erden, und eine solche K enntnis sei heute noch etw as überaus rares. W enn B aentsch dann s a g t, man könne zu solcher E inführung mich g etro st zum F ü h re r w ählen, so hoffe ich, in der in A rbeit befindlichen N euauflage meines Buches dieses V ertrauen noch besser zu rechtfertigen.
D ass es ohne K enntnis des altorientalischen m ythologischen System s unmöglich ist, V erständnis und Anschluss zu finden, habe ich vielfach erfahren. Glücklicherw eise haben n icht viele einen so rauhen Ton für die A blehnung gefunden, wie H. L . S tra c k , der bei E rw äh n u n g der T ierkreism otive im Jakobs
segen sa g t („Ev. kirchl. A nzeiger“): D ergleichen sei höchstens im nichtoffiziellen T eile eines Kommerses erträg lich . E s w urde bereits an anderer Stelle g ea n tw o rte t, dass dann freilich eine ern ste V erhandlung unmöglich ist. S tra ck w a rn t in dem Zusam m enhange die L eser des B erlin er „E v. kirchl.
A nzeigers“ vor meinem irreführenden Buche. Auch sonst is t von seiten der kirchlichen Theologen, in deren L ag e r ich ge
h ö re, die neue B etrachtungsw eise m it grösser Reserve auf
genommen worden, v. O relli e rk lä rte in diesem B la tte das Auffindenwollen von astralm ythologischen Motiven z. B. in d er Josephsgeschichte für eine „V e rirru n g des exegetischen Ge
schm ackes“. Ich durfte ihm d ara u f erw idern, dass sich hier die G rundsätze okzidentalischer Exegese als ungenügend e r
weisen. „Ih r sa g t, es m utet mich nicht an und m eint, dam it sei’s a b g e ta n “, w ürde Goethe sagen. D er orientalische Geschmack (man vergleiche die W o rtw itze, die Zahlenm otive) is t ein
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an d erer als der okzidentalische. Das form ale V erständnis des A lten Testam entes v e rla n g t, dass w ir orientalisch umdenken lernen. OettH s a g t bei einer Besprechung von E x Oriente lux I, 1:
die Geschichte vollziehe sich auf der E rd e , er verzichte auf die L uftballonfahrten des astralm ythologischen Schemas. W ir könnten ihm antw o rten : W er weiss, ob w ir nicht in 30 Ja h re n alle m it dem L uftballon fahren. Oder im E rn s t: Es w ird die Zeit kommen, wo sich jeder, der das A lte T estam ent verstehen w ill, um die A ngelegenheiten oben am F irm am ent küm m ern m u ss .
A uf Seite der sog. religionsgeschichtlichen Schule w ar m ir die Stellungnahm e G u n k e ls von besonderer W ichtigkeit.
G unkel h a tte ja selbst in seinem Buche „Schöpfung und Chaos“ m it der H ereinziehung des orientalischen ausser- biblischen A ltertum s fü r das V erständnis der Bibel einen ver- heissungsvollen A nfang gem acht. Sein R eferat in der „D e u t
schen L ite ra tu rz e itu n g “ 1 9 0 5 , N r. 13 h a t m ir g ez eig t, dass e r auf halbem W ege d. h. bei dem damals E rreich ten stehen ge
blieben is t und dass all das seitdem dazu E rrungene ihm unbekannt geblieben ist. W enn ich in den folgenden A us
führungen das R eferat S atz für S atz bespreche, so geschieht es,- weil Gunkels A usführungen typisch sind fü r die S chw ierig
k eiten, die der neuen E rkenntnis selbst von den berufenen F orschern b e re ite t w erden. Dabei tre ib t mich n icht die L ust zu r P olem ik, sondern das B estreben, M issverständnisse auf
zuklären und Zögernde zu überzeugen.*
Z unächst muss ich mich in einigen P unkten persönlich ver
teidigen. Gunkel s a g t in seiner B esprechung: meine K enntnis des A lttestam entlichen sei (was m ir als A ssyriologen nicht übelzunehmen sei) nich t intim g enug, um mich vor der G efahr zu b eh ü ten , die altteBtam entlichen D inge durch
^Eintragung von allerlei Babylonischem nicht zu erklären, sondern zu v e r w i r r e n . Ich habe d a ra u f zu erw idern:
E s m ag sein, dass meine intim e B ekanntschaft m it einzelnen B üchern des A lten T estam en ts, die nach dem L ehrplan der F a k u ltä te n für U nterrichtszw ecke behandelt w erden, nicht e n tfe rn t an die eines berufsm ässigen E xegeten h eranreicht.
A ber das V erständnis fü r das gesam te A lte T estam ent als K ulturdokum ent und Religionsbuch glaube ich in mehr als zw anzigjährigem ernsten Studium gew onnen zu haben.
Und ich hoffe, dass mich „gründliche theologische B ildung und intim es V erständnis fü r das W esen der israelitischen R eli
g ion“ , wie es m ir auch auf G rund meines Buches z. B. von B aentsch te s tie rt w ird, vor der G efahr bew ahrt, meine H ö rer und L eser zu verw irren.
ln diesem Zusam m enhange muss ich auch der A nsicht en t
g eg en treten , als sei mein Buch in „fliegender H ast zusammen
g eschrieben“ .** B eer nennt es in dem fü r g elehrte K reise w irk sam en Ja h re sb eric h t der „Z eitschrift der D eutschen M orgen
ländischen G esellschaft“ ein „etw as geräuschvolles Babel-Bibel- B u c h “ . E s lie g t m ir d a ra n , ausdrücklich festzustellen, dass mein Buch nicht durch den sog. B abel-B ibel-S treit veran lasst w orden ist. E s is t seit Ja h re n vorb ereitet und w ürde zur selben Zeit erschienen sein, auch wenn D elitzschs Babel- und B ibel-V orträge n icht g ehalten worden w ären. Gunkel fü g t zu der B em erkung von der „fliegenden H a s t“ hinzu:
„Das mag sehr entschuldbar sein für einen vielbeschäftigten Gross
stadtpfarrer, ist aber recht unangenehm für seine Leser. Und wer zwingt den vielgeplagten Mann, ein so weitschichtiges Werk zu unter
nehmen, wenn ihm doch die Zeit dafür fehlt, es mit aller gebührenden Genauigkeit auszuarbeiten ?1 ‘
W a s soll dieser persönliche A ngriff? G ibt nicht jeder, w as er kann und wozu ihn der E ifer fü r die im Ringen der G eister erw orbene E rk en n tn is tre ib t? W ird es G unkel rec h t sein, wenn ich sag e: W e r zw ingt den durch Vorlesungen, V o rträ g e und V ereinsarbeit vielbeschäftigten E x trao rd in ariu s ü ber altorientalische M ythologie zu schreiben und zu k ritisieren, wenn er n icht Zeit h at, sich ernstlich m it ih r zu beschäftigen
* Die Besprechung Gunkels erschien, als ich im Begriff war, eine grössere Reise anzutreten. Ich würde auf eine verspätete Antwort verzichten, wenn mir nicht dadurch die nützliche Gelegenheit entzogen würde, in weitere Kreise Verständnis für das altorientalische System zu tragen.
** D ie Beispiele, die das belegen sollen, werden unten besprochen.
und ih r W esen zu erg rü n d en ? W as tre ib t den vielbeschäftigten E xegeten, über altorientalische K u ltu r zu reden, wenn er noch in dem G rundirrtum befangen is t, der Sprache und W esen eines Volkes verm ischt, wenn er S. 27 seines Buches „Zum religionsgeschichtlichen V erständnis des Neuen T estam en tes“
von „ a r a m ä i s c h e r W e l t k u l t u r “ sp rich t und s a g t: „D as Judentum im E xil w urde aus einem Stam m e I s r a e l s eine a r a m ä i s c h e religiöse Gemeinde“ ?*
E ine zw eite persönliche B em erkung Gunkels betrifft meine theologische S tellung bez. die theologische U eberzeugung, die ich m it in die geschichtliche U ntersuchung hineingenommen haben soll. Gunkel s a g t:
Jeremias stellt sich von vornherein auf den Standpunkt der christ
lichen, soll heissen supernaturalistischen, Weltanschauung, er steht z. B.
der Tradition des Alten Testaments mit einem Vertrauen gegenüber, das im letzten Grunde auf der religiösen Erkenntnis ruht: novum testamentum in vetere latet.
Ich fra g e : I s t das C h r i s t e n t u m su p ra n a tu ra l oder n ic h t?
S teh t Gunkel auf dem S tandpunkte der natu ralistisch en W e lt
anschauung? Die seltsam e Schlussfolgerung in seiner S ch rift
„Zum religionsgeschichtlichen V erständnis des Neuen T e s ta m entes“ : „ D a s C h r i s t e n t u m s e i e i n e s y n k r e t i s t i s c h e R e l i g i o n “ liesse allerdings d ara u f schliessen. D ann w ürden w ir uns in theologischen D ingen nie verstehen. Und es w ürde sich n u r darum handeln, dass man sow eit möglich voneinander zu lernen sucht. W as mich seinerzeit zu W inckler hingezogen h a t, w ar die k o n s e q u e n t- n a t u r a lis t is c h e Auffassung der Geschichte Israels. Ich sa g te m ir : hier kann ich als Antipode lernen. I n zwischen kam die E ntdeckung des altorientalischen W eltsystem s.
Die E rforschung der Spuren dieses System s in der israelitischen L ite ra tu r v e rtr ä g t sich ebensogut m it der naturalistischen wie m it der supern atu ralistisch en Auffassung. D arum konnten übrigens auch kirchliche Z eitschriften, wie die „E v.-lutherische K irchenzeitung“ und „Die R eform ation“ (Gunkel w undert sich darüber) W in ck ler, der die G ottesfrage nicht b e rü h rt, ih re S palten öffnen. Und es bleibt ein V erdienst, dass sie es getan haben, w ährend andere T o re , die zum L ande der E rk en n tn is führen w ollen, der neuen Auffassung verschlossen blieben.
In der E in le itu n g , die der M ühew altung des V erf.s An
erkennung zollt und sa g t, kein alttestam entlicher G elehrter werde an dem Buche vorübergehen, c h a ra k te risie rt mich Gunkel als Schüler W incklers und Zimmerns. Suum cuique. Von m einer Stellung zu W inckler w ar bereits die Rede. Zimmern, dessen Prom otion wie die W incklers m it m einer Studienzeit zusam m en
fällt, folge ich gern als Assyriologe. W ie je d er andere F a c h genosse benutze ich bei meinen Publikationen die A rbeiten des allgem ein hochgeschätzten T ex tin terp rete n . W ährend der Be
a rb e itu n g meines Buches h a t mich Zimmern vor manchem U ebersetzungsfehler bew ahrt.
Sodann äu ssert G unkel seine Bedenken gegen mein W erk.
D a er nicht im stande sei, das Babylonische oder Aegyptische**
fachm ännisch zu beurteilen, so müsse er sich an das A lt- testam entliche halten. S p äter heisst es auch ausdrücklich: Es k ann n ich t Aufgabe des U nterzeichneten sein, zu untersuchen, ob das W incklersche (altorientalische) System für das B a b y lonische b egründet is t oder nicht. A ber d a rf m an denn opponieren, wenn zwei D inge (das A lttestam entliche und das Babylonische) m it einander verglichen werden, von denen man eins nicht k e n n t? Baentsch h a t vollständig r e c h t, wenn er s a g t, dass die U ntersuchung über das V e r h ä l t n i s des a l t orientalischen System s zum A lten T estam ent n icht ohne die g e
naueste und um fassendste K enntnis des altorientalischen m y th o logischen System s betrieben w erden kann. W ir haben es in.
* Das Wesen der Aramäer ist bereits in Wincklers Geschichte Babyloniens und Assyriens 1902 erklärt worden, S. 177 ff. — eine der bedeutendsten Ausführungen in diesem wichtigen Werke. Vgl. später
„Arabisch, Semitisch, Orientalisch“ (Mittig. der Vorderasiat. Ges. 1901), S. 224. Eine aramäische Kultur hat es nie gegeben.
** Für das Aegyptische ist mein Gewährsmann, wie ich auch ange
geben habe, Steindorff. Gleichwohl sagt Beer in dem erwähnten Jahresbericht der „Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesell
schaft“ : „Die Aegyptologen werden zu den ägyptischen Fachkenntnissen
des Verfassers mehr als ein Fragezeichen setzen“. Ich habe leider nie
ägyptische Fachkenntnisse besessen.
der letzten Zeit erlebt, dass man über Astralmythologie ge
schrieben und genrteilt hat, ohne dass man eins von beiden, Sterne oder Mythologie, genügend kennt.* Mein Buch geht von der An
schauung aus, dass die biblische Auffassungswelt, so weit es sich Qm irdische Beziehungen und um die Formen der Sprache und des Ausdruckes handelt, vollständig in der altoriental. W elt ruht.
Die Bibel als Kulturdokument muss aus der altoriental. K ultur
welt heraus erklärt und verstanden werden. Bisher forderte man nur Kenntnis des Hebräischen für das Verständnis des Alten Testamentes. W ir fordern Kenntnis des Orientalischen, Wie sie uns durch die Denkmäler verm ittelt wird. Man schalt das „panbabylonisch“. W ir haben den Ausdruck akzeptiert.
Nur muss immer wieder gesagt werden, dass „babylonisch“ hier Cum grano salis zu verstehen ist. W ir sagen „babylonisch“, Weil die Weltanschauung, um die es sich handelt, uns in ver
hältnismässig ältester Zeit und am deutlichsten ausgeprägt in Babylonien entgegentritt und weil allen Andeutungen nach sie dort ihre engere Heimat — in vorgeschichtlicher Zeit — ge
habt hat. Besser und für die historische Zeit zutreffender ist immerhin die Bezeichnung „altorientalisch“. Das am Sternen
himmel festgelegte System liegt der gesamten Weltanschauung zugrunde; in ihr wurzeln alle Mythologien, sei es nun, dass sie ägyptisch, babylonisch, phönizisch, kanaanäisch etc. ausge
p rägt erscheinen. Und die Jahyereligion verhält sich zu diesen Mythologien wie in nachchristlicher Zeit evangelische W ahr
heit zu heidnischen Verzerrungen der e in e n christlichen W elt
anschauung.
Gunkel sagt nach den besprochenen einleitenden Worten, es seien ihm bei der Lektüre meines Buches eine sehr grosse Anzahl von Ungenauigkeiten, ja geradezu von Fehlern auf
gefallen und er will „aus dem grossen Sündenregister“ nur einige Beispiele geben. Damit bin ich diskreditiert. Wenn dann Einzelheiten aufgezählt werden, so erw artet man natürlich besonders schwerwiegende Fehler. Ich gehe diese Einzelheiten durch und hoffe, zu zeigen, dass der tadelnde Ausdruck „Sünden
reg iste r“ nicht am Platze ist. Es gibt Sünden, die auf des Kritikers H aupt zurückfallen.
1. Der Euphrat, so behauptet Jeremias, heis9t bei den Hebräern
»idaa grosse Wasser“ , Gen. 15, 18 (S. 102); das Wort findet sich dort aW nicht im Hebräischen, sondern — bei Luther!
Dass nahar „Fluss“ heisst, wird man kaum zur intimen Kenntnis des Alten Testamentes rechnen. Die Luthersprache Oennt einen Fluss auch ein „W asser“. So noch heute z. B. in der Lausitz. Ich bin ein Sohn der Lausitz und bediene mich gern ihrer Sprache. Dass aus der Uebersetzung „W asser“ irgend
welche irreführende Schlussfolgerungen gezogen werden könnten, behauptet wohl Gunkel nicht. Aber wozu dann die Qais- luilie? Gunkel fährt fort:
2. Von der Lutherischen Uebersetzung erweist sich Jeremias ab
hängig auf S. 210, wo er „die Seelen, die er (Abraham) gewonnen hat“ übersetzt und auf religiöse P r o p a g a n d a Abrahams zu beziehen Scheint, während der Text in Wirklichkeit von S k la v e n , die der Urvater sich gekauft hatte, redet.
Da ich als wissenschaftlicher Arbeiter zugleich praktischer Theologe bin, muss der Vorwurf der Abhängigkeit von der Lutherbibel Bedenken erregen. Ich halte es durchaus nicht fi^r ausgeschlossen, dass mir die unwillkürliche Erinnerung an eiöe Stelle der Lutherbibel zur Ursache werden kann, einen
®°ck zu schiessen. Hier und da habe ich aber auch
, * Eduard König hat in einer Fülle von Broschüren die neue Er - Kenntnis bekämpft. In vielen Punkten hat er während des Kampfes
£eJernt, so dass man fast erwarten muss, er werde sich schliesslich selbst
^ erlegen. Aber noch immer fehlt ihm der Einblick in das Wesen er_ altorientalischen Lehre. Selbst in der letzten Schrift: „Die baby- Gefangenschaft der Bibel als beendet erwiesen“ , findet sich d m^er k\are Beweis dafür, dass König noch immer nicht weiss, was er Tierkreis ist. Den immer wieder erhobenen theologischen Ein- and, ein Hineinziehen heidnisch-mythologischer Motive sei der Religion unwürdig, sollte König doch wirklich fallen lassen. Haben sich a lf a i en gescheut, in den Katakomben heidnische Motive (Jesus
^Um ^8se^8 ?tc0 zu verwenden? Ist der Heliand ein des Christen- t r unwÜ5diges Dokument, weil er heidnisch-germanische Motive
«oKimgen lässt?
Gelegenheit, mit W inckler mitzufühlen, dem es besonder©
Freude macht, wenn im Gegensatz zu einer E rklärung des gelehrten Exegeten zu sagen ist: Luther hatte bereits da»
Richtige.* W as den besonderen F all betrifft, so befinde ich mich in gleicher Verdammnis mit Kautzsch, der auch „Seelen“ über
setzt. Nephesch kann hier wie Ez. 27, 13 allerdings „Sklave“
heissen. Es würde dann, woran meines Wissens noch nicht er
innert worden ist, babylonischem Sprachgebrauch entsprechen;
im Babylonischen heisst der Sklave napischtu. Die Ueber
setzung Gunkels: „Sklaven, die er g e k a u f t h a tte “ Oiias), ist zum mindesten nur e in e Erklärung. Ob ich bei der Nieder
schrift an eine Andeutung religiöser Propaganda gedacht habe, ist mir nicht bewusst. Aber Gunkels Vermutung könnte mich nachträglich dazu reizen. Es würden sich dann zwei E r
klärungen auf Grund verschiedener Gesamtauffassung gegen
überstehen. Warum steht hier nephesch, das den Menschen als geistiges Wesen (speziell im Gegensatz zu Tieren) be
zeichnet? Der Sklave heisst doch sonst cebed? Warum wird nicht nephesch v o r der „Habe“ aufgezählt oder, wie sonst, als dinglicher Besitz in die Habe (rekusch) mit eingerechnet?
3. Ganz sonderbar versteht Jeremias Gen. 49, 23 f.: „Schaddai, der Recke Jakobs, hat einen Hirten zum Grundstein Israels gemacht“ ; dies soll doch nicht etwa eine Uebersetzung des Textes sein?
Das soll allerdings eine Uebersetzung sein. Und zwar be
beruht sie auf einer Lesung des unpunktierten Textes, die meines Wissens von Klostermänn vorgeschlagen wurde: öiöa,
„dadurch, dass er setzte“. Leider vergass ich, das anzumerken.
Die Konjektur w ar mir seinerzeit so einleuchtend, dass ich im Augenblicke des Niederschreibens g ar nicht daran gedacht h a tte , dasä es sich um eine Aenderung der Interpunktion handelt. Gunkels Uebersetzung der schwierigen Stelle: „Durch die Macht des Stieres Jakobs, durch den Namen des Hirten des Israelsteines“ kann ich meinerseits keinen Sinn abgewinnen.
4. S. 280 heisst es: der Asasel werde in die Wüste geschickt, statt des Richtigen, dass für Asasel ein Bock in die Wüste geschickt wird.
Natürlich ist das ein lapsus, S. 276 steht das Richtige.
Aber der lapsus hat einen Sinn, der Gunkel nicht bekannt za sein scheint. A s a s e l i s t m it se in e m B o ck id e n tis c h . Das ergibt sich aus dem Gedankenkreis der gesamten alt
orientalischen Mythologien wie überhaupt jeder Mythologie.
Denn jedem Gott wird sein T ier zunächst geopfert. Henoch 10, 4 wird der gefesselte Asasel in einen Brunnen (bör = Eingang zur Unterwelt AT AO S. 293 Babylonisches im NT S. 40. 116) der W üste geworfen, vgl. hierzu Wincklers Geschichte Israel II, 258.
5. Der Satz, dass dem Hebräer der Euphrat die Ostgrenze der be
kannten Welt sei (S. 102), kann dem Verf. nur aus Versehen ent
schlüpft sein.
Ja, aus Versehen. Es sollte heissen: Die Grenze der von ihnen beanspruchten W elt. S ta tt Hebräer sollte besser gesagt sein: für die spätere Umdeutung der Juden.
6. Wichtiger ist, dass Jeremias aus Test. Jos. 11 herausliest, Joseph sei im bör (Zisterne) drei Monate fünf Tage gewesen, woran er dann bedeutsame Schlussfolgerungen knüpft (S. 240); in Wirklichkeit sagt die Stelle, dass er so lange beim Sklavenhändler war; in der Zisterne war er nach Test Seb. 4 drei Tage.
Die drei Monate fünf Tage beziehen sich allerdings auf den Aufenthalt beim Sklavenhändler. Aber auch hier erklärt sich der „Irrtum “ auf einer Ideenassoziation, die dem Zusammen
hang der mythologischen Motive entspricht. Wincklers Aus
führungen Geschichte Israels I I , S. 77 hätten Gunkel die dem Kenner des altorientalischen Weltbildes selbstverständ
liche Ideenverbindung näher bringen können. Dort steht das Richtige. Aber es wird richtig hinzugesetzt: Das ent
spricht dem Aufenthalt im bör, w e lc h e r g e n a u so l a n g e d a u e r n m u ss, denn er umfasst die Zeit von dem Hinabsteigen in die Unterwelt, der Wintersonnenwende, bis zum Aufsteigen
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